Kommentarserie 1955 zusammengefaßt

Einige Stichworte in diesem Jahrgang (in Auswahl)

Glaubensheilungen, Psychoanalyse, Christliche Krieger, Marienkult, Krokodile, Adventisten, Felddiensttabellen, Italien, McCarthy, WBBR, Positives Denken, Neuapostolische Kirche, Kommunismus contra Christentum, Evolution, Fronleichnam, Prozess in Schottland, Covington, Theokratie von 1938, Epikur, Wehrdienst, New Jersey, Herold of Christ Kingdom, Karl R. A. Wittig, Töllner, Willi, Billy Graham, Erich Jüstel, Spenden für WTG-Hauptamtliche, Eisenhower, Marley Cole „Triumphant Kingdom"

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Geschrieben von Drahbeck am 01. Januar 2005 03:42:44:

In zwei Punkten meint der „Wachtturm" in seiner Ausgabe vom 1. 1. 1955 sich von der religiösen Konkurrenz absetzen zu sollen. Pikant dabei auch, dass der eine Punkt sogar die eigene Organisation betraf. So wie man es zu Russells Zeiten hielt, dass will der „Wachtturm" nicht länger gelten lassen. Und in der Tat hatte Rutherford da bedeutsame Veränderungen herbeigeführt. Ob zum „besseren", das allerdings bleibt nach wie vor fraglich. Sicherlich zum besseren für die Organisationsegoistischen Ziele der WTG. Zu Zeiten Russells war es in der Tat noch nicht absehbar, dass daraus mal eine Organisation von „Klinkenputzern" werden würde. Das hat in der tat, Rutherford mit Nachdruck durchgesetzt. Die alten Russelliten hingegen hofften immer noch „gen Himmel" zu fahren. Wenn es 1914 noch nicht klappte, dann eben „später". „Später - wann ist das" fragte mal ein Schlagerliedchen vor etlichen Jährchen. Aber lassen wir letzteres.

Für die Russelliten war es klar, für ihre beabsichtigte „Himmelfahrt" müssen sie sich sozusagen als „Eintrittskarte" würdig erweisen. Um dieses „würdig erweisen" drehte sich ihr ganzes Trachten und Handeln. Damit aber konnte Rutherford nebst Nachfolger nicht rechtes anfangen. Denn ein „Klinkenputzer" braucht in der Tat ein anderes „Profil" und Eigenschaften. Man wird Rutherford bescheinigen müssen, dass es ihm gelang - durchaus unter organisatorischen Verlusten - diesen Wandel noch zu seinen Lebzeiten durchzusetzen. Seine Nachfolger konnten sich da schon „ins gemachte Nest" setzen; respektive dieses neue System im Detail weiter ausbauen, ohne die grundlegende Arbeit dafür noch leisten zu müssen. Die hatte für sie bereits Rutherford erledigt. Aber auch Rutherford's Nachfolger mussten bei der Rückschau durchaus zugeben: Es sah in ihrer Organisation nicht immer so aus, wie in der Gegenwart. Einem solchen Rückblick begegnet man auch in der genannten WT-Ausgabe. Durchaus im Hinblick auf die eigene Organisation liest man darin auch die Sätze:

„In jenen früheren Jahren wurde dem Thema der Entwicklung der 'Früchte und Gnaden des Geistes', wie es allgemein genannt wurde, viel Aufmerksamkeit geschenkt. Mit Galater 5:22, 23 als Grundlage war es ein Lieblingsthema für viele Ansprachen und wurde oft in Form eines Symposiums (einer Ansprache, an der mehrere Redner beteiligt sind) behandelt. Beständig aber wollte man dabei zeigen, wie jeder einzelne gemäß den Richtlinien der 'Charakterentwicklung' die verschiedenen Eigenschaften in sich entwickeln müsse, die der Apostel einzeln aufführt. In der Tat legten einige die damals in der Wahrheit waren, so viel Nachdruck auf die hervorragende Bedeutung der Entwicklung dieser Dinge und verstiegen sich dabei so weit, daß sie sich selbst eine viel zu große Aufmerksamkeit zollten. Jede kleine Erfahrung oder jeder kleine Umstand wurde so angesehen, als spiele er eine gewisse Rolle im Erproben und Entwickeln des Charakters. In vielen Fällen führte es dazu, daß die Betreffenden auf sich selbst eingestellt und egoistisch wurden, natürlich nur in bescheidener Weise. In anderen Worten, man könnte sagen, daß sie überreif wurden und vom Stamme fielen."

Meinte jedenfalls der WT. Aus der Sicht jener, die diesen Wandel persönlich hautnah miterlebten, sah dass in der Wortwahl etwas anders aus. Als diesbezügliches Dokument ist dabei besonders aus das Buch von William Schnell „Dreissig Jahre Sklave des Wachtturms" hinzuweisen, der diesen Wandel im Detail beschreibt.

Beim Blick auf die religiöse Konkurrenz stellt der „Wachtturm" fest, dass man andernorts andere Prioritäten setzt. Mit einer solchen anderen Prioritätensetzung versucht auch die genannte WT-Ausgabe sich auseinanderzusetzen. Und zwar unter der Artikelüberschrift: „Sind Glaubensheilungen biblisch?" Wie man unschwer erraten kann, verneint der „Wachtturm" das. Aber auch er kommt an dem Umstand nicht vorbei, dass Teile der religiösen Konkurrenz eben das, was er verneint, im besonderen Maße auf ihre Fahnen geschrieben haben. Und so sieht er sich denn unter anderem genötigt auszuführen:

„Das Interesse an Glaubensheilungen nimmt in der ganzen Welt zu. In den Vereinigten Staaten haben Glaubensheiler Abend um Abend gedrängt volle Säle und veranstalten Radio- und Fernsehprogramme. Eine Zeitschrift, die sich mit Glaubensheilungen befaßt, rühmt sich, mehr als eine Viertelmillion Leser zu haben. Die Londoner 'New Chronicle' vom 21. Mai 1954 spricht von fünfzig schottischen Geistlichen, die Glaubensheilungen vollziehen, und sagt, daß sich diese Tätigkeit 'in Schottland ausbreite'. Ferner wurde laut der Zeitschrift 'Time' vom 17. Mai 1954 anläßlich einer Tagung von Wissenschaftlern in Südfrankreich vorgebracht, daß es in Frankreich mehr 'nicht anerkannte' Heiler gebe als Ärzte mit Patent, und zwar 48.000 im Vergleich zu 42.000, und daß auch in Deutschland die Glaubensheilungen zunehmen.

Ferner ist die Zahl der Ausüber der Christlichen Wissenschaft im zunehmen, die behaupten, die Menschen von ihren Übeln heilen zu können, da diese nach ihrer Behauptung nur im Gemüt existierten. Auch darf die zunehmende Zahl Wunder nicht übersehen werden, die man in der ganzen Welt römisch-katholischen Schreinen zumißt. An erster Stelle davon und am genauesten dokumentiert scheinen jene in Lourdes, Frankreich, zu sein. Laut Berichten seien selbst Hunde geheilt worden."

Der WT meint sich nun auf die Linie festlegen zu sollen, dass jene Wunder, von denen im Bbelbericht die Rede ist, zeitbedingt, zur Stützung der neuen Religion Christentum erfolgten. Jedoch nicht als Dauerzustand vorgesehen gewesen seien, zumal sich ja das Christentum dann etablierte, und daher dieser „Hilfskrücken" als etablierte Organisation, nicht mehr zwangsläufig bedurfte. Andererseits will er die Wunder im Urchristentum durchaus wörtlich verstanden wissen, und setzt sich gegen Auffassungen zur Wehr, welche dieses wörtliche Verständnis in Frage stellen. Ein Beispiel für diese Auffassung ist auch sein Votum:

„In Anbetracht der Dinge, die der Mensch hinsichtlich der Wirkung des Gemüts auf den Körper kennenlernt, schreiben einige die in der Bibel berichteten Heilungen diesen psychosomatischen Beziehungen zu. Alle aber, die Jesu Äußerung an Gott, 'Dein Wort ist Wahrheit', glauben, können eine solche Erklärung nicht annehmen, denn durch die ganze Bibel hindurch wird klar gezeigt, daß jene Heilungen Kundgebungen der Macht Gottes waren."

Weiter meint der WT:
„Da wir die 'Glaubensheilungen' der Neuzeit nicht der Macht Gottes zuschreiben können, wie können wir sie denn erklären? Vor allem laßt uns beachten, daß in vergangenen Jahren vieles gelernt worden ist, was die Beziehungen zwischen Leib und Geist betrifft, und gewisse Fachkenner sind der Ansicht, daß etwa ein Drittel aller Krankheiten im Sinn entsteht, ein Drittel im Körper und ein Drittel durch die Verbindung beider. In dem Maße, in dem ein Leiden durch Faktoren des Geistes oder Gemüts verursacht worden ist, in dem Maße könnte es leicht auf eine 'Glaubensheilung' reagieren. Es ist überdies wohlbekannt, daß der Geist eine große Macht über den Leib hat, wie die Bibel es auch anzeigt: 'Ein fröhliches Herz bringt gute Besserung, aber ein zerschlagener Geist vertrocknet das Gebein.' …

Was aber ist von jenen Heilungen zu sagen, die nicht auf diese Weise erklärt werden können? Schon die Tatsache an sich, daß Gott 'nicht parteiisch' ist, schließt den Gedanken aus, daß sie von ihm gewirkt werden, denn wir sehen, wie viele böse Menschen sich guter Gesundheit erfreuen, und daß viele aufrichtige Christen wegen schwacher Gesundheit leiden. So müssen wir uns denn anderswo nach einer Erklärung umsehen. Wo denn?
Es wird uns gesagt, daß 'Satan selbst sich fortwährend in einen Engel des Lichts verwandle', ferner, daß seine Werkzeuge Zeichen und Wunder vollzögen, 'um so, wenn möglich, auch die Auserwählten zu verführen'."

Und mit dieser Interpretation ist dann für den WT das Thema im wesentlichen „abgehakt".

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Geschrieben von Drahbeck am 08. Januar 2005 02:15:28:

Als Antwort auf: Drahbeck am 01. Januar 2005 03:42:44:

Die „Entzauberung" der Religion kann sich in vielerlei Formen bemerkbar machen. Für gewisse Leute ist der Ausspruch des Astronomen Laplace, dem Napoleon gegenüber ein Sakrileg. Demnach soll Napoleon Laplace gefragt haben, warum in seinem System Gott nicht vorkomme. Worauf letzterer antwortete: „Sir, ich bedurfte dieser Hypothese nicht."
Man vergleiche dazu auch
members.vol.at/roemer/1999/roe_9912.htm
http://de.wikipedia.org/wiki/Laplace
Gelegentlich begegnet man Elementen der Religions-Entzauberung selbst in der Zeugen Jehovas-Zeitschrift „Erwachet!". So in ihrer Ausgabe vom 8. 1. 1955. Dort kam „Erwachet!" auf die sogenannte „Psychoanalyse" zu sprechen. Es müht sich dabei einen relativ neutralen Standpunkt zum Thema einzunehmen. Diese beabsichtigte Neutralität sei in diesem Fall nicht grundsätzlich in Abrede gestellt. Indes hat die mit dem Namen Sigmund Freud verbundene Angelegenheit noch einen anderen Aspekt. Über den wurde schon mal ausgeführt:

„Wenn schon das Wort Neurosen gefallen ist, dann bietet es sich an, in seinem Zusammenhang auch den Namen Siegmund Freud mit zu nennen.
Bis heute als Überblicksdarstellung noch immer beachtlich, ist das von dem Jesuiten Karl-Heinz Weger herausgegebene Buch "Religionskritik von der Aufklärung bis zur Gegenwart". Weger stellt darin laut Untertitel 93 Autoren etwas näher vor, im Rahmen obiger Thematik. Unter ihm eben auch Siegmund Freud (1856 - 1939).
Daraus mal ein paar Sätze aus der Darstellung von Weger über Freud:
"Grundlegend für Freud's Religionskritik ist der Begriff 'Verdrängung', weil Freud Religion und Neurose gleichsetzen wird, die Neurose aber ohne den Prozeß der Verdrängung nicht verstanden werden kann … Der neurotische Mensch verliert eine realitätsgerechte Leistung´s- und Genußfähigkeit, da ihm eine 'Ersatzlösung' 'gelingt', für die er allerdings einen teuren Preis zahlt: u. a. ein übermäßiges Angstgefühl, ein unbewußtes Schuldgefühl und das damit verbundene Verlangen nach Selbstbestrafung, was Alfred Adler so formuliert: 'Der Neurotiker läuft ständig seinen eigenen Ohrfeigen nach.' …
Kennzeichnend für die Neurose ist nach Freud die Tatsache, daß der Neurotiker die harte Wirklichkeit der Welt, die Realität, nicht so annehmen will, wie sie ist. 'Die Neurose verleugnet' im Gegensatz zur Psychose 'die Realität nicht, sie will nur nichts von ihr wissen'. …
Freud meint, die Neurose vertrete in unserer Zeit das Kloster, in welches sich alle die zurückzuziehen pflegten, die das Leben enttäuscht hatte oder die sich für das Leben zu schwach fühlten. In der Religion flieht der Mensch vor der harten Realität in die Wunschwelt des Kindes … und deshalb ist Religion Illusion … Das Unbewußte und damit das Irrationale ist also der Ursprung der Religion, nicht die rationale Auseinandersetzung des denkenden und reflektierenden Menschen mit sich und seiner Welt. …
Denn Illusion ist für Freud keineswegs gleichzusetzen mit Irrtum, da eine Illusion nicht falsch oder im Widerspruch mit der Realität sein muß. Entscheidend am Illusionsbegriff Freud's ist, daß eine Illusion nicht von der Wirklichkeit motiviert ist, sondern vom Wunsch: Was getan wird oder geglaubt wird, hat seinen Grund nicht in der Wirklichkeit, sondern im Wunsch, der erfüllt werden möchte."

Jene Religionskritischen Aspekte bei der Einschätzung des Sigmund Freud, spart „Erwachet!" in seiner Berichterstattung zum Thema, nun grundsätzlich aus. Dennoch ist es nicht uninteressant auch die Ausführungen zum Thema Sigmund Freud im „Erwachet!" einmal zur Kenntnis zu nehmen. Es ermöglicht sicher, das Bild weiter abzurunden.
Da „Erwachet!" sich auf die vermeintliche Linie der Neutralität Freud gegenüber glaubt zurückziehen zu sollen, so mag dieses Prinzip auch hier nicht durchbrochen werden. Nachstehend ebenfalls neutral, dass, was „Erwachet!" seinen Lesern dazu mitteilte.:

Was ist Psychoanalyse?
DURCH Tierversuche sowie Beobachtungen an Menschen mit Hirnverletzungen konnte die physiologische Psychologie feststellen, daß bestimmte Teile des Hirns sich gewisser Funktionen annehmen. So sind auch die verschiedenen Sinne in bestimmten Teilen des Hirns lokalisiert. Auch soll bei Rechtshändern das Sprachzentrum mit dem motorischen Sprech- und Schreibzentrum in der linken Hirnhälfte zwischen dem Zentrum des Intellekts im Stirnhirn und dem Hör- und Sehzentrum mehr gegen den hinteren Teil des Hirns zu finden sein.

In einem gewissen Teil des Hirns werden Bilder (der Außenwelt) geformt, und in einem anderen Teil, wahrscheinlich im Hypothalamus, liegt die Gefühlsphäre. Gewisse Fertigkeiten, die ein bestimmter Teil des Hirns erlernt hat, können, wenn nötig, wie zum Beispiel infolge eines Unfalls, von einem anderen Teil des Hirns erlernt werden.

Bei der Besprechung der Geistestätigkeit und des Bewußtseins, wovon uns die Schule der Psychoanalyse, von der wir hier sprechen, einen Begriff vermittelt, sollten wir jedoch nicht an die verschiedenen Zentren im Hirn denken, sondern an die verschiedenen Funktionsweisen des Hirns. Psychoanalytiker nennen diese Tätigkeit das Bewußte, das Vorbewußte und das Unbewußte. Es sei noch erwähnt, daß im Hinblick auf die vielen verschiedenen Theorien die folgenden Darlegungen sehr vereinfacht sind.

Als das Bewusste wird jener Teil des Sinnes bezeichnet, der bei Gedanken verweilt, deren man sich im Augenblick bewußt ist; der Leser dieser Zeilen ist sich zum Beispiel der Gedanken bewußt, die hier dargelegt werden. Was wir zu irgendeiner Zeit denken, das ist das Bewußte.

Das Vorbewusste ist das Gedächtnis, auf das man willkürlich zurückgreifen und aus dem man sich sofort Dinge in Erinnerung rufen kann. Während des Lesens dieser Zeilen zum Beispiel dachten Sie nicht an das Jahr 1914, aber wenn jemand fragte: „Wann brach der Erste Welt-
krieg aus?", würden Sie aus dem Vorbewußten sofort die Zahl 1914 hervorholen.

Das Unbewusste
Eine Zeitlang nannte man das Unbewusste das Unterbewußtsein; da aber diese Bezeichnung den Gedanken an einen bestimmten Ort im Hirn aufkommen ließ, es jedoch nicht die Lage ist, die die beiden voneinander unterscheidet, wurde der Ausdruck „Unterbewußtsein" durch den Ausdruck „Unbewußtes" ersetzt. (Es gibt jedoch Psychologen, die beide Ausdrücke verwenden, um zwei verschiedene Dinge damit zu bezeichnen.) Der Sinn des Menschen, das Bewußte und das Unbewußte, wurde mit einem Eisberg verglichen, von dem 10% (das Bewußte) aus dem Wasser ragen und 90% (das Unbewußte) sich unter Wasser befinden. Das Unbewußte ist nicht nur ein Archiv von Dingen, an die wir uns nicht willentlich erinnern können, die aber einmal in unserem Bewußtsein waren, sondern auch von Dingen, deren wir uns nie bewußt geworden sind, die wir erlebten, und auch von vielen Dingen, die wir nie erlebten, auf die wir unbewußt hofften, Wünsche und nicht eingestandenes Verlangen, Gefährliches, Unkeusches und Absurdes.

Das Vorhandensein des Unbewußten wurde, obschon seine Entdeckung Freud, dem Begründer der Psychoanalyse, zugeschrieben wird, lange vorher anerkannt. Aus dem Unbewußten steigen die Traumbilder auf, während das Bewußte schläft; es ist verantwortlich für die Worte des Schlafredners und die Taten des Schlafwandlers. Mit dem Unbewußten der Versuchsperson stellt der Hypnotiseur den Kontakt her, nachdem er ihr Bewußtsein in Schlaf versetzt hat, und dem Unbewußten kann er posthypnotische Suggestionen eingehen, die die Versuchsperson später ausführen wird, ohne zu wissen warum. Daß das Unbewußte einen viel größeren Teil des Sinnes ausmacht, kann leicht bewiesen werden.

Eine auf der Straße gehende Frau sah nur aus den Augenwinkeln die Auslagen eines gewissen Schaufensters; als sie gefragt wurde, was sie gesehen habe, wußte sie nicht viel zu sagen. Aber in der Hypnose konnte sie viel von der Auslage beschreiben, und in der Tiefenhypnose konnte sie noch mehr beschreiben. All das hatte das Auge dem Unbewussten übermittelt, ohne daß das Bewußte davon Kenntnis hatte.

Ein Angestellter einer Radiostation musste einmal für einen Redner einspringen und dessen Manuskript ohne Vorbereitung vorlesen. Erstaunt bemerkte er, wie fließend er es lesen konnte, obschon er sonst kein guter Leser war. Einige Tage später erinnerte er sich, daß er diesen Vortrag schon sechs Monate früher einmal am Rundfunk vorgelesen hatte; damals aber war er gründlich vorbereitet gewesen. Das Unbewußte erinnerte sich an den Vortrag, oder, genauer gesagt, es enthielt ihn. Dies war der Grund für sein fließendes Vorlesen. Da er aber aus seinem Bewußtsein verschwunden war, las er bis zum letzten Wort, ohne ihn wiederzuerkennen. Es könnten noch zahlreiche weitere Beispiele angeführt werden.

Vor- und nachteilig
Die erwähnten Tatsachen über das Unbewußte sind auch praktisch ausgewertet worden. Ein Psychologe empfiehlt zum Beispiel, man solle sich gerade vor dem Einschlafen ein zu lösendes Problem durch den Kopf gehen lassen, weil das Unbewußte während des Schlafes vielleicht arbeite und wir dann nach dem Erwachen die Lösung mit verhältnismäßig geringer Anstrengung finden. Opernsänger konnten sich Zeit und Mühe für das Auswendiglernen von Arien ersparen, indem sie sich diese, während sie schliefen, vorspielen ließen. Es ist eine bekannte Tatsache, dass Telegrafenbeamten das Morsealphabet im Schlaf beigebracht wurde.

Das Unbewußte kann je nach der Person nicht nur von Nutzen, sondern auch von Schaden sein. Wenn sich ein Mensch nicht aufrichtig und tatsächlich bemüht, mit seinen Sorgen und Ängsten fertig zu werden sowie Haß und böse Wünsche beiseitezutun, wenn er sie nährt, ohne jedoch davon zu sprechen, sei es umständehalber oder aus taktischen Gründen, so bewahrt er sie im Unbewußten auf. Dort wirken sie in unterirdischer Wühlarbeit, die sich verheerend auf sein Gemüt und seine geistige und körperliche Gesundheit auswirkt.

Den ersten Anstoß zur Psychoanalyse gab die Heilung eines Mädchens, das an schweren hysterischen Störungen erkrankt war. In der Hypnose hatte die Patientin einen ihr unbewußten Konflikt offenbart, der nachher gelöst werden konnte, wodurch sie von der Hysterie geheilt wurde; dies war eine ganz zufällige Entdeckung. Später wurde auf die Hypnose verzichtet und versucht, auf Grund der „freien Einfälle" oder Mitteilungen des Analysierten dahinterzukommen, was buchstäblich am Lebensnerv dieses an Hysterie oder einer anderen Form von Neurose erkrankten Menschen zehrte.

Und hier müssen wir uns nun mit dem Thema Träume befassen. Die ins Unbewusste verdrängten Erlebnisse und Wünsche erscheinen im Traum, denn dann übt der Wille des Menschen oder sein Ich keine Zensur. Gewöhnlich äußern sie sich nicht unverhüllt, sondern in Bildern (Symbolen). Deshalb versuchten die Psychoanalytiker die Träume zu deuten, wobei sie die Neigung zeigten, allen Träumen eine sexuelle Bedeutung zu geben.

Als Beispiel eines solchen Konfliktes im Unbewußten mag das Nähren eines Grolles erwähnt werden. Dieser Groll mag Ihnen nicht bewußt sein, weil Sie an andere Dinge denken müssen, um leben zu können; aber wenn man mit der Person, der man grollt, keinen Frieden schließt, wird der Groll immer im Unbewußten vorhanden sein und Schwierigkeiten bereiten. Er dringt nicht nur fortgesetzt in das Bewußte ein, sondern macht einen auch unbewußt allen Handlungen jener Person gegenüber kritisch, ja sogar gegenüber allem, was ihr gleicht. Man empfindet gegen andere eine Abneigung, und zwar ganz ohne Grund, ausgenommen, daß man im Unbewussten zwischen ihnen und der Person, der man gram ist, eine Ähnlichkeit bemerkt hat, sei es in der Erscheinung, der Art des Benehmens oder der Stimme. Die Wirkung dieses unbewußten Grolles auf die Gesundheit gehört zu den stichhaltigsten Argumenten, die zugunsten der Psychosomatik sprechen. Es ist daher schon im Interesse der körperlichen Gesundheit, daß man gegen niemanden einen Groll hegt.

Das Es, Ich und Überich
Freud teilte das menschliche Seelenleben auch in das Es, das Ich und das Überich ein. Was ist das Es? Es bezeichnet die wichtigsten angeborenen Triebe in uns, die das ganze Leben hindurch befriedigt werden wollen; der kraftvollste ist der Geschlechtstrieb. In der Psychoanalyse stellen das Es, das Ich und das Überich drei Stufen und Aspekte unserer Persönlichkeit dar.

Man beginnt sein Leben nur mit dem Es. Der Säugling besitzt ein paar wenige Instinkte, die er befriedigen möchte, wie das Saugen, die Abwehr gegen Schmerz, den Bewegungsdrang und die Essensfreude. Wird einer dieser Triebe nicht befriedigt, so schreit das Kind. Im Laufe der Zeit lernt es jedoch als Folge der elterlichen Erziehung, daß es nicht immer seinen Willen durchsetzen kann, und paßt sich den Forderungen des Lebens (der Realität) an; damit entsteht das Ich, das über das Es aus praktischen Gründen eine strenge „Zensur" übt. Wenn das Kind älter wird, lernt es zwischen Recht und Unrecht unterscheiden, es lernt Grundsätze kennen, und das Gewissen beginnt zu arbeiten: der Mensch entwickelt ein Überich, das als Mahner wirkt. Mit dem Ich wird die Persönlichkeit bezeichnet, der Erfolg der Bemühungen des Menschen, das Es unter Kontrolle zu bringen und sein Leben durch das Überich zu beherrschen.

Nach der Psychoanalyse äußert sich das Es auch im sogenannten Ödipus-Komplex. Ödipus war in der griechischen Mythologie ein thebanischer König, der als Jüngling seinen Vater erschlug, ohne zu wissen, daß er es war, und später eine hübsche Frau heiratete, die, wie er dann entdeckte, seine Mutter war, genau wie das Orakel vorausgesagt hatte. Freud kam durch das Geständnis seiner reichen hysterischen Patientinnen, betreffend ihre blutschänderischen (inzestuösen) Wunschvorstellungen und Triebe ihren Vätern gegenüber, zu der Schlußfolgerung, daß sie in jedem Menschen zu finden seien; dies sowie seine Ansicht, daß das kleine Kind schon ein Sexualleben habe, lieferten ihm die Grundlage für seine Theorie vom Ödipus-Komplex, daß nämlich jeder Knabe in einem gewissen Alter seine Mutter liebe und seinen Vater hasse, wie Ödipus dies getan hatte, und umgekehrt.

Der Lebens- und Todestrieb
Die Psychoanalyse schrieb zuerst den stärksten Trieben im Menschen, die im Es enthalten sind und für den Ödipus-Komplex verantwortlich sind, große Bedeutung zu; sie wurden Libido genannt und bezeichneten vor allem die Sexualtriebe. Aber nach vielen Jahren zog der Begründer der Psychoanalyse die Einteilung aller Instinkte in zwei große Gruppen vor — in den Eros (nach dem griechischen Liebesgott), den Lebens- oder Liebestrieb, der schöpferisch und konstruktiv
wirkt, und in den Todes- oder Haßtrieb, Thanatos genannt (nach dem griechischen Gott des Todes), mit dem Ziel der Vernichtung und Selbstzerstörung.

Der Todestrieb ist die Verkörperung der Rebellion und äußert sich in Perversität, Bosheit, schlechtem Willen, Haß, Zank, Niedertracht; eine moderne Äußerung davon ist der jugendliche Wandalismus. „Herrschen oder vernichten" ist eine seiner Äußerungen. Er hat jedoch auch mildere Formen, wie Verlust des Lebenswillens infolge einer Enttäuschung oder Rückzug von der menschlichen Gesellschaft aus Selbstmitleid.

Der Lebenstrieb (Eros) andrerseits ist „der Vater aller schöpferischen Tätigkeit des Menschen. Seine eifrige gewerbliche und künstlerische Tätigkeit, seine intellektuellen und wissenschaftlichen Leistungen, seine fortgesetzten Bemühungen, vorwärtszukommen und seine Welt zu verbessern, sind weitere Äußerungen dieser drängenden Kraft, des schöpferischen Triebes. Es ist der Wille, zu leben und das Leben zu hegen in all seiner Buntheit."

Wir haben gesehen, wie der ganze Sinn des Menschen in das Bewußte, das Vorbewußte und das Unbewußte zerfällt; wir haben die drei Stufen und Aspekte der menschlichen Persönlichkeit kennengelernt, das Es, das Ich und das Überich, auch die Einteilung der Triebe in Lebens- und Todestriebe.

Diese Ausführungen entsprechen vorwiegend der Auffassung des Begründers der Psychoanalyse; einiges lehrte er zu Beginn seiner Laufbahn, und anderes Jahre später. Einige seiner „Schüler" sagten sich jedoch bald von ihm los und entwickelten eigene Theorien und Schulen.

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Geschrieben von Drahbeck am 15. Januar 2005 06:56:25:

Als Antwort auf: Drahbeck am 08. Januar 2005 02:15:28:

„Was mag alles geschehen, wenn die 'Besessenen' von Brooklyn ihrer Religion wieder einmal einen neuen 'touch' geben - diesmal vielleicht in Richtung noch militanterer, noch gesellschaftswidriger Lehren und Gebote? Nichts wäre leichter, als dem fanatischen Heer der 'Zeugen Jehovas' mit dem erprobten Geschick abermals neue Verheißungen zu proklamieren und es womöglich zu einer noch extremeren Haltung der Gesellschaft gegenüber zu programmieren. Diese Umfunktionierung muß ja nicht gleich bis zu dem fürchterlichen Lehrsatz 'Ihr sollt Freude am Erschlagen haben' führen. Obwohl: In ihren Aussagen über das Blutbad von Harmagedon, die größte und abscheulichste Massenschlächterei am Ende der Brooklyner Weltgeschichte, wird die Freude am Erschlagen - hier der Feinde Jehovas - auch schon zu einer glaubensmäßigen Selbstverständlichkeit. Nur: die 'Zeugen Jehovas' greifen dabei nicht selbst zur Axt. Das Gemetzel erledigt für sie die himmlische Obrigkeit.

Möge es bei dieser Theologie aus dem Watchtower Wolkenkratzer nur bleiben, denn die Glaubensblindheit vieler starrer Sektierer läßt eine Empfangsbereitschaft für Manipulationsmethoden der Religionshypnose nach vielen Seiten offen. Es gibt kaum eine Möglichkeit, gefährliche religiöse Ausbrüche auch in unserer Zeit der vermeintlichen Vernunft unter Kontrolle zu bringen. Den mit allen modernen Techniken und psychologischen Erfahrungen ausgestatteten religiösen Managern, die nun schon seit hundert Jahren in weiten Teilen der Welt Legionen von Leichtgläubigen, Wankelmütigen und Seelenkranken in eine scheinbare Geborgenheit mit fanatischen Sehnsüchten suggeriert haben, die Glaubenslabile aber auch in Irre und Wahn führen, ist noch mehr zuzutrauen - im Guten wie im Bösen.
Gott bewahre uns vor einem Ausbruch des Bösen in den Hirnen der 'Wachtturm'-Bläser von Brooklyn."

Mit diesen Worten lässt Horst Knaut seinen 1975 erschienenen Bericht ausklingen (S. 225, 226).
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Geschrieben zu einer Zeit, wo das Selbstmorddrama der Volkstempelsekte des Jim Jones noch keine Realität gewesen. Geschrieben zu einer Zeit, wo an den islamistischen Anschlag auf das World Trade Center und ähnliches, gleichfalls noch nicht zu denken war.
An anderer Stelle schreibt dergleiche Autor noch:

„'Ach, malen Sie doch den Teufel nicht an die Wand. Das sind doch alles nur harmlose Spinner!' Diese vielverbreitete Meinung über religiöse Außenseiter kann man oft hören. Auch ein Mann hinter einem hohen sozial-liberalen Regierungsschreibtisch sagte mir das. Nun, mag er in dem Glauben bleiben. Glauben ist nicht Wissen. Glauben ist Vertrauenssache.
Der Mann hielt mich wahrscheinlich für verrückt, als ich ihm sagte, daß er in den Augen von hunderttausend 'Zeugen Jehovas' in unserem Lande nichts als ein ganz übler Satansknecht sei. Sein Gesicht blieb dabei unbeweglich überlegen. …

Ministerialblätter sind seit zehn Jahren seine Pflichtlekttüre. Und diese Lektüre ist umfangreich. Hinzu kommen sein Parteiamt und damit sein Mitengagement für ein Kirchenpapier, die Bildungsplanung und dann erst die kulturpolitischen Perspektiven. … Nein, wirklich nein, mit 'Banalitäten' kann man sich daneben nicht auch noch belasten …
So ist in etwa die Situation - nicht nur aus dem Blickwinkel eines Schreibtisches aus gesehen. Religiöse Orientierungen finden nur an den relevanten großen Glaubenspositionen statt. Und daher wird 'draußen' beinahe mit weltlichem Segen von oben bei den 'nicht so relevanten' weiter gepredigt, weiter verkündigt, verdummt, zerfleddert, verhetzt" (S. 220, 221).


Das Beispiel Islam hat gezeigt, wie schnell das „Pendel umschlagen" kann. Sicherlich gibt es im Islam auch breite Schichten, welche Selbstmordattentate und vergleichbares, entschieden ablehnen. Aber es gibt sie auch, jene vermeintlichen „Auswüchse".

Wie soll man in diesem Kontext wohl einen „Wachtturm"-Artikel der Zeugen Jehovas in dessen Ausgabe vom 15. 1. 1955 bewerten, mit der folgenden aussagekräftigen Überschrift?!
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Was soll man wohl vom Inhalt dieses Artikels halten, wenn man darin auch Sätze liest wie die:
„Jehova ist kein Pazifist, sondern er hat gemäß seinem eigenen Vorhaben gerechterweise zum Mittel des Krieges gegen die Feinde gegriffen, die gegen ihn und sein Volk Krieg geführt haben. Er hat niemals eine Schlacht verloren; denn seine Kriegführung ist heilig und gerecht."

Wie soll man es wohl werten, wenn in dergleichen WT-Ausgabe, kaum abgeschwächt, diese kriegerischen Grundsätze fortgeschrieben werden, unter der Überschrift.
„Der christliche Krieger".

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Im Gegensatz zu Herrn Knaut, der seine Frage einem „hohen sozialliberalen Schreibtischinhaber" stellte, scheint mir. Es wäre auch angebracht, wenn einige „hohe Richterschreibtische", namentlich solche befasst mit „Körperschaft des öffentlichen Rechts"Fragen, sich mit ihr intensiver auseinandersetzen würden. Nur das eine fürchte ich auch, am Ende steht dasselbe Ergebnis, dass schon Knaut prognostizierte, als er davon redete, dass jene Herrschaften zwar ihre „Ministerialblätter-Pflichtlektüre" absolvieren. Und das war es dann!

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Geschrieben von Drahbeck am 22. Januar 2005 04:42:16:

Als Antwort auf: Drahbeck am 15. Januar 2005 06:56:25:

Wenn es darum geht, die religiöse Konkurrenz "madig" zu machen, dann versäumt die WTG sicherlich keine sich dazu bietende Gelegenheit. Ein Bespiel dafür wird auch in der "Erwachet!"-Ausgabe vom 22. 1. 1955 unter der Überschrift "Marienkult in Heroldsbach" geliefert. Man kommt nicht umhin, der dort vorgetragenen Kritik über weite Strecken zustimmen zu müssen. Das ist wahrlich nicht die Frage. Die Frage ist aber die, ob denn die WTG wirklich "besser" ist. Wer ihre Geschichtsklittereien in Gesamtheit im Blick hat, wer an ihre mörderische Blutlehre und noch einiges mehr in der Richtung denkt, dem fällt es allerdings mehr als schwer, dabei zu einem für die WTG "günstigen" Urteil zu gelangen.

Das von der WTG aufgespießte Beispiel Marienkult offenbart aber auch, dass Religion ohne kritisches Werten ihres Tun und lassens, immer wieder in Positionen des Abseits gerät. Schlimm ist das besonders dann - und das ist dann die Regel - wenn demokratische Kontrollmechanismen, da nicht zu greifen vermögen, schon allein aus dem Grunde nicht, weil der Grundsatz der Demokratie von den Religionsverfechtern und Nutznießern, grundsätzlich negiert wird.

Zum Thema Marienkult in der genannten "Erwachet!"-Ausgabe wird einleitend ausgeführt, dass Papst Pius XII. am 1. 11. 1950, in einer feierlichen Zeremonie, die "leibliche Himmelfahrt Mariens" als Dogma verkündet habe. "Erwachet!" interpretiert das auch als "Morgengabe" an die Katholiken in den lateinamerikanischen Ländern, die ja in der Gesamtheit des Katholizismus, durchaus einen bedeutenden numerischen Anteil repräsentieren. Offenbar fühlten sich dadurch einige "beschwingt", es denn auch mal mit ihrer ganz individuellen Form des Marienkultes zu versuchen, so auch im bayrischen Heroldsbach.

Über letzteres erfährt man:

"Die Sache begann damit, daß vier kleine Mädchen aus Heroldsbach am Thurner Birkenwäldchen eine Vision der 'Jungfrau Maria' hatten. Das war am 9. Oktober 1949. Nicht lange, und der sich bis zu jenem Birkenwäldchen erstreckende, sanft ansteigende Wiesenhügel hieß in der ganzen Gegend nur noch der 'Erscheinungshügel'. Innerhalb einer Woche hatte sich das 'Wunder' der Erscheinung bereits so weit herumgesprochen, daß am Sonntag, dem 16. Oktober, schon annähernd zehntausend 'Gläubige' von nah und fern nach Heroldsbach zur Himmelswiese strömten, um Zeuge der Marienerscheinung zu sein. Der Pfarrer in Heroldsbach machte den Eindruck, als glaube er an die Erscheinung, die die Kinder gehabt haben wollten. Was hatten die Kinder 'gesehen'? Himmlische Chöre, die Heilige Dreifaltigkeit, die heilige Familie mit ihrem Esel, den lieben Gott in seiner himmlischen Wohnung, bestehend aus Küche-, Wohn- und Schlafzimmer! (Mit Bad, versteht sich!) Und Heilige und Posaunen-Engel ohne Zahl!

Und immer wieder die 'Mutter Gottes', wie sie vom Himmel herabstieg. Und das seidene Gewand der Himmelsmutter haben die Kleinen anfassen und befühlen dürfen! Wundervolles zartes Seidengewebe. Und Namen haben die Engel, die in der Begleitung der 'Gottesmutter' erschienen; echt bayerische Namen: Seppl, Bärbel und so weiter. Auch konnte gehört werden, wie die größeren Engel den kleineren hübsche Kinderlieder beibrachten. Hätte die Leichtgläubigkeit noch größer sein können in diesem 20. Jahrhundert?

Aber trotz all diesen wirklichkeitsfremden Einzelheiten besuchten in den folgenden zwei Jahren mehr als 1.500.000 Menschen dieses plötzlich zur Berühmtheit gelangte Städtchen Heroldsbach. Vier kleine Mädchen hatten dort die Gottesmutter gesehen!

Da der Ort immer berühmter wurde, und man bereits vom Bau einer Wallfahrtskirche sprach, konnte es nicht ausbleiben, daß das Erzbischöfliche Ordinariat zu Bamberg eines schönen Tages eine gewichtige Kommission entsandte, eine Untersuchung der Wundererscheinungen vorzunehmen. Die Untersuchungskommission des Bischofs von Bamberg fand aber zunächst keinen Grund zum Einschreiten. Sie hielt es für gut, weiterhin abzuwarten und allgemeine Zurückhaltung zu empfehlen. Daher hoffte man, Heroldsbach werde vielleicht ein zweites Fatima oder Lourdes werden.

Ja - und dann dauerte er nicht lange, bis den Heroldsbachern Sehern im Bischof von Bamberg ein scharfer Gegner erstand. Zunächst! Denn bald sollten noch mächtigere Widersacher auf den Plan treten. Im Juli 1951 stellte das Heilige Offizium in Rom, die oberste Behörde der päpstlichen Kurie in Dogmenangelegenheiten, fest, daß die Marienerscheinungen von Heroldsbach falsch seien und gegen den Glauben verstießen.

Das war der erste harte Schlag. Weitere folgten bald. Der Bischof von Fulda drohte allen Teilnehmern an dem Kulte von Heroldsbach schwere Kirchenstrafen an. Den geschäftstüchtigen Pfarrer traf die Strafversetzung. Alle auswärtigen Organisatoren der Erscheinungen wurden aufgefordert, den Ort zu verlassen. Die elektrische Lichtleitung zum Erscheinungshügel wurde abgeschnitten. Der Bischof von Bamberg führte den schwersten Schlag und exkommunizierte gleichzeitig neunzehn Angehörige der katholischen Gemeinde Heroldsbach, darunter vor allem die Eltern der Seherkinder und alle, die mit ihnen harmonierten.

Und eines Tages kam - die Polizei. Der Pfarrer erhielt an seiner neuen Wirkungsstätte, an die er zur Strafe versetzt worden war, den Besuch der Kriminalpolizei. Was jedoch gefunden wurde, war nicht viel: immerhin an die 13.000 DM und einen Beutel mit Schmuck, goldenen Ringen und Kreuzen, silbernen Kettchen, billigem Tand und kostbarem Geschmeide.

Im Mai 1953 wurde die Kapelle auf dem Erscheinungshügel auf gerichtliche Anordnung abgebrochen. Noch am Abend vorher hatte ein exkommunizierter Kaplan seine tiefbewegte Gemeinde zu trösten versucht: 'Es wird schon alles gut werden! Laßt uns beten, daß Rom uns erhört.' Wie ein harter Schlag hatte die Marienanbeter von Heroldsbach die Nachricht getroffen, daß am nächsten Morgen ihre schöne Kapelle, die sie ohne behördliche Erlaubnis gebaut hatten, abgebrochen werde. Und tatsächlich, um 7,30 Uhr am 15. Mai trafen die Abbrucharbeiter unter starkem Polizeiaufgebot auf dem Erscheinungshügel ein, und damit war das Schicksal der Marienerscheinungen besiegelt.

Die große illustrierte deutsche Zeitschrift 'Der Stern' schrieb: 'Kein Richterspruch der Welt kann wiedergutmachen, was an dem inbrünstigen Glauben der Wallfahrer gesündigt worden ist!'"

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Geschrieben von Drahbeck am 01. Februar 2005 05:05:21:
Als Antwort auf: Drahbeck am 22. Januar 2005 04:42:16:
"Die vielleicht ungewöhnlichste Taufe wurde jedoch im Luapula-Fluß in Kashiba (Nordrhodesien) veranstaltet. Der Fluß wimmelt von Krokodilen, und daher bildeten eine Anzahl Brüder mit ihren Booten (es handelte sich um ausgehöhlte Baumstämme) auf dem Fluß um die Taufstelle einen Kreis. Die Krokodile blieben fern, und die Taufe von 580 Brüdern ging reibungslos vonstatten."
Wenn man solche Episoden im "Wachtturm" liest, so in seiner Ausgabe vom 1. 2. 1955, kann man unschwer erraten, die WTG schwelgt wieder mal in Euphorie. Beleg ist auch dafür die in dieser Ausgabe publizierte Vision, dass Jahr 1955 zum Jahr der bis dahin größten Verbreitung an WTG-Druckerzeugnissen zu machen. Und so findet man denn allerlei "anfeuerndes" in dieser Ausgabe.

Dem zuzuordnen ist auch die "Ergebnisse der Bezirksversammlungen des Jahres 1954" überschriebene Tabelle in dieser WT-Ausgabe. Einleitend wird vermerkt, dass diese Tabelle unvollständig sei, weil einige WTG-Kongresse in der südlichen Hemisphäre noch bevorstünden; also noch nicht abgeschlossen seien. Diese Tabelle deshalb zu einem späteren Zeitpunkt zu veröffentlichen, wenn vorgenanntes erledigt ist, kam der WTG aber nicht in den Sinn. Auch ein Beleg dafür, von welcher Euphorie getränkten Atmosphäre, die WTG-Führung jener Jahre getränkt war.

Im einzelnen werden dann die Kongreßorte aufgezählt, jeweils untergliedert in Anwesendenzahl und Taufen. Und als Gesamtergebnis der, wie ausgeführt, noch unvollständigen Angaben, registriert man 427.057 Anwesende und 14.509 Taufen. Wenn der den Zeugen Jehovas zuzuordnende Autor Marley Cole, in "feiner" Differenzierung davon spricht, WTG-Präsident N. H. Knorr sei "kein" Antreibertyp, wohl aber einer "der Tüchtigkeit zu schätzen weiß" (welch "feiner" Unterschied), so wird man wohl sagen können. Mitte der 50er Jahre war der "Scheitelpunkt" des Wachstums bei den Zeugen Jehovas erreicht.
Natürlich nahmen sie auch in den nachfolgenden Jahren numerisch zu; schon aufgrund des Umstandes, dass die einmal erreichten Zahlen einen gewissen "Selbstläufereffekt" garantierten. Aber diese Zunahmen sollten sich doch als solche erweisen, wo die Schere zwischen Aufwand und Ertrag immer weiter auseinandergeht.

Maßgeblich für das gehetzte "Treppenterrierdasein" der damaligen Zeugen Jehovas, und wohl nicht "nur" der damaligen, ist auch jeweils das "kultivieren" der Endzeit-Naherwartungen. Etwa wenn die 1955er Kongresse mit der bewusst beiläufig, aber unüberhörbar eingestreuten Parole "glänzten"; sie seien vielleicht die letzten "vor" Harmagedon. Als Zeitzeugin berichtet Josy Doyon in ihrem Buch "Hirten ohne Erbarmen" auch davon.
Auch genannte "Wachtturm"-Ausgabe spielt auf diesem "Endzeitklavier". Das liest sich dann beispielsweise so:

"Was dieser Psalm in seinem siebenten Verse von diesem kollektiven 'Mann' oder dieser Klasse von Menschen sagt, wird sich während des Jahres 1955, ja bis zum siegreichen Ende der Schlacht von Harmagedon bewahrheiten: 'Nicht wird er sich fürchten vor böser Kunde; fest ist sein Herz vertrauend auf Jehova.' Er sieht dem neuen Jahre furchtlos entgegen. Die Kunde oder Botschaft über die Welt ist heute ganz schlecht; nichts Tröstliches ist daran. Außerdem gibt es in Gottes eigenem Wort für diese Welt keine gute Kunde, sondern nur eine solche vom Untergang durch den Vollzug der Rache Gottes an den Bösen. Der 'Mann', der Jehova fürchtet, weiß dies bereits und ist also nicht beunruhigt über den Gang der Weltereignisse und die unheilvolle Zukunft, die sich für diese Welt abzuzeichnen beginnt. Aus Gottes Prophezeiungen weiß er, daß diese Welt unter Satan binnen kurzem auf dem Höhepunkt dieser 'Zeit des Endes' enden muß …"

Geschrieben von Drahbeck am 08. Februar 2005 07:38:22:

Als Antwort auf: Drahbeck am 01. Februar 2005 05:05:21:

Ausgehend von der WTG-Endzeitdoktrin, titelt „Erwachet!" in seiner Ausgabe vom 8. 2. 1955:

 E55.8.2..jpg (16600 Byte)

Wie kaum anders zu erwarten, wird ein schwarz in schwarz Szenario gemalt. Darin finden sich dann auch solche Sätze wie die:
„Die kommunistische Lehre sagt einen bitteren Kampf an bis zum Ende. Lenin erklärte im Jahre 1919: „Die gemeinsame Existenz der Sowjetrepublik Seite an Seite mit den imperialistischen Staaten [d. h. allen nichtkommunistischen Staaten] ist undenkbar. Die eine oder andere Macht muß den Endsieg davontragen. Bevor jenes Ende eintritt, werden eine Reihe furchtbarer Zusammenstöße zwischen der Sowjetrepublik und den bürgerlichen Staaten unvermeidlich sein." Im Jahre 1920 sagte er: „Zuletzt … wird entweder der Sowjetunion oder dem Weltkapitalismus die Totenglocke läuten."

Viele Beobachter sind der Meinung, daß ein harter Kampf unvermeidlich sei. Der Amerikanische Rat Christlicher Kirchen sagte warnend, wenn Rußland kein Widerstand geleistet werde, warte „der Welt das schrecklichste Blutvergießen und eine Massenvernichtung von unvorstellbarem Ausmaß".

„Wenn Rußland kein Widerstand geleistet werde …„ Da fühlt man sich doch unwillkürlich an den Kult in der katholischen Kirche um den Wallfahrtsort Fatima in Portugal erinnert, wo denn in der Verkündigung der „Stifterin" dieses Kultes, genau dieselbe These in religiöser Verbrämung serviert wird.
Schon einleitend serviert „Erwachet!" in genannter Ausgabe eine Schreckensszenario bezüglich der gescheiterten Politik der Sowjetunion (in ihren Anfangsjahren) die Familie „abschaffen" zu wollen. Auch „Erwachet!" muss zugeben, selbst die Russen sahen noch ein, diese Politik ist gescheitert und korrigierten sie dann. Aber als Schreckgespenst für den braven Spießbürger offenbar ist der Hinweis darauf, immer noch geeignet. Wollten die Sowjets um der Stärkung der staatlichen Erziehungsdoktrination willen, dass damals so handhaben. So gibt es aber auch eine schleichende Auflösung von Familien in westlich geprägten Staaten. Nur das dort dies nicht der Staat besorgt, sondern die Erziehung zum eiskalten „Manchesterkapitalismus". Darüber indes redet „Erwachet!" schon nicht mehr. Ist es doch selbst - zumindest teilweise - Teil der Erziehung zum „Manchesterkapitalismus". Damit ist nicht bestritten, dass der Familie in der WTG-Doktrin ein beachtlicher Platz zugewiesen ist. „Manchesterkaptalismus", indes offenbart sich nicht nur auf dieser Ebene.

Es geht „Erwachet!" aber nicht um „konstruktive" Kritik. Konzeption der WTG ist die Destruktivität. Ersichtlich auch an solchen Sätzen in diesem Artikel wie die:
„Diplomaten und entmutigte Herrscher rufen aus: „Wir müssen militärisch stark sein, wenn wir unsere Freiheit behalten wollen." Jene, die am lautesten nach Frieden schreien, rüsten am fieberhaftesten zum Krieg. Sie leisten dem Aufruf folge: „Heiligt einen Krieg, erwecket die Helden; es sollen herankommen und heraufziehen alle Kriegsmänner! Schmiedet eure Pflugmesser zu Schwertern und eure Winzermesser zu Speeren; der Schwache sage: Ich bin ein Held!" - Joel 3: 9,10.

Eilt, eilt, immer schneller! Mobilisiert die Wehrmänner! Stapelt Atom- und Wasserstoffbomben auf! Beschleunigt die wissenschaftliche Forschung, die Entwicklung neuer, noch schrecklicherer Vernichtungswaffen! Dies ist der einzige Weg zum Frieden! Schneller, immer schneller drehen sie sich, bis die ganze Welt taumelt wie im Fieberwahn. Sie werden vom Wirbel der Hysterie und Furcht fortgerissen. Chaos und Verwirrung herrschen. Wahnwitz peitscht die Massen. Bestürzung und Schrecken hat die Herrscher erfaßt. Unaufhaltsam eilt die Welt dem Verderben entgegen …
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Geschrieben von Drahbeck am 15. Februar 2005 00:50:53:

Als Antwort auf: Drahbeck am 08. Februar 2005 07:38:22:

Mit der "Wachtturm"-Ausgabe vom 15. 2. 1955 beginnt eine sich über diverse Ausgaben fortsetzende Serie unter dem Titel „Neuzeitliche Geschichte der Zeugen Jehovas". Die erste Folge kommt auf die Frühzeit zu sprechen. Bereinigt um auch darin enthaltene apologetische Elemente konnte man darin unter anderem lesen:

„Als Hintergrund und Rahmen … erwiesen sich die Jahre von 1870 - 1900 als eine schicksalbestimmende Zeit für das 'Atomzeitalter' des 20. Jahrhunderts. Politische, religiöse und kommerzielle Mächte wurden allmählich in gewisse Stellungen hineinmanovriert, um die nahende neue, wissenschaftliche Ära zu beherrschen. Menschen und Organisationen waren voller Vorahnungen von den schicksalhaften, schnell verfließenden Tagen der Zukunft, die einige richtungsweisend als eine umwälzende Zeit voraussahen. Im Vatikan-Konzil 1869-70 suchte die römisch-katholische Kultgemeinschaft ihre Organisation für die unmittelbare Zukunft zu stärken, indem sie ihr autokratisches Haupt, den Papst, als unfehlbar erklärte. … Unglaube, Textkritik, die Evolutionslehre, Spiritismus, Atheismus und Kommunismus begannen einzudringen und die großen Religionsorganisationen der Welt an Mitgliederzahl zu schwächen. …

Auch politisch kamen große Kräfte in Bewegung. Die Vereinigten Staaten von Amerika erholten sich gerade von ihrem Bürgerkrieg (1861 - 1865), um rasch ihre Stärke wiederzugewinnen und eine große Weltmacht mit außergewöhnlicher Ausdehnungsfähigkeit zu werden. Deutschland hatte den deutsch-französischen Krieg vom Jahre 1870 gewonnen und entwickelt sich weiter zu einem mächtigen europäischen Koloß. England erlebte die goldenen Jahre seiner Viktorianischen Ära und machte weitere Ansprüche auf Weltherrschaft geltend. Was die Industrie betrifft, machten die Vereinigten Staaten, England, Frankreich und große Teile Europas als Folge der Erfindung der Dampflokomotive eine Umwälzung durch. Diese industrielle Umwälzung nahm mit den fortschreitenden Jahren zufolge der Nutzbarmachung der Elektrizität, der Erfindung des Telefons, des Automobils und der Dutzende anderer 'Wunder' dieser neuen, dem Atomzeitalter zustrebenden Zivilisation noch größere Formen an. Auch das Handelswesen erhob sich als Folge der Industrialisierung der führenden Nationen und der Bildung neuer 'Goldminen'-Geschäftsunternehmen zu neuen Höhen. Auch traten Arbeitervereinigungen in Erscheinung, um den vorrückenden Kapitalismus zu bekämpfen. …

Verschiedene Adventistengruppen waren in den Vereinigten Staaten und in Europa emsig dabei, für die Jahre 1873 oder 1874 eine sichtbare Wiederkunft Christi anzusagen, wenn auch der amerikanische Gründer ihrer Bewegung, William Miller, seinen Irrtum und seine Enttäuschung über die früher angesetzten Daten von 1843 und 1844 anerkannt hatte. Noch früher hatte der deutsche lutherische Theologe Bengel (1687 - 1751) das Jahr 1836 als das bestimmte Jahr für den Beginn des in Offenbarung 20:6 erwähnten Milleniums angesagt. In Schottland und England erhoben andere, allgemein als 'Irvingianer' bekannt, ihre Stimme, um die Jahre 1835, 1838, 1864 und schließlich 1866 für die Wiederkunft Christi anzukündigen. Christliche Schreiber wie Elliott und Cumming erwarteten das Ende im Jahre 1866, Brewer und Decker sagten es für 1867 voraus, und Seiss gab dem Jahre 1870 den Vorzug. In Rußland setzten Claas Epp, ein Führer der Mennoniten (Brüdergemeinde), und seine Mitverbundenen ein großes kosmisches Geschehnis auf das Jahr 1889 fest. …

Noch andere Stimmen wurden vernommen; aber diese begannen eine bevorstehende unsichtbare Wiederkunft des Messias zu verkündigen. Eine dieser Gruppen stand unter der Leitung von George Storrs von Brooklyn, New York. Er und seine Genossen veröffentlichten nach dem Jahre 1870 eine Zeitschrift, betitelt 'The Bible Examiner', in der sie ihre Ansichten darlegten, daß Christi Wiederkunft unsichtbar sein werde. Eine andere Gruppe veröffentlichte unter der Leitung von H. B. Rice von Oakland, Kalifornien, eine Zeitschrift, betitelt 'The Last Trump' [Die letzte Posaune], in der eine unsichtbare Wiederkunft für die 1870er Jahre ausgerufen wurde. Auf die dritte Gruppe werden wir aufmerksam, diesmal auf jene der enttäuschten 'Second Adventits' [Adventisten], die diese Bewegung aufgaben, weil der Herr im Jahre 1873 nicht wiedergekommen war, wie die Adventisten ferner vorausgesagt hatten. Diese Gruppe stand unter der Führung von N. H. Barbour. Ihre Tätigkeit ging von Rochester, New York, aus, und es wurde ein Predigtdienst durchgeführt, indem man Redner zu all den Kirchen sandte, die ihnen ihre Tür öffneten. Auch veröffentlichten sie eine Monatsschrift, betitelt 'The Herald of the Morning' [Der Morgenherold]. Eine dieser Gruppen gelangte in den Besitz der 'Diaglott'-Übersetzung des 'Neuen Testaments' von B. Wilson und ersah daraus, daß in Matthäus 24:27, 37, 39 das Wort, das in der 'King-James'-Bibel mit 'Kommen' [in der 'Luther-Bibel' mit 'Zukunft'] wiedergegeben ist, dort mit 'Gegenwart' übersetzt wurde. Dies lieferte dieser Gruppe den Schlüssel, für eine unsichtbare Gegenwart Christi einzutreten, und sie behauptete, daß diese Zeit im Herbst des Jahres 1874 ihren Anfang genommen habe.

Doch noch eine vierte Stimme der Verkündiger einer unsichtbaren Gegenwart Christi tritt in Erscheinung; eine Gruppe aufrichtiger Erforscher der Bibel in Pittsburgh, Pennsylvanien, USA, mit ihrem Vorsitzenden C. T. Russell … am 16. Februar 1852 geboren. … Russells Vater betrieb ein Kleidergeschäft. … Obwohl er als Presbyterianer erzogen worden war, schloß er sich der nahen Kongregationalkirche an, weil sie liberaler war. Im Alter von fünfzehn Jahren war Russell mit seinem Vater Teilhaber an einer zunehmenden Kette von Herrenbekleidungsgeschäften …
Als er siebzehn Jahre zählte, war er ein verschworener Zweifler geworden und schob die Bibel und die Glaubensbekenntnisse der Kirchen beiseite.
Während der nächsten wenigen Monate dachte Russell weiter über Religionsdinge nach, konnte sie nicht annehmen und ließ sie doch nur ungern fahren. Schließlich trat r eines Tages im Jahre 1870 in den staubigen, schwärzlichen, kleinen Saal, eines Kellergeschosses nahe bei seinem Laden an der Federal Street ein -

'um zu sehen, ob die Handvoll Leute, die dort zusammenkamen, etwas Vernünftigeres zu bieten hatten als die Glaubensbekenntnisse der großen Kirchen. Dort hörte ich zum erstenmal etwas von den Ansichten der 'Second Adventists' [Anhänger des Zweiten Advents], deren Prediger Mr. Jones Wendell war … Wenn auch seine Darlegungen der Schrift nicht ganz klar und weit entfernt war von dem, was wir jetzt haben, genügte sie doch, unter Gott meinen schwankenden Glauben an die göttliche Inspiration der Bibel wiederherzustellen und zu zeigen, daß die Berichte der Apostel und Propheten miteinander verknüpft sind.'

Kurz danach begann sich dieser Russell mit etwa fünf weiteren Personen in den Jahren 1870 bis 1875 regelmäßig zu treffen, um die Bibel systematisch zu studieren. …

'[Wir] begannen bald zu sehen, daß wir nahe am Ende des Evangeliumszeitalters lebten und nahe der Zeit, von der der Herr gesagt hatte, daß dann die Weisen, Wachsamen seiner Kinder zu einer klaren Erkenntnis seines Planes gelangen sollten … Wir erkannten etwas von der Liebe Gottes, wie sie für die ganze Menschheit Vorsorge getroffen hatte, wie alle aus der Gruft auferweckt werden müssen, damit ihnen Gottes liebender Plan bezeugt werde, und wie alle, die Glauben an das Erlösungswerk Christi üben und im Einklang mit der Erkenntnis des Willens Gottes, die sie dann empfangen, Gehorsam darbringen, dann (durch das Verdienst Christi) zu voller Harmonie mit Gott zurückgebracht werden könnten und ewiges Leben erhielten … Wir gelangten zur Erkenntnis des Unterschiedes zwischen unserem Herrn als 'dem Menschen, der sich selbst dahingab', und als dem Herrn, der als Geistwesen wiederkommt. Wir sahen, daß Geistwesen anwesend und doch für Menschen unsichtbar sein können … Wir fühlten uns tief betrübt über den Irrtum der 'Second Adventists', die das zweite Kommen Christi im Fleische erwartet hatten und lehrten, daß die Welt und alles darin, mit Ausnahme dieser Adventisten, im Jahre 1873 oder 1874 verbrannt werde. Ihre Festsetzung von Zeiten und ihre Enttäuschungen und plumpen Ideen, die sie im allgemeinen über den Zweck und die Art seines Kommens hatten, brachten mehr oder weniger Schmach auf uns und auf alle, die sich nach seinem kommenden Königreich sehnten und es verkündigten. Diese falschen Ansichten, die so allgemein über den Zweck und die Art der Wiederkunft des Herrn gehegt wurden, führten auch dazu, ein Flugblatt zu schreiben - 'The Object and Manner of Lord's Return' [Zweck und Art der Wiederkunft unseres Herrn] -, von dem etwa 50.000 Exemplare veröffentlicht wurden.'

Im Januar 1876 erhielt Charles Russell das erstmal ein Exemplar der Monatsschrift 'The Herald of the Morning', wie sie von der Rochester-Gruppe unter der Leitung von Nelson H. Barbour veröffentlicht wurde. Bald wurde eine Zusammenkunft zwischen Russell und Barbour verabredet, da sie entdeckten, daß ihre Ansichten, daß Christi zweites kommen unsichtbar sei, dieselben seien. Als Ergebnis beschloß die Bibelgruppe in Pittsburgh, die nahezu dreißig Personen umfaßte, sich mit der Rochester-Gruppe, die einige Mitglieder mehr zählte, zu verbinden. Russell wurde zusammen mit Barbour Redakteur der Zeitschrift' The Herald of the Morning'. Die Gruppe von Pittsburgh war auf Russells Initiative hin einverstanden, eine kleine Druckerei in Rochester für das gemeinsame Druckunternehmen zu finanzieren. Auch wurde beschlossen, ein gebundenes Buch zu veröffentlichen, das ihre gemeinsamen Ansichten enthalten sollte, und das werk wurde bis zum Jahre 1877 vollendet. Die 194seitige Publikation trug den Titel „Three Worlds or Plan of Redemption" [Drei Welten oder Plan der Erlösung] von Barbour und Russell als gemeinsame Autoren. Während dieser Zeit begann Russell im Alter von 25 Jahren seine Geschäftsanteile zu verkaufen und begab sich in den Vollzeitpredigtdienst. …

Dieses Buch legte ihre Glaubensansicht dar, daß die zweite Gegenwart Christi im Herbst des Jahres 1874 unsichtbar begonnen habe und eine vierzigjährige Erntezeit einleitete. …
„… diese Zeit von vierzig Jahren, in die wir nun eingetreten sind, ist 'eine Zeit der Drangsal, wie es dergleichen nie zuvor gegeben hat, seitdem eine Nation besteht'. Und während dieser vierzig Jahre soll das Königreich Gottes aufgerichtet werden (doch nicht im Fleische - 'zuerst das natürliche, danach das geistige'), die Juden sollen wiederhergestellt, die Heiden-Königreiche 'wie ein Töpfergefäß' zerschmettert werden, und die Königreiche dieser Welt werden die Königreiche unseres Herrn und seines Christus werden, und das Zeitalter des Gerichts wird eingeführt.' - 'Three Worlds or Plan of Redemption', S. 83, 189.

Nach zwei Jahren der Verbindung kam eine Prüfung, die dazu führte, daß sich ihre Wege trennten. Im Jahre 1878 begann Barbour der höheren Textkritik zum Opfer zu fallen …
Während mancher Monate folgten Auseinandersetzungen, indem im 'Herald' Artikel für und gegen … erschienen. Schließlich entzog die Pittsburgher Bibelgruppe ihre Gemeinschaft der Barbour-Gruppe. .... Diese Trennung erwies sich für die Rochester Gruppe als verhängnisvoll, denn binnen weniger Jahre stellte der 'Herald' sein Erscheinen ein.

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Geschrieben von Drahbeck am 22. Februar 2005

Als Antwort auf: Drahbeck am 15. Februar 2005 00:50:53:

"Erwachet!" zitiert in seiner Ausgabe vom 22. 2. 1955:
"Präsident Eisenhower unterbeitete dem Parlament den Entwurf des Budgets für das Fiskaljahr 1955/56. Die Gesamtausgaben werden auf 62,4 Milliarden Dollar veranschlagt, die Einnahmen auf 60 Milliarden. In diesem Budget sind für die Rüstung Ausgaben in der Höhe von 40,5 Milliarden Dollar vorgesehen, was 65 Prozent der Gesamtauslagen entspricht. …"

Kommentar:
Wie sagten die Deutschnationalen vor dem ersten Weltkrieg?
"Am deutschen Wesen soll die Welt genesen".
Die "Genesungsaktion" fand dann in Form des ersten Weltkrieges statt.
Neben den religiösen "Genesungsverkäufern" wie da sind Zeugen Jehovas, gibt es offenbar auch welche, die es lieber mit der blanken Gewalt halten. Man las eben davon. Die Akteure mögen gewechselt haben. Die Gesinnung wohl nicht!

Zum Stichwort Eisenhower vergleiche man auch:
Ein Bibelforscherkind wird Militär

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Geschrieben von Drahbeck am 01. März 2005

Als Antwort auf: Drahbeck am 22. Februar 2005 04:09:28:

Wieder einmal, spielt der "Wachtturm" in seiner Ausgabe vom 1. 3. 1955 auf dem "Endzeitklavier". Flankiert von einer entsprechenden Zeichnung, wird im Sinne der Generationentheorie suggeriert, die 1914-Generation würde auch noch "Harmagedon" erleben

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1955, wo man dies so las, konnte man ja noch beim Begriff Generation sich rechnerisch sagen. Da sind also jetzt schon vier Jahrzehnte seit 1914 vergangen. Wie lange währt denn so eine Generation. Noch war man ja noch nicht ganz soweit, den Begriff Generation, völlig sachfremd, auf ein gesamtes Lebensalter auszudehnen. Gleichwohl lässt der WT, zumindest in dieser Ausgabe, dass ganze im Bereich des nebulösen. Es reichte ihm ja auch völlig aus, wenn die Einzelnen, getränkt von diesen Theorien, sich sagten; nun wird es wohl "bald" soweit sein. Für dieses "bald" nahm denn so mancher auch ein hohes Maß an Ungemach in kauf. So liest man etwa bezüglich Ostdeutschland in dieser Ausgabe:

"Rund 400 neue Verhaftungen wurden allein in diesem Dienstjahr vorgenommen und dabei mehrere Versammlungen völlig zersprengt. Die meisten der Verhafteten wurden zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt. Insgesamt befinden sich zur Zeit 1346 Verkündiger in Haft ..."

Das war zwar in WTG-Sicht bedauerlich, musste aber als "fälliger Preis" für das vorandrängen, offenbar gezahlt werden. In einem Krieg können sich die Soldaten eben nicht aussuchen, was geschieht. Wenn ihre Offiziere, die notfalls erfolgende Verheizung anordnen, dann müssen sie sich halt fügen. Schon Hitler handhabte das bei der Stalingrad-Armee so, indem er Ausbruchversuche aus dem Kessel strikt verbot; auch um den Preis der weitgehenden Vernichtung. Und die WTG-"Offiziere" agieren da in ihrem Kalkül nicht anders.

Hitler selbst saß ja nicht im Kessel von Stalingrad. Und Mister Knorr und seine engeren Mannen, ebenfalls nicht in Ostdeutschland. Aus der noch sicheren Distanz zum tödlichen Geschehen, lassen sich natürlich leicht martialische Befehle geben; zumal dass Fußvolk entsprechend indoktriniert ist.

Worum es den "Offizieren" in Brooklyn geht, kann man auch in dieser WT-Ausgabe lesen.
Tönten die Nazis vor 1933 den Slogan: "Nie wieder Krieg - heißt nie wieder Sieg"; so könnten die Brooklyner den offenbar auch auf ihre "Fahnen" geschrieben haben.
Siegestrunken verkündet man in dieser WT-Ausgabe auch:

"Betrachten wir die zahlenmäßige Zunahme unserer Verkündiger:
1934 41.000; 1940: 90.000; 1944: 110.000; 1946: 158.000 1948: 230.000; 1950: 328.000; 1953: 500.000".

Und da für echte Yankees nur eines zählt, nämlich steigende Bilanzen, nimmt man es halt auch in Kauf, Widerstand dagegen "niederzuwalzen". Das kann schon mal bis in buchstäblich kriegsähnliche Zustände ausarten. Man las im Falle Ostdeutschland, beispielsweise davon. Wann "taktiert" wird, entscheiden die Brooklyner. Ostdeutschland war alles andere als bereit, der WTG KdöR-Konditionen zu gewähren. Das pfiffen die Spatzen von den Dächern; das beklagte auch die übrige religiöse Konkurrenz für sich. Ein solches Regime kann natürlich nur die harte Hand der WTG kennenlernen. Das war für die Brooklyner eine "Selbstverständlichkeit".

Alles hat seine Zeit. Krieg und KdöR-Bestechung.

Das östliche Regime wollte es ja nicht anders, warum haben sie uns nicht mit KdöR-Konditionen bestochen?! So einfach ist das in der Sicht der WTG!

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Geschrieben von Drahbeck am 08. März 2005 07:03:42:

Als Antwort auf: Drahbeck am 01. März 2005 03:54:06:

Wie die Selbstbelügungsreligion Zeugen Jehovas, Umschau zu anderen Varianten der Selbstbelügungsreligion Christentum hält, kann man auch markant an der "Erwachet!"-Ausgabe vom 8. 3. 1955 beobachten.

Wie nicht selten, so auch in diesem Fall, reichert man das dann diesen Bericht mit einer Karikatur an, die nach der Auffassung von "Erwachet!" das wesentliche auf den Punkt bringen würde, im Sinne der Zeugen

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Nachstehend sollen d i e s e "Erwachet!"-Ausführungen einmal unkommentiert, vorgestellt werden. Unter der Überschrift "Christus - die Hoffnung der Welt" liest man im einleitenden Artikel genannter Ausgabe:

Da fand also 1954 in Evanston (Illinois, USA) eine Weltkirchenkonferenz statt, in der sich alles, was im eigener Sicht "Rang und Namen" hat, gegenseitig die Türklinke in die Hand gab. Auch "Erwachet!" kam nicht umhin, diesem Ereignis auf seine Art eine gewisse Relevanz zuzubilligen. Es tat es in der Form, indem es aus der umfänglichen Presseberichterstattung jene Passagen herausfilterte, die seiner Meinung nach den neuralgischen Nerv treffen würden. Daran hängt man dann kommentierend die eigenen Positionen, als Kommentar an. Letzteres kann man mehr oder weniger vergessen, da die Positionen der Zeugen Jehovas im hiesigen Leserkreis als bekannt, vorausgesetzt werden können. Interessant ist eigentlich nur, was "Erwachet!" von der 1954er Weltkirchenkonferenz glaubt herausdestilliert, seiner Leserschaft mitteilen zu sollen.

Das Hauptthema der zweiten Weltkirchenkonferenz, die im vergangenen Jahr in Evanston (Illinois, USA) stattfand, lautete „Christus — die Hoffnung der Welt". Die große Meinungsverschiedenheit über jenes Thema zeigte, wie zerrissen die Kirchen heute sogar in solch grundlegenden Dingen wie der Hoffnung des Christen sind. Die beiden gegensätzlichen Meinungen wurden am Eröffnungstag der Konferenz von Professor Edmund Schlink, Heidelberg (Deutschland), und Professor Robert L. Calhoun, Vereinigte Staaten, dargelegt.

Edmund Schlink führte treffend aus: „In den neutestamentlichen Schriften wird uns zugleich große Trübsal angekündigt, die über die Welt hereinbricht, bevor sie vergeht: Kriege und Hungersnöte, Zerfall der Gemeinschaft, Massensterben und Naturkatastrophen. Es wird uns geboten, aufzumerken, wenn solches geschieht. Wo von dem kommenden Christus als der Hoffnung die Rede ist, ist immer auch die Rede vom Ende der Welt... Viele Christen sind gegen diese Ankündigung taub geworden. Sie tun sie als jüdisch-apokalyptischen Gedanken ab. Aber gleichzeitig ist unübersehbar, daß die Angst vor dem Ende die Menschheit heute beherrscht . . Zwischen den Ängsten der heutigen Menschheit und der neutestamentlichen Ankündigung des Endes besteht freilich ein wesentlicher Unterschied -. . Aber nach den neutestamentlichen Aussagen sind die Katastrophen der Endzeit nicht nur menschliche Untat oder Auswirkung menschlichen Versagens. sondern Gottes Tat. Gott wird dieser Welt das Ende bereiten .. . Wenn es uns bei diesem Thema [Christus — die Hoffnung der Welt] nur um den Bestand dieser bedrohten Welt geht, dann werden wir das Thema unserer Konferenz verfehlen .. . Der Christus-Name läßt sich nicht mißbrauchen als Parole im Kampf um die Selbsterhaltung dieser Welt."

Weiter sagte er: „So ist Christus die Hoffnung der Welt, nicht als Garant für den Bestand dieser Welt, sondern als Erlöser aus den Bindungen dieser Welt ... Christus ist die Hoffnung der Welt nur insoweit, als die Welt nicht die Welt bleibt, sondern sich in Buße und Glauben verwandeln lässt … So sammelt Christus durch das Evangelium jetzt schon inmitten dieser Welt sein Volk, das mit ihm in einem neuen Leben wandelt. . . Darum ist die Zeit, in der wir leben, letzte Zeit."

Dann fuhr er fort: „Daß es letzte Zeit ist, scheint vielen widerlegt durch die fast 2000 Jahre, die seit Jesu Kommen verflossen sind. Viele sind irre geworden an der Verheißung seiner zukünftigen Erscheinung. Aber die Länge der Zeit ist keine Widerlegung der Verheißung. Sie ist kein Zeichen einer Schwäche Gottes, als ob er nicht zu erfüllen vermöchte, was er durch Jesus und durch die Apostel verkündigen ließ. Es ist die Zeit der göttlichen Geduld: Gott will, daß viele gerettet werden ... dann wird die Welt vergehen, und es wird hervortreten die neue Schöpfung aus ihrer Verborgenheit."

Wir stehen heute, sagte er, „dem nachchristlichen Menschen gegenüber . . Er hat die Freiheit losgerissen von der Unterwerfung unter Christus. Er hat die Herrschaft über die Natur usurpiert. Er unternimmt es selbst, das ewige Friedensreich zu schaffen, und wartet nicht mehr auf Christi Kommen ... Der Aufruhr dieser Welt ist den Hoffenden das sichere Vorzeichen des Kommens Christi. Die Welt würde nicht so toben, wenn er nicht der Sieger wäre. Die Herbststürme dieser Welt sind die Zeichen des kommenden Frühlings. Die Erschütterungen dieser Zeit sind die Geburtswehen der neuen Schöpfung."

Was hielt der Weltkirchenrat von diesen Worten, die zum Nachdenken anregen und in denen viel Wahrheit liegt? Ein Kritiker der biblischen Hoffnung sagte, Professor Schlinks Ausführungen hätten sich wohl „kaum mit der Auffassung kirchlichgesinnter Leute über das Wesen jener Hoffnung gedeckt". Die Zeitschrift ‚The Christian Century' bezeichnete „die vielen theologischen Unverständlichkeiten" in den Ausführungen Professor Schlinks sowie die schlechte Akustik und die furchtbare Hitze als Ursache dafür, daß sich die zweite Hälfte der „Eröffnungssitzung der Vollversammlung vor allem durch den Menschenstrom auszeichnete, der das Stadion verließ". Schlinks Rede soll „bei vielen amerikanischen Delegierten Anstoß erregt" haben, die glaubten, solchen Auffassungen längst „entronnen" zu sein.

Nach einem anderen Kommentar hat Professor Robert L. Calhoun von der theologischen Fakultät der Yale-Universität „die Hoffnung des Christen in annehmbarerer Weise dargelegt". Was war seine Auffassung? Daß das Königreich hier und jetzt kommen könne durch die Bemühungen des Menschen, nicht durch Gott. Von materialistischen Amerikanern sagte er: „Wenn wir an Hoffnung denken, so ist es gewöhnlich Hoffnung auf ein besseres Leben morgen für unsere Kinder, für die wachsende Zahl derer, die von uns abhängen und für die wir uns verantwortlich fühlen. In diesem Zusammenhang ist es begründet, daß vieles in unserer Theologie auf die Ethik den besonderen Ton legt und sehr viel weniger mit der Eschatologie vertraut ist", das heißt, mit der Hoffnung über die Zeit des Endes, der Wiederkunft Christi und dem endgültigen Geschick des Menschen.

Somit führten sie die erhabene Aufgabe nicht aus, das Reich Christi zu predigen, und verwässerten jene Botschaft, um sie auf menschliche Ziele anzuwenden. Unsere Theologie, erklärte er, „fand Anzeichen für den Einbruch des Reiches Gottes in der fortschreitenden Beseitigung von Krankheiten und Hunger, in der Abschaffung der Sklaverei und in der Verbreitung christlicher Gewissensverantwortung in dem ganzen Bereich privater und öffentlicher Angelegenheiten ... Hier wurde weder das letzte Gericht noch das ewige Leben vergessen, aber das eigentliche Vertrauen lag auf Gottes Gnade von Tag zu Tag."

Nach ihrer Meinung ist es wahrscheinlich bedauerlich, daß Jesus nicht daran dachte, vor allem vertrauensvoll an der Verbesserung der politischen Lage der Juden unter der römischen Herrschaft zu arbeiten, die Sklaverei abzuschaffen, auf die Herabsetzung drückender Steuerlasten hinzuwirken und sich mit der Lösung politischer und sozialer Probleme zu beschäftigen. Wahrscheinlich denken sie, es sei eine Schmach, daß Jesus seinem himmlischen Vater gehorchte, von seiner Wiederkunft predigte und dieser Tätigkeit so viel Aufmerksamkeit schenkte, daß er für nichts anderes Zeit fand. Sie mögen finden, es sei bedauerlich, daß Jesus diesen Weg ging; wahre Christen denken jedoch nicht so! Wahre Christen freuen sich über die Werke, die Jesus tat; sie sind der Meinung, daß nichts hätte wichtiger sein können, und führen dieses Werk weiter, indem sie auf die Zeichen für die Nähe dieses Königreiches hinweisen und die Verkündigung dieses Reiches jetzt vollenden.

Calhouns Theorie erweist sich als praktisch unanwendbar. Daher gibt er zu, in der heutigen, vom Atomkrieg bedrohten Welt sei „kein Anzeichen da, daß die irdische Geschichte fortschreitend vom Bösen gereinigt werde und sich ständig der Vollkommenheit nähere". Und weiter gibt er zu, daß „eine Hoffnung, die gerechterweise über solch schlangenköpfige Gefahren triumphieren kann, nach einem ,neuen Himmel und einer neuen Erde ausschauen muß". Aber, erklärt er, „Gott ist es — und nicht wir —, der allein wissen kann, was diese neue Ordnung sein wird. Eine zu vertrauensselige Spekulation ist hier nicht am Platze, und wir amerikanischen Protestanten haben zum größten Teil versucht, sie zu vermeiden." Aber Gott sagt uns in seinem Worte, was die „neue Ordnung" ist; warum sollte „Spekulation" nötig sein? Durch ihre Gewohnheit, bewusst das, was Gottes Wort sagt, außer acht zu lassen, haben sie, wie Calhoun sich ausdrückt, „die Fühlung mit dem Glauben der Kirche durch die Jahrhunderte hin verloren", dem Glauben nämlich, dass es in der „kommenden Zeit" eine neue Welt geben wird.
Hat sich an der Destruktivität, an der vorrangigen Orientierung auf den Sankt Nimmerleinstag, am Hoffen und Harren, das die Mitgliedschaft (mit Ausnahme der Profiteure die in den höheren Rängen der Organisation sitzen) zum Narren hält, inzwischen etwas verändert. Wohl kaum, ist die Antwort, wenn man nachfolgenden Auszug aus dem "Königreichsdienst" liest:

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Geschrieben von Drahbeck am 15. März 2005 07:13:25:

Als Antwort auf: Drahbeck am 08. März 2005 07:03:42:

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Es ist wahrlich ein entlarvender Satz, wenn da selbst der „Wachtturm" in seiner Ausgabe vom 15. 3. 1955, sozusagen als zeitweilige Öffnung eines Überdruckventils, um Dampf abzulassen einräumt:
„Manchmal mögen Zeugen Jehovas denken, wenn sie hören, wie der Versammlungsdiener den Felddienst bespricht, diese Diener hätten als fünfte Kategorie aufgeführt werden sollen, bei der es nie ein 'genug' gäbe."
Das selbst der WT das mal einräumt, nicht um es zu ändern, sondern lediglich als zeitweilige - kurzfristige - Öffnung des „Überdruckventils" spricht wahrlich Bände.
Twisselmann etwa, gab in einem seiner Bücher mal jene Episode zum besten, wo ein Bezirksaufseher eine Zeugin Jehovas bewusst mißverstand. Zitat:
„'Wir sind eine Knüppel-Organisation' weinte sie (eine Zeugin Jehovas). Der Bezirksaufseher verstand - offenbar bewusst - falsch: 'Richtig' sagte er: 'Wir sind eine Krüppel-Organisation. Wir haben so viele Kranke und Krüppel'. Sie aber bestand darauf: 'Knüppel-Organisation habe ich gesagt.'"

Auch im Osten Deutschlands, wie generell in den Ostblockstaaten, herrschte derselbe Antreiberdruck. Da für Bilanzorientierte Yankees - auch für die in Brooklyn - nur eines zählt, steigende Bilanzen, ist es offenkundig, das allen Widerständen zum Trotz, auch dort diese WTG-Politik durchgepeitscht wurde. Das dabei Opfer fällig wurden, die durchaus zu der Frage berechtigen, ob sie denn die „Sache" wert gewesen sind, wird von der WTG jedenfalls, nicht zufriedenstellend reflektiert.

Wenn es sein muss, schickten chinesische Militärs in einem Krieg mit Vietnam, ihre Soldaten als lebende „Panzersperren" zum überrollen hin. Wenn es sein muss, agiert die WTG in ähnlicher Weise. Für sie zählt ja nur eines. Die anschließende „Siegesfanfare" - nicht die vorangegangenen Opfer. Das Beispiel einer solcher Siegesfanfare, kann man auch in der zeitgenössischer WT-Ausgabe vom 15. 3. 1955 nachlesen, wo unter der Überschrift: „Die rote Verfolgung heute überwinden" unter anderem ausgeführt wurde:

Im Jahre 1950 haben über 20.000 Zeugen regelmäßig die gute Botschaft in Ostdeutschland gepredigt, als die Kommunisten das Werk verboten und alle Brüder in Gewahrsam nahmen, die im Hauptbüro in Magdeburg dienten, ferner die reisenden Vertreter und die Aufseher an den verschiedenen Orten. Insgesamt wurden mehr als 2.000 verhaftet, und gegenwärtig sind dort 1283 im Gefängnis. Trotz den vermehrten Schwierigkeiten des Predigens unter Verbot und der fortwährenden Gefahr der Verhaftung haben sich ihre Reihen nachgefüllt, so daß es heute in Ostdeutschland wieder über 20.000 tätige Zeugen gibt. …
Zum Beispiel wurde nach den Kongressen der Neuen-Welt-Gesellschaft im Jahre 1953 auf die Tätigkeit von Haus zu Haus in Ostdeutschland Gewicht gelegt. …

In der Tschechoslowakei, in Ungarn, Rumänien, Polen und Jugoslawien, wo das Werk der Zeugen Jehovas seit Jahren verboten gewesen ist, stellen wie ein gleiches Überwinden der Verfolgung fest. Im Jahre 1946 waren in diesen Ländern 11.131 christliche Zeugen Jehovas tätig; im Jahre 1950 war ihre Zahl auf 28.183 angestiegen. Und wie viele waren es im Jahre 1954? Fast viermal soviel wie im Jahre 1946, nämlich 42.767.

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Geschrieben von Drahbeck am 22. März 2005 07:14:29:

Als Antwort auf: Drahbeck am 15. März 2005 07:13:25:

Über Italien liest man in "Erwachet!" vom 22. 3. 1955, dass es dort im Jahre 1947 in ganz Italien, nur 150 Zeugen Jehovas gegeben habe, bei einer Gesamtbevölkerung von 47 Millionen (58 Millionen im Jahre 2003). Damit gehört Italien zu jenen Ländern, wo der Start der Zeugen Jehovas im wesentlichen auf die Jahre nach 1945 zu terminieren ist. Hatten Deutschland und Großbritannien in Europa vor dem Zweiten Weltkrieg (bzw. vor 1933) bereits beachtliche Zeugen Jehovas-Gemeinden. So indes Italien noch nicht. Dennoch hat Italien, beide genannten Länder, in den nachfolgenden Jahren noch numerisch überflügelt.

Die Relationen werden darin deutlich, dass noch immer 90 Prozent der Bevölkerung sich nominell katholisch nennen. Und das bis 1984 der Katholizismus, juristisch den Rang einer Staatsreligion hatte. Gibt es in Deutschland seit der lutherischen Reformation auch einen numerisch beachtlichen Block des Protestantismus. So in Italien eher nicht. Dort wurde die Zahl des Gesamtprotestantismus (ohne Zeugen Jehovas), gerade mal auf rund 50.000 beziffert.

Die 10.000er Marke an Zeugen Jehovas in Italien, wurde etwa 1966 erreicht. Die 100.000er Marke etwa 1983. 200.000 etwa 1993. Danach scheint sich das Wachstum auch in Italien verflacht zu haben, denn in Jahre 2004 war man erst bei rund 230.000 angelangt. Zieht man jedoch "Diasporagemeinden" mit in die Betrachtung ein, ändert sich das Bild. So sind in Deutschland etwa, einige direkt italienischsprachige Zeugen Jehovas-Versammlungen nachweisbar. Man kann weiter gehen und sagen. Die Positionen Zugang und Abgang in Deutschland bei den Zeugen Jehovas, werden derzeit vorrangig von den fremdsprachigen Versammlungen (und damit auch italienischen, aber nicht nur) getragen. Die Zugangspositionen deutscher Herkunft hingegen, verglichen mit früheren Jahrzehnten, verflachen in diesem Lande zunehmend.

Ist der Start in Italien, wie ausgeführt, erst in den Jahren nach 1945 zu lokalisieren. Hat also dort kaum jemand die 1925-These, oder die These der zweite Weltkrieg münde in Harmagedon, aktiv miterlebt, so bedeutet das nicht, dass sich nicht auch im italienischsprachigen Bereich, inzwischen Zeugen Jehovas-kritische Stimmen hörbar gemacht hätten.
Erst kürzlich gab es eine Schlagzeile mit Italienbezug:

Parsimony.12518

Unter anderem kann man auch noch vergleichen:
http://mitglied.lycos.de/BrOttonio/

http://www.infotdgeova.it/

Weitere Links

http://www.brooklyntower.com/italiano/

http://digilander.libero.it/alorenzi/franke.htm

Das italienische Konkordat

Anmerkungen zu Introvigne

Der wesentliche Konkordatinhalt

Italienische Versammlungen in Deutschland

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Geschrieben von Drahbeck am 01. April 2005 08:28:31:

Als Antwort auf: Re: 22. 3. 1955 (Vor fnfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 22. März 2005 07:14:29:

Im "Wachtturm" vom 1. 4. 1955 ist zum einem schon mal die These von der "unbekannten Lebenszeit Adams" auffällig, auf die schon mal hingewiesen wurde.

Siehe: Unbekannte Adam'sche Lebenszeit

Zum anderen der dritte Teil der Serie "Neuzeitliche Geschichte der Zeugen Jehovas", die später noch - in überarbeiteter Form - ihren Niederschlag in dem WTG-Buch "Jehovas Zeugen in Gottes Vorhaben" fand. Dieser dritte Teil widmet sich vorrangig der organisatorischen Verfestigung der Russell-Bewegung.

Man erfährt, dass ein entscheidender Schritt dazu im Jahre 1881 unternommen wurde. In jenem Jahre wurde die gesetzliche Eintragung einer "Zion's Watch Tower Tract Society" vorgenommen. Wollte man das auf deutsche Verhältnisse übertragen könnte man in etwa sagen. Ein loser Kreis, der sich als Verein konstituierte, beantragt "eingetragener Verein" zu werden (weil damit gewisse Vorteile gegenüber einem nur Privatverein verbunden sind). Und dieser beantragte e. V.-Status wird von den zuständigen Behörden bewilligt.

Wohin denn solche Weichenstellungen führen können, kann man als außerhalb des Themas liegend, an einer kürzlichen Pressemeldung aus diesem Lande entnehmen. Da gibt es einen Steuerzahlerbund in diesem Lande; auch mit e.V. Status. Und weil dessen Mitgliederstamm - zahlender Mitgliederstamm - beachtliche Größenordnungen hat, kann er es sich leisten auch einige seiner Führungskräfte hauptamtlich zu beschäftigen. Jener Bund, der Steuerverschwendung wo immer möglich anprangert, geriet nun in die Schlagzeilen, weil sein erster Mann gleich dreifach Gehalt bezieht. Richtig mitbekommen, haben die anderen Führungskräfte das wohl nicht (sagen sie jedenfalls). Jedenfalls kann dieser Herr mit dem dreifachen Gehalt sich rühmen, mehr zu verdienen, als ein "einfacher Bundestagsabgeordneter". Als "große Wohltat", insistierenden Fragen ausgesetzt, verkündet er, lediglich auf weitere Gehaltssteigerungen zu verzichten. So kann das mit den Vereinen ausufern!
Deshalb werden meinerseits auch Vereine die sich als Nachfolgevereine konstituieren, weil auch aus fiskalischen Gründen, sie sich mit den Vorgängervereinen, die nach wie vor weiter bestehen, überworfen haben, in der Regel kritisch bewertet werden. Das aber nur nebenbei.

Im Jahre 1896 wurde dann der Begriff "Zion's" aus dem Namen gestrichen.
Neben Russell als Präsident, fungierte ein nicht sonderlich hervorgetretener William I. Mann als Vizepräsident, und Russell's Frau Maria F. Russell als Sekretär und Kassierer; womit sie eine beachtliche - faktische - Machtstellung innehatte. Berücksichtigt man dem Umstand, dass etwa ab 1897 im "Zion's Watch Tower" der zuvor regelmäßig erscheindende Autorennamen M(aria) F. Russell versiegt, nicht mehr auftaucht, darf man wohl spekulieren dass die 1896-er Statutenveränderung, als ein "Nebenergebnis" auch die Ausbootung der Frau Russell aus ihrer Schlüsselstellung mit bewirkte. Der englische "Zions Watch Tower" enthielt in seiner Ausgabe vom 1. 6. 1897, letztmalig, einen mit ."M. F. RUSSELL" namentlich gezeichneten Artikel. Danach nie mehr.

Der "Wachtturm" notiert weiter das im Jahre 1886, wie er betont "nach vielen Schwierigkeiten" (die nicht näher erläutert werden), der erste Band der später als "Schriftstudien" bekannten Serie erschien.

Davor wurde aber schon (seit 1881) ein Buch verbreitet, verfasst von J. H. Paton mit dem Titel "Day Dawn" [Tagesanbruch]. Kritiker meinen nun wahrzunehmen, dass die Eigenständigkeit des Russell bei Band I "Schriftstudien" sich in Grenzen hält. Es eher eine Umschreibung respektive Erweiterung der Paton'schen Ausführungen sei. Zu der Zeit, wo Russell noch mit dem Adventisten Barbour zusammenarbeitete, war Russell "der junge Mann" in diesem Kreis.
Paton.jpg (11302 Byte)
(Bild: Paton)
Wie sich der Dissens zu Barbour herauskristallisierte, gelang es Russell, Paton mit zu sich herüberzuziehen, und so Barbour weiter kaltzustellen.

Zur Institutionalisierung gehörte weiter der Erwerb eigener Immobilien. Um 1890 hatte diese Society dann schon, wie der WT schreibt "400 tätige Mitverbundene".

1891 tourte Russell nebst Anhang erstmalig auf einer Weltreise zur Ausdehnung seiner Organisation. 1898 war, was die fiskalischen Aspekte betrifft auch bedeutsam. In einer Fußnote liest man dazu:
"Ursprünglich lautete dieses Besitztum auf den Namen der Tower Publishing Company, eines privaten Konzerns, den C. T. Russell persönlich leitete. Im April 1898 wurde das Eigentumsrecht auf diese Anlagen und dieses Besitztum auf die gesetzliche Körperschaft, die Watch Tower Bible and Tract Society, übertragen."

Kritiker wollen dazu wissen, auch aus dem Grunde um finanzielle Forderungen von Frau Russell abzublocken, zog es Russell nunmehr vor - offenbar auf Anraten seiner Anwälte - nunmehr - de jure - mittellos zu sein.

Apropos Anwälte. Ein solcher namens Rutherford, sandte im Jahre 1894 ein belobhudelndes Schreiben an diese "Society, in dieser WT-Ausgabe mit abgedruckt.,
Darin findet sich unter anderem der Satz:
"Das Ergebnis ist, daß meine liebe Frau und ich selbst diese Bücher mit dem lebhaftesten Interesse gelesen haben".

Wobei noch anzumerken wäre, dass man in späteren Jahren von diesem Rutherford nie mehr die Floskel "meine liebe Frau" vernimmt, sondern eher gegenteilig zu wertende Aussagen.

So polemisiert er beispielsweise im Band I seiner "Rechtfertigung (S. 154, 157):
"Die Frauen machen Affen oder Drahtpuppen aus den Männern. Diese sind weibisch, Weichlinge und leicht beeinflussbar geworden und haben wahre Männlichkeit und Festigkeit in der Verwaltung der Angelegenheiten des Staates und des Heimes eingebüßt. Wenn zum Beispiel Männer zu Tische sitzen, und eine Frau tritt herein, so erheben sich alle Männer, um ihr Ehrerbietung zu zollen; und auf diese Weise stellen sie die Frau über den Mann. Die Männer nehmen den Hut ab, wenn sie einen Personenaufzug betreten, wo eine Frau zugegen ist; und von diesen Manieren heißt es, sie seien Bezeugungen der Ehrerbietung und zeigten, dass man ein Gentleman sei. Die Sache ist aber fein angelegt, und die wahre Bedeutung ist weit verschieden von der allgemeinen Auffassung. Es ist eine List Satans, die Menschen von Gott und seiner festgelegten Regel über die richtige Stellung von Mann und Weib wegzuwenden. Der Herr hat erklärt, dass Weichlinge das Königreich der Himmel nicht ererben werden (1. Korinther 6:9). Das beweist, dass die Forderung oder der Brauch, den Frauen Huldigungen darzubringen, nicht von Gott, sondern vom großen Feinde Gottes kommt. Es hat den äußeren Anstrich, als wäre diese Ehrerbietung ganz in Ordnung, und darum ist die Sache um so täuschender. "

Zu weiterem siehe auch:
Anmerkungen zu Rutherford's Prvatleben

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Der liebe Bruder Russell

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Geschrieben von Drahbeck am 08. April 2005 00:22:45:

Als Antwort auf: Re: 1. 4. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 01. April 2005 08:28:31:

„Spieglein. Spieglein an der Wand sag mir, wer ist die schönste im Land"; diesmal etwas abgewandelt. Wenn es darum geht festzustellen wer denn der „hässlichste im Land" dann hatten USA-Falken um 1955 und wohl auch heute noch, es nicht nötig, lange zu überlegen. Natürlich die Kommunisten, so ihre „glasklare" Erkenntnis. Und so setzte denn der Wettlauf ein, wer am besten die Kommunisten als hässlich charakterisiere und möglichst auch das Wasser abgrabe. Berufene und Unberufene meldeten sich da zu Wort.

Was die Zeugen Jehovas anbelangt, so konnten sie in der Tat darauf verweisen, von den Kommunisten hart angefasst worden zu sein. In ihrem eigenen Selbstverständnis, würde nur ihnen die „Krone" dafür zustehen, unter den religiös motivierten Antikommunisten „die Nr. 1" zu sein. Aber, o welcher Schreck. Da gab es doch tatsächlich auch Unberufene, die ihnen diese „Krone" streitig machten. Das kann natürlich nicht geduldet werden. Und so ist es nur folgerichtig, dass auch „Erwachet!" in seiner Ausgabe vom 8. 4. 1955 diesen Unberufenen wieder einmal „die Leviten liest"; um sie auf ihre richtige Größe zusammenzustutzen. Das liest sich dann so:

„In einer Versammlung des Reformierten Weltbundes in Ottawa führte dessen Präsident, Dr. John A. Mackay, u. a, aus:
'Die Neuyorker 'Times' berichtet in ihrer Ausgabe vom 14. Februar, daß der Vize-Präsident der Vereinigten Staaten, Richard M. Nixon, gesagt habe, die Römisch-katholische Kirche stelle eines der wichtigsten Bollwerke gegen den Kommunismus und totalitäre Ideen dar. In aller Aufrichtigkeit und Bescheidenheit und auf die Gefahr hin, als engstirniger Protestant bezeichnet zu werden, muß ich zu meinem Bedauern feststellen, daß gerade das Gegenteil zutrifft. Vor zwanzig Jahren schloß die Römisch-katholische Kirche Konkordate ab mit den totalitären Herrschern Deutschlands und Italiens, Hitler und Mussolini. Heute steht die Römisch-katholische Kirche mit General Franco, dem totalitären Staatschef Spaniens und zugleich dem bestgehaßten Manne der spanischen Geschichte, in einem Konkordatsverhältnis, und es ist gerade die Katholische Kirche, die ihn in erster Linie unterstützt. Es ist ebenfalls eine betrübliche Tatsache, daß diejenigen lateinischen Länder, in denen die Römisch-katholische Kirche einen vorherrschenden Einfluß ausübt, zu Brutstätten des Kommunismus geworden sind. Dies trifft auf Italien, ganz besonders aber auf die Länder Lateinamerikas zu. Die ablehnende Haltung der römisch-katholischen Hierarchie in Lateinamerika gegenüber allen demokratischen Ideen und Maßnahmen zur Landreform in Staaten wie z. B. Guatemala und Kolumbien zog bereits zwei schere Folgen nach sich. Einerseits wurde dadurch die Entwicklung des Kommunismus gefördert; andererseits hat diese Einstellung alle Männer und Frauen, die von großen liberalen Ideen durchdrungen sind und die religiöse Freiheit und die soziale Gerechtigkeit tatkräftig fördern, der Gefahr ausgesetzt, als Kommunisten bezeichnet zu werden.'"

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Geschrieben von Drahbeck am 15. April 2005 06:54:09:

Als Antwort auf: Re: 8. 4. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 08. April 2005 00:22:45:

„Übergang zur Offensive" betitelt der „Wachtturm" vom 15. 4. 1955 eine weitere Folge seiner Serie über die „Neuzeitliche Geschichte der Zeugen Jehovas". Und damit auch jedermann verständlich ist, was damit gemeint sei, fügt der WT noch eigens eine Zeichnung dazu mit bei. Darin sieht man, wie offensichtliche Kirchgänger, bei verlassen der Kirche von WTG-Hörigen Flugschriften in die Hand gedrückt bekommen.

W55.15.4.jpg (23190 Byte)

Und um das Maß an Aggressivität noch voll zu machen, wird in dergleichen WT-Ausgabe noch notiert:
„Im Jahre 1900 wurde damit begonnen, besonders gedruckte 'Austrittserklärungen' auf Briefpapier der Watch Tower Society an Kirchen zu richten, zu der die Austretenden gehört hatten. Neuinteressierte wurden ermutigt, dies zu tun, sobald sie von der Wahrheit fest überzeugt waren. Dieser Brauch wurde dreißig Jahre lang weiter gepflegt und erregte viel Ärger unter der Geistlichkeit."


Notierenswert auch die Rubrik „Fragen von Lesern" in dieser "Wachtturm"-Ausgabe. Sie geht der Frage nach, wie zu verfahren sei, sollte es Betrugsfälle oder ähnliches unter Zeugen Jehovas geben. Erste Anweisung „deckeln".
Möglichst nichts nach draußen dringen lassen. Das Opfer hat lediglich die Möglichkeit, eine interne Gerichtsbarkeit innerhalb der Versammlung zu beantragen. Sollte die ergeben (von Laienrichtern beurteilt), dass er tatsächlich Opfer und der andere schuldig ist. Und kommt es zu keiner gütlichen Einigung; dann - so die Theorie - wird dem Schuldigen die Gemeinschaft entzogen. Dann erst (nicht vorher) steht es dem Opfer gegebenenfalls frei, auch gerichtliche Schritte einzuleiten. Zu letzterem wird er aber nicht ausdrücklich ermutigt. Man hindert ihn dann zwar nicht mehr daran. Aber man lässt durchaus durchblicken, dass man weiterhin fürchtet, der „Ruf" der Zeugen Jehovas insgesamt, könne dadurch weiterhin in Mitleidenschaft gezogen werden. Deshalb schon die Aufforderung: Keine Einleitung gerichtlicher Schritte, bevor ein Ausschluss des Missetäters vollzogen. Man versäumt es auch nicht dem Opfer zu bedenken zu geben. Er möge die Kosten und den Aufwand, einer eventuellen Einschaltung eines Gerichtes im voraus, gründlichst bedenken; ob es sich für ihn auch wirklich lohnt.
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Geschrieben von Drahbeck am 22. April 2005 08:28:30:

Als Antwort auf: Re: 15. 4. 1955 (Vor fnfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 15. April 2005 06:54:09:

Wann immer der USA-Falke McCarthy in den Schlagzeilen amerikanischer Presseorgane auftauchte, man kann fast sicher sein. Selbiges findet man früher oder später auch in der WTG-Literatur widergespiegelt. Besonders dann, wenn solche Berichte geeignet, McCarthy in einem ungünstigen Lichte erscheinen zu lassen. Dann ist es offenbar für die WTG eine "Ehrenpflicht", dies sich auf keinem Fall entgehen zu lassen.
Man wird der WTG konzedieren müssen, dass auch sie ein durchaus ernsthaftes und auch legitimes Interesse an der Abrechnung mit McCarthy hat. Kanalisierte sich doch in seiner Person auch die für sie existenzgefährdende Verleumdung: Jehovas Zeugen "wären Kommunisten". In einem Lande wo eher Berufsverbrecher toleriert denn tatsächliche Kommunisten, kann man die diesbezügliche Angst, die auch der WTG aus "jedem Knopfloch" hervorlugt, durchaus nachvollziehen.

Und so lassen sich denn in der WTG-Literatur auch eine durchaus als staatlich zu nennende Zahl von Berichten in Sachen McCarthy, zeitgenössisch nachweisen.
Siehe dazu: WTG McCarthy Kommentare

Diesen Berichten fügt "Erwachet!" in seiner Ausgabe vom 22. 4. 1955 noch zwei weitere bei, die nachstehend in ihren wesentlichen Aussagen, kommentarlos vorgestellt werden sollen.

Sind McCarthys Methoden katholische Ideale ?

WENN heute irgendwo in den Vereinigten Staaten der Name McCarthy erwähnt wird, spitzt fast jeder, der in Hörweite ist, die Ohren. Gewisse Kreise haben sogar versucht, dem Streit um McCarthy einen religiösen Anstrich zu geben; aber nur wenige sind so weit gegangen wie Monsignore Edward R. Martin, ehemaliger Feldgeistlicher der Ersten Armee und jetziger Pfarrer der St.-Angela-Merici-Kirche in der Bronx (New York).

Am 7. November sagte Martin anlässlich einer katholischen Veranstaltung in New York, McCarthy stehe wegen seiner katholischen Ideale in Gefahr, seinen Senatssitz zu verlieren. „Joe ist ein aufrichtiger Katholik" erklärte er. „Ich weiß, daß über 5.000.000 Dollar zusammengelegt wurden, um Joe aus dem Senat zu vertreiben, und das ist nur ein kleiner Teil von dem, was nach Washington fließt. Und der Grund dafür sind allein seine katholischen Ideale."

Dies schlug, gelinde gesagt, dem Faß den Boden aus! Mitarbeiter des „Freedom House" [Organisation zur Förderung der Ideale einer freien menschlichen Gesellschaft] in New York, darunter auch George B. Ford, römisch-katholischer Pfarrer der Corpus-Christi-Kirche, sagten: „Wir haben vorläufig guten Grund, zu glauben, daß die Anschuldigungen Msgr. Martins nicht stichhaltig sind, bis er seine Behauptungen bewiesen hat." Die Beweise blieben jedoch aus. Reportern erklärten Msgr. Martins Sekretär und sein Vikar „entschieden, daß keine weiteren Ausführungen mehr von ihm zu erwarten seien".

„Was diese Mär bedeutungsvoll macht", erklärten die Mitarbeiter des „Freedom House", „ist der Versuch des Monsignores, die amerikanischen Bürger zu überzeugen, dass der Grund für diesen sogenannten Anti-McCarthy-Fonds ,nur seine katholischen Ideale' seien, eine Ansicht, die Senator McCarthy jedoch selbst nicht teilt. Wir mißbilligen diese Erklärung, weil sie nur größere Bigotterie und Unduldsamkeit zur Folge haben kann. Sie ist ein falsches Zeugnis und erzeugt Zwietracht."

Dann sandten sieben Glieder des Lehrkörpers der Colgate-Universität Msgr. Martin und Kardinal Spellman Telegramme, in denen geltend gemacht wurde, daß Msgr. Martin verpflichtet sei, der Öffentlichkeit alle Tatsachen über den sogenannten 5-Millionen-Dollar-Fonds bekanntzugeben. „Wir sind bestürzt durch die Erklärung von Msgr. Martin, nach der McCarthy aus dem Senat vertrieben werden soll ,wegen seiner katholischen Ideale'", hieß es unter anderem im Telegramm an Kardinal Spellman. „Dies sind schwerwiegende Anschuldigungen. Diejenigen unter uns, die McCarthy und seine Methoden offen bekämpft haben, werden dadurch beschuldigt, ihm seiner katholischen Ideale wegen entgegengearbeitet zu haben … Es würde uns freuen, von Ihnen — dem Vorgesetzten Msgr. Martins — zu hören, daß die Ausführungen, die er gemacht haben soll, nicht die Ansicht der verantwortlichen Führer der Katholischen Kirche in Amerika darstellen." Immer noch keine Erklärung.

Sicherlich gehören nicht alle, die sich gegen McCarthys Exzesse gewandt haben, zur „Linken". Das Watkins-Komitee des amerikanischen Senats jedenfalls nicht. Die hochgeschätzte Zeitschrift ‚Time' auch nicht. Die vielen amerikanischen Proteste (was man auch von ihrer Richtigkeit halten mag) entsprangen der Treue zu den amerikanischen Grundsätzen — zur Gerechtigkeit, zu der Verfassung und der Bill of Rights. Msgr. Martin hat nicht gezeigt, inwiefern diese Proteste unbegründet seien oder worin sie fehlten. Die Glieder des Lehrkörpers der Colgate-Universität mahnten Msgr. Martin daher: „Sie sind allen Amerikanern gegenüber — Katholiken, Protestanten und Juden — verpflichtet, Gründe anzuführen, warum die Bewegung gegen die Exzesse des Senators McCarthy … einen Angriff auf katholische Ideale darstelle." Und beschwörend stellten sie Kardinal Spellman die Frage: „Wünschen Sie wirklich, daß das amerikanische Volk glaubt, die Katholische Kirche setze die große Sorge um die Unverletzbarkeit der Bill of Rights der Bekämpfung katholischer Ideale gleich?"

Der Monsignore hat wie alle Amerikaner das Recht, seine persönliche Meinung zu haben über die Tätigkeit des Senators McCarthy; er hat auch das Recht, diese Meinung öffentlich bekanntzugeben. Er sollte jedoch nicht „dreinschlagen und dann Reißaus nehmen" oder eine polemische Anklage erheben, sie auf der Titelseite der Zeitungen erscheinen und einfach stehen lassen, ohne sie zu beweisen.

Es war nicht religiöse Unduldsamkeit, die die Zeitschrift ‚Time' veranlaßte, in ihrer Ausgabe vom 22. November über die Senatsberatungen der Tadelsmotion gegen McCarthy zu schreiben: „Joe McCarthy, der keine anderen Kampfmethoden kennt, setzte alles daran, die Atmosphäre im Senat zu vergiften und die Debatte zu einer der bittersten in der Geschichte des Senates zu machen." Die angesehene Neuyorker ‚Times' griff nicht die Religion des Senators an, als sie am 11. November schrieb, daß der McCarthyismus heute gleichsam bedeute: „Übergriff auf die persönliche Freiheit, unverantwortliche Angriffe auf Personen und Einrichtungen, Mißachtung gerechter demokratischer Verfahren, rücksichtslose Zerstörung des Vertrauens der Bürger dieses Landes zueinander, Terrorisierung treuer Staatsbeamter … Sabotierung ordnungsgemäßer staatlicher Funktionen … Mißachtung der Bill of Rights und des gewöhnlichen Anstandes im öffentlichen und politischen Leben."

Wünscht der Monsignore, der die Sache selbst aufgriff und sich nun weigert, zu sagen, in wessen Besitz die 5 Millionen Dollar sind, wie sie zusammengebracht wurden, wie sie gebraucht werden oder in welcher Weise die Opposition gegen McCarthy Gegnerschaft gegenüber den katholischen Grundsätzen sei, daß in der amerikanischen Öffentlichkeit die Meinung aufkomme, dies seien katholische Ideale?
Sein Stillschweigen wäre befremdlich.

Der „Monitor" kommentiert

Vor mehr als einem Jahr, am 10. November 1953, berichtete der konservative und angesehene ‚Christian Science Monitor', daß die „Tätigkeit des Senators Joseph R. McCarthy (Republikaner) aus Wisconsin die beiläufige Wirkung habe, ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt, daß es verhältnismäßig mehr römische Katholiken gebe als Protestanten, die bei Regierungsbehörden angestellt sind". Der ‚Monitor' deutete nicht an, daß mehr Katholiken angestellt wurden, sondern daß man mehr Protestanten entlassen hätte. Er besagt, „mehr Regierungsbeamte suchten ihre Abteilungen und Büros vor den Angriffen McCarthys zu schützen, indem sie dazu übergehen, als Sicherheits- und Personalbeamte vorzugsweise Katholiken einzustellen. Als Folge ist die Zahl der Entlassungen römisch-katholischer Leute niedrig und die der entlassenen Protestanten hoch." Obwohl es über die Mutmaßung des ‚Monitors' geteilte Meinungen gab, so erklärte doch ‚The Christian Century', der Schreiber dieses Artikels, Joseph C. Harsch, sei „einer der erfahrensten und auch angesehensten Korrespondenten in Washington". Die Tatsache, daß Msgr. Martin der Tätigkeit McCarthys nahesteht, die katholische Ideale praktiziert, scheint das zu stützen.

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Geschrieben von Drahbeck am 01. Mai 2005 07:24:31:

Als Antwort auf: Re: 22. 4. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 22. April 2005 08:28:30:

Im „schwarz in schwarz malen" übt sich wieder mal der „Wachtturm" vom 1. 5. 1955.
„Laß dich nicht täuschen. Die Atomgefahr ist nicht die lebenswichtige Streitfrage. Im Vergleich zu Harmagedon ist sie nur eine kleine Gefahr" tönt er.

Und um das ganze noch anzuheizen liest man im gleichem Artikel auch:
„Fast täglich ruft ein Geistlicher, Wissenschaftler oder Politiker, die Menschheit stehe großer Gefahr gegenüber. Welche Gefahr rufen sie aus? Die Gefahr eines Atomkrieges! Stuart Symington, ein Senator der Vereinigten Staaten, rief aus: 'Wir sind jetzt in die Ära eingetreten, die einige von uns schon lange mit Schrecken vorausgesagt haben - in eine Zeit totaler Gefahr.' Nach den Worten Dr. Edgar Douglas Adrians, eines führenden britischen Wissenschaftlers, besteht die 'totale Gefahr' in einer erdenweiten Verseuchung durch Radioaktivität: 'Wir müssen mit der Möglichkeit rechnen, daß wiederholte Atomexplosionen zu einem Grad allgemeiner Radioaktivität führen werden, die niemand ertragen und der niemand entrinnen kann.' Das zeigt, daß die Furcht vor der Atomgefahr groß ist…"

Für die WTG ist das alles nur willkommenes Instrumentarium um ihr eigenes Süppchen zu kochen. Gab es da mal eine Person der Kirchengeschichte, die den flotten Spruch prägte: „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt". So bedient sich auch die WTG ähnlicher Mechanismen. Wie gelesen kann sie sich im schwarzmalen nicht genug hervortun. Ihre Kassandrarufe sind allerdings zweckbestimmt. Der Zweck kommt denn auch zum Schluß dieses Artikels deutlich zum Ausdruck:
„Fliehe also jetzt unter allen Umständen in das theokratische Neue-Welt-System."

Im Prinzip eine „aktualisierte" Abwandlung des Spruches das Geld „erlöst", wie beim Beispiel Tetzel gelesen.

Sicherlich agieren auch andere Religionsgemeinschaften mit dem Instrumentarium der Angst. Und das nicht zu knapp. Andernorts mag zudem - auch das sei unbestritten - die Orientierung auf die rein materiell-fiskalische Ausbeutung, noch stärker ausgeprägt sein. Es fragt sich allerdings, wer - unterm Strich - mehr ausgebeutet ist.

Jene, die neben Kirchensteuern, noch zu allerlei anderen Anlässen (die nie ausgehen), noch den herumgereichten Klingelbeutel füllen. Oder jene, die nach der Berufshetze des Alltags, noch von der knappen "Frei"zeit, drei Abende pro Woche für fünf Versammlungen abknapsen. Damit nicht genug; dann auch noch Predigtdienst - und das möglichst viel - tun sollen, sofern sie angesehen sein wollen. Und zu allem Überfluss auch noch „modernisierte Klingelbeutel" präsentiert bekommen. Etwa in Form der neuen Zeugen Jehovas-Innovation, auf Kongressen Bankautomaten zu begegnen; wo man dann, mental durch die Redner entsprechend eingestimmt, das eigene Konto selbst plündern darf, zugunsten der WTG.

Es fragt sich also wirklich, wer da am Ende, bei Berücksichtigung aller materiellen und immateriellen Aspekte, mehr ausgebeutet ist.

Mit der Ausbeutung ist das immer so eine Sache, ein gewisser Köder muss dem Fisch schon präsentiert werden, damit er zubeißt. Auch daran mangelt es in diesem WT-Artikel nicht, und sei es nur in der Form einer s e l b s t erfüllenden Prophezeiung. Dazu tönt dann der WT siegesgewiss, und seine besoffen blökende Herde macht sich, narkotisiert, schon gar keine weiteren Gedanken darüber mehr:

„Heute ruft nur eine Organisation die Gefahr unserer Zeit aus. Die Neue-Welt-Gesellschaft der Zeugen Jehovas. Viele Jahre lang hat sie fleißig die Warnung erschallen lassen. Alle anderen haben geschwiegen. Gerade ihr Schweigen ist ein Zeichen dafür, daß sie eine falsche Religion vertreten."

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Geschrieben von Drahbeck am 08. Mai 2005 06:36:25:

Als Antwort auf: Re: 1. 5. 1955 (Vor fnfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 01. Mai 2005 07:24:31:

Im Jahre 1957 war es soweit. Die WTG verkaufte ihre eigene Radiostation WBBR. Und dies trotz des Umstandes, dass namentlich Rutherford es gewesen war, der sich in Radioeuphorie nicht genug tun konnte. Man vergleiche beispielsweise
Radioeuphorie
Volksempfnger
Einige haben gefragt ...

Aber sicherlich kann man dem WTG-Management bescheinigen, knallhart zu kalkulieren. Ausgehend davon, man sieht es jetzt gerade wieder - mit der angekündigten Reduzierung der Zeugen Jehovas-Zeitschrift "Erwachet!" um 50 % auf nur noch eine monatliche Ausgabe - ab Anfang nächsten Jahres.

Ausgehend davon wurde den WTG-Kalkulatoren, zusehends das Missverhältnis zwischen Aufwand und "Ertrag", namentlich auch in der Rundfunksparte deutlich. In den zwanziger und dreißiger Jahren war ja das Radio noch eine neue Innovation. Jetzt aber, in den fünfziger Jahren, namentlich in den USA mit dem dort schon etablierten Fernsehen, konnte Radio nur dann noch Sinn machen, vermochte es gewisse "Nischen" zu erschließen. Das aber wurde zusehends schwieriger. Praktisch verkam schon damals, dass Radio über breite Strecken, zum "Beliebig-Dudelfunk". Angesprochen fühlten sich die allerwenigsten noch von ihm. Und dann gab es ja auch noch die Konkurrenz innerhalb der verschiedenen empfangbaren Radiostationen. Diejenigen, die sein Angebot nutzten, wurden weniger. Unter den Nutzern war auch eine verkürzte Nutzungszeit, gegenüber früheren Verhältnissen zu registrieren. Und da jeder Nutzer in der Regel nur eine Station zur gleichen Zeit hört, stellt sich auch die Konkurrenzfrage, welches das nun ist.

Angesichts früherer Rutherford-Verlautbarungen zum Thema Radio, bedeutete der Rückzug aus diesem Segment mit Sicherheit einen Imageverlust. Die WTG-Gewaltigen haben sich mit dieser Entscheidung sicherlich schwer getan. Das kann man durchaus nachvollziehen. Wie auch auf anderen Ebenen erfolgen solche Entscheidungen nicht "über Nacht". Da gibt es schon einen gewissen Vorlauf dafür.

Eine Charakterisierung, wie das WTG Radio-Segment realistisch einzuschätzen ist, kann man schon der "Erwachet!"-Ausgabe vom 8. 5. 1955 entnehmen. Da wird zwar formal nur über die religiöse Radio-Konkurrenz in den USA berichtet. Aber es ist offenkundig. Das dort ausgesagte trifft in ähnlicher Weise auch auf die WTG-Radiosender zu. Unter Bezugnahme auf eine epd-Meldung liest man dort:
Vor der Radio- und Filmkommission des amerikanischen Kirchenbundes sprach Pfarrer Dr. Liston Pope, Dekan der theologischen Schule von Yale. Dr. Pope übte zum Teil scharfe Kritik an den religiösen Radio- und Fernsehsendungen in den USA. Er führte aus, die Beliebtheit religiöser Radio- und Fernsehprogramme werde fälschlicherweise als Zeichen der Erweckung interpretiert. Er gab zu, daß Predigten und Gottesdienste, auch Kirchenmusik, als Radio- oder Fernsehsendungen geboten, wirken. Doch seien schon die Darbietungen 'religiöser Musik' fragwürdig. "Denn sie reichen ja vom synkopierten Unsinn einer Jane Russell bis zu den erhabensten Gesängen." Zudem würde bei den gottesdienstlichen Sendungen der Glaube oft lediglich als Begleiterscheinung des Ritus genossen, oder in der Form eines "Moralklischees" dargeboten, oder als "Stimme aus dem Hintergrund, von honigsüßem Charakter". Dr. Pope wandte sich auch gegen die kitschigen Sendungen über das Familienleben. Diese Propaganda für "gesundes Familienleben" sei trotz ihres religiösen Anstrichs "noch klebriger als die bekannten Radioopern amerikanischer Seifenkonzerne". Die "schwere Kunst christlichen Familienlebens wird auf kleinformatige Moralismen und unschuldige Wtzchen reduziert", und den Schluß bilde die Gewißheit, daß sich dieses "christliche Familienleben" bezahlt mache.

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Geschrieben von Drahbeck am 15. Mai 2005 02:48:05:

Als Antwort auf: Re: 8. 5. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 08. Mai 2005 06:36:25:

Auf einem Kassenschlager des Buchhandels in den USA kommt die „Wachtturm"-Ausgabe vom 15. 5. 1955 zu sprechen. Immerhin wurden von diesem Buch innerhalb von zwei Jahren 750.000 Exemplare verkauft. Eine Zahl, an der die erfolgsorientierte WTG auch nicht vorübergehen mag. „Die Kraft des positiven Denkens", so der Titel des Buches, mit dem sich nun auch der WT auseinandersetzt. Um es vorweg zu sagen. Wer etwa einen „Totalzerriss" dieses Buches seitens des „Wachtturms" erwarten sollte, der liegt grundlegend falsch. Zwar bringt auch der WT einige Kritik zur Sprache. Aber die ist doch wohl eher von der Art, noch „von rechts zu überholen."

Bekanntlich haben Jehovas Zeugen in der jüngeren Vergangenheit diverse sogenannte „Standhaft"-Veranstaltungen inszeniert. Bestückt auch mit Zeitzeugen, durchaus unterschiedlicher Gewichtung. Einige dieser Zeitzeugen traten vielleicht bei ein oder zwei Veranstaltungen auf. Andere brachten es schon fast zur Serienzahl. Eine auf die letzteres zutraf. Gertrud Pötzinger aus Selters. Früher auch mal zeitweise in New York lebend, als ihr inzwischen verstorbener Mann noch zur leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas gehörte. In ihren „Serienauftritten" erzählte Frau Pötzinger eigentlich mehr oder weniger (von geringen Variationen abgesehen) immer dasselbe. Beliebt in ihrer Selbstdarstellung war auch, wie sie ihre beispielsweise erlittene Einzelhaft in der Nazizeit überstanden habe. Und da, so wusste Frau Pötzinger zu berichten, war es das positive Denken, dass ihr half, jene Widrigkeiten zu überstehen. Da pflegte sie dann detailliert zu erzählen, wie sie die sieben Tage der Woche für sich einteilte. Da waren dann auch solche Tage dabei, wo sie sich schon im voraus darauf freute: Heute bekomme ich vielleicht Post. Am Ende des Tages musste sie zwar konstatieren. Das mit der erhofften Post war wieder Nichts. Macht nichts, so Frau Pötzinger. Dann „freute" sie sich eben auf den nächsten Tag. Der Tag an dem einmal in der Woche den Gefangenen gestattet wurde, unter warmen Wasser zu duschen. Oder einen anderen Tag, wo sie einmal in der Woche beim kargen Gefangenenessen auch einen knapp bemessenen Wurstzipfel mit erhielt usw. usf. Das schilderte sie in wahrhaft „romanreifer" Form. Das wäre dann ein Beispiel der faktischen Selbstsuggestion oder des positiven Denkens im Bereich der Zeugen Jehovas.

Über das eingangs genannte Buch schreibt der WT unter anderem:
„Im Buch 'Die Kraft des positiven Denkens' wird behauptet, man könne durch das Befolgen seiner Anregungen 'Herzensfrieden, bessere Gesundheit und einen nie versiegenden Energievorrat haben', es sei 'Hindernissen nicht gestattet, dir das Glück und Wohlbefinden zu zerstören', und 'deine Beziehungen zu anderen Leuten würden sich verbessern. Du wirst als Individuum populärer und mehr beachtet und beliebter.' Zur Überwindung deines Minderwertigkeitskomplexes schreibt das Buch vor: 'Glaube an dich selbst! Zeige Glauben an dich selbst!' Wenn du an den Erfolg denkst, wirst du erfolgreich sein. Wende auf deine persönlichen Probleme Bibeltexte an wie: 'Wenn ihr Glauben habt … wird für euch nichts unmöglich sein.' …
Es werden erfolgreiche Männer aus allen Lebensschichten zitiert, um damit zu zeigen, daß alles möglich ist, wenn wir Glauben haben. …
Man sagt uns: 'wenn Gott für mich ist, wer kann gegen mich sein?' - und so kann ich erfolgreich Staubsauger verkaufen. …"

Dazu kommentiert der WT:
„Die Kraft des positiven Denkens wird nicht in Frage gestellt."
Die Kritikaspekte die der WT indes zur Geltung bringen will, liegen auf einer anderen Ebene. Sie kommen schon in der Frage zum Ausdruck:
„Sind aber die Erfolgreichsten dieser Welt diejenigen mit den größten Glauben? …"

Und vollends deutlich wird er wenn er schreibt:
„Alle weltlichen Religionen, alle Philosophien und die Psychologie befassen sich in erster Linie mit Dingen der Jetztzeit, mit dem, was für das Fleisch, die Gesundheit, die Wohlfahrt, den Erfolg, die Popularität usw. wünschenswert ist. Aber wahres Christentum richtet seinen Sinn auf höhere Dinge …"

Worum es dem WT bei seiner Variante des „positiven Denkens" geht, macht auch der Studienartikel in dieser WT-Ausgabe deutlich, mit seiner programmatischen Überschrift:
„Unser Glück bewahren durch Verscheuchen des Murrens".

Mit anderen Worten. Die Technologie der Selbstsuggestion wird von der WTG sehr wohl geschätzt; faktisch auch intensiv angewandt. Was die WTG stört, ist lediglich die Zielsetzung, die andere Anwender der Selbstsuggestion damit zu verbinden pflegen. Gegen übertragene erfolgreiche Staubsaugerverkäufer hat auch die WTG nichts einzuwenden. Ganz im Gegenteil. Sie müht sich nach Kräften auf dieses Ziel hinzuarbeiten. Zwar nicht unbedingt um Staubsauger zu verkaufen, wohl aber ihre Handelsware „Religion". Das alles aber nicht unbedingt zum Wohle des Einzelnen. Der möge möglichst ein „Nichts" bleiben. Es geht darum dass die Organisation der Nutznießer sein will. Die einzelne „Zitrone" ist nur dazu da, um von ihr restlos ausgepresst zu werden. Das bringt auch dieser WT durchaus, unterschwellig, mit zum Ausdruck.

Um noch mal auf die Selbstsuggestion zurück zukommen. Sie mag in einigen Fällen erfolgreich funktionieren. Siehe das eingangs genannte Fallbeispiel Frau Pötzinger. Aber auch die erfolgreichsten Hypnotiseure müssen manchmal die Erfahrung sammeln. Wenn die Rahmenbedingungen einfach nicht stimmen. Dann ist selbst externe oder interne Hypnose machtlos!

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Geschrieben von Drahbeck am 22. Mai 2005 06:12:15:

Als Antwort auf: Re: 15. 5. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 15. Mai 2005 02:48:05:

In der „Erwachet!"-Ausgabe vom 22. 5. 1955 gibt es eine Meldung zur religiösen Konkurrenz, die hier im wesentlichen kommentarlos wiedergegeben sei. Es ist zu registrieren: Es handelt sich nicht um eine Eigenmeldung, sondern um ein Zitat. Immerhin bleibt der tendenziöse, überbetonende Charakter, ungebrochen erhalten. Angesichts solch tendenziöser Meldungen fühlt man sich doch an das 1975-Datum der WTG (zu späteren Zeiten) erinnert. Da soll es ja auch welche gegeben haben, die da meinten: „Nun kracht alles zusammen". Wie man in beiden Fällen sieht, verlaufen geschichtliche Abläufe wohl äußerst selten nach solch einem Bilderbuchschema. Erinnert sei daran, dass - um ein anderes Beispiel zu nennen - der Erosionsfaktor in der DDR immerhin mehr als vier Jahrzehnte in Anspruch nahm. Jene die da auf schnelle Ergebnisse in ihrem Sinne hofften, sahen sich getäuscht. Oftmals muss noch „Kommissar Zufall" seine entscheidende Zutat zu einem offensichtlichen Erosionsvorgang hinzutun.

„Erwachet!" schreibt:
„Einer Meldung des Ev. Pressedienstes ist zu entnehmen: 'Die Krise bei den Neuapostolischen hat nun auch auf das deutsche Kerngebiet übergegriffen. Am 23. Januar wurden in einer Frankfurter Apostelversammlung die drei Apostel Kuhlen (Düsseldorf), Dehmel (Oberhausen), Dunkmann und viele Bezirksleiter abgesetzt und aus der Neuapostolischen Gemeinschaft ausgeschlossen. Kuhlen, der zeitweise als Nachfolger des jetzigen Stammapostels Bischoff ausersehen war, gehörte zu den führenden Köpfen unter den Aposteln. Wie verlautet, stehen die Amtsträger seines Bezirks nach wie vor geschlossen zu ihm. Der amtsentsetzte schweizerische Apostel Otto Güttinger ist alsbald zu einer ersten Besprechung nach Düsseldorf gereist. Er will offensichtlich die abgesetzten Apostel und ihren Anhang in der Schweiz, dem Saarland, Deutschland, Holland und Südafrika zu einer neuapostolischen Gegenkirche sammeln. Ein neuapostolisches Gemeindeglied in Süddeutschland regte an, der Welt durch die Presse mitzuteilen, 'daß die größte Freikirche Deutschlands und der anliegenden Länder vor dem Zusammenbruch stehe'."

Noch eine Meldung aus dergleichen Ausgabe von „Erwachet!" sei zitiert:
Wenn irgendwo im säkularen Bereich Horrormeldungen in Sachen Weltuntergang auftauchen; man kann fast sicher sein: Die läßt sich die WTG nicht entgehen! So auch in dieser Ausgabe. „Erwachet!" schreibt:

„Die Zunahme der Radioaktivität in der Luft nach all den vielen Versuchen mit Atom- und Wasserstoffbomben wird von vielen Seiten als eine ernste Gefahr für den Fortbestand des Menschengeschlechts angesehen. Die 'Gesellschaft der amerikanischen Wissenschaftler', eine Vereinigung von 2000 Forschern, teilte vor kurzem dem Chefdelegierten der Vereinigten Staaten bei den UN, Lodge, die Befürchtung mit, daß 'wir einen Punkt erreichen können, wo wir die ganze Welt zu einem Laboratorium und alle Lebewesen zu Versuchsobjekten machen.'
Man beruhigt die Öffentlichkeit damit, daß die Strahlendosen der radioaktiven Wolken, die bisher überall auf der Erde festgestellt wurden, nicht 0,01 Röntenstrahlen überschritten haben. Wie jedoch bekannt ist, dürfen die Zeugungsorgane des Menschen nur 0,025 Röntgeneinheiten als Dauerbestrahlung ausgesetzt sein, wenn die Nachkommen nicht Schaden davontragen sollen. Was werden die Aussichten sein, wenn die Versuche fortgeführt werden, und die Radioaktivität sich vergrößert? Wie die Beweise von Hiroshima zeigen, schädigen stärkere Strahlendosen die Gene oder Erbfaktoren. Nach einer Mitteilung japanischer Hebammen, die zu einem Jahreskongreß Ende 1954 zusammenkamen, war von 30.150 Kindern jedes siebente anormal. Viele Kinder wiesen schwere Schäden an den Knochen, Muskeln, Nerven und Mißbildungen an Nase, Ohren und Zunge auf. 25 Kinder hatten kein Gehirn!"

Derart mental eingestimmt, kann die WTG es sich natürlich nicht versagen, dazu zu kommentieren:
„Alle Geschehnisse dieser Zeit deuten darauf hin, daß dieses von Satan dem Teufel beeinflußte System der Dinge seinem Ende zugeht …"

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Geschrieben von Drahbeck am 01. Juni 2005 07:01:39:

Als Antwort auf: Re: 22. 5. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 22. Mai 2005 06:12:15:

Die Fortsetzungsserie über die „Neuzeitliche Geschichte der Zeugen Jehovas" ist in der „Wachtturm"-Ausgabe vom 1. 6. 1955 dem Beginn der Rutherford-Administration gewidmet. Wichtigstes Problem für Rutherford zu jener Zeit war, „die Rückgangstendenzen im Königreichswerk anzuhalten", wie es so schon im WTG-Parteichinesisch formuliert wird.
Ein Instrumentarium dazu auch, die Kreierung eines neuen Blattes; damals „Bulletin" genannt, heute als „Unser Königreichsdienst" bekannt. Damit war erstmals ein direktes „Anweisungsblatt" geschaffen worden. Es galt nun das neue faktische Motto:
„Schluss mit lustig".

Wer sich in früheren Jahren der WTG-Organisation angeschlossen, der fand seine Motivation dafür auch in der Regel in den auf 1914 hin orientierenden Endzeitthesen des C. T. Russell. Die aber erwiesen sich zwischenzeitlich, selbst für Blinde mit dem Krückstock sichtbar, als gescheitert. Immerhin war schon der Status erreicht, dass von dieser Organisation einige auch materiell lebten. Es mussten also neue ideelle Anreize her, um den „Laden weiter am laufen" zu halten.

Hierbei zeigte es sich. Rutherford hatte wohl diesbezüglich relativ klare Vorstellungen. Etwa mit seiner Orientierung auf 1925 hin, gekoppelt auch mit aggressiven antikirchlichen Aspekten. Allein etwas fehlte ihm noch. Die Autorität das auch widerspruchslos durchzusetzen. Und so trat denn das ein, was man auch aus anderen Diadochenkämpfen der Geschichte kennt. Eine Vorrreiterrolle dabei nahm Paul S. L. Johnson ein, ein vormaliger lutherischer Prediger jüdischer Abkunft, der da ganz offen die Führungsfrage aufwarf. Alan Rogerson berichtet in seinem Zeugen Jehovas bezüglichen Buch näheres über Johnson.

Schon in der Oktober-Ausgabe 1907 des englischen "Watchtower" war man dem Namen des Johnson in der Aufzählung der damaligen WTG-Honoratioren begegnet. Noch im Dezember 1916 veröffentlichte der englische "Wachtower" einen Lobgesang dieses Johnson auf den inzwischen verblichenen Russell.

Die Frage spitzte sich nun personalisiert zu. Ist ein „Advokat" der rechte Stammhalter Russells. Oder kann man einem theologisch Vorgebildeten größere Chancen dazu einräumen?

Johnson saß einstweilen noch in London (England). Rutherford aber am Schalthebel der Macht in Brooklyn. Es war offenkundig, dass Johnson eigene Wege zu gehen gewillt war. Also blieb Rutherford keine andere Möglichkeit, als Johnson umgehend von seinem Platz in London weg zu zitieren. Zurück nach Brooklyn. Hier nun spitzte sich der schwelende Konflikt in ganz kurzer Zeit zur Entscheidungsschlacht zu. Als Kulminationspunkt erwies sich dann die klammheimlich von Rutherford und Getreue vorbereitete Herausgabe des sogenannten Band 7 der „Schriftstudien". Als der am 17. 7. 1917 der überraschten übrigen vermeintlichen „Führungscrew" im Brooklyner Bethel vorgestellt wurde, hatten sie zu konstatieren. Sie hatten faktisch nichts zu „führen". Ein neuer „Papst" hatte schon gehandelt. Die Folge eine erbitterte fünfstündige Debatte darüber.

Das Schisma war da. Es ließ sich nicht mehr kitten. Ganz im Gegenteil. Jede Seite stellte sich nun auf den Standpunkt: Alles oder nichts. Dabei erwies es sich, dass die „Theologenfraktion", wenn man es mal so salopp formulieren darf, der „Advokatenzunft" unterlegen war. Die letztere hatte immer noch die Schlüsselstellungen innerhalb der WTG inne und nutzte ihr Machtpotential entschieden aus. Es ergab sich für die Opponenten. Sie hatten diesen Machtkampf eindeutig verloren. Folgerichtig schmiss Rutherford ihre Rädelsführer auch achtkantig aus dem „Bethel" hinaus. Bis auf die Versammlungsebenen wirkte sich dieses Schisma aus. Symptom dafür auch die WTG-Zahlenangabe.

Beim Gedächtnismahl 1917 hätte es 21.274 Anwesende gegeben. 1919 waren es dann nur noch 17.961.

Hatte sich Russell zu seiner Zeit zwar schon kritisch über die religiöse Konkurrenz geäußert, so aber doch in der Tonwahl noch relativ moderat. Auch das hatte sich nun geändert. Sehr wohl als Angriffsaktion startete Rutherford die Verbreitung eines Flugblattes mit dem Titel „Der Fall Babylons", dass am 30. 12. 1917 massenhaft in den USA (und zeitverzögert) auch noch andernorts verbreitet wurde. Da fanden sich dann gebündelt die kirchenkritischen Aspekte aus dem „Band 7" der „Schriftstudien" wieder.

Damit hatte diese, damals gemessen an den Zahlen anderer Religionsgemeinschaften, unbedeutende Sekte in den USA, das Stadium der gegenseitigen Selbstzerfleischung verlassen. Ihr Agressionspotential, wurde nun durch diese Öffentlichkeitswirksamen Aktionen nach außen transportiert. Die Folgen, kombiniert mit dem inzwischen auch erfolgten Kriegseintritt der USA in den ersten Weltkrieg, ließen nicht auf sich warten.
Am 12. 1. 1918 beispielsweise, wurde jener Band 7 in Kanada einem Zensur-Verbot unterworfen. Sicherlich muss man die aufgeheizte Atmosphäre des ersten Weltkrieges, als maßgeblich dafür mit veranschlagen. Symptom dafür auch die spätere partielle Löschung einiger kriegsgegnerischer Passagen aus der ersten Fassung des Bandes 7.

Immerhin es war nun vor aller Welt klar. Der jetzigen Rutherfordsekte, wehte einstweilen ein rauher Wind um die Ohren.
Was die Löschung der kriegsgegnerischen Passagen betrifft, kann man auch vergleichen:
Schriftstudienhinweis

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Geschrieben von Drahbeck am 08. Juni 2005 05:12:54:

Als Antwort auf: Re: 1. 6. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 01. Juni 2005 07:01:39:

Aus der Sicht der zeitgenössischen kommunistischen Machthaber, kommt der „Erwachet!"-Ausgabe vom 8. 6. 1955 eine besondere Bedeutung zu.

Sie bewerteten diese und haben es auch so ausgesprochen, als die Verkündigung der „Kriegserklärung" seitens der Zeugen Jehovas, an ihr Regime. Konnte man die 1949er Zeugen Jehovas „Resolution" auf dem Berliner Waldbühnenkongress, die man wohl im gleichem Atemzuge nennen muß, noch als Ursachenbedingt interpretieren (Ursache das 1950er Zeugen Jehovas Verbot in der DDR, dass keineswegs aus „heiterem Himmel" kam, sondern deutlich sichtbare Vorsignale hatte). Konnte man diese „Erklärung" noch als „Verteidigung" verstehen; so stellt sich der 1955er „Erwachet!"-Artikel etwas anders dar. Er ist der Ausdruck des offensiven Angriffes. Sehr wohl konform gehend mit der diesbezüglichen USA und auch BRD-Politik. Letzteres kann nicht strittig sein. Sicherlich saßen um 1955 eine nicht geringe Zahl von Zeugen Jehovas in DDR-Gefängnissen. Die Frage muß aber gestattet sein, ob es wirklich sinnvoll ist, einen angeschossenen Bären weiter zu reizen?
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In der Sicht der USA-Politik und zeitgenössischer Schleppenträger, wurde das eindeutig bejaht. Und auch die Zeugen Jehovas schwammen voll mit auf diesem Kurs. In rein politischer Bewertung mag es für die „heiligen Abendlandkämpfer" auch nur diese Option gegeben haben. Aber - theoretisch - bestand für die Zeugen Jehovas immer noch der Grundsatz der „Neutralität". Eine bessere Desavouierung dieser ohnehin unglaubwürdigen These, konnten die Kommunisten ja gar nicht von den Zeugen Jehovas bekommen. Sie wurde ihnen quasi frei Haus geliefert. Sollte irgendeiner der kommunistischen Entscheidungsträger um 1955 vielleicht von dem unguten Gefühl beseelt gewesen sein. Mit unser Zeugen Jehovas-Politik ab 1950 haben wir wohl doch etwas überzogen. Es ist besser. Wir „rudern da etwas zurück". Sollte es irgendwo in kommunistischen Entscheidungszirkeln solche Überlegungen je gegeben haben, so sorgte nun die WTG ihrerseits dafür, dass diese Ansätze sofort in den Müll verbannt wurden.

Wie lässt sich die WTG via des Marley Cole Buches bescheinigen? Nur „verfolgte" Christen, seien gute Christen. Mit Sicherheit hat die WTG ihren Teil zu dieser Sachlage, auch noch um 1955 beigetragen. Nachstehend der diesbezügliche Artikel in seinem vollen Wortlaut:
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SEIT ihrem Bestehen hat sich die Menschheit noch nie einer solch gewaltigen Entscheidung gegenüber gesehen. Es gibt kein Entrinnen, keine Neutralität. Wer am Leben bleiben will, muß auf der Siegerseite sein. Früher war es noch möglich, daß Menschen sich von großen Auseinandersetzungen fernhalten konnten. Heute nicht mehr. Denn der Kampfplatz, auf dem diese Frage entschieden wird, ist die ganze Erde. Dabei geht es nicht um Ost oder West, sondern um Kommunismus oder Christentum. Der Ausgang wird für das Leben jedes einzelnen, von ungeheurer Tragweite sein.

Besteht keine Hoffnung auf eine „friedliche Koexistenz"? Nicht für diese Mächte. Dies tritt klar zutage, wenn wir uns die Ziele des Kommunismus vergenwärtigen. Im kommunistischen Buch 'A Short History of the Communist Party (Bolshevik) of the Soviet Union' [Eine kurze Geschichte der Kommunistischen Partei (Bolschewiken) der Sowjetunion] heißt es: "Ein Studium der Geschichte der Partei stärkt den Glauben an den Endsieg der großen Sache Lenins und Stalins, an den weltweiten Sieg des Kommunismus." Die kommunistischen Führer werden sich nie mit weniger als der Weltherrschaft zufriedengeben. Und wie steht es mit dem Christentum? Die Bibel, die Grundlage des Christentums oder christlichen Glaubens erklärt, daß Gottes Königreich über die Erde herrschen und der König, Christus Jesus regieren müsse "als König, bis Gott alle Feinde unter seine Füße gelegt hat", (l. Korinther 15:25, Neue-Welt-Übers; engl.) Die Erklärungen des Kommunismus und des Christentums zeigen, daß es für sie keine Koexistenz gibt.

Ursprung und Entwicklung des Kommunismus
Der Endkampf rückt heran; glücklich diejenigen, die auf der Siegerseite sein werden. Aber um einen Entscheid von solch ungeheurer Tragweite fällen zu können, benötigen wir Tatsachenmaterial über das Christentum und den Kommunismus. Zuerst die Frage: Was ist der Kommunismus? Was ist sein Ursprung ? Woher kommt es, daß Kommunisten oft einen Eifer und eine Begeisterung an den Tag legen, wie sie bei Angehörigen politischer Parteien sonst nicht zu finden sind?

Der Kommunismus wird definiert als eine Anschauung über den Aufbau der Gesellschaft auf Grund einer Wirtschaftsform, in der sämtliche Güter Eigentum der Gesamtheit oder des Staates sind. In der Praxis ist er eine Ordnung, in der die Wirtschaft, Religion und Politik von einem totalitären Staat beherrscht werden. Der moderne Kommunismus hat nicht nur ein philosophisches Ideal, sondern sucht es durch revolutionäre Methoden zu erreichen.

Der Ursprung des Kommunismus ist im alten Griechenland zu finden. Plato setzte sich in seinem Werk ''Der Staat' für den gemeinsamen Besitz der Güter und auch der Frauen ein. Aber als Ursprung des revolutionären Kommunismus gilt allgemein das von Karl Marx und Friedrich Engels im Jahre 1848 herausgegebene 'Manifest'. Diese Schrift rief die Arbeiter der Welt auf, für den gemeinsamen Besitz aller Produktionsmittel zu kämpfen und eine Herrschaft des Proletariats (der Arbeiterklasse) einzuführen. Aber der Kommunismus erlangte erst Bedeutung, als die Bolschewiken nach der Novemberrevolution des Jahres 1917 in Rußland eine Diktatur der Kommunistischen Partei errichteten. Ursprünglich erwarteten die Kommunisten, daß der russischen Revolution viele weitere in der ganzen Welt folgen werden. Lenin, einer der Revolutionäre, lehrte, daß die Kommunistische Partei die Vorhut des Proletariats sein und aus gutdisziplinierten Männern bestehen müsse, bereit, die Führung der unzufriedenen Massen zu übernehmen, wenn sich Gelegenheit zur Machtergreifung biete. Daher wurde in Moskau im Jahre 1919 die Komintern [Kommunistische Internationale] gebildet, eine weltweite Union der kommunistischen Parteien, um die Idee des Kommunismus auf der ganzen Welt zu verbreiten. Aber es gelang der Komintern nicht, eine Weltrevolution herbeizuführen. Rußlands wirtschaftliche Mittel wurden erschöpft; daher schlug die Komintern eine andere Politik ein, um Zeit zu gewinnen und eine große Wirtschafts- und Militärmacht aufzubauen
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Heute bedroht der mächtige Kommunismus alle Völker. Bereits umschließen der Eiserne und der Bambus-Vorhang der Kommunisten mehr als ein Drittel der Landfläche der Erde und nahezu 1.000.000.000 Menschen! Es besteht kein Zweifel, daß die "christliche" Religion in Gefahr ist. Der sechste Kongreß der Komintern erklärte: "Zu den wichtigsten Aufgaben der kulturellen Revolution, die die Massen berührt, zählt der systematische .und unnachgiebige Kampf gegen die Religion — das Opium für das Volk."

Das wahre Wesen des Kommunismus
Doch wie können wir den Fanatismus kommunistischer Parteigänger erklären? Die Antwort lautet, daß der Kommunismus mehr ist als eine Gesellschaftsordnung; er ist eine Religion. Der Kommunismus maßt sich Gewalt an, die Gott gehört, und veranlaßt das Volk, das Heil vom Staat zu erwarten und ihn anstatt Gottes zu verehren. In seinem Buch 'Communism und Christ' schrieb Dr. Lowry: "Das Wunder des Marxismus ist seine soziale und institutionelle Verwirklichung und seine Verwandlung in eine aggressive, universelle Heilsreligion … Seine Anziehungskraft ist doppelt. Er nützte und nützt noch das Ansehen der Wissenschaft aus, indem er behauptet, ein wissenschaftliches System für dieses wissenschaftliche Zeitalter zu sein. Er versprach und verspricht noch Befreiung von den heutigen Ungerechtigkeiten und dem Elend und verheißt allen Anhängern eine neue Welt der Gleichheit und des Glücks."

Die kommunistische Propaganda stellt "eine neue Welt der Gleichheit und des Glücks" in Aussicht. In religiöser Hinsicht geht er noch weiter, denn der Kommunismus hat seine Götter und "Heilande" Lenin wurde nicht nur durch Lobrederei zu einem Gott erhoben, sondern er erhielt auch einen Platz im Pantheon neben Marx. Noch zu Stalins Lebzeiten errichtete das albanische Volk "seiner Gottheit Josef Wissarionowits Stalin" ein Denkmal. Der albanische Premier sagte: "Der große Stalin ist der glorreiche Erretter unseres Volkes." (Chikagoer 'Daily Sun Times', 11. Januar 1950) Die "Heiligen Schriften" des Kommunismus umfassen nun die Schriften von Marx, Engels, Lenin und Stalin. Die rote Religion hat ihre Feiertage und Prozessionen. Sozusagen in jedem Land wimmelt es von kommunistischen Missionaren; ihre Propheten sagen eine neue Welt paradiesischer wirtschaftlicher Verhältnisse voraus.

Wie alle Religionen, so kann auch der Kommunismus auf Grund seiner Früchte beurteilt werden. Was zeitigt er? Lügen. Haß, Verdacht, Zensur, Folter, Grausamkeiten und Mord. Warum bringt er solch faule Früchte hervor? Weil die Regierungen dieser Welt ihre Macht von einem unsichtbaren bösen Geist herleiten, den „Gott dieses Systems der Dinge". Von diesem geistigen Herrscher erklärt die Bibel: „Die ganze Welt liegt in der Gewalt des Bösen." Der Kommunismus ist demnach eine falsche Religion, die ihre Macht und Gewalt von niemand anderem erhält als vom Drachen, Satan, dem Teufel. — 2. Korinther 4:4; 1. Johannes 5:19, Neue-Welt-Übers.

Die falsche "christliche" Religion ist schuld
Die sogenannt christliche Religion wird oft als Bollwerk gegen den Kommunismus bezeichnet. Wie kommt es denn, daß diese vom Teufel inspirierte kommunistische Religion so viele „Christen" verführen konnte? Die Vereinigten Staaten sind nicht nur bestürzt über ihre Wissenschaftler, sondern auch über ihre Geistlichen! In Frankreich, dessen Bevölkerung zu 85 bis 95°/o katholisch ist, erhielten die Kommunisten 26,5% der Stimmen. In Italien, wo über 99 % der Bevölkerung geborene Katholiken sind, hat der Kommunismus noch größere Erfolge zu verzeichnen

Die Ausführungen in der römisch-katholischen Zeitschrift 'The Commonweal' (7. Mai 1954) sollten uns nachdenklich stimmen. Unter dem Titel "Wenn Katholiken Kommunisten werden" schreibt dieses Blatt, daß gemäß Informationen, die von Gemeindepriestern in allen Teilen Italiens gesammelt wurden, der Kommunismus ständig zunehme. Von der Periode sprechend, seitdem der Papst die Exkommunikation (1949) für Kommunisten angeordnet hat, sagt der Artikel: "In dieser Zeit ist der Fortschritt des Kommunismus' in Italien nicht einmal verlangsamt worden; 1.626.957 mehr getaufte Italiener haben für die Kommunisten oder eine kommunistenfreundliche Partei gestimmt, das ergibt eine Gesamtzahl von nahezu 10.000.000 katholischen Kommunisten'." Ungefähr 10.000.000 Katholiken stimmen für die Kommunisten — und dies in nächster Nähe des Vatikans! Was stimmt da nicht?

Ehrliche Geistliche sehen ein, wer die Schuld daran trägt. Ein Presbyterianerprediger in Brooklyn (New York) gab zu, daß der Kommunismus ein „Werkzeug für die soziale Umwälzung ist, das sich entwickelte aus dem unerträglichen Vakuum, hervorgerufen durch das Versagen der Christen, in den vergangenen tausend Jahren ein besseres oder überhaupt ein Werkzeug zu schaffen" - Neuyorker 'Times' 5. Februar 1951.

Demnach schuf das Versagen der „christlichen" Religionen, den Menschen eine wirkliche Hoffnung und wahren Trost zu geben, die Voraussetzungen für die Entstehung des Kommunismus. Wie schlecht haben sich die organisierten Religionen ihrer Aufgabe entledigt! Sie haben den Menschen die herzerfreuende Botschaft von einer neuen Welt des Glücks nicht übermittelt, sondern ihnen nur eine unsichere Jenseitshoffnung angeboten. Der Kommunismus aber verspricht eine glückliche Zeit in diesem Leben und auf Erden. Dann ist auch die Heuchelei und Habsucht der Geistlichkeit allgemein bekannt geworden. Und außer der heidnischen Dreieinigkeits- und Unsterblichkeitslehre hat die organisierte Religion noch die unbiblischen, geldeintragenden Dogmen von der ewigen Qual und dem Fegfeuer gelehrt. Die Geistlichkeit hat die Wahrheit des Wortes Gottes verwässert, so daß die Menschen nur noch zur Kirche gehen, um ihren Staat zu zeigen, mit anderen Menschen zusammenzukommen, Musik zu hören, Unterricht in der Psychologie und Angaben über den im Augenblick meistgekauften Roman zu erhalten, Bingo zu spielen, zu vernehmen, für wen sie stimmen sollen, Zauberkünstlervorführungen beizuwohnen und Geld in einen eifrig herumgereichten Kollektenteller oder eine datierte Geldtüte zu legen. Ist es da verwunderlich, daß bei einem solchen geistigen Vakuum die sogenannten Christen keine Kraft haben, dem Kommunismus zu widerstehen?

Wahres Christentum vorgelebt
Demnach hat die falsche „christliche" Religion den Namen des Christentums entehrt und beschmutzt. Lenins Anklage, die Religion sei "Opium für das Volk" trifft auf das wahre Christentum nicht zu. Denn das wahre Christentum schafft Freude und Hoffnung. Es verheißt eine gerechte neue Welt, und diese Verheißung ist zuverlässig, weil sie vom Schöpfer des Weltalls kommt, dem höchsten Gott, Jehova. Über diese Verheißung. schrieb der Apostel Christi: „Doch gibt es neue Himmel und eine neue Erde, die wir nach seiner Verheißung erwarten, und in diesen wird Gerechtigkeit wohnen." (2. Petrus 3:13, Neue-Welt-Übers.) Die falsche Religion verfehlte, die Menschen über Gottes neue Welt zu unterrichten. Wer lebt das wahre Christentum? Wer erzählt den Menschen von einer paradiesischen Erde, von ewigwährendem Glück und Leben in der neuen Welt, die in unserer Generation kommen wird? Wer erfüllt die Worte Jesu: "Diese gute Botschaft vom Königreich wird gepredigt werden auf der ganzen bewohnten Erde, allen Nationen zu einem Zeugnis, und dann wird das vollendete Ende kommen"? Die einzige Organisation, die dies tut und gemäß den gerechten Grundsätzen des Wortes Gottes lebt, ist die Neue-Welt-Gesellschaft, bestehend aus Jehovas Zeugen. — Matthäus 24:14, Neue-Welt-Übers.

Die falsche "christliche" Religion verfehlt nicht nur, den Menschen die Hoffnung auf Gottes Königreich zu bringen, sondern pflegt auch Beziehungen mit der Welt, mischt sich in die Politik ein. Jehovas Zeugen leben das wahre Christentum, indem sie dem Gebot der Bibel gehorchen: "Wißt ihr nicht, daß die Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott ist? Wer irgend daher ein Freund der Welt sein will, macht sich selbst zu einem Feinde Gottes." "Liebt nicht die Welt noch die Dinge in der Welt." — Jakobus 4:4; 1. Johannes 2:15, Neue-Welt-Übers.

In kommunistischen Ländern ist das christliche Werk der Zeugen Jehovas verboten. Warum ? Weil die Kommunisten die gute Botschaft fürchten, die die Zeugen Jehovas verkündigen. Aber trotz Ächtung und Gefängnisstrafen werden diese wahren Christen nie aufhören, zu verkündigen, daß Gottes Königreich die einzige Hoffnung für die bedrängte Menschheit ist. Ob im Gefängnis oder in Freiheit, Jehovas Zeugen predigen die Wahrheit. Die Bibel ist .die Quelle der von ihnen verkündigten Wahrheit. Kein Wunder, daß ein Kommandoführer der Volkspolizei in einem Gefängnis sagte: "Eine Bibel in der Hand eines Zeugen Jehovas ist so gefährlich wie eine Fackel in der Hand eines Brandstifters." Die Bibel gefährlich? Ja gefährlich für den Irrtum, weil Jehovas Zeugen mit der Bibel den Kommunismus als eine falsche Religion, eine eitle Hoffnung bloßstellen.

Die Streitfrage wird in Harmagedon entschieden
Die Streitfrage drängt zur Entscheidung. Dabei geht es um mehr als nur um den Kommunismus oder das Christentum. Es geht eigentlich um die Frage: Wer ist der Höchste? Jehova Gott oder Satan, der Teufel? Diese Streitfrage muß ein für allemal entschieden werden im Krieg von Harmagedon, dem Krieg "des großen Tages Gottes, des Allmächtigen". Jetzt wird uns klar, warum noch keine Streitfrage von solch großer Bedeutung war wie diese. Diesmal kämpfen die Engel des Himmels unter dem Befehl Christi Jesu für Gerechtigkeit. Die Folgen dieses Krieges werden von größter Tragweite sein. — Offenbarung 16:14, Neue-Welt-Übers.

In Gottes Augen verdient die falsche christliche Religion das schwerste Gericht. Ihre Schuld übertrifft die des Kommunismus. Denn der Kommunismus bekennt sich zum Atheismus und hat noch nie vorgegeben, von Gott und Christus auszugehen, wohl aber die falsche "christliche" Religion. Und deshalb ist sie am tadelnswertesten und wird in Harmagedon zuerst vernichtet werden. Dies hat Gott in der Bibel vorausgesagt. Die Prophezeiung erklärt, daß sich die politischen Mächte, mit denen die organisierte Religion geistige Hurerei getrieben hat, gegen das falsche Christentum wenden und es vernichten werden:

"Und die zehn Hörner, die. du sahst, und das wilde Tier, diese werden die Hure hassen und sie verwüstet und nackt machen und werden ihre fleischigen Teile fressen und sie vollständig mit Feuer verbrennen. Denn Gott gab es in ihre Herzen, sein Vorhaben auszuführen." Dann kommen alle Regierungen dieser Erde an die Reihe: "Und das wilde Tier wurde ergriffen." Das "wilde Tier" stellt die irdischen Regierungen dar, zu denen auch der Kommunismus gehört. Welches Schicksal werden die erleiden, die in dieser Streitfrage neutral bleiben? Die Prophezeiung fährt fort: "Doch die übrigen [alle anderen, die nicht auf der Seite Gottes sind] wurden getötet mit dem langen Schwerte, das aus dem Munde dessen hervorging, der auf dem Pferde saß." So wird Harmagedon diese wertlose Welt mit Stumpf und Stiel austilgen: alles, ausgenommen diejenigen, die das wahre Christentum ausüben. — Offenbarung 17:16,17; 19:20,21, Neue-Welt-Übers. Harmagedon erreicht den Höhepunkt, wenn Satan, der Teufel, in den Abgrund geworfen wird, damit er während der Tausendjahrherrschaft Christi Jesu den Frieden auf Erden nicht störe. Welch herrliche Zeit wird folgen! Der König der Erde, Christus Jesus, führt die Menschheit zur Vollkommenheit. Und schließlich werden all seine gehorsamen Untertanen das Recht erlangen, auf dieser Erde zu leben, und den Tod nie mehr fürchten müssen. "Denn er muß als König herrschen, bis Gott alle Feinde unter seine Füße gelegt hat. Als letzter Feind soll der Tod zunichte gemacht werden." —. l. Korinther 15:25, 26. Neue-Welt-Übers.; Offenbarung 20:1-3.

Verschwunden werden der Kommunismus und alle anderen unvollkommenen Regierungsformen sein. Nie mehr werden die Menschen Bomben, Kanonen oder Gewehrkugeln benötigen. Streben Sie danach, den Anbruch dieser glücklichen Zeit zu erleben. Distanzieren Sie sich vom Kommunismus. Wenden Sie sich von allen Formen der falschen Religion ab. Nehmen Sie gemeinsam mit der Neuen-Welt-Gesellschaft Stellung für das wahre Christentum. Dann werden Sie, wenn Jehova hervortritt „aus seiner Stätte, um die Ungerechtigkeit der Bewohner der Erde an ihnen heimzusuchen", am Leben bleiben und die Aussicht haben, nie von der Erde wegsterben zu müssen. - Jesaja 26:21.

Man vergleiche zum Thema auch:
19552Kommunismus

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Geschrieben von Drahbeck am 15. Juni 2005 06:16:16:

Als Antwort auf: Re: 8. 6. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 08. Juni 2005 05:12:54:

Die Fortsetzungsserie über die „Neuzeitliche Geschichte der Zeugen Jehovas" in der „Wachtturm"-Ausgabe vom 15. 5. 1955 beginnt mit der Mitteilung, dass im Februar 1918 der geheime Armee-Nachrichtendienst der Vereinigten Staaten, der Brooklyner WTG-Zentrale einen dienstlichen Besuch abstattete. Vorgenannte Beamte wollten weiteres darüber ermitteln, dass die WTG, ihren Informationen gemäß, „eine starke Funkstation installiert gehabt hätte, die Botschaften über den Atlantik senden könnte und dazu benutzt worden sei, mit dem Feinde in Deutschland zu verkehren."

Gemäß der WTG-Interpretation in dieser WT-Ausgabe, hätte es zwar einen „Empfänger für drahtlose Telegrafie" gegeben, aber keinen Sender. Schon 1915 hätte Russell diesen Empfänger „geschenkt" bekommen. Auch die WTG räumt ein, dass zu jener Zeit die „drahtlose Telegrafie" noch in den Kinderschuhen steckte. Bekam sie also schon 1915 ein solches Gerät „geschenkt", als „Religionsorganisation", mutet dass schon etwas merkwürdig an (um es noch zurückhaltend zu formulieren). 1915 befand sich das kaiserliche Deutschland bereits im Krieg. Die USA hingegen zögerten ihren Kriegseintritt noch bis 1917 hinaus. 1915 (7. 5. 1915) wurde aber bereits von deutschen U-Booten u. a. ein britisches Schiff (die Lusitiana) versenkt. Unter den 1198 Opfern, befinden sich auch 124 US-Amerikaner.
Namentlich die publizistische Nachwirkung dieses Vorfalles heizte die deutschfeindliche Stimmung stark an.

Es wäre durchaus im Bereich des möglichen gewesen, dass schon 1915 ein Kriegseintritt der USA erfolgt wäre. Insofern kommt diesem „Empfänger" schon eine gewisse strategische Bedeutung zu.

Heutzutage interessiert sich mit Sicherheit kein „Armee-Geheimdienst" für irgendwelche Radioapparate die Bürger XYZ besitzt. Das es 1918 anders war, war eben zu lesen. Gemäß weiterer Angabe, befand sich dieser „Empfänger", im abmontierten Zustand, im Jahre 1918 im Keller (und nicht mehr auf dem Dach des WTG-Gebäudes). Daraus folgt aber auch, dass er zumindest 1915 dort mal aktiv installiert war. Es ist auch von einem noch vorhandenen Schutzdach auf dem Bethelheim für eben diesen „Empfänger" die Rede, was auch Bestätigung für vorstehendes ist.
Zu den weiteren widersprüchlichen Informationen in dieser Frage. Siehe auch:
Funkanlage

Bereits am 28. Februar schlug der Armee-Geheimdienst der USA erneut zu. Diesmal nahm er „Besitz von der Zentrale der Versammlung der Bibelforscher und beschlagnahmte viele Schriften der Gesellschaft. Am folgenden Montag (4. März 1918) wurden mehrere Mitverbundene in Scranton, Pennsylvanien, verhaftet und der Verschwörung angeklagt."

Bis zum für Mai 1918 terminierten Gerichtsverfahren, konnten die Angeklagten gegen Stellung einer Kaution, aber auf freiem Fuß bleiben.

Ursächlich auch die seit Beginn der Rutherford-Administration nunmehr sichtbare Tendenz zur Wehrdienstverweigerung. Schon im Februar 1918 war in Kanada der skandalumwitterte Band 7 der „Schriftstudien" aus diesem Grunde verboten worden. Noch war die eigentliche WTG-Führung in Freiheit. Sie schlug nunmehr zurück, mit Flugschriften, in der namentlich die religiöse Konkurrenz als „Drahtzieher" dieser misslichen Lage bezichtigt wurde.

Am 7. Mai 1918 wurde dann Haftbefehl auch gegen die WTG-Führung um Rutherford und Getreue erlassen. In seiner Argumentation stellte diese Anklage besonders auf die kriegsdienstgegnerischen Aspekte ab, wie zuvor schon in Kanada. Nochmals konnte die WTG-Führung gegen Stellung einer Kaution ihr einstweiliges Verbleiben auf freiem Fuß erreichen.
Ein über 15 Tage sich hinziehender Prozess im Juni 1915 endete dann mit dem Urteilsspruch schuldig. Ein Pressebericht der „Tribune" New York vom 22. 6. 1918, den auch die WTG zitiert sagt unter anderem aus:
„Joseph F. Rutherford und sechs von den anderen 'Russelliten', der Übertretung des Spionagegesetzes als schuldig erklärt, wurden gestern durch Richter Howe zu zwanzig Jahren Gefängnis in der Strafanstalt Atlanta verurteilt."

Jetzt wurde kein weiteres Verbleiben auf freiem Fuß, gegen Kautionsstellung mehr bewilligt. Zwei diesbezüglich gemachte Versuche wurden niedergeschlagen. Und ein dritter eingeleiteter Versuch kam erst gar nicht zum Abschluss. Am 4. Juli 1918 mussten Rutherford und Mitangeklagte ihre Haft tatsächlich antreten.

Zwar gelang es, den „Wachtturm" auch in dieser Zeit weiter erscheinen zu lassen. Aber die Schwierigkeiten nahmen ersichtlich zu.
„Im ganzen Lande hielt die Verfolgung der Bibelforscher in den nächsten Monaten an. Weitere Gefangennahmen, weitere schimpfliche Behandlungen durch die Hände von Pöbelrotten, Razzien in Versammlungslokalen, Verbrennungen von Büchern und fortwährende Verleumdungen durch die Presse und von der Kanzel folgten. Wegen des Druckes der Kriegszeit, der verhinderte, daß man die notwendigen Betriebsmaterialien erhielt, wurde es am 26. August 1918 nötig, das Hauptbüro in Brooklyn zu schließen. Man zog in ein Bürogebäude in Pittsburgh, Pennsylvanien. … Das Brooklyner Tabernacle-Büro und das Versandzentrum war verkauft und das Bethelheim geschlossen worden."

„Licht im Tunnel" sollte dann auch für die WTG das offizielle Ende des Weltkrieges am 11. 11. 1918 bringen. Erneut wurde versucht, eine Freilassung wenigstens auf Kautionsbasis zu erreichen. Ein erster diesbezüglicher Versuch scheiterte am 2. 3. 1919.
Man lies nicht locker. Gegen eine Kautionsstellung von je 10.000 Dollar pro Nase erfolgte dann am 26. 3. 1919 die Freilassung von Rutherford und Mitangeklagte. Womit denn auch dieser Detailbericht in der genannten „Wachtturm"-Ausgabe endet.

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Geschrieben von Drahbeck am 22. Juni 2005 00:14:04:

Als Antwort auf: Re: 15. 6. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 15. Juni 2005 06:16:16:

Dem Dauerstreitthema Evolution widmet sich die „Erwachet!"-Ausgabe vom 22. 6. 1955. Wie man weis, ist das auch in der Gegenwart noch „Dauerstreitthema" wofür stellvertretend auch der Disput Kutschera gegen Lönnig steht.

Gerade aber bei der neuzeitlichen Variante dieser Kontroverse zeigt es sich, dass Anti-Evolutionisten inzwischen „wie der Teufel das Weihwasser scheut", so scheuen sie es, sich als Kreationisten bezeichnen zu lassen. Warum wohl? Sind sie sich bezüglich der „6 Tage Schöpfungsgeschichte" nicht mehr gar so hundertprozentig sicher?

Substanziell besteht jedenfalls zwischen Anti-Evolutionisten, die sich gerne als Vertreter des „Intelligente Design" heutzutage darstellen, und den Kreationisten, die darüber hinausgehend es auch mit den sechs Tagen und ähnliches halten.
Substanziell besteht zwischen diesen beiden, auf naturwissenschaftlicher Ebene kein Unterschied. Das muss in aller Deutlichkeit gesagt werden. Wer von Ihnen sich heutzutage nicht als Kreationist bezeichnen lassen will, der erweckt nicht selten den Eindruck, dies aus Gründen der Kriegslist, vielleicht sogar der sogenannt „theokratischen Kriegslist" zu tun.

Auch beim Falle Lönnig deutlich; etwa indem er sich auch als Vorwortschreiber betätigt zur 4. Auflage des im Verlag Edeltraut Mindt, Bielefeld, (der sehr wohl den Zeugen Jehovas zuzuordnen ist), erschienenen Buches von Henning Kahle (Evolution Irrweg moderner Naturwissenschaft), dem gleichfalls der Anti-Evolutionist und Filmemacher Fritz Poppenberg noch ein Nachwort hinzufügt.

Diese Skrupel, sich nicht als Kreationisten bezeichnen lassen zu wollen, hat dagegen die WTG nicht. Letztere verbindet sehr wohl absurde Bibelthema (Stichwort ihr breit gefächtertes Endzeit-Spekulations-Angebot) mit Anti-Evolutionistischen Argumenten. Für die WTG bedingt also das eine auch das andere. Die Lönnig und Co hingegen halten es mit der Erbsenzählerei. Nur naturwissenschaftlich wollen sie sein. Ihr auch Zeuge Jehovas-Sein möglichst der Öffentlichkeit gegenüber verschweigen. Lediglich dann, wenn sie von anderen in die Ecke gedrängt werden, geben sie auch zu. Ja, man sei Zeuge Jehovas.

In drei von vier Evolutionskritischen Videos des Herrn Poppenberg, kommt der Herr Lönnig mit umfangreichen Statements zu Wort. An keiner Stelle hingegen teilt er dort dem Zuschauer auch nur andeutungsweise seinen Background auch als Zeuge Jehovas mit. Kriegslist pur - mag man dazu nur sagen.

Nun aber zurück zur WTG, die wie bereits schon gesagt, keine Skrupel hat, sich als Kreationist offen zu bekennen. Aus ihren Ausführungen in genannter „Erwachet!"-Ausgabe, nachstehend (kommentarlos) einige Zitate:

Dreißig Jahre sind vergangen, seitdem sich der Volksschullehrer John Scopes in Tennessee vor Gericht verantworten mußte, weil er in seinem Unterricht gelehrt hatte, der Mensch stamme vom Affen ab. Der Prozeß erlangte Weltberühmtheit als Kampf zwischen Religion und Wissenschaft. Im Grunde war es aber eine Auseinandersetzung zwischen falscher Religion und Scheinwissenschaft …

Es war im Juli 1925 in Dayton (Tennessee). Der Prozeß war im Gange, nicht im Gerichtssaal, dieser hätte die vielen Zuhörer nicht fassen können. Daher fand die Gerichtsverhandlung auf einer Wiese statt! Hunderte von Menschen drängten sich vor der Bühne, die unter Ahornbäumen errichtet worden war. Alle hörten aufmerksam den beiden Rednern auf dem Podium zu. Der eine war William Jennings Bryan, ein positiver Protestant und berühmter Politiker, der andere Clarence Darrow, ein hervorragender Rechtsgelehrter und Gottesleugner. Bryan zielte darauf ab, Scopes der Verletzung des Staatsgesetzes zu überführen, das das Lehren der Evolutionstheorie in der Volksschule verbietet. Darrow war der Verteidiger.

„Woher nahm Kain sein Weib?" rief Darrow.
„Ich überlasse es den Agnostikern, danach zu fahnden!" gab Bryan zurück.
Diese Frage und Antwort sind bezeichnend für den ganzen Prozeß. Wie Darrows Frage zeigt, hielt er sich nicht an das Gesetz und brachte auch keine Beweisgründe vor. Er erging sich nur in Nebensächlichkeiten, um die Bibel lächerlich zu machen. Und wie die Antwort verrät, war Bryan auch nicht der geeignete Mann, um die Bibel zu verteidigen, denn er wußte nicht einmal, daß Kain eine seiner Schwestern heirateten. Händler gingen durch die Zuhörermenge und boten Bibeln feil. Hinter den Zuhörern loderten Feuer, denen Bücher von Charles Darwin übergeben wurden. Logik, Überlegung und gesundes Urteil hatten vor der Übermacht des Fanatismus, Vorurteils und der Leidenschaft weichen müssen. Dieser Fall wurde als ein Streit zwischen Religion und Wissenschaft bezeichnet, aber wahre Religion und wahre Wissenschaft fehlten. Im Laufe des Prozesses warf Bryan Darrow vor, er wolle „kleine Kinder der Möglichkeit berauben, ewiges Leben zu erlangen", und Darrow sprach immer wieder abschätzig von Bryans „Narrenreligion". …

Die Evolutionstheorie ist in Tat und Wahrheit ein Glaube. Die meisten Anhänger sind nicht vertraut mit der Theorie, verstehen sie nicht, kennen die Argumente dafür oder dagegen nicht, sondern glauben sie, ohne zu prüfen, weil sie der wissenschaftlichen Hierarchie dieser modernen Religion blind vertrauen. Sie handeln genauso wie der Wissenschaftler und Anhänger der Evolutionstheorie Anthony Standen in seinem Buch 'Science is a Sacred Cow' [Die Wissenschaft ist eine heilige Kuh] schreibt: „Wenn ein Wissenschaftler im weißen Berufsmantel einen Augenblick von seinem Mikroskop oder Zyklotron aufschaut und für die Öffentlichkeit einige Erklärungen abgibt, mögen diese nicht immer verstanden werden, aber er kann mindestens darauf zählen, daß sie geglaubt werden.' Die Menschheit, schreibt er weiter, zerfällt in Wissenschaftler, die Unfehlbarkeit vorgeben und in Laien, die von diesen hereingelegt werden. Die Wissenschaftler beweisen manches; weil sie aber die Entwicklungslehre nicht beweisen können, sagen sie, sie sei wahr, weil alle guten Wissenschaftler daran glauben. Dies ist Tyrannei der Autorität, eine intellektuelle Inquisition, um widerspenstige Denker zu bekehren. Die Pharisäer, die nicht widerlegen konnten, daß Jesus der Messias war, wandten dieselbe Autoritätstyrannei an, als sie zu einigen sagten, die durch Jesu Predigt beeindruckt waren: 'Hat wohl jemand von den Obersten an ihn geglaubt oder von den Phaisäern?' ..
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„Die Evolutionstheorie ist unbewiesen und unbeweisbar. Wir glauben sie bloß, weil uns als andere Wahl nur die Erschaffung der Arten bliebe, und das ist undenkbar", sagte der Entwicklungstheoretiker Sir Arthur Keith. Dies nennt man Voreingenommenheit.

Professor D. M. S. Watson von der Universität London erklärte: „Die Zoologen bekennen sich zur Entwicklungslehre, nicht weil sie als tatsächlicher Vorgang beobachtet worden wäre oder … Sich durch folgerichtig zusammenhängende Belege als wahr beweisen ließe, sondern weil das, was allein übrig bliebe, nämlich die Erschaffung der Arten, einfach unglaubhaft ist." Das ist Voreingenommenheit.

Der Evolutionstheoretiker Ernst Haeckel stellte Zeichnungen her, um die Ähnlichkeit zwischen dem menschlichen Embryo und tierischen Embryonen nachzuweisen; aber er hatte die Bilder abgeändert, um sie seiner Theorie anzugleichen, und als er deswegen angegriffen wurde, gestand er: „Ich muß reumütig zugeben, daß ein kleiner Teil meiner Embryonenbilder wirklich 'gefälscht' ist." Dies ist Unehrlichkeit.

Diese abgeänderten Zeichnungen sind aber immer noch in Lehrbüchern über die Entwicklungslehre zu finden, trotz des Geständnisses, daß es sich um Fälschungen handele. Dies ist in doppelter Hinsicht unehrlich.

Wissenschaftler haben in Erdschichten, die so alt oder älter sind als jene, in denen die berühmten Zwischenformen, die sogenannten Hominiden (Menschenartige) gefunden wurden, Reste des modernen Menschen entdeckt, was beweist, daß diese sogenannten Zwischenformen nicht die viel älteren Übergangsformen sein können zwischen dem modernen Menschen und dem primitiven Affen, wie behauptet wird. Deshalb gibt die Zeitschrift 'Collier's' zu, daß „die ganze Entwicklungslehre dadurch erschüttert" werde. Aber die Entwicklungstheoretiker bleiben so unerschütterlich wie der Religionist, der stur an der Dreieinigkeit festhält, obschon er den biblischen Beweis für ihre Unrichtigkeit erhalten hat. Sie bezeichnen diese Knochenreste immer noch als Zwischenformen, obschon bewiesen wurde, daß sie das nicht sind. Dies zu tun ist unehrlich.

Wenn jemand sagt, die Evolutionstheorie lehre, der Mensch stamme vom Affen ab, ruft er einen Proteststurm von seiten ihrer Verfechter hervor. Im Naturhistorischen Museum in New York ist jedoch eine Serie von Skeletten ausgestellt, angefangen vom Fisch über verschiedene Affen, darunter den Gorilla, bis zum Menschen. Es heißt, wir stammen nicht von den Affen ab, aber die Wissenschaftler führen sie doch als Entwicklungsstufen zwischen Fisch und Mensch auf, weil sie sich gut ausnehmen dort. Dies ist akademische Unehrlichkeit. Keines der in diesem angeblichen Stammbaum des Menschen aufgeführten Tiere geht aufrecht wie der Mensch. Der Pinguin jedoch geht aufrecht. Warum nicht einen der Affen durch den Pinguin ersetzen? Keines dieser Tiere spricht wie der Mensch. Der Papagei jedoch kann sprechen. Warum nicht den Gibbon austauschen mit dem Papagei? Kein Tier im Stammbaum lebt in Gesellschaften (Staaten) wie der Mensch. Aber die Ameisen tun das und auch die Bienen. Warum nicht den Gorilla hinaustun und ihn ersetzen durch diese Insekten? Aber obschon es vernünftiger wäre, sähe es nicht so gut aus, und bei den Evolutionstheoretikern gilt das Aussehen mehr als die Vernunft, und obschon sie zugeben, daß jene Tiere, die gut darin aussehen, nicht hineingehören, werden sie ungehalten, wenn jemand anders, außer sie selber, diese in den Stammbaum des Menschen aufnimmt.

Wissenschaftler, die sich zur Evolutionstheorie bekennen, sind nicht nur voreingenommen und unehrlich, sondern oft auch im Irrtum. Ein wissenschaftliches Buch, das nach wenigen Jahren veraltet ist, enthielt diese vielen Irrtümer von Anfang an. Die geologischen Zeitrechnungen - Zahlen mit vielen Nullen, so daß es Millionen oder Milliarden von Jahren ergibt - sind nur Vermutungen und stützen sich vor allem auf die Spekulationen, wie lange die Entwicklung einer neuen Lebensform dauert. Infolge der Messungen mit Hilfe der Atomuhr mußten an diesen Zahlen viele Nullen gestrichen und eine Verbesserung der Auffassungen über die Schnelligkeit der Entwicklung vorgenommen werden. Von einem Fichtenwald in Wisconsin sagten die Wissenschaftler früher, er sei vor 125.000 Jahren durch einen Gletscher umgelegt worden; die Atomuhr zwang sie nun, diese Zahl auf 11.000 Jahre abzuändern. Das Alter einer Sonnenpyramide bei Mexiko City mußte von 15.000 Jahren auf 3.000 Jahre gekürzt werden. Vom Piltdown-Menschen hieß es, er sei 500.000 Jahre alt, dann 10.000 und schließlich wurde er als ein Schwindel der Evolutionstheorie entlarvt.

Die Zeitung 'Sun-Times' von Chikago (27. - 30. Mai 1951) berichtete über zahlreiche Berichtigungen solcher Altersangaben, die die Evolutionisten vornehmen mußten als Folge der Atomuhr-Messungen, und fügte bei, die früher gemachten Angaben seien nur „akademische Schätzungen" gewesen. Die erwähnte Zeitung schrieb über die vor der Verwendung der Atomuhren gemachten Altersangaben: „Es war ungefähr so, wie wenn jemand ohne Uhr und mit verbundenen Augen sagen wollte, wie spät es ist." Aber wer hätte sich das je träumen lassen, wenn man bedenkt, mit welcher Arroganz die Wissenschaftler den leichtgläubigen Laien diese phantastischen Zahlen servierten? Die Artikel in der 'Sun-Times' enthalten folgende Berichtigungen: Einst dachte man, ein Menschenaffe brauche 20.000.000 Jahre, um sich zu einem Menschen zu entwickeln; nun sollen es nur noch 1.000.000 Jahre sein. Einst wurde erklärt, der moderne Mensch existiere seit 1.000.000 Jahren. Nun heißt es, erst seit 50.000 Jahren. Aber die Schwierigkeit liegt darin, daß die Atomuhr, mit deren Hilfe das Alter von Fossilien bestimmt wird, nicht weit über 20 000 Jahre hinaus oder höchstens 30 000 Jahre anzeigen kann. Und selbst dies setzt voraus, daß die Menge des radioaktiven Kohlenstoffes in der Atmosphäre sich im Laufe dieser Jahrtausende nicht verändert hat. Daher können sie das Alter des Menschen nicht mit 50.000 Jahren angeben mit Hilfe der Atomuhr, wenn aber nicht mit ihr, dann ist es, als wollte man versuchen, die Zeit anzugeben ohne Uhr und mit verbundenen Augen, so daß man nicht einmal weiß, ob es Tag oder Nacht ist!

Die erwähnte Artikelreihe in der 'Sun-Times' begann mit folgenden Ausführungen: "Die Geschichte über den Ursprung des Menschen muß noch einmal geschrieben werden. Neue, epochemachende Forschungsergebnisse der Universität Chikago und anderer Wissenschaftler zeigen, daß sich der Mensch nicht aus Vorfahren von Menschenaffen entwickelt hat, weder in der Zeit noch in der Weise, wie Darwin und moderne Wissenschaftler dachten. Diesen heftigen Stoß erhielt die Evolutionstheorie durch folgende jüngst gemachte Entdeckungen: Der moderne Mensch ist erst seit 50 000 Jahren auf der Erde. Darwin und besonders seine Anhänger täuschten sich in der Annahme, daß der Mensch sich aus einem affenähnlichen Vorfahr im Laufe von ungefähr einer Million Jahre zu dem entwickelte, das er heute ist. Darwin und die modernen Evolutionstheoretiker täuschten sich auch, als sie annahmen, daß sich ein primitiver 'Affenmensch' — groß, plump; behaart, watschelnd — durch kaum merkliche Veränderungen zum modernen Menschen entwickelte. Die Entwicklung ging tatsächlich rasch vor sich. Die wichtigen Veränderungen, durch die sich der Menschenaffe zum Mensch umformte, kamen durch wenige große Schritte zustande."

Die Wissenschaftler hatten früher gesagt, die Entwicklung sei langsam vor sich gegangen, während welcher Tiere und Pflanzen durch die Umwelteinflüsse neue Merkmale erwarben und diese an ihre Nachkommen weitergaben. Aber die Genetik beweist, daß diese erworbenen Eigenschaften nicht erblich sind. Darauf sagten sie, die neuen Formen hätten sich durch sehr kleine Mutationen oder genetische Veränderungen, die erblich seien, gebildet. Aber Mutationen sind sehr selten, und sind praktisch alle nachteilig, und selbst kleine Veränderungen innerhalb einer Familienart würden eine große Zeitspanne beanspruchen. Die Atomuhren gestatten den Evolutionstheoretikern aber keine unbeschränkte Zeitspanne, daher sagten sie, die Lebensformen hatten sich durch große Mutationen entwickelt. Hatten sie sich durch unbedeutende Mutationen gebildet, so müßten viele Fossilien zu finden sein, die die verschiedenen Familienarten miteinander verbinden. Aber wir finden keine. Die Annahme großer Mutationen umgeht dieses Problem, auch reichte dann die von der Atomuhr eingeräumte Zeit aus. Nur sollten wir große Mutationen und eine schnelle Entwicklung beobachten können. Aber wir sehen nichts. Wir begegnen Anomalien, darunter einige Mutationen, aber diese sind nachteilig, keine Aufwärtsentwicklung, sondern eine Degeneration. Doch selbst die größeren Mutationen gehen nie über die Grenzen einer Familienart hinaus.

Doch wollen wir einmal annehmen, daß durch solche sehr seltene große Mutationen sprunghaft eine neue Lebensform gebildet worden sei. Angenommen ein Menschenaffe habe vor Tausenden von Jahren einen Knaben zur Welt gebracht. Diese unmögliche Mutation aber genügt nicht. Was nützt ein Mensch? Daher müßte diese phantastische Mutation auch bei einer anderen Affenmutter eingetreten sein, nur müßte diese ein Mädchen geboren haben, ein genaues Gegenstück in physischer und genetischer Beziehung. Doch auch das genügt nicht. Diese zwei unwirklichen Seltenheiten müßten bei zwei Affen vorgekommen sein, die zur gleichen Zeit lebten, so daß ihre menschlichen Sprößlinge zur gleichen Zeit die Reife erlangt hätten. Aber auch das genügt noch nicht. Diese unglaublichen Dinge müßten zwei Affenmüttern widerfahren sein, die im gleichen Urwaldgebiet lebten, damit sich ihre menschlichen Nachkommen hätten finden und paaren können. Wer der Meinung ist, es sei übertrieben, zu sagen, eine Affenmutter könne mit einem Mal ein menschliches Kind hervorbringen, der hat recht. Aber es ist einfacher, diese unmöglichen Geschehnisse einmal eintreten zu lassen, als drei- oder hundertmal, je nach den erforderlichen Veränderungen vom Affen bis zum Menschen. Es ist Torheit, anzunehmen, alle diese Faktoren seien für die eine große Veränderung vorhanden gewesen; aber zu denken, sie seien immer und immer wieder für viele Veränderungen gegenwärtig gewesen, wie die Evolutionisten behaupten müssen, ist Torheit um ein Vielfaches vermehrt! Wie leichtgläubig sind Entwicklungstheoretiker! …

Die Tatsachen beweisen, daß die Evolutionstheoretiker voreingenommen, unehrlich und im Irrtum sind. Sie haben nicht recht mit ihren Altersangaben, der Urzeugung, der Entwicklung durch erworbene Eigenschaften, den kleinen Mutationen, den großen Mutationen — einfach mit ihrer ganzen Entwicklungslehre. Die Wissenschaft ist recht an ihrem Platz, aber sie bleibt nicht dort. Sie redet vorschnell, behauptet zu viel, beweist zu wenig, ihre guten Werke sind nur wenigen zum Segen, aber ihre bösen Werke allzuvielen zum Verderben. Wissenschaftler sind keine Halbgötter, wie einige glauben. Sie verdienen keinen Heiligenschein, sind nicht unfehlbar, auch wenn viele Laien blindlings an die wissenschaftliche Hierarchie glauben.

Bibelgläubige Menschen brauchen sich vor den Tatsachen der wahren Wissenschaft nicht zu fürchten. Viele Irrtümer der Wissenschaft sind bereits durch neue Erkenntnis offenbar geworden, und der Zusammenbruch der Entwicklungstheorie hat erst begonnen. Die Verfechter der Entwicklungslehre können nicht sagen, wann diese Entwicklung begann, warum sie begann, wo sie begann, wie sie begann und können nicht einmal beweisen, daß sie überhaupt je stattfand. Sie können nur Theorien entwickeln, Theorien über Fossilien, die sie nicht besitzen, lange Zeiträume, die sie nicht haben, über Mutationen, die es nicht gibt, über Zwischenformen, die sie vergeblich suchen. Die Evolutionisten sagen, jeder, der die Entwicklungstheorie kritisiere, sei nicht geschult im wissenschaftlichen Denken, und sie nennen sie abschätzig unwissende, ungeschulte, fanatische oder engstirnige Menschen. Sie sind so beschäftigt, andere zu beschimpfen, daß sie keine Zeit finden, die gegen ihre Theorie vorgebrachten Tatsachen zu widerlegen. Sie schrecken vor McCarthy-Methoden nicht zurück für ihre Zwecke und nehmen zur Verleumdung Zuflucht.

Die Wissenschaftler sind wie die Geistlichen, die anstatt der Bibel heidnische Lehren lehren. Wie die Geistlichkeit zur Zeit Konstantins die heidnische Lehre von der Dreieinigkeit aufbrachte und später die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele, vom Fegefeuer, der Hölle und viele andere und sie im Namen der Bibel verbreitete, obschon die Bibel sie widerlegt, so haben die Wissenschaftler einen tiefen Griff getan in den Sumpf der alten heidnischen Religionen und die Entwicklungslehre herausgezogen, die sie im Namen der Wissenschaft gelehrt haben, obschon sie nicht gestützt wird durch wissenschaftliche Tatsachen. Man schlage irgendein gutes, umfassendes Lexikon unter dem Stichwort Abstammungs- oder Entwicklungslehre nach, und man wird sehen, daß die heidnischen Religionen sie sogar schon vor dem griechischen Philosophen Aristoteles gelehrt haben. Auch heute lebende primitive Völker lehren eine Form der Entwicklung.

Evolutionisten holen aus dem Altertum unwissenschaftlichen Plunder hervor und verwenden ihn in ihrem Kampf gegen die Bibel. Aber sowenig die Argumente der falschen Religion die wahre Religion zu erschüttern vermögen, so wenig vermögen die "Beweise" der Scheinwissenschaft sie ins Wanken zu bringen. Die wahre Wissenschaft bringt die Scheinwissenschaft zu Fall durch wissenschaftliche Tatsachen, und die wahre Religion besiegt die falsche Religion mit biblischen Tatsachen. Die Scheinwissenschaft und die falsche Religion sind selbst in Verwirrung und sie verwirren Millionen Menschen wegen ihres Abgleitens in das Heidentum; aber die wahre Religion, die sich auf die Bibel, und die wahre Wissenschaft, die sich auf bewiesene Tatsachen stützt, sind übereinstimmend, unmißverständlich und einleuchtend, und verhelfen den Menschen, die die Scheinwissenschaft und falsche Religion verwirrt hat, zu Klarheit.

Wenn wir die Wahrheit besitzen, brauchen wir nicht zu Verleumdung zu greifen. Wir brauchen nicht demonstrativ Bibeln zu verkaufen, wie dies geschah anläßlich des Scopes-Prozesses. Auch brauchen wir die Bücher Darwins oder anderer nicht zu verbrennen. Noch müssen wir uns auf konfuse Bryans verlassen, um die Bibel zu verteidigen. Wir brauchen auch die Angriffe atheistischer Darrows oder von Agnostikern wie Darwin nicht zu fürchten. Denn die Evolutionisten befinden sich in einer richtigen Zwickmühle; einerseits sind sie mit einer Theorie festgefahren, die sie nicht beweisen können, und andrerseits können sie sie nicht fahren lassen, ohne ihr Ansehen zu verlieren, ihren Stolz zu verletzen und die Bibel so wie die Schöpfungslehre anzuerkennen. …

Zum Thema kann man auch noch vergleichen:

Parsimony.13712

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Geschrieben von Drahbeck am 01. Juli 2005 06:14:08:

Als Antwort auf: Re: 22. 6. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 22. Juni 2005 00:14:04:

In der Fortsetzungsserie über die „Neuzeitliche Geschichte der Zeugen Jehovas" im Wachtturm vom 1. 7. 1955 klagt die WTG:

„Sobald die Beamten der Watch Tower Society im Frühjahr 1919 frei wurden, war es ihre Hauptsorge, die Räder der Organisation wieder in Bewegung zu bringen. Das Zeugniswerk von mehr als vier Jahrzehnten war durch Satans Schläge von außen im Jahre 1918 zum Stillstand gekommen."

Gemäß ihrer Mitteilung wurde am 14. 5. 1919 das vorangegangene Gerichts-Urteil gegen die WTG-Führung um Rutherford revidiert. Am 5. 5. 1920 gab es gar noch einen formaljuristischen Freispruch dazu. Somit hatte Rutherford, soweit es die staatliche Seite betrifft, nunmehr freie Hand.

Vom 1. bis 7. 9. 1919 wurde ein noch heute in den WTG-Annalen verklärter Kongress in Cedar Point (Ohio, USA) veranstaltet. Herausragend an ihm, auch die Vorankündigung einer neuen Zeitschrift (in Englisch ab 1. 10. 1919 erscheinend), unter dem Titel „The Golden Age".
Bewertet man letztere im Kontext der sonstigen bis dahin vorliegenden WTG-Publikationen, stellt sie durchaus eine Art „Kulturbruch" dar. Es ist in etwa vergleichbar, als wenn eine beliebige andere Religionsgemeinschaft damit beginnen würde (auf deutsche Verhältnisse übertragen), etwa ein Politmagazin vom Kaliber „Der Spiegel" oder „Stern" zu kreieren. Zugegebenermaßen inhaltlich ein paar Nummern kleiner gestrickt und auch für naturwissenschaftliche Themen etwa im Stile des dem etwas näher kommenden Magazin „Das Beste aus Readers Digest" offen. Nicht unbedingt aktive Tagespolitik ist das Geschäft dieser Publikation. Aber die Verweltlichung angesichts vorheriger vorwiegend „Halleluja-Gesänge" ist nicht übersehbar.

Man muss ja diese Publikation auch im Kontext der vorigen Serie von seit 1919 etwa vierteljährlich erscheinenden Flugschriften mit wechselndem Titel („Die Volkskanzel", „Der Bibelforscher"; „Jedermannsblatt"; „Der Schriftforscher") sehen, die zugunsten dieser neuen Publikation nunmehr ersatzlos eingestellt wurden.
GA1.1919.jpg (216647 Byte)
Charakteristische Seiten aus der ersten englischen Ausgabe des "The Golden Age"
GA1.1919.1.jpg (230197 Byte) Jetzt herrschte auch inhaltlich ein völlig neuer Geist in dieser Organisation. Rutherford strukturierte seine Gruppe nunmehr zur „Kampforganisation" um.
Symptom dafür auch die Verlautbarung in genannter WT-Ausgabe:
„Obwohl sich die Glieder des Volkes Jehovas von den 1870er Jahren bis 1918 allmählich von ihrem religiösen Denken, von den verderbten Lehren der babylonischen Religion der abtrünnigen Namenkirchen abgewandt hatten, waren sie doch noch in hohem Maße eingeengt durch die befleckten Bande falscher Auffassungen und Bräuche. Diese hatten sie von den heidnischen Überlieferungen ererbt, die die Christenheit angenommen hatte".

Weiter geht es in diesem Text mit der Aussage:
„So vertrauten zum Beispiel …(sie) bis in ihre Nöte des Jahres 1918 hinein immer noch weitgehend auf sogenannte 'Charakter-Entwicklung', trieben beträchtliche Menschenverehrung, erkannten irdische politische Regierungen als die von Gott verordneten 'höheren Obrigkeiten' an (Röm. 13:1, NW) und wurden so in Menschenfurcht gehalten, besonders gegenüber den Herrschern des Staates. Auch feierten sie gewisse heidnische Festtage wie Weihnachten, gebrauchten das Sinnbild des Kreuzes als Zeichen christlicher Ergebenheit, der Name Jehova blieb bei ihnen im Hintergrund, und was Organisation betrifft, fuhren sie fort, die demokratische Art der Versammlungsleitung zu pflegen."

Damit räumte Rutherford nun grundlegend auf

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Geschrieben von Drahbeck am 08. Juli 2005 09:06:35:

Als Antwort auf: Re: 1. 7. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 01. Juli 2005 06:14:08:

Dem Thema des katholischen Fronleichnamsfest widmet sich „Erwachet!" in seiner Ausgabe vom 8. 7. 1955.
Über die geschichtlichen Wurzeln selbigen meint „Erwachet!" ausführen zu können:
„Wenn jemand von den Zuschauern fragt, um was es sich hier handle, so wird ihm wohl jeder sagen, daß dies die jährlich stattfindende Fronleichnamsprozession ist. Aber möge niemand weiter über Bedeutung und Ursprung dieses Festes fragen. Warum nicht? Weil möglicherweise außer dem Priester und einigen wenigen Kennern der Kirchengeschichte niemand eine Antwort auf solche Fragen geben könnte. Ja, die große Menge der Prozessionsteilnehmer weiß nicht einmal, was der Name dieses Fronleichnamsfestes bedeutet.

Was ist eigentlich der geschichtliche Hintergrund dieses katholischen Festes? In der Bibel findet man bezüglich eines solchen Festes nichts, wiewohl man auf katholischer Seite geneigt ist, die Prozession mit dem Einzug Jesu in Jerusalem zur Passahzeit zu vergleichen. Da dieses Fest erst seit dem 14. Jahrhundert n. Chr. Von der Katholischen Kirche gefeiert wird, wird niemand verwundert sein, nichts darüber in der Bibel zu finden. Die geschichtlichen Hintergründe sind ziemlich verschwommen.

Doch wo Urkunden fehlen, da findet der Geschichtsforscher Quellen in Sagen und Legenden, die sich von Mund zu Mund und durch Jahrhunderte hindurch fortpflanzten. Um das Jahr 1230 n. Chr. Lebte in Lüttich eine Nonne, namens Juliana. Diese soll in den ersten Jahren ihres Ordenslebens eine seltsame Erscheinung gehabt haben. Oft sei ihr der Mond in vollem Glanze erschienen, der in seiner Rundung jedoch einen dunklen Fleck aufwies. Niemand konnte das Gesicht erklären. So habe es Christus der Nonne selbst geoffenbart. Der Mond bedeute die gegenwärtige Katholische Kirche, der Fleck aber das Fehlen eines Festes, das die 'Gläubigen' feiern sollten, nämlich das Fronleichnamsfest.

Juliana erzählte die Vision zuerst einem Kanonikus in Lüttich, namens Johannes de Lausenna. Hernach dem Jakob Pantaleon, einem Archidiakon in Lüttich. Die Sache kam vor Robert, den Bischof von Lüttich, der im Jahre 1246 n. Chr. Die Abhaltung dieses Festes in seinem ganzen Bistum anordnete. Als nun der erwähnte Jakob Pantaleon unter dem Namen Urban IV. Den päpstlichen Thron bestiegen hatte, suchte er das Fest in der ganzen Katholischen Kirche einzuführen, doch sein Tod hinderte ihn an der Ausführung seines Vorhabens. Erst später, anläßlich einer allgemeinen Kirchenversammlung im Jahre 1311 n. Chr., die in Vienne (Frankreich) unter dem Vorsitz des Papstes Klemens V. Stattfand, verordnete man, daß die Feierlichkeit in der ganzen Katholischen Kirche begangen werde

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Geschrieben von Drahbeck am 15. Juli 2005 07:50:11:

Als Antwort auf: Re: 8. 7. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 08. Juli 2005 09:06:35:

„Schluss mit lustig" als Motto in die Alltagspraxis umgesetzt. So mag man am besten die Fortsetzung der „Wachtturm"-Serie über die „Neuzeitliche Geschichte der Zeugen Jehovas" in der WT-Ausgabe vom 15. 7. 1955 bezeichnen.

Schon einleitend wird in verklausulierten Worten über eine relevante Lehrveränderung berichtet. Russell hatte in besonderem Maße dem Gedanken des Philosemitismus gefrönt. Charakteristisch dafür auch seine Schrift „Die nahe Wiederherstellung Israels".
Russell Die nahe Wiederherstellung Israels (pdf-Datei)

Das war allerdings ein zweischneidiges Schwert. Auch Rutherford segelte noch anfänglich voll auf dieser Linie, wie man auch seinem Buch „Trost für die Juden" entnehmen kann, dass noch in wesentlichen Teilen im 1929 erschienenen Rutherford-Buch „Leben" erneut nachgedruckt wurde. Rutherford Trost für die Juden

Glühender Verfechter des Philosemitismus zu sein ist das eine. Das andere ist die Außenreaktion darauf. Und die bestand, man kann es besonders an der apologetischen Literatur gegen die Bibelforscher in Deutschland nachweisen, in der Kurzschluß-Unterstellung, die Bibelforscher stünden im Solde der Juden, würden gar von ihnen bezahlt. Solcherlei Thesen setzten vor allem auf einen Faktor. Den Faktor der Emotionen. Ernst zu nehmende Begründungen dafür gab es nicht.
Aber man sah es auch an der Nazibewegung in Deutschland. Als Schlagwort dem Pöbel zum Fraße vorgeworfen, entwickelten solche Antipathien durchaus eine nicht zu unterschätzende Wirksamkeit.

Noch eines wusste auch Rutherford. In den USA war seine „Truppe" im Konzert des religiösen Jahrmarktes, zur damaligen Zeit, eine mikroskopisch kaum wahrnehmbare Gruppe. Das sollte sich dort erst in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg ändern. In Deutschland hingegen, namentlich in Sachsen, mit Auswirkungen bis in die Gegenwart, war man schon „wer". Namentlich sein „Politmagazin" „Das Goldene Zeitalter" erreichte in Deutschland schon damals eine in die Hunderttausende gehende Verbreitungsebene. Offenbar kam Rutherford in ganz nüchternem Kalkül der gegebenen Umstände, auch zu der Einsicht. Nun wäre es wohl an der Zeit, auch die „heilige Kuh" des Philosemitismus zu schlachten. Täte man es nicht, wäre wohl der Schaden größer als der Nutzen.

Wie sich der Nazismus nach seiner Macht-Usurpation in Deutschland tatsächlich entwickeln würde, konnte man zwar schon im voraus erahnen. Indes genau es auch im Vorfeld zu wissen; das war schon erheblich schwieriger. Besonders dann, wenn auch das „Prinzip Hoffnung" mit hineinschwang, was ja bei wesentlichen Teilen jener, die den Nazis ihre Wahlstimmen gaben, als gegeben vorausgesetzt werden konnte. Hielten die „Bibelforscher" es auch selber nicht mit dem wählen, so war wohl auch ihnen klar, wie sich die politische Großwetterlage zu entwickeln drohte. Klar war auch ihnen. In dieser Konstellation bewirkt die weitere Aufrechterhaltung des Philosemitismus nur eines. Die Aufrechterhaltung eines „schlagkräftigen" Schlagwortes für die Nazis, über die „Judentruppe" und ähnliches mehr.

In dieses offene Messer wollte nun auch Rutherford nicht hineinrennen. Ließ er doch den Nazis schon 1933 bescheinigen. Er sei doch schon immer besonders deutschfreundlich gewesen. Das war er sicherlich (relativ gesehen). Schon aus dem Grunde, weil seine „Bewegung" in Deutschland „schon wer war". In den USA hingegen nach wie vor nur eine mikroskopisch verschwindend kleine Sekte. Es ist also ein ganz nüchternes Kalkül, dass auch in dieser Frage zum tragen kam. Seiner tölpelhaften Anhängerschaft diese Details nun auseinanderzusetzen, dass wusste auch Rutherford, wäre wohl vergebliche Liebesmüh. Denen musste man das nur „marktgerecht" verkaufen. Am besten in vermeintliche Bibelauslegungen verpackt. Und so wurde es denn auch in diesem Fall praktiziert. In der genannten WT-Ausgabe liest sich dann diese dogmatische Zäsur so:

„Die Wiederherstellung der echten Anbetung des lebendigen Gottes im Jahre 1919 bedeutete nicht das Versammeln großer Mengen gebürtiger oder natürlicher 'orthodoxer' Juden in ein sogenanntes 'Heiliges Land' (Palästina) unter dem Schlagwort 'Zionismus' … In der Tat, in bezug auf ein so lange erwartetes und allgemein bekanntgemachtes Ereignis erkannten die ernsten Erforscher der Bibel ums Jahr 1932, daß es nicht Jehovas Weg, sondern nur der Weg sich selbst dienender Menschen ist, die auf schlaue Weise zu menschlichen Zwecken und Vorteilen zur Tat aufgerüttelt worden sind. Durch die Veröffentlichung von Band 2 des Buches 'Rechtfertigung' in jenen Jahre erkannten Jehovas Zeugen, daß eine solche 'Zurück-nach-Palästina'-Bewegung vom Geiste des Erzfeindes Jehovas in die Wege geleitet wurde ...."

Wie tief denn diese neue „Erkenntnis" nachwirkte, kann man auch an dem Umstand ablesen; das später KZ-Kommandant Rudolf Höß in seinen kurz vor seiner Hinrichtung noch zu Papier gebrachten Erinnerungen, auch darüber seiner Verwunderung Ausdruck gab, dass die Bibelforscher ihm auch dadurch auffällig gewesen seien, dass sie die Meinung vertraten, die Juden müssten wohl zu recht leiden ....!

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Geschrieben von Drahbeck am 22. Juli 2005 06:35:01:

Als Antwort auf: Re: 15. 7. 1955 (Vor fnfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 15. Juli 2005 07:50:11:

"Säuglinge und Bluttransfusionen" überschrieben; ein Artikel in der "Erwachet!"-Ausgabe vom 22. 7. 1955.
"Als ein gewisses Ehepaar von Jehovas Zeugen in Chikago, Illinois (USA), nicht die Zustimmung für eine Blutübertragung gab, die seinem Baby gemacht werden sollte, und es anschließend starb, wurde man in der Presse der Vereinigten Staaten hysterisch" schreibt die WTG. "Wurde man ... hysterisch"; diesen Teilsatz muß man sich wohl noch mal auf der Zunge zergehen lassen.

Wie äußerte sich die unterstellte "Hysterie"? Offenbar so:
"Indem man von einem Ende des Landes bis zum anderen die Eltern verwarf."

Das hätte es also in der WTG-Lesart nicht geben sollen. Ihre faktische Morddoktrin hätte also unbeantwortet bleiben sollen, wenn es nach der WTG ginge. Die Presse indes hielt sich, wie gelesen, nicht an diese "Spielregel".

Nun glaubt die WTG mittels "Gutachten" argumentieren zu sollen. Das kennt man ja auch von Versicherungen. Wenn es ans zahlen gehen soll, wird allerlei Kleingedrucktes aus dem Zylinder hervorgeholt. Geht es um größere Summen, investieren dann die Versicherungen lieber in saftige Honorare für ihre "Gutachter" genannte Interessenvertreter, als denn zugunsten ihrer Versicherungsnehmer.

So auch in diesem Fall. Die WTG wähnt Gutachten zu haben, die da besagen sollen. Auch mit Bluttransfusion wäre der Säugling gestorben. Und um nachzulegen, damit die Gutachter ihr investiertes Honorar auch wert sind, glaubt man auf Fälle verweisen zu können, wo Säuglinge (außerhalb des Zeugen Jehovas Bereiches) auch nach Bluttransfusionen verstorben wären.

Da werden die WTG-Gutachter wohl allerlei medizinische Literatur gewälzt haben, um an entlegener Stelle solche von ihnen dringend gesuchten Fälle, doch noch zu finden.
Wobei nicht unterstellt wird, es wären tatsächlich "bezahlte" WTG-Gutachter am Werke gewesen. Angesichts des Einflußes den die WTG auf ihre Anhängerschaft auszuüben vermag, kann es auch so sein, dass unbezahlte Kräfte ihr die entsprechenden Infos zukommen ließen. Es ist somit eine Fehlinterpretation auf den Aspekt bezahlt oder nicht bezahlt, abzustellen.

Und den Artikel lässt man dann noch mit einer anderen rührseligen Geschichte ausklingen:
"Nach einem nutzlosen Gefühlsausbruch des Kinderarztes, der den Fall behandelte, stimmten er und der Chirurg schließlich zu, die Operation auszuführen, ohne Blut dabei zu verwenden. Die Operation verlief erfolgreich."

Auch dabei ist die Vokabel "nutzloser Gefühlsausbruch" beachtlich. Mit anderen Worten. Auch in diesem Fall siegte die Dogmatik über rationale Überlegungen verantwortlicher Ärzte.

Ihre Gutachterschlacht kann sich die WTG meinetwegen an den Allerwertesten kleben. Es ist sicherlich unzulässig eine direkte Parallele zu islamistischen Selbstmordattentätern zu ziehen.
Es gilt auch zu sehen, die islamistischen Selbstmordattentäter zielen bewußt auf die Schädigung dritter, völlig Unbeteiligter ab. Von einer Schädigung "völlig Unbeteiligter" in Sachen Bluttransfusion kann man mit Sicherheit nicht reden. Da sind alle Beteiligten indoktriniert. WTG-indoktriniert. Sieht man mal von dem Krankenhauspersonal ab, dass mit den Konsequenzen dieser Dogmatik, irgendwie "zurecht" kommen muß. Dennoch, von der mentalen Befindlichkeit her, sind da einige Ansätze so unähnlich wohl nicht.

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Als Antwort auf: Re: 22. 7. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 22. Juli 2005 06:35:01:

"In der schottischen Presse und in den Tageszeitungen Englands fand der Fall große Publizität. Der Fall selbst war ungewöhnlich genug, und daß dazu drei Beamte der Gesellschaft vom Hauptbüro nach Edinburg geflogen waren, um ... als Zeugen beizustehen, gefiel der Öffentlichkeit und lockte Reporter von fern und nah herbei. Die größeren Zeitungen widmeten dem Fall mehr als 25 m Spaltenlänge."

7 Tage soll dieses Prozessspektakel Ende 1954, Anfang 1955, gedauert haben. Und die offiziellen Gerichtsprotokolle sollen einen Umfang von 762 Manuskriptseiten umfassen. Das Urteil fiel nicht zugunsten der WTG aus. Sie legte Berufung ein. Auch die wurde verworfen:
"Dann wurde der Fall vor das Oberhaus gebracht, die letzte Instanz. Am 21. Juli 1955 wies Lord Goddard, der Lordoberrichter von England, die Berufung zurück. Jehovas Zeugen wurden daher als eine Religionsgemeinschaft betrachtet, die keine regulären Prediger hat.

Auch der "Wachtturm" (1. 8. 1955) kam darauf zu sprechen. Der einleitend zitierte Satz wurde daraus entnommen. In gewisser Beziehung kann man diesen "Jahrhundertprozess" durchaus mit den deutschen Körperschafts-Prozessen der Zeugen Jehovas vergleichen.

W.1.8.55.jpg (63604 Byte)

Worum ging es der WTG beim Fall Douglas Walsh, dass sie selbst hochkaratiges WTG-Personal wie den damaligen WTG-Viziepräsidenten F. W. Franz, den WTG-Rechtsberater Hayden C. Covington und den WTG Sekretär-Kassierer Grant Suiter, eigens aus den USA zur Verhandlung nach Schottland beorderte?

Vordergründig wollte sie vor allem eines erreichen: Der britische Staat möge doch im Hinblick auf Geistlichen gewährten Privilegien, doch zumindest ihren "Pionieren", die zugleich die Rolle eines Versammlungsleiters der Zeugen Jehovas wahrnehmen, ähnliches zubilligen.

Nicht nur der deutsche, auch der britische Staat tat sich jedoch bei diesem Ansinnen schwer. Und da erschien den WTG-Gewaltigen der gerade anstehende Gerichtsfall Douglas Walsh geeignet, um ihn zum Präzedenzfall hochzustilisieren. Deshalb (in diesem Fall) auch ihr hochkarätiges Aufgebot.

Sind Fälle aus Deutschland bekannt, wo Zeugen Jehovas im Zusammenhang mit den sich durch ihre seinerzeitige Ersatzdienstverweigerung ergebenden Gerichtsfällen (einer von ihnen, Albert Grandath, ging gar bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte). Sind Fälle bekannt, dass da ihnen der finanzielle Atem ausging (juristische Kämpfe auszutragen ist bekanntlich in diesem Lande nicht "billig"). So scherte das die WTG relativ wenig. Die Kosten hatten die indoktrinierten Opfer ohnehin zu tragen, da es ja in WTG-Lesart ihre "eigene" (WTG indoktrinierte) Gewissensentscheidung war.

Nun aber Schottland. Da war es der WTG sogar wert, ihre führenden Spitzenfunktionäre eigens über den großen Teich zu schicken. Das deren Kosten der Douglas Walsh auch tragen musste, ist (zumindest in diesem Ausnahmefall) nicht bekannt.

Bedauerlicherweise musste die WTG in diesem Gerichtsspektakel aber registrieren. Ihr eigentliches Ziel hat sie nicht erreicht.
Das äußert sich dann auch in solchen Sätzen im WT-Bericht, wie der:

"Die zweite der zwei Hauptfragen: Ist der Beschwerdeführer ein 'regulärer Geistlicher' kraft seiner Ernennung als Pionier? als Versammlungsdiener? Der Richter entschied in dieser Frage gegen Walsh."

Missmutig muss die WTG zu diesem Aspekt des Spektakels registrieren:

"Der Richter jedoch vertrat die Auffassung, daß die Ordination an sich jemanden nicht zu einem 'regulären Geistlichen' mache, da alle Zeugen Jehovas ordinierte Prediger seien, und daß es beim Gericht liege, die Sache, soweit es das Nationale Militärgesetz des Landes betreffe, zu entscheiden.

Über den Ausdruck 'Prediger' oder 'Geistlicher' sagte der Richter: 'Um ein Geistlicher zu sein, muß der Betreffende erstens mit dem Amt eines Religionsgeistlichen bekleidet worden sein, und muß zweitens die religiösen Verordnungen seiner Gemeinschaft praktiziert haben oder wenigstens dazu berechtigt sein (denn so lese ich diese Worte). Ferner bin ich der Ansicht, daß diese zwei wichtigsten Voraussetzungen notwendigerweise einschließen, daß ein Geistlicher in geistigen Dingen gewissermaßen abgesondert ist von den gewöhnlichen Gliedern seiner Gemeinschaft.'

Der Richter wandte dann seine Definition auf Walhs Ernennung zum Versammlungsdiener an. Er protestierte gegen die Form der Ernennung: einen mit dem Stempel der Gesellschaft unterzeichneten Brief, und auch gegen die Tatsache, daß derselbe Brief dazu benutzt werde, andere Diener zu geringeren Ämtern in der Versammlung zu ernennen. Er folgerte, daß 'der Nachdruck entschieden mehr auf Administration als geistiger Führerschaft beruhe'.

Der Richter fand auch Mängel an der erforderlichen höheren Schulung eines Versammlungsdieners. Über die theokratische Dienstamtschule, in der ein Versammlungsdiener mindestens ein Jahr lang vor seiner Ernennung Schulung empfangen haben muß, sagte der Richter:

Es 'klingt nach Schulung, besonders im Verein mit den Anweisungen und dem vorgeschriebenen Studienplan'. Darauf sagte der Richter ... daß das 'dort Gelehrte von Kindern ... im zartem Alter verstanden werden könne.'"

So gesehen, wird man das Ergebnis dieser Gerichtsverhandlung, wohl eher als "Bauchklatscher" für die WTG deuten können. Und dies trotz des Umstandes, dass die WTG im Vorfeld, einige Hoffnungen, gerade in dieses Verfahren gesetzt hatte. Die Hoffnungen der WTG offenbaren sich auch in den folgenden Details aus vorgenannter WT-Berichterstattung:

"H. C. Covington ... der allgemeine Rechtsberater der Watch Tower Society, war schon für die Vorverhandlung in beaufsichtigender Eigenschaft zugegen gewesen. Nun wurde bestimmt daß er und zwei weitere langjährige Beamte von New York herüberfliegen sollten, um anläßlich des Prozesses Beweise vorzubringen. ...

Der Fall war so vorbereitet worden, daß F. W. Franz, der Vizepräsident der Gesellschaft, als erster den Zeugenstand einnehmen mußte. ...
Covington sprach über die Organisation der Zeugen Jehovas, ihre Zeremonien und Bräuche. Er erklärte den Aufbau der Organisation ... Er zeigte, daß es eine bestimmte, festumrissene Organisation ist ...
Grant Suiter, der Sekretär und Kassierer der Gesellschaft, behandelte ebenfalls die Funktionen der Pioniere und Versammlungsdiener und dann die Finanzierung der Organisation. Er hatte die Bilanzen der Gesellschaft bei sich und besprach sie vor Gericht. Die Zahlen zeigten, daß die Beiträge, die durch die Abgabe von Schriften hereinkommen, nicht Einzelpersonen oder die Gesellschaft bereichern, sondern sogar ungenügend sind um das weltweite Missionarswerk in seinem gegenwärtigen Ausmaß durchzuführen, und daß freiwillige Beiträge der Zeugen Jehovas die Differenz ausgleichen."

Weiter nahmen laut Bericht, auch noch hochrangige Vertreter des britischen Zweiges der WTG zusätzlich, mit an diesem Spektakel teil. Über das Ergebnis wurde schon berichtet.
Namentlich im englischsprachigen Raum, liegen über diesen für WTG-Verhältnisse, wohl als "Jahrhundertprozess" zu bezeichnende Spektakel auch einige, weiter ins Detail gehende Veröffentlichungen vor. Ein Teil von ihnen - zumeist in der Form einer indirekten Zitierung - ist über den Umweg, der Übersetzung aus dem englischsprachigen Raum, auch in einigen deutschen Publikationen zugänglich. Mit am ausführlichsten, zitiert vielleicht Raymond Franz (auch) in seinem zweiten Buch ("Auf der Suche nach christlicher Freiheit") daraus.

Als Details, die (auch) via der Franz'schen Rezeption mitgeteilt werden seien genannt.
Der Wortwechsel zwischen Franz und dem Ankläger:
Ankläger- Haben Sie sich mit dem Hebräischen vertraut gemacht?
Franz-
Ja

Ankläger -- So dass Sie über einen beträchtlichen sprachlichen Apparat verfügen?
Franz--
Ja, zum Gebrauch für meine Arbeit mit der Bibel.

Prosecutor-- Ich glaube, Sie sind in der Lage, die Bibel in Hebräisch, Griechisch, Spanisch, Portugiesisch, Deutsch und Französisch zu lesen und ihr zu folgen.
Franz--
Ja

Prosecutor-- Können Sie selbst dies hier ins Hebräische übersetzen?
Franz--
Was?

Prosecutor-- Diesen vierten Vers im zweiten Kapitel von 1. Mose?
Franz--
Nein.

(Fred Franz im Kreuzverhör. Beweise des Anklägers im Fall Douglas Walsh gegen The Right Honorable James Latham, Clyde, Scottish Court of Sessions, Mittwoch, 24. November 1954, Seite 7, Abschnitte A-B. und Seite 102, Abschnitt F.)

Hayden C. Covington "verewigte" sich mit dem nachfolgenden Statement:
Ankläger -- Es wurde falsche Prophetie verbreitet?
Antwort--
Ich stimme zu.

Ankläger -- Sie musste von den Zeugen Jehovas akzeptiert werden?
Antwort --
Das ist korrekt.

Ankläger -- Wenn ein Glied der Zeugen Jehovas zu dem eigenen Schluss kam, die Prophetie sei falsch, und das auch sagte, wurde er dann üblicherweise ausgeschlossen?
Antwort --
Ja ... Unsere Absicht ist es, Einheit zu haben.

Ankläger -- Einheit um jeden Preis?
Antwort --
Einheit um jeden Preis ...

Ankläger -- Und Einheit aufgrund zwangsweisen Annehmens falscher Prophetie?
Antwort --
Das räume ich ein.

Ankläger -- Und derjenige, der seine Ansicht äußerte, dass sie ... falsch sei, und der dann ausgeschlossen wurde, würde gegen den Bund verstoßen, wenn er getauft war?
Antwort --
Das ist richtig.

Ankläger -- Und wäre, wie Sie gestern ausdrücklich sagten, des Todes würdig?
Antwort --
Ich antworte unbedingt mit ja. Ohne Zögern.

Ankläger -- Bezeichnen Sie das als Religion?
Antwort --
Das ist es sicher.

Ankläger -- Nennen Sie das Christentum?
Antwort --
Ganz bestimmt.

(Beweise des Anklägers im Fall Douglas Walsh gegen The Right Honorable
James Latham Clyde, Scottish Court of Sessions, November 1954, Seiten
347-348)

Raymond Franz zitiert weiter aus der Zeugenaussage seines Onkels (des WTG-Vizepräsidenten F. W. Franz) wobei er die Kürzel
F: für Frage; und
A: für Antwort verwendet:

F.: Arbeiten Sie zusätzlich zu diesen regulären Veröffentlichungen von Zeit zu Zeit eine Anzahl theologischer Broschüren und Bücher aus und geben sie heraus?
A.: Ja.

F.: Können Sie mir folgendes sagen: Werden diese theologischen Veröffentlichungen und die Halbmonatsschriften benutzt, um Lehraussagen zu besprechen?
A.: Ja.

F.: Sieht man diese Lehraussagen innerhalb der Gesellschaft als maßgebend an?
A.: Ja.

F.: Steht es frei, sie zu akzeptieren, oder sind sie verpflichtend für alle, die Mitglieder der Gesellschaft sind und bleiben wollen?
A.: Sie sind verpflichtend.

F.: So, daß es praktisch als Ergebnis eine neue menschliche Gesellschaft geben wird?
A.: Ja. Es wird eine Neue-Welt-Gesellschaft unter neuen Himmeln geben, denn die früheren Himmel und die frühere Erde werden in der Schlacht von Harmagedon vergangen sein.

F.: Nun zur Bevölkerung dieser neuen Erde: Wird sie nur aus Zeugen Jehovas
bestehen?
A.: Am Anfang wird sie nur aus Zeugen Jehovas bestehen. Die Glieder des Überrests erwarten, diese Schlacht von Harmagedon genauso zu überleben wie eine große Schar dieser anderen Schafe. Der Verbleib des Überrests auf der Erde nach der Schlacht von Harmagedon wird aber nur zeitweilig sein, da er seinen irdischen Lauf treu bis zum Tod vollenden muß, aber die anderen Schafe dürfen, wenn sie ständig Gottes Willen gehorchen, für immer auf der Erde leben.

F.: Und werden diese disziplinarischen Maßnahmen tatsächlich
vollzogen, wenn sich die Situation ergibt?
A.: Ja.

F.: Nun, ich will Sie nicht noch mehr über diese Seite der Angelegenheit fragen, aber gibt es Verstöße, die als so schwerwiegend angesehen werden, daß sie einen Ausschluß ohne Hoffnung auf Wiederaufnahme rechtfertigen?
A.: Ja. Tatsache ist, daß der Ausschluß als solcher für den Ausgeschlossenen zur Vernichtung führen kann, wenn dieser niemals bereut und seinen Lauf ändert und wenn er außerhalb der Organisation bleibt. Für ihn gäbe es keine Hoffnung auf Leben in der neuen Welt. Es gibt jedoch eine zum Ausschluß führende Handlungskette, aus der derjenige mit Sicherheit nie zurückkönnte, und das ist die sogenannte Sünde gegen den Heiligen Geist.

F.: Stimmt es nicht, daß Pastor Russell den Zeitpunkt 1874 festsetzte?
A.: Nein.

F.: Es stimmt doch aber, daß er die Festsetzung des Zeitpunktes vor 1914 vornahm?
A.: Ja.

F.: Welchen Zeitpunkt setzte er an?
A.: Das Ende der Zeit der Heiden setzte er mit 1914 an.

F.: Hat er nicht 1874 als irgendein anderes entscheidendes Datum angesetzt?
A.:1874 verstand man allgemein als den Zeitpunkt des Zweiten Kommens Jesu im Geiste.

F.: Sagen Sie: Verstand man allgemein?
A.: Das ist richtig.

F.: Und wurde das als Tatsache herausgebracht, die von allen, die Zeugen Jehovas waren, akzeptiert werden mußte?
A.: Ja.

F.: Jetzt wird das nicht mehr angenommen, nicht wahr?
A.: Nein.

F.: Als Pastor Russell zu diesem Schluß kam, da gründete er die Ansicht doch auf eine
Auslegung des Buches Daniel, nicht wahr?
A.: Zum Teil.

F.: Und insbesondere auf Daniel, Kapitel 7, Vers 7 und Daniel, Kapitel 12, Vers 12?
A.: Daniel 7:7 und 12:12. Was sagten Sie, gründete er auf diese Schriftstellen?

F.: Seinen Zeitpunkt 1874 als entscheidenden Zeitpunkt und das Datum des Zweiten Kommens Christi?
A.: Nein.

F.: Als was, sagten Sie, setzte er es an? Ich habe das so dem von Ihnen
Gesagten entnommen. Da muß ich Sie wohl falsch verstanden haben.
A.: Er gründete nicht 1874 auf diese Schriftstellen.

F.: Er gründete es auf diese Schriftstellen in Verbindung mit der Ansicht, daß im Jahre 539 das Königreich der Ostgoten auf den Plan trat?
A.: Ja. 539 war ein Datum, das er bei der Berechnung benutzte. Aber 1874 gründete sich nicht darauf.

F.: Aber es handelte sich um eine Berechnung, die nun nicht mehr vom Direktorium der Gesellschaft angenommen wird?
A.: Das ist richtig.

F.: So habe ich also doch recht; ich bin nur bemüht, die Einstellung herauszufinden. Es wurde also die Pflicht und Schuldigkeit des Zeugen, diese Fehlberechnung zu akzeptieren?
A.: Ja.

F.: So muß die Gesellschaft also vielleicht in ein paar Jahren einräumen, daß das, was sie heute als Wahrheit herausgibt, dann falsch ist?
A.: Wir müssen eben abwarten.

F.: Und in der Zwischenzeit ist die Gesamtheit der Zeugen Jehovas weiter einem Irrtum gefolgt?
A.: Sie sind Mißverständnissen in bezug auf die Schrift gefolgt.

F.: Irrtum?
A.: Nun ja, Irrtum.

A.: Um ein ordinierter Diener zu werden, muß er ein Verständnis der in diesen Büchern enthaltenen Dinge erlangen.

F.: Aber wird man nicht durch die Taufe zu einem Diener ordiniert?
A.: Doch.

F.: Er muß daher also bei der Taufe diese Bücher kennen?
A.: Er muß die Vorhaben Gottes verstehen, die in diesen Büchern dargelegt sind.

F.: In diesen Büchern dargelegt; und dargelegt aus Auslegung der Bibel?
A.: Diese Bücher geben eine Darlegung der gesamten Schrift.

F.: Aber eine maßgebende Darlegung?
A.: Sie legen die Bibel oder die darin gemachten Aussagen dar, und der einzelne untersucht die Aussage und dann die Schrift und stellt fest, daß die Aussage von der Schrift gestützt wird.

F.: Er - Wie bitte?
A.: Er untersucht die Schrift, um festzustellen, ob die Aussage von der Schrift gestützt wird. Der Apostel sagt: "Vergewissert euch aller Dinge; haltet an dem fest, was vortrefflich ist."

F.: Ich habe Ihre Haltung so verstanden -bitte korrigieren Sie mich, wenn ich unrecht habe-, daß ein Mitglied der Zeugen Jehovas das, was in den Büchern steht, auf die ich Sie hinwies, als eine Art Bibel und als wahre Auslegung annehmen muß.
A.: Aber er tut das nicht unter Zwang; man gibt ihm das Recht als Christ, die Schriftstellen zu untersuchen, damit er die Bestätigung erhält, daß das von der Bibel gestützt wird.

F.: Und wenn er nun sieht, daß die Schriftstelle nicht von den Büchern gestützt wird oder auch umgekehrt, was wird er dann tun?
A.: Die Schriftstelle steht da als Stütze der Aussage, darum wird sie dort angeführt.

F.: Was tut jemand, wenn er sieht, daß zwischen der Schriftstelle und diesen Büchern eine Diskrepanz besteht?
A.: Sie müssen mir schon jemanden beibringen, der das findet, dann kann ich antworten oder er wird es tun.

F.: haben Sie damit auch sagen wollen, daß das einzelne Mitglied das Recht hat, die Bücher und die Bibel zu lesen und sich dann seine eigene Meinung zu bilden, was die richtige Auslegung der Heiligen Schrift ist?
A.: Er kommt---

F.: Würden Sie ja oder nein sagen und es dann näher ausführen?
A.: Nein. Möchten Sie, daß ich das jetzt begründe?

F.: Ja, wenn Sie wollen.
A.: Die Schriftstelle ist dort als Stütze für die Aussage angegeben. Wenn daher jemand die Schriftstelle nachschlägt und sich so die Aussage bestätigen läßt, dann gelangt er zu der schriftgemäßen Ansicht über den Stoff, zu dem schriftgemäßen Verständnis wie in Apostelgeschichte, Kapitel 17, Vers 11, wo es heißt, daß die Beröer edler gesinnt waren als die Thessalonicher, weil sie das Wort mit der größten Bereitwilligkeit aufnahmen, indem sie in der Schrift forschten, ob sich die Dinge so verhielten. Und wir erteilen Anweisung, diesem edlen Lauf der Beröer nachzufolgen und in der Schrift zu forschen, ob sich die Dinge so verhalten.

F.: Ein Zeuge hat dann doch wohl keine Alternative, als die im "Wachtturm", dem "Informator" oder in "Erwachet!" herausgegebenen Anweisungen als maßgebend anzunehmen und zu befolgen?
A.: Er muß sie akzeptieren.

F.: Gibt es für jemanden Hoffnung auf Rettung, der sich in einer Situation in der Welt, wo er die Traktate und Veröffentlichungen Ihrer Vereinigung nicht erhalten kann, allein auf die Bibel stützt?
A.: Er stützt sich ja auf die Bibel.

F.: Kann er sie dann richtig auslegen?
A.: Nein.

F.: Ich möchte nicht, daß wir uns gegenseitig Texte vorhalten, aber sagte Jesus nicht: "Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stürbe, [und wer lebt und an mich] glaubt, wird niemals sterben"?
A.: Ja.

F: Hat in religiösen Dingen jedes Mitglied des Direktoriums gleichviel zu sagen?
A: Der Präsident ist das Sprachrohr. Er hält die Reden, die einen Fortschritt im Bibelverständnis zeigen. Danach kann er andere Mitarbeiter im Hauptbüro vorübergehend beauftragen, andere Reden zu halten, in denen Teile der Bibel besprochen werden, auf die weiteres Licht gefallen ist.

F: Sagen Sie bitte, wird über die Fortschritte, wie Sie es nennen, von den Direktoren abgestimmt?
A: Nein

F: Wie werden sie dann zu offiziellen Verlautbarungen?
A: Sie werden dem Herausgeberkomitee vorgelegt, und ich prüfe sie an Hand der Bibel und gebe meine Zustimmung Dann leite ich sie an Präsident Knorr weiter, und Präsident Knorr trifft die endgültige Entscheidung.

F: Und dem Direktorium werden sie überhaupt nicht vorgelegt?
A: Nein

Hayden C. Covington wand sich nach dem Bericht von Raymond Franz in diesem Verhör noch wie folgt:
F.: Ist es nicht unbedingt notwendig, wahrheitsgemäß in religiösen Dingen zu reden?
A.: Ja, sicher.

F.: Gibt es Ihrer Ansicht nach in einer Religion Raum für eine Änderung der Auslegung der Heiligen Schrift von Zeit zu Zeit?
A.: Es gibt allen Grund für eine Änderung der Auslegung der Heiligen Schrift, wie wir sie sehen. Unser Blick wird klarer, weil wir sehen, wie sich mit der Zeit die Prophetie erfüllt.

F.: Sie haben -entschuldigen Sie das Wort- falsche Prophetie
verbreitet?
A.: Wir haben -ich glaube nicht, daß wir falsche Prophetie verbreitet haben; es hat da Aussagen gegeben, die waren irrig, so würde ich es ausdrücken, und unangebracht.

F.: Ist es bei der heutigen Weltlage ein höchst wichtiger Aspekt, zu wissen, ob der Prophetie eine konkrete Bedeutung gegeben werden kann, wann Christi zweites Kommen stattfand?
A.: Das ist es, und wir sind immer bestrebt gewesen zu sehen, daß wir die Wahrheit haben, ehe wir uns äußern. Wir stützen uns auf das bestmögliche uns zur Verfügung stehende Material, können aber nicht warten, bis wir vollkommenes Wissen haben. Wenn wir das nämlich täten, dann könnten wir nie etwas sagen.

F.: Lassen Sie uns den Faden etwas weiterspinnen. Daß das zweite Kommen des Herrn im Jahr 1874 stattfand, war als etwas verbreitet worden, dem alle Mitglieder der Zeugen Jehovas zu glauben hatten?
A.: Damit kenne ich mich nicht aus. Sie sprechen da über etwas, von dem ich nichts weiß.

F.: Sie haben Mr. Franz' Aussage mitbekommen?
A.: Ich habe Mr. Franz' Angaben gehört, aber ich kenne mich mit dem, was er darüber sagte, nicht aus. Deshalb kann ich nicht mehr darauf erwidern als Sie, der Sie gehört haben, was er gesagt hat.

F.: Lassen Sie mich bitte aus dem Spiel.
A.: Was ich im Gerichtssaal gehört habe, ist die Quelle meiner Kenntnis.

F.: Sie haben die Literatur Ihrer Bewegung studiert?
A.: Ja, aber nicht die gesamte. Ich habe nicht die sieben Bände der "Schriftstudien" studiert und auch nicht das, was sie jetzt über 1874 erwähnen. Ich kenne mich da ganz und gar nicht aus.

F.: Nehmen Sie als von mir gegeben an, es sei von der Gesellschaft verbreitet worden, Christi zweites Kommen fände 1874 statt.
A.: Unterstellt, es sei so, dann ist das eine hypothetische Feststellung.

F.: War das Veröffentlichung falscher Prophetie?
A.: Es war Veröffentlichen falscher Prophetie, es war eine falsche Aussage oder eine irrige Aussage über die Erfüllung von Prophetie, die falsch oder irrig war.

F.: Und das hatte von der Gesamtheit der Zeugen Jehovas geglaubt zu werden?
A.: Ja, sie müssen nämlich verstehen, daß wir in Einheit sein müssen; wir können keine Uneinigkeit haben, wo eine Menge Leute alle möglichen Wege gehen. Von einer Armee wird erwartet, daß sie im Gleichschritt marschiert.

F.: Sie glauben doch aber nicht an die Berechtigung weltlicher Armeen?
A.: Wir glauben an die christliche Armee Gottes.

F.: Glauben Sie nun an die Berechtigung weltlicher Armeen?
A.: Darüber erlauben wir uns keine Feststellungen. Wir predigen nicht gegen sie, wir sagen bloß, daß die Armeen der Welt, wie die Nationen der heutigen Welt, ein Teil der Organisation Satans sind, und wir haben nicht an ihnen teil. Wir predigen nicht gegen den Krieg, wir nehmen nur in Anspruch, davon befreit zu werden. Das ist alles.

F.: Kommen wir jetzt auf den Kern zurück. Es wurde falsche Prophetie verbreitet?
A.: Ich stimme zu.

F.: Sie mußte von den Zeugen Jehovas akzeptiert werden?
A.: Das ist korrekt.

F.: Wenn ein Glied der Zeugen Jehovas zu dem eigenen Schluß kam, die Prophetie sei falsch, und das auch sagte, wurde er dann üblicherweise ausgeschlossen?
A.: Ja, wenn er das sagte und weiterhin Unruhe verursachte. Wenn nämlich die gesamte Organisation etwas glaubt, auch wenn es falsch ist, und jemand kommt daher und versucht, seine Ideen unter die Leute zu bringen, dann gibt es Uneinigkeit und Unruhe, kein Marschieren im Gleichklang. Wenn eine Änderung kommt, sollte sie aus der richtigen Quelle kommen, von der Leitung der Organisation, der leitenden Körperschaft, nicht von unten nach oben. Sonst hätte nämlich jeder so seine Vorstellungen, und die Organisation würde zerfallen und in Tausende verschiedener Richtungen gehen. Unsere Absicht ist es, Einheit zu haben.

F.: Einheit um jeden Preis?
A.: Einheit um jeden Preis, weil wir glauben und dessen gewiß sind, daß Jehova Gott unsere Organisation benutzt und ihre leitende Körperschaft zu ihrer Führung, auch wenn von Zeit zu Zeit Fehler gemacht werden.

F.: Und Einheit aufgrund zwangsweisen Annehmens falscher Prophetie?
A.: Das räume ich ein.

F.: Und derjenige, der seine Ansicht äußerte, daß sie, wie Sie sagen, falsch sei, und der dann ausgeschlossen wurde, würde gegen den Bund verstoßen, wenn er getauft war?
A.: Das ist richtig.

F.: Und wäre, wie Sie gestern ausdrücklich sagten, des Todes würdig?
A.: Ich glaube---

F.: Würden Sie nun ja oder nein sagen?
A.: Ich antworte unbedingt mit ja. Ohne Zögern.

F.: Bezeichnen Sie das als Religion?
A.: Das ist es sicher.

F.: Nennen Sie das Christentum?
A.: Ganz bestimmt

F.: Im Zusammenhang mit Irrtümern standen Sie in einem ziemlich ausführlichen Kreuzverhör über Ansichtsunterschiede, die es vielleicht in der maßgebenden Darstellung der Schrift die Jahre hindurch seit Gründung der Gesellschaft gegeben hat, und ich meine, sie haben zugestimmt, daß es da Unterschiede gegeben hat.
A.: Ja.

F.: Sie haben auch ganz freimütig beigepflichtet, daß Personen, die zu irgendeiner Zeit die maßgebende Darstellung nicht akzeptieren wollen, mit ihrem Ausschluß aus der Gesellschaft rechnen müssen, mit den geistigen Folgen, die das vielleicht mit sich bringt.
A.: Ja, das habe ich gesagt, und das stelle ich nochmals fest.

Die Vernehmung des Grant Suiter wird mit den Worten zitiert:
F.: Wie sieht die Stellung eines Dieners der Gesellschaft in dieser Hinsicht aus?
A.: Er muß die Voraussetzungen erfüllt haben, von denen zuvor gesprochen wurde, er muß Reife und Verstand und geistiges Verständnis besitzen, um die Versammlung zu leiten. Er muß die eben erwähnte Schulung in der Theokratischen Dienstschule haben, im Felddienst selbst führend vorangehen, lehrfähig sein, und sonst noch Fähigkeiten haben, die die Schrift festgelegt hat. Wissen Sie, der Mensch kann keine Fähigkeiten bestimmen, die die Schrift selbst nicht festlegt.

F.: Das ist allgemein gesagt. Aber um auf die eigentliche Praxis zu kommen, er muß nun also die Theokratische Dienstschule besuchen, nicht wahr?
A.: Ja.

F.: Und dort findet er die Bibliothek vor?
A.: Ja.

F.: Erwartet man von ihm nicht, daß er sich mit den Publikationen der Gesellschaft vertraut macht?
A.: Ja, sicher.

F.: Kann er nun eigentlich nach Ansicht der Zeugen Jehovas ein Verständnis der Schrift ohne die Publikationen der Gesellschaft haben?
A.: Nein.

F.: Er kann nur durch die Publikationen ein richtiges Verständnis der Schrift haben?
A.: Ja.

F.: Ist das keine Anmaßung?
A.: Nein.

F.: Sie haben die Aussage darüber gehört, daß man 1874 als wesentliches und entscheidendes Datum schließlich für falsch gehalten hat und daß 1925 ein falscher Zeitpunkt war? Was diese zwei Punkte angeht: Allen Zeugen Jehovas zu der Zeit wurde auferlegt, sie als die Wahrheit zu akzeptieren, und zwar uneingeschränkt?
A.: Das ist richtig.

F.: Sie stimmen zu, daß das Falsches zu akzeptieren hieß?
A.: Nein, nicht ganz. Die Punkte, die verkehrt waren, waren es deshalb, weil wir uns irrten, aber wichtig ist das, was insgesamt dabei herauskam. All die Jahre des Dienstes von Zeugen Jehovas, seit der Gründung der Gesellschaft, der Pennsylvania Corporation, hat es ein ständiges Hinwenden der Menschen mit Herz und Sinn zu Gottes Wort und seinen gerechten Grundsätzen gegeben, und es wurde ihnen die geistige Kraft gegeben, für das einzutreten, was nach ihrem Wissen richtig ist, Jehovas Namen hochzuhalten und sein Königreich zu verkünden. Man kann die nebensächlichen Punkte, die berichtigt worden sind, einfach nicht mit der Bedeutung der Hauptsache vergleichen, der Anbetung Jehovas Gottes. Die ist all die Jahre hindurch im Sinn von Jehovas Zeugen und anderen Personen verankert worden.

In dieser WT-Ausgabe auch noch beachtlich, die Fortsetzungserie "Neuzeitliche Geschichte der Zeugen Jehovas", mir dem Abschnitt über die endgültige Einführung der Diktatur in der WTG-Organisation

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Geschrieben von Drahbeck am 08. August 2005 06:38:35:

Als Antwort auf: Re: 1. 8. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 01. August 2005 06:50:32:

Der griechische Philosoph Epikur, gehört eigentlich nicht zu jenen, über die seitens der Zeugen Jehovas sonderlich viele Worte verloren werden. Lieber halten sie es da mit dem übergehen. Eine seltene Ausnahme von dieser Regel gibt es allerdings zu registrieren. Da wurde er doch tatsächlich einmal in "Erwachet!" vom 8. 8. 1955 etwas näher vorgestellt. Nun gehören "Erwachet!"-Artikel nicht zu den "Studienartikeln" der Zeugen Jehovas. Es ist daher fraglich, wieviele diesen Artikel tatsächlich gelesen; und wenn, ob es sich nicht eher blos um ein "überfliegen", denn einer intensiven Lektüre handelte.

Einige wesentliche Aussagen aus dem "Epikur, der Materialist" überschriebenen Artikel seien deshalb nachstehend vorgestellt.

EPIKUR war ein altgriechischer Philosoph, der vom Jahr 342 bis 270 v. Chr. lebte. Ein Philosoph behauptet ein Freund (philos) der Weisheit [sophia) zu sein. Jeder Philosoph hat seine eigene Philosophie, was im Grunde genommen eine Lebensauffassung ist. Grundsätze, nach denen er seine Handlungsweise richtet. Man könnte sagen, jede Person, die nicht andere für sich denken läßt, habe eine Philosophie entwickelt oder angenommen, die ihrem Bedürfnis entspricht.

Wenn man von Epikur hört, denkt man an die Epikureer. Heute versteht man unter einem Epikureer einen „wählerischen, feinschmeckerischen und gleichzeitig in seinen Genüssen (besonders) des Essens und Trinkens schwelgerischen Menschen". Obschon Epikur kein solcher „Epikureer" war, werden doch jene, die den Bauch zu ihrem Gott machen, Epikureer genannt.

Epikur wurde auf der griechischen Insel Samos geboren. Im Alter von achtzehn Jahren ging er nach Athen, um Philosophie zu studieren. Alexander der Große verbannte ihn eine Zeitlang. Nach seiner Rückkehr gründete er die als „Garten des Epikur" bekannte Schule, in der er „die Ruhe eines heiteren Gemüts" lehrte. Die Anhänger seiner
Philosophie nannte man Epikureer. Als Kultus blühte der Epikureismus sieben Jahrhunderte lang. …

Epikur huldigte dem Hedonismus, der im Wörterbuch von Webster als eine Lehre definiert wird, nach der „Glückseligkeit das höchste oder bedeutendste Gut des Menschen sei, und daß die sittliche Pflicht erfüllt sei durch die Befriedigung der nach Lust strebenden Instinkte und Neigungen. Die wichtigsten Vertreter des Hedonismus des Altertums waren die Epikureer und die Kyrenaiker."

Epikur wurde „Vater des Materialismus" genannt und auch der „erste reine Materialist in der Geschichte der westlichen Philosophie". Er gab vor, an das Dasein von Göttern zu glauben, doch scheint dies lediglich eine Konzession an das gläubige Volk gewesen zu sein, denn er lehrte, das Weltall sei nicht von ihnen erschaffen worden; sie seien von derselben Materie gemacht wie der Mensch und das übrige Universum, nämlich aus Atomen (Philosophen vor ihm haben die Atomlehre schon entwickelt); und daß die Götter zu weit entfernt seien von der Erde, um sich darum zu kümmern, was auf ihr vorgehe; es sei daher Torheit, ihnen zu opfern oder zu ihnen zu beten. Die Religion diene einem guten Zweck, weil sie die Menschen veranlasse, danach zu streben, den Göttern ähnlich zu werden.

Er argumentierte: „Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht, dann ist er schwach. Wenn er kann und nicht will, dann ist er mißgünstig. Wenn er aber will und kann, woher kommen dann die Übel?" Er sagte, das „Leben des Menschen sei ein zu verrückter Schwank, um das Produkt eines vernünftigen Dramatikers zu sein. Kein weiser Gott würde den Bau eines Tempels zu seinen Ehren anordnen und dann zulassen, daß er durch seinen eigenen Blitz zerstört werde. Keine gnädige Vorsehung würde einen jungen Mann von einer gefährlichen Krankheit genesen lassen, und ihn dann einem noch schrecklicheren Tod auf dem Schlachtfeld preisgeben!"

Epikur sagte: „Befreit euch von der Todesfurcht und der Furcht vor den Göttern", und er verband seine Auffassung über Gott mit dem Glauben, daß mit dem Tod alles ende. Der Mensch hat wohl eine Seele; diese nimmt ihren Anfang bei seiner Geburt und hört beim Tode des Körpers auf zu existieren; die Seele füllt den Körper wie Wasser einen Krug; beim Tode zerbricht der Krug, und das Wasser fließt aus, die Atome der Seele zerstreuen sich. Man könnte sagen, Epikur habe an eine Art Nirwana geglaubt, denn er sagte: „Das Leben ist eine bittere Gabe", und der Gedanke, daß der Tod alles ende, sollte Grund zur Freude sein, weil es keine Fortsetzung unseres qualvollen Lebens bedeute, noch Strafe für Fehler, die wir während unseres bewegten Erdenlebens begangen haben'.

Menschen, die die Auffassungen Epikurs teilen, sagen: „Laßt uns essen und trinken, denn morgen sterben wir." Und dies war auch seine Philosophie. Er ermunterte jedoch nicht zu Schwelgerei. Im Gegenteil, er redete stark der Mäßigkeit das Wort, weil nur durch Mäßigkeit die Glückseligkeit von Dauer sein könne. Darin unterschied er sich sehr von Aristippos, jenem anderen Apostel des Hedonismus und Begründer der Kyrenaischen Schule, der uneingeschränktes Schwelgen in den Genüssen des Lebens lehrte; je größer die Intensität, desto größer die Glückseligkeit. Epikur dagegen betonte mehr die Dauer der Glückseligkeit als ihre Art oder Intensität.

„Naturgemäß ist jedem Organismus sein Wohl wichtiger als das eines anderen", daher strebe man nach seiner eigenen Glückseligkeit. Die Lust ist Anfang und Ende des seligen Lebens. Wir wählen jedoch nicht jede Lust, sondern gehen über viele Lustempfindungen hinweg, wenn sich aus ihnen ein Übermaß an Lästigem ergibt. Geistigen Genüssen wie Freundschaft haftet keine Bitterkeit an, diese sind daher den körperlichen Genüssen vorzuziehen. Infolge des Genusses, den Freundschaft bedeutet, ist es viel wichtiger, mit wem wir essen, als was wir essen.

Nach Epikur plant keine göttliche Vorsehung unser Leben, sondern es ist lediglich ein Zufall in einem mechanischen Universum; wir können es jedoch glücklich gestalten, wenn wir wollen, oder mindestens interessant. Dies können wir unter anderem tun,
indem wir so wenig Verantwortung übernehmen wie möglich. Die Wissenschaft ist nur notwendig, um den Menschen von Aberglauben und religiösen Ängsten zu befreien; wäre er nicht mit diesen behaftet, so könnte er gut unwissend bleiben. Warum soll man ein „Ideal" erstreben in den schönen Künsten? Die Poesie tat er ab als „Geschwätz der Poeten". Man meide extreme Liebe und extremen Haß; man ereifere sich nicht wegen der Politik, sondern trachte nach einem ruhigen Geist; man strebe nach Selbstgenügsamkeit, dem kostbarsten Gut.

Heiraten soll man nicht, denn was ist eher dazu angetan, einem die Ruhe des Geistes zu rauben als ein zänkisches Weib oder undankbare Kinder? Über die Fleischeslust schrieb er einem Freund: „Ich habe vernommen, dass bei Dir die Bewegung des Fleisches nach dem Genusse der Liebe besonders heftig drängt. Wenn Du nun den Gesetzen nicht zuwiderhandelst, die gute gegebene Sitte nicht verletzest, keinen von Deinen Nächsten betrübst, das Fleisch nicht aufreibst und das zum Leben Notwendige nicht verbrauchst, dann folge Deinem Wunsche, wie Du willst. Es ist allerdings undenkbar, daß Du nicht an eine der genannten Schwierigkeiten stößt, denn die Liebesdinge haben noch niemals genützt; man muß zufrieden sein, wenn sie nicht geschadet haben." Hier muß erwähnt werden, daß Epikur in dieser Beziehung tat, was er lehrte, denn er führte einen keuschen Lebenswandel und legte weit größeren Wert auf Freundschaften als auf das Essen.

Die Philosophie des Epikur ist ohne Grundsatz. Tugend mag zu Glückseligkeit führen und tut es auch oft; so weit sie das tut, sollte sie geübt werden, aber nur, wenn es sich lohnt. Der Spruch: „Die Tugend trägt den Lohn in sich" ist für den Epikureer Ketzerei und Torheit. Für ihn gibt es keine abstrakte Gerechtigkeit. Sie ist nicht unabhängig vorhanden, daher ist die Ungerechtigkeit an sich kein Übel. Ein Mensch, der ganz allein auf einer Insel lebt, könnte handeln, wie er wollte, weil seine Handlungen nur ihn berühren. Epikur scheint dies östlichem religiösem und philosophischem Gedankengut entnommen zu haben, denn der Buddhismus sagt, daß eine Handlung nur dann schlecht sei, wenn ein anderer dadurch geschädigt werde. Epikur riet, ungerechtes Handeln, Stehlen, Lügen, Betrügen, usw. zu meiden, aber nicht, weil diese Dinge übel seien, sondern weil sie sich nicht lohnen wegen des Schmerzes, verbunden mit der Schmach, entdeckt zu werden, oder der Strafe, die sie eintragen, .ja weil sie nicht einmal die Furcht vor diesen Dingen wert seien.

Epikur lehrte auch gutnachbarliche Beziehungen, nicht weil dies edel und recht, sondern weil es vorteilhaft ist, weil es sich bezahlt macht. Will man leben, muß man auch andere leben lassen; will man nicht ausgebeutet werden, soll man auch andere nicht ausbeuten. Freundschaften verschönern das Leben und erleichtern den Tod, ohne daß sie zu viele Pflichten mit sich bringen.

Paradoxerweise gründete Epikur seine materialistische Philosophie offensichtlich auf die Existenz des Übels. Aber man mag fragen, ob er zu seiner Auffassung durch objektive Überlegung gekommen sei oder durch ein unbewußtes, subjektives Verlangen, dass die eigene Lustempfindung als das höchste Gut des Menschen gelten möge. Die Glückseligkeit spielte bei ihm die wichtigste Rolle, Glückseligkeit, entspringend aus Genüssen wie Freundschaften, und ermöglicht durch die Abwesenheit von Schmerz; aus Seelenfrieden und Selbstgenügsamkeit. Man fliehe daher Pflichten und Bildung. Daß seine Philosophie ein Fiasko ist, zeigt jedoch seine Bemerkung, das „Leben sei bitter" und den Tod sollte man begrüßen, weil er das Ende unseres „chaotischen" Lebens bedeute.

Ergänzend kann man noch vergleichen:

home.datacomm.ch/mik/ba/e/epikur/

http://de.wikipedia.org/wiki/Epikur

Als "Kontrastprogramm" vergleiche man auch
die Philosophie des Albert Schweitzer

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Geschrieben von Drahbeck am 15. August 2005 05:19:30:

Als Antwort auf: Re: 8. 8. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 08. August 2005 06:38:35:

"Der Kommunismus ist ein Antichrist, indem er Christus und sein Königreich als rechtmäßigen Herrscher und des Menschen einzige Hoffnung zu ersetzen sucht."
Diesen markigen Satz, kann man (unter anderem) im "Wachtturm" vom 15. 8. 1955 lesen.
Was bedeutet diese Aussage? Doch wohl auch dies. Es gäbe in WTG-Sicht nur ein "Entweder - Oder" Ihre Ideologie wäre die "einzige Hoffnung". Das diese "Hoffnung" beispielsweise 1925 schon "baden ging". Darüber wird selbstredend nicht reflektiert. Die WTG "tibetanische Mühle" besagt ja, es gäbe nur die "Hoffnung" ihrer Illusionsverkäufer.

Sicherlich gibt es noch ein paar mehr Illusionsverkäufer auf diesen Planeten. Das ist unbestritten. Wenn jedoch die eigenen Seifenblasen als "die Ultima ratio" angepriesen werden, wird es schon mehr als bedenklich.

Wie man weis, artete der Konflikt Zeugen Jehovas - Kommunisten in gefährliche Dimensionen aus. Beide Totalitarismen die da aufeinander prallten, waren nicht in der Lage und willens, dem Widerpart ein Lebensrecht zubilligen. Beide setzten ihre Politik der unversöhnlichen Härte bis zur letzten Konsequenz fort.
Mitte der 1950er Jahre machte sich die WTG noch Hoffnung; ihr Mitgliederzuwachs würde, wie in den ersten Jahren nach 1945, in Deutschland (auch Ostdeutschland) weiter rasant ansteigen. Die zeitweilige "Delle" nach dem 1950er Verbot hatte sie ja bereits überwunden.

Als einen Fingerzeig in der Richtung deutete man in WTG-Kreisen auch die nachfolgende "Erfahrung", die der "Wachtturm" glaubte in genannter WT-Ausgabe unbedingt seinen Lesern zum besten geben zu müssen. Man las da:

"In Ostdeutschland sind in der Gemeinde Y. viele Methodisten zu finden. Einer von ihnen, den die Lehren der Methodisten nicht mehr befriedigten, und der besonders davor Abscheu hatte, wie sich seine Versammlung mit den Kommunisten auf Kompromisse einließ, kam in Berührung mit Jehovas Zeugen. Bald bezog er Stellung, wurde getauft und verkündigte eifrig die gute Botschaft von Gottes Königreich. Drei Monate waren nach seiner Taufe vergangen, als sich eines Morgens auf seinem Wege nach dem Arbeitsplatz plötzlich der SSD, die Staatssicherheitspolizei, auf ihn stürzte und ihn schleunigst zu einem wartenden Lastwagen brachte.

Wochenlang wußten seine Angehörigen nicht, was geschehen war, da ihm nicht erlaubt wurde, mit ihnen in Verbindung zu treten. Dies veranlaßte sie, sich die Dinge zu überlegen, und als das nächste Mal ein Zeuge Jehovas an ihre Türe kam, baten sie ihn hereinzutreten und vereinbarten ein Heimbibelstudium mit ihm. Es ging denn auch nicht lange, und die ganze Familie nahm am Studium teil, und ein weiteres Studium wurde in der Wohnung von Freunden begonnen.

Sechs Monate später konnte der Zeuge Jehovas, den man inzwischen vor Gericht gestellt und zu mehren Jahren Gefängnis verurteilt hatte, Besucher empfangen. Man stelle sich seine große Freude vor als seine Tochter ihn mit den Worten begrüßte "Mein Papa - und nun auch mein Bruder!" Ja, bis zu diesem Zeitpunkt hatten acht Angehörige seiner Familie Stellung bezogen und waren als Zeugen Jehovas getauft worden, der älteste mit 84 und der jüngste mit 15 Jahren. In diesen sechs Monaten war die Ortsversammlung der Zeugen von 12 Personen auf 22 angewachsen!"

Was besagt dieser Bericht? Doch wohl auch dieses. In gewissen soziologischen Kreisen, namentlich in Sachsen, dort wieder besonders im Erzgebirge, erwies sich Religion als ein Katalysator, der politisches Unbehagen an den obwaltenden politischen Rahmenbedingungen aufzunehmen und zu kanalisieren vermochte. Der ostdeutsche Staat in den Jahren vor seinem Mauerbau, taumelte mit Sicherheit von einer in die andere wirtschaftliche und damit auch Politikverdrossenheit erzeugende Krise. Waren die Ostberliner noch relativ privilegiert. So sah das in der "tiefsten Provinz" erheblich anders aus. Nutznießer dessen war letztendlich auch die WTG. Historiker reden nicht zu Unrecht davon, das eigentliche "Gründungsdatum" der DDR lag eigentlich erst nach deren Mauerbau. Erst ab diesem Zeitpunkt gelang es halbwegs, den Niedergang (oder Nichtaufschwung) zu stoppen. Damit begannen auch für die WTG die Blütenträume zu zerrinnen, es würde für sie immer weiter nur aufwärts gehen.

Ihre Bestandswahrung war ihr möglich, das ist unbestritten. Aber das war es dann auch schon. Es gibt also sehr wohl eine "Wechselwirkung" zwischen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und der Konjunkturphase der Illusionsverkäufer.

Mutmaßlich wird sich das in Folgewirkung von solchen Stichworten wie "Hartz IV" auch zukünftig erneut bestätigen.

Auch andernorts gab es ein spannungsgeladenes Verhältnis zwischen Kommunisten und Zeugen Jehovas. Über ein solches, nämlich in Italien, berichtet die gleiche "Wachtturm"-Ausgabe. Dort aber waren durchaus andere Rahmenbedingungen, und andere daraus sich ergebende Resultate zu registrieren.

Der "Wachtturm" schreibt:
"Trotz priesterlicher Anklagen und päpstlicher Exkommunikationen erobert die Marxsche Theorie die Sinne und die Stimmen der Italiener. In diesem Propagandakrieg versucht eine verlierende Seite feige, 'Ansehen zu bewahren', indem sie für ihre Pleite andere tadelt. Gerade das tat das italienische Episkopat am 1. Februar 1954, als es der Welt sagte, 'protestantische Propaganda ... fördert offensichtlich ... den atheistischen Kommunismus."

Der "Wachtturm" meint nun, dass was da als "protestantische Propaganda" tituliert wurde, beziehe sich in Sonderheit auf ihn selbst. Und in Kommentierung diesen Umstandes führt er dann aus:
"Man hat in Italien große Schritte in Richtung der Freiheit der Anbetung gemacht, aber nicht ohne Schwierigkeiten. Wenn kommunistenfreundliche Zeitungen in ihren Spalten über Schmähungen und unfaire Behandlungen religiöser Minderheiten berichten, so geht es ihnen nicht um die richtige Lehre oder um Sympathie und Unterstützung anderer Religionen, sondern darum, aus den undemokratischen und verfassungsverletzenden Aktionen gegen Minderheiten Kapital zu schlagen."

Die WTG kommt aber nicht umhin zu registrieren, dass in ihrem Clinch mit der katholischen Kirche in Italien, sie eine gewisse (begrenzte) Unterstützung dort in kommunistischen Publikationen erfuhr. Da ist man in Brooklyn aber "ganz hin- und hergerissen" angesichts dieses Umstandes. Nachdem man sich dann wieder etwas gesammelt, meint man doch klar wieder auf das eindeutige Feindbild verweisen zu können. Das liest sich dann in diesem "Wachtturm" so:

"Die Tatsachen zeigen nämlich, daß die Kommunisten nicht ernstlich an geistigen Dingen interessiert sind, handle es sich um katholische oder nichtkatholische Angelegenheiten. Sie interessieren sich hauptsächlich für die materiellen Dinge dieser Erde. Die Kommunisten machen sich lächerlich über jene, die an die Verheißungen des Königreiches Gottes unter Christus glauben. Sie nennen sie Feiglinge und Schmarotzer.

Die kommunistische Presse macht die Bibel lächerlich und besudelt christliche Prediger, die Gottes Wort lehrten. Nimm als Beispiel folgenden Bericht der kommunistischen Zeitung 'La Veritd' aus Brescia, Italien. Darin nannte man Jehovas Zeugen 'amerikanische Spione, die als 'Missionare' getarnt sind', und sagte weiter:
'Sie gehen von Haus zu Haus und predigen mit der 'Heiligen Schrift' Unterwürfigkeit unter den von den Amerikanern vorbereiteten Krieg.' Weiterhin behaupten sie fälschlicherweise, diese Missionare seien bezahlte Agenten von Bankiers in New York und Chikago und wären bemüht, 'Informationen jeder Art über Männer und die Tätigkeit [kommunistischer] Organisationen zu sammeln'.
Der Schreiber schloß:
'Es ist Pflicht der Arbeiter, die wissen, wie sie ihr Land gut verteidigen können ... vor diesen gemeinen, als Pastoren getarnten Spionen die Türe zuzuschlagen.'"

Weiter meint der "Wachtturm" die italienischen Kommunisten wie folgt charakterisieren zu können:
"Viele italienische Kommunisten haben nichts dagegen, daß ihre Frauen und Kinder die katholische Kirche besuchen. Sie glauben, weil Frauen und Kinder eine Art Religion wünschen, könnte es auch die gleiche alte Religion sein, die ihnen ihre Väter lehrten. Ihr Standpunkt ist der, daß die religiösen Lehren der Katholischen Kirche nicht schaden. Es ist nur der Reichtum der Kirche und die Stellungnahme der Kirche auf der Seite der kapitalistischen Länder, was sie stört. Doch die katholische Religion ist die größte Religion Italiens - eine Tatsache, die die stimmensuchenden Kommunisten wohl anerkennen. Wie wiederholte offizielle Erklärungen beweisen, hätten die Kommunisten gerne die Katholische Kirche als Partner, eher als irgendeine andere Religion in Italien. ...

Die katholische Hierarchie mag über die 'schädlichen' Wirkungen nichtkatholischer Propaganda innerhalb der Grenzen des katholischen Italiens sagen, was sie will. Wenn sie aber religiöse Minderheiten anklagt, sie würden Italiens Kommunismus helfen, und dieser würde sie begünstigen, mit ihnen sympathisieren und sie unterstützen, dann setzt sie sich selbst sehr der Kritik aus, und ihre Anklage erweist sich für sie als ein Bumerang."
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Geschrieben von Drahbeck am 22. August 2005 05:21:35:

Als Antwort auf: Re: 15. 8. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 15. August 2005 05:19:30:

„Befreit oder versklavt die Wissenschaft den Menschen?" Diese Frage stellt „Erwachet!" in seiner Ausgabe vom 22. 8. 1955. Wenn man die Zeugen Jehovas „Paradiesbilder" kennt, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben, darf man wohl erwarten, auch diesmal „Holzschnittartige" Thesen serviert zu bekommen. Um es vorweg zu sagen. Man wird bezüglich einer solchen Erwartung, nicht „enttäuscht".

„Erwachet!" belehrt:
„Das Streben der Wissenschaft ging dahin, durch neue Erfindungen, besonders von Maschinen, den Menschen mühsame körperliche Arbeit zu ersparen. Das 'Maschinenzeitalter' brach an, aber anstatt ein Heiland zu sein, ist dieses 'Ungetüm' ein harter Fronvogt, ein Sklaventreiber der Menschen geworden. Die zahlreichen Erfindungen, welche in den vergangenen Jahren gemacht wurden, haben viel dazu beigetragen, daß der Mensch Gott und die unermeßlichen Naturschätze weniger würdigt. Sie haben die Menschen veranlaßt, Antwort auf das Wie und Warum, von Menschen zu erwarten."

Mit letzterem Satz dürfte deutlich geworden sein, welche Sorge die WTG eigentlich umtreibt. Es ist salopp gesagt, dieselbe Sorge, die ein Kinobesitzer gegenüber der Existenz des Fernsehens hat.

Weiter geht es bei „Erwachet!" mit der nostalgischen Verklärung:
„Dem modernen Produktionsprozeß opfern Männer und Frauen unzählige Tagesstunden, Heim, Familie, Kinder, Jugend, Liebe und berufliche Tüchtigkeit. Dafür verspricht die Wissenschaft Reichtum, Geschwindigkeit und Macht. Ähnlich wie Esau, so hat der moderne Mensch sein 'Geburtsrecht der Freiheit' um ein Linsengericht verkauft. Die Menschen sind Sklaven jener Maschinen-'Götter' geworden, die sie sich selbst gemacht haben."

Aber „Erwachet!" weiß auch „Rat". Und so belehrt denn im Ausklang der „Artikel"
„Es ist daher nicht befremdend, daß Gott die Weisheit dieser 'Verstandes'-Welt als Torheit bezeichnet, und sagt, er werde den Verstand der Verstandesmenschen hinwegtun."

Man meint der „alten Welt" weiter attestieren zu können:
„Sie hat keine Zeit für Gott oder seine kommende neue Welt. Wie eine Seifenblase schwebt sie hierhin und dorthin, bis sie in der Schlacht von Harmagedon in Nichts zerstiebt."

Man muss „Erwachet!" zugestehen, dass der Vergleich mit der Seifenblase gar nicht mal so abwegig ist. Allerdings, die zu klärende Frage dabei ist die; wessen Ideologie die tatsächliche Seifenblase ist!

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Als Antwort auf: Re: 22. 8. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 22. August 2005 05:21:35:

Die Fortsetzungsserie "Neuzeitliche Geschichte der Zeugen Jehovas" geht in der "Wachtturm"-Ausgabe vom 1. 9. 1955 besonders auf die Rutherford'sche Radio-Verkündigung ein. Stolz wird berichtet. Seit 1927 bediente man sich dazu kommerzieller Radiostationen. Man kommt nicht umhin anzumerken:
"Dieser Nachrichtenweg kostete die Gesellschaft Millionen von Dollar, die alle während der Jahre der großen Depression von den Brüdern beigesteuert wurden."

Es ist wohl angebracht, einen Moment bei dieser Aussage zu verweilen. "Von den Brüdern ...?" Welche "Brüder"?

Polemik beiseite. Auch Zeitzeuge William Schnell berichtet beispielsweise über die Jahre der großen Depression in den USA. Wie da seitens der Bibelforscher die Rutherford'schen Schriften gar im Tausch gegen alte Autobatterien und Kühler an den Mann (respektive die Frau) gebracht wurden. Wenn es schon soweit ist, dass relativ billige Literatur (gemessen an sonstigen Buchhandelspreisen) nur auf diese Weise abgesetzt werden kann; dann sagt das doch wohl einiges über die wirtschaftliche Lage insgesamt, zu jener Zeit aus. Auch in Deutschland ist ja der Begriff der Weltwirtschaftskrise, die sich hierzulande als Steigbügelhalter für Hitler auswirkte, in den Geschichtsbüchern dokumentiert.

Zu Zeiten Rutherford's waren die Bibelforscher in den USA (wie auch Herbert H. Stroup in seiner 1945 in den USA erschienenen Dissertation belegt), noch eine ausgesprochene "Unterklassen-Religion". Und die Leutchen, die da selbst alte Autobatterien und -Kühler in Zahlung nahmen. Ausgerechnet die sollen nun für Rutherford's Radioambitionen Millionenbeträge aufgebracht haben? Ein bisschen abenteuerlich diese These.

Da hat (wenn auch nicht Dokumentenmäßig belegt) die These aus der früheren Sowjetunion, ein weitaus höheres Maß an Plausibilität. Dort schätzte man nämlich ein; dass die Rockefellers und Co, im wesentlichen Umfang die Rutherford'schen Radioambitionen sponserten. Rockefeller und Co (und das ist nachweisbar) sponserten auch andere Religionen. Das also auch Rutherford - zumindest zeitweilig - einen Anteil von diesem "Kuchen" abbekam ist ziemlich offenkundig. Den Großbürger (namentlich den in den USA) hat schon seit jeher eine besondere Frage umgetrieben. Die Frage, die der deutsche Reichskanzler Bismarck mal dergestalt auf den Punkt brachte, dass die Religion dem V o l k e erhalten bleiben müsse. Und gewichtiger Teil dieser Verdummungspolitik ist auch die WTG-Religion.

Wessen ganzes Sinnen und Trachten nur auf das nie kommende "Paradies" ausgerichtet ist, der hat in der Tat keine Zeit und Kraft, in der Gegenwart, etwa politisch etwas zu bewirken. Und das ist gewollt. Vom Großbürger gewollt, der dessen Nutznießer ist. Da kann man es sich schon mal leisten, quasi als "Anschubfinanzierung", ein paar Milliönchen herüberzureichen. Nicht unbedingt im Sinne der "persönlichen Bereicherung" (das wohl weniger). Aber sehr wohl in dem Sinne, die Sinne der Menschen mit Opiatgedanken zu füllen. Das damals neue Radio erschien als eine angemessene technische Option dazu. Die 1925-Krise hatte die Rutherford-Organisation überlebt. Somit ihre Lebensfähigkeit unter Beweis gestellt.

Wenn USA-Kreise selbst über verdeckte Zahlungen den Nazidiktator sponserten. Warum sollten sie es nicht auch bei Rutherford, quasi vor der eigenen Haustür tun? Es spricht einiges dafür, dass diese Mechanismen ab etwa 1927 tatsächlich in Kraft traten.

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Geschrieben von Drahbeck am 08. September 2005 07:05:14:

Als Antwort auf: Re: 1. 9. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 01. September 2005 03:55:01:

Nicht nur in der alten Bundesrepublik der 1960er Jahre wurden Zeugen Jehovas im Kontext Wehrersatzdienstverweigerung und diesbezüglich teilweise sogar ausgesprochenen Zweit- und Drittverurteilungen, ein Medienthema. Die Problematik bestand selbstredend auch andernorts; nur dass sie in Diktaturen, etwa in Ostdeutschland, nicht in der offiziellen Publizistik ihren Niederschlag fand. Dort hielt man es lieber mit dem Motto: Rigoros zuschlagen; aber möglichst nichts an die Öffentlichkeit gelangen lassen.

Selbst in den USA tat man sich diesbezüglich schwer. Derzeit gibt es dort ein Berufsheer, sodass diesbezüglich die Problematik für die Zeugen Jehovas nicht mehr gegeben ist. Aber während der Zeit des Zweiten Weltkrieges und auch noch etliche Jahre danach, bis hinein in den Vietnamkrieg, galt auch dort die allgemeine Wehrpflicht. Und ihr zuzuschreiben, begegnet man auch dort den gleichen üblen Beamtenseelen, die man auch andernorts kennt, die jegliche Argumentation und Motivation in Sachen Wehrdienstverweigerung nur unter einer aufgesetzten "Kriminalbrille" glauben wahrnehmen zu können.

Nun meinte die WTG einen Sieg für sich errungen zu haben; was ihr in ihrer "Erwachet!"-Ausgabe vom 8. 9. 1955 eigens einen eigenen Artikel wert ist. Auf diesen Artikel wurde schon einmal etwas eingegangen.
http://www.manfred-gebhard.de/19552Wehrpflicht.htm

Er sei nachstehenden mit weiteren Auszügen (kommentarlos) dokumentiert.

Am 14. März dieses Jahres urteilte das Oberste Bundesgericht der Vereinigten Staaten in vier Fällen von Zeugen Jehovas. Alle vier Fälle betrafen den Status der Zeugen Jehovas unter dem Aushebungsgesetz, den Militärdienst betreffend. Drei von den vier Fällen wurden zugunsten der Zeugen Jehovas entschieden, ein Fall zu ihren Ungunsten. Bei jedem Fall drehte sich die strittige Frage um die Klassifizierung als Dienstverweigerer aus Gewissensgründen.

Der Verteidiger der Zeugen Jehovas war Hayden C. Covington. Er ist der Rechtsanwalt der Watch Tower Society, der Rechtskörperschaft, die für Jehovas Zeugen handelt. Die Regierung wurde von verschiedenen Anwälten des Justizdepartements vertreten. Die Gerichtsverhandlungen fanden am l. und 2. Februar 1955 statt. ...

Der Fall Sicurella
Anthony Sicurella war seit seinem sechsten Lebensjahr mit Jehovas Zeugen verbunden. Mit siebzehn Jahren wurde er ordiniert und amtete dann viele Jahre als ein Prediger seiner religiösen Richtung. Aber die Aushebungskommission lehnte seinen Anspruch auf Dienstbefreiung als Dienstverweigerer aus Gewissensgründen ab und klassifizierte ihn als dienstpflichtig in Kategorie l-A. Sicurella rekurierte. Es wurde über ihn ein Bericht durch die FBI [amerikanische Bundespolizei] eingeholt und dieser fiel günstig aus für Sicurella. Der Untersuchungsbeamte des Justizdepartements beurteilte ihn als aufrichtig und empfahl, ihn als religiösen Dienstverweigerer einzuteilen, aber das Departement ignorierte dies und wies die Rekurskommission an, seinen Anspruch abzulehnen, weil "er nicht nachgewiesen habe, daß er gegen den Krieg in irgendeiner Form sei", da er Selbstverteidigung und die Verteidigung seiner Brüder und des Dienstamtes befürworte. Die Rekurskommission befolgte die Weisung des Departements und lehnte diese Klassifizierung ab; Sicurella wurde aufgeboten und als er sich weigerte, in die Armee einzutreten, kam der Fall vor Gericht und erreichte schließlich das Oberste Bundesgericht. ...

Als aber dann der Fall vor das Oberste Bundesgericht kam, warf das Justizdepartement ein ganz neues Argument auf, indem es spekulierte, der Anspruch sei abgelehnt worden, weil Jehovas Zeugen einen theokratischen Krieg gutheißen und daher den Krieg nicht in jeder Form ablehnen. Unter theokratischen Kriegen verstehen die Zeugen Jehovas die Kriege, welche die Israeliten vor langer Zeit unter der Führung Jehovas gekämpft hatten oder Kriege, welche Jehovas unsichtbare Heerscharen kämpfen, wie der bevorstehende Krieg von Harmagedon. ... Die Regierung versuchte zu zeigen, daß, wenn Sicurella und die Zeugen Jehovas theokratische oder von Gott verordnete Kriege guthießen, man sich vorstellen könnte, daß sie auch einige der Kriege unter den Nationen gutheißen und erwähnte als Beispiel die Kreuzzüge. ...

Der Oberste Gerichtshof ließ sich nicht auf diese gedanklichen Irrwege verleiten. In dem von Richter Clark verfaßten Urteil, dem sich Bundesgerichtspräsident Warren und die Richter Black, Douglas, Frankfurter und Burton anschlössen, heißt es: "Auf seinem Aushebungsformular betonte der Gesuchsteller durchweg, daß die Waffen seines Kampfes geistiger Art seien und nicht fleischlich. Er erklärte, daß er ein Soldat der Armee Christi Jesu sei und daß ,die Kriegsrüstung eines Soldaten Christi Jesu nicht fleischlich' sei. Be- zuglich der Verteidigung seines Evangeliumsdienstes, seiner Brüder und der Königreichsinteressen erklärte er, daß ,wir uns nicht bewaffnen oder fleischliche Waffen tragen. ...

Ich verwende keine Kriegswaffen zur Verteidigung . . . der Königreichsinteressen . . . '
In Briefen an die Ortskommission wiederholte er diese Auffassungen. ...
Aber die Regierung drang darauf, daß die Erklärungen Sicurellas im Licht der Lehren der Zeugen Jehovas betrachtet werden sollten und daher unterbreitete sie Artikel, herausgegeben von den Zeugen Jehovas, die zeigen, daß sie keine Pazifisten sind, da sie die theokratischen Kriege nicht ablehnen. In dieser Verbindung erklärte das Oberste Bundesgericht: "Gesetzt den Fall, diese Artikel zeigen, daß Jehovas Zeugen keine Pazifisten sind, die alten Kriege der Israeliten gutheißen und bereit sind, an einem ,theokratischen Krieg' teilzunehmen, wenn Jehova ihnen dies gebietet und angenommen, daß Jehovas Zeugen in Harmagedon kämpfen werden, so sind wir trotzdem nicht der Auffassung, daß dies genügt. Der Prüfstein ist nicht, ob der Dienstpflichtige jeden Krieg ablehnt, sondern ob er aus religiösen Gründen die Teilnahme am Krieg ablehnt. Was einen theokratischen Krieg betrifft, so wird die Bereitwilligkeit des Gesuchstellers, auf das Gebot Jehovas hin zu kämpfen, abgeschwächt durch die Tatsache, daß, soweit uns bekannt ist, ihre Geschichte seit biblischen Zeiten' keinen solchen Befehl kennt und ihre Theologie auch für die Zukunft keinen solchen ins Auge zu fassen scheint. Und obschon Jehovas Zeugen in Harmagedon kämpfen mögen, so dürfen wir doch in unserer Phantasie nicht so weit gehen, anzunehmen, daß die gesetzgeberischen Kriterien des Kongresses solche geistigen Kriege zwischen den Mächten von Gut und Böse einschließen, worin Jehovas Zeugen, wenn sie teilnehmen, dies ohne fleischliche Waffen tun werden. Wir sind der Meinung, daß der Kongreß an wirkliche Kriege dachte, als er von Teilnahme an Krieg in irgendeiner Form sprach — wirkliche militärische Auseinandersetzungen zwischen den Nationen der Erde unserer Zeit — Kriege mit Bomben und Kugeln, Tanks, Flugzeugen und Raketen. Wir sind der Meinung, daß die Argumentation der Regierung in ihrer Abweisung des Gesuchstellers so weit entfernt ist von jeder möglichen Absicht des Kongresses, daß sie vom Rechtsstandpunkt aus als Irrtum bezeichnet werden muß."

Das Oberste Bundesgericht stieß daher den Entscheid der unteren Instanz um, die Sicurella schuldig erklärt hatte. ...

Der Fall Gonzales
Joe Gonzales wurde im katholischen Glauben erzogen, löste dann aber im Jahre 1948 endgültig jede Verbindung mit der Katholischen Kirche, als er jemand von Jehovas Zeugen heiratete. Im Jahre 1949 wurde er ein tätiger Zeuge Jehovas und wurde im Februar 1950 ordiniert, einen Monat nach seiner Aushebung. Später in jenem Jahre wurde er ein Pionier oder Vollzeitverkündiger. Er verrichtete seine Predigttätigkeit am Tag und arbeitete vierzig Stunden in der Woche nachts in einer Stahlfabrik. Diese ganze Zeit war er wegen Unterhaltspflichten vom Militärdienst zurückgestellt worden, obschon er auch seinen Anspruch als Geistlicher und religiöser Dienstverweigerer eingereicht hatte. Im Jahre 1952 wurde er dann zurückversetzt in Klasse l-A. Seine Rekurse brachten keine Änderung. Der Untersuchungsbeamte stellte fest, daß seine Aufrichtigkeit nicht angezweifelt worden war und erklärte, er sei ein ehrlicher Zeuge für Jehova, und als solcher sei er ein religiöser Dienstverweigerer. Dennoch beantragte er Ablehnung seines Anspruches, und das Justizdepartement beantragte seinerseits bei der Rekurskommission die Abweisung, weil es seine Aufrichtigkeit anzweifelte, da er sich "einen Monat, nachdem er sich stellen mußte, der Sekte der Zeugen Jehovas anschloß". ...

Tatsächlich war Gonzales, obschon noch nicht ordiniert, schon während Monate, bevor er sich stellen mußte, ein tätiger Prediger. Und nach seiner Aushebung und Zurückstellung, als ihm die Einberufung also nicht drohte, wurde er ordiniert und ein Vollzeitprediger, war also so aufrichtig, daß er hundert Stunden im Monat dem Predigen widmete, und dies zusätzlich zu seiner Arbeit in einer Stahlfabrik, in der er 40 Stunden in der Woche arbeitete. Dann, ungefähr zwei Jahre später, wurde er in Klasse l-A eingereiht, und das Justizdepartement beantragte nun bei der Kommission die Abweisung seines Anspruches, weil der Mann zu neu bekehrt sei, um aufrichtig zu sein. Aber das ist nicht das Schlimmste. Gonzales wurde nicht einmal informiert über diesen ganz neuen Einwand gegen seinen Anspruch, und deshalb konnte er zu dieser Vorhaltung, er sei nicht aufrichtig, nicht Stellung nehmen. Dieser Vorwurf war von der Ortskommission, die seine Aufrichtigkeit gar nie anzweifelte, nie erhoben worden. Doch die Rekurskommission verhandelte auf Empfehlung des Justizdepartements hinter seinem Rücken über die Anschuldigung der Unaufrichtigkeit und sprach ihn schuldig. ...

Die Bundesrichter waren über diesen Punkt anderer Meinung als der Rechtsanwalt der Regierung. Bundesgerichtspräsident Warren wollte wissen, ob der Umstand, daß ein Mensch noch nicht lange bekehrt sei, Aufrichtigkeit ausschließe. Als der Anwalt der Regierung antwortete, Gonzales habe sich nicht sonderlich beeilt, mit seiner Predigttätigkeit zu beginnen, fragte einer der Richter, wie lange gewöhnlicherweise eine Bekehrung dauere; darauf konnte er keine Antwort geben, was zeigte, daß er keinen Maßstab hatte, an dem er messen konnte, ob Gonzales zu lange gebraucht hatte, um sich vom Katholizismus ab- und Jehovas Zeugen zuzuwenden. ...

Die Regierung brachte vor, Gonzales könnte eine Wiederaufnahme seines Falles durch die Ortskommission verlangen, nachdem die Rekurskommission seinen Anspruch abgelehnt hatte und dann könnte er zur neuen Anschuldigung der Unaufrichtigkeit Stellung nehmen. Aber das Oberste Bundesgericht entschied in seinem für Gonzales günstigen Urteil: "Wir sind der Meinung, daß dieses Rechtsmittel zu spät vorgebracht wurde." ...

Der Fall Simmons
Zur Zeit seiner Aushebung war Robert Simmons noch kein Zeuge Jehovas und wurde in Klasse l-A eingeteilt. Dies war im Jahre 1948. Er heiratete später und wurde wegen Unterhaltspflichten bis Ende Oktober 1951 zurückgestellt, als er wiederum in Klasse 1-A umgeteilt wurde. Aber im Jahre 1949 begann er mit Jehovas Zeugen zu studieren, im Jahre 1950 wurde er ein tätiger Prediger und im Oktober 1951 ordiniert. Er verlangte daher Dienstbefreiung als Geistlicher und auch als religiöser Dienstverweigerer. Beide Ansprüche wurden abgelehnt und ein Rekurs brachte keine Änderung. ...

Aber die Hauptstreitfrage in diesem Fall ist die Tatsache, daß ihm, als er vor dem Untersuchungsbeamten war, keine angemessene Zusammenfassung der ungünstigen FBI-Akten über ihn zur Kenntnis gebracht wurde. Die Akten enthielten Berichte, wonach er vor seiner Bekehrung "ein ziemlich starker Trinker und Glüdksspieler" gewesen war und es wurde auch behauptet, daß er seine Frau geschlagen habe. Nichts von dem stand aber zur Diskussion, soweit Simmons Kenntnis hatte. Beim Verhör wurde er gefragt, ob er immer noch Spielsalons aufsuche, was er verneinte, worauf er dann fragte, welche anderen ungünstigen Aussagen in den Akten der FBI vorlägen. Der Untersuchungsbeamte wich aus und fragte lediglich seine Frau, wie er sie jetzt behandle, worauf sie antwortete: "Sehr gut". Es ist tatsächlich ein Beweis für Simmons Aufrichtigkeit, daß er seit seiner Bekehrung anders geworden ist, und der Untersuchungsbeamte anerkannte seine Aufrichtigkeit. ...

Der Anwalt der Regierung sagte, Simmons gelte nicht als religiöser Dienstverweigerer, weil seine Bekehrung unter dem Druck der militärischen Aushebung erfolgt sei und auch, weil er seine Frau schlug. Doch seine Bekehrung erfolgte drei Jahre vor seiner Zurückversetzung in Klasse 1-A, und es liegt kein Beweis vor, daß er seine Frau seit seiner Bekehrung geschlagen hat. Er hatte sich gebessert. Es lagen keine Beweise für Unaufrichtigkeit vor, auch keine Anschuldigungen dieser Art durch die Ortskommission oder den Untersuchungsbeamten. Und einer der Bundesrichter bemerkte, daß das Schlagen der Frau nichts zu tun habe mit der Frage der Dienstverweigerung.

Über die Hauptstreitsache eine angemessene Zusammenfassung gebend, lautet der für Simmons günstige Gerichtsentscheid wie folgt:
"Daß der Gesuchsteller nie eine ausreichende Zusammenfassung der ungünstigen, durch die FBI gesammelten Aussagen erhielt, scheint auf Grund der Akten kaum bestritten werden zu können. Was sein Spielen und Trinken betrifft, so hat der Untersuchungsbeamte dem Gesuchsteller lediglich erklärt, es sei berichtet worden, er habe sich in Spielsalons herumgetrieben. Und was die berichteten Fälle von gewalttätigem Verhalten seiner Frau gegenüber betrifft, so stellte der Untersuchungsbeamte, offensichtlich ausweichend, nur die
Frage an die Frau des Gesuchstellers, wie der Gesuchsteller sie jetzt behandle. Ein angemessenes Resümee ist es dann, wenn es dem Gesuchsteller erlaubt, Stellung zu nehmen zu den ungünstigen Aussagen — sie zu erklären, zurückzuweisen oder sonstwie die nachteilige Wirkung zu schwächen. ...
Der Fall Witmer
Philip Witmer wurde von Eltern erzogen, die Jehovas Zeugen sind. Mit elf Jahren begann er die Schriften der Zeugen zu lesen. Er teilt ihre Anschauungen und verweigert daher aus Gewissensgründen die Teilnahme an Kriegen zwischen den Nationen. Er predigt öffentlich die Botschaft vom Königreich Christi. Nach mehrmaliger militärischer Einschreibung erhob er Anspruch auf Dienstbefreiung als Geistlicher und religiöser Dienstverweigerer und verlangte auch Zurückstellung wegen landwirtschaftlicher Arbeit, die, wie er erklärte, sein Beitrag sei zu den Kriegsanstrengungen. Nichts in seinen Akten sprach gegen seinen Anspruch als religiöser Dienstverweigerer, doch er wurde trotzdem nicht anerkannt. ...

Aber das Justizdepartement beantragte bei der Rekurskommission die Abweisung des Anspruches, da Witmer bereit sei, durch Landarbeit einen Beitrag zu leisten zu den Kriegsanstrengungen; die Kommission nahm dann diesen Antrag an.

In seinem Plädoyer vor dem Obersten Bundesgericht legte Covington dar, ... daß Bereitwilligkeit, auf dem Land zu arbeiten, ihn sicherlich nicht disqualifiziere, da die Regierung von Dienstverweigerern erwarte, daß sie zu den Kriegsanstrengungen auf verschiedene Weise beitragen. ... Die Bestimmungen sagen nicht, daß jemand kein religiöser Dienstverweigerer sei, wenn er indirekt zu den Kriegsanstrengungen beitrage. Die Regierung heißt dies gut, aber hier sagt sie nun, diese Bereitwilligkeit mache den Anspruch auf Dienstbefreiung zunichte. ...

Da in den Akten keine faktische Grundlage vorhanden ist, um ihm den Anspruch auf Dienstbefreiung abzusprechen, hätte die Verurteilung Witmers aufgehoben werden sollen. Aber die Mehrheit des Gerichts entschied, daß Grund vorhanden sei, seine Aufrichtigkeit anzuzweifeln und deshalb blieb das Urteil bestehen. ...

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Geschrieben von Drahbeck am 15. September 2005 04:54:53:

Als Antwort auf: Re: 8. 9. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 08. September 2005 07:05:14:

In der 14. Folge ihrer Fortsetzungsserie über die "Neuzeitliche Geschichte der Zeugen Jehovas" (im "Wachtturm" vom 15. 9. 1955), berichtet die WTG besonders über ihre Aggessionsstrategie jener Jahre. Heutzutage kann man sich nicht genug tun, sich als bedauernswerte Opfer des Naziregimes darzustellen. Das waren sie ohne Zweifel. In der Regel gehören zum Konflikt immer zwei. Weniger im Rampenlicht indes ist, dass selbst in den USA jener Jahre, durchaus vergleichbare Konflikte abliefen. Der gravierende Unterschied bestand lediglich darin, dass sie nicht mit KZ und unbefristeter "Schutzhaft" ohne juristische Bewertung einer solchen Maßnahme, abliefen. Nazideutschland war eine Diktatur. Die USA (noch) nicht. Damit ergaben sich auch andere Endresultate. Aber der "Nährboden" dieser Konflikte, sah in beiden Ländern ziemlich gleich aus.

Der genannte WT berichtet:
"Die ... Gegner der Watch Tower Society sichten als nächstes dem Donner der Grammophontätigkeit, durch die man von 1933 an die einschränkende Radiozensur umgangen hatte, auf dem Gesetzeswege Einhalt zu tun."


Schon die gewählte Vokabel "Donner der Grammphontätigkeit" spricht für sich. Selbstredend gibt sich der WT auch keine Rechenschaft darüber, wie es denn zu der, wie er meint "Radiozensur" gekommen war. Doch sicherlich nicht deshalb, weil Rutherford bei seinen Radiovorträgen nur "lieblich säuselte". Eher ist das Gegenteil der Fall.

Es wird dann auf einen Präzedenzfall verwiesen:
"In einem Gericht in Connecticut wurde auf die Klage von zwei Katholiken hin ein Zeuge Jehovas der Anreizung zu Hausfriedensbruch schuldig gesprochen, da er am 26. April 1938 vor ihren Ohren die Grammophonplatte mit Richter Rutherfords Ansprache, betitelt "Feinde" abgespielt habe, in der die Tätigkeit der römisch-katholischen Hierarchie kühn bloßgestellt wurde."

Zwar gelang es der WTG im Jahre 1940 dieses Urteil zu kippen. Allein sein Sachverhalt spricht auch so schon Bände. Über die Vorgeschichte liest man in der genannten "Wachtturm"-Ausgabe weiter:
"Zuerst wurden keine Verhaftungsstatistiken geführt".

Schon da gilt es den Satz zu unterbrechen. Verhaftungen weshalb? Aus zwei Gründen, über die der WT so nicht redet.
Einmal den schon genannten Hausfriedensbruch. Zum anderen: Literaturverkauf in Hausierer-Manier, ohne behördliche Einwilligung. Und genau das wollte die WTG erzwingen, und ließ es deshalb auf die entsprechenden Konflikte ankommen.
Weiter geht es im WT-Text:

"Aber im Jahre 1933 wurden allein in den Vereinigten Staaten 268 Fälle gemeldet, im Jahre 1934 deren 340, im Jahre 1935 478 und im Jahre 1936 1149 Fälle."

Als besonderes Schlachtfeld kristallisierte sich New Jersey heraus:
"Die Gesellschaft schuf eine Rechtsabteilung in Brooklyn, um in dem Kampf, der sich entwickelte und in dem alles aufgeboten wurde, Rat und Hilfe zu erteilen. Eine Anleitung des "Vorgehens vor Gericht" wurde herausgegeben, und alle Verkündiger studierten sie sorgfältig, so daß sie sich vor Gericht selbst verteidigen konnten. Es wurde die Taktik verfolgt, in allen ungünstigen zu appellieren (Berufungsverhandlungen)".

Details dazu kann man auch dem Buch von William J. Schnell: "Falsche Zeugen stehen wider mich. Dreißig Jahre Sklave des Wachtturms" entnehmen.

Die Aggressivität der Zeugen Jehovas kommt auch in der folgenden Anmerkung zum Vorschein:
"In Offenbarung 9: 7-9 werden die Zeugen mit 'Heuschrecken' in der Schlachtordnung verglichen. Dies begann sich auf bemerkenswerte Weise im Jahre 1933 zu zeigen. Damals stellten sich 12.600 Verkündiger ... zu einem schnellen Vorsprechen im Felddienst von Haus zu Haus, einer Sondermission in Gebieten, in denen die Einwohnerschaft besonderen Widerstand leistete. Sie wurden in den Vereinigten Staaten in 78 'Divisionen' organisiert. Zehn bis 200 Autos mit je fünf Arbeitern bildeten eine 'Division'. Besondere Methoden des Zeugnisgebens wurden angewandt, je nach der Art des Widerstandes der Geistlichkeit und Polizei, die man erwartete und der man begegnete. Wenn Zeugen im gewöhnlichen Felddienst verhaftet wurden, wurde von nun an ein Bericht nach Brooklyn gesandt, worauf ein Aufruf erging an die nächste 'Division', sich bald danach an einem Sonntag zu einem gründlichen Zeugnis ins Treffen zu begeben und in ein bis zwei Stunden jede Wohnung der ganzen Gemeinde zu besuchen. Wann immer ein Notruf an eine 'Division' erging, sich zum Dienste zu melden, erschienen sämtliche Autogruppen an einem vereinbarten Treffpunkt einige Kilometer weit von der zu 'belagernden' Stadt entfernt. Hier empfingen sie eingehende Anweisungen, und die einzelnen Autogruppen wurden ordnungsgemäß eingeteilt. Wenn die 'Heuschrecken' in Aktion traten, ... wurden (sie) ... durch ein Heer von Zeugen überwunden. Sie konnten nichts weiter tun, als 20 bis 30 Zeugen zu verhaften, etwa soviel, wie das Ortsgefängnis aufnehmen konnte. "

Weiter liest man in diesem Bericht noch:
"Die New-Jersey-Kampffront, an der der Kampf am heißesten tobte, erforderte häufig die großen 'Divisionen' von New York und New Jersey, je 200 Autogruppen (die je tausend 'Heuschrecken' umfaßten), die abwechslungsweise ins Treffen zogen, je nach den wöchentlichen Verhaftungen."

Flankierend stellte man sich über den WTG-Radiosender WBRR auch noch auf diese Situation ein. Dazu rühmt sich die WTG:
"Im Bethel Brooklyn bildete eine Anzahl erfahrener Darsteller, die gut nachzuahmen verstanden, etwas, was sie 'Die Bühne des Königs' nannten. Sie wurden gewandt in der treulichen Wiedergabe von Gerichtsszenen der Neuzeit und biblischer Dramen. Als während der Woche ein von der Geistlichkeit beeinflußter Richter eine Verhandlung einer Anzahl Zeugen Jehovas leitete, ... wurde ein stenographischer Bericht von der ganzen Verhandlung aufgenommen ... Schnell übten diese Darsteller nun den vorbereiteten Text ein, der sich auf den stenographischen Bericht stützte, und nachdem man - um eine große Radiozuhörerschaft zu haben - die Sache weit und breit bekanntgemacht hatte, führten am darauffolgenden Sonntag die Darsteller der 'Bühne des Königs' ... offen das Zerrbild der Rechtsprechung in Ortsgerichten vor."

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Geschrieben von Drahbeck am 22. September 2005 08:02:58:

Als Antwort auf: Re: 15. 9. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 15. September 2005 04:54:53:

Wenn man, was man unterstellen kann, zeitgenössische Geschichtsbücher zum Thema der Jalta-Verträge konsultieren würde. Jeweils eines aus dem seinerzeitigen Ostblock und eines aus dem Westen, so dürften wohl beide das Thema behandelt haben. Der Detailvergleich indes wird offenbaren, dass Tendenz und Darstellung völlig unterschiedlich ausfallen; es also kaum eine gleiche Bewertung gibt.
Nun meint auch „Erwachet!" in seiner Ausgabe vom 22. 9. 1955 sich auf dieses "Glatteis"-Gebiet begeben zu sollen. Schon einleitend wird die Frage gestellt: „Wie es kam, daß den Russen in Jalta solche Konzessionen gemacht wurden." Und zum Ausklang des Artikels wird dann noch Churchill zitiert der da gesagt haben soll:
„Jetzt glaube ich, dass das Ende dieses Krieges (zweiter Weltkrieg) wahrscheinlich eine grössere Enttäuschung bringen wird als das letzte Kriegsende". Und dazu kommentiert „Erwachet!" seinerseits redaktionell:
„Seine Voraussage erwies sich als wahr".

Jetzt wieder auf die weltlichen Geschichtsbücher, jeweils eines aus dem Osten und eines aus dem Westen zurückkommend, stellt sich die Frage, wie wohl der genannte "Erwachet!"-Artikel im Vergleich zu bewerten ist. Und dabei ist es meines Erachtens evident, dass er zu nahezu 100% mit der westlichen Darstellung übereinstimmt.
An und für sich ist das eine „Binsenweisheit". Es sei auch „Erwachet!" zugebilligt eine Meinung zu haben, die keineswegs mit der vom Osten protegierten „übereinstimmt". Da wäre allerdings noch ein „Schönheitsfehler" zu benennen. Man behauptet doch seitens der WTG politisch „neutral" zu sein. Dieser Behauptung war zu keinem Zeitpunkt ernst zu nehmen.
Sie wird auch in dieser Ausgabe mit genannten Artikel, allerkräftigst widerlegt.

Noch ein weiterer Artikel aus dieser Ausgabe sei zitiert. Er widmet sich dem Thema des Rauchens. Er unterstellt, dass lediglich durch massive Werbung die Zigarrenindustrie sich am Leben erhielt. Im zufolge seien in den USA von 27.000 Zigarrenherstellern vor dem ersten Weltkrieg nur 4.000 Firmen übergeblieben. Dann aber, in den 1940er Jahren, habe der massive Einsatz von Werbeträgern eingesetzt. Sowohl Direktwerbung, als auch verdeckte Schleichwerbung. Zitat:
„Man gab Zigarren als Geschenke bei bunten Rundfunkabenden und Betriebsfeiern. … In der Wochenschau sah man, wie Lord Mountbatten Zigarren überreicht wurden, zur Zeit der Königshochzeit Britanniens. Sie wurden volkstümlicher, und das Vorurteil gegen sie wich. Wie in einem Artikel in 'Harper's' Zeitschrift geschätzt wird, sind in drei Jahren weitere anderthalb Millionen Amerikaner Zigarrenraucher geworden."

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Geschrieben von Drahbeck am 01. Oktober 2005 06:10:05:

Als Antwort auf: Re: 22. 9. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 22. September 2005 08:02:58:

Die 15. Folge der Fortsetzungsserie "Neuzeitliche Geschichte der Zeugen Jehovas" (im "Wachtturm" vom 1. 10. 1955) notiert unter anderem, dass in Deutschland von den Bibelforschern (Zeugen Jehovas) in den Jahren von 1919 bis 1933, 48 Millionen WTG-Bücher und Broschüren abgesetzt wurden. Ferner wurden in Deutschland insgesamt, in diesem Zeitraum 77 Millionen Einzelexemplare der Zeitschrift "Das Goldene Zeitalter" an die Frau respektive an den Mann gebracht.
Insbesondere die Angabe bezüglich des "Goldenen Zeitalters" kann man durchaus beachtlich nennen. Ohne dieses Publikationsorgan hatten die WTG gesteuerten Bibelforscher nie jene Bedeutung erlangt, die sie tatsächlich erreichten.

Man kann das auch an dem Umstand festmachen, dass es bekanntlich in der WTG-Führung beim Machtantritt Rutherford's zu einem Schisma kam, in dessen Konsequenz Rutherford seine Opponenten "achtkantig" aus der WTG-Organisation rausschmiss.
Russells Ursprungserwartungen waren faktisch gescheitert. Rutherfords Kurs (im ersten Weltkrieg) führte zu seiner Inhaftierung. Nachdem sich diese Wogen allmählich wieder geglättet hatten, kann man in gewisser Hinsicht von einer neuen "Stunde Null" sprechen. Auch die Opponenten begannen sich zu organisieren. William Schnell schätzt ein (als Zeitzeuge, in seinem Buch "Dreissig Jahre Sklave des Wachtturms"), das 75% der alten Bibelforscher aus der Russell-Zeit letztlich den Opponenten zugehörig waren. Das Handicap der Opponenten war allerdings, dass es ihnen nicht gelang, ihre Sympathisanten mit "Haut und Haaren" zu vereinnahmen. Da war die Rutherford WTG weitaus erfolgreicher.

Immerhin brachten die Opponenten (auch deutschsprachig vorliegend), es auch zu einer Art "Standardwerk". Herausgegeben von R. E. Streeter offerierten sie eine zweibändige Auslegung über "Die Offenbarung Jesu Christi" (Streeter war schon zu Russells Zeiten einer seiner Kolporteure). Bibelauslegung in "altbewährten" Russell'schen Geleisen, ihr Inhalt. Dann war es ihnen auch noch möglich, eine bis heute noch (in Englisch) erscheinende Zeitschrift herauszugeben ("Der Herold des Königreiches Gottes").
Man vergleiche auch:
http://www.heraldmag.org/

Interessant: Die alten englischsprachigen Jahrgänge (1918 - 1992) sind auf dieser Webseite auch Online zugänglich (weiter unten in dem Link aufgeführt).
http://www.heraldmag.org/past.htm

Ab 1923 gab es davon gar noch einen deutschen Ableger. Die Gebrüder Sadlack zitieren in ihrem WTG-kritischen Buch "Die Verwüstung des Heiligtums" fleißig aus ihr.
Sie meinen dieses Blatt mit den Worten belobigen zu können:

"'Der Herold des Königreiches Christi' (im Deutschen erst seit 1923) offenbart einen guten Geist, der an die alten Wachttürme erinnert. Wir kennen zurzeit keine Zeitschrift, die besser den Geist Christi offenbart und für die Wahrheit eintritt, als diese. Solange sie so bleibt, glauben wir sie jedermann empfehlen zu können. Uns selbst gereicht sie zum großen Segen und, wie uns bekannt, auch vielen anderen."

Dennoch kennt heute kaum noch einer den "Herold des Königreiches Christi". Während man für "Wachtturm" und "Goldenes Zeitalter" der Frühzeit, auch einige (wenn auch nicht vollständige) Nachweise in wissenschaftlichen Bibliotheken eruieren kann, sieht es bezüglich des "Herold des Königreiches Christi" mal ziemlich mau aus. Gerade mal die Jahrgänge 1934 - 1936 haben sich auch in die Deutsche Bücherei Leipzig mit "verirrt".

(Die Deutsche Bücherei vermerkt redaktionell, mit Nr. 5, Juni 1936 erscheinen eingestellt). (Im Privatbesitz. Keine Bibliotheksbestände; lassen sich noch einige weitere Ausgaben davon nachweisen). Deutscher Herausgeber war Samuel Lauper, ein früher Aktivist der Russell-Bewegung. Herausgegeben in der Schweiz. Aber noch in der eben genannten letzten Ausgabe, findet man die Angabe (auch) eines Stuttgarter Girokonto für den Bezug in Deutschland.

Das Blatt war also von dem Nazi-Zeugen Jehovas-Verbot nicht direkt tangiert. Wozu auch kein sonderlicher Anlass bestand. Man beschränkte sich ja auf das "Biblische".
Demgegenüber steht der Umstand, dass die Deutsche Bücherei, zeitgenössisch, auch dieses Blatt ihrer berüchtigten Sperrabteilung zuordnete ("Sachgebiet für spezielle Forschungsliteratur"). Dieses Schicksal traf aber noch in weit größerem Umfange auch noch andere Literatur, welche die Deutsche Bücherei, als Gesamtarchiv deutschen Schrifttums weiter sammeln konnte. Auch dann sammeln konnte, wenn ihr Inhalt die Nazis "auf die Bäume brachte". Dann wurde es eben der Sperrabteilung zugeordnet. Und damit war das Problem ausgestanden.
Herold.jpg (394693 Byte)
Eine frühe Ausgabe des "Herold ..."

Wenn die Deutsche Bücherei eben für Mitte 1936 eine Erscheinungseinstellung registrierte, dann darf man das in erster Linie als wirtschaftlich bedingt beurteilen. Auch in der Schweiz war zu diesem Zeitpunkt die wirtschaftliche Decke für dieses Zeitschriftenprojekt, einfach nicht mehr tragfähig genug. Damit ist offenkundig, wer im Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel (WTG-Hörige und WTG-Opponenten) letztendlich den längeren Atem hatte.

Die WTG-Opponenten beschränkten sich auf das ihrer Meinung nach "streng biblische".
Auch Dietrich Hellmund kommentiert in seiner 1972 erschienenen ZJ-bezüglichen Dissertation:
"Hier können wir nochmals Bilanz machen. Das endgültige Schicksal 'der' Opposition ist Selbstzerfleischung. Letzlich ging der Gegnerschaft Rutherfords eine echte Führerpersönlichkeit ab.Rutherfords Gegenspieler waren kleine Geister und konnten den überlegenen Taktiker Rutherford nicht in Gefahr bringen. Man mag über den Menschen Rutherford sehr verschieden denken und sehr kritisch. Aber über seine Führereigenschaften ist nur ein Urteil möglich: Vorzüglich."

Einen Aspekt allerdings, der ergänzend zu der Hellmund'schen (im Prinzip richtigen) Aussage noch genannt werden muss, ist eben auch der Rutherford Coup mit dem "Goldenen Zeitalter".
War es doch zugleich auch eine Zeitschrift (mit - aber nicht nur) politischer Komponente. Vermochten konservative "Bibelauslegungen" nur relativ wenige "hinterm Ofen vorzulocken". So sah es beim "Goldenen Zeitalter", mit seiner auch Politik-Tendenz, schon erheblich anders aus. Auch die genannten Vertriebszahlen sprechen dafür.

Ein vergleichbares Pedant hatte die WTG-Opposition einfach nicht im Programm. Und damit war und ist dieser Wettkampf entschieden. Die Zeugen Jehovas sind nur das, was sie heute sind, weil sie über ihre Medienlinie "Goldenes Zeitalter", "Trost", "Erwachet!", stets auch verbrämte Politikelemente mit ins Spiel brachten.

In diesem Kontext (das nur nebenbei) wird man aus der rückschauenden historischen Sicht, der Reduzierung ihres "Erwachet!" ab Anfang nächsten Jahres, auf eine monatliche Ausgabe, auch noch einen gewissen Stellenwert zuordnen können. Aber das den WTG-Appartschicks, etwa im Vergleich zu ihrem Buch aus den fünfziger Jahre "Dein Wille geschehe", schon seit geraumer Zeit, namentlich in der nach 1975-Ära, die "zündenden" Ideen ausgegangen sind, hatte man schon des längeren registriert.

Um auf die Fortsetzungsserie "Neuzeitliche Geschichte der Zeugen Jehovas" zurückzukommen. In der genannten Folge davon, findet man auch ein Dokument wieder, das mit zu den "Lieblingszitaten" der Zeugen Jehovas gehört, wenn sie heutzutage, auf die Zeit 1933-45 zu sprechen kommen. Auch dieses Dokument offenbart eines. Den letztlich politischen Charakter der Zeugen Jehovas (Politik in vermeintlich biblischer Verbrämung). Es wurde von der WTG in späteren Jahren eigentlich nie mehr im vollen Wortlaut zitiert, der in dieser WT-Ausgabe aber noch offeriert wurde. Und so sei denn, und damit mag diese Betrachtung enden, auch an dieser Stelle, dieses Dokument, in seinem vollen Wortlaut (unkommentiert) dokumentiert:

Nachstehend folgt der unverkürzte Text eines beeidigten Berichts, der am 12. November 1947 von Karl R. A. Wittig unterzeichnet wurde. Dieser arbeitete im Jahre 1934 für die damalige deutsche Regierung und war gerade anwesend, als Hitler von Dr. Frick von den Protesttelegrammen der Zeugen Jehovas unterrichtet wurde. Der Text des beeidigten Berichts lautet wie folgt:

"ERKLÄRUNG - Am 7. Oktober 1934 suchte ich in meiner Eigenschaft als damaliger Bevollmächtigter General Ludendorffs nach vorausgegangener Aufforderung den damaligen Reichs- und Preußischen Minister des Innern, Dr. Wilhelm Frick, im seinerzeitigen Reichsministerium des Innern in Berlin, Am Königsplatz 6, auf, um von letzterem Mitteilungen entgegenzunehmen, die den Versuch enthielten, General Ludendorff zur Aufgabe eines ablehnenden Standpunktes dem nationalsozialistischen Regime gegenüber zu bewegen. Während meiner Unterredung mit Dr. Frick erschien plötzlich Hitler und beteiligte sich an den Verhandlungen. Als unser Gespräch zwangsläufig auch das bisherige Vorgehen des nationalsozialistischen Regimes gegen die Internationale Bibelforscher-Vereinigung [Jehovas Zeugen] in Deutschland streifte, legte Dr. Frick Hitler eine Reihe aus dem Auslande eingelaufener Protestttelegramme gegen die Verfolgung der Bibelforscher im 'Dritten Reich' mit folgendem Bemerken vor: 'wenn sich die Bibelforscher nicht gleichschalten, dann werden wir sie mit den schärfsten Mitteln anfassen', worauf Hitler aufsprang, seine Hände zusammenballte, sie erhob und hysterisch schrie: 'Diese Brut wird aus Deutschland ausgerottet werden!' Vier Jahre nach dieser Unterredung habe ich mich während meiner sieben Jahre dauernden zweiten Schutzhaft, die bis zu meiner Befreiung durch die Alliierten anhielt, in der Hölle der nationalsozialistischen Konzentrationslager Sachsenhausen, Flössenburg und Mauthausen aus eigener Anschauung davon überzeugen können, daß es sich bei dem Wutausbruch Hitlers um keine leere Drohung gehandelt hat, denn keine Häftlingskategorie ist in den genannten Konzentrationslagern dem Sadismus der SS-Soldateska in einer solchen Weise ausgesetzt gewesen, wie die Bibelforscher; ein Sadismus, der durch eine derartige nicht abreißende Kette physischer und seelischer Quälereien gekennzeichnet war, die keine Sprache der Welt wiederzugeben imstande ist.
Frankfurt am Main, den 12. November 1947
Wehrheimer Straße 9 [gez.] Karl R. A. Wittig
Urkundenrolle Nummer 778 Jahr 1947
Die auf der Vorderseite befindliche Unterschrift des Schriftstellers Karl Wittig, wohnhaft zu Frankfurt am Main, Wehrheimer Straße 9, wird hiermit beglaubigt.
Frankfurt am Main, den 13. November 1947
[gez.] Ludwig, Notar
[Stempel] Otto Ludwig, Notar in Frankfurt am Main."

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Geschrieben von Drahbeck am 08. Oktober 2005 07:31:57:

Als Antwort auf: Re: 1. 10. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 01. Oktober 2005 06:10:05:

„Müssen Christen den Zehnten geben?" Zu diesem Thema liest man in „Erwachet!" vom 8. 10. 1955:
„Die Zehntabgabe wird immer stärker hervorgehoben von 'christlichen' Konfessionen. So erklärt ein Sprecher des Nationalrates der Kirchen Christi: 'Man kann beobachten, daß die Zehntabgabe durch Christen [diesem Rat angeschlossenen] Kirchen immer stärker hervorgehoben wird' und daß dieser Rat die Zehntabgabe durch Filme, Schriften und Vorträge fördern werde. - Neuyorker 'Times', 2. Dezember 1951.

Zu den eifrigsten Verfechtern des Zehnten gehört die Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage (Mormonen). Diese Richtung soll von 'jedem Gläubigen erwarten, daß er bei seiner Bekehrung den Zehnten seines Besitzes und nachher den Zehnten seines Einkommens entrichtet'. Eine andere Richtung, die der Zehntabgabe große Bedeutung beimisst, sind die Adventisten vom siebenten Tage. In einer ihrer Schriften heißt es, daß unser Land [die Vereinigten Staaten von Amerika] mit vermehrten Sorgen und Schwierigkeiten zu kämpfen habe, weil man unterlasse, 'das ganze Gesetz des Zehnten zu halten zur Unterstützung Seines Königreiches auf Erden und der Mildtätigkeit'. Nach Anführung von Maleachi 3:8-10 heißt es weiter: 'Sollen wir fortfahren, Gott zu berauben und Fluch auf uns zu laden oder wollen wir unsere Zehnten bezahlen und von ihm gesegnet werden?'

Und als eigenes Lippenbekenntnis fügt „Erwachet!" in diesem Artikel noch hinzu:
„Die heutige Zehntpflicht mag 'praktisch und geschäftsmäßig erscheinen', aber sie ist keine Einrichtung, die sich auf Gerechtigkeit stützt, denn heute ist es vielen möglich, mehr zu geben, während andere nicht so viel geben können. Wenn wir mehr geben könnten und geben den Zehnten, so trägt uns der Zehnte nicht Glück und Segen ein; auch ist er dann kein Ausdruck ganzherziger Liebe gegen Gott."

Und damit auch ja niemand zu dem Fehlschluss verleitet werde, die WTG sei „nicht" vom „Stamme nimm", lässt man diesen Artikel mit der Bemerkung ausklingen:
„Die ersten Christen mußten nicht durch eine Zehntpflicht zum Geben gezwungen werden, und auch bei den heutigen Christen ist dies nicht nötig. Sie erkennen, daß alles, was sie haben, Jehova gehört und geben daher, was sie können, sei es ein Prozent oder neunzig Prozent, und fühlen sich nicht bedrückt, weil sie nicht einen Zehnten geben können oder stolz, weil sie mehr geben können, sondern jeder freut sich über das Vorrecht, das geben zu können, was ihm möglich ist."

Summa summarum. Starren Gesetzen mag die WTG in dieser Frage nicht zustimmen. Sie hält es lieber damit, wie Karl Marx es bezüglich einer früheren Phase der Kirchengeschichte mal formulierte.
„Luther hat allerdings die Knechtschaft aus Devotation (Unterwürfigkeit) besiegt, weil er die Knechtschaft aus Überzeugung an ihre Stelle gesetzt hat. Er hat den Glauben an die Autorität gebrochen, weil er die Autorität des Glaubens restauriert hat. Er hat die Pfaffen in Laien verwandelt, weil er die Laien in Pfaffen verwandelt hat. Er hat Menschen von der äußeren Religiosität befreit, weil er die Religiosität zum inneren Menschen gemacht hat. Er hat den Leib von der Kette emanzipiert, weil er das Herz in Ketten gelegt."

Und unterm Strich ist sie wohl bis heute, relativ erfolgreich damit!

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Geschrieben von Drahbeck am 15. Oktober 2005 07:15:37:

Als Antwort auf: Re: 8. 10. 1955 (Vor fnfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 08. Oktober 2005 07:31:57:

Judge.jpg (64737 Byte)

Die auf dem Bild sichtbaren beiden ersten Herren (von links nach rechts) Knorr und Rutherford, fallen schon mal durch ihre mitgeführten „Spazierstöcke" auf. Spätestens seit der 1945 in New York erschienenen Dissertation von Herbert Stroup weiß man. Solcherlei Stöcke wurden keineswegs etwa im Sinne eines „Wandervereines" verwandt. Ganz im Gegenteil. Gegner der Zeugen Jehovas lernten ihre Anwendung als handfestes Instrumentarium für buchstäbliche Prügeleien, noch am eigenen Leibe kennen.

Den Bericht über eine solche Prügelei, kann man auch dem „Wachtturm" vom 15. 10. 1955 (Fortsetzungsserie über die „Neuzeitliche Geschichte der Zeugen Jehovas") entnehmen. Der Leser wird da verschämt informiert, dass anlässlich einer Veranstaltung der Zeugen Jehovas in New York des Jahres 1939: Zitat:

„Die Stadtpolizei völlig ihre Pflicht zu tun verfehlte, die Ordnung aufrechtzuerhalten, als die große öffentliche Versammlung im Madison Square Garden sich plötzlich der Gefahr gegenübersah, gesprengt zu werden."

Ganz so „plötzlich" wie hier versucht wird den Eindruck zu erwecken, geschah dass dann doch wohl nicht. Man kannte ja die eigenen aufreizenden zeitgenössische Rutherford-Bücher und Broschüren zur Genüge. Eines von ihnen trug beispielsweise den durchaus programmatisch zu wertenden Titel „Feinde". Und man wusste sehr wohl, schon im Vorfeld, wie die so als Feinde titulierten, auf die Rutherford-Verkündigung reagierten. Und weil man das wusste; rüstete man sich entsprechend aus. Die Spazierstock-Industrie in den USA, dürfte in jenen Tagen einen ungeahnten Boom erlebt haben.

Nun soll der Versuch, diese Rutherford-Veranstaltung gewaltsam zu sprengen, keineswegs entschuldigt werden. Es hätte ja auch die Option bestanden, die Rutherfordianer lediglich mit Mißachtung zu strafen und sie ansonsten im „eigenen Saft schmoren zu lassen". Dazu konnten sich aber die als Feinde bezeichneten nicht durchringen. Sie wollten es auch ihrerseits „wissen", mit der erklärten Zielstellung, diese Zeugen Jehovas-Versammlung zu sprengen. Und so trat denn auch das ein, was die Zeugen Jehovas Regie für diesen Fall schon im voraus festgelegt hatte. Wie es besonders hitzig wurde, lernten ihre Gegner buchstäblich kennen, was es mit dem Spruch „Knüppel aus dem Sack" so auf sich haben kann.

Eine wüste Schlägerei begann, in der die Zeugen Jehovas-Gegner schon dergestalt im Nachteil waren, dass sie nicht auch ihrerseits mit Stöcken bewaffnet anmarschiert waren. Deren Waffe war der Versuch, mittels ungebetener Zwischenrufe den Rutherford-Vortrag kaum noch verstehbar sein zu lassen. Von ihrer Logistik den Gegnern her überlegen, stellten die Zeugen Jehovas aber alsbald ihr Hausherrenrecht wieder her.

Triumphierend registriert die WTG dann auch noch, dass juristische Nachspiele, den Gegnern letztendlich keinen Erfolg brachten. Sie hatten sich also im doppelten Sinne des Wortes durchgesetzt.
Als Zeitzeuge berichtet auch der seinerzeitige WTG-Anwalt H. C. Conington in einem Interview über diese Geschehnisse:

"Als der Mob begann, verließ Bruder Heath (Sekretär von Rutherford), die Rednertribüne, weil er für alle Ordner verantwortlich war ... Ich folgte ihm, und wir gingen zusammen. Sie waren wie verrückt am Schreien, das war der gleiche Krach, den man auf der Aufnahme von Government and Peace hören kann. Sie schrieen uns in die Ohren, als wir dort hinaufgingen, um für Recht und Ordnung in dieser religiösen Versammlung zu sorgen. Die Polizisten waren draußen und hielten sich aus der Sache heraus; sie ließen zu, daß diese Leute weitermachten und die Zusammenkunft sprengten oder es zumindest versuchten. Wir gingen hinauf, und wir hatten Stöcke, um die Ordnung aufrechtzuerhalten, und wir versuchten, die Banditen aus dem Weg zu schieben.

Und als wir das taten, ergriff einer der Banditen Bruder Heath und verletzte ihn sehr schlimm, körperlich. ... Sie griffen ihn an den Genitalien, als er die Treppe hinaufging, und er schlug dem Banditen mit einem Stock auf den Kopf, um die Menge zu zersprengen, die sich um uns versammelte. Und als er das tat, da kamen die Polizisten auf stellten Bruder Heath unter Arrest, weil er den Banditen mit dem Stock geschlagen hatte."

Wahrlich ein Schauspiel „vor Engel und Menschen", über eine vorgebliche „Religion der Liebe".

Geschrieben von Raimund am 15. Oktober 2005 08:49:50:

Als Antwort auf: Re: 15. 10. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 15. Oktober 2005 07:15:37:

Was will uns Drahbeck mit seinem Beitrag - unterstützt durch ein aussagekräftiges Beweisphoto(?) - suggerieren: die WTG-Führungsriege benutzte in den 1930er Jahren ihre Spazierstöcke als Schlagstöcke, die sie gegen Andersdenkende einsetzte. Die ZJ, so die daraus abzuleitende Schlußfolgerung, sind also keineswegs so lieb und nett, wie sie sich nach außen hin immer gerne darstellen.

Doch es ist Vorsicht geboten! Es gilt gerade vor Drahbecks Hintergrund, diesen Bericht kritisch zu hinterfragen. Vor allem müßte recherchiert werden, ob es mit dem Spazierstock nicht eine andere Bewandtnis hat. In früheren Zeiten galten hinsichlich gewisser Modeassesoirs noch andere Regeln. Bevor sich unsere Massengesellschaft herausbildete, kennzeichnete beispielsweise ein Hut seinen Träger als Teil der bürgerlichen Klasse. Er war unverzichtbarer bestandteil der Mode seiner Epoche. Auch war es seinerzeit üblich, daß Frauen - vor allem auf dem land - Kopftücher trugen. Aber nicht aus Gründen des Glaubens, so wie heute bei den islamischen "Kopftuch-Geschwadern".

Könnte es also sein, daß es mit dem Spazierstock damals eine ähnlich Bewandtnis hat? Das der Spazierstock ein dem Hut vergleichbares bürgerliches Modeassesoir war, welcher zufälligerweise bei einer Veranstaltung als Schlagstock gebraucht wurde? Verständlicherweise, denn wenn mir einer an die Eier greifen würde, würde ich auch nicht erst lange nachdenken, und allein aus einem Reflex heraus zurückschlagen. Aber Drahbeck meint vielleicht, ZJs müßten aus ihrem Selbstverständnis heraus in einer solchen Situation natürlich einen kühlen Kopf bewahren und auch das andere Ei, ähh die andere Wange hinhalten...

Auch frage ich mich, woher Drahbeck eigentlich weiß, daß der Mob unbewaffnet war? Vielleicht nicht mit Spazierstöcken, denn i.d.R. sammelt sich nur der "Proll" zum Mob zusammen; Bürgerliche halten sich meistens von so etwas fern...

Geschrieben von Drahbeck am 15. Oktober 2005 10:09:39:

Als Antwort auf: Eigentor geschrieben von Raimund am 15. Oktober 2005 08:49:50:

Das Ihnen der Bericht nicht passt, ist Ihr Problem.

Herbert H. Stroup notiert in seiner genannten Dissertation:

„Der Eifer der Zeugen wurde bestimmt noch verstärkt durch die 'Stützen', die während der Veranstaltung verwendet wurden. Die Stöcke zur Verteidigung, die Mr. Rutherford, seine Assistenten und Ordner gewöhnlich zur Hand hatten, schufen eine gewisse Spannung" (S. 29).

Das Rutherford-Buch „Religion" aus dem Jahre 1940 (englische Ausgabe S. 298 notiert. In Übersetzung lautet der entsprechende Abschnitt)
"Als Kennzeichen trugen die Saalordner im Madison Square Garden leichte Spazierstöcke. Gesetzlose hatten sie bedroht, und es zeigt sich jetzt, daß es gut gewesen war, daß sie zum Schutz ihrer Person gegen solche brutale Angriffe solche Spazierstöcke bei sich hatten."

Und weiter meint man:
„Sowohl nach dem Gesetz des Landes als auch nach dem Gesetz Gottes hat jemand, dem Körperverletzung droht, das vollkommene Recht, sich zu seiner Selbstverteidigung zu bewaffnen (Nehemia 4: 7-18)"
Religion298.jpg (142987 Byte)

Das Gegner der Zeugen Jehovas versuchten diese Veranstaltung zu sprengen ist ja unstrittig und wurde erwähnt.

Belegt ist weiter, auch anhand des Covington-Interviews, welches Englisch auf der (seinerzeitigen) Webseite „Wachtower Observer" eingestellt ist und auch in deutscher Übersetzung vorliegt.
Zu letzterer siehe:
http://www.sektenausstieg.net/index.php?option=com_content&task=view&id=859&Itemid=29

Belegt ist, dass Covington sich da seine „Sporen" verdiente, indem er im juristischen Nachspiel, der genannten Rutherford-Sekretär Heath „heraushaute". Damit hatte er bei der WTG-Führung einen „Stein im Brett". Wurde gar in Folge, nach Rutherfords Ableben, WTG-Vizepräsident; musste aber alsbald den Posten zugunsten von F. W. Franz wieder räumen.

Im übrigen geht das WTG-Buch „Jehovas Zeugen. Verkünder des Königreiches Gottes" (S. 658, 659) nebulös und „Jehovas Zeugen in Gottes Vorhaben" (S. 151, 152) auch auf diese Vorfälle ein. Danach setzten die gezielten Störungsversuche 20 Minuten nach Vortragsbeginn ein. Beim Versuch ihr Hausherrenrecht durchzusetzen (die Störer wurden aufgefordert den Saal zu verlassen) kam es zu Tätlichkeiten.

Den Beweis das die Störer auch mit „Spazierstöcken" ausgerüstet waren, müssen Sie erst mal erbringen. Tatsache hingegen ist. Sämtliche ZJ-Ordner waren so ausgerüstet. Im Bild (weiter oben) kann man seitlich erkennen, wie Rutherford und Knorr durch das Spalier ihrer Getreuen marschieren. Aber auch seitlich, die Spalierstehenden, sind mit „Spazierstöcken" ausgerüstet.
Genanntes WTG-Buch notiert; dass gegen drei ZJ-Ordner im Nachhinein „Anklage wegen schwerer Tätlichkeit" erhoben wurde

Covington sei Dank. Sie kamen aber mit einem blauen Auge davon. Insbesondere ist ja unstreitig, dass die ZJ-Gegner die Veranstaltung tatsächlich sprengen wollten.

Dann noch die Anmerkung. Wieviel Rutherford-Bücher und Broschüren nach 1933 haben Sie persönlich gelesen? Ich habe sie alle gelesen; und kenne ihren aggressiven Ton.

Ihre ZJ-Verteidigung gleicht daher dem dozieren des Blinden über Farben!

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Geschrieben von Drahbeck am 22. Oktober 2005 02:16:22:

Als Antwort auf: Re: 15. 10. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 15. Oktober 2005 07:15:37:

Es scheint, jedes Land habe seinen George Washington, seinen Napoleon, seinen Cäsar oder Alexander den Großen. Kubas Held heißt Jose Marti, ein im ganzen Lande in hohen Ehren gehaltener Freiheitskämpfer. Jose Marti spielte eine entscheidende Rolle im Befreiungskampf, den Kuba im 19. Jahrhundert kämpfte, um das spanische Joch abzuschütteln. Doch seine Ziele waren nicht nur politischer Natur, sondern ihm lag auch die Aufklärung des Volkes am Herzen. Die Unwissenheit der kubanischen Bauern in biblischen Dingen trieb Jose Marti zur Abfassung einer aufrüttelnden Botschaft an das Volk.

Er erklärte, der Priester wünsche nicht, daß das Volk erfahre, wie verkehrt und nutzlos all seine Zeremonien seien, "weil er dann kein Geld mehr einsammeln könne dafür".

Ferner: "Der Priester sagt, er taufe [Eure Kinder], damit sie in das Reich der Himmel eingehen können. Aber er tauft das Neugeborene nur, wenn ihr ihm Geld gebt, oder Getreide, oder Eier, oder Vieh: wenn Ihr ihm nichts gebt, tauft er es nicht. Um in das Reich der Himmel einzugehen, von dem er zu Euch spricht, muß man demnach Geld, Getreide, Eier oder Tauben geben. Welche Notwendigkeit besteht oder welches Interesse habt Ihr daran, daß Eure Kinder in ein solches Reich eingehen? Was haltet Ihr von einem Menschen, der sagt, er wolle Euch einen großen Gefallen tun; dies stehe in seiner Macht; ohne ihn geht Ihr verloren; daß Ihr nur durch ihn Errettung erlangen könnt, der Euch dann aber wegen einiger Silbermünzen jene große Wohltat versagt? Ist dies nicht ein selbstsüchtiger, geiziger und böser Mensch? Was würdet Ihr von Gott halten, wenn er wirklich einen solchen Boten zu Euch schickte?

Jener Gott, der feilscht, der nur errettet gegen Bezahlung, der alles um des Geldes willen tut, der die Menschen in die Hölle schickt, wenn sie ihm kein Geld geben und in den Himmel, wenn sie es ihm geben, jener Gott ist eine Art Banker, ein Wucherer, ein Geschäftsmann. Nein, Freunde, es gibt einen anderen Gott."

Nicht alle Menschen mögen einverstanden sein mit dem, was Kubas Freiheitsheld der armen Bevölkerung seines Landes sagte und schrieb. Aber seine Worte sind es wert, daß man darüber nachdenkt.

Gelesen in "Erwachet!" vom 22. 10. 1955.
Das ausgerechnet eine Zeugen Jehovas-Zeitschrift diese Ausführungen bringt, kann man wohl getrost dem Bereich Konkurrenzkampf der "Sinnverkäufer" untereinander, zuschreiben. Nun ist der diesbezügliche Markt wahrlich groß und ziemlich unüberschaubar. Neben "klassischen" Sinnverkäufern gibt es auch allerlei "Modernisierungen". Nicht zuletzt nicht zu vergessen, den großen Esoterikmarkt, der sehr wohl mit dazu gehört. Und weil die Konkurrenz eben so umfänglich ist, muss der eine oder andere sich durchaus mal was einfallen lassen, um sich am Markt zu behaupten. Und da gibt es dann tatsächlich gelegentlich mal Reklamerufe, die weis machen wollen: "Unser Angebot ist kostenlos".

Der schlaftrunkene Michel der da tatsächlich bei diesem Angebot zugreifen sollte, wird allerdings noch früh genug erfahren. "Kostenlos - ist keineswegs umsonst".
Und so manches "Billigangebot" erweist sich in der rückblickenden Bewertung, dann als das aller teuerste von allen!

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Geschrieben von Drahbeck am 01. November 2005 06:49:59:

Als Antwort auf: Re: 22. 10. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 22. Oktober 2005 02:16:22:

Ohne seinen Autor (Eugen Kogon) namentlich zu benennen, kommt der "Wachtturm" vom 1. 11. 1955 auch auf das 1946 erschienene Buch "Der SS-Staat" (respektive auch seine späteren englischen Übersetzungen) zu sprechen. Es ist dem WT dahingehend zuzustimmen, dass Kogons Buch in der frühen KZ-Literatur, unmittelbar nach 1945, einen herausgehobenen Platz einnimmt. Man sollte es in der Tat einmal gelesen haben, was auch heute noch möglich ist. Der Buchhandel bietet es nach wie vor mit an. Eine solche Überlebensdauer eines Buches aus dieser Zeit, ist keineswegs "selbstverständlich".

Eine relevante Gesamteinschätzung des Kogon'schen Buches bietet der WT sicherlich nicht. Ihm geht es ja in erster Linie um die darin enthaltenen Zeugen Jehovas bezüglichen Passagen. Genauer, insbesondere um jene, wie die SS nach Kriegsausbruch - erfolglos - versuchte, auch in den KZ befindliche Zeugen, für die Wehrmacht zu rekrutieren.

Auch Kogon erwähnt (das berichtet der WT schon wieder nicht), dass besonders die ersten Jahre nach 1933, die schlimmsten Jahre für die Zeugen Jehovas in den KZ waren (einschließlich ihrer Zuordnung zu Strafkompanien und allerlei zusätzlichen, erniedrigenderen Schikanen). Was wollte das Naziregime in Sachen Zeugen Jehovas eigentlich erreichen? Einen systematischen Vernichtungsbefehl, wie es ihn für die Juden gab, lässt sich doch in ihrem Fall nicht nachweisen. Im Gegenteil (auch darüber berichtet diese WT-Ausgabe), man bot den Zeugen sogar an: Freilassung gegen Unterschrift unter eine ominöse Abschwörungserklärung, die für letztere allerdings unannehmbar war. Ein solches "Angebot" bekamen die Juden und andere, in der Regel nicht. Insofern ragten die Zeugen schon einsam aus der KZ-Hierarchie heraus. Noch deutlicher wurde diese Sachlage, als sie gegen Ende des zweiten Weltkrieges, zunehmend den Status von "Halbfreigelassenen" bekamen.

Soweit war es 1939, als die SS ihre Wehrmachts-Rekrutierungsaktion betrieb, in der Tat noch nicht. Man muss zudem fragen: Was stellten sich die SS-Schergen, namentlich deren Führung eigentlich vor? Da traktiert man Menschen, die man letztendlich nur aus politischen Gründen ins KZ befördert hat, auf die allerschlimmste Art. Und dann wundert man sich, wenn sie nahezu geschlossen, zu dem vergifteten Angebot in die Wehrmacht einzutreten, nein sagten?! Ich glaube kaum, dass für einen, der auch nur schwache Ahnung von psychologischen Grundbegriffen hat, ein "berechtigter" Grund für's "wundern" dabei gäbe.

Und so äußert denn auch Kogon, und das ist erwartungsgemäß dem "Wachtturm" die Zitierung wert:
"Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die SS psychologisch mit dem Problem der Bibelforscher nicht ganz fertig wurde ..."

Ist diese in der Sache richtige Feststellung indes "alles" was Kogon zum Thema Bibelforscher (Zeugen Jehovas) zu sagen weis? Sicherlich nicht. Darüber berichtet der WT dann allerdings schon nichts mehr.

Kogon vergleicht das Verhalten der Bibelforscher in dieser Belastungsprobe mit dem eines scharfkantigen Diamanten, an dem man sich auch aller tückisch schneiden kann. Auch diese Feststellung, gehört wesentlich zu einer Gesamteinschätzung der Zeugen Jehovas in dieser Zeit.

Die Problematik lässt sich auch am von Garbe mit genannten Fall Töllner veranschaulichen. Letzterer der Wortführer der Zeugen Jehovas in Buchenwald. Schon bevor er im September 1936 verhaftet wurde, bezeichnete sich Töllner als "reisender Missionsarbeiter" (etwa den heutigen Pionieren vergleichbar). Die Familie Mehm, der Töllner persönlich bekannt war, nennt ihn in einer Veröffentlichung einen "resoluten Mann". Das war er sicherlich. Ersichtlich auch an dem Umstand, dass er in Buchenwald in den Jahren 1937 - 1940 (trotz der widrigen Rahmenbedingungen) verhältnismäßig regelmäßig Vorträge abhielt. Da wird man dann doch gleich an die DDR-Geschichte erinnert. Da könnte man den Friedrich Adler nennen, der von den Seinigen im Gefängnis auch als faktisches Haupt akzeptiert und hofiert wurde (soweit es die dortigen Rahmenbedingungen zuließen). Ähnlich muss man sich wohl auch die Rolle des Töllner in Buchenwald vorstellen.

War es wie Garbe auch ausführt, allgemeiner Konsens der „klassischen" politischen Gefangenen, sich gegenüber der SS-Führung der KZ-Lager „geschmeidig" zu erweisen, um so zusätzliche Schikanen möglichst abzubiegen. So die Situation bei den Zeugen grundlegend anders. Ihre Devise das „Demonstrieren".

Zum Fall Töllner führt Garbe aus:
„Beispielsweise kam es zu einem solchen Konflikt, als in einer Werkstatt im KZ Buchenwald die Produktion von Skiern aufgenommen wurde, die für die im russischen Winter steckengebliebenen Wehrmachtseinheiten bestimmt waren. Willi Töllner, der Wortführer der Bibelforschergemeinde in Buchenwald, verkündete, daß die in der Werkstatt eingesetzten Zeugen Jehovas auch diese Arbeit verweigern müßten, da es sich bei den zur Ausrüstung der Truppe dienenden Skibrettern um Kriegsgerät handele.

Die Mehrheit der Zeugen Jehovas folgte willig diesem Beschluß, doch eine kleinere Gruppe schloß sich der Beurteilung Töllners nicht an. Diese Gruppe argumentierte, daß man mit Skibrettern niemanden töten könne und es deshalb etwas anderes sei, an deren Herstellung mitzuwirken, als Granaten zu produzieren. Als die in der Werkstatt für die Skiproduktion eingesetzten Zeugen Jehovas, die sich zu der Minderheitsauffassung bekannten, dort die Arbeit nicht einstellten, wurden sie wegen ihres als "unbiblisch" gewerteten Verhaltens kurzerhand aus der Buchenwalder Bibelforschergemeinschaft ausgeschlossen.

Ausgehend von der Position, daß die Zeugen Jehovas eine einheitliche "Front gegen die Welt Satans" bilden müßten, wurde unter Leitung Töllners die Bibelforschergruppe im KZ Buchenwald streng hierarchisch organisiert; von den einzelnen Mitgliedern wurde Unterordnung verlangt. ... So gelang es der Buchenwalder Bibelforschergruppe durch ihr kollektives Auftreten, sich vergleichsweise gut zu behaupten. Der ausgeschlossenen Minderheit gegenüber verhielten sich die nahezu 400 Zeugen Jehovas, die sich zu Töllner bekannten, allerdings strikt abweisend."

Im Kontrast dazu darf man auch auf den Fall Gertrud Pötzinger verweisen. Letztere in späteren KZ-Jahren Haushaltshilfe und Kindermädchen bei einer SS-Familie. Ihre Tätigkeit, die man durchaus als Dienstleistung charakterisieren kann, entlastete diesen SS-Offizier. Er konnte so wesentlicher Alltagssorgen enthoben, um so „schneidiger" auf dem Appellplatz die SS-Befehle verkünden.

Ist da nun ein grundsätzlicher Unterschied? Beide, die Ski-Hersteller und die „Dienstleisterin" Pötzinger, stellten keine Granaten oder ähnliches her. Letztendlich aber nahmen auch sie eine indirekte Stelle im Kriegsgetriebe des Naziregimes wahr. Die nahm so gesehen, selbst der Brotbäcker außerhalb des KZ wahr, der ja auch keine Granaten produzierte. Aber auch die SS-Schergen pflegten Brot zu essen. Ergo konnte man im Sinne Töllners auch schlußfolgern. Auch „der" unterstützt die Kriegswirtschaft.

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Geschrieben von Drahbeck am 08. November 2005 07:09:56:

Als Antwort auf: Re: 1. 11. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 01. November 2005 06:49:59:

"Damals ging Josua daran, zu Jehova zu reden, an dem Tag, an dem Jehova die Amoriter den Söhnen Israels überließ, und er sagte dann vor den Augen Israels:
„Sonne, steh bewegungslos über Gibeon,
Und Mond, über der Tiefebene von Ajalon!"
Demgemäß blieb die Sonne bewegungslos, und der Mond stand wirklich still, bis die Nation Rache nehmen konnte an ihren Feinden.
Steht es nicht im Buch Jaschar geschrieben? Und die Sonne blieb mitten am Himmel stehen und eilte nicht zum Untergang, ungefähr einen ganzen Tag.
Und kein Tag hat sich wie dieser erwiesen, weder vor ihm noch nach ihm, indem Jehova auf eines Mannes Stimme hörte, denn Jehova selbst kämpfte für Israel."

Dieser Bibeltext, zitiert nach der "Neue-Welt-Übersetzung" der Zeugen Jehovas, entnommen aus Josua 10: 12-14 hatte schon des öfteren die Gemüter beschäftigt. Insbesondere auch die Frage, was es denn mit dem darin auch genannten "Buch Jaschar" auf sich habe.
Im "Wachtturm" vom 1. 12. 2004 etwa äußert die WTG:

"Dieses Buch wird noch einmal in 2. Samuel 1:18 erwähnt, wo das Gedicht "Der Bogen" - ein Totenklagelied über König Saul von Israel und seinen Sohn Jonathan - aufgezeichnet ist. Das Buch war wahrscheinlich eine Sammlung von Liedern und Gedichten über geschichtliche Ereignisse und unter den Hebräern wohl weit verbreitet."

Dennoch ist wohl der Stand der Dinge nach wie vor, dass die Ursprungsfassung dieses "Buches Jaschar" nicht überliefert, es lediglich in der Form seiner Zitierung in der Bibel, "überlebt" hat.
Doch halt, für Geschäftemacher ist das keine wesentliche Hürde. Und so weiß denn "Erwachet! in seiner Ausgabe vom 8. 11. 1955 (bezogen auf den englischsprachigem Raum) von 2 unechten "Büchern Jaschar" zu berichten.

Dazu schreibt "Erwachet!":
"Im Spätsommer des Jahres 1954 ließ ein bisher unbekannter Verlag mit dem hochtönenden Namen 'Amerikanische Bibelgesellschaft', Philadelphia, in gewissen Handelsblättern der Vereinigten Staaten ganzseitige Inserate erscheinen, in denen selbstsüchtigen Verkäufern eine 'Goldgrube' angeboten wurde.
'ACHTUNG!!! VERKAUFSLEITER ... Sie können in KÜRZESTER ZEIT 18.500 Dollar VERDIENEN'!'
In einem anderen Handelsblatt erschien ebenfalls ein ganzseitiges Inserat in zweieinhalb Zentimeter großer Schrift mit folgendem Wortlaut: "VERLORENE BIBEL GEFUNDEN!'
(Wir führen den Text in der Schrift an, wie er in der Zeitung gedruckt war.)

"DIE AUFSEHENERREGENDSTE ENTDECKUNG SEIT 2000 JAHREN. ACHTUNG ALLE GLAUBENSRICHTUNGEN. ALLE DENKENDEN MENSCHEN; EIN TEIL EURES ERBES IST GEFUNDEN WORDEN. NICHTS ABER AUCH GAR NICHTS seit Anbeginn der Zeit, hat DIE GANZE WELT ERSCHÜTTERT wie die Entdeckung dieses VERMISSTEN BUCHES der BIBEL ...
ÜBERLEGEN SIE! BEGREIFEN sie, was Sie eben gelesen haben? Stellen Sie sich vor, JA DENKEN SIE ... nur gemach, kommen Sie zuerst wieder zu Atem ... und bitte beruhigen Sie sich. Ja, Sie wissen es, und wir möchten in aller Aufrichtigkeit und ganz realistisch sagen, SIE HABEN GERADE EIN VERMÖGEN GEFUNDEN! NOCH NIE ... aber auch noch gar nie wurde ein solches Traumprodukt, Händlern, Agenten, Versandgeschäften usw. angeboten. Dies ist WAHRHAFTIG ein würdiger Verkaufsschlager, der RIESENGEWINNE VERSPRICHT. VERGESSEN SIE NICHT ... dieses verlorene BUCH JASCHAR steht in direktem Zusammenhang mit dem Best-Seller der Welt - unserer Bibel.'

Im Inserat wurden noch andere unrichtige Behauptungen gemacht wie, dies sei eine 'wertvolle, in der Zahl BESCHRÄNKTE ERSTAUFLAGE und 'nach 2000 Jahren sei die erste authentische Übersetzung des verlorenen Buches Jaschar für die Öffentlichkeit freigegeben worden ... Erst jetzt wurde das unschätzbare Buch Jaschar durch die Amerikanische Bibelgesellschaft der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.'"

Angesichts dieser marktschreierischen Reklame kam auch die WTG nicht umhin, sich mit diesem Fall etwas näher zu beschäftigen. Als Ergebnis ihrer Recherchen teilt sie dazu dann unter anderem mit:

"Ein im 13. Jahrhundert lebender spanischer Jude, der seinen Namen geheim hielt, verfaßte ein hebräisches Werk, das er mit dem unzutreffenden Namen 'Buch Jaschar' bezeichnete. Dieses wurde dann im Jahre 1625 in Venedig (Italien) veröffentlicht. Im Jahre 1840 wurde es ins Englische übersetzt sowie vervielfältigt und in Ne York unter der Leitung von M. M. Noah veröffentlicht. Die Tatsache, das es im 'Vorwort des Verlegers' (S. XXI) des von der Amerikanischen Bibelgesellschaft herausgegebenen Buches heißt, diese Schrift sei in Italien im Jahre 1613 n. Chr. in Hebräisch erhältlich gewesen, zeigt, daß die Behauptung, ihre Ausgabe 'sei die aufsehenerregendste Entdeckung seit 2000 Jahren', eine Lüge ist."

Auch inhaltlich bestreitet die WTG aufs entschiedenste, dass diese Schrift etwas mit dem in der Bibel genannten "Buch Jaschar" zu tun haben könnte. Weiter heißt es in dem Bericht, dass der neuzeitliche Verleger schließlich - durch Druck - genötigt wurde, sein Buch wieder aus dem Verkehr zu ziehen.

Dann gab es da offenbar noch ein zweites Buch, welches den Anspruch erhob, ein "Buch Jaschar" zu sein. In diesem Fall vom "Rosenkreuzerorden" herausgegeben. Die Details seiner Geschichte jetzt mal überspringend kommentiert die WTG dazu:
"Ferner beweist auch der Inhalt dieser Rosenkreuzerausgabe des 'Buches Jaschar' überzeugend, daß es sich um eine Fälschung handelt. Es ist keine Sammlung von Gedichten und Liedern, was es gemäß der Bibel wahrscheinlich gewesen war, sondern eine Sammlung von Erzählungen. Es ist voller Ungereimtheiten und widerspricht oft dem heiligen Bibelbericht."

Damit ist denn auch für die WTG der Fall "abgehakt". Auch ihr ist es nicht möglich zu erklären, warum denn ein vorgeblich die Bibelschreiber inspirierender Gott es nicht verhindert hat, dass Quellen, die seinen "Inspirierten" wichtig waren, eben nicht erhalten blieben.

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Geschrieben von Drahbeck am 15. November 2005 06:19:48:

Als Antwort auf: Re: 8. 11. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 08. November 2005 07:09:56:

„Während der katholisch-nazi-faschistische Kriegsfeldzug durch Europa raste (Einfügung: man beachte die gewählte, brunnenvergiftende Vokabel) wurden Verbote. Gefängnisstrafen und legale Einschränkungen unseren europäischen Mitverbundenen in Frankreich, Spanien, Polen, Belgien, Griechenland, Bulgarien, Ungarn, Italien, Holland, Rumänien, Jugoslawien, Estland, Finnland, Dänemark und Norwegen auferlegt. Auch der afrikanische Kontinent wurde mitberührt, denn Einschränkungen wurden den Zeugen in Nordrhodesien, Südrhodesien, Nigeria und an der Goldküste auferlegt. Dasselbe, was sich in Europa ereignete, ging auch in Asien und im Gebiete des Pazifik vor sich, als die japanische Dampfwalze im Jahre 1941 in Bewegung gesetzt wurde. Bittere Verfolgung der Zeugen und Verbote waren in Japan selbst die Folge, ferner auf den Philippinen, in Burma, Malaya, in den Straits Settlements, in Niederländisch-Ostindien (nun Indonesien), ferner auf den Fidschiinseln, in Neuseeland, Indien und auf Ceylon".

Gelesen in einem geschichtlichen Rückblick im „Wachtturm" vom 15. 11. 1955.
Nun mag man vorstehende Aufzählung in der Tat, den widrigen Weltkriegsbedingungen zuordnen. Nachdem dieser sein Ende gefunden, setzt jedoch in umgekehrter Richtung eine „Dampfwalze" sich in Bewegung. Jubelnd notiert der „Wachtturm", anläßlich einer „Dienstreise" von WTG-Präsident N. H. Knorr (Südamerika bezüglich):
„Die Verkündigerkarte des Jahre 1942 z. B. besagte. Honduras ein Verkündiger, Kolumbien, zwei Verkündiger: Niederländische Antillen, ein Verkündiger, Nikaragua, zwei Verkündiger; Venezuela ein Verkündiger."
Dreizehn Länder besuchte WTG-Präsident Knorr in den Jahren 1954/55; und:
„Im Jahre 1942 (bei Knorr's Machtantritt) gab es dort 3.005 Verkündiger. Jetzt, dreizehn Jahre später, im Jahre 1955, sind dort 30.363 tätig."

Und dazu kommentiert der WT:
„Das zeigt, daß es sich bezahlt macht, Missionare hinaus zusenden."
Letzteres ist sicherlich keine „neue" Erfahrung. Früher hieß bloß die Parole „Überbringen abendländischer Kultur". Und jetzt eben der „American way of Life".
In beiden Fällen lässt sich jedoch nicht selten auch jener bittere Satz nachweisen:
„Früher hatten wir das Land - und ihr die Bibel.
Jetzt haben wir die Bibel - und ihr das Land".

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Geschrieben von Drahbeck am 22. November 2005 07:29:13:

Als Antwort auf: Re: 15. 11. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 15. November 2005 06:19:48:

Eine Kritik der religiösen Konkurrenz kann man in "Erwachet!" vom 22. 11. 1955 zur Kenntnis nehmen. Unter der Überschrift "Billy Graham 'rettet' Grossbritannien. Schwärmerei und Persönlichkeit reissen das Publikum hin", liest man unter anderem:
"Billy Graham war gekommen, um, wie er sagte, 'die Gleichgültigen zur Kirche zurückzurufen, bis unsere Kirchen wieder mit Menschen gefüllt sind, die Gott Loblieder singen - bis unsere Knie Hornhaut haben vom vielen Beten.' Wie zu erwarten war, wurden Grahams Methoden und Erfolge von einigen in allen Tonarten gerühmt, während andere sich über ihn mit zynischer Skepsis äußerten und ihn lächerlich machten. ...

Bei der Eröffnungsversammlung im Kelvin-Saal in Glasgow füllten 18.000 Menschen den Hauptsaal und die Zirkusarena, in der Fernsehapparate aufgestellt waren. Im Verlaufe der Aktion wurden Nebenversammlungen in Kirchen und Sälen im ganzen Lande veranstaltet, die durch Telefonleitungen verbunden waren, und auch Millionen Menschen müssen Grahams Botschaft gehört haben, als er über den britischen Rundfunk und im Fernsehprogramm sprechen durfte.

Die Versammlungen waren alle gleich gestaltet. Ihr Ziel war, die Zuhörer dahin zu bringen, der Aufforderung, 'sich für Christus zu entscheiden', Folge zu leisten. Den versammelten Pfarrern von Glasgow legte Graham seine Methode dar, indem er erklärte: 'Vergewissert euch zuerst, ob ihr ein Evangelium zu predigen habt, dann predigt es und fordert eine Entscheidung, auf die ihr hinarbeitet wie ein Vertreter, der darauf hinwirkt, die Unterschrift des voraussichtlichen Kunden zu erhalten'.

Dieser hochentwickelten Verkaufstechnik schien denn auch Erfolg beschieden zu sein. Über 52.000 Menschen 'gaben ihre Unterschrift'. Jeden Abend kamen sie nach vorn, wo sie von Ratgebern begrüßt wurden, die dafür sorgen mußten, daß diese Personen besucht werden. Selbst Grahams eifrigste Unterstützer drückten Erstaunen aus über die Zahl von Bekehrten, und die Neugierigen strömten weiter zu den Versammlungen, um zu sehen, 'ob doch etwas an der Sache sei'. Was war daran? Was veranlaßte die Bekehrung, 'ihre Unterschrift zu geben'? Was brachte sie zur Entscheidung? War es die suggestive Kraft von Grahams Persönlichkeit? Schwärmerei? Oder war es der Geist Gottes? Graham antwortete: 'Ich will euch ohne Zögern verraten, daß mein Geheimnis Gott heißt. Es gibt keine andere Antwort. Es ist bestimmt nicht die Predigt.'

Kritiker fanden jedoch andere Antworten und erklärten, sein Geheimnis laute: Persönlichkeit, Suggestion und Massenschwärmerei. In der Auseinandersetzung, ob der Erfolg dem Geist Gottes oder Grahams Persönlichkeit zuzuschreiben sei, wurde die Ansicht der Kritiker paradoxerweise von einigen Bewunderern Grahams unterstützt. In einem Bericht in der Zeitung 'The Scotsman' über einen Vortrag, den Graham den Studenten der Universität Edinburgh hielt, hieß es: "Sie erlagen wie alle anderen Zuhörerschaften vor ihnen der magischen Anziehungskraft der Persönlichkeit dieses Mannes und seiner leidenschaftlichen Aufrichtigkeit." Ein Zeitungsreporter, der der Veranstaltung im Fußballstadion Tynecastle, Edinburgh, beiwohnte, die von 30 000 Personen besucht worden war, schrieb: 'Man hätte es nicht für möglich gehalten, daß heute ein Mensch durch seine Persönlichkeit eine solche Menge dermaßen in Bann halten könnte mit einer Botschaft, die im wesentlichen nicht ein Jota von den zahllosen Predigten abwich, die jede Woche in den Kirchen gehalten werden."
Auch sein Bericht über Grahams Schlußaufruf an dieser Versammlung war sehr aufschlußreich: 'Einer seiner Mitarbeiter spielte leise auf dem Klavier, während Dr. Graham weich, aber sehr eindringlich und vertraulich die Menschen aufforderte, nach vorn zu kommen."

Graham behauptete: 'Es ist mehr als nur ein Mensch nötig, um 36 000 Menschen zu überzeugen, dem Aufruf zur Buße und Umkehr zu folgen. Der Geist Gottes ist am Werk.' Andererseits soll Willis Haymaker, einer von Grahams Mitarbeitern, gemäß der Zeitung 'Glasgow Herold' vom 30. März 1955 gesagt haben: 'Die verhältnismäßig größte Zahl jener, die der Aufforderung Grahams zur Bekehrung folgten, zählten wir in der Zirkusarena, in der acht Fernsehapparate aufgestellt waren. Warum sich dort so viele entschieden, war, weil sie nur Graham sahen auf dem Bildschirm. Sie wurden von niemand anders abgelenkt.'

Daß Grahams Persönlichkeit weitgehend die Ursache des Erfolges ist, beweist die Tatsache, daß er ausbleibt, wenn ein anderer Redner für ihn spricht. In einer Erörterung der Aktion schrieb ein kirchlicher Korrespondent der Zeitung 'Glasgow Herald': 'Es ist unmöglich, den Mann vom Werk zu trennen; als er einmal verhindert war, einer Versammlung beizuwohnen, waren die Zuhörer offensichtlich enttäuscht, obschon er von einem fähigen und annehmbaren Redner vertreten wurde.' Die Zeitung 'The Scotsman' berichtete, daß an jener Versammlung 'die geringste Zahl der Aufforderung zur Buße und Umkehr folgten seit Beginn der Aktion'. ...

Wer sind die Menschen, die von Graham hingerissen werden? Strömen sie der Kirche zu? Kaum, denn meistens gehören sie bereits der Kirche an oder sind mindestens kirchlich eingestellt! Pfarrer Dr. Brian Wellbeck schrieb in der Zeitung 'Reynolds News' vom 22. März mutig: 'Ich betrachte diese Aktionen nicht als echte Evangelisation. Die Männer und Frauen, die bekehrt werden, stehen bereits in enger Verbindung mit der Kirche.'
Aufschlußreich sind die Ausführungen von Percy Howard in der Zeitung 'Sunday Express': 'Von den zwei Millionen Menschen, die ihn während seiner Aktion 1954 hörten, kamen nur 36 000 [weniger als 2°/o] nach vorn. Und die meisten davon waren schon praktizierende Christen. Eine statistische Erhebung zeigt, daß 24 000 Personen regelmäßig die Kirche besuchten, bevor Graham kam.' Auch soll Graham gemäß der Zeitung 'The Scotsman' vom 25. April erklärt haben, daß er verhältnismäßig wenige habe gewinnen können, die völlig außerhalb der christlichen Einflußsphäre gestanden hätten.

In einem treffenden Artikel in der Zeitung 'Sunday Express' schrieb Percy Howard: 'Es gibt Personen, die Dr. Graham wirklich gründlich bekehrt hat. Nämlich die anglikanischen Bischöfe. Als er mit seinen Mitarbeitern das letzte Jahr ankam, waren die Vertreter der Kirche kühl, distanzierten sich und zeigten sich sogar feindlich ... Aber bald legte Graham eine hervorragende Eigenschaft an den Tag, die ihnen gefiel. Er war ein Erfolg. " Auch die schottische Geistlichkeit liebte den Geschmack des berauschenden Weines und wünschte davon zu schlürfen. Man hörte wohl auch Kritik. Wie die Versammlungen aufgezogen waren, gefiel nicht, ebenso die Schwärmerei, gespielte Demut und die Aufforderung, den Verstand auszuschalten.

Aber dies störte die Geistlichen nicht im geringsten. Ihr einziger Einwand war, Graham sei ein Fundamentalist und glaube an die Hölle,
während sie modernistisch denken, ... Doch dies hinderte sie nicht, mitzumachen, sondern sie benutzten eifrig Grahams Dienste, um ihre in den letzten Zügen liegenden Gemeinden wieder zu beleben.

Scharfsinnige Beobachter dieser Aktion bemerkten den Mangel an Logik in Grahams Predigt. In der Zeitung 'Daily Record' schrieb Cliff Hanley beißend: 'Grahams Ausführungen über die Bibelwahrheit sind jeder Logik bar und seine Vergleiche sind so schwach, daß es mir ein Rätsel ist, wie gebildete und intelligente Menschen dies schlucken können.' Graham sagte zum Beispiel seinen Zuhörern, er sehe, daß das Gras grün sei, aber warum es so sei, wisse er nicht. Es sei jedoch grün und diese Tatsache anerkenne er. So sei es auch mit der Lehre vom Lösegeld, diese verstehe er auch nicht, aber weil sie in der Bibel gelehrt werde, nehme er sie an. ..."

Soweit diese "Erwachet!"-Berichterstattung. Den eigenen Akzent zur Graham-Kritik setzt "Erwachet!" dann noch mit der Aussage:

"Nach Grahams Überzeugung muß diese alte Welt erhalten bleiben, und er versucht heftig, sie zu bessern."

Da will die WTG bekanntermaßen nicht mitziehen. Und so ist ihr denn auch das Urteil nur zu recht:
"Billy Graham, in seiner Rolle als Händler für geistige Kindernahrung, hat keine Änderung dieses Zustandes gebracht. Die Schotten, die wieder zur Kirche zurückkehren, werden weiter geistigen Hunger leiden. ... "

Das ist dann der Punkt, wo die WTG ansetzt, um ihre eigenen Destruktivthesen als "Alternative" ihrerseits zu verkaufen.

Noch eine weitere, durchaus relevante Kritik, gibt es in dieser "Erwachet!"-Ausgabe zu registrieren. Auch daraus einige Auszüge:
"Religiöse Filme scheinen immer mehr in die Mode zu kommen. Der Regisseur
des berühmtesten religiösen Filmstreifens, Cecil B. DeMille, glaubt, diese Tendenz sei ein Zeichen dafür, daß 'die Welt zu erkennen anfange, wie tief sie in Schwierigkeiten stecke und daß es nur einen Ausweg gebe — das von Mose niedergelegte und von Jesus und Mohammed und anderen großen religiösen
Führern ausgelegte Gesetz'. Weist jedoch Hollywood mit seinen von Sinnlichkeit strotzenden 'Bibel'-Filmen der suchenden Menschheit den Weg?

Für Hollywood ist die Bibel eine reiche Fundgrube für Filmsujets geworden; diese biblischen Geschichten erkennt man jedoch kaum wieder, nachdem Hollywood sie verfilmt hat! ... Diese Filme setzen sich wenig mit biblischen Lehrpunkten auseinander, enthalten praktisch nichts zur Auferbauung des Glaubens, folgen nicht getreulich dem Bibelbericht, sondern sind lediglich prunkvoll aufgezogen und vermischt mit einer heute üblichen Moralisiererei. Oder wie jemand entrüstet schrieb: 'Sie reden wohl von Galiläa und dem Jordan, aber die Botschaft kommt direkt aus Südkalifornien.'

Hier möchten wir noch einige Beispiele anführen: Über den Film 'Simson und Delila' schrieb ein Kritiker treffend: 'Man setzte uns mehr Wagen, Pfauenfedern, Tiere, Lanzenträger und Sinnlichkeit vor denn je.' 'Salome' war noch schlimmer. Sie tanzte, wie man sich erinnern wird, um das Haupt Johannes des Täufers. Aber nach Meinung der Hollywooder Drehbuchautoren steht es nicht richtig in der Bibel, sondern nach ihnen tanzte sie, um Johannes den Täufer zu retten!

Im Film 'Der silberne Kelch' erlaubten sie sich noch größere Freiheiten. Obschon sie ihm einen biblischen Rahmen gaben und biblische Gestalten darin vorkamen, wich er denkbar weit von den Grundsätzen und dem Verhalten der ersten Christen ab. Denn in diesem Film verneigten sich Lukas und Joseph von Arimathia, zwei fromme Urchristen, ehrfurchtsvoll vor dem Kelch, aus dem Jesus trank — eine Handlung, welche die Urchristen, die ihre Knie nur vor Gott beugten, als höchst anstößig empfunden hätten!...

Abstoßend ist der Film 'Der verlorene Sohn'. In Jesu Gleichnis verschwendete der verlorene Sohn seine Habe durch ein ausschweifendes Leben. Als er alles vertan hatte, ging er in Stellung bei einem Bürger und mußte auf dem Felde Schweine hüten. Er sah seine Torheit ein, kehrte reumütig in das Haus seines Vaters zurück und wurde dort mit offenen Armen empfangen. ...
Aber dies würde man nie lernen aus diesem Film, den Bosley Crowther, Kritiker der 'New York Times', einen 'phantastischen, pomphaften, bombastischen, oft ordinären und lächerlichen Filmstreifen' nannte. Der Film
versucht zwei Fliegen auf einen Schlag zu treffen: (l.) die vielen Kinobesucher zu befriedigen, die einen 'biblischen' Film sehen möchten und (2.) jene, die sich an Sinnlichkeit berauschen wollen.

Diese 'biblischen' Filme sind wie die Wildwest- und Musikfilme Hollywooder Standardkost, denn sie sind eine ergiebige Goldgrube, und die Bibelkenntnis des Volkes ist so gering! Diesen Kolossalfilmen ist der Kassenerfolg sicher, weil die Menschen nicht genug von der Bibel wissen, um diesen über
spannten Prunk abzulehnen. ...

Ein Kritiker schrieb daher über den Film 'Salome': 'Herr Granger hat sie zum Gesetz, zur Menschlichkeit und wer weiß was noch bekehrt — dies ist eine der leichtesten und unsichersten Bekehrungen, von denen wir je gehört haben—, doch es klappte.'

Die Zeitschrift 'Time' schrieb über 'End of the Affair': Diese Geschichte
von Gott 'grenzt ... an unabsichtliche Verachtung'. Ferner: 'In diesem Film wird Gott durch die ganze Handlung geschleppt wie ein Tanzbär.' ... Cinemascope, moderner Moralisiererei und zu biblischen Themen, die sie dem heutigen Publikumsgeschmack anpassen. ...

Ein Filmproduzent erklärte nachdenklich:
'Wir sind eben keine Theologen.' Und dagegen wird wohl auch kaum ein Bibelleser etwas einzuwenden haben. ..."

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Als Antwort auf: Re: 22. 11. 1955 (Vor fnfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 22. November 2005 07:29:13:

Grade die Amerikaner "missonieren" aufgrund ausgeklügelter Sprachkenntnisse. Ich sehe im WTG Erfolg vor allem einen "Literatur" Erfolg. Die WTG herscht mittels Literatur, mittels Sprache, Sprachtechnik über ihre Mitglieder, genau wie jeder gewiefte Verkäufer weiss, daß er seine Sprache erst schulen muss, um verkaufen zu können. So ist auch die WTG Sprache subtil geformt, und verdaulich gemacht.

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Geschrieben von Drahbeck am 01. Dezember 2005 07:29:05:

Als Antwort auf: Re: 22. 11. 1955 (Vor fnfzig Jahren) geschrieben von gert am 22. November 2005 14:21:13:

Verpackt in die Rubrik sogenannter "Fragen von Lesern", verkündet der "Wachtturm" in seiner Ausgabe vom 1. 12. 1955 eine weitere Verschärfung seiner Exkommunikationspraxis.
Da lässt man laut WT anfragen:
"Was hat zu geschehen, wenn ein Verkündiger es ablehnt, den Umgang mit einer Person abzubrechen, der die Gemeinschaft entzogen worden ist? Ich meine damit nicht ein Glied derselben Familie, das im gleichen Haushalt wohnen muß, sondern jemand, der behauptet, er könne mit der Person, die hinausgetan wurde, weiteren Umgang haben, wobei er vielleicht vorbringt, der Gemeinschaftsentzug sei zu Unrecht erfolgt."

In seiner Antwort lässt der WT dann wissen:
"Wenn ein Verkündiger dies nicht tun will, und er das Verbot des Umgangs mit einer Person, der die Gemeinschaft entzogen wurde, außer acht läßt, so ist dieser Verkündiger widerspenstig gegen die Versammlung Jehovas, und Widerspenstigkeit ist wie die Sünde der Wahrsagerei und der Eigenwille wie Abgötterei..."

Und als Abschluss der Ausführungen kommt der zu erwartende Inquisitionsfeuer, angezündet von der WTG:
Man lässt wissen:
"Wenn nach genügender Warnung der Verkündiger darauf beharrt, sich mit der Person, der die Gemeinschaft entzogen wurde, zu verbinden, statt in den Reihen der Organisation Jehovas zu bleiben, sollte auch ihm die Gemeinschaft entzogen werden."

Soweit die Theorie. Die Praxis dazu, kann man als einem von vielen Beispielen auch an dem Fall der La Toya Jackson ablesen, die da aus ihrem Erleben berichtete:

"Da wir nur Freundschaft mit Glaubensbrüdern schließen durften, lernten Michael (Jackson) und ich (La Toya Jackson) in der Privatschule, die wir … besuchten, kaum Mitschüler kennen. Wir freundeten uns mit einem Mädchen an, dass auch bei den Zeugen Jehovas war. Dorles wurde meine erste und einzige Freundin außerhalb der Familie. Jeden Tag nach dem Mittagessen lasen wir zusammen die Bibel und wir gingen auch gemeinsam in den Königreichssaal.
Während einer Versammlung forderte Dorles mutig einen der sogenannten 'Altesten' heraus. 'Warum werde ich gerettet und meine Eltern nicht?' fragte sie unbefangen. 'Auch wenn sie keine Zeugen sind, sind sie doch sehr gute, liebe Menschen.' Die Antwort des Ältesten war typisch. Er zitierte die Schriftstelle, die seinen Standpunkt untermauerte, aber er ging im Grunde nicht auf Dorles Frage ein. …
Eines Tages fing mich Rebbies Ehemann Nathaniel ab, der auch zu den Ältesten gehörte. 'La Toya', sagte er, 'Du darfst nie wieder mit Dorles sprechen. Nie wieder.' 'Aber warum denn?' 'Sie ist ausgeschlossen worden.' Wer aus der Glaubensgemeinschaft hinausgeworfen wird, musste von Stund an gemieden werden."

Zum Thema kann man auch noch vergleichen:
Wachtturm vom 15. 1. 1953

Noch ein anderes Beispiel sei genannt, über das Günther Pape in seinem Buch „Ich klage an. Bilanz einer Tyrannei" berichtet. Letzterer schreibt (S. 186f.):
„In der Bundesrepublik wollte Erich Jüstel, der seit über 40 Jahren ein Zeuge Jehovas und Ältester einer Süddeutschen Versammlung war, seinen "Brüdern" in der Wachtturm-Führung ebenfalls mit seinen Forschungsergebnissen helfen. Er hatte sich mit dem Schöpfungsbericht der Bibel nach Genesis l, der nach der Wachtturm-Lehre 6 mal siebentausend Jahre Zubereitung der Erde vom Chaos bis zum Eden Paradies umfaßt, beschäftigt.
Da er enge Beziehungen zu Altertumsforschern hatte, wollte er nachprüfen, ob der jeweilige Wandel in der Entwicklung der Erde in der von der Wachtturm-Gesellschaft angenommenen Zeit vor sich gehen könne. In seiner Ortsversammlung sprach er darüber mit seinen Glaubensbrüdern und bekam prompt Schwierigkeiten.

Da er mit Herrn P.l und dem Ehepaar Konrad Franke in Selters sehr gut bekannt war - sie waren oft seine Gäste und hatten sehr großzügige Sachspenden von Jüstel erhalten, rechnete er mit deren wohlwollender Aufmerksamkeit. Er fuhr nach Selters und erklärte P.sein Vorhaben und berichtete über seine bisherigen Erkenntnisse.

Zurückgekehrt in seine Heimatversammlung wurde er vor ein Rechtskomitee geladen und ausgeschlossen, „weil er nicht in der Lehre Christi geblieben sei". Gegen diesen Ausschluß erhob er Einspruch, der dann vor einem größeren Komitee verhandelt wurde. Dessen Leitspruch war: „Gott wirke nur durch die Leitende Körperschaft und die Ältestenschaften der Wachtturm Gesellschaft."

An der unmenschlichen Behandlung zerbrach er geistig und körperlich. Unter großem zeitlichen und materiellem Einsatz hatte er in Treue zu dieser "Organisation Gottes", wie sich die Zeugen selbst nennen, gedient. Jeden Zweifler hatte er zurückgewiesen und in manchem Rechtskomitee Zweifelnden wegen Uneinsichtigkeit die Gemeinschaft entzogen. Und nun war er selbst angeklagt und ausgeschlossen worden. Keiner seiner ehemaligen Mitbrüder sprach mehr mit ihm. Er wurde bei Begegnungen in der Öffentlichkeit nicht mehr gegrüßt. Trotz des Rückhaltes in seiner Familie, überwandt er die ungeheure und schmerzhafte Enttäuschung nicht. Ein erster Schlaganfall warf ihn nieder, einen zweiten wenige Monate später überlebte er nicht.

Ich sehe ihn noch vor mir im Sessel sitzen. Nachdem er sich von dem ersten Schlaganfall etwas erholt hatte, hatte er mich mit seiner Frau besucht. Er konnte einfach nicht begreifen, wie seine "Brüder und Schwestern" mit ihm umgegangen waren

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Geschrieben von exSklave am 01. Dezember 2005 09:35:53:

Als Antwort auf: Re: 1. 12. 1955 (Vor fnfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 01. Dezember 2005 07:29:05:

*und der Eigenwille wie Abgötterei*


Wer ein Zeuge Jehovas sein will, muss ein willenloser Mensch sein (werden).

Menschen mit Willen, einer eigenen Meinung, eigenen Gedanken werden bei Jehovas Zeugen nicht landen und sollten sie doch den Weg dorthin gefunden haben und nicht zu einem willenlosen Menschen (gemacht) geworden sein, so werden sie über kurz oder lang bei Jehovas Zeugen scheitern. Selbst gehen oder hinausgeworfen werden.

Was ist das für ein Gott der solche Menschen will?
Der eigene Wille macht doch gerade den Menschen aus.
Ein Mensch ohne Willen ist doch kein Mensch.
Kein Wunder, das so manchem die Zeugen Jehovas wie ein Zombie vorkommen.

Wikepedia:
Zombies im Voodoo

Der Glauben an Zombies ist stark im Voodoo und anderen Yoruba-Religionen vertreten. Besonders in Haiti kennt man diese Geschichten.

Dem Glauben nach kann ein Voodoo-Priester (Houngan), ein schwarzmagischer Bokor oder eine Priesterin (Mambo) einen Menschen mit einem Fluch belegen, worauf dieser dann scheinbar stirbt (Scheintod). Tage später kann er den Toten dann wieder zum Leben erwecken. Dieser wird dann als Arbeitssklave missbraucht. Diese Zombies nennt man auch Zombie cadavres. Sie gelten als absolut willenlos.

Eine verbreitete Idee ist, dass dabei ein Pulver eine wichtige Rolle spielt. Es werde gebraucht, um das Opfer in einen hirntodähnlichen Zustand zu versetzen, etwa vermischt mit Juckpulver auf die Haut des Opfers geblasen, das dann das Gift in kleinen Wunden beim Kratzen aufnimmt. Das Gift ruft schnell krankheitsähnliche Symptome hervor, das Opfer stirbt. In dem Glauben, dass dieser Mensch nun tot sei, werden die Opfer begraben. Nach einer bestimmten Zeit taucht der Zauberer am Grab auf, wo er sein Opfer ausgräbt und ihm ein Gegenmittel verabreicht. Dieses Mittel soll ein starkes Gift, etwa Atropin, sein, das dem Betroffenen bei Aufwachen seine Sinne und sein Bewusstsein raubt. Der Zombie sei dann seinem Herren hörig und verrichtet ab sofort Schwerstarbeiten.

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Hörigkeit und für den Herrn arbeiten ....

Mir sind Menschen die keinen eigenen Willen haben äußerst suspekt.
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Geschrieben von Drahbeck am 08. Dezember 2005 06:20:18:

Als Antwort auf: Willenlose Menschen - Zombies geschrieben von exSklave am 01. Dezember 2005 09:35:53:

Wie soll man's werten? Wohl der Rubrik "Geschäftsschädigend" ist es am besten zuzuordnen. Da erschien also in den USA ein Buch über die Eisenhowers. Und o welcher Schreck für die WTG. Sie wähnt den religiösen Background darin nicht richtig dargestellt zu finden. In dem von ihr selbst vertriebenen Cole-Buch war der ja des langen und breiten dargestellt. Nun aber - etwa zeitgleich - erschien in den USA ein Buch, dass genau diesen Aspekt anders handhabte. Und ihren diesbezüglichen Frust mag die WTG nicht so recht herunterzuschlucken. Ergo meldet sie entsprechenden Protest an, dieweil ja damit ihr Geschäft geschädigt wurde. Ärgerlich für die WTG. Justiziabel konnte sie da nichts machen. Niemand - auch nicht in den USA - ist verpflichtet das "Hosianna" für die WTG zu singen. Kann sie schon in der größeren Öffentlichkeit nichts erreichen, so verabsäumt sie es aber nicht, wenigstens der eigenen Anhängerschaft, die Rolle der Eisenhowers "gebührend" darzustellen. In dem diesbezüglichen Bericht in "Erwachet!" vom 9. 12. 1955 liest man unter anderem:

"Viele Leute, die das Buch 'Das große amerikanische Erbe: Die Geschichte der fünf Brüder Eisenhower' (in Englisch in den Vereinigten Staaten im Monat Juni erschienen) gelesen haben, werden es seltsam finden, daß man die Religion der Eltern so unbestimmt erscheinen ließ. Sowohl 'Newsweek' als auch die 'New York Times' beriefen sich auf das Buch und erklärten, die Eltern hätten hauptsächlich den River Brethren angehört. Die 'New York Sunday News' beurteilte die Tatsache vielleicht besser, als sie erklärte:
"Die Eltern waren beide echt religiös. Es ist unwichtig, zu welcher Kirche sie gehörten."

Besonders diejenigen, die mit den Tatsachen in dem Buche 'Jehovas Zeugen — die Neue-Welt-Gesellschaft' ... bekannt geworden sind — es wurde übrigens fast zur gleichen Zeit veröffentlicht - , fragen sich, warum 'Das große amerikanische Erbe' nur die Schriften Pastor Russels und die Zusammenkünfte der "Bibelforscher" erwähnt, aber nicht sagt, daß es sich hier nur um einen Namen für Jehovas Zeugen vor dem Jahre 1931 handelt und daß die Mutter der fünf Brüder Eisenhower 50 Jahre lang ein Zeuge Jehovas war, daß sich die Gruppe, die unter dem Namen "Jehovas Zeugen" bekannt ist, seit 1896 im Heim der Eisenhowers versammelte und daß während der längsten Zeitspanne David Eisenhower, ihr Vater, das Bibelstudium abhielt.

Die in Chikago erscheinende 'Daily News' warf die Frage auf, warum diese Tatsache aus einem Buch ausgelassen wurde, das viel darüber zu sagen hatte, daß jene Familie religiös eingestellt war. Aber man wunderte sich nicht nur darüber, sondern versuchte auch herauszufinden, was die Ursache sei. In einem ... Artikel, veröffentlicht am 23. Juli, heißt es: "Der Autor eines in Kürze erscheinenden Buches über Präsident Eisenhower und seine vier Brüder erklärt, der Bericht über die Zugehörigkeit der Mutter zu den Zeugen Jehovas wurde auf die Bitte Milton Eisenhowers ausgelassen ... Milton Eisenhower, der als Präsident in der pennsylvanischen Staatsuniversität amtet, erklärte durch seinen Vertreter, Larry Dennis, er habe 'keinen Kommentar' zu den Erklärungen Kornitzers [Autor des Buches] und Covingtons [Generalanwalt der Zeugen Jehovas] bezüglich der Nichterwähnung der Zeugen abzugeben. Dennis berichtete telefonisch, die Anfrage hätte Dr. Eisenhower ein wenig verärgert."

Das kann gut möglich sein, denn der Artikel der 'Daily News' aus Chikago zitierte auch den Anwalt Hayden C. Covington, der sagte: "Die Eisenhowers haben jetzt Jahre hindurch auf diese oder jene Weise versucht, es möglichst als unbedeutend darzustellen, daß sie von Eltern erzogen wurden, die Zeugen Jehovas waren." Weiter heißt es: "Kornitzer sagte, daß die Zugehörigkeit zu den Zeugen für die Brüder Eisenhowers eine sehr heikle und störende Sache sei. Wie er erklärte, hat er die Angelegenheit mit ihnen bei der Vorbereitung seines Buches lang und breit besprochen. Er sagte, sein Buch sei ,von Milton und dem Präsidenten verlegt worden', es sei ihr Bericht."

Ein Direktor der Watch Tower Society, Milton G. Henschel, erklärte der 'Daily News' aus Chikago am darauffolgenden Tag: "Die Aktivität der Frau Eisenhower für Jehovas Zeugen ist für uns keine wichtige Angelegenheit, und wir möchten uns nicht an den Rockzipfel der Frau Eisenhower hängen. Aber wir wissen, was die Wahrheit ist. Ida Eisenhower war einer der energischsten Prediger in Abilene, Kansas. In unserer Landeszentrale in Brooklyn besitzen war Bilder von ihrem Predigtdienst. ..."

Zum Thema kann man auch vergleichen:
19542Eisenhower

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Geschrieben von Drahbeck am 15. Dezember 2005 07:51:43:

Als Antwort auf: 8. 12. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 08. Dezember 2005 06:20:18:

"Triumphierendes Königreich", so das Kongressmotto des Jahres 1955.

Triumphierendes.jpg (8006 Byte)

Dem ZJ-Autor Marley Cole, war dieses Motto zugleich wert, sein zweites Buch damit zu "bestücken" ("Trimphant Kingdom").
ColeTriumphant.jpg (17218 Byte)

Nun publiziert die "Wachtturm"-Ausgabe vom 15. 12. 1955 einen Hauptstudienartikel Mit dem Titel: "Die triumphierende Botschaft vom Königreich'". Wobei der Begriff "Königreich" schon im Original in Anführungsstriche gesetzt ist. Stichpunktmäßig mag es daher angebracht sein, sich diesen Artikel einmal etwas näher anzusehen.

Unter Bezuggnahme auf Matthäus 24:14 wird schon mal postuliert:
"Das Ende kann nicht eher eintreten, als bis das Predigen in einem solchen Umfange vor sich gegangen ist, daß es auf der ganzen bewohnten Erde vernommen und allen Nationen das Zeugnis gegeben wird."
Schon diese Prämisse kann man mit einem Jojoball vergleichen. An einem Gummiband hängend, erweist er sich wenn man meint nun zugreifen zu können, im entscheidenden Augenblick eben doch als n i c h t greifbar.

Weiter fragt der WT:
"Wieviel Zeit ist diesem Predigtwerke eingeräumt worden?"
Um darauf selbst zu antworten:
"Bis hinab um die Mitte des Jahres 1920 dachte man, dem Predigen der guten Botschaft vom Königreiche seien etwa neunzehnhundert Jahre eingeräumt worden."

"Dachte man ..." Offenbar hat man dann dieses "dachte man ..." dann durch ein eine andere Variante des "dachte man ..." ersetzt. Deren gibt es offenbar mehrere. Auch der WT nennt noch einige. So zum Beispiel die Variante:
"Man gelangte zu der Auffassung, daß die Kirche das Königreich sei, und daß das Königreich käme, wenn die Kirche sichtbar oder in Macht auf Erden aufgerichtet wäre."

Was bedeutet nun in diesem Kontext die Vokabel "triumphierend"? Doch wohl in der Substanz ähnliches. Als ein Beispiel dieses "triumphierend" nennt der WT dann noch die Stadt New York, wo die Zeugen Jehovas-Versammlungen von einer auf 35 (im Jahre 1955) angewachsen seien. Legt man diese gleiche "Messlatte" an ein so volkreiches Land wie China an, wird man wohl sagen können. Bis in Peking die "Zeugen Jehovas-Versammlungen" von einer auf 35 angewachsen sind, da wird wohl noch einiges Flusswasser weiter ins Meer fließen, dieweil man es dort (politisch bedingt) noch nicht einmal zu einer Versammlung gebracht hat. Also die Optionen mit dem am Gummiband hängenden Jojoball sind weiter gegeben.

Tagespolitik spart der WT auch nicht aus. So zitiert er unter Berufung auf die "New York Times", letztere offenbar das "Buch Mormon der Zeugen Jehovas". Oder anders formuliert die "Bibelergänzung" der Zeugen Jehovas. Unter Bezugnahme auf letztere zitiert der WT einen Dekan Pike, der da gesagt haben soll:
"Der Kommunismus ist eine Weltreligion. Sie kann nur durch eine bessere Religion überwunden werden."

Sich selbst dann in Statur werfend doziert der WT dann weiter:
"Das Versagen des Verbots und der Verfolgungen, die Kommunisten gegen Jehovas Zeugen entfesselten, um sie auszurotten oder ihrem Wachstum Einhalt zu tun, ist ein beredtes Zeugnis dafür, daß Jehovas Zeugen die eine 'bessere Religion' gefunden haben."

Hier hat man sozusagen ein exemplarisches Veranschaulichungsbeispiel der These des WTG-Funktionär P. (letzterer zur Zeit des kalten Krieges für die Zeugen Jehovas im Ostblock zuständig) "Wenn wir uns nicht mit Politik befassen würden, könnten wir einen Bibelvers nach dem anderen aus der Bibel entfernen" (sinngemäß zitiert).

Und, ging nun diese P.sche Kalkül auf? Bezogen auf Europa haben dort ja die kommunistischen Regime "abgedankt". Sind nun die Zeugen Jehovas im ehemaligen Ostberlin (oder meinetwegen auch in deren Hochburg Erzgebirge) im Stile von New York von 1 auf 35 "angewachsen"? Das wagen doch selbst die verbohrtesten WTG-Apparatschiks nicht zu behaupten. Die Wirklichkeit sieht doch eher so aus. Faktische Stagnation. Mehr oder weniger nur die Bestandswahrung auf jenem Niveau, dass man schon vor dem 1950er DDR-Verbot erreicht hatte.

Die Zeugen Jehovas sind mittlerweile auch schon dort angelangt, was sie den Kirchen vorhalten. Das imaginäre "Königreich Gottes" wird mit der Kirche oder meinetwegen "Neue Welt Gesellschaft gleichgesetzt". Man träumt dabei triumphieren zu können. Sicherlich gibt es regionale Standorte wo man noch "triumphiert". Besonders Diktaturstaaten erweisen sich da als ein fruchtbarer Acker. Vielleicht darf man in einigen Jahrzehnten von der Hartz IV-Republik ähnliches noch rückblickend konstatieren. Trotz dieses nicht bestrittenes Humusboden für die ZJ-Religion, ist man dennoch immer noch Lichtjahre entfernt von dem apostrophierten New Yorker Beispiel (Steigerung 1 zu 35). Und damit ist zugleich die Antwort gegeben, was die WTG-Auslegung zu Matthäus 24:14 "wert" ist.
Einen feuchten Kehricht!

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Geschrieben von Drahbeck am 22. Dezember 2005 06:48:56:

Als Antwort auf: Re: 15. 12. 1955 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 15. Dezember 2005 07:51:43:

Wer das Gefühl des Grusels nicht kennt, kann es mittels „Erwachet!" vom 22. 12. 55 kennen lernen. Ein Pressebericht, welcher der WTG aufspießenswert erschien, muss dazu herhalten. Unter der Überschrift „Menschenopfer am Karfreitrag" liest man - breit ausgebreitet - entsprechendes. Reduziert auf die einleitende Bemerkung in diesem „Erwachet!"-Bericht erfährt man:
„Dass im 20. Jahrhundert noch lebendige Kinder geopfert werden, ist, gelinde gesagt, furchtbar. Daß dies aber noch im Namen Gottes und der Religion geschieht, im Beisein von 'Priestern' und 'Pastoren', die aus der Bibel vorlesen ist unfaßbar."

Dann zitiert „Erwachet!" Details aus dem der 'New York Daily News' entnommenen Bericht. Unter anderem mit der darin enthaltenen Passage:
„Die Polizeibeamten erklärten, ihre Zeremonien seien teils christlich - ihre Anhänger singen während dieser Orgien Kirchenlieder und lesen aus der Bibel vor - teils stammten sie aus der Macumba-Religion, einer brasilianischen Version der afrikanischen Wodu-Religion."

Nun wäre „Erwachet!" nicht „Erwachet!" wurde es nicht zum Abschluss des Berichtes auch den erhobenen Zeigefinger präsentieren. Das liest sich dann so:
„Gewisse Leute mögen sich über den obenerwähnten Bericht entsetzen. Doch viele beschuldigen Gott leichthin eines ebenso barbarischen Verbrechens, indem sie die Höllentheorie lehren und ausbreiten ... Diese Irrlehre ist noch grausamer und barbarischer als jene im brasilianischen Urwald durchgeführten dämonischen Opferungen ...."

Diesen Bericht erst einmal einigermaßen „verdaut" habend, bleiben doch gewisse Fragen zurück. Zum Beispiel die:
Und wie verhält es sich dann mit der Harmagedontheorie einer nicht unbekannten Religionsgemeinschaft?
Oder wie verhält es sich mit den organisierten Wachen, die dafür - faktisch - zu sorgen haben, dass das Opfer auch wirklich krepiert, und ihm nicht Ärzte etwa in Form einer Bluttransfusion helfen dürfen?! Letzterer Fall mag die Häufigkeits-Wahrscheinlichkeit haben, wie der Fall aus dem brasilianischen Urwald.

Dennoch glt auch in diesen Fällen: Ein Fall, ist schon ein Fall zuviel!

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