Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Rutherford's Privatleben

Bibelforschergründer Russell ist durchaus bezüglich seines Privatlebens auch in die öffentliche Kritik geraten. Namentlich die Details der Trennung von seiner Frau wurden da, in für ihn durchaus nicht vorteilhafter Art und Weise von interessierter Seite ans Licht gebracht. Letztendlich sah sich auch die WTG genötigt, in unwilliger Weise einen Teil der Fakten zu bestätigen.

Was aber ist mit seinem Nachfolger Rutherford? Aus den knappen Biographien über ihn seitens der WTG kann man über sein Privatleben so gut wie nichts entnehmen. War Rutherford nun ein "Neutrum" über den es nichts zu sagen gäbe? Wohl kaum. Schweigt auch die WTG, so haben andere über ihn durchaus recherchiert. Verständlicherweise sind die Informationen dazu überwiegend im englischsprachigem Sprachraum angesiedelt.

James Penton beispielsweise geht in seinem Buch "Apokalypse Delayed" ("Endzeit ohne Ende") auch einigen diesbezüglichen Spuren nach, besonders im zweiten Kapitel dieses Buches. Die Substanz dieser Aussagen ist nicht so, dass man sie als in allem hieb- und stichfest bewerten könnte. Etliches muss man fairerweise doch mehr dem Bereich Gerüchte zuordnen. Gerüchte entstehen immer dann, wenn die kompetenten Bestreiter es vorziehen, sich zu ihnen auf die Linie des Schweigens zurückzuziehen. Offenbar ist dies im Falle Rutherford/WTG auch der Fall.

Nachstehend ein paar Auszüge von dem, was Penton glaubte in Sachen Rutherford's Privatleben feststellen zu können:

aus seinem zweiten Kapitel von "Endzeit ohne Ende":

Am merkwürdigsten war die Tatsache, daß er zwar in manchen Dingen der allergrößte Puritaner war, in anderen jedoch durch und durch lasterhaft. Er bediente sich einer vulgären Sprache, litt unter Alkoholproblemen und wurde einmal von einem seiner engsten Gefährten öffentlich beschuldigt, er habe sich mit zwei Mitältesten und einer jungen Bibelforscherin eine höchst freizügige Varietévorstellung angesehen -- und das am Mittwochabend vor der Feier des Abendmahls.Darüber hinaus gibt es Beweise, die den Gedanken nahelegen, er sei ein heimlicher Frauenheld gewesen.

Einige Zeit, nachdem er Präsident der Watch Tower Society geworden war, wurden Richter Rutherford und Mary, seine Frau, in aller Stille geschieden. Obwohl sie von älteren Zeugen als "Halbinvalidin" geschildert wird, "die ihren ehelichen Pflichten gegenüber dem Richter nicht nachkommen konnte", wurde die Scheidung durch mehr als ihre Gesundheit oder seine Arbeit verursacht. Sie hatten sich einander entfremdet und waren offensichtlich einander gegenüber verbittert, obwohl eigentlich unklar ist, warum. Vielleicht hatten Rutherfords cholerisches Temperament und sein offenbar schwerer Alkoholismus den Unfrieden bewirkt.

Obwohl die Zeugen Jehovas fast alles ihnen mögliche getan haben, um Berichte über die Trinkgewohnheiten des Richters verschwinden zu lassen, sind sie einfach viel zu bekannt, als daß sie sich leugnen ließen. Frühere Mitarbeiter in der New Yorker Weltzentrale der Wachtturm-Gesellschaft erzählen immer wieder Geschichten von seiner Trunksucht und seinem völligen Betrunkensein. Andere berichten, wie schwierig es manchmal war, ihn wegen seiner Trunkenheit auf das Podium zu bringen, damit er auf Kongressen Reden halte. In San Diego, Kalifornien, wo er ab 1930 bis zu seinem Tod seine Winter verbrachte, spricht eine ältere Dame immer noch davon, wie sie ihm große Mengen Likör verkaufte, als er in die Drogerie ihres Mannes kam, um Arzneimittel zu kaufen.

Aber der vielleicht vernichtendste Bericht über seine Trinkgewohnheiten erscheint in einem offenen Brief an ihn vom ehemaligen Zweigaufseher von Kanada, Walter Salter. Seit Jahren war Salter ein enger Freund und Vertrauter des Richters, aber im Jahre 1936 brach er wegen Lehrpunkten mit ihm und wurde ausgeschlossen. So veröffentlichte er am 1. April 1937 den eben erwähnten Brief, der eine vernichtende Anklage gegen Rutherford war und der wenigstens in groben Zügen recht genau ist. Demgemäß behauptete Salter, daß er "für US-$ 60,00 pro Kiste Whisky" für den Wachtturm-Präsidenten gekauft habe, sowie Kisten mit Brandy und anderen Likören, nicht zu reden von ungezählten Kisten Bier", alles vom Geld der Gesellschaft. Damit niemand denken mochte, das, was er gekauft hatte, sei für andere, stellte der ehemalige kanadische Zweigaufseher fest: "Eine Flasche Likör oder so reichte nicht; es war für den PRÄSIDENTEN, und nichts war für den PRÄSIDENTEN zu gut." Dann, nachdem er Rutherfords pompösen Lebensstil beschrieben hatte, sagte Salter mit bitterer Ironie: "Und, o Herr, er [Rutherford] ist so mutig und sein Glaube an Dich ist so groß, daß er sich hinter vier Wände zurückzieht oder sich buchstäblich mit einer bewaffneten Leibwache umgibt und seine Träume herausbrüllt . . . und schickt uns von Tür zu Tür, um dem Feind gegenüberzustehen, während er 'von Trunk zu Trunk' geht und uns erzählt, wenn wir nicht gingen, würden wir vernichtet."

Soweit es seine persönliche Unterkunft und das leibliche Wohl anbelangt, erzählt Salter, lebte Rutherford wie ein Industriebaron. In New York mietete er während der Weltwirtschaftskrise ein Appartement mit luxuriöser Möblierung, das Salter als mit Leichtigkeit US-$ 10.000 pro Jahr wert schätzte. Nebenher hatte der Wachtturm-Präsident noch eine "palastartige Residenz" auf Staten Island; "getarnt" als unentbehrlich für die Radiostation WBBR der Gesellschaft. Gleichfalls auf Staten Island unterhielt er eine kleine, abgeschlossene Residenz in den Wäldern, wo er sich selbst vor der Welt isolieren konnte. Dann wurden auch noch teure Quartiere an einer Anzahl weiterer Orte für ihn bereitgehalten, darunter London und vor dem Aufstieg der Nazis in Magdeburg. Als ob das noch nicht genug war, begann er im Jahre 1929 mit dem Bau von Beth Sarim, einem Landhaus in San Diego, das sein Aufenthaltsort für den Winter werden sollte.

Wenn daher der Richter angeblich das Geld zum Bau von Beth Sarim auf einem fast einen halben Quadratkilometer großen Grundstück in San Diego spendete, hatte er "demütig" die Besitzurkunde für sich selbst ausstellen lassen -- als Treuhänder für David und die anderen "Fürsten", die schon bald einen angenehmen Wohnsitz brauchen würden.Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, mit einem recht großen Gefolge von Anhängern darin zu leben -- mit einem seiner zwei Sechzehnzylinder-Cadillacs, die er gemäß bekannter Zeugenüberlieferung von einem wohlhabenden Gläubigen aus Iowa als "größter Mann auf Erden" erhalten hatte.

Auf der Grundlage einer Aussage von Peter Moyle in der Ausgabe des United Israel Bulletin vom Februar 1972 stellt David Horowitz fest: "Es war auch bekannt, daß Rutherford eine Vorliebe für Whisky und Frauen hatte, wenn es auch sorgfältig 'bemäntelt' wurde. Unabhängig von der Frage, ob ein Lebensstil mit solchen Vorlieben moralisch oder unmoralisch ist, steht es dem Führer einer christlichen Religionsgemeinschaft wohl nicht sehr gut an, solch ein Vorbild abzugeben; und viele seiner Anhänger hätten es auch nie für möglich gehalten ...

Es gibt Beweise, die diese Beschuldigung bekräftigen, obwohl keiner davon als schlüssig angesehen werden kann. Dr. Frank McLamb, Arzt und Spezialist für Knochenleiden in der Watch Tower-Weltzentrale in Brooklyn, der Rutherford während seiner schließlich tödlichen Krankheit behandelte, sagte mir persönlich gegenüber im Sommer 1993 aus, während der 1920er Jahre habe Rutherford North Carolina besucht und bei seiner (McLambs) Tante gewohnt. Diese Dame wies Rutherford ihr bestes Schlafzimmer zu, plazierte eine Reisebegleiterin, die offenbar als Sekretärin für den Richter tätig war, in einen separaten Raum. Als McLambs Tante jedoch am Morgen Rutherfords Bett machte, entdeckte sie eine Haarnadel darin. Sie war derart angewidert, daß sie sich dann weigerte, noch etwas mit der Wachtturm-Bewegung zu tun haben zu wollen.

Von Bedeutung ist auch ein Bericht des Psychologen Dr. Carl Thornton und seiner Frau. Danach war es in der Familie Thornton eine wohlbekannte Tatsache, daß Carl Thorntons Tante, die in der Mitschrift des Gerichtsverfahrens Moyle gegen Franz et al. fälschlich als Verna Peal bezeichnet wird, sowohl in der Wachtturm-Weltzentrale in Brooklyn als auch im Beth Sarim, dem Haus der Fürsten in San Diego, Kalifornien, Rutherfords Geliebte war. Angeblich war sie zwar Rutherfords Diätassistentin und Krankenschwester, doch nach den Worten der Thorntons war sie "in jeder Hinsicht wie eine Frau für ihn." Interessanterweise werden in der Mitschrift zum Prozeß Moyle gegen Franz et al. zahlreiche Fragen angeschnitten; aber keine davon bezieht sich direkt auf die Möglichkeit eines ehebrecherischen Verhältnisses zwischen Rutherford und ihr.

Und über den Tod Rutherford's liest man bei Penton dann noch:

Denn statt Rutherfords Leiche in einem einfachen Felsschluchtgrab zu begraben, wie sie später behaupteten, wollten seine persönlichen Anhänger -- die Beth Sarim-"Familie" -- sie in einer großen, ziemlich imposanten Zementkrypta beisetzen, mit deren Bau sie begonnen hatten, als er im Sterben lag. So fürchteten die Nachbarn zweifellos, Rutherfords voraussichtliches Grab könnte zu einem Denkmal werden, das von Zeugen Jehovas aus Nah und Fern besucht werden würde. Natürlich geschah dies nicht. Als Beamte in San Diego schließlich die Beerdigung Rutherfords in Beth Sarim verweigerten, wurden seine Überreste nach Rossville, New York, gebracht und dort beigesetzt. Und dort wurden sie schnell von allen außer ein paar engen Freunden vergessen. Die Berichte über den Versuch, ihn in Beth Sarim zu begraben, zeigen, daß weder hohe Wachtturm-Funktionäre noch seine Witwe oder Malcolm, sein Sohn, sich große Sorgen über seinen Ruheplatz machten, denn bei den öffentlichen Hearings zu dem Thema glänzten sie durch Abwesenheit.

Als ein Kronzeuge in diesem Bericht wurde auch Salter genannt. Auch aus der WTG-Literatur ist aktenkundig, dass Salter ihn Rutherford, massiv öffentlich angegriffen hat. Die WTG-Schranzen hingegen zogen es vor, zur Substanz dieser Anwürfe keine Angaben zu machen. Man vergleiche dazu auch

F. W. Salter und Jesse Hemery

Ferner

Beth-Sarim

Bezüglich des auch mit inkriminierten Sachverhaltes er habe einer freizügigen Variteeevorstellung beigewohnt, darf man wohl heute übliche Maßstäbe nicht anlegen. Eher solche puritanischer Geisteshaltung. Aus letzterer Motivation liegt auch in Deutsch ein Flugblatt vor, dass dies mit thematisierte. Formal war dieses Flugblatt "Bruder George H. Fisher" überschrieben und es wurde 1953 noch in zweiter Auflage von einem gewissen W. Niemann aus Königslutter-Braunschweig im Umlauf gebracht. Einige Sätze daraus.

Danach schrieb Rutherford selbst besagtem Fisher an. Ursächlich war wohl, dass Niemann in der ersten Auflage des Flugblattes auch den Passus gebrauchte "Dass Bethelälteste sich von ihren Frauen scheiden ließen."

Diesbezüglich stellt Rutherford nun Fisher zur Rede (man muss dazu wissen, dass Fisher massgeblich seinerzeit an der Ausformulierung des siebenten Bandes der "Schriftstudien" mit beteiligt gewesen war).

Rutherford schreibt nun:

Werter Herr Fisher!

Ein gewisser Niemann-Deutschland-Magdeburg veröffentlicht ein Schreiben welches Ihnen zugeeignet ist, daß Sie von ihm von dieser Angelegenheit geschrieben haben. Ich frage Sie, ob dieses Schreiben von Ihnen nach Deutschland gesandt ist ... usw.

Im Dienste des Heilands Ihr J. F. Rutherford"

Im Verfolg dieser Kontroverse verbreitet sich dann Fisher via Niemann noch wie folgt:

"Auf Grund dieser und noch schwererer Vorkommnisse, welche ich als von Br. Russell eingesetzter Direktor und Redakteur nicht dulden durfte, wurde ich ebenfalls aus Amt und Versammlung durch den Präsidenten gejagt.

Mittwoch abend, in der Woche vor dem Abendmahl, 1926, besuchte Bruder Rutherford in Begleitung zweier Ältesten und einer Schwester die 'Pariser Ausgabe' der notorischen Aufführung 'Artists and Modells' (Künstler und Modelle) in Al Jolsons Wintergarten, Broadway, New York. Die Hauptattraktion dieser Burleske ist die Ausstellung unbekleideter Weiber auf der Bühne. Diese Aufführung ist allgemein bekannt als ein notorischer Anstoß gegen Anstand und öffentliche Moralität."

In frühen Fotos der Bibelforscherbewegung, begegnet man auch dem Rutherford-Sohn Malcom im Bild. Das war aber noch zu Zeiten Russell's.

In späteren Jahren gehörte er aber offenbar nicht mehr zu den WTG-Getreuen. Jedenfalls gibt es von WTG-Seite dazu kaum bis keine Infos.

Die Ära Rutherford

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