Der verlorene Kampf
Im Jahre 1927 war es Rutherford möglich, seine Verkündigung über ein Radionetz von 53 Rundfunkstationen verbreiten zu lassen. Es war gewissermaßen ein erster Höhepunkt seiner Rundfunkpropaganda. Die Gegenreaktion meldete sich zu Wort und setzte alle ihr zur Verfügung stehenden Machtmittel ein um Rutherford endgültig aus dem Rundfunk zu vertreiben. Etliche US-amerikanische Rundfunkstationen, die aus kommerziellen Gründen den Bibelforschern ein Plattform geboten hatten, sahen sich nicht mehr in der Lage, diese Geschäftsbasis weiter aufrecht zu erhalten. Warum? Nun, weil Rutherford in diesen Vorträgen eine Tonlage angeschlagen hatte, die selbst den hartnäckigsten Geschäftemachern, allmählich "kalte Schauer" über den Rücken jagten. Geschäfte machen mit den Bibelforschern, durch Verkauf von Radiosendezeit - gut und schön. Wenn aber der Inhalt dieser Sendungen geradezu eine Protestwelle in Szene setzte, dann überlegte es sich schon mancher derjenigen Geschäftemacher, ob man hier nicht lieber im eigenen Interesse etwas kürzer treten sollte und den Verkauf von Sendezeit an eine so polarisierende Organisation, in der Zukunft lieber unterlassen sollte.
So musste denn Rutherford bekanntgeben, dass mit Wirkung vom 31. 10. 1937 keine neuen kommerziellen Verträge für weitere Rundfunksendungen abgeschlossen würden und bestehende Verträge nicht verlängert würden. Bei der Gelegenheit teilte er auch noch mit, dass für die kommerziellen Rundfunksendungen circa 2 Millionen US-Dollar bisher aufgewandt wurden ("Jahrbuch der Zeugen Jehovas 1938" S. 45).
Als Notnagel wurde nunmehr das Grammophon eingeführt. Das "Jahrbuch 1938" (S. 48) berichtet dazu:
"Am Ende des Berichtsjahres organisierte die Gesellschaft eine Schar 'Sonderpioniere', rüstete sie für den Felddienst aus und sandte sie für ein besonderes Werk aus. Von diesen Pionieren ist jeder mit einem Grammophon und mit Platten versehen, die er täglich im Zeugniswerk benutzt. Diese Sonderpioniere erhalten von der Gesellschaft die notwendige Unterstützung und verwenden ihre ganze Zeit darauf, Menschen aufzusuchen und ihnen mittels Grammophon und Druckschriften persönlich die Königreichsbotschaft vorzulegen. Wir dürfen bestimmt annehmen, dass diese Methode, dass Evangelium zu predigen, wirkungsvoller sein wird als die Sendungen der Radiostationen; und die Beträge, die zur Deckung der handelsüblichen Rundfunk-Sendegebühren verwendet würden, dienen jetzt dazu, die Mittel für das Zeugnis durch Grammophone zu vermehren."
Im Jahre 1940 hielt der "Wachtturm" diesbezüglich einmal Rückschau. Als Anlass wurde jener Radiovortrag von Rutherford aus dem Jahre 1927 und seine Folgen genommen. Zitiert werden darin auch jene Passagen, die Rutherford seinerzeit über das Radio zum besten gab:
"Der heuchlerische und böse Lauf dieser sogenannten 'Christenheit' ist eine Schmähung Gottes und seines Christus. Dieses System ist der Verführer und Unterdrücker des Volkes. Es steht vollständig unter der Herrschaft Satans des Teufels. Bezüglich seiner Unterstützung und seines Unterhaltes hängt es von den Volksmassen ab, während es gleichzeitig fortfährt, das Volk zu täuschen und zu bedrücken. Möchten die Massen des Volkes doch voll und ganz jede moralische, finanzielle und andere Unterstützung von der sogenannten 'Christenheit' oder dem sogenannten 'organisierten Christentum' zurückziehen! Möchten sie die Ergebenheit und Unterwürfigkeit ihrer Herzen gänzlich Gott und Christus, dem Friedefürsten, zuwenden, der jetzt der Erde rechtmäßiger König ist. Der Tag der völligen Befreiung ist herbeigekommen!
Die Völker sollten daher für immer das 'sogenannte Christentum', 'Christenheit' genannt aufgeben und verlassen und ihre Herzen und Sinne, sowie ihre Ergebenheit gänzlich Gott und seinem Christus zuwenden, und zwar aus folgenden Gründen:"
Es folgt dann ein Sieben Punkte Programm:
"1. Weil die sogenannte 'Christenheit' des Teufels Organisation ist deren er sich bedient um das Volk in Unterwürfigkeit zu halten.
2. Weil sie ein Werkzeug der Bedrückung ist um die Lasten der Menschen unerträglich zu machen.
3. Weil sie falsch, heuchlerisch, verderbt und gegen die Interessen der Volksmassen ist.
4. Weil sie absolut keine Hoffnung auf eine Besserung der Lage der Völker bieten kann.
5. Weil Gottes Zeit zur Vernichtung des unheilvollen und heuchlerischen Systems in einer Zeit der Trübsal dergleichen die Welt nie zuvor erlebt hat, gekommen ist.
6. Weil Gott allen Menschen die ihn lieben, gebietet, dem ungerechten System, welches 'organisiertes Christentum' genannt wird, zu entfliehen, um dadurch der schrecklichen Katastrophe zu entgehen die bald über sie hereinbrechen wird.
7. Weil Gott seinen gesalbten König, Christus Jesus, den Messias, auf seinen Thron erhoben hat und allen Völkern der Erde gebietet, auf ihn zu hören und ihm zu gehorchen " ("Der Wachtturm" 1. 1. 1940 S. 12).
Jene zitierte Proklamation wurde dann noch mit den Worten verklärt, "dass der Herr durch seine Engel den Inhalt dieser Verkündigung leitete.
Nochmals wird betont, dass die Organisation Satans aus drei Teilen bestehen würde, "nämlich der Hochfinanz, den Staatsmännern und der Geistlichkeit."
Das war also die Verkündigung, mit der Rutherford Furore machte. Und die Gegenreaktion darauf wird mit den Worten beschrieben:
"Wie Feuer und Schwefel 'verletzte' Gottes Botschaft der Wahrheit die 'religiösen Gefühle' der Hauptmogule der 'Christenheit', und ihr Mundstück, die Tageszeitungen und Zeitschriften gaben ihr Geheul wieder. Die nationale Rundfunkgesellschaft (National Broadcasting Company), die so ausgiebig an der Ausstrahlung der Resolution und der sie stützenden Begleitvorträge mitgewirkt hatte, wurde so 'verbrannt' und 'versengt' durch das 'loslassen' jener Botschaft der Wahrheit, dass danach ihre Rundfunkeinrichtung nicht mehr zum Senden der Botschaft von Gottes Königreich gebraucht werden konnte."
"Die New York Times brach ihr Schweigen und kreischte und heulte wegen der Wahrheit, indem sie das Geschrei der Geistlichkeit wiedergab. Die 'National Broadcasting Company', ebenfalls ein Mundstück der unheiligen Allianz, stimmte mit ein in das Geheul und die Schmähung und hat sich seither geweigert, die Radiorundfunk-Einrichtungen für das Aussenden der Wahrheit aus Gottes Wort gebrauchen zu lassen." (Ebenda S. 13, 14).
Exkurs:
„Radio-Vortrag von Radiostation Bern
(Wellenlänge 411)
Wir möchten hiermit unseren geschätzten Lesern bekannt geben, daß erstmals
am 19. Februar 1928 um 19.30 Uhr abends ein Radio-Vortrag von der
Radio-Station Bern über das Thema „Radio als Förderer von Menschlichkeit
und Christentum" ausgestrahlt werden wird. Jedes Mitglied des „Radioklubs
Goldenes Zeitalter" und überhaupt jeder Leser des Goldenen Zeitalters, der
einen Empfangsapparat besitzt, ist hierdurch gebeten, auf diesen Vortrag
einzuschalten und den Empfang nebst Anerkennung der Radiostation direkt
mitzuteilen."
Zu registrieren ist allerdings, dass die Berner Ausgabe den 25. (nicht den
19.) Februar als Termin nennt.
Das die WTG in der Richtung sowohl in Deutschland als auch der Schweiz, große
Anstrengungen unternahm, ist unstrittig. „Anfeuernd" dürfte da ohne Frage ihr
eigener Sender WBBR in den USA, und die kommerzielle Nutzung weiterer
Radiosender, dort gewirkt haben.
Es ist allerdings eines nach „süßen Früchten" zu gieren, die bekanntlich nicht
selten, ziemlich hoch hängen. Ein anderes hingegen ist es, ob man denn diese
„Früchte" auch tatsächlich bekommt.
Schon als Vorgriff auf die weitere Entwicklung in der Frage, kann gesagt
werden. Es wurde nichts aus dem Radio-Vortrag über den Sender Bern!
In der Schweizer Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 2. 1928 findet man
zwar noch eine wörtliche Wiederholung jener Reklame-Vorankündigung. Aber in
der parallelen Magdeburger Ausgabe, ebenfalls vom 15. 2. 1928, liest man es
schon etwas anders. Die Magdeburger Ausgabe schreibt:
„Der Radio-Vortrag des Leiters des Berner Büros der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung, Herrn Harbeck, wird nicht wie ursprünglich angegeben, am 19., sondern am 25. Februar 19.30 auf Welle 411 von Bern gefunkt. Alle Radio-Empfänger werden gebeten, den interessanten Vortrag zu empfangen, und dem Berner Sender Bericht über den Empfang und Anerkennung für die Sendung auszudrücken. Gleichzeitig teilen wir mit, daß der von der Berliner Funkstunde für Januar in Aussicht gestellte Vortrag des Herrn Balzereit bis zum Mai-Programm verschoben wurde. Wir stellen es den Tausenden unserer Leser, die gleichzeitige Radioempfänger sind, frei, sich beschwerdeführend wegen dieser Verschleppungstaktik an die Deutsche Funkstunde Berlin zu wenden."
In der Schweizer Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 3. 1928 nahm selbiges dann noch wie folgt Stellung:
„Warum fand der angekündigte
Radio-Vortrag nicht statt?
Nachdem man uns über ein halbes Jahr durch allerlei Ausflüchte und
Entschuldigungen hingehalten hatte, und wurde schließlich am 4. Januar
dieses Jahres schriftlich die Erlaubnis erteilt, einen vorher
eingereichten Vortrag am 19. Februar halten zu dürfen. Dieses Datum jedoch
wurde dann auf den 25. verschoben was man uns ebenfalls schriftlich
bestätigte. Unmittelbar vor dem Termin, an dem der Vortrag gehalten werden
sollte, wurde das Programm dem Betriebsausschuss der Radiostation
vorgelegt und dieser brach in seiner Sitzung in schnöder Weise das uns
gegebene Versprechen unter dem Vorwand, dass es aus Gründen der Konsequenz
gegenüber anderen privaten Religionsgemeinschaften, deren man im Kanton
Bern viele besitze, ratsamer sei, den Vortrag nicht in ihr Programm
aufzunehmen.
Wir möchten denn hiermit die geschätzten Leser um Entschuldigung bitten,
dass sie durch die Anzeige auf den Vortrag vorbereitet und nachher
enttäuscht wurden. Die Verantwortung jedoch trifft die Feinde der Wahrheit
und der Gerechtigkeit. Es werden nun andere Schritte unternommen und wir
haben die feste Zuversicht, dass die Wahrheit sich auch in diesen Stücke
bahnbrechen wird. Gleichzeitig möchten wir alle Leser des „Goldenen
Zeitalters" die am Radio ein Interesse haben, bitten, Ihre Reklamation
direkt an die Radio-Station, Bern, zu richten."
In der Magdeburger Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 1. 4. 1928, gab es erneut noch einen Bericht in der Sache. Selbiger führte aus:
„Wir erhalten vom Berner Büro der V. E.
B. folgende Zuschrift:
„Nachdem man uns über ein halbes Jahr durch allerlei Ausflüchte und
Entschuldigungen hingehalten hatte, wurde uns schließlich unter Datum des
4. Januar ... schriftlich Erlaubnis erteilt, einen vorher eingereichten
Vortrag am 19. Februar halten zu dürfen. Dieses Datum jedoch wurde dann
auf den 25. verschoben, was ebenfalls schriftlich bestätigt wurde.
Unmittelbar vor dem Termin, an dem der Vortrag gehalten werden sollte,
wurde das Programm dem Betriebsausschuß der Radio-Station vorgelegt und
bei dieser Sitzung wurde dann das uns gegebene Versprechen in schnöder
Weise gebrochen unter dem Vorwand, „daß es aus Gründen der Konsequenz
gegenüber andern privaten Religionsgemeinschaften, deren wir im Kt. Bern
viele besitzen, ratsamer sei, den Vortrag nicht im Programm aufzunehmen."
Wir möchten die verehrlichen Leser um Entschuldigung bitten dafür, daß sie
durch die Anzeige auf den Vortrag vorbereitet und dann enttäuscht wurden.
Die Verantwortung hierfür ruht auf denen, die in selbstsüchtiger Weise
versuchen, die Rechte und Freiheiten ihrer Mitmenschen einzuschränken. Es
werden nun andere Schritte unternommen werden, und wir haben die feste
Zuversicht, daß die Wahrheit sich doch Bahn brechen wird.
Gleichzeitig möchten wir alle Leser des „Goldenen Zeitalters", die am
Radio Interesse haben, bitten, ihre Reklamationen direkt an die
Radio-Station Bern einzusenden.
Trotz dieser ablehnenden und treulosen Haltung der Radio-Station Bern
wurden wir gebeten, uns finanziell an dem Bau einer neuen Station in
Zürich zu beteiligen. Wir werden die Leser über den weiteren Verlauf
dieser Angelegenheit unterrichtet halten.
I. B. V. Bern
Diese eigenartige Stellung der Radio-Station Bern dürfte auch unsere
deutschen Leser interessieren."
Man geht wohl nicht fehl in der Annahme. Selbst wenn jener beabsichtigte
Vortrag gesendet worden wäre, hätte man ihn zusätzlich im „Goldenen Zeitalter"
mit abgedruckt vorgefunden.
Es ging in diesem Fall also vor allem um die damit verbundene Imageaufwertung.
Weniger um die Inhalte. Man ahnt es schon. Nachdem also die Radio-Publizierung
„geplatzt" war, stellt „stolz wie Oskar" das GZ in seiner Ausgabe vom 1. 5.
1928, diesen Vortrag noch im Detail vor.
Da liest man dann folgendes (zitiert nach der Magdeburger Ausgabe):
„Beinahe über Radio gesandt!
Auch die Schweizer Leser des Goldenen Zeitalters erleben ununterbrochen
die Enttäuschung, daß das Radio, diese große, wunderbare Erfindung, welche
Gemeingut der ganzen Welt, ohne Ansehen des Standes, der Religion, der
Partei oder Nationalität ist, einseitig gebraucht wird und beschlagnahmt
ist für Parteiinteressen verschiedenster Art. -
Man hatte der Schweizer Zentralstelle der Internationalen
Bibelforscher-Vereinigung fest zugesagt, selbst den Termin angekündigt,
den nachfolgenden Vortrag über Radio zu funken. Auf Grund von Treibereien
gewisser Konkurrenz-religiös eingestellter Kreise zuckte man dann zurück.
Man lese diesen Vortrag und frage sich warum!
Radio als Förderer von Menschlichkeit und Christentum
Motto:
Und sie versprachen
Ihr Wort und brachen
Es, weil's nicht lohnet,
Wahrheit zu künden
Und Spott zu finden.
Es ist nicht meine Absicht, eine philosophische, noch eine theologische
Abhandlung zum Besten zu geben. Ich bin nicht gekommen, um eine unbekannte
neue Lebensweisheit preiszugeben, noch um für irgendeine religiöse
Richtung Propaganda zu machen. Hingegen ist mein Zweck und Vorhaben, meine
geschätzte Zuhörerschaft aus allen Kreisen für die hohe Aufgabe zu
begeistern, den Radio-Engel nicht nur für Zeitvertreib und bloße
Unterhaltung zu verwenden, sondern diese wunderbarste Erfindung der
Gegenwart mehr und mehr als Hüter der kostbarsten Güter der Menschheit,
nämlich als Förderer von Menschlichkeit und Christentum zu bestellen.
Wenn Sie dann meiner kurzen Ausführung bis zum Ende - nur eine kleine
halbe Stunde - mit voller Aufmerksamkeit zugehört haben, werden Sie auch
imstande sein, ein Urteil abzugeben, ob und wie weit ich mein Ziel bei
Ihnen erreicht habe. Ich wiederhole das Thema: „Radio als Förderer von
Menschlichkeit und Christentum."
Jedermann wird ohne weiteres zugeben, daß das Radio sich im Dienste der
Menschheit täglich große Verdienste erwirbt. Man denke nur, wie manches
Menschenleben gerettet wurde, weil Schiffe in Not auf hoher See
Nachbarschiffe mittelst Radio eilendst zu sich rufen konnten. Oder man
mache sich ein Bild von einem Flugzeug, das sich im pfadlosen Äther in
Nacht und Nebel verirrte; die Mannschaft will schier verzagen und siehe -
eine Radiostimme bringt Rettung und führt sie auf rechter Straße zu
sicherem Landungsort.
Aber auch in weniger auffallender Weise und doch bedeutsamer Art ist diese
wunderbare Erfindung in den edelsten Dienst der Menschheit getreten. Der
Radio-Engel bringt Freude und Glück in das Haus der Einsamen und
Verlassenen, Trost und Lebenshoffnung an das Bett des Kranken; er schürt
nicht nur das Feuer des heimatlichen Herdes, indem er durch gemeinsame
Unterhaltung die Familie im traulichen Kreise verbindet, sondern er
leuchtet auch dem Fremdling in der Ferne und frißt das heimwehkranke Herz
mit süßen Liedern, mit Sang und Klang aus der trauten Heimat.
Wer weiß, ob nicht das Radio in der Zukunft mehr als je mithelfen wird,
das Mißtrauen unter den Völkern zu vernichten. Vielleicht spinnt die
Radiosee schon jetzt mit Silberfäden - weit erhoben über alle Grenzen
gegenwärtigen menschlichen Daseins - an einem Netz der Brüderlichkeit, das
einmal die ganze Erde umspannen wird.
Niemand bezweifelt die Verantwortlichkeit der Presse als Trägerin der
Zivilisation und Kultur. Aber der Rundfunk ist noch mehr geeignet als
jene, die Erkenntnis der Zusammengehörigkeit der menschlichen Familie und
die Tatsache, daß die Interessen der Gesamtheit auch die Interessen des
einzelnen Menschenbürgers bilden, hinauszustrahlen. Ja, es ist meine
aufrichtige Hoffnung und wirkliche Überzeugung, daß das Radio in
Übereinstimmung mit göttlicher, wohlwollender Vorsehung in stiller,
unbewußter Art eine goldene Himmelsbrücke der Nachbarlichkeit zwischen
Mensch und Mensch bauen und einen Kranz der Eintracht und des Friedens
unter den Völkern der Erde winden wird.
Ein moderner, deutscher Schriftsteller, Heinrich Lhotzky, schildert uns in
seinem Buche „Vom Erleben Gottes", wie die höchsten Güter der Menschheit,
nämlich Menschlichkeir und wahrhaft christliche Kultur am erfolgreichsten
durch unpersönliches und ungezwungenes und unbewußtes Dafüreintreten
vermittelt werden. Wir zitieren Lhotzkys Worte, Seite 10 bis Seite 12.
„Wenn ich das Wort Menschlichkeit höre,
ist's mir immer, als sollte man einen Edelstein aus dem Staube aufheben.
Es gibt in der Welt einen geheimen Zauber, mit dem die festeten Türen
gesprengt, die größten Taten verrichtet und wirkliche Wunder vollbracht
werden können. Dieses Zaubermittel gibt's Wer Wunder tun will, kann es,
denn das Mittel ist nicht etwa im Besitz weniger Auserwählter, sondern
aller ohne Ausnahmen. Nur wissen die Menschen nicht, wie reich sie sind,
und lassen ihren Edelstein im Staube liegen, ja häufen selbst noch staub
darauf. Dieses köstliche Gut ist die Menschlichkeit.
Im rein Menschlichen liegt unsere beste Kraft und größte Macht. Es ist nur
bei vielen tief vergraben unter dem Gebildeten, oder dem Geadelten, oder
dem Besitzlichen, oder dem Religiösen, oder dem Politischen, oder
irgendwelcher bunten Torheit, mit der wir uns zu behängen lieben. Aber wer
irgendeinen Wirkungskreis haben will, wer irgend etwas Weitergehendes
leisten will, kann es nur durch seine wahre Menschlichkeit.
Je wahrer, je einfacher und klarer ein Mensch ist, desto nachdrücklicher
wird er sich auswirken. Je gekünstelter, geschraubter und absichtlicher
jemand sich gibt, desto mehr schrumpft sein Wirkungskreis zusammen. Wer
harte Herzen erschließen, Widerspenstige zähmen, Menschen, Tiere und die
ganze Natur überwinden will, muß alles Berechnete, Überstiegene,
Gewalttätige ablegen und mit einem wahren Kinderherzen voll Vertrauen,
voll Freude und Herzlichkeit, voll unverwüstlichen, unverbitterten
Frohsinns seine Straße gehen. Er muß mit einem Worte Mensch sein, und
soweit er es sein kann, reicht sein Einfluß. Bei dem einen reicht er
weiter, bei dem anderen ist er sehr eng begrenzt. Das liegt nicht in einem
Tun oder einer Angewöhnung, sondern in einem ganz einfachen Sein, das
angeboren oder auch erwachsen sein kann, aber nie angelernt, angewöhnt.
Eigentlich weiß das jeder ohne weiteres. Jeder Künstler, jeder
Schriftsteller, jeder Lehrer und Erzieher, jeder Prediger, jeder Redner,
jeder Feldherr, ja jeder Fabrikherr, jeder Kaufmann, jeder Vorgesetzte
überhaupt weiß, daß sein wahrer Einfluß reicht, soweit seine
Menschlichkeit geht. Man kann die Menschen auch anders zwingen, mit
Gewalt, mit Wissen, mit Geld, man kann sie mit Polizeimacht Hurra zu
schreien nötigen, aber jeder weiß ganz genau, daß er sich mit diesen
Mitteln ebenso leicht verhaßt als lächerlich macht. Wunder wird solch
einer nicht tun und weiß auch, daß er es nicht kann, und bleibt darum ewig
unbefriedigt.
Aber merkwürdig. Obgleich wir alles das wissen, entschuldigen wir
unverdrossen jede Schwäche mit unserer Menschlichkeit, erklären unsere
Torheiten damit, daß wir Menschen sind, und wenn es in einem Kreise zu
recht gröblichen Schwierigkeiten kommt, sagt man: Es menschelt. So häufen
wir Staub auf den besten Edelstein dieses Planeten und vergraben unser
Bestes in Schutt. Wir verstehen unsere Wahrheit nicht."
Lhotzky führt ferner aus:
„Menschen, die Trostquellen für
Unglückliche sind, wirken sich im allgemeinen mehr unbewußt aus.
Wohltätige Wirkungen entströmen ihnen wie sonnige Glücksstrahlen. Ihr
ganzes Sein vermag zu trösten, nicht ihr Tun und Reden.
Sammle in dir die Strahlen des Friedens, ganz still, ganz unscheinbar,
ganz verborgen und mache so wenig Aufhebens wie möglich davon. Es schadet
nichts, wenn deine Augen und Mienen noch finster bleiben. Du sollst gewiß
keine Friedensgesichter schneiden. Das würde dich nur verunstalten. Du
kennst solche ewig freundliche Vollmondsfriedensfratzen. Sie stehen dir
übel an.
Nein, sammle die Friedensstrahlen in dir, für dich. Sie werden, ohne daß
du es merkst, aus dir herausleuchten und dich verklären. Nur so wird der
Friede Wirklichkeit, Geschichte, Beweis für die Welt.
Um versöhnlich zu wirken, dazu bedarf man gar keiner Umstände. Man hat
weder eine Partei, noch Religion, noch Konfession, noch irgendeinen
anderen Menschen dazu nötig. Nur einen einzigen Menschen hat man nötig.
Der ist man selbst. Man hat gar nichts dabei zu tun, nur ganz einfach eine
neue, aufrichtige Haltung allen Menschen gegenüber einzunehmen, der
nächsten Umgebung zuerst. Wer damit anfängt, zunächst auf weitere Kreise
wirken zu wollen, ist ganz gewiß auf falschem Wege. Unser Einfluß liegt
überhaupt nicht im Bereiche des persönlichen Lebens, sondern des
unpersönlichen. Rechte Wirkungen gehen nur unbewußt und unwillkürlich von
uns aus und sind ein Zeichen unserer geistigen Gesundheit.
Es gibt kaum ein deutlicheres Kennzeichen für die Zugehörigkeit zum Reiche
Gottes als die Versöhnlichkeit. Kein frommes Gebärdenspiel, keine
religiöse Sprechweise gehört zum Reiche Gottes. Nur wer mit leidet, mit
trägt, mit glaubt, mit hofft, und zwar unter allen Umständen, der ist
Christi, ganz gleichviel, ob er eine Religion hat, oder welcher religiösen
Sonderfärbung er zugehört.
Vergeben, wie der Vater vergibt. Das ist nicht eine Kunstfertigkeit, die
man erlernen kann, sondern das Natürliche, was das Reich Gottes von selbst
bewirkt in dem Maße, als jemand in seinem Lichte steht, und auch der
Sündigste und Stumpeste und Ungebildeste weiß ohne weiteres, daß das die
Wahrheit ist für die Welt." (Seite 15-16).
Das Radio bildet nun gerade ein solches
Mittel zur Überbringung dieser höchsten Güter, weil bei einem Radiovortrag
die Persönlichkeit des Redners in den Hintergrund tritt und jede Tendenz
einen bestimmten Kreis von Menschen zu erreichen, dahinfällt, weil er ja
nicht weiß, wo und von wem seine Stimme gehört wird. In diesem Sinne und
ohne dabei irgendeine bestimmte Richtung zu vertreten, möchte ich Ihnen
noch eine kurze biblische Begebenheit erzählen, die deshalb für unsere
Zeit - so voll von materialistischer Weltanschauung - Bedeutung hat, weil
in diesem Wunder der biblischen Geschichte die Hoffnung des Reiches Gottes
auf Erden wie der Schatz im Acker verborgen liegt.
„Ein gewisser stadtbekannter Krüppel saß wie gewöhnlich an seinem Platz in
der Nähe der schönen Pforte des Tempels auf der Treppenstufe, wohin er Tag
für Tag getragen wurde, um von mitleidigen Menschen beachtet zu werden. Er
war als Krüppel auf die Welt gekommen und hatte nie die Freude froher
Kinderspiele gekannt. Manchmal, wenn er dem bunten Treiben der Menge
zuschaute, muß ihm tiefer Schmerz am Herzen genagt haben. Ach, daß er doch
einmal sich der jubelnden Menge anschließen könnte, wenn sie hinaufging in
den Tempel an den Feiertagen! Mit der Zeit hatte er sich daran gewöhnt,
seinen bitteren Schmerz zu verbergen, und er brachte es so weit, daß ein
leichtes Lächeln über sein sonst so verschlossenes, bleiches Antlitz
huschte, wenn jemand auf der Treppe zögerte und ein Almosen in seinen
Schoß warf. Heute aber war die Stadt in großer Aufregung über diese neue
Lehre von der Wiederherstellung aller Dinge und über das eigentümliche
Auftreten dieser ungelehrten Fischersleute aus Galiläa. Hier kommen jetzt
zwei dieser Männer, die so viel Aufsehen erregen - Johannes und Petrus
wenden ihre Schritte dem Tempel zu; - ob sie ihn, den Bettler, wohl
bemerken werden? Wie sie näher kommen fleht er sie an um eine Gabe. Die
Apostel blicken mitleidsvoll auf diesen Armen Menschen. Dann spricht
Petrus:
„Gold und Silber habe ich nicht, was ich aber habe, das gebe ich dir: Im
Namen Jesu, des Messias, des Nazaräers. - stehe auf und wandle!" Und er
faßt ihn bei der rechten Hand und richtet ihn auf. Da werden plötzlich
seine Füße und Köchel fest. Er springt auf, - steht, wandelt und geht mit
ihnen hinein in den Tempel, um Gott zu loben." -
Der lahme Mann stellt die Menschheit dar, die gleich am Anfang ihrer
Geschichte lahmt und krank wurde dadurch, daß der erste Mensch, Adam,
Gottes Gebot übertrat und dadurch eigene Schuld die Strafe des Todes nebst
Krankheit und Schmerz auf die ganze Menschheit brachte. Adam und Eva waren
als vollkommene Menschen erschaffen und sie wohnten im schönsten Teil der
Erde, die nur erst zum Teil als Heimstätte des Königs der irdischen
Schöpfung zubereitet war. Diese ersten Eltern kannten weder Sorge noch
Tränen, bis die böse Tat das paradiesische Glück zerstörte. Sie wurden aus
Eden vertrieben und mußten im Schweiße des Angesichts ihr Brot essen,
unter Dornen und Disteln ihr Dasein fristen, bis das ganze furchtbare
Urteil „Sterbend sollst du sterben", „Du bist Staub und sollst wieder zu
Staub werden", sich an ihnen ausgewirkt hatte. Von der Zeit an haben die
Menschen sterben müssen und viele, die auf Erden gelebt haben oder heute
noch leben, sitzen in trostloser, stiller Verzweiflung an der schönen
Pforte des Tempels, ohne zu wissen, daß die Stunde der Befreiung und die
Zeit der Wiederherstellung herbeigekommen ist.
Die schöne Pforte könnte ein Sinnbild sein von dem sich öffnenden Tor
eines neuen Zeitalters, von dem Johannes sprach in Offenbarung 21: 2-4:
„Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, aus dem Himmel
herniederkommen von Gott bereitet wie eine für ihren Mann geschmückte
Braut. Und ich hörte eine laute Stimme aus dem Himmel sagen: Siehe, die
Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie
werden sein Volk sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott. Und
er wird jede Träne von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr
sein, noch Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein; denn das
Erste ist vergangen."
Ein bekannter Schriftsteller schildert diese goldene Zeit mit folgenden Worten:
„Schließe deine Augen einen Augenblick
vor dem Elend und dem Weh, vor der Entartung und den Mühsalen, die jetzt
um der Sünde willen herrschen, und male vor dein Geistesauge die
Herrlichkeit der vollkommenen Erde! Kein Flecken der Sünde stört mehr die
Eintracht und den Frieden eines vollkommenen Gemeinwesens; kein bitterer
Gedanke, kein unfreundlicher Blick, kein hartes Wort; Liebe aus allen
Herzen quellend begegnet gleicher Erwiderung in allen anderen Herzen;
Wohlwollen kennzeichnet jede Tat. Da wird keine Krankheit sein, kein Weh,
kein Schmerz, noch irgendein Anzeichen von Verfall, nicht einmal die
Befürchtung solcher Dinge.
Denke an alle Bilder verhältnismäßiger Gesundheit und Schönheit der
menschlichen Gestalt und Gesichtszüge, die du je gesehen hast, und wisse,
daß die vollkommene Menschheit von noch weit überragenderer
Liebenswürdigkeit sein wird. Innere Reinheit und geistige und moralische
Vollkommenheit wird jedes strahlende Antlitz kennzeichnen und verklären.
So werden die Bewohner der Erde sein. Da werden den Weinenden und
Trauernden alle Tränen abgetrocknet sein, wenn so das vollständige Werk
der Auferstehung vor ihren Augen dasteht," -
Der vorhin zitierte Schriftsteller Lhotzky äußerte die gleiche Hoffnung, indem er schrieb:
„Es wird eine Zeit kommen, da werden die Menschen keine Ketten irgendwelcher Art mehr tragen wollen, keine Sklavenketten und keine Geistesketten. Da wird ein einziger Schrei aus der Menschheit gellen: Freiheit! Die Freiheit im Geiste, die Freiheit der Kinder Gottes ist das Menschheitserbe. Je näher es kommt, desto sehnsüchtiger wird die Menschheit erregt. Sie fühlt das Nahen und versteht es nicht. Darum ist sie so unruhig und unbändig. Ihr Heil kommt."
So hoffe ich denn, daß viele meiner Zuhörer, die die Überzeugung teilen, daß wir uns auf die Schwelle einer neuen Epoche befinden, und daß die wunderbaren Erfindungen der Gegenwart als Vorzeichen einer neuen Weltordnung betrachtet werden können, mithelfen werden, durch Erben für das Radio, nicht nur als Spielzeug angenehmer Unterhaltung, sondern als Kulturträger und als Förderer von Menschlichkeit und Christentum. Sie werden mir bestimmen, wenn ich behaupte, daß das Radio in kurzer Zeit das Leben eines jeden Menschen nicht nur beeinflussen, sondern gewaltig verändern wird. Es öffnet die Tür zu Tausenden von Möglichkeiten, die noch vor 20 Jahren als unmöglich galten. Hören Sie zum Schlusse, was Herbert S. Stenson darüber sagt in einer weltbekannten Zeitung: „Die Boston Post":
„Selbst der Durchschnittsmensch, dem es
an Phantasie fehlen mag, wird zugeben, daß das Zeitalter unserer Kinder
das „Radio-Zeitalter" oder die Epoche sein wird, in welcher Unmögliches
möglich gemacht wird. Was ist das Radio-Zeitalter? Worin bestehen seine
Möglichkeiten? Ohne Reserve behaupte ich, daß es der Menschheit letzte und
höchste Epoche sein wird. Es wird Utopien sein, welches die Träumer und
Wissenschaftler gesehen haben durch den Vorhang von Unglauben und
Unwissenheit. Radio wird diesen Vorhang zerreißen, und wir werden in
Lebenszustände eintreten, die kühnsten Träume des vorigen Jahrhunderts
übertreffend. Nun, wie wird dies geschehen? Als Antwort wollen wir einen
praktischen Vergleich machen mit der Vergangenheit. Alle Autos werden ohne
Geräusch laufen und ihre Kraft von Radiostationen erhalten, die an den
großen Wasserkraftquellen angelegt sind. Straßen und Häuser werden
erleuchtet sein durch kalte immer brennende Lichter, die ihre Energie aus
der Luft ziehen. Intensive Heizung wird nicht nur au unsere Wohnhäuser
erwärmen, sondern auch das Freie. Das Klima wird reguliert werden.
Telefon und Telegraph werden veraltet sein. Wir werden durch Radiowellen
über die Kontinente hinweg sprechen können. Ozean-Dampfer und
Passagierflugzeuge werden nicht nur durch Radio getrieben werden, sondern
auch gleichzeitig mit dem Ufer in steter Verbindung sein. Die Neuigkeiten
der Welt, Opern und die besten Konzerte, werden in die einfachsten Häuser
Freude bringen. Nicht nur die Stimme oder der Klang, sondern das lebende,
atmende Bild wird auf den Flügeln des Radios fortgetragen werden und auf
größte Entfernung sich wiederum entfalten in schönster Pracht. Sie werden
mit Radio mit einem weitentfernten lieben Freund reden und gleichzeitig
das lächelnde Antlitz sehen und antworten, als wenn Sie Seite an Seite
sitzen würden.
Wasserstoff-Gas, welches bisher in nur geringen Quantitäten gewonnen
werden konnte, wird durch Radio-Vibration ausgelöst werden und wird den
ausgenützten Boden des kultivierten Teiles der Erde wiederum sättigen,
sodaß ein Übermaß an Früchten und Blumen hervorsprießen wird.
Radio-Empfangsgeräte von größter Genauigkeit werden jede menschliche
Empfindung, Liebe Haß und dergleichen registrieren. Das Verbrechen wird
aus der Welt geschafft werden. Ehescheidung und Laster werden aufhören,
Krankheit wird aussterben. Pestillenzen werden von der Erde hinweggefegt
werden. Wie? Durch Radio-Vibrationen, die mit solch ungeheurer Macht über
die Erde strömen, daß sie alle Krankheitskeime töten und vernichten. Die
Luft, die wir atmen, wird mit gesundheitsbringender Kraft erfüllt sein.
Wir alle wissen, wie rein und erfrischend die Luft nach einem Gewitter
ist. Radio wird die Ursache sein, sie immer so zu erhalten.
Wenn jemand die Gesundheit, Intelligenz und das Glück seiner Umgebung
fördert, so fördert er die Kultur und die Demokratie. Er sorgt ferner
dafür, daß das Christentum blüht, wo vorher Sünde und Laster hausten.
Radio-Aktivität wird dieses und noch mehr tun. Radio wird ein eiserner Arm
des Christentums, der Demokratie und des Lebens selbst werden. Alle
Religionen sind sich einig darüber, daß wir uns in den letzten Tagen, in
der Zeit der Erfüllung der Prophezeiungen befinden. Sorge, Schmerz und
Sünde werden von der Erde hinweggefegt. Die Flügel des Radios sind
bildlich gesprochen die Flügel des Engels, der alles Geschehen
niederschreibt. Wir sind auf der Schwelle angelangt. Das Radio-Zeitalter
wird des Lebens Erfüllung, der Erde höchste Krone und der Himmel sein, dem
wir alle unbewußterweise zusteuern."
Soweit dieser Bericht, der uns wiederum das Bild der unglücklichen Menschheit zeigt - sitzend an der Schwelle der schönen Pforte, die sich bald auftun wird und der ganzen Menschheit die Segnungen bringen wird, die Gott in Bereitschaft hält für alle, die ihn lieben und deren Ausdruck findet in den Worten des Dichters:
„Der Denker"
(Aus dem Epilog „Die Weinpresse" von A. Noyes).
Jawohl, ein Hauch der Dämmerung uns're Stirne fühlt,
Obwohl wir noch umfangen sind von dunkler Nacht.
Der Schnitter „Tod" vom Pfeile sich getroffen fühlt,
Ein Gott hält an des Schicksals Schwelle Wacht.
Jehovas Geist einst schwebend über Wa'ssers Tiefen,
Durchdringt der Menschheit Sinn mit neuem Licht;
Die Völker fühlen's, die so lange schliefen,
Wie Frühling nun ihr Träumen stört und bricht.
Der Tag bricht an, der Tag, es hören die Nationen
Von weither einen Ruf, der ihnen allen gilt. -
Gestiegen seid ihr hoch, ihr Generationen,
Durch Krieg und Streit und Morden, toll und wild -
Und doch, - ein noch viel höh'res Ziel ist euch beschieden,
Im lichter'n Höhen, über aller Erdennot,
Ein Pfad der Liebe und von Frieden,
Den heil'gen Weg - den Weg - bahnt uns'rem Gott. J. H. B.
Sicherlich wird man einräumen müssen. Das ist wohl eine „Sonntagspredigt",
wie sie auch von anderen kirchlichen Kreisen stammen könnte. Zumindest in
Teilen. Zwar nicht plakativ, dennoch vorhanden, in ihr auch die These der
Endzeit-Naherwartung. Und da selbige ja das „Markenzeichen" der WTG-Religion
darstellt, ist ihre Artikulierung zugleich identisch mit einer „parteilichen
Werbung", in einem „öffentlich-rechtlichen Medium". Und an Parteivoten stellen
selbige sicherlich höhere Hürden, als wenn derselbe Sachverhalt im eigenen
Medium (in diesem Falle das GZ) dargestellt wird. Da „trifft" sich eine
„parteiliche Klientel". Ein Öffentlich-rechtliches Medium indes, kann sich so
nicht parteilich vereinnahmen lassen. Es sei denn es ist Werbefinanziert. Dann
„singt es das Lied dessen, der die Musik bestellt hat".
Parteiisch wirkt auch das mit enthaltene Votum in diesem Vortrag:
„daß die wunderbaren Erfindungen der Gegenwart als Vorzeichen einer neuen Weltordnung betrachtet werden können."
Das ist dann wohl eine These, die andere Religionsgemeinschaften, zu der
Zeit nicht so mittrugen. Auch da stand die WTG mit dieser These „allein auf
weiter Flur".
Inwieweit eine ausländische Zeitung, wie die „Boston Post", die in diesem
Vortrag auch mit vorkommt; die aber wohl kaum ein Schweizer tatsächlich lesen
dürfte, und die zudem noch mit einer Aussage bemüht wird, bei der man hin- und
herschwankt. Ist das nun eine „Allerwelts-Aussage"; oder eine Aussage im
zeitgenössischen Rahmen bewertet, die etwas zuviel Utopie-Elemente enthält.
Inwieweit die Einflechtung solcher Quellen ein besonderes „Geschick"
offenbart, mag man ebenfalls anzweifeln.