Der vorangegangene Jahrgang   1956

Vor (mehr) als 50 Jahren

Was 1957 Wahrheit war

Der Sputnik-Schock

Schon als es den Sowjets nach 1945 gelang, das zeitweilige Atomtechnologie-Monopol zu brechen, setzte in den USA der große Katzenjammer ein. Sündenböcke wurden gesucht und gefunden. Einige von Ihnen (Ethel und Julius Rosenberg) landeten gar auf dem elektrischen Stuhl. Das Thema wurde verschiedentlich schon mal aufgearbeitet. Unter anderem auch in einem (seinerzeitigen>) ZdF-Beitrag.  http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/14/0,1872,1019278,00.html

Siegesgewiss glaubte man sich im Fall der Rosenberg's auf die Analyse „Verrat" festlegen zu können. Und mit „Verrätern" pflegt der USA-Staat auch heute noch nicht viel Federlesen zu machen. Da sind noch ganze andere Fälle bekannt. So der Fall eines gekidnappten Bürgers, der sich in der DDR unter geänderter Identität „sicher" wähnte. Der CIA-Staat ist allerdings was Kidnapping und ähnliche Praktiken anbelangt, der frühen DDR-Stasi und der Gestapo zu Nazizeiten, wahrhaftig makaber ebenbürtig

Man vergleiche beispielsweise den Fall Karney

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/1997/0616/lokales/0099/

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2003/0626/medien/0050/index.html

Als neuere Meldung:

Bezüglich des USA-Falken der Bush-Regierung Donald Rumsfeld und maßgeblichen Beförderer des Irak-Krieges, vergleiche man mal jenen Kommentar der „Berliner Zeitung", welcher aussagt ihn als Kriegsverbrecher international belangen zu wollen. Wobei man sich als Präzendenzfall darauf beruft. Im Falle des chilenischen Diktators Pinochet sei das auch gelungen

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2006/1115/politik

Kaum hatten die USA-Falken diese „Episode" einigermaßen verkraftet. schockte sie am 4. Oktober 1957 eine erneute Nachrichtenmeldung hoch. Da wussten die Sowjets zu vermelden, es sei ihnen gelungen ihren „Sputnik" íns Weltall zu schießen. Ähnliches planten auch die USA. Das jedoch die Sowjets in der Frage offenbar schneller handlungsfähig waren, wurde zumindest als Prestigeverlust bewertet. Die Wikipedia etwa formuliert:

Die Erkenntnis, dass die Sowjetunion zum Start des ersten künstlichen Satelliten in der Lage war, löste im Westen ein immenses Bedrohungsgefühl aus: Sputnik machte schlagartig klar, dass die USA mit Interkontientalrakten von der Sowjetunion aus erreichbar waren. Dieses auch als Sputnickschock bezeichnete Phänomen führte in Folge zu …Umstrukturierungen und verstärkten Anstrengungen im Bildungsbereich der westlichen Industrienationen."

Warfen die frühen Bibelforscher der religiösen Konkurrenz unter anderem vor. Sie habe im ersten Weltkrieg „die Jugend in die Schützengräben hineingepredigt", dann reduziert sich dieser Vorwurf in der Tat darauf, dass Kirche und Staat - zu Lasten Dritter - an einem Strang zogen. Oder noch drastischer formuliert. Das die Kirchen in entscheidenden Krisensituationen sich als „gekaufte Subjekte" erwiesen.

Kein Vorwurf ist absurd genug, um nicht auch unter umgekehrten Vorzeichen fröhlichsten Urstand zu feiern. Erinnert sei nur an das Urchristentum mit seiner generellen Weltentrückheit; und dann in geschichtlicher Bewertung in geringem Abstand als „Konstanische Wende", die eigenen früheren Grundsätze verratend.

Gehörten die Bibelforscher zu Zeiten des Ersten Weltkrieges keineswegs schon zu den Etablierten, so sollte sich das allerspätestens seit dem Auftreten eines McCarthy wesentlich geändert haben. USA-Falke McCarthy drängte die USA in der Tat weiter an den rechten Rand. Und zu denen die sich mit drängen ließen ohne wesentlichen Widerstand zu leisten, gehörte auch die WTG-Religion. Noch anders formuliert.

In den fünfziger Jahren findet man bereits, wesentliche Parameter der USA-Politik, zugleich auch in religiös-vernebeltem Tarnvorhang, in WTG-Formulierungen wieder.

Als nun der „Sputnik-Schock" auf der Tagesordnung stand, lag es wohl im lauf der Dinge, ihm auch in den WTG-Publikationen zu begegnen. Als diesbezügliches „Vehikel" erwies sich insbesondere das WTG-Buch „Dein Wille geschehe". Jenes Buch, 1958 zuerst in Englisch veröffentlicht (Deutsch 1960) nahm schon in einer einleitenden Grafik auf den „Sputnik-Schock" bezug. Um seine in WTG-Sicht besondere Wichtigkeit noch zu unterstreichen, wurden eigens dazu Vorabdrucke im „Wachtturm" veranstaltet, um die Zeit bis zur vorliegenden deutschen Gesamtübersetzung etwas abzukürzen.

Der „Katzenjammer" kommt in diesem Buch auch in solchen „Breitseiten" gegen die religiöse Konkurrenz zum Vorschein, wie zum Beispiel die:

„Auch die Religion hat sich in die Auseinandersetzung hinsichtlich der Möglichkeiten und Gefahren des menschlichen Raumfahrtzeitalters eingeschaltet. Nachdem die Sowjetunion ihren ersten Satelliten, Sputnik I, abgeschossen hatte und dieser um unseren Planeten kreiste, befürwortete eine Woche später die Zeitung des Vatikans, der ,'Römische Beobachter', die Weltraumforschung." (S. 8).

Da die Sowjets das ganze zugleich als Instrumentarium für atheistische Propaganda nutzten, meinte die WTG unter anderem gereizt kontern zu müssen:

Wie töricht! Denn des Schöpfers 'letzte Stellung' befindet sich nicht irgendwo draußen an einem Ort, wohin die menschlichen Wissenschaftler ihre weitestreichenden Satelliten oder Sputniks schießen könnten."

Minutiös und missmutig zugleich, wird auch registriert, dass dieser sowjetische Technologieerfolg offenbar keineswegs als „Eintagsfliege" anzusehen sei, wofür auch ein Satz steht, wie:

„Am 15. Mai 1958 schoss die Sowjetunion ihren dritten Sputnik ab, der 1.327 kg wog."

Deutlich auch ein Satz wie der:

Der König des Südens ist entschlossen, seine führende Stellung auf der Erde zu halten, um, wie er behauptet, der ,'freien Welt' die Weiterexistenz zu sichern. Er sah sich genötigt, einen Präventivkrieg zu beginnen, bevor der König des Nordens zu stark wurde." (S. 297)

Und zur bildlichen Unterstreichung bietet man dann noch eine Schreckens-Szenario-Karte dem Leser dar über die kommunistisch beherrschten Länder.

Tja was das mit dem Präventivkrieg anbelangt, da hatten sie nun die geeigneten Partner gesucht und gefunden. Was die offizielle USA-Politik nun auch auf Regierungsebene verkündete, das praktizierte ja die WTG schon einige Jahre vorher mit religiösem Nebelvorhang kaschiert. Wenn kaum eine andere Religion es darauf ankommen lies, im Ostblock ein Verbot ihrer Tätigkeit zu provozieren. Die WTG-Religion indes, hatte auch bei diesem Aspekt, keinerlei Skrupel.

Einen Nachklang gibt es noch in Sachen „Sputnik-Schock" zu notieren, über den als Zeitzeuge Raymond Franz in seinem Buche „Der Gewissenskonflikt" berichtet. (S. 210)

Franz berichtet da nachdem es Diskussionen wegen des WTG-1914-Datums gab:

Das Gremium beschloss, die Sache in der nächsten Sitzung weiter zu behandeln.

Dabei legte das Komitee des Vorsitzenden, bestehend aus Albert Schroeder (Vorsitzender), Karl Klein und Grant Suiter, ein höchst ungewöhnliches Dokument auf den Tisch. Jedes Mitglied der leitenden Körperschaft erhielt ein Exemplar. Auf eine Kurzformel gebracht, schlugen die drei vor, der Ausdruck „diese Generation" solle sich nicht auf Menschen beziehen, die 1914 lebten, sondern erst ab 1957 zählen, also 43 Jahre später!

Vorlage für die leitende Körperschaft zur Sitzung am Mittwoch, 5. März 1980"

Wenn das also noch 1980 kommentiert wurde, dann kann man wohl ermessen (diejenigen die den Vorschlag einbrachten, hatten ja allesamt den „Sputnik-Schock" bewusst miterlebt. Und nun da sie selbst an den Schalthebeln der Macht saßen, erstmalig die Chance, daraus „Nägel mit Köpfen zu machen"). Dann kann man wohl ermessen, wie nachhaltig das wirkte.

Weiter Franz:

Komitee des Vorsitzenden 3.3.80

Im Jahr 1957 wurde der erste russische Sputnik in eine Erdumlaufbahn geschossen. Anscheinend meinte das Vorsitzenden-Komitee, dieses Ereignis könne den Beginn der Erfüllung folgender Worte Jesu anzeigen:

'… wird die Sonne verfinstert werden, und der Mond wird sein Licht nicht geben, und die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte der Himmel werden erschüttert werden.'"

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass einigen LK-Mitgliedern die Sache doch wohl „etwas zu heiß" wurde, und dieser Vorschlag letztendlich nicht abgesegnet wurde. Also alles beim alten blieb.

Ein Grundsatzartikel

Einem Grundsatzartikel, der letztendlich auch zu folgenschweren Konsequenzen, nicht selten bitterster Art führte, begegnet man in der "Wachtturm"-Ausgabe vom 1. 1. 1957.

„Wie wahre Christen die Politik ansehen" betitelt.

Einige Auszüge aus ihm. Genannter WT meint:

„Das Lehrbuch des Christentums, die Bibel, sagt uns, warum jene Christen die Politik mieden. Es zeigt, daß ein Grundprinzip des Christentums die Absonderung von der Welt ist; und die ersten Christen änderten ihr Leben, um diesem Erfordernis für die rechte Anbetung nachzukommen. Der biblische Schreiber Jakobus sagt: 'Die Form der Anbetung, die rein und unbefleckt ist vom Standpunkte unseres Gottes und Vaters aus, ist diese: für Waisen und Witwen in ihrer Drangsal zu sorgen und sich von der Welt unbefleckt zu erhalten.' 'Ehebrecherinnen! wißt ihr nicht, daß die Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott ist? Wer immer daher ein Freund der Welt sein will, macht sich selbst zu einem Feinde Gottes.' Politik zu betreiben würde bedeuten, Freundschaft mit der Welt zu bekunden. Und Freundschaft mit der Welt bedeutet, sich zu einem Feinde Gottes zu machen. Das ist der Grund, weshalb die ersten Christen Politik mieden."

Bevor weiteres aus genannter WT-Ausgabe zitiert wird, mag es in der Tat angebracht einen Exkurs einzulegen. Und dieser Exkurs könnte die Überschrift tragen:

Die einzigste Partei, die derzeit in diesem Lande noch echte Zuwächse erzielt, aus dem Bereich jener Parteien, die sich irgendwann in ihrer Geschichte mal als vermeintliche „Volksparteien" sonnten. Die einzigste Partei aus diesem Spektrum ist die Partei der „Politikverdrossenen". Diejenigen, die da „die Schnauze voll haben", von „denen da oben", mit ihrer nicht selten, wie es der „Michel empfindet". Selbstbedienungsmentalität.

Man kannte diese Politikverdrossenheit schon am Ende der Weimarer-Republikzeit. Dieser Staat steht gefährlich nahe, an einer ähnlichen Tendenzwende. Zu den in ihrer Selbstinterpretation „Volksparteien" gehört unter anderem (nicht nur, aber auch) die SPD

In Heft 44/2006 (S. 28) brachte der „Spiegel" unter der Überschrift „Anschluss verloren" mal ein paar Fakten, basierend auf einer internen Analyse der SPD. Selbige zwar unter Verschluss gehalten; was jedoch für findige Journalisten keine Hinderungsbarriere war, ihren Inhalt kennen zu lernen. Danach habe die SPD seit 1990 fast 37 Prozent ihrer Mitglieder verloren.

Weiteres Zitat daraus:

„Und mit Zuwachs ist vorläufig kaum zu rechnen. Im Gegenteil, die Bereitschaft, für die Partei einzustehen und neue Mitglieder anzuwerben, hat dramatisch nachgelassen. Ohnehin gelten nur 10 bis 20 Prozent der Mitglieder als 'aktiv' …

Die soziale Struktur der Partei verändert sich rasant: Im Jahre 2005, so weist die Analyse aus, sind nur noch 1406 Arbeiter in die SPD eingetreten (6,94 Prozent der Neuzugänge). Zum Vergleich: Laut Statistischen Bundesamt waren 2004 in Deutschland 13,5 Prozent der Bevölkerung Arbeiter. Auch Frauen bleiben eine Minderheit …"

Ich bin mir sicher. Ein ähnlich düstereres Szenario könnte man auch bezüglich anderer vermeintlicher „Volksparteien" zeichnen. Das ist praktisch die Gesamtgesellschaftliche „Gemengelage" in der auch die vorgenannte WTG-Doktrin mit hineinwirkt. Nicht dass sie von ihr wesentlich verursacht wäre. Das mit Sicherheit nicht. Aber skizzierte Ressentiments werden von ihr mit gestützt, wenn nicht gar - unterm Strich - gefördert.

Nun gehört es mit zu den Freiheitsrechten dieses Landes, auch solch einer Option frönen zu können. Das war in der Geschichte Deutschlands nicht immer so. Man denke nur an die Stichworte Hitlerdeutschland und Ostdeutschland, und dann wird dem Sachkundigen klar, welch enormes Konfliktpotential - gerade und besonders - der Politikversagungs-Grundsatz der Zeugen Jehovas, dort zur Folge hatte. Er war mit hoher Wahrscheinlichkeit, sogar der Hauptkonflikt, dem sich alles andere marginal als Folgewirkung unterordnete.

Es ist richtig, wie der WT ausführt, dass die Urchristen einer ähnlichen Politikversagung folgten. Damals wie heute, wirkte insbesondere der Grundsatz latenter Endzeit-Naherwartung als Hauptkatalysator dabei.

Indes ist auch richtig. Das mit der Endzeit-Naherwartung wurde schon damals nichts. Die sich etablierende Kirche musste sich arrangieren und sie hat sich arrangiert; allerspätestens zu Zeiten Konstantins des Großen. Jene Kreise, die diesen Paradigmawechsel nicht mittragen glaubten zu können, gerieten zusehends ins Abseits und atomisierten sich (was nicht ausschloss, das es von Zeit zu Zeit gewisse „Neuaufbrüche" vermeintlicherweise zum Urchristentum hin, gab). Sofern sie nicht von der Majorität gewaltsam unterdrückt wurden, ist ihre organisatorisch-etablierte Form, eigentlich - mehr oder weniger - erst in den letzten zwei Jahrhunderten wieder möglich geworden. Und zu ihnen gehören fraglos auch die Zeugen Jehovas.

Angesichts ihrer Konstantinischen Wende als „Körperschaft des öffentlichen Rechts" muss jedoch auch die Frage gestattet sein, wieweit sie - inzwischen - auf ihrem Verweltlichungswege fortgeschritten sind.

Sicherlich kann man die Zeugen Jehovas - noch - nicht mit anderen verweltlichten Kirchenformen auf eine Stufe stellen. Es gibt da durchaus noch wesentliche Unterschiede. Ein solcher Unterschied ist zum Beispiel, dass im Falle der Zeugen Jehovas, die zitierte Aussage des Jakobus: „für Waisen und Witwen in ihrer Drangsal zu sorgen", sich weiterhin als Farce, als Blasphemie erweist.

Andere verweltlichte Kirchenformen haben ein durchaus beachtliches Engagement, man mag es Caritas oder Diakonie oder sonstwie nennen, entwickelt. Nicht so die Zeugen Jehovas.

Treppenwitz der Geschichte, dass ihre „Königreichssaal-Baukolonnen" (unter der internen Bezeichnung „Bauregionen" laufend,) gegenüber den staatlichen Organen gar noch als quasi „karitativ" verkauft werden. Die mögen in der Tat mal karitativ tätig werden (etwa bei der Elbeflut vor einigen Jahren). Dann aber auch mit vorrangiger Orientierung auf die eigene Binnenstruktur. Kaum aber im Sinne genereller Hilfsbereitschaft, ohne Ansehen des Glaubens und der Person. An diesem grundsätzlichen Manko ändert auch der Umstand nicht viel, dass man gelegentlich Pressemeldungen zu Gesicht bekommt, bei irgendwelchen örtlichen Putzaktionen, beteiligten sich "in Eintracht" (neben Kleingärtnervereinen, Sportvereinen, Schulklasssen usw,) auch Zeugen Jehovas als örtliche Gruppe. Da darf man wohl auch nicht den das Image steigernden Charakter einer solchen Zeitungsmeldung übersehen, wenn darin eben auch die Zeugen Jehovas mit aufgezählt werden.

Dieses schmähliche Versagen der Zeugen Jehovas auf karitativem Gebiete hat System. Kaum eine andere Religionsgemeinschaft praktiziert ein so ausgefeiltes Klinkenputzersystem wie die Zeugen Jehovas. Wer sich auf diesem Sektor bei den Zeugen Jehovas hervortut, der ist „dort etwas". Wer es so nicht macht, wird nicht selten - intern - „als der letzte Dreck" behandelt. Es ist nun mal so. Im „melken" verstehen sich auch andere Religionsgemeinschaften (und das nicht zu knapp). Andernorts liegt aber doch eher der Akzent mehr auf das „fiskalische Melken". Nun kann nur solange „gemolken" werden, wie eine gewisse Substanz dafür vorhanden ist. Ist die nicht mehr vorhanden, kommt der Zeitpunkt wo es heißt: „Nichts geht mehr". Auch die Klinkenputzertätigkeit verlangt den Zeugen einiges ab. Viel sogar. Würde es nun eine aktive karitative Tätigkeit in organisierter Form (und nicht nur von der Dauer des Lebens einer „Eintagsfliege" geben), würde sich bald herausstellen. Der „Melkanspruch" ist zu hoch. Eines muss zurücktreten. Entweder der Klinkenputzer-Anspruch. Oder eben die karitativen Aspekte.

Die Führung der Zeugen Jehovas hat sich bis heute - im Einklang mit der generellen USA-Politik -, die für ihre fiskalischen Interessen, gegebenenfalls auch über buchstäbliche Leichen marschiert, zu einer ähnlichen Politik entschieden.

Das ist das eigentlich tragische an den praktischen Auswirkungen dieser Zeugen Jehovas-Doktrin.

Was zu diesem Thema zu kommentieren wäre, wurde bereits vorstehend kommentiert. Nachstehend (da es sich ohne Zweifel um ein Kardinaldokument handelt) noch einige weitere (unkommentierte) Auszüge aus diesem WT-Artikel:

„Doch warum sollten wahre Christen die Politik meiden, wenn sie anscheinend viel tun könnten, um die Welt zu verbessern? Laut Bibel geht die Antwort dahin, daß wahre Christen weder die Demokratie, den Sozialismus, Kommunismus, noch irgendeine andere menschliche Regierungsform als Heilmittel für die Weltbedrängnis befürworten oder predigen.

Was Christen predigen, ist eine himmlischer Herrschaft, das Königreich Gottes, und dieses Reich ist kein Teil dieser Welt.

Die Urchristen waren sorgsam darauf bedacht, sich nicht in Politik einzumischen. Sie wußten, daß Gottes Königreich dazu bestimmt ist, alle politischen Herrschaften zu vernichten, und daß jene, die Politik treiben, Feinde Gottes sind und dadurch zur Vernichtung in Betracht kommen. Kraftvoll predigten die ersten Christen die Königreichshoffnung der Welt. Sie wiesen auf die äußerste Nutzlosigkeit hin, auf menschliche Herrscher zu vertrauen.

Wahre Christen zeigen also, daß sie Nachfolger Christi sind, indem sie nicht versuchen, diese Welt zusammenzuflicken oder sie durch Politik zu verbessern, sondern indem sie die gute Botschaft vom Königreich, daß diese Welt vernichten wird verkündigen.

Ungeachtet wie viele Stimmen für die Herrscher dieses bösen Systems der Dinge abgegeben werden, ist es zum Untergang verurteilt. Kein noch so großer politischer Feldzug, keine Zahl der Namenschristen, die sich mit Politik befassen, und keines der vielen Gebete für diese Welt, die Geistliche oder Politiker sprechen mögen, wird sie vor der sicheren Vernichtung bewahren. Heute halten sich die christlichen Zeugen Jehovas, so wie die Zeugen Jehovas in den frühen Tagen des Christentums, von der Welt unbefleckt. Aus Gewissensgründen stehen sie davon ab, an der Politik dieser Welt teilzunehmen, ja selbst an Wahlen. Sie wissen, daß die politische Beteiligung nicht nur zu nichts führen würde, sondern ihnen sogar Gottes Mißbilligung eintrüge.

Bei einer Gelegenheit wollte die Bevölkerung von Galiläa Jesus in die Politik hineindrängen. Das Volk sah, daß Jesus ein gerechter und weiser Mann war, und erkannte, welch idealer politischer Herrscher er wäre. Wie reagierte Jesus auf die Wahl der Volksmenge? 'Da nun Jesus erkannte, daß sie kommen und ihn ergreifen wollten, um ihn zum König zu machen, zog er sich wieder auf den Berg zurück.' … Jesus wollte nichts mit Politik zu tun haben. Die Haltung jener Volksmenge gibt uns einen Begriff von dem, was die Massen heute mit dem Christentum zu tun versuchen. Jene Leute waren nicht ernsthaft daran interessiert, nach dem Christentum zu leben. Aber sicherlich wären sie sehr an den Nebenprodukten des Christentums interessiert, schwerlich am Christentum selbst. Sie folgerten: Wenn er uns Brot und Fische und bessere Häuser, kürzere Arbeitszeit, höhere Löhne, leichtere Arbeitsverhältnisse und etwas mehr Muße verschafft, dann wollen wir ihm folgen und ihn zu unserem Herrscher machen. Sie wollten, daß Jesus zugunsten ihrer selbstsüchtigen Zwecke König werde."

Angesichts der nicht zu übersehenden Tendenzen in Hitlerdeutschland und Ostdeutschland, und angesichts dessen, dass es einige vielleicht mal wieder geben mag, die im erzwingen wollen, solcher Tendenzen ihr (fragwürdiges) „Heil" sehen, sei noch ein anderer Kommentar gestattet.

Wie man weis „ist nichts unmöglich". Purzelbäume kennt die Geschichte vielerlei.

Gesetzt den Fall, es gäbe irgendwann mal auch bei den Zeugen Jehovas in der Politikfrage einen weiteren Purzelbaum. Was wäre wohl seine Konsequenzen? Ich für meinen Teil wäre jedenfalls darauf nicht sonderlich erpicht. Und den Grund dafür hatte ich schon mal wie folgt zusammengefasst. Angesichts der mentalen Befindlichkeit der Zeugen Jehovas, ist wohl begründet davon auszugehen, dass in einem solchen Falle, Parteien, wie etwa die PCB (Partei Bibeltreuer Christen) im besonderen, Nutznießer davon wären.

Ein Kommentar zu letzterer:

Ihr Vorsitzender war zeitweilig ein gewisser Gerhard Heinzmann. Gibt man seinen Namen als Suchbegriff etwa bei Google ein, wird man auch dergestalt fündig, dass etwa Homosexuelle von diesem Herrn mit Sicherheit nichts zu erwarten hätten, jedenfalls nichts Gutes für sie.

Was für die Nazis die Juden, dass sind für Herrn Heinzmann die Homosexuellen.

Herr Heinzmann ist nicht umsonst bewusster Politiker. Eine seiner Forderungen. Freikirchen mögen in finanzieller Hinsicht den Großkirchen staatlicherseits gleichgestellt werden. Eine ähnliche Forderung kennen wir schon. Gleiches reklamieren auch die Zeugen Jehovas für sich.

Nur, die möchte der Herr Heinzmann bei dieser Art von Förderung wohl doch nicht mit einbezogen wissen, weil hinter selbigen in seiner Lesart der Satan steht.

So schreibt Herr Heinzmann in einem von ihm 1988 verfassten Büchlein

über die Zeugen Jehovas etwa auf S. 87:

„Daß es Satan selber ist, der durch seine Handlanger das Wort Gottes verdreht. Wo er die Menschen nicht durch blanken Atheismus, der totalen Leugnung der Existenz Gottes auf seine Seite ziehen kann, versucht er es durch religiöse Irrlehren und Halbwahrheiten."

Die Heinzmann und Co verstehen sich als „wiedergeborene" Christen. Dieser Vokabel begegnet man auch in seiner Schrift. Erzürnen tut sie besonders wie sich die Zeugen Jehovas zu der Frage stellen; ob es ein Leben nach dem Tode gäbe.

„Gibt es ein Leben nach dem Tode? Zu diesem für uns alle so wichtigen Thema lehrt die 'Neue-Welt-Gesellschaft', daß es überhaupt keine Existenz nach dem Tode gibt." (S. 23).

Als Antwort darauf belehrt sie Heinzmann:

„Jetzt, hier und heute, in diesem Leben muß der Mensch wählen, wie er die Ewigkeit zubringen will. Statt für immer beim Teufel im Feuersee zu landen (Offenbarung 20, 10.15), gilt, sich rechtzeitig für Jesus und Sein Reich zu entscheiden." (S. 27).

Wie seine Gesinnungsgenossen Wim Malgo oder Hal Lindsey etwa; glaubt auch Heinzmann prophetisches aus der Bibel herauslesen zu können. So verkündigt er etwa vollmundig:

„Lukas 21, 24: '… Und Jerusalem wird zertreten werden von den Heiden, bis daß der Heiden Zeit erfüllt ist.' Erst im Jahre 1967 erfüllte sich dieses Wort Jesu."

Im Klartext als Resultat eines arabisch-israelischen Krieges, den man dieser Logik gemäß dann ja wohl als „Gottgewollt" oder nötig betrachten soll.

Von noch mehr solcher Art Glaubensgewissheiten strotz nur so sein Buch.

Persönlich erinnere ich mich an die 4000-Mann-Partei des Herrn Heinzmann auch noch dergestalt, dass er kurz nach dem Mauerfall, Anfang der 1990er Jahre im vormaligen Ostberlin eine massive Demonstration seiner Anhängerschaft in der „Straße Unter den Linden" veranstalten ließ. Das ist jene Straße in Berlin, zu deren Anrainern unter anderem die Berliner Humboldt-Universität sowie auch die Staatsbibliothek gehören. Da ich in letzterer an jenem Tage auch im dortigen Lesesaal war, habe ich das Heinzmann-Spektakel hautnah miterlebt. Miterlebt, wie in dieser mit Lautsprecherwagen reichlich bestückten Demonstration im „atheistischen Ostberlin" immer wieder die unverblümte Forderung nach politischer Macht für ihn und seinesgleichen skandiert wurde.

Ich habe zwar nicht die Machtergreifung der Nazis am 30. 1. 1933 in Berlin persönlich miterlebt; dieweil ich da noch zu den Ungeborenen gehörte. Gleichwohl ist mir jenes Nazispektakel aus der Literatur, mit seinen Fackelzügen usw. durchaus geläufig. Beim erleben der Heinzmann-Demonstration drängte sich mir die Emotion auf. Das wiederholt sich in diesem Augenblick, nur unter anderen Vorzeichen.

In dem 1988 erschienenen Heinzmann-Buch „Lehren die Zeugen Jehovas die Wahrheit? Fragen und Antworten" ist noch nicht von der PCB die Rede. Als Mitherausgeber wird die „Internationale Zigeunermission" genannt. Offenbar war Herr Heinzmann zum Zeitpunkt des Schreibens seines genannten Buches, noch nicht Parteivorsitzender der PCB. Er ist es aber danach noch geworden.

Es war weiter davon die Rede, dass es auch eine spektakuläre Veranstaltung in Berlin gegeben habe, die durchaus in Kontext zu diesen Kreisen stand.

Die fand am 24. 6. 1994 statt und nannte sich formal „Marsch für Jesus". Ihre Veranstalter wollen (glaubt man ihren eigenen Zahlenangaben) dabei rund 50 000 mobilisiert haben. Die PCB hingegen beziffert ihre engere Mitgliederzahl auf rund 4 000. Daraus ist ersichtlich, dass bei diesem Marsch sehr wohl verschiedene, gleichwohl durchaus geistesverwandte Kreise mitgewirkt haben.

Zur Vorgeschichte dieser „Jesusmärsche" zitierte der „Materialdienst  der EZW" (1994 S. 176) einmal:

„Spektakulär war die Organisation der 'Gebetsexpedition 93 Berlin-Moskau. Eine größere Gruppe von Christen aus Europa zog eine 'Gebetsschneise der Erweckung durch Osteuropa', nachdem bereits am 23. Mai 1992 durch die Ankunft des Gebetsmarsches London - Berlin in der deutschen Hauptstadt ein 'historischer Tag der Kirchengeschichte in Deutschland' konstatiert worden war."

Der MD kommentiert weiter:

„Gerade die Jesus-Marsch-Bewegung zeigt eine eigenartige heilsgeschichtliche Gesamtstrategie im Sinne einer fragwürdigen geschichtsphilosophischen Vereinnahmung der geistlichen Gesamtsituation Problematisch bleibt der Stil und die Einordnung in ein übergeordnetes 'prophetisch' angesagtes Zeitschema, das Gottes Plan ansagen will. Ob die tägliche Arbeit der christlichen Gemeinden - insbesondere des Ostens - durch solche spektakulären Aktionen gefördert wird, ist mehr als fraglich."

Zur genannten Berliner Veranstaltung notierte die gleiche Zeitschrift noch (MD 1973 S. 300f.)

„Auf dem langen Weg wurde die Jesus-Marsch-Liturgie über einen UKW-Sender übertragen und mit Hilfe von über 40 Übertragungsfahrzeugen für alle Marschierenden hörbar gemacht. Zur Liturgie, die auf der langen Marschstrecke mehrfach wiederholt wurde, gehörten zahlreiche Proklamationen zur Verbindlichkeit und Gültigkeit der Heiligen Schrift, mit dem Ziel der 'Wiederherstellung des Wortes Gottes in Deutschland' (in Anknüpfung an die Verpflichtung des Volkes Israel auf das wiedergefundene Gesetzbuch unter dem König Josia, 2. Chr. 34).

Die unmittelbare Kommentierung dieser Aktion lautete sinngemäß so: 'In der unsichtbaren Welt geschieht etwas. Dies ist ein historischer Moment, der in die Geschichte Deutschlands eingehen wird.' Dann wurde gefragt: 'Wollt ihr eine neue Reformation in Deutschland?' Und alle riefen 'Ja' und 'Halleluja'. Die sicher begrüßenswerte Absicht, die Vergangenheit zu erinnern und 'neue Akzente' zu setzen, wurde durch vereinnahmende Sprachformen und eine missverständliche Betonung des göttlichen Handelns mit Deutschland eher ins Gegenteil verkehrt. Nach einer Gebetszeit ging es dann weiter mit der Praxis des geistlichen Kampfes: 'Im Namen Jesu zerbrechen wir die Ketten, die böse und teuflische Macht über Deutschland gelegt haben. Jesus ist Herr über Deutschland.' Mit Halleluja- und Amen-Rufen sowie weiteren prophetischen Proklamationen endete dieser Veranstaltungsteil."

Kommentierend vermerkt Herr Hempelmann von der EZW weiter an:

„Überschritten wurde das charismatische Frömmigkeitsspektrum - etwa in Richtung evangelikale Bewegung - beim Jesus-Marsch nicht wesentlich. Hierin unterscheidet sich die Jesus-Marsch-Bewegung in Deutschland durchaus von entsprechenden Initiativen im internationalen Bereich. Zugleich muß gesehen werden, daß sich viele Charismatiker - auch in Deutschland - zugleich als Evangelikale verstehen, was angesichts der breiten Überschneidung beider Bewegungen durchaus verständlich ist ....

Die Jesus-Marsch-Bewegung ist Ausdruck von charismatischen Allianzen mit konfessionsübergreifender Struktur. Das ist fraglos eine seit einigen Jahren zu beobachtende neue Entwicklung: Pfingstler, die sich von der Pfingsterweckung der Azusa-Street her verstehen, innerkirchliche Erneuerungsgruppen, Neupfingstler und Charismatiker

aus freien Werken und unabhängigen charismatischen Gemeinden schließen sich 'in Liebe und Einheit vor Gott für unsere Nation' zusammen und starten eine Versuchskoalition. Wie bedeutsam und geschichtswirksam diese Koalition sein wird, weiß niemand im voraus. Ausgangspunkt und Grundlage der Einheit der konfessionell Verschiedenen ist die gemeinsame Erfahrung des Heiligen Geistes in der Geistestaufe bzw. in der Erfüllung mit dem Heiligen Geist und der Praxis der Charismen. Gleichartige Glaubenserfahrungen erweisen sich dabei als wichtiger als konfessionelle Bindungen, die zwar nicht aufgehoben, aber relativiert werden. Weitreichende gegenseitige Anerkennung und Kooperation wird gesucht.

Hinter irritierenden Sprachformen stehen z. T. inhaltliche Akzentuierungen, die zu kritischen Fragen Anlaß geben. Dabei geht es nicht nur um die Sieges- und Kriegsmetaphorik oder die starke Identifikation der Bewegung mit dem Wirken des Heiligen Geistes. Wer anfängt einzelne Aussagen, die im Zusammenhang der Jesus-Märsche von den Verantwortlichen gemacht wurden, näher zu analysieren, begegnet Tendenzen der Anpassung an die remythologisierenden Trends der religiösen Alternativszene. Jedenfalls sind Aussagen und Praktiken der Jesus-Marsch-Bewegung gegen solche Deutungen nicht ohne weiteres zu schützen:

Proklamationen werden als Machtworte aufgefaßt, die Wirklichkeit schaffen und verändern nach dem Motto: 'Glaube es, proklamiere es und du hast es.' Eigene Vorstellungen und Wünsche werden in prophetischen Proklamationen konzentriert und mit Hilfe des Glaubens an die Macht der Gedanken zu verwirklichen gesucht."

Aus der genannten Zeitschrift sei zum Abschluss auch noch aus einem Abschnitt über die „Partei Bibeltreuer Christen" zitiert (MD 1994 S. 235f.):

„Die im November 1989 gegründete Partei ist von ihrem Entstehungshintergrund wie von ihrer Programmatik einem 'pfingstlich-evangelikalen' Glaubensverständnis zuzuordnen. Ihre Gründung geht auf die Initiative des Leiters der 'Internationalen Zigeunermission e. V.' Pastor Gerhard Heinzmann, zurück, der auch Parteivorsitzender ist. In der Präambel des auf dem Gründungsparteitag verabschiedeten Programms wird das Hauptziel der Partei benannt: 'Die PBC sieht ihr Ziel darin, Gottes ewig gültiges Wort für die Menschen aller Völker, Rassen und Hautfarben in den Mittelpunkt des Lebens zu stellen.'

Daß die PBC damit eher ein missionarisches als ein politisches Ziel verfolgt, verdeutlicht der Vorsitzende Heinzmann in einem Rundschreiben der Zigeunermission vom November 1989:

'Da in unseren Missionskassen sowieso nie Geld ist, können wir aber vor den großen Wahlen, zu den besten Sendezeiten, völlig kostenlos über Rundfunk und Fernsehen, auf allen Kanälen, Millionen Menschen in unserem Land erreichen.' Diese Möglichkeit blieb der PBC bei den ersten gesamtdeutschen Wahlen 1990 versagt, da der Bundeswahlausschuß die Partei nicht zur Wahlteilnahme zuließ. Daher konnte die Partei bisher noch nicht auf Bundesebene antreten.

Drei Punkte seien hier herausgestellt, die die PBC von den anderen Parteien unterscheidet: die größere Professionalität im Erscheinungsbild, die Betonung des Kampfes gegen Okkultismus und Wahrsagerei und die zentrale Rolle, die der Beziehung zu Israel beigemessen wird. Die beiden letzten Punkte weisen deutlich auf den theologischen Hintergrund der Partei hin: 'Okkultismus' und 'Israel' sind wichtige Themen in Teilen des evangelikalen Spektrums. Das Verständnis weltpolitischer Zusammenhänge scheint bei der PBC durch eine endzeitlich-prophetische Sichtweise bestimmt zu sein, eine Perspektive, die, zumindest in ihrer populären Form, mehr als problematisch ist."

Eine Internetrecherche zum Thema Heinzmann ist auch noch zu entnehmen; dass ein örtlicher Vorsitzender dieser Partei, der sie in seinem regionalen Bereich mit begründet hat, nach einiger Zeit aus ihr ausgetreten und dafür in die CDU eingetreten ist. Motivierend für seinen Schritt war für ihn auch die Erkenntnis, dass die Gestaltungsmöglichkeiten via PCB nur mal sehr eingeschränkt sind. Der Betreffende, der seine prinzipielle Geisteshaltung ja wohl kaum revidiert haben dürfte, sieht in der größeren CDU bessere Entfaltungsmöglichkeiten.

Eine ähnliche Erfahrung machte ja schon so mancher, oder macht sie noch, der mit einer der kleineren Parteien sympathisiert. Dies soll hier auch nicht weiter zur Disposition stehen. Interessant ist es aber schon, was in der „Nach-PCB-Zeit" da so zu folgen pflegt. Die Assimilierung in der CDU. …

Man muss keineswegs Zeuge Jehovas sein, um ein gewisses Maß an Politikverdrossenheit zu haben, und daraus ableitend vielleicht gar zu sagen. Ich wähle „die" nicht. Dies alles ist nachvollziehbar, obwohl es andererseits auch nichts zur Lösung anstehender Probleme beiträgt.

Jeder Nichtwähler überlässt somit anderen, die realen Machtverhältnisse zu gestalten. Er entmündigt sich faktisch selbst. Ob das anderen überlassen, mit seinen ureigensten Interessen wirklich übereinstimmt, mag man mehr als berechtigt anzweifeln.

Bei den Zeugen Jehovas haben wir jedoch den Fall, dass hier aus „dogmatischen" Gründen eine prinzipielle Wahlverweigerung vorliegt. Dies kann und muss man kritisch hinterfragen. Damit ist nun überhaupt noch nicht gesagt (dies mal als Sandkastenspiel) würden Zeugen Jehovas generell mitwählen, ob sie denn zu einem „Zünglein an der Waage" werden könnten. Ich befürchte eher nein. Die sind doch, ich formuliere das jetzt mal krass, politisch so dumm gehalten und erzogen, dass sie auch noch bei einer Wahlfreigabe „ihre eigenen Metzger wählen" würden. Von mir aus, kann der Haufen Zeugen Jehovas, durchaus weiterhin zu den Nichtwählern gehören. Ich meine zu wissen, wo meine Interessen am allerwenigsten vertreten werden. Und 100 000 Stimmen von 160 000 beispielsweise für eine „Partei Bibeltreuer Christen". Darauf kann ich dankend verzichten! Dann mögen sie ruhig weiter Nichtwähler bleiben

Ostdeutsche Zwischenbilanz

In seiner Ausgabe vom 15. Februar 1957 notiert der „Wachtturm":

„Es scheint nicht ratsam zu sein, viel von der Entwicklung des Werkes innerhalb des Gebietes des Berliner Zweiges zu erzählen, wozu auch Ostdeutschland gehört, wo das Werk immer noch unter dem Verbot der kommunistischen Herrscher steht. Doch kann gesagt werden, daß es sich als etwas sehr Gutes erwiesen hat, eine enge, organisatorische Verbindung zwischen West-Berlin und Ostdeutschland zu besitzen …

Es stimmt uns sehr froh, mitzuteilen, daß seit dem Sturz des Götzen Stalin die direkte Verfolgung merklich abgenommen hat. Neue Verhaftungen von Brüdern verringerten sich bis auf wenige Fälle im Monat, und das erste Mal in den sechs Jahren, seitdem das Verbot besteht, übertrifft die Zahl der aus dem Gefängnis freigelassenen Brüder jene der Neueingesperrten. Es wurden 102 neue Fälle berichtet, in denen Verkündiger eingesperrt wurden, doch wurden dagegen 211 freigelassen, 48 davon schon vor Ablauf der vollen Haftzeit zu der sie verurteilt worden waren. Es wäre aber zu früh, von einer Beendigung der Verfolgung zu sprechen. Immer noch mehr als 1500 Brüder und Schwestern leiden in ostdeutschen Gefängnissen.

Viele der 1740 Brüder, die letztes Jahr durch Untertauchen getauft wurden, stammen aus Ostdeutschland … Wobei sich mehr als 1300 Brüder immer noch hinter Schloß und Riegel befinden und ungefähr 3000 wegen ihrer Stellungnahme … ihr Zuhause aufgeben mußten, um nach Westdeutschland zu fliehen."

Sonderausgabe

Im vorangegangenen Bericht war auch davon die Rede, dass auch die WTG einschätzte, der Tod Stalins habe eine (zeitweilige) relative „Tauwetterperiode" eingeleitet. Nun waren die Zeugen Jehovas im geographischen Bereich Ostdeutschland schon immer präsent, auch in den Vor-kommunistischen Zeiten. Das damalige Riesenreich Sowjetunion muss da wohl etwas anders gesehen werden. Zur Zarenzeit gab es da zwar schon einzelne Bibelforschergruppen. Aber doch wohl eher der numerisch unbedeutenden Art. Mit der kommunistischen Machtergreifung sollte dann für die Religion insgesamt (gleich welcher Ausprägung) eine „Eiszeit" anbrechen. Im seinerzeitigen „Goldenen Zeitalter" der Zeugen Jehovas sind einige klagevolle Berichte nachweisbar bezüglich der Sowjetunion. Unter anderem einer der besagt, dass ein aus den USA (mit Visum) eingereister WTG-Vertreter, nachdem den Sowjetbehörden klar wurde, was der wirklich will, „Knall auf Fall" nach 14 Tagen Aufenthalt dort, wieder buchstäblich rausgeschmissen wurde. Zu irgendwelchen „Verhandlungen" war das Sowjetregime nicht im Entferntesten bereit.

Diverse Male findet sich auch die Klage über die straffe Sowjetzensur vor, die es zum Beispiel unmöglich machte, irgendwelche religiöse Literatur auf dem offiziellen Postwege einzuführen. Das damit ein besonderer Nerv der WTG-Religion getroffen wurde, liegt auf der Hand.

Der anbrechende Zweite Weltkrieg, schuf neue Geopolitische Konstellationen. In den annektierten baltischen Staaten gab es in der Zeit, wo diese noch selbstständig waren, zeitweise sogar eigene WTG-Büros. Auch WTG-Radiosendungen wurden von dort (zeitweise) ausgestrahlt. Nun also diese Staaten auch zur Sowjetunion zugehörend. Weit bedeutender indes waren die annektierten Gebiete, die davor zur Polen gehörten. Da waren schon größere Zeugen Jehovas-Populationen vorhanden, die nun ebenfalls in der Sowjetunion „verschwanden". Das seitens der WTG da Verhandlungswünsche - wenn denn möglich - mit den Sowjet-Machthabern bestanden, kann man durchaus nachvollziehen.

Stalins Tod, und das zeitweilige ungeklärte Machtvakuum danach, erschien der WTG als geeigneter Zeitpunkt dazu. Eine spektakulär zu nennende „Petition" wurde dazu in Szene gesetzt, worüber insbesondere die "Wachtturm"-Ausgabe vom 15. April 1957 - ausdrücklich als Sonderausgabe gekennzeichnet - berichtet. Es muss allerdings rückgefragt werden, welchen Stellenwert man dieser „Petition" denn zuordnen soll. Man muss sie wohl eher dem Bereich „Schaufensterreden" zuordnen.

Nicht nur das kommunistische, namentlich auch das nazistische Regime, erwies sich je länger, je mehr, als ausgesprochen Kirchenfeindlich. Das bekam auch die katholische Kirche zu spüren, die da doch anfänglich noch wähnte, mit ihrem Konkordat, ihre Interessen „in trockenen Tüchern" zu haben. Das war wohl eine grandiose Fehleinschätzung, was auch den Kirchenfürsten zunehmend bitter deutlich wurde. Der inzwischen veröffentlichte Aktenbestand dazu; etwa in der im Matthias Grünewald erschienenen Buchreihe „Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte bei der katholischen Akademie in Bayern", ermöglicht einige interessante Einblicke. Danach waren die Kirchenfürsten keineswegs ein „monolithischer Block". Zwar bestimmte der Breslauer Kardinal weitgehend die eigene Kirchenpolitik. Aber er hatte auch Widersacher, die ihm schon zeitgenössisch vorwarfen mit seiner Politik der „feinsten Diplomatie", auf die tatsächliche Sachlage nicht mehr angemessen zu reagieren.

Nun also die Zeugen Jehovas mit ihrer    1956er Sowjetunion-„Petition". War die von „feinster Diplomatie" geprägt. Wohl kaum. Wie naiv - eine andere Bezeichnung wäre wohl unangemessen - die Zeugenführung da vorging, macht allein schon der Umstand deutlich, das die Kommunisten, ausgerechnet in jener "Wachtturm"-Sonderausgabe, welche die „Petition" abdruckte, auch auf Seite 255 folgendes zu lesen bekamen:

„Der Gebrauch theokratischer Kriegslist

In Kriegszeiten machen die verschiedenen Parteien große Anstrengungen, um ihre Bewegungen vor dem Feinde zu verheimlichen. Um den Feind im Ungewissen zu lassen oder ihn daran zu hindern, Kenntnis über ihre Absichten zu erlangen, wenden sie Kriegslist an. Soldaten Christi, die mit Feinden Gottes zu tun haben, welche die Wahrheit hassen und andere hindern wollen, sie kennenzulernen, gebrauchen weißlich theokratische Kriegslist. Dies tun sie, nicht um jemandem zu verletzen oder ihm Schaden zuzufügen, sondern um zu verhindern, daß die 'Wölfe' die Bemühungen Menschen, die nach Erkenntnis der Wahrheit und Gerechtigkeit hungern, Hilfe gebracht werden doll. Wenn Christen solchen 'Wölfen' begegnen, wenden sie Kriegslist an, indem sie in Übereinstimmung mit Jesu Anweisung in Matthäus 10:16 so vorsichtig sind wie Schlangen und dabei so harmlos wie Tauben."

Das Thema „Theokratischer Kriegslist" war in jenem Jahre eine Art „Dauerbrenner". Erneut in der "Wachtturm"-Ausgabe vom 1. Mai 1957 (S. 287); auch in der "Wachtturm"-Ausgabe vom 15. Mai 1957 (S. 319) findet man es.

Im „Wachtturm" vom 1. Juli 1957 war ihm sogar ein eigener Artikel gewidmet. „Passend" auf das Niveau religiöser Narren zugeschnitten. Die mögen sich in der Tat auf „die Schenkel geklopft haben", wie „clever" da doch eine zitierte Zeugin Jehovas war. Das üble an der Sache ist allerdings. Das genannte Beispiel stellt nur die „Zuckerfassade" dar. Dieser Grundsatz der „theokratischen Kriegslist" griff und greift weitaus tiefer, als wie es jene Milchmädchenstory suggeriert. Zitat aus diesem Artikel:

„Wende theokratische Kriegslist an"

Eine Zeugin Jehovas ging in Ostdeutschland von Haus zu Haus und stieß auf einen heftigen Gegner. Da sie sogleich wußte, was nun zu erwarten war zog sie im nächsten Hausflur ihre rote Bluse aus und legte dafür eine grüne an. Kaum auf die Straße getreten, fragte sie ein kommunistischer Beamter, ob sie nicht eine Frau in einer roten Bluse gesehen habe. 'Nein', erwiderte sie und zog ihres Weges. War dies eine Lüge? Nein, sie log nicht … Vielmehr wandte sie theokratische Kriegslist an, indem sie die Wahrheit um des Predigtdienstes willen durch Wort und Tat verbarg.

Vielleicht fragt sich jemand, wo denn die Grenze zwischen theokratischer Kriegslist, durch die ein Tatbestand verborgen gehalten wird, und dem Aussprechen von Lügen gezogen werden soll …

So ist es denn in der Zeit eines geistigen Kampfes angebracht, den Feind auf falsche Fährte zu weisen, indem man die Wahrheit verbirgt. Dies geschieht aus Selbstlosigkeit und gereicht niemand zum Schaden … Gottes Diener stehen heute in einem Kriegszuge, einem geistigen, theokratischen Kampfe, einem Kriegszuge, den Gott gegen die bösen Geistermächte und falschen Lehren zu führen befohlen hat.

Sie müssen zu allen Zeiten sorgfältig darauf achten, daß sie dem Feinde nicht irgendwelche Auskunft vermitteln, die er zur Unterbindung des Predigtwerkes benutzen könnte."

Zum Thema kann man auch vergleichen:

Kriegslist zum Anfassen

Schlafende Hunde geweckt

Das die Zeugen Jehovas „kriegslüstern" sind, wussten (auch) die Kommunisten schon vorher. Und das wusste man schon seit der Nazizeit. Der damalige Bibelforscher-Gegner Jonak, wurde etwa im "Goldenen Zeitalter" vom 1. 11. 1936 von ihnen belehrt, bezüglich des von Jonak mit thematisierte Finanzierungsthema. Wobei jetzt keineswegs Jonak's Argumente unkritisch übernommen werden sollen. Es geht im jetzigen Kontext allein um den "flapsigen Ton" den da das "Goldene Zeitalter" anschlug, wenn es schrieb:

"Wenn Sie es noch nicht wissen sollten, so nehmen Sie es bitte jetzt zur Kenntnis. Es ist Krieg zwischen Gottes Organisation und der des Teufels, und keine Zeit, um wegen eines angeblichen 'Freimauerbriefes' lange Verhandlungen zu führen. Wir haben Wichtigeres zu tun. Unser König sagt: 'Stellet euch ringsum auf wider Babel ... schießet ihm nach, schonet die Pfeile nicht! denn gegen Jehova hat es gesündigt. Erhebet ein Schlachtgeschrei gegen dasselbe ringsum! ... Das ist ein deutlicher Befehl von Gott, den Tag der Rache auszurufen über die Organisation des Teufels, einschließlich der römisch-katholischen Hierarchie ..."

Man vergleiche auch : 19372Kriegserklaerung

Um jetzt wieder auf den "Petitions"-"Wachtturm" zurückzukommen. Das man auch ausgerechnet dort die fragwürdige Kriegslist-Dogmatik-Thesen zu lesen bekam, zeugt wohl von einer hochgradigen Verblendung. Zugleich ist es auch Beleg dafür, dass der WTG zu der Zeit, an einer Lösung der anstehenden Fragen überhaupt nicht gelegen war. Denn dafür wäre in der Tat „feinste Diplomatie" vonnöten gewesen. Es ging ihr nur darum sich den westlichen Falken als besonders militante Antikommunisten anzubiedern.

Natürlich bot die kommunistische Kirchenpolitik eine geradezu ideale Möglichkeit, sich den westlichen Falken anzubiedern. Die Opfer die dabei, für diese Politik, die im östlichen Machtbereich lebenden Zeugen Jehovas, zu erbringen hatten, wurden billigend in Kauf genommen. N. H. Knorr und seine Hardliner mussten ja nicht in kommunistischen Gefängnissen einsitzen. Dieses „Vorrecht" überließen die Brooklyner selbstredend anderen. Deren tatsächlich tragisches Schicksal diente nur dazu, selbst den blindesten westlichen Falken (die nicht unbedingt von Haus aus schon Zeugen Jehovas „Freunde" waren), von der Nützlichkeit dieser religiösen Idioten zu überzeugen.

Und so lässt denn genannte "Wachtturm"-Ausgabe unter der Überschrift „Streiflichter aus dem Roten Paradies" auch wissen:

„Es stimmt, daß bei einigen Regierungen, die vom Kommunismus gestürzt wurden, ein Wechsel nötig war. Aber dort, wo das Volk den Kommunismus annahm, tauschte es nur eine Art der Bedrückung gegen eine andere aus. Das verheißene Paradies blieb aus. Statt dessen gab es Spitzel, und eine brutale Staatspolizei und ausgedehnte Zwangsarbeitslager wurden geschaffen. Diese Lager bestanden tatsächlich, und als der kommunistische Terror seinen Höhepunkt erreichte, mögen sie vielleicht mehr als zehn Millionen Insassen gehabt haben. Das ganze unter sowjetischer Herrschaft stehende System hat sich als ein Fehlschlag erwiesen, was die Freiheit des Volkes betrifft, besonders, wenn man an die Freiheit denkt, die der Marxismus dem Volke versprochen hatte. Selbst die Religionssysteme der Christenheit, die in jenen Gebieten vertreten waren, mußten sich der Roten Herrschaft beugen. Aber Tausende der Träger der wahren messianischen Hoffnung, sind von den brutalen Herren des 'Volksparadieses' eingesperrt und gequält worden. Welche Martern sie ertragen müssen!"

Man stelle sich mal vor, der Breslauer katholische Kardinal mit seiner Politik der „feinsten Diplomatie", oder auch der Herr Papst in Rom, zu der Zeit, wo deutsche Militärtruppen, buchstäblich vor den Mauern des Vatikans in Rom patrouillierten (eine solche Zeit gab es). Man stelle sich vor, zu der Zeit hätten der Herr in Breslau oder der Herr in Rom eine ähnliche Verlautbarung laut in die Welt hinausposaunt (haben sie nicht, dass muss ebenso deutlich gesagt werden). Was dann wohl passiert wäre.

Gut, Kardinal Galen von Münster wagte es das Naziregime zeitgenössisch in der Euthanasiefrage zu brüskieren (Das bleibt sein unbestrittener Verdienst). Bekannt ist auch, wie die Nazis diesbezüglich beratschlagten. Zähneknirschend „zogen sie den Schwanz ein" und wagten es noch nicht (zu damaliger Zeit) gegen Galen vorzugehen.

Um auf die gestellte Frage zurückzukommen, Hätte der Herr in Breslau und der Herr in Rom, zeitgenössisch eine ähnliche Verlautbarung von sich gegeben, wie das zitierte Zeugen Jehovas-Statement. Ich bin mir keineswegs sicher, ob das dann auch wie im Falle Galen ausgegangen wäre. Hitler hatte sehr wohl erklärt. Es ist noch eine „Endlösung" auch mit dem Christentum vorgesehen. Die mit dem Judentum lief schon auf vollen Touren. Um die eigenen Kräfte nicht noch weiter zu verzetteln, wurde die Endlösung in Sachen Christentum, auf die Zeit „nach dem Endsieg" vertagt.

Gesetzt der Fall der Herr in Breslau und der Herr in Rom, hätten eben ihre „feinste Diplomatie" ad acta gelegt (Gründe dafür gab es mehr als genug). Was dann wohl passiert wäre! Ob es wirklich dann noch bei der Vertagung „nach dem Endsieg" geblieben wäre, ist doch sehr die Frage.

Narren sind in der Politik nicht selten - als Kanonenfutter - hochwillkommen. Da muss man keineswegs nur an jene Flugzeugpiloten denken, welche in das World Trade Center hineinrasten, mit den bekannten Folgewirkungen.

Die Zeugen Jehovas-Narren im Falle der Politik Rollback dem Kommunismus, waren gleichfalls solche hochwillkommenen Narren für die westlichen Falken!. Das politische Kapital das daraus ohne Zweifel eingeheimst werden konnte, hat Brooklyn nur mit Freuden kassiert. Herr Knorr brauchte dafür ja nicht persönliche Bekanntschaft mit kommunistischen Gefängnissen oder Deportationslagern machen! Und sein damaliger (nicht zu vergessender) „Statthalter in Westberlin", der Herr P., hat ihm auch nicht widersprochen!

Und so jubelt man in der flankierend zum Thema agierenden "Erwachet!"-Ausgabe vom 22. 4. 1957 (S. 31):

„Gottes Wort triumphiert über den Kommunismus

Wahre Christen werden von kommunistischen Führern mißhandelt, ihr Glaube an Gottes Wort hält sie aufrecht. Lesen Sie den ergreifenden Bericht 'Streiflichter aus dem Roten Paradies' in der Zeitschrift 'Der Wachtturm' vom 15. April 1957 . .... Wenn Sie diese Zeitschrift gelesen haben, wünschen Sie bestimmt auch einen Anteil an der Verbreitung der 10.000.000 Exemplare die von dieser Ausgabe gedruckt worden sind."

Ergänzend muss beachtet werden, dass die reguläre "Wachtturm"-Auflage zu damaliger Zeit, keineswegs schon so hoch war. Es wurde also bewusst eine Kampagne forciert.

Liest man weiter die WTG-Verlautbarung in diesem "Petitions"-WT (S. 249)

„An die Kommunistenführer eingereichte Petition.

'Ich werde Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinen Samen und ihrem Samen.' Diese Worte sprach Jehova Gott zur Schlange im Garten Eden. Die Feindschaft hat denn auch bis in unsere Zeit hinein bestanden. Heute tritt sie in dem Haß, den die kommunistischen Herrscher gegen Jehovas Zeugen hegen, besonders zutage."

Oder liest man weiter auch in der gleichen WT-Ausgabe:

„Im Juli jenes Jahres (1949) fand in der 'Waldbühne' in Berlin eine Bezirksversammlung der Zeugen Jehovas statt. Damals wurde von den 18.000 Versammelten eine Resolution angenommen, in der gegen die kommunistische Bedrückung der Zeugen Jehovas in Ostdeutschland protestiert wurde. Im folgenden Jahr nahmen anläßlich eines internationalen Kongresses der Zeugen Jehovas im Yankee-Stadion (New York) 85.000 Kongreßteilnehmer eine Resolution an, die einen Protest gegen Verfolgung der Zeugen Jehovas durch die kommunistischen und andere Regierungsmächte enthielt."

Liest man diese und weitere Passagen ähnlicher „Güte" in dieser WT-Ausgabe, dann kann man noch heute fast buchstäblich die Beifallsorkane in den Büros der maßgeblichen westlichen Falken hören. Dagegen mutiert ja der Herr McCarthy fast zu unbedeutenden Nummer. Nur eines ist dann wohl unangemessen; noch von einer „Petition" zu reden. Das war eine üble Schaufensterrede und sonst nichts!

Weiters zum Fall McCarthy

Polen

Eine weitere, in den Ohren der westlichen Falken als „Siegesfanfare" zu bewertenden Artikel über Polen, begegnet man in der „Wachtturm„-Ausgabe vom 1. Juli 1957.

Noch ist Polen - nach dem Auftreten der dortigen „Solidarnosc" in den 1980er Jahren, fraglos jenes Ostblockland gewesen, welche seine Zeugen Jehovas-Politik am weitestgehend liberalisiert hatte. Das war offenbar nicht „immer" so. Es gab auch dort andere Phasen, wovon auch dieser Artikel kündet.

Einige wesentliche Auszüge aus ihm:

„Die Herrschaft der Sowjets kennt weder Freiheit noch Gerechtigkeit. Sie ist bewußt aufgebaut auf Unterdrückung, auf Vernichtung jedes Einzelwillens, auf bedingungslose Einordnung. 'Die Herren aber sind wir. Die Unterdrückung ist uns anvertraut. Letzte Rücksichtslosigkeit ist unsere Pflicht. Und in der Ausübung dieser Pflicht ist letzte Grausamkeit höchstes Verdienst.' - Lenin.

So könnte nur jemand reden, der ausgesprochen den Geist des Teufels hat. Natürlich glaubte Lenin, der Führer der russischen Revolution vom Jahre 1917, nicht an übernatürliche Mächte, weder an gute noch an böse. Er war wie alle orthodoxen Kommunisten ein Atheist. Für solche Menschen war und ist Darwins Evolutionstheorie eine höchst willkommene Erklärung für das Dasein von Leben und für die Existenz des Menschen, da es sich dadurch erübrigt, einen allmächtigen, allweisen Schöpfer Ehre zu geben. Die Ansicht der Kommunisten, daß der Mensch das Produkt der Entwicklung sei, erklärt, weshalb der Mensch von ihnen so gering eingeschätzt wird. Für sie ist der Mensch nur ein Tier, das eine höhere Entwicklungsstufe als die übrigen Tiere erreicht hat und mit dem so verfahren werden kann, wie es die Interessen der kommunistischen Sache gerade erfordern mögen.

Wir finden dies nicht nur durch die Geschichte der Sowjetunion der vergangenen vier Jahrzehnte bestätigt, sondern auch durch die Millionen von Sklavenarbeitern, die in Hunderte von Lagern gesteckt wurden, und durch die unzähligen Opfer, die Elend ums Leben kamen.

Das wird weiterhin bestätigt durch die jüngsten Vorgänge in Ungarn und ferner durch die Verfolgung, die die Zeugen Jehovas seit dem Ende des zweiten Weltkrieges in kommunistisch regierten Ländern, wie in Polen, erlitten haben.

Mit dem Ende des zweiten Weltkrieges gewannen Jehovas Zeugen die Freiheit, zu predigen wieder, doch nicht für lange. Der kommunistische Widerstand machte sich immer mehr bemerkbar, so daß es im Jahre 1948 unmöglich wurde, die jährlichen und halbjährlichen größeren Versammlungen - bekannt als Bezirks- und Kreisversammlungen - abzuhalten.

Während der Nazizeit befanden sich einige Zeugen Jehovas mit Josef Cyrankiewicz, der von 1947 bis 1952 Ministerpräsident gewesen ist und dieses Amt seit dem 19. März 1954 von neuem bekleidet, in einem Konzentrationslager der Nazis. Sie hatten ihr essen mit ihm geteilt und ihm auf verschiedene und andere Weise Hilfe geboten, und ihr vorzügliches Verhalten hatte auf ihn tiefen Eindruck gemacht. Er sagte ihnen damals, falls sie, die Zeugen Jehovas, wenn er in Polen nach dem Kriege je eine hohe Stellung einnehmen sollte, einmal in Schwierigkeiten kämen, dann möchten sie sich an ihn wenden. Als nun im Jahre 1948 die Lage für die Zeugen wirklich kritisch wurde, sandten sie eine Delegation zu ihm. Die Mitglieder dieser Delegation wurden bereitwillig von ihm empfangen, und er sagte ihnen, er wisse, was vor sich gehe, doch stehe es nicht in seiner Macht, etwas dagegen zu tun.

Schon vorher, nämlich im Februar 1946, hatte das Woiwodschafts-Sicherheitsamt in Lodz gewisse leitende Mitarbeiter des Zweigbüros dort verhaftet. Einem von ihnen wurde gesagt: 'Ihr müßt mit dem Strom schwimmen, andernfalls werdet ihr nicht freigelassen.' Als er fragte, was damit gemeint sei, erklärte ihm ein Beamter:

'Sie werden mit uns zusammenarbeiten. Sie werden eine Deklaration unterschreiben, die im Tresor aufbewahrt werden wird. Sie erhalten ein Pseudonym, und die damit unterzeichneten Berichte werden Sie hier in das Amt oder in meine Privatwohnung bringen, oder jemand von uns wird die Berichte in ihrer Wohnung abholen. Sie werden die Zeugen Jehovas dahingehend organisieren, daß sie alle römisch-katholischen Gottesdienste besuchen und genau auf die von den Geistlichen gehaltenen Predigten achten. Sie werden sich alle Äußerungen notieren, die sich gegen die Volksherrschaft richten oder für den Staat nachteilig sein könnten.'

Der Zeuge weigerte sich diesbezüglich, indem er erklärte, die Zeugen bekämpften ihre Feinde nur mit der biblischen Wahrheit und liebten ihre Nächsten. Die verhafteten Zeugen wurden später freigelassen, und zwar in folge eines Protestes, der beim polnischen Botschafter in Bern, Schweiz, eingereicht worden war.

Im Juni 1946 kam der erwähnte Beamte in das Zweigbüro in Lodz und verlangte erneut, daß die Zeugen mit ihnen zusammenarbeiteten. Er warnte vor den furchtbaren Konsequenzen für den Fall, daß sie sich weigern würden, und versprach, daß man den Zeugen Jehovas in den verschiedenen Städten die besten Säle zur Verfügung stellen werde, wenn sie mit ihnen zusammenarbeiteten. 'Niemand kann sich uns entziehen', sagte man dem Zeugen. Der Zeuge blieb fest, und so entfernte sich der kommunistische Funktionär in großer Aufregung. Am nächsten Tage wurde der Zeuge auf eine so schlaue Art entführt, daß niemand es bemerkte. Als man ihn jedoch vor den Staatsanwalt brachte, ließ dieser ihn frei.

Am 21. April 1950, um 22,30 Uhr, erschienen Beamte des Sicherheitsamtes, besetzten das Zweigbüro und verhafteten die mit der Leitung betrauten Männer. Es waren keine Haftbefehle ausgestellt worden, was zeigt, daß der Überfall ohne Wissen der Staatsanwaltschaft durchgeführt wurde. Kurz darauf erfolgte die Verhaftung aller im Zweigbüro beschäftigten Personen, und das Werk wurde in ganz Polen offiziell verboten.

Die hier erwähnten Tatsachen wurden zwei Dokumenten entnommen, die in Warschau der polnischen Generalstaatsanwaltschaft vom leitenden Prediger der Zeugen Jehovas dieses Landes unterbreitet wurden.

Die Zeugen wurden in das Woiwodschafts-Sicherheitsamt in Lodz überführt, wo an ihnen gleich zu Beginn Inquisitions- oder Foltermethoden 'dritten Grades' angewandt wurden.

Zeuge A wurde während acht Tagen und acht Nächten ununterbrochen grausam gequält und mißhandelt.

Zeuge B wurde sechs Tage lang ähnlich behandelt.

Zeuge A. wurde geschlagen, bis er blau und schwarz war. Wiederholt sagte man ihm, die Torturen würden eingestellt, wenn er bekenne, daß er ein Spion gewesen sei. Seine Peiniger verlangten von ihm ferner, daß er ein Protokoll unterschreibe, das besagte, er habe den Bau einer Radiostation angeordnet, die Informationen ausgestrahlt habe, durch die gewisse Interessen Polens verraten worden seien. Auf seine Frage, wie er ein Protokoll unterschreiben könnte, das ausgesprochener Unsinn sei, sagte man ihm: 'Unsinn oder nicht, unterschreibt, sonst lassen wir Euch nicht frei.'

Als er unter den Schlägen bewußtlos zusammenbrach, begoß man ihn solange mit kaltem Wasser, bis er wieder zu sich kam und jegliche Blutspuren von seinem Anzug weggewaschen waren. Einmal zwang man ihn, während zweiundsiebzig Stunden auf dem Boden zu knien. Danach wurde er ins Sicherheitsministerium in Warschau überführt - die Torturen in Lodz hatten seinen Widerstand nicht zu brechen vermocht. Durch diese Mißhandlungen wurde seine Gesundheit auf Lebenszeit ruiniert. Beachtenswert ist jedoch, daß seine Lauterkeit nicht getrübt wurde, sie tat nur um so klarer hervor! …

Dann wurde er in das Gefängnis von Mokotow überführt, das noch berüchtigter war.

Inwiefern konnte das Gefängnis zu Mokotow noch schlimmer sein? Allerdings konnten die Torturen nicht mehr viel schlimmer werden, doch wurde Zeuge A dort derart auf die Brust geschlagen, daß er nach Jahren bei jedem tiefen Atemzug Schmerzen verspürte. Dort indes verstanden es die Kommunisten besonders gut, ihre Fragen so zu formulieren, daß sich ihre Opfer in den eigenen Antworten verstrickten. Sie entstellten die Aussagen ihrer Opfer, und wenn diese vor Gericht erschienen, wurde das Urteil auf Grund solcher Aussagen gefällt.

Mit dem Zeugen B. verfuhr man auf ähnliche Weise. Abgesehen von unzähligen Schlägen auf den Kopf und in den Bauch, wurden ihm die Kiefer herausgeschlagen, so daß er tagelang nichts essen konnte. Man sagte ihm, daß man, wenn man wolle, aus ihm - obwohl er als Hitlergegner fast fünf Jahre in einem deutschen Konzentrationslager gesessen habe - doch einen erstklassigen Gestapomann machen könne."

Zeuge D. wurde ganz ähnlich behandelt wie Zeuge A. Auch ihn sperrte man in das kleine Zementloch, schlug ihn, holte ihn wiederholt heraus und forderte ihn auf, sich der Spionage schuldig zu bekennen, was er standhaft zurückwies.

Die in den vorangehenden Abschnitten erwähnten Zeugen und viele, die ähnliche Leiden ertrugen, blieben am Leben, um von den Torturen berichten zu können, die sie durchmachten; andere dagegen überlebten sie nicht …

Zweitausend Personen, die gegen diese sadistischen Methoden der kommunistischen Polizei protestierten, welche jetzt 'Berijanismus' genannt werden wohnten (einer) Beerdigung bei.

Andere zeugen verloren als Folge von Mißhandlungen ihr Augenlicht, wieder andere alle Zähne, und manche sind für ihr ganzes Leben zu Krüppeln geworden und können sich ihren Unterhalt nicht mehr selbst verdienen.

Nach der Tagung des Zwanzigsten Kongresses der kommunistischen Partei in Moskau, die den Ausschlag zum Beginn des 'Entstalinisierungsprogramms' gab, wurde die Anklage auf Spionage fallen gelassen. Der Berijanismus gehört, was Polen betrifft, wenigstens vorläufig der Vergangenheit an. Polnische Staatsmänner haben erklärt, daß ihre Justizbehörden alles, was in ihrer Macht steht, tun werden, um das Unrecht, das an Tausenden von Unschuldigen - darunter auch an Zeugen Jehovas - verübt wurde, wiedergutzumachen.

Dies geht treffend aus folgenden Auszug aus dem Jahrbuch der Zeugen Jehovas 1957 (engl.) hervor: 'Ein ganz prominenter Regierungsbeamter erklärte: 'Ich bin begeistert über ihre Haltung.' Weiter sagte er, die Angelegenheit der Zeugen Jehovas sei von der polnischen Regierung aus folgenden drei Gründen wieder erwogen worden, nämlich

1. weil sich die Lehren der Zeugen Jehovas trotz des sechsjährigen Verbots nicht geändert hätten;

2. weil sie trotz der Verhaftungen und vieler anderer Schwierigkeiten, ihre Religion weiterhin mutig und furchtlos ausübten und

3. weil sich ihre Zahl während der Verbotszeit vervierfacht habe."

Zu Letztgenannten Zahlenaspekt sei vielleicht noch eine Publikation des Herrn H. zitiert, da glaubt in DDR-Stasi-Akten die Angabe gefunden zu haben:

Von 1949 bis 1960 hätte sich die Zahl der Zeugen Jehovas (in Polen) von ca. 10.000 auf  70.000 erhöht."

An anderer Stelle seiner Studie relativiert H. aber selbst diese Zahlenangaben wieder, wenn er etwa schreibt:

„Vom Präsidenten der WTG in Brooklyn sei ein großes Lob an den polnischen Zweig ausgesprochen worden. Der aktive Einsatz der Gläubigen habe dazu geführt, dass Polen mittlerweile, an der Zahl der Zeugen Jehovas gemessen, an dritter Stelle in der Welt stehe, nach den USA und Deutschland. Daraufhin habe Scheider die Parole erlassen 'Auf zum Kampf um den 2. Platz im Weltmaßstab'. Diejenigen, die gegen diese Parole Einwände erhoben, seien als 'Bremsklötze' bezeichnet worden. Deshalb sei die Gesamtzahl innerhalb weniger Jahre auf 80.000 Glieder angewachsen. Dies sei 'Betrug vor Jehova', der zur Sprache gebracht werden müsse. …

In der Folgezeit wurde diesem falsch verstandenen Missionseifer von der WTG-Leitung offensichtlich entgegengewirkt. Im Jahrbuch 1994 heißt es hierzu: 'Viele von ihnen (neue Verkündiger, d. A.) kamen nicht einmal zu den Zusammenkünften. Im März 1959, als 84.061 Verkündiger über ihre Tätigkeit berichteten, besuchten nicht einmal so viele das Gedächtnismahl. Daher konnte die geistige Stärke der Organisation leicht geschwächt werden. […] Es wurden Korrekturen vorgenommen. Die Zahl der Verkündiger sank allmählich bis sie sich bei 50.000 einpendelte. Es dauerte fast 29 Jahre, bis eine neue Verkündigerhöchstzahl erreicht wurde. Aber diesmal - im Januar 1988 - waren es 84.559 richtige Verkündiger!"

Redaktionelle Nachbemerkung. Unabhängig vom zuletzt genannten Zahlen-Dissenz. Vorstehendes ist ohne Frage ein erschütternder, sehr erschütternder Bericht.

Erschütternd ist aber auch die USA-Politik ín Guantanamo, und anderswo, inklusive diverser CIA-"Geheim"-Gefängnisse, wo international geächtete Foltermethoden, mit allerhöchstem USA-Segen ausgeführt werden. Lediglich dass die Opfer- und Motivationskategorien inzwischen anders akzentuiert sind.

Ungarn

Politisch denkende Menschen, namentlich solcher westlicher Prägung, haben sicherlich keine „Bauchschmerzen" bezüglich des Artikels „Ungarn revoltiert gegen seine Zwingherren", marktgerecht als Sonderausgabe der "Erwachet!"-Ausgabe vom 22. 4. 1957 präsentiert. Indes westlicher politischer Konsens, und die offizielle zeitgenössische östliche Meinung, divergierten erheblich. Das muss auch gesagt werden. Man muss sich also letztendlich entscheiden, was einem wichtiger ist. Im Einklang mit dem westlichen Mainstream zu agieren. Das tat die WTG, dafür ist auch dieser Artikel Beleg. Dann muss man sich allerdings auch die Gegenfeststellung gefallen lassen. Das mit der vorgeblichen „Neutralität" „war wohl nichts".

Hat man sich politisch so positioniert braucht man sich - eigentlich - über die entsprechenden Gegenreaktionen auf östlicher Seite auch nicht mehr zu wundern. Es ist für eine internationale Religionsorganisation, die zudem vorgibt, noch „neutral" sein zu wollen, keinesfalls zwingend, und erst recht nicht geboten, zeitgenössisch so zum Thema Ungarn Stellung zu nehmen, wie es die WTG tat.

Die WTG beschritt damit eine gefährliche Gratwanderung, die schon nahe an das herankam, was man an anderer Stelle im gleichen „Erwachet!„-Jahrgang auch lesen kann, wenn man in der Ausgabe vom 8. 3. 1957 zu der Frage „Wer wird in Harmagedon kämpfen?" liest:

„Die auferstandenen Glieder des Leibes Christi, 'folgen dem Lamme wohin es irgend geht', zweifellos auch in das Schlachtgewühl. Das Blut wird in Strömen fließen. Harmagedon wird eine 'Drangsal sein, wie es seit Beginn der Schöpfung, die Gott schuf, bis zu dieser Zeit keine gegeben hat und nicht wieder geben wird.' Kein Mensch, der nicht auf der Seite des Königreiches Jehovas ist, wird am Leben bleiben. Satans ganze Welt oder sein System der Dinge, seine unsichtbaren dämonischen Himmel und seine verderbte 'Erde' der ihm dienenden Menschen, werden vernichtet werden."

Nachstehend die wesentlichen Aussagen des Ungarn-Artikels, als im weiteren unkommentierte, zeitgenössische Dokumentation verstanden.

„Ungarn revoltiert gegen seine Zwingherren

Warum stand das ganze Volk auf? Was geschah in Ungarn als der lächelnde russische Bär der nachstalinistischen Zeit zu knurren anfing?

Dieser Artikel stützt sich auf Berichte des 'Erwachet!'-Korrespondenten in der Schweiz.

Die Welt horchte auf, als am 23. Oktober des vergangenen Jahres das ganze ungarische Volk gegen die brutale, bedrückende Rote Herrschaft revoltierte.

Nach Stalins Entthronung hatte der russische Bär gelächelt. Das Fenster war einen kleinen Spalt breit geöffnet worden. Sehnsüchtig hatten die Menschen einen Blick ins Freie getan. Gierig sogen ihre erschlafften Lungen die frische Luft ein.

Dann erhob sich das bedrängte Volk wie ein Mann, um das Joch der verhaßten Herrschaft abzuschütteln. Die 'friedliche Koexistenz' mit Rußland flog auseinander. Das Lächeln des Bären verwandelte sich in ein Knurren, aus dem Glacehandschuh kam eine eiserne Faust hervor, und die Straßen Ungarns wurden mit Blut getränkt.

Es war nicht beabsichtigt, daß die Demonstrationen in Ungarn größere Ausmaße annehmen sollten, als sie in Polen angenommen hatten. Aber die Schießereien am ersten Tag wirkten wie ein brennendes Streichholz in einem Pulverfaß. Das ganze Volk explodierte. Der Haß gegen die kommunistische Herrschaft war so abgrundtief, daß das ganze Volk sich plötzlich gegen das System erhob, um es zu beseitigen.

Die Zwangsmethoden der Staatsdiktatur, die Unterdrückung der Freiheit und die grausame Willkürherrschaft der staatlichen Sicherheitspolizei (AVH) sind einige der Ursachen, die das Volk zur Revolution bewegten; ebenso die maßlose Ausbeutung der Arbeiter, das bedrückende Wirtschaftssystem und die Erinnerungen an die von den Russen begangenen Gewalttaten, nachdem sie die Nazis vertrieben hatten.

Das Volk hatte auch kein Vertrauen zu den Versprechungen des kommunistischen Regimes, die Bauern weigerten sich, in das Kolchossystem hineingepreßt zu werden, und der Haß gegenüber dem Staatsdiktat unter der kommunistischen Herrschaft war groß. Die Menschen lebten unter einem System, das sie haßten und sie warteten nur auf eine Gelegenheit, ihrem Haß Luft zu machen.

Überraschenderweise schuf die Regierung diese Gelegenheit selber. Nach der Entthronung Stalins wurden Ungarn, die im Namen des Stalinismus hingerichtet worden waren, rehabilitiert, indem man sie mit feierlichem Staatsgepränge neu begrub. Anstatt die unzufriedenen Massen zu besänftigen, gab dies Hunderttausenden die Gelegenheit, gegen das Regime zu demonstrieren. Die ungarische Jugend hörte aus dem Munde ihrer Roten Herren, was für schreckliche Verbrechen im Namen der Kommunismus begangen worden waren. Leidenschaftliche Diskussionen waren die Folge, und der Haß wurde noch unversöhnlicher.

Am Montag, dem 22. Oktober forderten die Studenten der Budapester Universität die Zurückziehung der russischen Truppen aus Ungarn. Am folgenden Tag verlangten sie freie Wahlen sowie Rede- und Pressefreiheit. Studenten, die ungarische Fahnen trugen, riefen: 'Lang lebe Ungarn!', 'Fort mit den Russen!'. Ihrem Umzug durch die Hauptstadt folgte eine Menge von mehreren Hunderttausend Menschen. Vor der Budapester Radiostation begann die kommunistische Sicherheitspolizei auf die Studenten zu schießen. Wütend darüber stürmten diese das Gebäude, und die Revolte war im Gange!

Wohl zogen die Kommunisten aus der Stadt ab, umzingelten sie aber, während russische Verstärkungen in das Land einströmten. Ministerpräsident Imre Nagy kündigte das Ende des Einparteinsystems an und versprach freie Wahlen. Ungarn trat aus dem kommunistischen Warschauer Pakt aus, erklärte seine Neutralität und ersuchte die vier Großmächte, diese Neutralität zu garantieren.

Würden die Russen eine solche Herausforderung an ihr System ohne weiteres hinnehmen?

Nein, russische Truppen umstellten und besetzten plötzlich alle ungarischen Flughäfen und unternahmen am 13. Tag des Aufstandes, 3 Uhr morgens, einen Großangriff auf Budapest.

Einer der Zeugen Jehovas in Budapest berichtete, er habe am 22. Oktober, dem Tag vor dem Ausbruch der Revolution, an seinem Arbeitsplatz gehört, daß am folgenden Tag die DISZ-Jugend (kommunistische Jugendorganisation) aufmarschieren sollte. An jenem Tag sah er auf dem Stalinplatz, der nur fünf Minuten von seiner Wohnung entfernt lag, wie das mächtige Stalin-Denkmal unter dem großen Jubel der Menge gestürzt wurde. Zu seiner Frau sagte er:

'Gehen wir nach Hause, dies kann Folgen haben.'

Die ganze Nacht hindurch schrie die Menge auf der Straße, und gegen Mitternacht waren aus vielen Richtungen Schießereien zu hören.

Als dieser Ungar am 26. Oktober zur Arbeit ging, sah er am Eingangstor der Fabrik ein Plakat, das die Aufschrift trug:

'Im Schatten russischer Panzer arbeiten wir nicht!'

Sein Nachbar bat ihn, ihn zu seinem Arbeitsplatz zu begleiten. Als sie dort ankamen, sahen sie einen Galgen, an dem ein Plakat mit folgendem Wortlaut hing:

'Tod für die Streikbrecher!' So kehrten sie wieder nach Hause zurück.

'Nie zuvor', erzählte er, 'fand ich eine bessere Gelegenheit zum Zeugnis geben, sei es beim Schlangestehen vor dem Bäckerladen oder während der Kämpfe im Schutzkeller'

Folgendes ist die Geschichte eines anderen Zeugen Jehovas - einer von den sechshundert, die als Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen Sklavenarbeit geleistet haben. Er war zu acht Jahren Kerker verurteilt, aber dann in das Arbeitslager Talapa gebracht worden. Dort befanden sich bereits 200 bis 250 Zeugen aus den verschiedensten Gegenden Ungarns. Dreißig von ihnen wohnten zusammen in einem Zimmer …

Dieser Zeuge Jehovas wurde durch eine Amnestie frei, erhielt aber prompt wieder einen Stellungsbefehl und wurde erneut wegen Militärdienstverweigerung verurteilt, diesmal zu sechs Jahren Nach einiger Zeit landete er im Arbeitslager Zsolnak, wo er Glaubensbrüder traf, von denen einige Sonderreiseprediger gewesen waren, die die Aufgabe haben, unter den Zeugen Jehovas eine leistungsfähigere Organisation aufzubauen. In diesem Lager ging es weit strenger zu. ....

Aber nach dem 20. Parteikongreß, als der russische Bär zu lächeln begann, trat eine Milderung ein, und ungefähr 100 Zeugen Jehovas wurden freigelassen.

Als die politischen Gefangenen den Ausbruch der Oktober-Revolution erfuhren, traten sie sofort in einem Sympathie-Streik, weigerten sich zu arbeiten, aus dem Bergwerk heraufzukommen oder zu essen.

Die Zeugen Jehovas wurden aufgefordert, mitzumachen, und man drohte ihnen, daß sie erschlagen würden, wenn sie das Essen entgegennähmen.

Sie beschlossen mit zu tun, sofern alle anderen das Essen verweigerten. Die politischen Gefangenen faßten schnell ein Memorandum ab, worin die Freilassung gefordert wurde, und sandten es an die Regierung. Sie fertigten aus einem Leintuch eine Fahne an, zogen damit in den Hof des Lagers, hißten sie und sangen die ungarische Nationalhymne. Sie wollten die Zeugen zwingen, auch hinauszugehen, aber diese weigerten sich.

Man drohte ihnen. Sie hielten es für angebracht, mit ihrem Lagerführer zu sprechen.

'Wir können das nicht tun, selbst wenn wir unser Leben lassen müßten, weil dies unserer Gottesanbetung widerspricht', erklärten sie.

'Wir wollen den Hungerstreik mitmachen, aber anderen Forderungen können wir nicht nachkommen.'

Die anderen Gefangenen waren damit einverstanden. Sollte es zu einem bewaffneten Ausbruch aus dem Lager kommen, so würden sie die Zeugen ungeschoren lassen. Inzwischen kam militärische Verstärkung an. Auch Aufständische erschienen. Nach einiger Zeit kamen fünf Panzer der Regierung angerollt, und von dem heftigen Gefecht, das außerhalb der Lagers entstand, erbebte das ganze Lagergebäude. Am vierten Tag wurde der Hungerstreik eingestellt. Eine Kommission aus Budapest versprach, daß alle freigelassen würden, und achtzig wurden mit einem Entlassungsschein versehen.

Unterdessen liefen aber auch die Soldaten, die zur Verstärkung hierher gebracht worden waren, zur Regierung Nagy über und ermunterten die Gefangenen, auszubrechen. Aber alle warteten auf die Entlassungsscheine, die ja ein wichtiges Ausweispapier waren. Innerhalb von drei Tagen wurden alle freigelassen, welche Freude, wieder frei zu sein."

Ergänzend sollte man noch hinzufügen. Zu dem Zeitpunkt wo dieser Ungarn-"Erwachet!"-Artikel veröffentlicht wurde, war die Rutherford'sche Obrigkeitslehre von 1929 noch voll in Kraft. Man las unter anderem. Auch die Zeugen Jehovas nahmen an Streiks teil.

Eine Zeitblende.

Ums Jahr 1962/63 kippte die WTG die Rutherford'sche Obrigkeitslehre. Dies hatte dann in Krisensituationen auch praktische Konsequenzen. Erinnert sei insbesondere an die Zeit, Anfang der 1980er Jahre, als die Solidarnosc in Polen ihre Hochphase hatte. Auch da standen Streiks auf der Tagesordnung.

Der gewaltige Unterschied bestand jetzt allerdings darin, dass sich die Zeugen Jehovas dabei als ausgesprochene Streikbrecher betätigten, und sich dieses Umstandes auch rühmten.

Radioduell

Eine Siegesfanfare meint der „Wachtturm" in seiner Ausgabe vom 15. 2. 1957 anstimmen zu können:

„Es kommt nicht oft vor, daß das Radio benutzt werden kann aber eines Tages empfing das (Berner) Zweigbüro einen Brief vom Leiter einer Radiostation, worin Jehovas Zeugen eingeladen wurden, an einer Diskussion mit Vertretern der Reformierten Landeskirche teilzunehmen. Berichte, die aus allen Gegenden des Landes eingegangen sind, besagen, daß Tausende diese Diskussion mit anhörten, und als Ergebnis schrieben viele dem Zweigbüro und teilten mit, Jehovas Zeugen hätten in der Diskussion gewonnen. In einer Zeitung stand über dieses Radioprogramm folgendes zu lesen:

'Mit Bedauern muß gesagt werden, hätte man sich für die eine oder andere Gesprächspassage entscheiden müssen, man sich eher zugunsten der Vertreter der Sekte (Jehovas Zeugen) entschieden haben würde."

Offenbar gibt es dazu noch einen Parallelbericht. Josy Doyon, zur fraglichen Zeit noch aktive Zeugin Jehovas, berichtet in ihrem Buch „Hirten ohne Erbarmen" auch darüber. Der diesbezügliche Doyon-Bericht sei nachstehend auch noch zitiert:

Bald, nachdem wir aus Nürnberg zurückgekehrt waren, verkündete man in der Versammlung, es finde demnächst am Radio eine Diskussion zwischen Zeugen Jehovas und einigen Vertretern der Landeskirche statt. Wir sollten nicht versäumen, dies mitanzuhören.

Auch Mutter hatte davon in der Radiozeitung gelesen und sagte ein bisschen anzüglich zu mir: «Es ist ein sehr bekannter Professor und Theologe, der an dieser Diskussion teilnehmen wird.»

Mir machte das herzlich wenig Eindruck, ich hatte mich inzwischen daran gewöhnt, alle Sorten von Geistlichen zu den Heuchlern zu zählen. Trotzdem war ich gespannt auf das Gespräch.

An jenem Nachmittag ging Mutter vorsichtshalber fort, und ich sass allein vor dem Radio.

Die Sache liess sich von Anfang an für den bekannten Theologen schlecht an, das merkte ich. Er hatte nämlich einen Klang in der Stimme, der ganz offen andeutete, er könne als Professor die Sekte der Zeugen Jehovas nicht ernst nehmen und mit ihren lächerlichen Lehren werde er im Handumdrehen fertig werden. Aber er sollte sich täuschen. Das Bethel hatte an diese Diskussion zwei durchtrainierte Brüder geschickt, welche die Bibel so gut wie auswendig kannten. Zwei Männer, die es seit vielen Jahren gewohnt waren, bei jeder Argumentation die Oberhand zu behalten. Für sie gab es keine überraschenden Angriffe, wären sie auch noch so spitzfindig und hinterhältig gewesen.

Und der gute Professor hatte sich offensichtlich auch gar nicht auf spitzfindige Argumente gefasst gemacht. Er packte den Stier sozusagen gleich beim Schweif, statt bei den Hörnern, indem er den Zeugen in sarkastischem Tonfall vorwarf, sie berechneten Zeiten und Jahre ungefähr so, wie ein Metzger eine Wurst durch die Maschine lasse. Und das sei bestimmt nicht biblisch, denn Jesus habe ja gesagt, Zeit und Stunde wisse niemand ausserdem Vater im Himmel, was die Endzeit anbelange.

Einer der Brüder erwiderte ihm daraufhin in seelenruhigem Ton, dass es nichts Neues sei, wenn man gewisse biblische Zeiten errechnen wolle, das hätten schon die Propheten getan. Und er schlug sogleich den ersten Petrusbrief auf und las die Verse 10 und 11 vor: über welche Errettung Propheten nachsuchten und nachforschten, die von der Gnade gegen euch geweissagt haben, forschend, auf welche oder welcherlei Zeit der Geist Christi, der in ihnen war, hindeutete, als er von den Leiden, die auf Christum kommen sollten, und von den Herrlichkeiten danach zuvor zeugte.»

So, da hatte der Professor seine Wurstmaschine! Er schien tatsächlich durch die prompte Bibelstelle unsicher geworden zu sein. Er ging sofort zu einem neuen Angriff über. Aber was immer er auch vorbrachte, prompt bekam er eine treffende Bibelstelle an den Kopf, die ihm wohl kaum den gewünschten Eindruck machte, umsomehr aber den Radiohörern, die ob solcher Bibelkenntnis der Zeugen nur staunen mussten. Er war auch offensichtlich gar nicht drauf gefasst gewesen, mit den Zeugen anhand von Bibelstellen zu kämpfen. Er hatte sich einfach einige ihrer vermeintlichen Irrlehren herausgepickt und diese theologisch zu widerlegen versucht. Und das schlug entschieden fehl.

Während dieser Radiodiskussion sprang ich vor Aufregung auf und nieder und freute mich wie ein Kind an dem offensichtlichen Sieg der Brüder. Nach so vielen bedrückenden Stunden wurde mir wieder einmal sonnenklar, dass es die Wahrheit sein müsse, die ich gefunden hatte, weil nicht einmal ein Professor der Theologie imstande sei, sie zu widerlegen.

Bald darauf traf ich an einer Kreisversammlung den einen der Zeugen, die an der Diskussion teilgenommen hatten, persönlich und sagte zu ihm:

«Das war einfach grossartig, wie ihr am Radio diesen Theologen geschlagen habt. Ich habe mich riesig darüber gefreut, denn der Mann hat so geredet, als seien Jehovas Zeugen eine nicht ernst zu nehmende Sekte.»

Der Bruder — er ist inzwischen gestorben — lächelte und sagte:

«Ja, die Diskussion war eine grosse Niederlage für die kirchlichen Kreise. Es gingen nachher bei uns viele Schreiben von Leuten ein, die uns offen sagten, sie hätten bis jetzt viel von der Landeskirche gehalten, aber nun schämten sie sich ob der offensichtlich mangelnden Bibelkenntnis eines Theologieprofessors. Gerade durch diese Diskussion haben sich viele Menschen für die Wahrheit zu interessieren begonnen.»

Ich war wieder einmal überwältigt und begann mit neuem Elan und Eifer die Lehren der Wachtturmgesellschaft zu vertreten. Es kam mir gar nicht in den Sinn, dass jener Theologe wohl kaum eine derartige Niederlage erlitten hätte, wenn er die Gesellschaft und ihre Taktiken durch und durch gekannt hätte. Zu dem Zweck jedoch hätte er schon selbst viele Jahre lang ein Zeuge sein müssen, er hätte selbst ein höheres Dienstamt in der Gesellschaft bekleiden müssen, dann erst wäre er imstande gewesen, wenigstens einen provisorischen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Aber wer hätte schon Lust, einen Teil seines Lebens als bewusster Gegner unter der totalitären Herrschaft einer frommen Gesellschaft zu verbringen?"

WBBR

Der Rubrik „Niederlagen in Siege" umgefälscht ist letztendlich auch die Mitteilung über den Verkauf der WTG-Radiostation WBBR zuzuordnen, worüber der „Wachtturm" vom 15. 7. 1957 berichtet. Im geschönten WTG-Vokabular liest man da:

„Der Rundfunk hat beim Predigen des Reiches Gottes in den vergangenen dreißig Jahren eine große Rolle gespielt. Am 24. Februar 1924 begann die nichtkommerzielle Radiostation WBBR, die der Watch Tower Society gehörte, in der Stadt New York ihre Sendungen auszustrahlen.

Die große Geldsumme, die nötig war, um die Radiostation zu betreiben, kann nun sehr gut für das Missionar- und Sonderpionierwerk in anderen Ländern und auch in Amerika verwendet werden. Daher hat die Gesellschaft beschlossen, die Radiostation WBBR zu verkaufen, und sie hat dies am 15. April 1957 bereits getan. Die Station WBBR hat ihren Zweck erfüllt und den Interessen des Reiches Gottes gut gedient. …"

„Dezent" unterschlägt der WT aber jene Euphorie, die gerade bei den Bibelforschern (Zeugen Jehovas) zeitgenössisch mit dem Thema Radio verbunden wurde.

Wieder mal platzt eine Seifenblase!

Zu weiterem siehe auch:

Radio

19402Kampf

Wahrheit

Niederlagen in „Siege" umgefälscht

Soweit es möglich ist, besteht die Strategie der WTG darin, ihre dunklen Punkte mit dem Mantel des Schweigens zu umgeben. Beispiel ihre Spekulations-Erwartungen bezüglich des Jahres 1910 in der Frühzeit. Da hat die WTG in der Tat die Gewissheit. Es gibt bei den heutigen Zeugen kaum noch welche, in deren Familienlinie welche vorhanden sind, die das persönlich miterlebten. Das kann sie also bequem als „graue Vorzeit" abtun.

Abers sieht es schon bei ihren Datenspekulationen bezüglich 1914 und 1925 aus. Da musste sie schon mal agieren. Umdeutungen, Wegerklärungen, Bagatellisierungen ihr „Rezept" dabei.

Dann gab es da noch ein Thema, welches in der Frühzeit die WTG-Anhänger im besonderen motivierte. Das waren die Theorien um die Pyramide von Gizeh. Da klappt es schon nicht mehr so ganz mit dem totalen Totschweigen. Deshalb ihr Rezept dabei. Niederlagen in „Siege" umzufälschen. Einem solchen Beispiel, wo sich die WTG genötigt sah, ihrerseits auch mal auf das Pyramide-Thema mit einzugehen, begegnet man im „Wachtturm" vom 15. Juli 1957. Da läßt sie nachfolgende „ergötzliche" Geschichte zum „besten" geben:

„Bei einem Heimbibelstudium kommst du vielleicht mit einer Person zusammen, der man gesagt hat, die Maße der großen Pyramide von Gizeh seien im Einklang mit der biblischen Prophezeiung, und wir sollten sie studieren, um Gottes Vorhaben kennenzulernen. Du weißt nicht, was du hierauf sagen sollst, doch wisse, daß die Publikationen der Gesellschaft vor langer Zeit davon gesprochen haben.

So gehe denn auf die Suche, durchblättere die Wachtturm-Jahrgänge einen um den anderen, bis du zu der Ausgabe vom 15. Dezember 1928 kommst

(Redaktionelle Einfügung. Ich möchte mal den Durchschnitts-Zeugen Jehovas kennenlernen (auch ausgesprochene Sammler inbegriffen), dem das so ohne weiteres möglich wäre. Hätte die WTG diese alten Jahrgänge vor 1945 etwa in einer Print- oder elektronischen Reprint-Edition wieder zugänglich gemacht, wäre das okay. Genau das aber ist nicht der Fall. Insofern wird hier schon mal mit „Potemkinschen Dörfern" gearbeitet. Weiter im WTG-Text)

Dort erfährst du, was an diesem Gedanken falsch ist, und du schließt, deinen Fragesteller mit folgenden Gedanken bekanntzumachen.

Erstens war Ägypten ein vom Teufel beherrschtes heidnisches Land, also keine Stätte für göttliche Offenbarungen;

zweitens vollbringt Gott sein Werk nicht durch jene Art Sklavenarbeit, durch die die Pyramiden erbaute worden sind; drittens wird Christen gesagt, sie sollten durch Glauben und nicht durch Schauen leben, und

viertens hätten Jesus oder einige seiner Apostel etwas davon gesagt, wenn die Christenversammlung durch die Maße dieses alten Steinhaufens Belehrung empfangen müßten. Das taten sie aber nicht. …"

Dann verweist der WT noch auf seine Ausführungen zum Thema in der WT-Ausgabe vom 15. 7. 1956. Da die bereist kommentiert wurden, sei hier dazu nur der entsprechende Link genannt:

Parsimony.18145

Insbesondere der mit genannte "Wachtturm"-Artikel vom 15. Dezember 1928 sei nachfolgend noch in einigen wesentlichen Auszügen mit vorstellt. Man liest darin:

„Im Lande Ägypten, im nördlichen Teile Afrikas, steht ein großer Steinbau, der die 'große Pyramide von Gizeh' genannt wird. Seit dem letzten Jahrhundert ist manchen Erforschern des Wortes Gottes gelehrt worden, daß Gott durch seinen Propheten Jesaia in dem … Text (Jes. 19:19) auf die große Pyramide Ägyptens Bezug nimmt, und sie haben dies geglaubt. Manche haben diesem Steinbau die Bedeutung zugemessen, daß er das Zeugnis vom göttlichen Plane bestätige, daß im Worte Gottes niedergelegt ist. Tatsächlich haben manche die Pyramide 'Die Bibel in Stein' oder 'Gottes Steinzeuge' genannt. Einige haben an diesem Steinbau Berechnungen angestellt und mit ihrem eigenen Verstand die genaue Zeit berechnet, wo Gott seinen Plan zum Höhepunkt bringen würde. Durch gewisse Messungen und mathematische Berechnungen haben sie versucht, die genaue Zeit zu bestimmen, wo Gott alle seine Kinder von der Erde fortnehmen und im Himmel aufnehmen werde. Solche, die darauf ihr Vertrauen gesetzt haben, mußten Kummer und Enttäuschungen erfahren. Wenn das erwartete, auf einen bestimmten Tag festgesetzte Ereignis nicht eintrat, machten die Pyramiden-Verehrer andere Messungen in ihr, mit deren Hilfe sie dann spätere Zeitpunkte festsetzten, und dann gründeten sie ihren Glauben auf solche Zeugnisse. …

Die Sphinx ist zweifellos eine Darstellung des Teufels. Gewiß wird niemand behaupten, daß sie von der Hand Jehovas errichtet worden sei. Dort sitzt die Sphinx und scheint mit einer hochmütigen Miene als Mundstück des Teufels zu sagen:

'Ich habe die Christen erfolgreich hintergangen und ihre Gedanken von Gott abgewandt, und jetzt suchen sie Erkenntnis in diesem toten Steinbau.

Es scheint, daß John Taylor, ein Engländer im Jahre 1859 zum ersten Male die Behauptung aufstellte, die Pyramide von Gizeh vermittle wissenschaftliche Aufklärungen.

Wir wundern uns jetzt, weshalb wir jemals an die Pyramide von Gizeh geglaubt und Zeit auf deren Studium verwendet haben."

Das vorstehendes indes nur die sprichwörtliche halbe Wahrheit darstellt, ist offenkundig.

Zu weiterem siehe unter anderem auch:

Pyramidentheorie angereichert mit Bildmaterial

19242Stein

Adam Rutherford

Van Baalen

Gegenüber dem in den USA lebenden Autor Jan Karel van Baalen und seinem Buch „The Chos of Cults" sieht sich die WTG in einer Defensivposition. Zu van Baalen siehe auch:

http://www.olivetreelibrary.com/cyclopedia/index.php?title=Jan_Karel_Van_Baalen

http://books.google.de/books?id=dO4fivqRGnIC&pg=PP1&dq=Baalen+The+Chaos+of+Cults#v=onepage&q=&f=false

Um die „abzuschwächen" glaubt man differenzieren zu dürfen zwischen den „Schriftstudien" des Russell „als für die Öffentlichkeit" bestimmten Publikationen und den „Wachtturm" als einer „internen Schrift". Ob diese Verteidigung denn sonderlich überzeugend, mag jeder für sich selbst entscheiden.

In der "Wachtturm"-Ausgabe vom 1. 9. 1957 läßt sie eine Leserin anfragen:

„Mein Mann besitzt das Buch 'The Chos of Cults' von Jan Karel Baalen. Auf Seite 218 und 219 heißt es in diesem Buch über Pastor Russell:

'Seine Kühnheit war so außergewöhnlich, daß er auf den ersten Seiten seiner Schriftstudien ruhig verkündigte, es wäre besser, nicht die Bibel, wohl aber seine Kommentare zu lesen als letzteres zu unterlassen und die Bibel zu lesen.'

Dazu verteidigt sich die WTG wie folgt:

„Was nun die Worte betrifft, die Van Baalen anführte, so erscheinen weder diese noch irgendwelche die ihnen im entferntesten ähnlich waren, jemals in irgendeinem der sechs Bände der Schriftstudien, die hauptsächlich für die Öffentlichkeit geschrieben wurden.

Aber etwa sechs Jahre, nachdem Pastor Russell den sechsten Band geschrieben hatte, schrieb er in der Zeitschrift 'The Watchtower', die zu jener Zeit für interne Organisation geschrieben wurde, gewisse Worte in der Ausgabe vom 15. September 1910 unter der Überschrift 'Ist das Lesen der 'Schriftstudien' ein Bibelstudium?'

Die besondere Stelle, die Van Baalen verdreht, lautet wie folgt:

'Außerdem stellen wir nicht nur fest, daß die Menschen den göttlichen Plan nicht erkennen, sondern wir sehen auch, daß, wenn irgend jemand die 'Schriftstudien' beiseitegelegt, selbst nachdem er sie vorher benutzt hat, nachdem er mit ihnen vertraut geworden ist, nachdem er sie zehn Jahre lang gelesen hat; ja, wenn er sie dann beiseitegelegt und sie ignoriert und nur zur Bibel greift, so wird er - das zeigt unsere Erfahrung -, auch wenn er die Bibel zehn Jahre verstanden hätte, binnen zwei Jahren in die Finsternis gehen. wenn er andererseits nur die 'Schriftstudien' mit ihren Bibelzitaten gelesen und keine Seite der Bibel als solche, so würde er am Ende von zwei Jahren noch im Lichte sein, da er das Licht der Schrift besäße.'"

Die WTG unterläßt es auch, die fragliche Passage in der deutschen „Wachtturm„-Ausgabe zu verifizieren. So sei daran erinnert, dass man sie im deutschen „Wachtturm" bereits in der Dezember-Ausgabe 1910 (und in Wiederholung) noch 1919 (S. 58) lesen konnte:

„Ferner, wir finden nicht nur, dass die Leute den Göttlichen Plan nicht sehen können, wenn sie die Bibel allein studieren sondern wir sehen auch, dass, wenn jemand die Schriftstudien beiseite legt, nachdem er sie gebraucht hat, nachdem er wohl bekannt geworden ist, nachdem er sie zehn Jahre gelesen hat, wenn er sie dann beiseite legt und sie ignoriert und zur Bibel allein geht, obwohl er seine Bibel zehn Jahre lang verstanden hat, unsere Erfahrung zeigt, dass er binnen zwei Jahren in die Finsternis geht."

Nun was die zitierte „Finsternis" anbelangt, war die WTG auch zu anderen Zeiten ziemlich großzügig. So etwa wenn Rutherford beispielsweise in seinem Buch „Bewahrung" (S. 98) schrieb:

„Bis vor kurzer Zeit dachte Gottes Volk, die von den obrigkeitlichen Gewalten handelnde Schriftstelle in Römer 13:1 beziehen sich auf die weltlichen Herrschermächte. Die sich von der Gesellschaft zurückgezogen haben, halten nach immer an dieser verkehrten Ansicht fest. Jetzt aber sieht der treue Überrest deutlich, dass sich diese Schriftstelle nicht auf Satans Organisation, sondern ausschließlich auf Gottes Vorkehrungen für sein Volk innerhalb seiner Organisation bezieht. Die sich weigern, diese Wahrheit anzunehmen, und die diesbezügliche Erklärung des Wachturms bestreiten, haben die Auslegung als eine Entschuldigung dafür benutzt, Anstoß zu nehmen, und haben sich zurückgezogen und sind in die Finsternis gegangen."

Phillips

In der "Wachtturm"-Ausgabe vom 1. 3. 1957 begegnet man in der Rubrik „Mein Lebensziel" verfolgend auch einem Bericht des langjährigen „ersten Mannes" der WTG in Südafrika (damals noch Zweigdiener genannt), der in einigen Details durchaus interessante Einblicke vermittelt. (Rubrik: Betrogene Betrüger).

George R. Phillips schreibt da zum Beispiel:

„Ich besuchte damals die Schule und hatte oft Gelegenheit, mit meinen Klassenkameraden über das 'Ende der Welt im Jahre 1914' und über die neue Herrschaft zu sprechen, die beginnen würde.

Dann kam der Herbst 1913. Noch ein Jahr, und die Kirche sollte ihren Lauf beenden und in den Himmel aufgenommen werden! Aber es schien, daß noch sehr viel zu tun sei. Sicherlich wäre es gut, so dachte ich, wenn ich wenigstens noch ein Jahr Pionierdienst leistete und die Botschaft vom Königreich verbreitete, bevor das Ende der Heidenzeiten und Harmagedon hereinbrechen würde. So trat ich anfangs 1914, als ich gerade das Alter von sechzehn Jahren erreicht hatte, aus der Schule aus und nahm den Pionierdienst auf. Meine Lehrer glaubten, ich sei von Sinnen, als ich ihnen sagte, was ich vorhatte.

Im Sommer 1916 nahm .England sein Wehrdienstgesetz an. Dies gab in der Versammlung Glasgow Anlaß zu vielen Diskussionen darüber, was wohl die schriftgemäße Handlungsweise wäre? Einige waren der Auffassung, man tue nichts Unrechtes, waffenlosen Dienst zu tun; andere fanden es in Ordnung, in eine Munitionsfabrik zu gehen, um Granaten herzustellen und so dem Wehrdienst zu entgehen. Sie folgerten, Gottes Gerichte würden nun an den Nationen vollstreckt werden, und wenn man zu Gott bete, daß er die Granaten so lenke, daß sie seinen Willen vollzogen, würde man mit dem Allmächtigen zusammenwirken und somit ein reines Gewissen haben.

Im September oder Oktober 1917 brachte ein Neuankömmling die Nachricht ins Gefängnis (Wehrdienstverweigerung) das Buch 'Das vollendete Geheimnis' sei herausgekommen (in Englisch), und die Kirche werde im Frühjahr 1918 hinweggenommen werden,

Am 11. November 1918, um 11 Uhr - ich arbeitete immer noch in dieser Fabrik und half gerade mit, einen Güterwagen voll Kohle leerzuschaufeln -, kündigten die Sirenen das Ende des ersten Weltkrieges an. Was nun? Ich war im April nicht in den Himmel gekommen,

Die Glanzlichter jener Jahre waren die Besuche des zweiten Präsidenten der Gesellschaft, und die anläß1ich dieser Besuche veranstalteten Kongresse waren für uns stets ein großer Ansporn. Es waren aber auch prüfungsreiche Jahre, und Glasgow bildete keine Ausnahme von der Regel. Es gab Brüder, die dem Herrn dienten, und solche, die ihm nicht dienten, und wieder andere wollten, daß alles nach ihrem Kopf geschehe. Als daher die große Erschütterung kam (Glasgow verspürte sie im Jahre 1922), gingen viele von uns weg.

Im Mai 1924 kündigte Bruder Rutherford während eines seiner Besuche in Glasgow bei der damals stattfindenden Hauptversammlung an, er werde einen Bruder vom britischen Zweigbüro nach Südafrika senden, damit er dort als Zweigdiener amte.

Als ich ihm meinen Entschluß an jenem Nachmittag bestätigte, sagte er unter anderem: „Es kann für ein Jahr sein, George, oder auch für etwas länger." Er glaubte immer noch fest, daß die Fürsten im kommenden Jahr zurückkehren wurden und daß dann rasch große Veränderungen einträten.

Vorzimmerpolitik

Da treiben dem „Wachtturm" (1. 7. 1957 S. 405) im Jahre 1957 besondere Sorgen um. Wirklich „nur" im Jahre 1957 ???

Er beklagt sich:

„Einige, die mit Gottes sichtbarer Organisation verbunden sind, sind nicht zufrieden mit dem Licht, das ihnen durch Gottes Kanal mit Bezug auf sein Wort zugeht. Sie neigen zu Privatauslegungen oder versuchen sogar Dinge in den 'Wachtturm' 'hineinzulesen', die nie beabsichtigt waren, und verbreiten sie dann als Wahrheit. Oder sie kommen zu einer gewissen Überzeugung, von der sie behaupten, sie stütze sich auf die Schrift, zum Beispiel in bezug auf die Ernährungsweise, über Chronologie und dergleichen, und dann suchen sie Zions treue Kinder zu ihren Ansichten zu bekehren. Durch ihren Lauf sagen sie gleichsam, daß die Art, wie Jehova etwas tut, nicht recht oder nicht ausreichend sei und daß 'Der Wachtturm' für unsere Zeit nicht genüge.

Dann gibt es auch Personen, die sich Autorität anmaßen oder sich bemühen, die Organisation zu 'leiten'. Einige gehen auf sehr feine Weise vor, Sie suchen das Dienstkomitee einer Versammlung zu beeinflussen, indem sie eine Art 'Versammlungsmeinung' erzeugen. Das tun sie durch kleinere Privatfeldzüge, indem sie ihre persönlichen Meinungen so lange vorbringen, bis andere davon angesteckt sind. Dann und wann entstehen Schwierigkeiten wegen geringfügiger Dinge. Der Versuch, auf Brüder die verantwortliche Stellungen bekleiden, einen Druck auszuüben oder persönliche Interessen oder Meinungen zu fördern, ist eine Art 'Vorzimmerpolitik', die unter den Dienern Gottes, welche nach der Denkweise der neuen Welt handeln, keinen Platz hat."

Da er nun schon mal beim „Thema" ist, legt der „Wachtturm" noch weiter nach. Sein Ziel ist klar. Mit einem Wort umschreibbar:

Kadavergehorsam

Dazu weis er zum Beispiel den sinnigen Vergleich zu präsentieren:

„Nur wenige von uns verstehen die Tatsachen bezüglich der Atomphysik, nicht wahr? Aber die Wasserstoffbombe beweist sicherlich, daß die Folgerungen ihrer Hersteller auf Tatsachen beruhen und daher richtig sind. Somit wären wir nicht so töricht, und würden die Explosion einer Wasserstoffbombe im eigenen Garten zulassen, nur weil wir ihre Wirkung nicht kennen! Nun kann sich aber eine unvernünftige, respektlose Haltung innerhalb der Familie Gottes ebenso unheilvoll auswirken, wie die Auslösung einer Wasserstoffbombe."

Weiter weis der WT zu belehren:

„Wenn wir das bestimmte Empfinden haben, etwas sei verkehrt, werden wir 'das Gebot unseres Vaters halten' und alle theokratischen Schritte die wir tun können, und werden auf Jehova warten. Wir werden die 'Belehrung unserer Mutter' nicht vergessen, indem wir sogleich zu kritisieren und Fehler zu suchen beginnen.

Es mögen in der Organisation Dinge geschehen, die wir nicht verstehen. Die Diener mögen einer Handlungsweise folgen, die wir als unrichtig erachten. Deswegen Kritik üben, würde eine unvernünftige Haltung verraten."

Eisenhower-Tratsch

Tja, das mit dem „Sonnen in berühmten Namen" kennt man auch andernorts. Es wäre wirklich verwunderlich, sollte die WTG eine Ausnahme von der Regel bilden. Was in der Neuzeit etwa einer Scientology recht ist, war der WTG auch schon billig.

Es lag in der Tat in der Natur der Sache begründet, dass das Thema des USA-Präsidenten Eisenhower sich dabei mit anbot. Und so findet man selbiges denn auch im Cole-Buch über die Zeugen Jehovas „kunstgerecht" zelebriert. Dennoch, so „rechte Freude" wollte sich bei der WTG bei diesem Thema nicht einstellen. Zu dieser Einschätzung muss man unfraglich kommen, nimmt man etwa den Artikel im „Wachtturm" vom 1. August 1957 dazu, zur Kenntnis. Schon dessen Titelüberschrift „Verschwörung gegen … den Namen Jehova?" ist eigentlich eindeutig genug. Und so lässt denn die WTG in ihm ihrem Missmut freien Lauf.

Klagend wird mitgeteilt:

„Dies erklärt auch, warum Ida Eisenhower am 20. August 1944 an den amerikanischen Soldaten Richard Boeckel, der mit seinen Vorgesetzten wegen seiner biblischen Stellungnahme zum Krieg Meinungsverschiedenheiten gehabt hatte, einen Brief schrieb, indem es hieß:

'Als die Mutter General Eisenhowers und als ein Zeuge für den großen Gott Jehova der Heerscharen (und zwar bin ich dies schon 49 Jahre) freut es mich, sie brieflich zu ermuntern, treu zu bleiben.'

Als ihr Sohn im Jahre 1915 von der Militärakademie West Point graduiert wurde, gab sie ihm aus diesem Grunde eine 'Amerikanische Standard-Übersetzung' der Bibel, wie dies ganz deutlich aus einem Foto hervorgeht, das in 'The Illustrated News' am 2. Februar 1957 erschien."

Weiter klagt die WTG:

„Daß eine Verschwörung vorliegen mag, scheint auch aus den Worten von Jack Anderson hervorzugehen - er ist der jüngere Teilhaber von Drew Pearson -, der in Pearsons 'Karussell Washington' das schrieb, was die Detroiter 'Free Press' am 19. Dezember 1956 zitierte:

'Präsident Eisenhower, dessen Mutter einst Bibeltraktate für Jehovas Zeugen verkaufte, sucht einen guten Ausweg, um den Familiennamen von dieser Verbindung reinzuwaschen. Er ist empfindlich gegenüber der Tatsache, daß Jehovas Zeugen das Grüßen der Fahne oder den Dienst mit der Waffe ablehnen …

In Wirklichkeit wurde die Mutter des Präsidenten, als sie schon älter war, von einer Krankenschwester, die zur Sekte gehörte, beeinflußt. Da Frau Eisenhower sehr viel von der Bibel hielt, war sie gern bereit, Jehovas Zeugen beim Hausieren mit biblischen Traktaten zu helfen …

Jetzt suchen die Brüder Eisenhower eine elegante Ausrede, um bekanntmachen zu können, ihre Mutter sei nicht mit dem Herzen ein Zeuge Jehovas gewesen.'"

Und ihren Ärger macht die WTG mit dem Resümee Luft:

„'Nicht mit dem Herzen ein Zeuge Jehovas' und 'als sie schon älter war'. Wie kann das stimmen, wenn sie im Jahre 1944 an Boeckel schrieb, daß sie ein Zeuge für den großen Gott Jehova der Heerscharen (und zwar schon seit 49 Jahren gewesen sei?"

Auch in der "Erwachet!"-Ausgabe vom 8. März 1957 begegnet man dem Eisenhower-Thema. Dort klagt die WTG unter der Überschrift „Merkwürdig empfindlich":

„In der Rubrik von Drew Pearson, betitelt 'Washingtoner Karussell vom 22. September 1956, wird das durchschnittliche Alter der vorfahren Präsident Eisenhower erwähnt. Dann heißt es in dieser Rubrik weiter:

'Ike ist merkwürdig empfindlich, was die Religion seiner Eltern betrifft. Sie waren Zeugen Jehovas, obschon es in der autorisierten Biographie heißt, sie hätten den 'River Brethen' angehört. Beide, Ike und sein Bruder Milt, haben das Manuskript von Bela Kornitzers Buch 'Story of the Rive Eisenhowers Brothers' durchgesehen. Später bat Milt den Verfasser, die Erklärung, daß ihre Eltern Mitglieder der Sekte der Zeugen Jehovas seien, auszustreichen.'"

Zu weiterem siehe auch:

19542Eisenhower

Elternrecht

Über einen Schlussendlich vor dem Oberverwaltungsgericht Koblenz gelandeten Fall, berichtete die Zeitschrift „Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht" in ihrer Ausgabe vom März 1957. Ein Handwerksmeister, mit der Berechtigung Lehrlinge auszubilden (offenbar den Zeugen Jehovas zugehörig), sah sich mit dem Umstand konfrontiert, dass ein höherer Verwaltungsbeamter, dessen Tochter bei dem Handwerksmeister in einem Lehrverhältnis stand. Dass der Verwaltungsbeamte erreichen wollte, dass dem Handwerksmeister das Recht aberkannt werde, weiter Lehrlinge ausbilden zu können. Da der Fall durchaus auch existenzielle Implikationen beinhaltet, zog er sich durch einige Gerichtsinstanzen hin.

In der abgedruckten Urteilsbegründung des Oberverwaltungsgerichtes in dem Fall liest man dann:

„Jede nicht mit dem Willen der Eltern und sonstigen Erziehungsberechtigten in Einklang zu bringende religiöse Beeinflussung der Lehrlinge durch den Lehrherrn oder mit seiner Duldung durch dritte Personen, stellt einen sehr schwerwiegenden Eingriff sowohl in die grundrechtlich geschützte Persönlickeitssphäre des Lehrlings als auch in das natürliche Recht der Eltern auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder dar. …

Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist der erkennende Senat der Überzeugung, daß die Lehrmädchen durch die Angehörigen (des Handwerksmeisters) fortlaufend und systematisch gegen den Willen ihrer Erziehungsberechtigten im Sinne der 'Zeugen Jehovas' beeinflusst sind. Es handelte sich dabei wie die Beweisaufnahme vor dem Senat mit aller Deutlichkeit gezeigt hat, nicht um gelegentlich unverfängliche Unterhaltungen über religiöse Probleme, sondern um Zweck- und zielbewußte Bekehrungsversuche unter Mißbrauch des nach Lage der Dinge im Betrieb vorherrschenden Autoritätsverhältnisses zwischen den Lehrlingen und dem (Handwerksmeister) bzw. seinen Angehörigen.

Zwar ist der … bei den Beeinflußungsversuchen selbst weniger in Erscheinung getreten; die treibende Kraft waren seine Angehörigen. Dieser Umstand kann ihn) jedoch nicht entlasten."

Kupfer-Koberwitz und Max Liebster

Wohl im Jahre 1957 erschien erstmals der Erinnerungsband des Journalisten Edgar Kupfer-Koberwitz mit dem Titel: „Die Mächtigen und die Hilflosen. Als Häftling in Dachau. Band I Wie es begann".

In einem Leserbrief an die „Ostsee-Zeitung" beispielsweise, zitierte der WTG-Funktionär Uwe L. aus dem Bericht des Edgar Kupfer-Koberwitz. Unter der Überschrift „Was sagen Augenzeugen" las man da:

„Kennst du die Bibelforscher?" „Ja, ich kenne sie." „Siehst Du, die gehen nicht in den Krieg, die lassen sich lieber töten, als daß sie einen anderen Menschen töten. Ich glaube, das sind die wahren Christen. … Sie trugen alles Brot zusammen, was sie hatten, nahmen sich die Hälfte davon und legten die andere Hälfte ihren Brüdern hin, ihren Glaubensbrüdern, die jetzt von Dachau kamen. Und sie bewillkommneten sie imd küßten sie, und bevor sie aßen, beteten sie und nachher hatten sie alle verklärte und glückliche Gesichter, und sie sagen, daß keiner mehr Hunger hatte. Siehst Du, da habe ich mir gesagt: Das sind die wahren Christen, so habe ich sie mir immer vorgestellt."

Andere Zeitzeugenberichte werden von L. offenbar als nicht zitierenswert angesehen.

Aber erst mal zu Kupfer-Koberwitz:

Der Bericht muss in seinem Kontext gesehen werden. Der darin Redende ist ein junger tschechischer Jude der weiter aussagte, und dass zitiert Herr L. nicht:

„Als wir Juden von Dachau in den Block kamen, versteckten die anderen Juden, was sie hatten, um nicht teilen zu müssen. … Draußen (außerhalb des KZ) haben wir uns gegenseitig geholfen, aber hier, wo es um Leben und Tod geht, will jeder sich zuerst retten und vergisst den anderen".

Und nach dieser Aussage wird dann zu den Bibelforschern übergeleitet, die Neuzugänge im KZ die aus einem anderen Lager kamen bewillkommneten. Und der zitierte Jude schließt seinen Bericht

„Warum können wir nicht so sein?"

Zum Ausdruck kommt in diesem Bericht also eine positiv bewertete Gruppensolidarität.

Es gibt aber noch andere KZ-Augenzeugenberichte, von Herrn L. ebenfalls nicht zitiert. Der Schriftsteller Ernst Wiechert etwa, der in Buchenwald in engem Kontakt mit den Bibelforschern (Zeugen Jehovas) war etwa äußert über sie in seinem Buch „Der Totenwald":

„Dumpfe, holzgeschnittene Gesichter hinter Brillengläsern, mit asketischen Lippen und der leisen, beschwörenden Stimme von Eiferern. Gesichter, die aus derselben Enge, derselben Not und derselben Verheißung geprägt schienen und von denen Johannes (das ist Wiechert) sich gut denken konnte, dass sie mit unbewegtem Antlitz zusehen würden, wie alle Ketzer auf einem langsamen Feuer in die ewige Verdammnis hinüberbrieten."

Bezogen auf die Ideologiegrundlage äußert er:

„Was nun allerdings bei näherem zusehen auf dem Grunde dieser Weltanschauung lag, war so beschaffen, dass es sich jeder ernsthaften Diskussion völlig entzog. Wer bis auf das Jahr genau weiß, wann diese Welt erschaffen wurde, und fast ebenso genau auch das Jahr, wann sie zugrunde gehen wird mit dem ist schwer zu disputieren und noch schwerer zu rechten, weil ein anderes Zeitalter, ja ein anderer Stern unter seinen Füßen zu legen scheint."

Sein abschließendes Urteil fasste er in die sinngemäßen Worte:

Das man sie achten und zugleich doch auch bedauern kann. Das ihr Verhalten auf dem Boden eines Dogmas beruht, dass mit dem theoretisch „denkbaren Dogma" vergleichbar sei, nur „Gras als Nahrung" zu essen.

„Man konnte sie alle achten, aber man musste sie auch alle bedauern. Der Märtyrer, der für den Glauben stirbt, dass man nur Gras essen dürfe (im übertragenem Sinne), begibt sich des Heiligenscheins um seine Stirn."

Heinrich Christian Meier etwa bewertet in seinem KZ-Bericht über das Lager Neuengamme, wie auch andere, dass menschliche Verhalten der Bibelforscher im KZ als positiv. Er macht aber die Einschränkung:

„Besonders vorzuwerfen ist ihnen lediglich, dass sie gegenüber den nicht zugehörigen Häftlingen von einer gleichgültigen Kälte waren, die wie eine Mauer schützend und drohend um ihre Gemeinschaft aufgerichtet war. Es gelang niemals jemandem, in die Gemeinschaft der Bibelforscher aufgenommen zu werden, es sei denn, dass er sich selbst zu den Lehren der Bibelforscher bekannt hätte."

Auf ein Beispiel menschlichen Versagens kommt der Katholik Johann Neuhäusler zu sprechen. Sein Vorwurf ist auch in der grundsätzlichen Aversion der Bibelforscher gegen die katholische Kirche zu sehen. Neuhäusler schrieb in seiner damaligen Eigenschaft als katholischer Priester:

„Darum durfte ich im KZ Dachau eine Woche lang nicht mehr zur Erholung ins Freie, weil ich einem Italiener in seiner Zelle die Beichte abnahm, ein Bibelforscher mich aber verriet, obwohl ich ihm viel Gutes getan hatte."

In ähnlichem Sinne äußert sich der evangelische Bischof Hans Lilje (der wegen dem 20. 8. 1944 verhaftet worden war, und im Gefängnis die Bibelforscher kennenlernte). Sein Votum enthält auch die Sätze:

„Wegen ihrer absoluten Wahrheitsliebe benutzte die Gestapo sie sehr gern in den verschiedenen Gefängnissen als Kalfaktoren, denn in ihrer Wahrheitsliebe gingen sie stets so weit, dass sie auch die Grenze der Kameradschaftlichkeit nicht gelten ließen. So war es für die Gestapo leicht, mit ihrer Hilfe die anderen Gefangenen zu beaufsichtigen."

Das nach 1945 mit am bekanntesten gewordene KZ-Buch ist das von Eugen Kogon „Der SS-Staat". Es beschränkt sich nicht auf einzelne Lager, sondern versucht eine Gesamtschau zu bieten, in deren Rahmen auch die Bibelforscher berücksichtigt wurden. Sein Gesamturteil fasst Kogon in die Worte:

„Das sie gleichwohl die Kraft hatten, für ihre isolierten paar scharfkantigen Glaubensdiamanten in jedem Augenblick nicht nur das Leben hinzugeben - was im Kollektiv zuweilen nicht einmal gar so schwer fällt -, sondern statt dessen auch die lange Kette täglicher kleiner Vorteile, an denen unser armes Menschenherz oft inniger hängt als am Ganzen, zu opfern."

Margarete Buber-Neumann etwa formulierte, dass sie eine „auffallende Ähnlichkeit in der Geisteshaltung der Bibelforscher und Kommunisten" feststellte. Zusammenfassend sagt sie:

„Die einen eiferten zu Ehren Jehovas, die anderen zu Ehren Stalins. Die einen forschten heimlich in der Bibel und stellten deren Inhalt, solange auf den Kopf, bis er sich zu ihren gewünschten Prophezeiungen umbiegen ließ. Die anderen hielten an Hand von Nazizeitungen heimlich Schulungskurse ab, machten aus schwarz weiß oder besser gesagt rot und entnahmen den Nachrichten das, was sie wünschten, nämlich eine Bestätigung vom baldigen Ausbruch der kommunistischen Revolution."

Ihr Gesamturteil kann man vielleicht am besten mit der Bemerkung wiedergeben:

„Dadurch, dass sie Bibelforscher wurden, hatte sich ihre Stellung mit einem Schlage gewandelt. Aus Unterdrückten, dienenden, mit dem harten Schicksal unzufriedenen Menschen wurden sie zu 'Auserwählten' erhoben. Ihr einstmaliger Groll gegen die ihnen persönlich widerfahrenen Ungerechtigkeiten verwandelte sich in Hass gegen alles, was nicht zu ihrer Glaubensgemeinschaft gehörte."

Zu dem von Herrn L. mit angeführtem Fakt der Wehrdienstverweigerung, ist meines Erachtens auch das Urteil der Kommunistin Lina Haag von Bedeutung, die in ihrem KZ-Rückblick auch über den Dialog den sie mit einer Bibelforscherin auf ihrem

gemeinsamen Transport ins KZ führte berichtet. Haag führt aus:

„Ihr verweigert den Kriegsdienst sage ich. Gut. Aber ist damit das Elend aus der Welt geschafft? Nein. Wofür geht ihr in den KZ zugrunde, für die Menschheit oder für Jehova? Für Jehova natürlich. Nicht für die hungernden Kinder, sondern für die Bibel. Ihr seid genau so wie die alten Märtyrer. _ Du opferst dich ja auch, sagt sie. Gewiss sage ich, aber nicht für den lieben Gott und nicht für Jehova, sondern für die Menschen. Sie sagt nur: Schade, du bist nicht im Glauben. Nein sage ich, ich bin nicht im Glauben, ich will auch gar nicht im Glauben sein. Mir ist wichtiger, mit beiden Beinen auf der Erde zu stehen und für ein erträgliches Leben zu kämpfen."

Abschließend sei vielleicht noch der Sozialdemokrat Benedikt Kautsky zitiert, der da äußerte:

„Die Korrektheit und Zuverlässigkeit war ihnen (den Bibelforschern) so zur zweiten Natur geworden, dass sie auch im Lager sie nicht ablegen können. Das hatte die unangenehme Nebenwirkung, dass sie als Vorarbeiter oft die ihnen von der SS erteilten Aufträge zu pünktlich ausführen wollten. Aber im übrigen habe ich nie einen Bibelforscher gegen einen andern Häftling grob oder gar handgreiflich werden sehen. Sie waren im allgemeinen hilfsbereit, vornehmlich natürlich zu ihresgleichen."

Dies alles ergibt ein differenzierteres Bild. Sich dabei nur Rosinen herauszupicken ist eine wenig hilfreiche Sache, die zwar das „schmoren im eigenen Saft" der Zeugen Jehovas bestätigt, den historisch Interessierten jedoch nicht zufriedenstellen wird.

Da nun Kupfer-Koberwitz namentlich von einem Juden berichtet, der sich positiv über die Bibelforscher äußert, bietet es sich auch an auf den Fall Max Liebster noch zu sprechen zu kommen, bei dem offenbar eine ähnliche Sachlage bestand.

Liebster, jüdischer Abkunft, erwischte wie so viele andere Juden, die berüchtigte Progromnacht, von den Nazis verniedlichend „Reichskrisallnacht" genannt, vom 9. 11. 1938 in „kalter Art". Auch das Geschäft seines Arbeitgebers, bei dem Liebster beschäftigt war, wurde zerstört und geplündert. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde auch ihm zu grauenhaften Gewissheit. Die Chancen überleben zu können im Naziregime werden zusehends zur Illusion.

Sein Arbeitgeber hoffte noch, nach jenem Zäsur-Datum, emigrieren zu können. Unabdingbare Voraussetzung dafür war: Erstens viel Geld. Zweitens eine eidesstaatliche Erklärung von Angehörigen in den beabsichtigten Emigrationsländern. Sie würden wirtschaftlich für den Emigranten aufkommen. Das waren in der Praxis dann solch hohe Hürden, die für viele unübersteigbar waren. Zudem war nach dem offiziellen Beginn des Zweiten Weltkrieges, auch dieser Ausweg endgültig versperrt.

Liebster stand auch vor der Frage, nachdem der Laden seines Arbeitgebers zerstört, was er jetzt nun tun solle. Er meinte einen „Ausweg" dahingehend zu finden, einen Ortswechsel vorzunehmen. Er hoffte in der neuen Gegend kenne ihn niemand. In seinen Personalpapieren als Jude gekennzeichnet, erwies sich das als Illusion. Und so erwischte Liebster am 11. 9. 1939 die Verhaftung. In der Gefängniszelle lernte er erstmals einen Bibelforscher kennen und äußert sich über ihn positiv.

Die nächste Etappe für Liebster hieß KZ Sachsenhausen, mit all seinen Schrecken.

Inzwischen hatte die Naziführung beschlossen, ein weiteres KZ neu zu errichten, in Neuengamme. Da für seinen weiteren Ausbau Arbeitskräfte benötigt wurden, wurde Liebster zusammen mit 30 weiteren Juden von Sachsenhausen nach Neuengamme verlegt. Hier war eine Besonderheit zu registrieren, die es so in anderen KZ-Lagern nicht gab. Andere KZ- Lager hatten auch ihre „Bibelforscherblocks", und ihre Blocks für die anderen „Kategorien". Eine Mischbelegung gab es eigentlich nur in Ausnahmefällen. Jedoch beschloss der Kommandant von Neuengamme, dass über weite Strecken noch im Aufbau befindlich war, für die 30 neu eingelieferten Juden keinen eigenen Block aufzumachen. Der „Einfachheit" halber, steckte er sie in den Block, der schon mit Bibelforschern belegt war, mit der Begründung: „Sie haben ja den gleichen Gott".

Liest man Liebsters Bericht, drängt sich auch der Eindruck auf, die chronische Überbelegung, ein Kennzeichen vieler KZ-Baracken, war zumindest zu diesem Zeitpunkt, nicht in Neuengamme zu registrieren. Die 30 Neuzugänge konnten zu halbwegs annehmbaren Bedingungen, mit in jene Baracke integriert werden. Dort kam Liebster insbesondere mit dem Ernst Wauer seitens der Bibelforscher in nähere Berührung, über den er sich verschiedentlich positiv äußert, und den er in seiner Buchwidmung ausdrücklich namentlich mit erwähnt.

Das Verbleiben von Liebster in Neuengamme war kein Dauerzustand. Insgesamt lernte er wohl fünf KZs kennen. Zuletzt Buchenwald. Gerade in den kritischen Tagen des Jahres 1945, mit der überhastet angeordneten Lagerräumung, hatte Liebster es nur einigen glücklichen Umständen zu verdanken, zu überleben.

In einem einleitenden Geleitwort von Detlef G. liest man unter anderem:

„Nicht wenige Gefangene anderer Gruppen schlossen sich ihnen (den Bibelforschern) an. Zumeist waren es ausländische Häftlinge und Angehörige nichtpolitischer Kategorien, die sich dem Bibelforscherglauben gegenüber aufgeschlossen zeigten. In Einzelfällen kam es auch zu 'Bekehrungen' jüdischer Häftlinge."

Genau diese Kategorisierung als „nichtpolitische Gruppe" gilt es auch im Falle Liebster zu registrieren. Politische Gegner des Naziregimes, etwa die Kommunisten, waren für die Zeugen Jehovas in den KZs kein Missionsobjekt. Dieweil die eine feste, begründete Meinung hatten. Anders die Schwankenden, die da in der Regel gar nicht immer das tragische Schicksal verstanden, das sie ereilt hatte. Bei denen konnten die Zeugen Jehovas in der Tat „fündig" werden.

Nach 1945 sollte Liebster erneut erfahren, dass er in seiner Geburtsheimat nicht erwünscht ist. Einige seiner „lieben Mitbürger" gaben ihm denn auch unmißverständlich zu verstehen. Es wäre doch wohl „besser", wenn er als Jude im KZ verblieben und nie daraus zurückgekehrt wäre, als Ihnen, den Bundesrepublikanischen Spießbürgern, nun durch seine erneute Anwesenheit, ihr ach so „reines" Gewissen, nicht mehr ganz so rein erscheinen zu lassen. Kleinstadtmief verstärkte diese Tendenz noch.

Dies alles lässt es schon verstehen, dass Liebster die Konsequenz zog, sich nunmehr den Zeugen Jehovas mit „Haut und Haaren" zu verschreiben. Jenes unwirtliche Land Deutschland sollte denn auch für ihn nicht mehr länger „Heimat" sein. Er wurde, welch große „Karriere" Druckereiarbeiter der WTG in Brooklyn.

Am Rande noch mit vermerkt. „Der" Bibelforscher in Buchwald, der letzten KZ-Station von Liebster, war der Willi Töllner, ein charismatisch begabter Redner. Den Fakt, dass Töllner es war, der da diejenigen, die nicht voll auf seiner Linie schwammen, auch exkommunizierte, und das sogar unter den KZ-Bedingungen. Darauf geht Liebster in seinem Buchbericht nicht mit ein. Vielleicht hat er es damals auch so noch nicht mitbekommen.

Verklärt wird Töllner von ihm mit erwähnt, weil er offenbar, ganz kurze Zeit nach Naziherrschaftsende sein Täufer war. Denn zum Zeugen Jehovas wurde Liebster erst 1945 getauft.

Die Biographie von Max Liebster hatte schon einmal in wenig überzeugender Form, Andreas Müller darzustellen versucht, der da wohl in erster Linie sich selbst dargestellt hat, aber nicht seinen Biographie„Gegenstand".

Liebsters Buch umfaßt etwa 160 Seiten. Wer seinen Text aufmerksam liest registriert auch, das Redigierung und Endfassung wesentlich in den Händen von WTG-Funktionären lag. Das Buch seiner Frau hat 448 Seiten. Schon diese unterschiedliche Seitenzahl sagt meines Erachtens auch einiges über seine Aussagekraft aus.

Kommentarserie1957

1957.Koenigreichsdienst

Der nächste Jahrgang   1958

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