Kommentarserie „Trost" 1939 zusammengefasst
Einige Stichworte in diesem Jahrgang (in Auswahl):
Mann, Thomas, Tschechoslowakei, Gimpelfang, "Schau den Tatsachen ins Auge"
(Broschüre), Coughlin, Kinderentzug (staatlich veranlasst), Heilpraktiker,
Himmler, Heinrich (Link zu seiner Posener Ansprache 1943), Heath, William J.,
"Und er soll dein Narr sein!", Siebecker, Edouard, Zug, Kanton, Nigeria,
Spanien, "Volksmenge, große", Bohnet, J. A., Gerber, Fritz, Schöpfungs-Drama,
Radio, Fronleichnam, Jonak v. Freyenwald, Hans, Krawalle in Großbritannien,
"Faschismus oder Freiheit" (Broschüre), Obrigkeitslehre, Grundmann, Walter,
Schlägerei in New York, Correvon, John, Heilsarmee, Deutsch-Sowjetischer
Nichtangriffspakt, Rutherford's Wehrdienstkontroversen, "Freimaurerbrief", Kuli,
Madison Square Garden (New York), SPK, Polen
Zeitgeschichte vor 70 Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 24. Januar 2009 04:29
Im Rahmen seiner Gesundheitsratschläge hat das „Trost" in seiner Ausgabe
vom 1. 1. 1939 diesmal den Schnupfen entdeckt, den es als „Freund" tituliert.
Das was man da zu wissen glaubt, geht gar soweit zu sagen. Sollte man eine in
der Sicht von „Trost" als falsch eingeschätzte Behandlungsmethode wählen, könne
das gar zu Krebs führen.
Ob denn die Schulmedizin sich auch einer solchen Auffassung anschließt,
erscheint mir doch eher zweifelhaft.
Aber mit der Schulmedizin hat „Trost" ohnehin „nichts am Hut". Auch seine
Ausführungen zu obigem Thema belegen dies wieder einmal.
Ich nachfolgenden einige Auszüge aus diesem Artikel (mit der ausdrücklichen
Hinzufügung). Eine Bewertung ob richtig oder falsch, der „Trost"-Ausführungen
dazu, kann meinerseits nicht erfolgen.
„Trost" teilt unter anderem mit:
„Viele bekannte Gelehrte stimmen darin
überein, daß die Natur nichts unnötig hervorbringt, sondern daß alles, was sie
hervorbringt, einen bestimmten Platz im Lebensprogramm hat. Wenn nun alle
anderen Funktionen unter diese Regel fallen, warum nicht auch die Krankheit?
Im Gegensatz zu der allgemeinen Auffassung, ist eine Erkrankung an sich kein
solcher Schaden, wie man gewöhnlich meint. Auch der übliche Schnupfen muß
mithelfen, den allgemeinen Gesundheitszustand im Organismus aufrechtzuerhalten.
...
Wenn der Verfall überwiegt, d. h. wenn mehr Zellen sterben als geboren werden,
haben wir das, was wir als Krankheit bezeichnen.
Das Ausmaß der Zellteilungen und der allgemeine Gesundheitszustand der Zellen
hängt von der Zellennahrung ab. Je vollkommener diese ist, um so kräftiger und
gesünder werden die sich bildenden Zellen sein. Neben den ausgeglichenen
Nährstoffen spielen hier auch Sauerstoff und Wasser eine bedeutende Rolle.
Nun ist das Protoplasma, das die beste Ernährung für die Zellen bildet, auch die
beste Nahrung für die Bazillen. Der Unterschied in seiner Wirkung beruht nur auf
der Länge der Zeit, die es im Körper verbleibt. Zellprotoplasma, das während der
Körpertätigkeit eines Tages nicht aufgebraucht wurde, bleibt als abgestandenes,
schales Protoplasma übrig und ist als Zellennahrung weniger geeignet, vermehrt
dagegen die Wirksamkeit der Bazillen oder Keime.
Wenn der Körper auf einem Punkt angekommen ist, wo er dieses verdorbene
Protoplasma, das nun zu einem Gift geworden ist, nicht länger dulden will,
beginnt er mit der Ausscheidung. Das führt zu einer ,,Krise". Wie lange es
dauert, bis er dazu kommt, ist bei den einzelnen ganz unterschiedlich.
Regenwasser, das in frischem Zustand so rein ist, wird faul, wenn es lange
steht, ganz gleich, wieviel Sonnenschein darauf fällt. Es muß fließen oder
zirkulieren, um rein zu bleiben. Das sehen wir auch im Fließen eines Stromes.
Logischerweise wirkt die Natur in unserem Körper genau so wie in unserer
Umgebung. Ehe überschüssiges Protoplasma schal wird, sollte es durch ein
"innerliches Bad" zum Abfluß gebracht werden.
Es gibt viele Wege, wie unser Körper von schlechtem Protoplasma gereinigt oder
befreit werden kann. Bei stundenlanger körperlicher Arbeit oder bei Fasten
brauchen wir den Überschuß auf. Auch Atemübungen sind gut, weil durch tiefes
Einatmen der Luft den Zellgeweben durch die Lungen Sauerstoff zugeführt wird.
Dadurch wird die Zellteilung vermehrt und das Protoplasma aufgefrischt.
Manche Leute tun alles mögliche, um Luftzug oder Temperaturwechsel zu meiden.
Tatsächlich löst aber ein schneller Temperaturwechsel den Überfluß an Giften in
den Zellen, und der Körper beginnt dann große Mengen davon auszuscheiden. Wenn
dieser Prozeß stattfindet, sagt man, der Betreffende habe Schnupfen. Man "holt"
sich den Schnupfen also nicht ausschließlich von außen. Es kann keine
Wirksamkeit der Bazillen im Körper geben, ohne daß Gifte vorhanden sind, von
denen sie ernährt werden. Alle akuten und Entzündungskrankheiten sind einfach
die natürliche Weise, auf welche im Körper aufgespeicherte Gifte verbrannt
werden.
Man hat nun gewöhnlich die Krankheit dadurch unterdrücken wollen, daß man den
Krankheitsbazillus zu isolieren und zu vernichten suchte, ohne die Zellabfälle
zu beseitigen. Infolgedessen sind alle möglichen Arten von Bazillentötern,
lindernde und einschläfernde Mittel, auf den Markt gebracht worden. Wer solche
Mittel einnimmt, ,,betäubt" sich und sagt, er habe den Schnupfen vertrieben.
Fast alle Arten von ansteckenden Krankheiten werden durch Medikamente scheinbar
gelindert, weil dadurch das Bestreben des Körpers, faules Protoplasma
auszuscheiden, aufgehalten wird.
Wenn man nun den Schnupfen, sobald er sich ankündigt, durch Medizin "abwehrt"
und das Ausscheiden der Gifte im Körper beständig unterdrückt, werden sie
wahrscheinlich in anderer Form viel schlimmer in Erscheinung treten. Tatsächlich
kann dieser ungesunde Zustand bis zu dem Punkte gesteigert werden, daß keine
rechte Zellteilung mehr möglich ist. Wenn das irgendwo im Körper eintritt, haben
wir eine Krankheit, die wir "Krebs" nennen.
Wohl muß diese Überlastung mit Giften jahrelang vorhanden sein, ehe sich ein
Krebsleiden bemerkbar macht. Trotzdem beginnt es schon zu der Zeit, wo sich die
Gifte in solchem Maße anhäufen, daß mehr Zellen absterben als erzeugt werden,
und dieser Vorgang findet bei einem großen Prozentsatz unserer Bevölkerung
statt, wie die Zunahme der Krebsleiden beweist.
Wie können wir nun alle diese Krankheiten, vom gewöhnlichen Schnupfen bis zum
Krebs, vermeiden? Nur, indem wir den Körper bei der Ausscheidung von Giften
unterstützen, statt ihn daran ,zu hindern, und nicht noch dazu allerlei Gifte in
Form von Medikamenten in uns aufnehmen.
So ist also, ebenso wie bekanntlich das Fieber, der Schnupfen ein Freund, der
zur Erhaltung unserer Gesundheit beiträgt.
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Re: Zeitgeschichte vor 70 Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 25. Januar 2009 03:28
Der Antikommunismus sei die Grundtorheit unserer Epoche. Mit diesem Satz
wird noch heute von kommunistischen Kreisen gerne der Schriftsteller Thomas
Mann (der es zu einem Nobelpreis brachte)
zitiert, und hinzugefügt
wird. Thomas Mann sei selber nie Kommunist gewesen, noch wollte er es je
werden. Besagter Thomas Mann-Äußerung aus dem Jahre 1943 wurde dann noch durch
dem Umstand flankiert, in seiner Biographie auch noch das McCarthy-Amerika
persönlich kennen und verachten gelernt zu haben, was dazu führte, dass er
"den Staub dieses Landes dann wieder von seinen Füßen schüttelte."
Auch „Trost" (respektive Vorgänger-Titel „Das Goldene Zeitalter") kam
gelegentlich auf Thomas Mann zu sprechen. So schon in seiner Ausgabe vom 1. 7.
1937.
Damals konnte man über ihn unter der Überschrift „Tyrannenherrschaft" auch das
folgende lesen:
„ ... Unlängst las ich eine Broschüre des
deutschen Schriftstellers Thomas Mann, der gegenwärtig als Emigrant in der
Schweiz lebt. Diesem weltberühmten Schriftsteller wurde vor Jahren von der
Rheinischen Friedrich-Wihelms-Universität der Ehrentitel eines Doktors der
Philosophie verliehen. Noch bevor der Nationalsozialismus zur Macht gelangte,
warnte Thomas Mann das deutsche Volk vor der ihm von seiten dieser Bewegung
drohenden Gefahr. Später mußte er Deutschland verlassen, da er - wie in der
Broschüre zu lesen ist - "in Deutschland verblieben oder dorthin
zurückgekehrt, wahrscheinlich nicht mehr am Leben wäre".
Nach der Machtergreifung revanchierten sich die Nationalsozialisten, indem sie
Thomas Mann zuerst des deutschen Bürgerrechts für verlustig erklärten. Ihr
zweiter Racheakt bestand in der Zurückziehung des Ehrendoktortitels, was am
Schluß des vergangenen Jahres erfolgte. Die diesbezügliche Mitteilung der
Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in
Bonn sowie das Antwortschreiben von Thomas Mann enthält eben die genannte
Broschüre, die den Titel "Ein Briefwechsel" trägt. Die Ausführungen dieses
hervorragenden Meisters der Feder wirken um so eindrucksvoller, als sie Thomas
Mann nicht als einen von blindem Haß erfüllten Gegner des Nationalsozialismus
erkennen lassen, sondern als einen Menschen, der angesichts des gegenwärtigen
Mißgeschicks des deutschen Volkes von tiefem Schmerz ergriffen ist.
Nachstehend einige Zitate aus der Broschüre.
"Sehr geehrter Herr Dekan, ich habe die
trübselige Mitteilung erhalten, die Sie unterm 19. Dezember an mich gerichtet
haben. Erlauben Sie mir, Ihnen folgendes darauf zu erwidern:
Die schwere Mitschuld an allem gegenwärtigen Unglück, welche die deutschen
Universitäten auf sich geladen haben, indem sie aus schrecklichem Mißverstehen
der historischen Stunde sich zum Nährboden der verworfenen Mächte machten, die
Deutschland moralisch, kulturell und wirtschaftlich verwüsten, - diese
Mitschuld hatte mir die Freude an der mir einst verliehenen akademischen Würde
längst verleidet und mich gehindert, noch irgendwelchen Gebrauch davon zu
machen ..."
Thomas Mann erwähnt darauf, daß er
trotzdem weiterhin den Ehrentitel eines Doktors der Philosophie führt, der ihm
von der amerikanischen Harvard-Universität dafür verliehen wurde, daß er
"zusammen mit ganz wenigen Zeitgenossen die hohe Würde der deutschen Kultur
bewahrt".
"Gewiß," - heißt es an anderer Stelle der
Antwort - "ich habe die Wut dieser Machthaber herausgefordert nicht erst in
den letzten vier Jahren, durch mein Außenbleiben, die ununterdrückbaren
Kundgebungen meines Abscheus. Lange vorher schon hatte ich es getan und mußte
es tun, weil ich früher als das heute verzweifelte deutsche Bürgertum sah, wer
und was da heraufkam."
Nach der Machtübernahme durch die
Nationalsozialisten wollte Thomas Mann anfangs schweigen, doch war ihm dies
unmöglich. "Ich hätte
nicht leben, nicht arbeiten können, ohne dann und wann zwischen -- ein, wie
alte Völker sagten, 'mein Herz zu waschen', ohne von Zeit zu Zeit meinem
unergründlichen Abscheu vor dem, was zu Hause in elenden Worten und elenderen
Taten geschah, unverhohlenen Ausdruck zu geben ... Ein deutscher
Schriftsteller, an Verantwortung gewöhnt durch die Sprache; ein Deutscher,
dessen Patriotismus sich - vielleicht naiverweise - in dem Glauben an die
unvergleichliche moralische Wichtigkeit dessen äußert, was in Deutschland
geschieht, sollte schweigen, ganz schweigen, zu all dem unsühnbar Schlechten,
was in meinem Lande an Körpern, Seelen und Geistern, an Recht und Wahrheit, an
Menschen und an dem Menschen täglich begangen wurde und wird? Zu der
furchtbaren Gefahr, die dieses menschenverderberische, in unsäglicher
Unwissenheit über das, was die Weltglocke geschlagen hat, lebende Regime für
den Erdteil bedeutet? ... Sinn und Zweck des nationalsozialistischen
Staatssystems ist einzig der und kann nur dieser sein: das deutsche Volk unter
unerbittlicher Ausschaltung, Niederhaltung, Austilgung jeder störenden
Gegenregung für den 'kommenden Krieg' in Form zu bringen, ein grenzenlos
willfähriges, von keinem kritischen Gedanken angekränkeltes, in blinde und
fanatische Unwissenheit gebanntes Kriegsinstrument aus ihm zu machen. Einen
anderen Sinn und Zweck, eine andere Entschuldigung kann dieses System nicht
haben;
alle Opfer an Freiheit, Recht, Menschenglück, eingerechnet die heimlichen und
offenen Verbrechen, die es ohne Bedenken auf sich genommen hat, rechtfertigen
sich allein in der Idee der unbedingten Ertüchtigung zum Kriege ...
Erschrocken Strecken sich die Hände seiner [Deutschlands] 'Feinde' nach ihm
aus, um ein so wichtiges Glied der zukünftigen Völkergemeinschaft vom Abgrunde
zurückzureißen, ihm zu helfen, wenn anders es nur zur Vernunft kommen und sich
in die wirklichen Notwendigkeiten der Weltstunde finden will."
So schreibt ein großer deutscher Patriot,
ein Verfechter "der hohen Würde der deutschen Kultur", der jedoch mit dem
Banne eines Landesverräters belegt wurde, weil er es wagte, seine Mitbürger
auf den schrecklichen Polypen hinzuweisen, der nicht nur Deutschland ergriffen
hat, sondern auch andere Völker in den Abgrund zu ziehen droht. ..."
Erneut bot sich für „Trost" in seiner Ausgabe vom 1. 1. 1939 Gelegenheit
Thomas Mann zu zitieren. Die WTG hatte sich erlaubt ihm ihr Buch „Kreuzzug
gegen das Christentum" unaufgefordert zuzusenden, und konnte nur seine
Reaktion darauf verbuchen, in der er an den WTG-Funktionär Harbeck schrieb:
„Ich bin Ihnen noch Dank schuldig für das
Geschenk Ihres Buches "Kreuzzug gegen das Christentum", eine Schuld nicht nur
der Höflichkeit, sondern auch des Herzens, denn ich habe Ihr so schauerlich
dokumentiertes Buch mit größter Ergriffenheit gelesen, und ich kann die
Mischung von Verachtung und Abscheu nicht beschreiben, die mich beim
Durchblättern dieser Dokumente menschlicher Niedrigkeit und erbärmlicher
Grausamkeit erfüllte. Die Sprache versagt längst vor dem Gesinnungsabgrund,
der sich in diesen Blättern auftut, welche von den entsetzlichen Leiden
unschuldiger und ihrem Glauben mit Festigkeit anhängender Menschen berichten;
sie möchte verstummen vor dem nicht mehr zu Charakterisierenden und dennoch
hat sie ein schlechtes Gewissen dabei, weil durch Schweigen der Welt die
moralische Apathie und ihr elendes Nichteinmischungsprinzip nur allzu bequem
gemacht wird. Wird sie durch die empörende Faktensammlung, die Sie vorlegen,
doch vielleicht einen Augenblick in moralische Bewegung gebracht werden? Man
wagt kaum noch, es zu hoffen, aber auf jeden Fall haben Sie Ihre Pflicht
getan, indem Sie mit diesem Buch vor die Öffentlichkeit traten, und mir
scheint, einen stärkeren Appell an das Weltgewissen kann es nicht geben."
Dieser Text ist dann auch zu späteren Zeiten, diverse Male von der WTG
wieder zitiert worden. Eines kann man wohl sagen. Er ist eine eindeutige
Absage an das Nazi-Regime und seine Praktiken. Nicht weniger, aber auch nicht
mehr.
Wer ihn denn für mehr vereinnahmen will, befindet sich in derselben Situation
wie die eingangs zitierten Kommunisten, die sich da auch auf Thomas Mann
berufen, und doch zugleich zugeben müssen. Einer der ihrer war er nicht, und
wollte es auch nie werden!
Mit den Vereinnahmungen berühmter Namen ist das ohnehin so "ein Ding für sich"
Was das von kommunistischer Seite bemühte Thomas Mann-Zitat anbelangt wurde
dazu mal in seinem eigentlichem Wortlaut zitiert, der durchaus andere Akzente
als wie die beliebtere Kurzfassung setzt:
"Sie sehen, daß ich in einem Sozialismus,
in dem die Idee der Gleichheit die der Freiheit vollkommen überwiegt, nicht
das menschliche Ideal erblicke, und ich glaube, ich bin vor dem Verdacht
geschützt, ein Vorkämpfer des Kommunismus zu sein. Trotzdem kann ich nicht
umhin, in dem Schrecken der bürgerlichen Welt vor dem Kommunismus, diesem
Schrecken, von dem der Faschismus so lange gelebt hat, etwas Abergläubisches
und Kindisches zu sehen, die Grundtorheit unserer Epoche."
www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/1998/0404/magazin/0059/index.html
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Re: Zeitgeschichte vor 70 Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 30. Januar 2009 01:24
Nach dem Verbot der Zeugen Jehovas-Tätigkeit in Hitlerdeutschland, erwies
sich die Tschechoslowakei anfänglich als eine Art „Ausweichquartier". Unter
anderem auch daran ersichtlich, dass die dem Naziregime abgetrotzte Freigabe
für den Export ihrer Magdeburger Druckereimaschinen, das Ziel Tschechoslowakei
hatte.
Das „Bauernopfer" der Westmächte, Hitler die Tschechoslowakei zum Fraße
vorzuwerfen, um ihn so - vermeintlicherweise - zu besänftigen, sollte
selbstredend auch für die Zeugen Jehovas Konsequenzen haben. Nicht im Sinne
eines objektiven Berichtes, wohl aber im Sinne der Schilderung subjektiver
Erlebnisse, findet man in dieser „Trost"-Ausgabe vom 15. 1. 1939 auch solch
einen Bericht, der im nachfolgenden (kommentarlos) in seinen wesentlichen
Aussagen wiedergegeben sei.
Erlebnisse eines Sudetendeutschen
Als Ende September die Abtrennung meiner Heimat von der Tschechoslowakei
beschlossene Tatsache war, machte ich mich sofort auf den Weg, um meine
Angehörigen noch einmal zu sehen, einige familiäre Angelegenheiten mit ihnen
zu ordnen und meine notwendigsten Sachen mit an meinen Arbeitsplatz in Prag zu
nehmen. Man ließ mich zwar die ganze Strecke bezahlen, aber 40 km vor der
Endstation machte unser Zug "Halt", und ich mußte mich auf Schusters Rappen
auf den Heimweg machen.
Nach siebenstündigem Marsch befand ich mich gegen 22 Uhr ganz überraschend
inmitten der tschechischen Frontlinie. Die Feldwachen richteten ihre
Gewehrläufe auf mich und ließen mich schrittweise näherkommen. Dann
überprüften sie meine Papiere und entließen mich über ihre "Spanischen Reiter"
und Drahtverhaue hinweg.
Eine halbe Stunde später stieß ich am Eingang zu meinem Heimatsort auf die
Vorposten des Sudetendeutschen Freikorps. Es waren dies stark bewaffnete
Zivilisten mit einer farbigen Armbinde. Sie befahlen mir, stehen zu bleiben
und den "Feldruf" zu sagen. Ich nannte meinen Namen und wartete auf meiner
Stelle, bis die beiden Posten mit Bajonett nach vorne gerichtet bei mir waren.
Sie überzeugten sich beim Lampenschein aus meinen Papieren, daß ich hier
zuständig war. Dann meinte einer von ihnen, ich hätte ein großes Glück gehabt,
daß ich lebend bis hierher gekommen wäre. Schon die ganze Woche hindurch hätte
es tüchtig geknallt und es gäbe bereits eine ganze Anzahl Toter und
Verwundeter.
"Wir bringen Sie jetzt zu unserem Kommando." Ich traute meinen Augen nicht,
als ich bemerkte, daß man mich geraden Weges ins Pfarrhaus unserer
römisch-katholischen Gemeinde führte. Ich dachte bei mir: "Also wieder ein
Beweis mehr, daß sich die katholischen Geistlichen tatsächlich in die Politik
mengen und Aufrühre unterstützen."
Laut amtlicher Bekanntmachung sollte mein Heimatort gemäß des Münchener
Abkommens am 6. bis 7. Okt. 1938 in reichsdeutsche Hände übergehen; in
Wirklichkeit aber besetzten ihn die Freischärler schon etwa zehn Tage vorher,
und die Tschechen unternahmen keinen ernsten Versuch, die Gegend zu halten,
um, wie es scheint, keinen größeren Konflikt heraufzubeschwören.
Zunächst vermutete ich, man habe den Ortspfarrer gezwungen, seine Amtsräume
den Aufrührern zur Verfügung zu stellen, aber ich wurde bald eines Besseren
belehrt, als ich ihn inmitten des Kommandos bemerkte, dem er gerade die
neuesten Radio-Meldungen überbrachte.
Ich dachte mir: Wenn dieses schauderhafte Bild doch alle Katholiken sehen
könnten; vielleicht würden sie über ihre Geistlichen doch bald die rechte
Auffassung gewinnen. ...
Wenn es nicht mein persönliches Erlebnis wäre, so hätte ich es wohl niemals
für möglich gehalten, wie sehr „religiös" man im III. Reiche ist.
Sofort beim Eintritt in die Kommandostelle begann der bekannte Tanz um den
sogenannten ,,Deutschen Gruß". Das gewöhnliche „Guten Tag" oder "Grüß Gott"
wird einem als der Ausdruck einer volksfeindlichen Einstellung ausgelegt. Aber
trotz heftiger Drohungen, trotz Schlägen ins Gesicht und einem Fußtritt ins
Gesäß sah ich keine Veranlassung, das gotteslästerliche „Heil Hitler" zu
sagen. ...
Bei der Leibesvisitation fand man bei mir vier neue Notizblöcke, welche mir
der diensttuende Feldwebel - offensichtlich ein reichsdeutscher Militär - mit
aller Gewalt auf den Kopf schlug. Ferner einen Schlüsselbund mit fünf
Schlüsseln. "Was sind das für Geheimschlüssel?", brüllte er mich an. Außerdem
fand er eine ganz einfache billige Glasperlenkette für mein Schwesterchen. Nur
mit knapper Not konnte ich den Kopf auf die Seite biegen, sonst hätte er sie
mir ins Gesicht geworfen. So aber streifte sie nur noch meine rechte Wange.
Ich hatte außerdem fünf Broschüren WARNUNG von Richter Rutherford bei mir
sowie ein Exemplar DER WACHTTURM und TROST, die sofort der Beschlagnahme
verfielen. Einer der anwesenden "Helden" meinte: "Diese Bücher kenne ich
schon. Seinen Vater habe ich schon damit hinausgeworfen. Ich dachte, er sei
arbeitslos und komme betteln, weshalb ich ihm 50 Heller schenken wollte. Aber
er nahm sie nicht an und erwiderte, er mache diesen Dienst nicht aus
Geschäftsgründen, sondern als Gottesdienst."
Als der Kommandant Schnitter kam, wiederholte sich die ganze Anklage gegen
mich. Schließlich sagte er: "Sie, junger Mann, diese Bücher kenne ich auch.
Ich habe schon vieles darin gelesen; und ich muß sagen: Es ist manches Gute
darin. Aber solche Sachen müssen wir für uns ganz privat behalten. Wissen Sie,
was für Sie das Beste wäre? Sie brauchen nichts anderes als schwere Arbeit,
dann werden Sie abends müde ins Bett hineinfallen und an nichts anderes mehr
denken. Ich mache es wenigstens so. Jetzt bleiben Sie vorerst hier bei uns,
und dann kommen Sie auf ein halbes Jahr ins Konzentrationslager. Dort werden
wir's Ihnen schon beibringen, den Deutschen Gruß zu leisten.
Wissen Sie, Sie sind schwachsinnig und können den Schwindel der Bibelforscher
nicht durchschauen. Man hat Sie überlistet und zu einem Judenknecht gemacht.
Sie sind Tischler. Eigentlich ist es schade um Sie. Wir lassen Sie einfach
nicht mehr nach Prag zurückgehen. Sie sind hierher zuständig und darum
Reichsdeutscher."
Gegen zwei Uhr morgens sollte ich in den Gemeindekerker eingesperrt werden,
aber der dortige Wachmann kannte mich gut, da er zufällig bei uns als Mieter
wohnt, und so ging es ohne Einsperren. Ich übergab ihm etwas Geld für meinen
Vater, welches er auch wirklich ablieferte, und verständigte zugleich meine
Angehörigen von meinem Hiersein. Morgens überschütteten mich einige Herren vom
Gemeinderat mit einer Schimpftirade ohnegleichen, wobei die Bezeichnungen
"Judenknecht", "Volksverräter", "Tschechischer Spion" einige der mildesten
waren.
Dann brachte man mich wieder zurück ins Pfarrhaus. Gegen mittags 12 Uhr
durften mich mein Vater und meine jüngeren Geschwister besuchen, um von mir
Abschied zu nehmen, und dann ging es per Auto zum Hauptkommando nach Jauernig.
Dort stellte man mich mitten in einen großen Raum, um von fünf Zivilisten,
darunter einem "Herrn Ingenieur" als Kommandanten, wieder verhört zu werden.
Dort bot sich mir wieder eine gute Gelegenheit, Zeugnis abzulegen über die
wahren "obrigkeitlichen Gewalten" - Jehova Gott und Christus Jesus -, und daß
alles "Heil" allein von ihnen komme. Einer jener besonderen "Teutschen" fragte
mich dann ironisch: "Was möchten Sie tun, wenn ich Sie jetzt einfach
erschieße?"
"O", erwiderte ich, "davor habe ich keine Angst. Sie können mir gar nichts
antun, wenn es Gott nicht zuläßt. Und sollte er es zulassen, so ist es eben
sein Wille. Er wird mich zu seiner Zeit wieder aus dem Tode auferwecken. Aber
Sie würden ein großes Unrecht begehen, und Gott würde Sie dafür schwer
bestrafen."
"Ach, immer mit seinem Gott! Wenn ich Sie jetzt bei den Füßen nehme und dort
über die Schienen schleife, wird Ihnen da auch Ihr Gott beistehen?", brüllte
er wuterfüllt.
Auf einmal kam die Wendung. Der Kommandant kam herein und sagte: "Sie fahren
wahrscheinlich wieder zurück in Ihre Heimatgemeinde." Man gab mir ein gutes
Mittagessen, eine schmackhafte Eierspeise, und redete mir zu, ja fest
zuzugreifen; und dann ging es heimwärts. Der tobsüchtige Feldwebel war auf
einmal wie umgewandelt. Er versuchte, mich zu belehren über die Größe
Deutschlands, über Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten im III. Reiche. Dann
drohte er:
"Wenn Sie jetzt für die Tschechoslowakei optieren, wird man Sie als Deutschen
bestimmt wieder ausweisen; denn dort gibt es jetzt so viele Arbeitslose wie
nie zuvor. Wenn Sie dann zu uns kommen, wird man Sie einfach als Spion und
Volksverräter betrachten, und was mit diesen geschieht, das können Sie sich
wohl vorstellen. Jetzt gehen Sie nach Hause, und morgen Mittag kommen Sie und
sagen uns, was Sie tun wollen."
Am nächsten Tag war ich um die Mittagszeit wieder im Pfarrhaus. "Nun", meinte
er, "haben Sie sich entschieden? Sie bleiben also hier bei uns, nicht wahr?"
"Nein", erwiderte ich, "ich bin in Prag wohnhaft und habe dort meinen
Arbeitsplatz. Ich fahre zurück. Bitte geben Sie mir einen Passierschein, um
von Ihren Posten nicht behelligt zu werden." Es folgte wieder eine Reihe von
Schimpfnamen, und dann sagte er: "Sie bekommen keinen Schein. Ich gebe meine
Unterschrift nicht her für die Prager Bolschewiken. Gehen Sie so nach Prag
zurück, wie Sie hergekommen sind."
Ich fürchtete, während der Durchschreitung der Postenkette rücklings
erschossen zu werden, und habe mich in der Tat auf alles gefaßt gemacht. Wußte
ich doch aus den vielen Berichten über die Verfolgung meiner christlichen
Glaubensbrüder in Deutschland, wie leicht man dort "auf der Flucht erschossen"
werden kann. Aber ich bin mit heiler Haut entronnen, wie ein Vogel der
Schlinge des Vogelstellers ...
Zwei Zeugen Jehovas aus der dortigen Gegend waren bereits nach Deutschland
verschleppt, ohne daß ihre Angehörigen auch nur das geringste Lebenszeichen
von ihnen hätten. Natürlich vermuten diese, daß die beiden wohl nicht mehr am
Leben sind. Zwei andere Brüder sind mit mir in das Landesinnere der
Tschechoslowakei geflohen und kämpfen mit ungeheuren Schwierigkeiten, um hier
irgendwo Arbeit zu finden und von den Behörden geduldet zu werden. Alle
übrigen Zeugen Jehovas im Sudetengebiet sehen einer sehr schweren Zeit
entgegen ...
Re: Zeitgeschichte vor 70 Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 31. Januar 2009 04:29
Unter der Überschrift „Ein Kongreß in fünf Erdteilen"
berichtet "Trost" vom 15. 1. 1939 euphorisch über jene 1938 (zuerst) in London
(Großbritannien) durchgeführte WTG-Veranstaltung
Vermerkt wird:
„Mehrere Wochen vor diesem Kongreß begann
die Bekanntmachung des Vertrages "Schaut den Tatsachen ins Auge". Durch
Plakate an Autos, Omnibussen, an Säulen und Anschlagbrettern, in
Schaufenstern, ferner durch Lichtreklame, Plakatträger-Kolonnen, Flugzettel,
Tonwagen-Ankündigungen und dergleichen wurde dafür gesorgt, daß es in jenen
Tagen in den großen Städten Englands nur wenig Menschen gegeben haben wird,
die nicht auf dieses Ereignis aufmerksam geworden waren. In London allein
waren zu einer Zeit etwa 1000 Plakatträger gleichzeitig auf den Straßen und
gingen durch die belebtesten Viertel dieser Metropole mit ihren Plakaten:
RELIGION IST GIMPELFANG UND EIN FALLSTRICK - DIENE GOTT UND CHRISTUS, DEM
KÖNIG - SCHAUT DEN TATSACHEN INS AUGE.
Der Inhalt dieses Vertrages wird nun in den 70 Sprachen der
Watch-Tower-Literatur auch noch in Broschürenform vielen Millionen Menschen
bekanntgegeben"
Die dort von Rutherford gehaltenen Vorträge dieses Spektakels wurden
dann noch in der WTG-Broschüre „Schau den Tatsachen ins Auge" publiziert.
Sieht man sich selbige näher an, registriert man: Sie zerfällt in zwei Teile.
Neben einem dem Broschürentitel gewidmeten Vortrag gibt es noch einen zweiten
„Füllet die Erde" überschriebenen (S. 34f.). Dieser Vortrag hat es dann
insofern „in sich", als er im besonderen die Endzeit-Hysterie anheizt. Zwar
macht das „Trost" massive Reklame für die genannte Broschüre, zugleich druckt
es aber auch diesen „Füllet die Erde"-Vortrag auch in dieser (und der
nachfolgenden) „Trost"-Ausgabe mit ab, indem man unter anderem die Sätze lesen
kann:
„Heute gibt es auf Erden Jonadabe, die
dem Herrn ergeben sind und sich ohne Zweifel als treu erweisen werden. Wäre es
schriftgemäß, daß sie jetzt heirateten und Kinder aufzuziehen begännen?
Nein, lautet die Antwort, die von der Heiligen Schrift gestützt wird. ...
Noahs Söhne und ihre Frauen hatten weder vor noch während der Sintflut Kinder,
und es wurden ihnen keine solchen geboren, ehe die Wasser der Flut
aufgetrocknet waren. ... Es gibt auch keinen Schriftbeweis, daß irgendwelche
Kinder in die Arche hineingenommen worden wären. sondern es wurden nur acht
Personen hineingenommen.
Die Schrift unterstützt vollauf die Schlußfolgerung, daß das Füllen der Erde
nicht vor, sondern erst nach Harmagedon fällig ist. Die folgenden Worte Jesu
stützen diese Folgerung ebenfalls:
"Wehe aber den Schwangeren und den Säugenden in jenen Tagen!" (Matth. 24: 19).
Den Jonadaben wird nun das große Vorrecht zuteil, zu erkennen, daß das
Königreich gekommen ist und daß ihnen, wenn sie leben möchten, die heilige
Pflicht zufällt, es vollauf zu unterstützen und daß zu tun, was der Herr ihnen
geboten hat. ...
Jonadabe, die jetzt ans Heiraten denken, würden, wie es scheinen will, besser
tun, einige wenige Jahre zu warten, bis der feurige Sturm Harmagedons vorüber
ist, und dann die ehelichen Beziehungen aufzunehmen und die Segnungen zu
genießen, die mit einer Anteilnahme am Füllen der Erde mit gerechten und
vollkommenen Kindern verbunden sind.
Mögen die Jonadabe nun ruhig, nüchtern und mit tiefer Freude die vor ihnen
liegende wunderbare Aussicht betrachten! ...
Was sollten die Jonadabe jetzt tun? Sie sollten sich gänzlich den
Königreichsinteressen Christi widmen und dazu sehen, daß ihre Mittel nun zum
Ruhme Gottes und seines Reiches gebraucht werden."
Das ganze also in die Richtung inszeniert: Total-Vereinnahmung für die
WTG-Organisation und ihre egoistischen Interessen!
Rutherford's vermeintliche Tatsachen
Makaber auch jene Anekdote, welche „Trost" in seiner Ausgabe vom 1. 8. 1939
sich bemüßigt fühlt, seinen Lesern zum besten zu geben. Da wurde berichtet:
„Als beim letzten gemeinsamen
WACHTTURM-Studium der Gruppe Groß-London der Leiter bei der Betrachtung des
Artikels "Füllet die Erde" die Frage stellte:
"Wäre es richtig, wenn die Jonadabe schon jetzt damit begännen, 'die Erde zu
füllen', zu heiraten und Kinder aufzuziehen?", ertönte sofort das hohe
Stimmchen eines Jungen: "Bestimmt nicht!"
Das wurde mit solcher Entschiedenheit gesagt, daß es die ganze Versammlung
überraschte und sehr amüsierte. Der Knabe ist elf Jahre alt, bekommt seinen
eigenen WACHTTURM, studiert ihn und macht darin seine Anmerkungen. Mit seiner
Mutter bat er Anteil an den Freuden des Herrn."
Und seinen Bericht meint der namentlich genannte Berichterstatter dann
noch mit der Aussage „würzen" zu sollen:
„Die Worte des Psalmisten, die die Worte
des Geistes Gottes sind, mögen auch bildlich angewendet werden; aber Jesus
wandte sie auf eine sehr buchstäbliche Erfüllung an, und sicherlich erfüllen
sie sich nun wieder in buchstäblicher Weise; denn unmündige Kinder kommen und
nehmen den Platz der "klugen und weisen" Religionsführer ein.
J. Hemery, London."
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Re: Zeitgeschichte vor 70 Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 25. Februar 2009 01:14
„Trost" kommentiert in seiner Ausgabe vom 1. 2. 1939 (etwas
gekürzt):
Gedanken zum Untergang einer Demokratie
Natürlich war die Tschechoslowakei auch in der Gestalt, die sie vor Oktober
1938 hatte, ein "Reich dieser Welt", in dem - genau so wie in allen andern
Reichen - letzten Endes nicht die göttliche Wahrheit und Gerechtigkeit
ausschlaggebend war....
Kein ,,Reich dieser Welt" gebietet, der göttlichen Wahrheit nachzuleben und
Gottes Gesetz zu beachten. Auch die demokratische Tschechoslowakei tat es
nicht, hinderte auf der andern Seite aber auch niemand, es zu tun, ganz im
Gegensatz zu andern Ländern, wie z. B. dem Deutschland Hitlers, dem Rußland
Stalins oder dem Italien Mussolinis und des Papstes.
Damit überragte die Tschechoslowakei, ein demokratisches Land, moralisch und
kulturell die genannten Großmächte und andere Länder bei weitem.
Heute aber hat diese Demokratie "im Namen des Selbstbestimmungsrechtes der
Völker" ihr Selbstbestimmungsrecht verloren und ist zu einem Spielball der
Naziwillkür geworden. Dadurch findet auch die kulturelle Toleranz dieses
Landes einen erzwungenen Abschluß.
Obwohl von den früheren 14,5 Millionen Einwohnern der Republik über 10
Millionen der römisch-katholischen Kirche angehörten, war sie dennoch nicht
romhörig. Dafür sorgten die leitenden Staatsmänner und eine freiheitliche
Verfassung.
Vor allem die reichlich 7 Millionen Tschechen standen nicht unter dem
Einfluß der Priester. Sie kannten die Geschichte ihrer Vergangenheit zu
genau. Das ganze Land war zur Zeit der Reformation evangelisch geworden.
Erst die Gegenreformation zwang dem Volke durch blutige Kriege wieder die
katholischen Kircheninstitutionen auf, konnte aber nicht das Gedächtnis an
Glaubensmärtyrer, wie an den in Konstanz verbrannten tschechischen
Theologieprofessor Johannes Hus, auslöschen.
Nach dem Kriege führte eine ,,Los-von-Rom"-Bewegung zur Gründung der
romfreien "Tschechoslowakischen Kirche", mit einer Anhängerzahl von fast
einer Million.
Anders liegen die Verhältnisse bei den 2,5 Millionen Slowaken, meist
einfachen, nicht besonders gebildeten Landleuten, die in der Doppelmonarchie
Österreich-Ungarn unter der Herrschaft der katholischen ungarischen
Landmagnaten in einem Zustand halber Leibeigenschaft dahingelebt hatten, bis
ihnen die Tschechen nach Gründung des neuen Staates durch eine großzügige
Bodenreform zu eigenem Landbesitz verhalfen und ihnen - zum ersten Male in
der Geschichte der Slowakei - die Möglichkeit verschafften, auf dem Wege
gesunden Aufbaus von Innen heraus Herren im eigenen Lande zu werden, frei
von den aristokratischen und klerikalen Schmarotzern.
Heute, nach dem Diktat von München, ist die Slowakei zwar dem Namen nach
autonom, in Wirklichkeit aber wieder völlig unfrei, ins Joch der
papistischen Priester-Politiker eingespannt.
Wenn die Ursachen für die kürzliche Verstümmelung des tschechoslowakischen
Staatsgefüges untersucht werden, darf die Rolle des römisch-katholischen
Klerus der Slowakei nicht, unbeachtet bleiben. Wie freiheitlich gesinnte
Slowaken über diese Sache denken, zeigt ... eine Wandaufschrift, die
anläßlich der slowakischen Gemeindewahlen vom 12. Juni 1938 angebracht wurde
und lautet:
"Judas hat Christus verraten, Hlinka will uns verraten."
Hlinka, ein katholischer Priester (inzwischen verstorben), war Führer der
katholischen Partei der Slowakei. Sein politischer Nachfolger, ebenfalls ein
katholischer Priester, ist inzwischen Ministerpräsident der Slowakei
geworden und übt eine durch und durch klerikale Herrschaft über das Land
aus.
Es ist interessant, zu beobachten, wie das alles nach den bekannten Mustern
faschistischer und nazistischer Machteroberung vor sich geht. Die
slowakischen Römlinge haben ihre eigene Wehrorganisation oder Sturmtruppe,
die sogenannte Hlinka-Garde, die nach ähnlichen Terrormethoden arbeitet wie
die S. A. von 1933. Zeugen Jehovas, von denen es in der Slowakei viele
hundert gibt, wurden von diesen Leuten aufgefordert, der katholischen Partei
beizutreten, sonst würden sie ihre Arbeit verlieren. Dasselbe wurde ihnen
angedroht, wenn sie nicht zur Wahl gehen und für die katholische
Regierungspartei stimmen würden.
Genau wie die Nazis, hat die klerikale slowakische Regierung auch bereits
Konzentrationslager eingerichtet. Msgr. Tiso, der Ministerpräsident,
erklärte öffentlich seine volle Übereinstimmung mit den Diktatur-Regimes.
Die Slowakei übernimmt von den Nazis auch die gesamte antisemitische
Gesetzgebung und will alle Juden aus dem Lande hinaus haben. Die
Nazi-Organisationen dürfen dort ungehindert wühlen; das Tragen des
Hakenkreuzes ist erlaubt.
Man vergesse nicht: dies alles geschieht unter der diktatorischen Herrschaft
römisch-katholischer Priester!
Rom bringt es nicht fertig, seine Freude darüber zu verbergen, daß wieder
eine Demokratie zerschlagen worden ist und der Raum, wo die biblische, auch
gegen die Hierarchie gerichtete Wahrheit ungehindert verkündigt werden darf,
noch enger wurde.
In "Dem Neuen Volk", Rorschach, einem "Organ im Sinne der katholischen
Aktion", wird diesem Triumphgefühl in der Nummer vom 8. Oktober 1938 in
schlecht verhohlener Weise Ausdruck gegeben. Masaryk, der wegen seiner
menschlichen Größe in der ganzen Welt hochgeachtete, verstorbene erste
Präsident der tschechoslowakischen Republik, wird in diesem Artikel auf das
übelste geschmäht und als ein "im Dienste der Freimaurerei stehender
Revolutionär" bezeichnet, als ein "Freidenker", der "am Untergang der
verhaßten katholischen Monarchie des Donaulandes" arbeitete und im Auslande
eine ,,Verratspolitik gegen sein Land und seine Heimat" betrieb.
Besonders ausgeschlachtet, das heißt wiederholt zitiert, wird, daß der
österreich-ungarische Außenminister und Weltkrieghetzer Graf Czernin im
April 1918 in einer Rede von dem "elenden, erbärmlichen Masaryk" gesprochen
hat. In Wirklichkeit war Masaryk ein Bewunderer und Freund der Bibel, ein
edler Mensch, der moralisch als einzelner mehr wert war als die gesamte
Hierarchie zusammengenommen.
Daß er alles andere als ein Bewunderer des Papsttums war, ist bei seinen
Qualitäten selbstverständlich; denn dafür kannte er die Bibel und - als
Professor - die Geschichte zu gut.
Benesch, ein alter Mitarbeiter Masaryks, vertrat als dessen Nachfolger und
Staatspräsident die Demokratie.
Als der bekannte amerikanische "Radiopriester" Pater Coughlin in seiner
Zeitung "Social Justice" nach Hitlers Sieg in München schrieb: "Das
tschechische Volk ist Benesch losgeworden!", wird also sein Hintergedanke
gewesen sein:
,,Gottlob, dort ist die Demokratie abgemurkst." Sich in U. S. A. so
auszudrücken, wäre natürlich schlechte katholische Propaganda. Das weiß der
reklamekundige Pater Coughilin sehr gut, und darum hat er es anders
ausgedrückt, um nicht allzu offen zutage treten zu lassen, was einsichtige
Menschen trotzdem - einfach durch Beachtung der Tatsachen - nun bald alle
sehen müßten: daß gerade in den Kreisen der "armen, von den Nazis so arg
verfolgten" katholischen Hierarchie die Wegbereiter der Diktatur und damit
des gott- und christentumfeindlichen totalitären Regimes sitzen.
Für die Situation kennzeichnend ist auch folgender Auszug aus dem ,,A propos"
der "Nationalzeitung", Basel, vom 30. Dez. 1938:
"Ein seltsamer Nachgesang zu der
Zertrümmerung der freien tschechoslowakischen Republik Masaryks ist der
soeben veröffentlichte Briefwechsel zwischen dem Evangelischen Kirchenrat
der Tschechoslowakei und dem hochehrenwerten Lord Runciman. Der Kirchenrat
hatte in einem ausführlichen Schreiben den Lord an die geschichtliche
Verbindung zwischen den vorreformatorischen Religionsbewegungen Böhmens und
der bestehenden evangelischen Nationalkirche mit dem religiösen Leben
Englands erinnert. Er hatte den Vorwurf zurückgewiesen, daß die
Tschechoslowakei ein Nest bolschewistischer Propaganda oder ein halb
konfessionsloses Land sei, und hervorgehoben, daß volle religiöse Freiheit
erst von der neuen Republik Masaryks gewährt wurde. Der Kirchenrat bat Lord
Runciman, sich zu den dargelegten Tatsachen 'nach einer ernsten
Gewissensprüfung' zu äußern . . .
Lord Runciman fährt [in seinem Antwortschreiben auf obige Eingabe] fort:
,Ich glaube, daß wenn der Friede anhält (wenn?), eine glückliche und freie
tschechische Nation im Herzen von Europa leben kann, die ihren alten
Traditionen und festen Idealen treu bleibt. Daß dies so sein möge, ist mein
ernsthaftestes Gebet.'
(Unterdessen wurde der politische Flüchtling Forster seinen Quälern
ausgeliefert und mit dem Handbeil hingerichtet.) Es gibt fromme Redeweisen,
die dem Glauben gefährlicher werden können als Gottlosenpropaganda." -
Neben frommen Redeweisen gibt es auch fromm scheinende Handlungen, die
Unheil ankündigen. So z. B., wenn der neugewählte Präsident der
tschechoslowakischen Republik als ersten Akt nach seiner Amtseinsetzung den
Gang zur römisch-katholischen Messe wählte. -
Die vorstehenden Beispiele zeigen wiederum, wie gut der katholische Klerus
und die Nazis eine Interessengemeinschaft zu bilden verstehen. Wenn dieser
Klerus, der sich, als den Schuldigen, neben sich aber auch Millionen von
Unschuldigen all dieses Unheil einbrockt, dann unter einem solchen Regime
gerupft wird, verdient er ganz gewiß kein Mitleid. ...
Thematisch auch die Karikatur in der nachfolgenden Ausgabe des „Trost" (15.
2. 1939)
Mit dem dazugehörigem Begleittext:
Die Mahlzeit
Der Mann hat großen Appetit,
Studiert die Speisekarte -
Es naht sich mit kokettem Schritt
Die Serviermaid, die zarte.
„Womit kann dienen ich, o Herr?
Darf dieses ich anraten?"
„Das ist zu wenig, will noch mehr,
Bring mir noch diesen Braten."
Und flugs bringt sie die Platte schon,
Noch mehr wird aufgetragen,
Doch bei der letzten Portion,
Da platzt ihm der Magen.
Nachstehende Karikatur aus „Consolation" wurde nicht vom
deutschsprachigem „Trost" mit übernommen, liegt aber inhaltlich auf
ähnlicher Linie.
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Re: Zeitgeschichte vor
70 Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 26. Februar 2009 06:00
„Trost" notiert in seiner Ausgabe vom 15. 2. 1939:
"Politisch unzuverlässige" Eltern nicht
erziehungsberechtigt
In einem Ministerialerlaß des nationalsozialistischen
Reichsinnenministeriums wird nunmehr offen zugegeben, daß das Dritte Reich
den "politisch unzuverlässigen" Eltern zwangsweise ihre Kinder fortnimmt, um
sie anderweitig nationalsozialistisch erziehen zu lassen. Der erwähnte
Ministerialerlaß des Reichsinnenministers Dr.
Frick vom 27. Dezember
1938, veröffentlicht im Ministerialblatt des Reichsministeriums des Innern,
Nr. l, Seite 12, legt im einzelnen dar, daß die mit der Betreuung der Jugend
beauftragten Jugendämter in der Behandlung der Kinder aus politisch
unzuverlässigen Familien nicht einheitlich vorgegangen sind. Einige
Jugendämter haben sich mit der Unterbringung der Kinder in „politisch
einwandfreien Familien" begnügt, während andere Jugendämter diese Kinder in
Zwangserziehungsanstalten unterbringen wollten, in denen sonst nur
verkommene oder moralisch gefährdete Kinder untergebracht werden. Der
Minister schreibt jetzt vor, daß die Unterbringung in politisch
zuverlässigen Familien genügt und daß Zwangserziehung nur dann angewendet
werden soll, wenn außerdem Verwahrlosung vorliegt oder "infolge der
politischen Unzuverlässigkeit" die Gefahr der Verwahrlosung eintritt."
Eine weitere Meldung noch aus dergleichen „Trost"-Ausgabe:
Moskauer Gottlose danken Bürkel und
Globotschnigg!
Wie der Kirchendienst aus Moskau meldet, weist die Leitung des Verbandes der
kämpfenden Gottlosen in einem Communique auf die „erfreulichen Erfolge" der
deutschen Neuheiden im Kampf gegen die christlichen Kirchen hin. Während es
den österreichischen Atheisten unter dem Regime von Dollfuß und Schuschnigg
nicht gelungen sei, nennenswerte Fortschritte zu erzielen, hätten die
Nationalsozialisten nach der Annektion Österreichs in wenigen Monaten dank
der Tätigkeit des Reichskommissars Bürckel und des Wiener Gauleiters
Globotschnigg bereits mehr als 50 000 Kirchenaustritte zu verzeichnen.
Die nationalsozialistischen Atheisten leisteten somit dem Weltatheismus
beste Vorspanndienste.
Wären sie nicht Nationalsozialisten, so wären sie die ersten Anwärter auf
den Titel von "Ehren-Gottlosen der Sowjetunion".
A ja. Da ist man dann doch versucht noch ergänzend nachzufragen:
Und auf welchen Platz als „Ehren-Gottloser der Sowjetunion", landet dann
wohl J. F. Rutherford mit seinem Slogan, dass Religion Gimpelfang sei?!
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Re: Zeitgeschichte vor
70 Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 28. März 2009 03:06
In einer Trostlosen Zeit „Trost" zu spenden, mag nicht immer einfach
sein. Diese Erfahrung musste denn auch das „Trost" sammeln. Immerhin
glaubte es in seiner Ausgabe vom 1. 3. 1939 einmal solche „Trost
spendende" Meldungen weiter geben zu können. Man ist dabei aber eher an
den Slogan erinnert: „Operation gelungen - Patient tot!"
Das mag „Trost" zeitgenössisch anders gesehen haben. Darüber sei jetzt
auch nicht weiter gerichtet. Bilde sich denn jeder seine eigene Meinung zu
diesen „Trost spendenden" Meldungen:
„Als ich einmal im Dritten Reiche in
Schutzhaft im Gefängnis war, hörte ich ein 17jähriges Kommunistenmädchen
zu einem Polizisten sagen: "Sie haben es eigentlich auch nicht viel besser
als wir. Sie stecken auch den ganzen Tag hier zwischen diesen Wänden und
müssen mit uns dieselbe Luft atmen. Der einzige Unterschied ist nur: Sie
können abends nach Hause gehen und wir nicht. Dafür kommen wir doch
schließlich einmal heraus, Sie aber nicht!"
Das Mädchen hatte recht! Und ist der Dienst zu Ende, so ist der
Polizeibeamte noch kommandiert: zu Schießübungen, Luftschutzübungen, zu
diesem oder jenem Sport. Er darf dies und jenes nicht, vor allen Dingen
nicht denken. Er ist kommandiert, kommandiert in seiner Dienstzeit, in
seiner Freiheit, am meisten in den Ländern, die durch einen "Befreier"
regiert werden. Darum lebt in dem Herzen unter der Uniform des
Staatsbeamten wie in dem des gewöhnlichen Mannes von der Straße heute mehr
denn je das Verlangen nach Freiheit, nach jenem kostbaren Gute, das
Menschen schon so oft versprochen haben, für das Menschen soviel gekämpft,
gelitten und geblutet haben ...
Die zweite Meldung besagt:
„Bekanntlich hat das Berliner
Propagandaministerium eine neue Menschensorte entdeckt, da draußen bekannt
als "Kritikaster, Miesmacher und Meckerer". Wer das deutsche Paradies zu
wenig paradiesisch findet und das zu sagen wagt, der "meckert" und kann
leicht die Gestapo auf dem Halse haben.
Da war ein Zeuge Jehovas, der zwar nicht "gemeckert" hatte, aber der
Gestapo als Zeuge Jehovas bekannt ist Man hatte ihn In Verdacht, die
Verbindung mit Glaubensgenossen aufrechtzuerhalten, biblische Literatur
einzulagern und sie an andere zu verteilen. Auch um solche
,,Staatsverbrechen" kümmert sich die Gestapo, und so war sie plötzlich zur
Haussuchung da.
Nun hatte dieser Zeuge Jehovas neben dem Wohnhaus einen Ziegenstall. Im
Wohnhaus war keine Literatur gefunden worden. "Vielleicht im Ziegenstall"
dachten die Gestapo-Beamten, und gingen dorthin. Sofort nachdem sie sich
zusammen mit dem Zeugen Jehovas unter die Ziegen begeben hatten, redete
dieser seine Tiere an: "Aber hier wird nicht gemeckert'"
Da bekamen die Gestapobeamten Angst. Was nun, wenn die Ziegen nach alter
Gewohnheit doch zu meckern anfingen? Die Rolle, die sie selbst dabei
gespielt hätten, sagte Ihnen nicht zu. Darum gingen sie ohne Durchsuchung
schnell wieder hinaus und schlugen die Tür zum Stall der Meckerer hinter
sich zu.
Endlich einmal hatten ein paar gequälte Zeugen Jehovas in Deutschland
etwas zu Lachen!
Re: Zeitgeschichte vor 70 Jahren / makaber
geschrieben von:
X ~ mysnip (
Datum: 28. März 2009 23:07
Zitat:
Drahbeck
„Trost" ... Ausgabe vom 1. 3. 1939
„Als ich einmal im Dritten
Reiche in Schutzhaft im Gefängnis war, hörte ich ein 17jähriges
Kommunistenmädchen zu einem Polizisten sagen: "Sie haben es eigentlich
auch nicht viel besser als wir. Sie stecken auch den ganzen Tag hier
zwischen diesen Wänden und müssen mit uns dieselbe Luft atmen. Der
einzige Unterschied ist nur: Sie können abends nach Hause gehen und
wir nicht. Dafür kommen wir doch schließlich einmal heraus, Sie aber
nicht!"
Das Mädchen hatte recht! Und ist der Dienst zu Ende, so ist der
Polizeibeamte noch kommandiert: zu Schießübungen, Luftschutzübungen,
zu diesem oder jenem Sport. Er darf dies und jenes nicht, vor allen
Dingen nicht denken. Er ist kommandiert, kommandiert in seiner
Dienstzeit, in seiner Freiheit, am meisten in den Ländern, die
durch einen "Befreier" regiert werden. Darum lebt in dem Herzen unter
der Uniform des Staatsbeamten wie in dem des gewöhnlichen Mannes von
der Straße heute mehr denn je das Verlangen nach Freiheit, nach jenem
kostbaren Gute, das Menschen schon so oft versprochen haben, für das
Menschen soviel gekämpft, gelitten und geblutet haben ...
Das Unterstrichene weckt Assoziationen!
Zitat:
Die zweite Meldung besagt:
„Bekanntlich hat das Berliner
Propagandaministerium eine neue Menschensorte entdeckt, da draußen
bekannt als "Kritikaster, Miesmacher und Meckerer". Wer das deutsche
Paradies zu wenig paradiesisch findet und das zu sagen wagt, der
"meckert" und kann leicht die Gestapo auf dem Halse haben.
Da war ein Zeuge Jehovas, der zwar nicht "gemeckert" hatte, aber der
Gestapo als Zeuge Jehovas bekannt ist Man hatte ihn In Verdacht, die
Verbindung mit Glaubensgenossen aufrechtzuerhalten, biblische Literatur
einzulagern und sie an andere zu verteilen. Auch um solche
,,Staatsverbrechen" kümmert sich die Gestapo, und so war sie plötzlich
zur Haussuchung da.
Nun hatte dieser Zeuge Jehovas neben dem Wohnhaus einen Ziegenstall. Im
Wohnhaus war keine Literatur gefunden worden. "Vielleicht im
Ziegenstall" dachten die Gestapo-Beamten, und gingen dorthin. Sofort
nachdem sie sich zusammen mit dem Zeugen Jehovas unter die Ziegen
begeben hatten, redete dieser seine Tiere an: "Aber hier wird nicht
gemeckert'"
Da bekamen die Gestapobeamten Angst. Was nun, wenn die Ziegen nach alter
Gewohnheit doch zu meckern anfingen? Die Rolle, die sie selbst dabei
gespielt hätten, sagte Ihnen nicht zu. Darum gingen sie ohne
Durchsuchung schnell wieder hinaus und schlugen die Tür zum Stall der
Meckerer hinter sich zu.
Endlich einmal hatten ein paar gequälte Zeugen Jehovas in Deutschland
etwas zu Lachen!
M a k a b e r -
mehr fällt mir nicht ein.
>>>
http://en.sevenload.com/videos/aMnDHkx-Ansprache-Heinrich-Himmler
Re: Zeitgeschichte vor 70 Jahren
geschrieben von: Frau von x
Datum: 29. März 2009 12:36
Zitat:
Die zweite Meldung besagt:
„... Wer das deutsche
Paradies zu wenig paradiesisch findet und das zu sagen wagt, der
"meckert" und kann leicht die Gestapo auf dem Halse haben.
Wer das geistige Paradies (in dem ZJ angeblich leben sollen) zu wenig
paradiesisch findet und das zu sagen wagt, der "kritisiert" und kann leicht
ein Gemeinschaftsentzugsverfahren vor einem Rechtskomitee am Halse haben.
Re: Zeitgeschichte vor 70 Jahren / makaber
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 29. März 2009 07:49
Noch eine Meldung sei aus „Trost" vom 1. 3. 1939 wieder gegeben:
Da fand das „Trost" das eigene Credo, Gesundheitsratschläge betreffend,
einmal andernorts markant wieder gegeben. Es versteht sich für „Trost" als
Ehrensache, dass man dann auch der eigenen Leserschaft dieses Votum zur
Kenntnis bringt. Also berichtet „Trost" in seiner Ausgabe vom 1. 3. 1939:
„Warum haben Heilpraktiker Vertrauen
beim Volke?
Diese Frage beantwortet Prof. Dr. med. L. R. Müller in der Münchener
medizinischen Wochenschrift 1936, Nr. 29, wie folgt:
"Wenn Naturheilkundige nicht selten
größeres Vertrauen beim Volke genießen und größere Erfolge bei Kranken zu
verzeichnen haben als gelehrte Mediziner, so beruht dies nicht darauf, daß
die Naturheilkundigen die Naturheilkräfte besser kennen und besser zu
verwerten wissen als die Schulmediziner. Es ist vielmehr darauf
zurückzuführen, daß sie - bewußt oder unbewußt - bessere Psychotherapeuten
sind als die Mehrzahl der staatlich approbierten Ärzte. Die große Kunst der
seelischen Beeinflussung und der psychischen Aufrichtung des Kranken kann
nicht in Hörsälen gelehrt und gelernt werden, sie kann nur von einem Meister
abgelauscht und abgeguckt und nachgeahmt werden. -
Wie zu jeder erfolgreichen Kunstbetätigung muß aber die Anlage auch zu
dieser Kunst angeboren sein."
Dieser Tendenz kann man auch in der "Trost"-Ausgabe vom 1. 5. 1939
begegnen. Der dortige, namentlich mit Dr. med John B. Fraser gezeichnete
Artikel über die
"Krankheitskeim-Theorie" versteigt sich in seinen Schlussätzen zu
der Aussage:
"Wenn die Bürger irgendeines Landes erkennen,
daß ihnen einfach deshalb, weil sie unwissentlich einige harmlose Keime
tragen - was bei Tausenden der Fall ist, sollten sie sich organisieren und
für ihre persönlichen Rechte kämpfen."
Das mit dem "organisieren" kennt man ja bereits von den vehementen
Impfgegnern, zu dessen Befürwortern unfraglich, auch das "Goldene Zeitalter"
("Trost") gehörte. In den Einleitungssätzen seiner Ausführungen findet sich
auch die Wendung von einem Gegensatz zwischen "Vertretern der Keimtheorie"
und den "Befürwortern der Biochemie". Lässt man sich seine Ausführungen "auf
der Zunge zergehen", ergibt sich der Schluss dass er wohl auch zu den
"Befürwortern der Biochemie" sich zählt.
Seine Thesen im einzelnen zu bewerten maße ich mir als Medizinlaie nicht an.
Ich nehme aber auch zur Kenntnis, dass er offenbar propagiert. Sollten
Schulmediziner Quarantänemaßnahmen für unabdingbar halten, plädiert er für
Widerstand dagegen, sogar in organisierter Form. Über die Gründe, weshalb
Schulmediziner in bestimmten Konstellationen Quarantäne-Anordnungen als
notwendig erachten, mögen die unter sich selber den Streit ausfechten.
Jedoch dabei die Voten solcher vermeintlicher "Biochemiker" höher zu achten,
dass eben scheint mir das Bedenkliche zu sein. Und zum Sprachrohr eben
dieser bedenklichen Tendenz macht auch "Trost" sich!
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Re: Zeitgeschichte vor 70 Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 30. März 2009 04:13
Diese Richtigstellung sieht wie eine
ganz noble und mannhafte Tat aus, solange man die näheren Umstände nicht
kennt, die zu ihrem Erscheinen veranlaßten. Die katholische Zeitung ist
nämlich zu ihrem kompletten Rückzug nicht etwa durch Wahrheitsliebe und
Verantwortungsgefühl gedrängt, sondern durch die englischen Pressegesetze
gezwungen worden. England hat eben noch Gesetze und Gerichte, die sogar
den Mietlingen der römischen Hierarchie das Lügen äußerst riskant machen
können, im Gegensatz zu andern Ländern, wo sie ungestraft die klarsten
Tatbestände in ihr Gegenteil verdrehen dürfen. Der "Catholic Herald"
brachte seine Berichtigung und zahlte außerdem die Anwaltskosten für die
Londoner Rechtsbeistände der Watch Tower Bible and Tract Society, damit
die Klage auf 100 000 Dollar Schadenersatz, die von der Watch Tower
Society gegen den ,,Catholic Herald" eingeleitet worden war, nicht erst
vor einem der romfreien britischen Gerichte zur Verhandlung gelangte."
Diese markigen Worte kann man in der „Trost"-Ausgabe vom 15. 3. 1939
lesen.
Eine Schadenersatzklage auf 100.000 Dollar! Das lasse man sich mal auf der
„Zunge zergehen". Da mag es doch mal angebracht sein, den Stein des
Anstoßes sich etwas näher anzusehen.
Laut „Trost" hatte die Londoner Zeitung „Catholic Herald" in ihrer Ausgabe
vom 14. 10. 1938 das nachfolgende geschrieben:
„Abgeschnitten!
Amerika weigert sich Jehovas 'Haupt-Zeugen' zu hören
Von unserem eigenen Berichterstatter
New York.
Die von Richter Rutherford in der Albert-Halle in London gehaltene und
nach Amerika übertragene antireligiöse Schimpfrede wurde von
amerikanischen Radiostationen plötzlich unterbrochen, und die Leiter der
Stationen entschuldigten sich dann bei den Radiohörern wegen des bereits
gehörten Teiles des Vortrags.
Im Namen der Stationen gaben ihre Beauftragten die Erklärung ab, daß sie
keine Kenntnis von der Art des Vortrages hatten, ihn aber sofort
unterbrechen ließen, als er sich als antireligiöses Gift erwies. Wegen der
Sendung erfolgten Beschwerden bei der Bundeskommission für den
Nachrichtendienst. An einigen Orten, wo Versammlungen zum Anhören der
Sendung arrangiert worden waren, machten die Vermieter ihre Mietverträge
rückgängig und verweigerten den freidenkerischen oder atheistischen
Zuhörern ihre Säle. In Pittsburgh wurde von [Altar-] "Schrein"-Leuten, die
ihren Saal an die ,Zeugen Jehovas' (Rutherfordisten) vermietet hatten, dem
,Pittsburgh Catholic' die Erklärung abgegeben, sie hätten ihren Saal nicht
vermietet, wenn sie den Sinn der Zusammenkunft gekannt hätten, und sie
versicherten weiter, daß in Zukunft Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden
würden.
Konnten Öffentliche Säle nicht benutzen
Alle Radiostationen in New Orleans weigerten sich, den Vortrag zu
übertragen, während Stationen in Colorado und Oklahoma ihn unterbrachen
und sich bei ihren Hörern entschuldigten. In Chikago und New Orleans wurde
zwecks Dreitages-Kongressen der Watch Tower Society, ebenfalls
Rutherfordisten, keine Erlaubnis zur Benutzung öffentlicher Säle erteilt.
An einigen Stellen protestierten amerikanische Legionäre und andere
patriotische Gesellschaften gegen die Sendung, und zwar wegen Rutherfords
umstürzlerischen Lehren über den Flaggengruß und den Kriegsdienst. Die
katholische Presse leitet eine Protestaktion gegen die Anregung ein, den
nächsten Gottlosenkongreß in der Stadt New York abzuhalten."
Wie bereits ausgeführt, zwangen die Anwälte der WTG diese Zeitung
eine „Berichtigung" zu diesen Ausführungen zu bringen, die dann laut
„Trost" auf der Titelseite des „Catholic Herald" vom 25. 11. 1938
erschien. Auch sie sei, so wie sie „Trost" zitierte noch nachfolgend
vorgestellt:
"Richter Rutherfords Rundfunksendung
In unserer Ausgabe vom 14. Oktober wurde berichtet, daß der von Richter
Rutherford am 11. September in der Londoner Albert-Halle gehaltene Vortrag
von amerikanischen Radiostationen plötzlich unterbrochen .worden sei und
die Leiter dieser Stationen sich dann bei den Radiohörern wegen des
bereits gehörten Teiles des Vortrags entschuldigt hätten.
In unserem Bericht wurde ferner gesagt, daß alle Radiostationen von New
Orleans abgelehnt hätten, den Vortrag zu übertragen.
Auf Grund späterer Nachforschungen haben wir jetzt festgestellt, daß nur
drei Sendekreise, nämlich Oklahoma-Stadt, Denver und Colorado Springs, mit
dem Vortrag auf diese Weise verfuhren, wohingegen 118 Stationen in anderen
Sendekreisen den Vortrag ungeschmälert und ohne Unterbrechung sendeten.
Wir sind auch davon unterrichtet worden, daß an keine der Stationen von
New Orleans herangetreten und keine verpflichtet wurde, den Vortrag zu
übertragen, so daß eine Weigerung ihrerseits, dies zu tun, überhaupt nicht
in Frage kommen konnte.
Es ist uns auch vorgehalten worden, daß in diesem Bericht gewisse
Ausdrücke gebraucht wurden, die so aufgefaßt werden könnten, als
beschuldigten sie Richter Rutherford, ein Befürworter oder Prediger
atheistischer Anschauungen zu sein. Der Bericht beabsichtigte nicht,
diesen Eindruck zu erwecken, und wir bedauern ein jedes durch den Bericht
verursachte Mißverständnis."
Nun ja, da hatten Anwälte also ihren Coup. Es ist sicherlich richtig,
dass man auch die Rutherford-Anhänger nicht als klassische „Atheisten"
bezeichnen kann. Ob diese Feststellung indes in einer oberflächlichen
Öffentlichkeit, angesichts der von derselben Organisation verbreiteten
Slogan „Religion sei ein Gimpelfang". Ob daher diese nüchterne
Einschätzung auch bis ins Bewußtsein des Durchschnittsbürgers vorgedrungen
ist, wäre doch sehr zu hinterfragen. Der Durchschnittsbürger denkt bei
einem Slogan wie „Religion sei ein Gimpelfang" wohl eher an eine
Atheistenorganisation, denn an eine Religionsgemeinschaft. Insofern muss
die WTG sich schon vorhalten lassen, selbst ein gerütteltes Maß an Schuld
für angefallene „Mißverständnisse" zu haben.
Wer so argumentiert wie die WTG, brauchte sich auch nicht über das Echo,
dass da aus dem „Walde zurückschallte" zu wundern.
In der Substanz handelte es sich dabei um den Rutherford-Vortrag „Schau
den Tatsachen ins Auge", welcher unter anderem auch als gleichnamige
deutschsprachige WTG-Broschüre Verbreitung fand.
Das darin enthaltene Sätze wie die nachfolgenden wohl kaum dazu angetan
gewesen sein dürften, die religiöse Konkurrenz in „Entzücken" zu
versetzen, dürfte wohl offen zutage liegen:
Zitat:
„Auf dem Wege der Täuschung hat Satan
sozusagen das ganze Menschengeschlecht verblendet, ausgenommen nur jene
gläubigen Menschen, die zu allen Zeiten Gott eifrig gehorcht, ihre
Lauterkeit vor ihm bewahrt und so bewiesen haben, daß Satan ein Lügner ist
und Gott Menschen auf der Erde haben kann, die ihm treuergeben bleiben ...
Gott gebraucht nun diese Zeugen zur Hinausführung seines "befremdenden
Werkes". Dieses besteht darin, daß sie unter die Menschen gehen, ihnen die
Wahrheit über Jehovas Vorsatz und sein Königreich kundtun und sie
besonders darauf hinweisen, daß die Religion im Widerspruch steht zu
Gottes Königreich und vom Teufel dazu gebraucht wird, die Menschen zu
betrügen, sie von Gott abzuziehen und ins Verderben zu stürzen. Für alle
Nicht-Christen scheint dies ein sehr "befremdendes" Werk zu sein, weil sie
zum Glauben gebracht worden sind, Religion und Christentum seien ein und
dasselbe und kämen beide von Gott ...
Das Ungeheuer und Gottes Königreich sind Todfeinde. Das eine muß
verlieren, das andere gewinnen. Der Völkerbund wurde als ein Ersatz für
Gottes Königreich hervorgebracht und ist ein Fehlschlag, wie Gottes
Propheten es vorausgesagt haben. Nun erscheint das große Ungetüm in einer
andern Form und maßt sich gotteslästerlich an, die Welt zu beherrschen und
jeden Unterstützer des Reiches Gottes zu vernichten.
Was ist denn dieses scheußliche Ungeheuer? Es ist die totalitäre Regierung
oder Herrschermacht, die den Staat zum Höchsten macht, alle Menschen
gleichschaltet, durch Willkürdiktatoren über sie herrscht und jedermann
zwingt, diesen restlos zu gehorchen. Dieses Ungeheuer ist daher eine
trügerische Nachäffung von Gottes gerechter Regierung. ...
Die Religion ist stets das Bindemittel gewesen, das irdische Mächte
zusammen verbunden und durch Furcht die Menschen unterwürfig gehalten hat.
Die römisch-katholische Religionsorganisation hat immerdar den Anspruch
erhoben, Christi Statthalter auf Erden zu sein; aber die unbestreitbaren
Tatsachen beweisen das gerade Gegenteil ...
Die Hierarchie ist eine solche Verbindung eingegangen, damit das Papsttum
die Stellung einer Über-Regierung einnehme, und der Vatikan ist darum ein
Teil der Regierungsmacht dieser Welt geworden. Diese Religionsorganisation
ist demnach ein Teil des Ungeheuers, das nun in Erscheinung tritt und das
Herrscherrecht über die Erde beansprucht. ...
Als Mussolini auf Rom marschierte, um davon Besitz zu nehmen, war er ein
geschworener Atheist, war Gott und seinem Reiche feind und duldete keinen
Anhänger oder Verkündiger des Reiches Gottes. Er war damals ein Gegner
aller Religionsorganisationen. Im Jahre 1929 jedoch schlossen Mussolini
und der Papst, das Haupt jener mächtigen Religionsorganisation, einen Bund
miteinander, durch den der Papst von neuem weltliche Macht in Italien
erhielt, und Mussolini wurde ein ergebener Katholik und daher ein
Verteidiger der Religion ...
Kürzlich hat Herr Forbes, der Exekutivsekretär der kommunistischen Partei,
in Staatsangelegenheiten eine gegenseitige Zusammenarbeit zwischen dem
Kommunismus und der römisch-katholischen Hierarchie vorgeschlagen. Der
Papst antwortete darauf der kommunistischen Partei durch seinen Kardinal
und autoritativen Vertreter (Verdier) in Paris mit den Worten:
"Wenn diese Sprache der von Ihnen hingehaltenen Hand bedeuten will, daß
Sie mit Ihren katholischen Brüdern vertrauter werden möchten, um der
Religion, die sie zu ihrer Auffassung, ihren Gefühlen und Werken
inspiriert, höhere Achtung entgegenzubringen, dann wird die Kirche es
nicht ablehnen, dieses Erleuchtungswerk zu tun, und Sie werden erkennen,
daß dies in hohem Grade zum Glück aller beizutragen vermag."
Auf dieses großmütige Angebot des Papstes antwortete die kommunistische
Partei mit den Worten:
"Die Hand, die die kommunistische Partei dem katholischen Volk hinhält,
bleibt ausgestreckt" (New York Times vom 26. Juli 1938) ....
Tausende wahrer Christen schmachten heute in Deutschland, im Gefängnis,
weil sie die Wahrheit kundgetan haben und aus keinem andern Grunde. In
vielen Gegenden des Britischen Reiches und der Vereinigten Staaten
erleiden Jehovas Zeugen großen Widerstand und viel Verfolgung, und dies
stets auf Anstiften der Religionisten und besonders der
römisch-katholischen Hierarchie ...
Man beachte nun die Sprache des Gotteslästerungsgesetzes, das kürzlich im
Britischen Parlament in erster Lesung vorgetragen wurde:
"Wenn ein Ausländer
a) an der Organisierung irgendeiner Versammlung teilnimmt, um
Glaubensansichten atheistischer Art zu verbreiten, oder wenn er Reden
hält, die darauf abzielen, die christliche oder irgendeine andere Form der
Religion verächtlich zu machen, oder
b) irgendein Dokument gotteslästerlichen Inhalts verkauft, verbreitet,
herstellt, veröffentlicht oder zum Verkauf oder zur Verbreitung in seinem
Besitz hat, so soll er im Kurz-Prozeß-Verfahren zu einer Strafe von nicht
über drei Monaten Gefängnis und zur Deportation verurteilt werden." ...
Soll das Werk der Verkündigung der Wahrheit über den Namen Jehovas und
sein Königreich auf der ganzen Erde aufhören, weil der
hierarchisch-totalitäre Bund dagegen ist? Vom Throne des Himmels donnert
die Antwort: "Nein!" Dies ist Jehovas "befremdendes Werk", und er
befiehlt, daß seine Zeugen es unmittelbar vor Harmagedon tun. Nichts kann
es zum Stillstand bringen, ehe Gott sagt: "Es ist getan". ...
Möge die Hierarchie samt dem Papst und allen andern, welche die totalitäre
Diktatur-Herrschaft bilden und deren Vertreter diesem Vortrage nun
lauschen, um darin, wenn möglich, etwas wider Gottes Volk zu finden, jetzt
aufmerken! Solchen Widersachern sagen wir nun.
"Ihr steht heute vor dem Richterstuhl Christi des großen Richters der
Welt.
Man vergleiche zum Thema auch:
Tatsachen
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Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 25. April 2009 06:13
In seinen Erinnerungen kommt der vormalige WTG-Rechtsanwalt
Covington auch auf den als Sekretär Rutherford's beschriebenen William J.
Heath zu sprechen. Letzterer hatte sich insbesondere bei der 1938er
Rutherford-Veranstaltung im Madison Square Garden, mit dem
Rutherford-Vortrag „Herrschaft und Friede", welcher in eine wüste Schlägerei
ausartete, in der Sicht Rutherford's „Lorbeeren verdient".
Man vergleiche dazu
Covington
Es ist eigentlich nicht Usus, dass im „Trost" (1. 4. 1939) die Artikel
namentlich gezeichnet sind. Diejenigen auf die das dennoch zutrifft, sind
eher in der Minderheit, und dann meistens aus bestimmten sachlichen Gründen.
Insofern ist es schon ein relatives Novum, dass in der „Trost"-Ausgabe ein
namentlich mit W. P. Heath jr. gezeichneter Artikel erschien. Das kann man
eigentlich nur als besondere Heraushebung (quasi eine Art Ehrung) dieses
Herrn Heath deuten, zumal der Artikel ein ausgesprochen regionales Colorit
aufweist.
Gemäß diesem Artikel besuchte also Herr Heath zusammen mit seiner Frau, im
örtlichen Kino eine Filmvorstellung. Deren Inhalt indes lies ihm wohl den
„Kamm vor Wut anschwellen" und er meint nun in einem Brief an den Direktor
des Palm Springs Theater sein Mißbehagen zum Ausdruck bringen zu sollen. Und
um dem noch zusätzlichen Nachdruck zu verleihen, wird dieser Protestbrief
auch im „Trost" abgedruckt, obwohl kaum einer der in der Schweiz lebenden „Trost"-Leser
die Option wahrgenommen haben dürfte, eigens eine Reise nach Kalifornien in
besagtes Kino-Theater vorzunehmen.
Sollte jener Artikel im amerikanischen „Consolation" erschienen sein (was
wohl der Fall sein dürfte), bleibt dennoch die Frage bestehen. Das „Trost"
(in der Schweiz erscheinend) hat nur 50 Prozent Umfang pro Heft (16 Seiten)
gegenüber dem amerikanischen „Consolation" (32 Seiten). Wieso fiel da nicht
auch dieser Artikel „durchs Raster"? Der Grund dürfte dann wohl in der schon
beschriebenen „hohen Ansiedlung" dieses Herrn Heath zu suchen sein.
Datiert San Diego, Kalifornien, 2. Januar 1939 beschwert sich also Herr
Heath gegenüber dem Kinobesitzer über einen dort gezeigten Film, den er sich
angesehen hat. Wieso eigentlich? Wer nötigte Herrn Heath diese
Kinovorstellung zu besuchen?
In dem Beschwerdebrief liest man:
„Geehrter Herr ...,
Im Sinne unserer Unterredung vom 24. Dezember, an welchem Tage wir, meine
Gemahlin und ich, uns in Ihrem Theater den Film "Herz des Nordens" ansahen,
wiederhole ich hiermit die Beschwerde, die ich Ihnen bereits mündlich
vortrug. Es fiel mir an diesem Stück auf, daß ein römisch-katholischer
Priester in die Handlung eingeführt wurde; und da diese Priesterrolle mit
der Spielhandlung nichts zu tun hatte, diente diese Darstellung
offensichtlich nur dazu, die katholische Kirche in den Augen der Unwissenden
zu verherrlichen.
Mein Protest richtet sich gegen die Einflechtung solch ekliger Propaganda in
Unterhaltungsfilme."
Da bekam also der Kinobesitzer die Prügel des Herrn Heath. Ob er denn
nicht seine Beschwerde besser an den Filmhersteller adressiert hätte,
darüber reflektiert „Trost" schon nicht mehr.
Weiter belehrt Herr Heath den Kinobesitzer:
„Ich fühle mich gedrungen, Ihnen zu
schreiben, weil es sich hier nicht um einen vereinzelten Fall handelt. In
der gleichen Woche sah ich mir "König für einen Tag" an; und auch in diesem
Stück kam ganz unnützer Weise ein Priester vor, während die Erzählung von
Francois Villon, die hier verfilmt wurde, keine solche Person anführt. Im
Film „Weihnachtslied", nach der Erzählung von Charles Dickens gedreht, kommt
eine Kirchenszene vor, die eher an die katholische als an die anglikanische
Kirche erinnert. Angesichts der vielen Aussprüche, in denen Dickens voll
Jammer über den Katholizismus spricht, kann man wohl meinen, daß, wenn
dieser Schriftsteller noch lebte und den Film gesehen hätte, er das Theater
voller Ekel über einen solch plumpen Trick verlassen haben würde.
Sie wissen selbst, in wie starkem Maße der Film katholische Zusätze erhält.
Obwohl ich kein häufiger Kinobesucher bin, besinne ich mich auf solche
schlau angebrachten Zusätze in den Filmen "Kalifornien", "Orkan", "Lichte
Stunde", "Verlorener Horizont", "Die Rückkehr des roten Pimpemell" und
"Engel mit schmutzigen Gesichtern".
Sie wüßten dieser Liste gewiß noch eine Menge hinzuzufügen.
Viele, die fürs Kino schwärmen, haben mir tatsächlich schon gesagt, die
Filme ohne Reklame für die katholische Kirche bildeten die Ausnahme."
Herr Heath meint weiter äußern zu sollen:
„Ich bin kein Religionist irgendwelcher
Art; und selbst wenn ich's wäre, würde ich sicher nicht ins Kino gehen, um
dort irgendeine Sorte von Religion zu genießen. Was ich dort suche, und was
nach meiner Überzeugung die überwiegende Mehrzahl der anderen dort sucht,
ist Ausspannung.
Wenn die Kinos der ihnen obliegenden Verpflichtung, das Publikum zu
unterhalten, nachkämen, würden sie einer nervös abgespannten Welt einen
Dienst erweisen; aber wenn sie sich zu Vertriebsstellen für die verdorbene
Ware anderer Leute machen lassen, .dann wird es mit ihrer Volkstümlichkeit,
Nützlichkeit und sogar mit ihrem Bestand als Unterhaltungsstätten bald aus
sein."
Herr Heath belehrt den Kinobesitzer weiter:
„Die päpstlichen Bündnisse mit Mussolim,
Hitler, Franco, dem japanischen Kaiser und wahrscheinlich auch Chamberlain
haben Europa so gut wie ruiniert. So hält das katholisch-faschistische
Totalitäts-Gebilde den größten Teil Europas und Asiens in sklavischer
Unterwürfigkeit. Der päpstliche Kampf gegen den Kommunismus ist nichts
weiter als Tarnung. Als "Kommunismus" gilt dem Papst alles, was sich dem
katholischen Ansturm widersetzt. Alles Antikatholische wird als "rot"
verschrien! ...
Es paßt in den Rahmen ihrer Verschwörung, die Macht über die ganze Erde zu
erringen, daß die Hierarchie in die Filme Darstellungen ihrer Vertreter
einflechten läßt. Da jeder Film von Millionen Menschen gesehen wird, hofft
die Hierarchie viele Kritiker zum Schweigen zu bringen und unter den
Uneingeweihten viele Bewunderer heranzuzüchten, indem sie Priester und
Nonnen in Filmrollen recht gütig erscheinen läßt. Warum fallen die
Filmproduzenten en gros auf diese Ränke herein? Spricht das nicht dafür, daß
sich Amerika den faschistischen Staaten, wo alles zurechtgestutzt wird,
angleicht? Als Bürger unseres Landes protestiere ich gegen diesen Mißbrauch
des Films, der erneut zeigt, daß die amerikanischen Freiheiten gefährdet
sind."
Nun kann man die Meinung des Herrn Heath teilen oder auch nicht. Dennoch
bleibt die Frage weiter offen. Wieso muss dafür ein kleiner Kinobesitzer die
Prügel einstecken? Wenn denn „Trost" sich zum Filmkritikforum wandeln
wollte, wäre das sicherlich auch ohne solch personelle Engführung möglich!
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 26. April 2009 02:03
In der der Ausgabe des „Trost" vom 1. 4. 1939 gelesen
„Am 21. Februar 1939 verlas der
katholische Geistliche und slowakische Ministerpräsident Dr. Tiso seine
Regierungserklärung, in der er u. a. ausführte, daß die Regierung nicht
beabsichtige, der Auswanderung des jüdischen Elementes irgendwelche
Hindernisse in den Weg zu legen. Sie werde diese im Gegenteil unterstützen
und zu diesem Zwecke auch die Hilfe der in- und ausländischen Juden in
Anspruch nehmen. Das Verhältnis zur Kirche soll ein herzliches sein. Der
Geistliche müsse der Führer des neuen christlichen und nationalen
Bewußtseins der Slowakei werden.
Hieraus ist ersichtlich, daß die Slowakei jetzt, nachdem sie die
"Autonomie" erlangt hat, erst richtig unfrei geworden ist. Auch sieht man
hier den Antisemitismus und den klerikalen Faschismus Hand in Hand gehen."
Durchaus der Erwähnung wert ist auch die nachfolgende kommentierte „Trost"-Meldung
in dieser Ausgabe:
„500000 Geiseln
In seiner Rede vom 30. Januar 1939 erklärte Hitler:
"Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in- und außerhalb Europas
gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen,
dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der
Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in
Europa."
Da die Nazis bei einem neuen Weltkrieg, auch wenn sie ihn höchstpersönlich
entfacht hätten, ganz sicher den Juden, die Schuld geben würden, ist das
eine Androhung, alle Juden, deren man habhaft werden kann (zuerst einmal
die halbe Million in Deutschland), als Geiseln zu benutzen und im
Kriegsfalle umzubringen. 500 000 Geiseln genügen für neue Erpressungs- und
Einschüchterungsmanöver.
Als ergänzenden Kontrast dazu vergleiche man die „Freiburger Zeitung"
vom 2./3. 1. 1943
http://az.ub.uni-freiburg.de/show/fz.cgi?cmd=showpic&ausgabe=01&day=02&year=1943&month=01&project=3&anzahl=6
Die nachfolgende Meldung aus „Trost" vom 1. 4. 1939 sei gleichfalls
nicht vorenthalten:
Aus "Herr" wurde "Narr"
In Klagenfurt hat man in einem Antiquariat ein Exemplar einer Bibel
entdeckt, die vor 400 Jahren einen Weltskandal erregte. Mehrere hundert
Exemplare dieser Bibel wurden 1540 beschlagnahmt, da die Frau des
Buchdruckers absichtlich eine eigenmächtige Textänderung vornahm.
Im ersten Buch Mose, Kapitel 3, Vers 16 heißt es in der Bibel: "Und er
soll dein Herr sein!" Gemeint ist damit der Ehemann. Es gab aber eine um
1510 erschienene Auflage der Bibel, die in einer Augsburger Druckerei
hergestellt worden war, in der die Textstelle lautete:
"Und er soll dein Narr sein!" Das führte zu einem Skandal ohnegleichen,
und schließlich mußte die Missetäterin, die diesen Fehler absichtlich
herbeigeführt hatte, ihr Vergehen mit lebenslänglicher Gefängnisstrafe
büßen. Ihr Mann hatte nämlich den ehrenvollen Auftrag bekommen, eine Bibel
zu drucken. Nachdem alle Bogen der Heiligen Schrift bereits korrigiert
waren, schlich sie sich in die Druckerei und änderte eine Stelle des
ersten Buches Mose, die nicht ihren Beifall fand, heimlich um. Sie hob aus
dem Satz "Und er soll dein Herr sein" die Buchstaben "He" heraus und
setzte dafür ein "Na" ein, so daß es nun hieß: "Und er soll dein Narr
sein".
Die Bibel wurde gedruckt und der Öffentlichkeit übergeben. Dann erst
bemerkte man auf Grund zahlreicher Beschwerden den entsetzlichen Fehler,
der geradezu einer Gotteslästerung gleichkam. Man verhaftete sofort den
Buchdrucker und drohte ihm die schwersten Foltern an, wenn er nicht
gestehen würde, wie dieser Fehler entstanden sei. Der arme Mann war sich
keiner Schuld bewußt und flehte um Gnade. Schließlich aber bewahrte ihn
das überraschende Geständnis seiner Frau vor dem Henkersbeil.
Theresia gab ohne weiteres zu, die Korrektur vorgenommen zu haben, da nach
ihrer Meinung der Mann nicht der Herr der Frau sei, sondern auch die Frau
ihre Rechte habe. Ihre Erklärung bewahrte sie freilich nicht vor schwerer
Strafe. Man schenkte ihr zwar das Leben, sperrte sie aber auf Lebenszelt
ins Gefängnis. Sie soll erst im
Alter von 78 Jahren gestorben sein.
In etwas abgewandelter Form erschien dann im Jahre 1948 „Erwachet!" der
Bericht über dieselbe Episode erneut berichtenswert.
Man vergleiche dazu die
1948 betreffende Kommentarserie
Dort der Eintrag vom
09. Oktober 2008 02:23
(mehr am unteren Ende der Textzusammenfassung)
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 27. April 2009 06:38
Ein Französischsprachiges Buch aus dem Jahre 1870 von Edouard
Siebecker mit dem Titel: „L'Alsace. Recits histoiriques d'un Patriot" hatte
das „Trost" offenbar im besonderen beeindruckt, so dass es sich bemüßigt sah,
seiner Leserschaft auch davon Kenntnis zu geben (in der „Trost"-Ausgabe vom
15. 4. 1939). Schon die gewählte Überschrift zu dieser Information kann man
als durchaus aussagekräftig bezeichnen. Ihr Titel: „Das Jahr 1000 n. Chr. als
Quelle kirchlicher Bereicherungen."
Denkt man an die Neuzeit, etwa an den Coup in Nachfolge des KdöR-Status, dass
vormalige örtliche Zeugen Jehovas-Vereine, ihr Vermögen auch de jure nun
endgültig abzutreten haben an die „Körperschaft ...". Was zwar weitgehend
schon vorher so war; aber doch nicht juristisch „wasserfest". Denkt man daran
als Beispiel, dann fragt man sich interessiert, was also hat man da aus der
Geschichte gelernt und im eigenen Bereich nunmehr auch umgesetzt?
Nun denn, man höre was „Trost" unter Berufung auf vorgenannte Quelle zu
berichten weiß:
„Gegen Ende des 10. Jahrhunderts ergriff
die Welt ein großer Schrecken. Der Klerus brachte die alte Legende hervor,
wonach die von Gott festgesetzte tausendjährige Heilszeit für die Menschheit
abgelaufen wäre und die Welt im Jahre 1000 n. Chr. untergehen würde. Das Jahr
1000 würde also das letzte Jahr der Weltgeschichte, die schreckliche Zeit des
"Jüngsten Gerichtes" sein.
Das war für die Geistlichkeit eine günstige Gelegenheit, sich zu bereichern;
denn durch die vielen vorangegangenen Kriege, Unruhen, Plünderungen etc. waren
die Kirchenkassen völlig erschöpft. Zeit und Menschen schienen für diese Kunde
reif zu sein. Barbarei, Verbrechertum und allgemeine sittliche Verderbnis
hatten in jenen Tagen den Höhepunkt erreicht. Die Nachricht vom bevorstehenden
Jüngsten Gericht machte einen gewaltigen Eindruck auf arm und reich.
Die Könige und Fürsten begannen Einkehr zu halten und freiwillig Buße zu tun,
indem sie sich mancherlei Opfer auferlegten. Die schlimmsten fürstlichen
Übeltäter zogen sich aus Furcht vor der kommenden Strafe in die Klöster
zurück, nachdem sie zuerst noch ihren Besitz ganz oder zum größten Teil der
Kirche vermacht hatten.
Die religiösen Stifte zogen daraus Gewinn und vergrößerten sich sehr. Um
dieses so unerwartet aufgeblühte Geschäft noch besser auszunutzen, entsandte
die Kirche überallhin begabte Prediger, die den Großen die Entsagung auf
irdischen Reichtum, sowie freiwillige Kasteiung des Fleisches, und den Kleinen
Buße und Demut predigten.
Und so flossen denn von allen Seiten Gaben und Güter zu, so daß sich die
Kloster- und Kirchenschätze reichlich mehrten.
Als dann das Jahr 1000 kam, die Welt nicht unterging und das Jüngste Gericht
nicht begann, ließ der Klerus, aus schlauer Berechnung, daß sonst der
Spendenstrom versiegen könnte, die Gerüchte verbreiten, man habe die
Geschichte vom Weltende nicht richtig verstanden. Es handle sich nicht um 1000
Jahre nach Christi Geburt, sondern nach Christi Auferstehung oder Himmelfahrt.
Die Gnadenzeit dauere also noch 33 Jahre länger, und außerdem kämen noch
sieben Jahre besonderer Gnade nach der Schöpfungswoche hinzu, so daß das
Weltende, verbunden mit dem Jüngsten Gericht, erst im Jahre 1040 n. Chr.
stattfinden würde.
Immerhin muß gesagt werden, so meint der Verfasser des ,,Alsace", daß aus
Furcht vor der angekündigten Züchtigung die Könige und Herren während eines
halben Jahrhunderts mit ihren Untertanen etwas menschlicher umgingen, während
es auf die Leute von der Kirche so gut wie gar keinen Eindruck machte. Im
Gegenteil, der Überfluß an irdischen Reichtümern brachte im Schoße des großen
Religionssystems die schlimmsten Laster und Schandtaten hervor."
Und dazu kommentiert „Trost" dann:
„Dieser historische Bericht ist
lehrreich",. was ja dann auch nicht zu bezweifeln wäre
Weiter „Trost":
„Nicht einmal durch ihre eigene verkehrte
Auffassung über das Jüngste Gericht ließen sich die habgierigen Religionisten
vom Zusammenraffen irdischer Schätze abhalten."
A ja. Es wäre wohl zuviel gesagt, bezeichnete man die eben berichteten
Ausführungen des Siebecker, als das eigentliche „Strickmuster" der
WTG-Religion. Oder anders formuliert: Dieses „Strickmuster" war und ist auch
ohne Siebecker sehr wirksam. Ihn da als Quelle zu bemühen ist sicherlich
müßig. Auch ohne diese Quelle im Detail zu zitieren, wird genau das auch in
der WTG-Religion praktiziert!
Parsimony.17143
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren / Imitation mit Effekt
geschrieben von:
X ~ mysnip
Datum: 27. April 2009 16:04
Zitat:
Drahbeck
Ein Französischsprachiges Buch aus dem Jahre 1870 von Edouard Siebecker
mit dem Titel: „L'Alsace. Recits histoiriques d'un Patriot" hatte das
„Trost" offenbar im besonderen beeindruckt, so dass es sich bemüßigt sah,
seiner Leserschaft auch davon Kenntnis zu geben (in der „Trost"-Ausgabe vom
15. 4. 1939). ...
„Gegen Ende des 10. Jahrhunderts
ergriff die Welt ein großer Schrecken. Der Klerus brachte die alte Legende
hervor, wonach die von Gott festgesetzte tausendjährige Heilszeit für die
Menschheit abgelaufen wäre und die Welt im Jahre 1000 n. Chr. untergehen
würde. Das Jahr 1000 würde also das letzte Jahr der Weltgeschichte, die
schreckliche Zeit des "Jüngsten Gerichtes" sein. ...
Die Nachricht vom bevorstehenden Jüngsten Gericht machte einen gewaltigen
Eindruck ...
Die religiösen Stifte zogen daraus Gewinn und vergrößerten sich sehr.
...
Und dazu kommentiert „Trost" dann:
„Dieser historische Bericht ist
lehrreich",. was ja dann auch nicht zu bezweifeln wäre
...
WTG-Buch 1993 Jehovas Zeugen -
Verkündiger des Königreiches Gottes S.104, 107
,,Ende der 60er Jahre hatten
Jehovas Zeugen beim Verkündigen der guten Botschaft eine gewisse
Erwartungshaltung und verspürten ein Gefühl der Dringlichkeit."
,,Das Buch Ewiges Leben - in
der Freiheit der Söhne Gottes, das 1966 auf den
Bezirkskongressen freigegeben wurde, wies auf 1975 hin." ...
1968 war die Zahl der Königreichsverkündiger auf 1 221 504 in
203 Ländern und Inselgebieten angestiegen. ...
1972 ... In den nächsten drei Jahren erlebten Jehovas Zeugen
ein eindrucksvolles Wachstum - mehr als eine Dreiviertelmillion
Personen ließen sich taufen."
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren / heute
geschrieben von:
Frau von x
Datum: 30. April 2009 13:00
Zitat:
Nun denn, man höre was „Trost" unter Berufung auf vorgenannte Quelle zu
berichten weiß:
Der Klerus brachte die alte
Legende hervor, wonach ... die Welt im Jahre 1000 n. Chr. untergehen würde.
Das war für die Geistlichkeit eine günstige Gelegenheit, sich zu bereichern;
... . Zeit und Menschen schienen für diese Kunde reif zu sein.
Wie biblische Prohezeiungen erkennen lassen, leben wir am "Abschluss des
Systems der Dinge" oder "in den letzten Tagen" der heutigen Welt.
Diese Zeit wäre durch Kriege, Krankheiten, Hungersnöte, Erdbeben und
gesellschaftlichen Verfall gekennzeichnet - Verhältnisse, unter denen die
Menschheit seit dem Jahr 1914 leidet wie nie zuvor (...). Unsere Welt gleicht
einem sinkenden Schiff kurz vor dem Untergang.
Zitat:
Um dieses so unerwartet
aufgeblühte Geschäft noch besser auszunutzen, entsandte die Kirche
überallhin begabte Prediger, ... .
Mit den 56 Absolventen der 125. Klasse der Wachtturm-Bibelschule Gilead sind
nun über 8 000 Missionare "bis zum entferntesten Teil der Erde" ausgesandt
worden (Apg. 1:8).
Zitat:
Weiter „Trost":
„Nicht einmal durch ihre eigene
verkehrte Auffassung über das Jüngste Gericht ließen sich die habgierigen
Religionisten vom Zusammenraffen irdischer Schätze abhalten."
Jehova liebt und belohnt diejenigen, die gern geben. ... Wir werden
Freude erleben und reich belohnt werden, wenn wir unsere Zeit, Kraft und
Mittel einsetzen.
Und vergessen wir nicht, was es alles für Möglichkieten gibt, dieses Werk
auch finanziell zu unterstützen.
Zitate aus Zeitschriften der WTG 2009
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 28. April 2009 06:13
Im 1987er Jahrbuch der Zeugen kann man unter anderem die Sätze lesen:
„Im Kanton Luzern verbot man das Buch
Licht, Band 1, wegen gewisser Bilder, die es enthielt. In Freiburg, einem
anderen katholischen Kanton, wurden einige Verkündiger vor Gericht
beschuldigt, durch die Verbreitung des Buches Befreiung übermäßige Kritik an
der katholischen Kirche geübt zu haben; wir verloren den Fall. Im Kanton
Graubünden wurde die Verbreitung irgendwelcher unserer Publikationen verboten,
während man im katholischen Kanton Zug die 'friedenstörende' Tätigkeit der
Zeugen Jehovas ganz und gar untersagte. Danach verordnete die Luzerner
Kantonsregierung dasselbe. ...
DAS ZIEL DES FEINDES: VOLLSTÄNDIGES VERBOT
"Es ist höchste Zeit, der Tätigkeit der Bibelforscher alias Zeugen Jehovas ein
Ende zu setzen. Diese Äußerung erschien häufig, besonders aber in der
katholischen Presse. Die Tatsache, daß Jehovas Zeugen im
nationalsozialistischen Deutschland verboten waren, ermutigte unsere Feinde in
der Schweiz, das gleiche Ziel anzustreben. ...
Ein einflußreiches Mittel war die Schweizerische Pressekorrespondenz, ein
monatlich erscheinendes Informationsblatt, das allen Behörden und
Zeitungsredaktionen zugestellt wurde. Es stand in enger Verbindung zu der
'Gesellschaft für Kirche und Papst', die 1931 in St. Gallen gegründet worden
war. Dieses Blatt war sehr bemüht, Jehovas Zeugen als eine höchst verdächtige
und staatsfeindliche Organisation, die die Idee einer jüdischen Weltregierung
unterstützt, erscheinen zu lassen.
Auf die Unterbindung unseres Werkes und das Verbot unserer Schriften
hinarbeitend, schrieb das Blatt:
"Diese trübe Flut, die alle Länder Europas von Bern aus überschwemmt,
überbindet uns Katholiken in der Schweiz die Verpflichtung, hier selbst dafür
zu sorgen, daß diese Zentrale ausgehoben wird. Wir dürfen es nicht dulden, daß
dieses unser herrliches Land als Ausgangspunkt für eine bolschewistische
Wühlarbeit in den europäischen Staaten mißbraucht wird."
Dann kommt das Jahrbuch auf die Aktivitäten des Herrn Toedtli zu sprechen
(dessen Wirken auch hier schon früher beschrieben und kommentiert wurden) und
äußert weiter:
„Die von Herrn Toedtli vorgebrachten
Anklagen stützten sich auf eine lange Abhandlung eines Herrn Fleischhauer,
Mitglied der Nationalen Front und Leiter des antijüdischen und
nationalsozialistischen Propagandazentrums in Erfurt (Deutschland)."
Hier ist das Jahrbuch schon ungenau. Genannte „Nationale Front" war eine
Schweizer Organisation, sehr faschistisch-lastiger Art. Ohne Frage. Aber der
Reichsdeutsche Fleischhauer, war deshalb noch lange nicht formelles Mitglied
oder „Ehrenmitglied".
Ist dieser Aspekt in seiner Gewichtung auch unter „ferner liefen" einortbar,
bleibt dennoch der Umstand bestehen, dass es um die Genauigkeit der
WTG-Schreiber nicht zum besten bestellt ist.
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 29. April 2009 04:57
Über eine aus WTG-Sicht wenig erfreuliche Pressemeldung erschienen am 15.
11. 1937 in der Schweizer Zeitung „Zuger Nachrichten" berichtet „Trost" vom
15. 4. 1939
Unter der Überschrift „Die Bibelforscher stänkern" war da zu lesen, dass sie
„am letzten Freitag eine allerdings
schwach besuchte Versammlung im Gasthaus 'Eisenbahn' abhielten, wo bekanntlich
allerhand Leute ihre manchmal recht bedenklichen Versammlungen halten können.
In dieser Versammlung der Bibelforscher wurde in unflätiger Weise auf Kirche
und Papst losgezogen, so daß der Tatbestand der Störung des konfessionellen
Friedens und der gemeinsten Beleidigung feststeht. Es wird wohl dafür gesorgt
werden von zuständiger Seite, daß eine weitere Versammlung, die am 22.
November vorgesehen ist, nicht mehr stattfinden kann."
Das angesichts einer solchen Pressemeldung der WTG schlimmes schwante,
kann man sich gut vorstellen. Letzteres trat dann auch (einstweilen) ein.
In der Form einer anderen Verlautbarung, und zwar im „Amtsblatt des Kanton
Zug" vom 20. November 1937, (S. 940) wurde selbiges wie folgt formuliert:
„2014. Regierungsratsbeschluß betr. die
Tätigkeit der sog. ernsten Bibelforscher.
Der Regierunsrat.
In Anbetracht der den Religionsfrieden störenden Tätigkeit der sog. Ernsten
Bibelforscher, gestützt auf Art. 50 der Bundesverfassung und § 47 Lit. b. der
Kantonsverfassung, verfügt:
1. Den sog. Ernsten Bibelforschern ("Jehovas Zeugen" und ähnlichen
Vereinigungen) wird die Propagandatätigkeit im Kanton Zug, insbesondere der
Vertrieb von Drucksachen und die Veranstaltung von Vorträgen, verboten.
2. Widerhandlungen werden nach Maßgabe des §§ 44 des Strafgesetzes durch den
Strafrichter geahndet. Die Polizeiorgane sind angewiesen, die Drucksachen zu
beschlagnahmen.
3. Die weitergehenden Strafandrohungen des Strafgesetzes hinsichtlich
Hausfriedensbruch, Störung des Religionsfriedens etc. werden vorbehalten.
4. Dieser Beschluß tritt an Stelle des Regierungsratsbeschlusses vom 14.
Februar 1925 und ist im Amtsblatt zu veröffentlichen.
Zug, den 17. November 1937
Der Landamann
C. Staub
Der Landschreiber: Dr. Zumbach"
Wie man unschwer erkennen kann, war nun wieder einmal der Zeitpunkt
gekommen, wo die WTG ihre Alarmglocken auf höchste Stufe umschalten musste. Es
war vorauszusehen. Sie würde das juristisch bekämpfen, was dann auch eintrat.
Über die Folgewirkung mussten dann die gleichen schon genannten „Zuger
Nachrichten" in ihrer Ausgabe vom 14. 2. 1938 unter der Überschrift:
1„Das Bundesgericht schützt die hetzerischen 'Bibelforscher'" wie folgt
berichten:
„Aufhebung eines Zugerischen Verbotes.
Der Regierungsrat des Kanton Zug hatte am 17. November 1937 jede
gottesdienstliche Tätigkeit der Zeugen Jehovas (früher Bibelforscher genannt)
und ähnlicher Vereinigungen, insbesondere den Vertrieb von Drucksachen
biblischen Inhaltes und die Veranstaltung von Vorträgen verboten und dieses
Verbot im Amtsblatt des Kanton Zug veröffentlichen lassen. Am 30. April 1937
hatte das Bundesgericht ein gleiches Verbot des Regierungsrates des Kanton
Luzern vom 10. September 1936, weil verfassungswidrig, einstimmig aufgehoben.
Das Bundesgericht hatte sich nun auch mit einer Beschwerde der Zeugen Jehovas
gegen das Verbot im Kanton Zug zu befassen. Ein Polizeirapport vom 13.
November 1937, auf den der Regierungsrat des Kanton Zug sein am 17. November
1937 erlassenes Verbot stützte, bezog sich auf einen öffentlichen Vortrag, der
von den Zeugen Jehovas Freitag, den 12. November 1937 in der „Eisenbahn" in
Zug veranstaltet worden war. Der Vortragsabend verlief ruhig, aber unter
hetzerischer Angriffen auf die kathol. Religion. Es sei durchwegs denkbar, daß
auch im vorliegenden Falle der Regierungsrat des Kanton Zug über die Zeugen
Jehovas falsch informiert worden sei.
(Anhand verschiedener, die anerkannten Konfessionen
s c h w e r
beleidigender Flugblätter der Bibelforscher ist jedoch die absolute
Gefährlichkeit und die Gesetzwidrigkeit der Bibelforscher klar ersichtlich.
Red.)
Die Staatsrechtliche Abteilung des Bundesgerichtes hieß nun am 4. Februar 1938
die Beschwerde der Zeugen Jehovas gegen den Regierungsrat des Kantons Zug auf,
und hob dessen eingangs genannten Beschluß auf."
Wer den Schaden hat, braucht dann wohl auch für den Spott nicht mehr
Sorge tragen. Das war dann wohl auch in diesem Falle so. In einem
beispielsweise überschriebenen Artikel:
„Vorläufig kein klerikales Glaubensmonopol" schrieb etwa „Die Arbeit.
Sozialdemokratisches Tagblatt fürs Zürcher Oberland" am 14. 2. 1938 unter
anderem:
„ ... Der Polizeirapport vom 13. November
1937 entsprach auch nicht dem wirklichen Inhalt des Vortrages. Die Zeugen
Jehovas betonten in ihrer staatsrechtlichen Beschwerde unter anderen, daß sie
das Gefühl nicht los würden, daß nach all den Verfolgungen, besonders in
Deutschland, aber auch in anderen Staaten wie in Sowjetrußland, Japan usw. nun
auch in der Schweiz Tendenzen eindrängen, die darauf gerichtet seien, die
Zeugen Jehovas mit allen Mitteln zu unterdrücken. ..."
Ähnlich äußerte sich auch die „Berner Tagwacht" in ihrer Ausgabe vom 12.
2. 1938, die da titelte:
„Eine Niederlage des Kantone Zug"
Letztere schrieb den Zugern dann noch ins „Stammbuch":
„Auch katholische Kantone müssen sich
daran gewöhnen, daß in der Schweiz noch die Glaubens- und Gewissensfreiheit
besteht und auch in den schwärzesten Winkeln zu respektieren ist."
Fazit: Letztendlich hatte sich die katholisch-faschistische Koalition
eine Niederlage eingehandelt. Noch war bei den Demokraten der Schweiz, dass
Gefühl, wenn die Demokratie in Gefahr ist, noch nicht völlig erstorben!
Nun braucht man sich nicht zu wundern, dass auch das „Trost" dieses Thema
aufnehmen würde. So geschehen in seiner Ausgabe vom 15. 4. 1938.
Als Details wird unter anderem mitgeteilt. Ursprünglich sollte WTG-Funktionär
Franz Zürcher den in Rede stehenden Vortrag halten. Durch seine Erkrankung
wurde kurzfristig ein anderer Redner dafür eingesetzt.
Der genannte Polizeirapport charakterisiert die anwesende Zuhörerschaft als „ausschliesslich
aus den untern Arbeiterklassen rekrutiert".
Die WTG indes bestreitet, dass der angefertigte Polizeirapport, den Vortrag
wirklich Wahrheitsgetreu wieder gegeben habe.
Die „Erbsenzählerei", wer denn mit seiner Interpretation des Ablaufes dieser
Veranstaltung recht hätte, offenbart sich dann auch in solchen Sätzen wie die
nachfolgenden im „Trost"-Bericht:
„Eine fernere grobe Unrichtigkeit im
Polizeibericht stellt auch die Stelle dar, wo es heißt:
" Gegen den Schluß seiner Ausführungen verurteilte der Referent noch einmal
die römisch-katholische Hierarchie und den Faschismus, welche beide die
größten Feinde der wahren Lehre Gottes und die größten Verleumder Gottes
seien... "
In Wirklichkeit sprach der Referent hier von der Verfolgung der Zeugen Jehovas
und gab dabei seiner Auffassung Ausdruck, daß die römisch-katholische
Hierarchie und der Faschismus die verschworensten Feinde und Verleumder der
Zeugen Jehovas seien. Der Referent sagte aber nicht, wie es im Polizeibericht
heißt, daß sie die größten Feinde der wahren Lehre Gottes und die größten
Verleumder Gottes seien."
Weiter bemängelt die WTG:
„Wenn nun noch der Polizeirapport
abschließend den Vortrag nach seinem Erachten mehr als eine Schmährede auf die
römisch-katholische Kirche, als eine Religionspredigt bezeichnet, so ist das
eine durchaus unzutreffende und unzulässige subjektive Behauptung des
beauftragten Polizeikorporals. Ebenso die weiteren Ausführungen in den
Schlußabschnitten des Polizeirapportes, die, wie bereits gezeigt, auf einem
verdrehten, den tatsächlichen Ausführungen in keiner Weise entsprechenden Text
beruhen. Man sieht aus alledem nur die Tendenz heraus, gegen eine Kritik, die
begreiflicherweise demjenigen, der etwas anderes glaubt, nicht gefällt, mit
Gewaltmitteln einzuschreiten."
Wie auch immer diese Kontroversen beurteilt werden. Da steht wohl Aussage
gegen Aussage, ist ja letztendlich zweitrangig, da ja die WTG vor Gericht ihre
Sicht der Dinge durchsetzen konnte. Viel entlarvender ist meines Erachtens die
in der gleichen „Trost"-Ausgabe vom 15. 4. 1938 abgedruckte Rubrik
„Ihre Fragen von J. F. Rutherford
beantwortet"
Vielleicht hätte die Zugerische Regierung sich nicht so sehr für einen
einzelnen (zudem noch unbedeutenden Vortrag in einem unbedeutenden Gasthof)
interessieren sollen, sondern vielmehr für solche Rutherford-Aussagen wie die
nachfolgenden. Dann wäre sie wohl an ihrem Ziel Schmähkritik nachweisen zu
können, näher herangekommen.
Rutherford, nun wahrlich nicht mit einem unbedeutenden Referenten in einem
unbedeutenden Gasthofe vergleichbar, äußerte sich darin auch wie folgt:
„Die römisch-katholische Organisation hat
sich hinter Lügen verschanzt, und durch Betrug und Überlistung betreibt sie
den größten Racket [Gimpelfang] aller Zeiten. Sie prahlt damit, daß ,die
Pforten der Hölle die römisch-katholische Kirche nie überwinden' würden; aber
im prophetischen Worte Gottes steht über dieses Werkzeug Satans, die
römisch-katholische Religionsorganisation, folgendes geschrieben: "Denn ihr
sprechet: Wir haben einen Bund mit dem Tode geschlossen und einen Vertrag mit
dem Scheol gemacht: wenn die überflutende Geißel hindurchfährt, wird sie an
uns nicht kommen; denn wir haben die Lüge zu unserer Zuflucht gemacht und in
der Falschheit uns geborgen. Und ich werde das Recht zur Richtschnur machen,
und die Gerechtigkeit zum Senkblei. Und der Hagel wird hinwegraffen die
Zuflucht der Lüge, und die Wasser werden den Bergungsort wegschwemmen. Und
euer Bund mit dem Tode wird zunichte werden, und euer Vertrag mit dem Scheol
nicht bestehen: wenn die überflutende Geißel hindurchfährt, so werdet ihr von
derselben zertreten werden" ...
Daher wird die römisch-katholische Kirche, statt ,aus diesem ungeheuren
Aufruhr glänzender hervorzugehen', überhaupt nicht aus ihm hervorgehen,
sondern für immer und ewig verschwinden, denn ihr Ende ist gekommen. Alle
solche, die zu dieser Religionsorganisation halten und sie unterstützen,
werden ebenso ins Verderben gehen; und es wird eine ausgedehntere Verwüstung
geben als je etwas, das sich auf der Erde zugetragen hat."
Man vergleiche dazu auch die Berichterstattung innerhalb der Serie
„Im Zeitspiegel" am 14. Februar 2008 04:54.
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Re: Zeitgeschichte vor
siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 25. Mai 2009 03:09
„Trost" zitiert in seiner Ausgabe vom 1. 5. 1939, und diese Meldung macht
zugleich deutlich, welche Abgründe da zum zeitgenössischen konventionellen
Christentum bestanden. Das die „etablierten Kirchen" (damals) nicht den
Schatten einer Chance hatten, die Bibelforscher/Zeugen Jehovas zu „erreichen".
In dem „Trost"-Bericht ist in der Substanz auch von finanzieller Schmierung
der Kirchen durch Hitlerdeutschland die Rede. Nun gehörte die WTG-Religion
damals (umständehalber) noch nicht zu den so Begünstigten. Gelehrig genug war
sie wohl schon damals.
Lediglich dass für solch einen „Deal" immer zwei Partner vonnöten sind.
Ihre Gelehrigkeit hat sie dann ja bereits in den USA unter Beweis gestellt,
indem die „Proletenreligion" sich ihre (damaligen) äußerst kostspieligen
Radioambitionen von betuchten Kreisen bezahlen lies. Ohne diese allerdings
detailliert offen zu legen.
Posaunten zeitgenössische Antisemiten (in Deutschland) lauthals, dass seien
„jüdische Kreise" die da den WTG-Mäzen spielten.
Und sagten Jahre später (ebenfalls ohne dokumentarischen Beweis) sowjetische
Kreise, nicht „Juden" sondern die Rockefellers und Co seien die Finanziers der
kostspieligen Radioambitionen. Dann kann man wohl eher eine mittlere Linie
unterstellen.
Welche Religion die Geldmagnanten, da als Privatpersonen angehörten, kann und
muss als bedeutungslos angesehen werden.
Entscheidend allein ist der Umstand der „Schmierung" jener (damaligen)
Proletenreligion.
Nichts ist so alt wie der Ruhm von gestern. Und so hat man sich mittlerweile
Stichwort (KdöR) auch jenem Kreise der
Geschmierten, oder danach Gierenden angeschlossen.
Nehmen in den USA eher betuchte Kreise diese Aufgabe war. So darf halt in
Deutschland der Steuerzahler-Michel diesen Part wahrnehmen.
Es ist wohl war, dass politische Opposition auch im Gewande der Religion
daherstolzieren kann. Hier nun werden Beispiele dafür geliefert. Nun also die
angekündigten „Trost"-Zitate:
Die Zeitschrift "Freies Deutschland"
schrieb am 2. März 1939 zu diesem Thema:
"...Was will das Regime mit den Kirchen?
Im Ausland ist vielfach die Meinung verbreitet, daß man auf die Ausrottung der
christlichen Traditionsbestände abzielt. Das ist heute wie ehedem jedoch nur
die Absicht einer Minderheit. In einem Augenblick, in dem die Diktatur ständig
auf machtpolitische Erprobungen gefaßt sein muß, kann sie sich das Risiko
eines frontalen Kulturkampfes nicht leisten.
Andrerseits sprechen gerade militärische oder besser: wehrpsychologische
Erwägungen für eine Bereinigung des konfessionellen Gegensatzes auf der
Grundlage einer staatlichen Einheitskirche. Eine rein staatlich orientierte
Fraktion des Regimes, die durch die Namen Göring-Kerrl gekennzeichnet ist,
wünscht die Aufbewahrung und Verwertung der christlichen Traditionen im Rahmen
der von dem gemäßigten Flügel der Deutschen Christen propagierten christlichen
Einheitskirche.
Man erinnert sich an diese Bestrebungen, wenn man liest, daß Göring in der
Lüneburger Heide den Angehörigen der Luftwaffe und deren Familien eine Kirche
gestiftet hat, die gleichermaßen Evangelischen und Katholiken dienen soll.
Wohlgemerkt: Göring stiftet keine heidnische Kapelle, keinen germanischen
Altar, sondern eine christliche Kirche - freilich eine 'deutschchristliche',
die dazu dient, den innerkonfessionellen Gegensatz im Christentum zu
'überbrücken'.
Einer Lösung in diesem Sinn stehen Kräfte der verschiedensten Art entgegen:
die Traditionen der deutschen Geschichte seit vielen hundert Jahren, der
Machtanspruch des Papsttums, das Dogma der deutschen Theologie seit Hus,
Luther und Calvin.
Und von der andern Seite her: die Glaubensbewegungen, die durchaus
unchristliche, vom Christentum abgelöste und auf Rasse basierende Haltung der
mächtigsten Parteiformationen (SS, HJ) und schließlich der damit nicht
gleichzusetzende 'wissenschaftliche' Parteiflügel der Rosenberg und Bäumler...
Der dogmatisch unbekümmerte, staatspolitisch denkende Flügel der Göring-Kerrl
schert sich wenig um die etwaigen weltanschaulichen Streitfragen. Für ihn gibt
es ein Christentum, das ausdeutungsfähig genug ist, um das weltanschauliche
Dekorum der Staatsdiktatur bilden zu können; je weniger theologischen Ballast
so ein Gebäude zu schleppen hat, desto besser. Wozu soll man sich in das
unabsehbare geistige Abenteuer einer neuen Religion stürzen, wenn ein
bewährtes Christentum griffbereit liegt?
..."
Mit Bezug auf sie erklärte Hitler in
seiner Reichstagsrede vom 30. Januar 1939:
"Der nationalsozialistische Staat hat
seit dem 30. Januar 1933 an öffentlichen Steuererträgnissen durch seine
Staatsorgane folgende Summen den beiden Kirchen zur Verfügung gestellt:
Im Rechnungsjahr 1933 130 Millionen RM
1934 170
1935 250
1936 320
1937 400
1938 500
Dazu noch jährlich rd. 85 Mill. Reichsmark aus Zuschüssender Länder und rd. 7
Mill. Reichsmark aus Zuschüssen der Gemeinden und Gemeindeverbände.
Abgesehen davon sind die Kirchen der größte Grundeigentümer nach dem Staate.
Der Wert ihres land- und forstwirtschaftlichen Besitzes übersteigt einen
Betrag von rd. 10 Milliarden Reichsmark. Die Einkünfte aus diesem Grundbesitz
sind auf über 300 Millionen jährlich zu schätzen. Dazu kommen noch die
zahllosen Schenkungen, testamentarischen Übereignungen und vor allem die
Ergebnisse ihrer Kirchensammlungen. Ebenso ist die Kirche im
nationalsozialistischen Staat auf verschiedenen Gebieten steuerbegünstigt und
besitzt für Schenkungen, Vermächtnisse usw. die Steuerfreiheit..."
Da werden also Riesensummen genannt, mit
denen Hitler seine Kirchen auf Kosten des deutschen Volkes füttert. Daß die
angegebenen Summen nicht stimmen, wird von den Geldempfängern nicht behauptet,
also stimmen sie wohl.
Auch der vatikanische "Osservatore Romano della Domenica" befaßt sich in
seinem Artikel "Dopo il discorso del Cancel-liere del Reich" (Nummer vom 12.
Febr. 1939) mit Hitlers Rede, erwähnt auch gleich im ersten Satz, daß Hitler
die staatlichen Aufwendungen für die Kirchen aufzählte, bestreitet aber in den
nachfolgenden langen Ausführungen mit keinem Wort die Richtigkeit dieser
Zahlenangaben.
Die Kirchen werden also mit großen finanziellen Zuwendungen "geschmiert",
damit sie über alles Unrecht schweigen und nur das Lied dessen singen, des
Brot sie essen. Wie die evangelische und die katholische Kirche an diesen
Zuwendungen prozentual beteiligt ist, wird nicht angegeben. Doch geht man
gewiß nicht fehl in der Annahme, daß die katholische Kirche den Löwenanteil
bekommt.
Unter Hitlers Schutz drängt das papistische Rom den Protestantismus in
Deutschland ja immer weiter zurück.
"Das Schwarze Korps" vom 19. Jan. 1939 lieferte dafür Zahlen wie folgt:
"1932 bis 1933 waren es im Altreich 4632,
1935/36 waren es 5277, 1938 waren es bereits über 6000 (!) Katholische
Theologiestudenten; in allen übrigen Disziplinen, auch in der evangelischen
Theologie, hat sich dagegen die Zahl der Studenten ganz bedeutend verringert.
In 15 staatlichen katholischen theologischen Universitätsfakultäten bezw.
Staatlichen theologischen Hochschulen sorgt der deutsche Staat mit seinem Geld
für die Heranbildung jenes katholischen Priesternachwuchses, der nicht in der
Armee dient, aber später dann vielfach gegen jenen Staat arbeitet, der ihn
ausbilden ließ..."
Die evangelische Zeitschrift
"Zeitspiegel", Wuppertal-Barmen, schrieb am 19. Feb. 1939:
"Laßt uns doch ruhig und vernünftig die
äußere Sachlage für Kirche und Christentum so ansehen, wie sie tatsächlich
ist. Nach dem 'Statistischen Jahrbuch für das Deutsche Reich 1937' gab es im
Altreich:
Evangelische Geistliche und Missionäre in abhängiger Stellung.
männl. 18 860 weibl. 168.
Katholische Geistliche und Missionäre in abhängiger Stellung.
männl. 18 841 weibl. -
Geistliche und Sprecher anderer religiöser Bekenntnisse.
männl. 2 030 weibl. 336
Mönche und Nonnen
männl. 87 142 weibl. 74 003
Diese Zahlen haben sich durch die Schaffung des großdeutschen Reiches zum
wenigsten um ein Sechstel gesteigert, das ja freilich zum weitaus größten Teil
auf die römisch-katholische Kirche entfällt. Tatsächlich ist jetzt im Reich
die Zahl der katholischen Geistlichen ganz wesentlich höher als die der
evangelischen, obgleich der Volksteil, der sich listenmäßig zur evangelischen
Konfession hält, immer noch überwiegt..." -
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 28. Mai 2009 02:53
Über das afrikanische Land Nigeria, weiß „Trost" in seiner Ausgabe vom
15. 5. 1939 zu berichten:
„Die Zeitungen der britischen Kolonie
Nigeria in Westafrika scheinen an dem stillschweigenden Presseabkommen, sich
über die Tätigkeit der Zeugen Jehovas auszuschweigen, nicht beteiligt zu sein.
Sonst hätten die "Nigeria Daily Times" von Lagos nicht vier volle Spalten
einer Zusammenkunft von reichlich 300 Zeugen Jehovas gewidmet, die in jener
westafrikanischen Stadt stattfand.
Dem Zeitungsbericht entnehmen wir, daß zwei Teilnehmer auf Ihrem Wege zu
diesem Kongreß über 800 km mit dem Fahrrad zurücklegten.
Eine öffentliche Versammlung wurde durch herumgetragene Plakate bekanntgemacht.
Die eingeborenen Kongreßteilnehmer lauschten mit großer Freude den Vorträgen
Richter Rutherford, die ihnen auf Sprechplatten in ihrer eigenen Sprache,
Yoruba, vermittelt wurden.
(Die Aufnahmen für diese Sprechplatten in der Negersprache Yoruba erfolgten
voriges Jahr im Berner Betrieb der Watch Tower Society. Ein Neger war zu
diesem Zweck von Nigeria in die Schweiz gekommen.)
Während des Kongresses in Lagos symbolisierten 63 Personen durch Untertauchen
im Wasser ihre Weihung, den Willen Gottes zu tun.
Neben Südafrika und Nyassaland (heutiges Malawi), scheint somit Nigeria
einer jener afrikanischen Staaten zu sein, wo die WTG-Religion, schon vor 1945
Fuss gefaßt hatte. Das Paradebeispiel des da 800 km fahrenden Radfahrers in
diesem Bericht, belegt zugleich die soziologische Kernstruktur der Zeugen
Jehovas-Religion. Wem das säkulare Leben nichts zu geben vermag, der ist um
ein vielfaches anfälliger für religiöse Opium-Angebote.
Diese Tendenz zeigt sich auch an der nachfolgenden Zahlenentwicklung, Nigeria
betreffend:
1928 wird die dortige Bibelforscher-Zahl mit acht beziffert.
1938 dann 427.
1948 schon 5511. Und dieser Trend setzte sich fort.
1975 wurde dann dort die 100.000 Grenze überschritten.
Die 200.000 Grenze etwa 1998, um 2007 dann bei 302.405 angelangt zu sein, was
einem Verhältnis von 1 zu 463 zur übrigen Bevölkerung entspricht.
Letztere Zahl verdeutlicht zugleich auch, dass das Potential in diesen
wirtschaftlich unterentwickelten Ländern, für die WTG keineswegs als
„erschöpft" zu bezeichnen ist.
Die verhängnisvolle Schere. Je niedriger der Lebensstandard, umso besser für
die WTG-Statistiken, bestätigt sich an diesem Fallbeispiel einmal mehr.
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Frau von x
Datum: 29. Mai 2009 11:54
Zitat:
Drahbeck
Über das afrikanische Land Nigeria, weiß „Trost" in seiner Ausgabe vom 15.
5. 1939 zu berichten:
Dem Zeitungsbericht entnehmen
wir, daß zwei Teilnehmer auf Ihrem Wege zu diesem Kongreß über 800 km mit
dem Fahrrad zurücklegten.
http://forum.mysnip.de/read.php?27094,10685,10685#msg-10685
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Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 29. Mai 2009 04:46
Bezüglich der tagespolitischen Entwicklung in Spanien, kommentiert
„Trost" in seiner Ausgabe vom 15. 5. 1939:
„Mussolini, Hitler, Franco und der Papst
haben unter Mithilfe der demokratischen Nichteinmischer in Spanien gesiegt.
Damit ist der katholischen Hierarchie dazu verholfen worden, einen
Religionskrieg zu gewinnen, der von jesuitischen Handlangern des Vatikans
angezettelt wurde. Der Vatikan hat seiner grauenvollen Geschichte ein paar
weitere blutbefleckte Seiten hinzugefügt.
Wer hinfort etwas über die wahren Gefühle des geknebelten spanischen Volkes
lesen will, wird in den Zeitungen vergeblich danach suchen. Die Presse steht
zwar dem Sieger, nicht aber dem Besiegten, sie steht dem Starken, nicht aber
dem Schwachen zur Verfügung. Die gestern Mörder und Rebellen waren, wird die
Lügenpropaganda heute für Märtyrer und Heilige erklären.
Zwar ist das, was Don Jose Bergamin, der Direktor der katholischen Zeitschrift
"Cruz y Raya" sagte, nur noch eine traurige Rückschau. Doch sei es einer allzu
schnell vergessenden Welt nochmals vorgehalten. Er sagte:
"Schaut euch jene tragische Pyramide von
Grotesken einen Augenblick an: Generale, Bischöfe, Mauren, Karlisten mit roten
Baretten - gleichsam eine phantastische Vermummungsparade des Todes. Die
Verteidigung dessen, was sie ihr Spanien nennen, vertrauen sie Marokkanern und
Soldaten der Fremdenlegion an, denn sie haben keine spanischen Hände und
Leiber, um sich selbst zu verteidigen.
Das ist in diesen blutigen Stunden die Wahrheit über Spanien! Wir sind die
Spanier; sie sind eine Handvoll Verräter, mit einigen tausend barbarischen
Söldlingen unter ihrem Befehl... Durch solche Barbaren suchen einige der
Würdenträger unserer Kirche ihren Betrug zu verteidigen -
Würdenträger jener Kirche, die sie dem Volke weggenommen haben, die sie
korrupt machten, prostituierten, durch Habsucht schändeten und mit unserem
Blute, dem Blute des spanischen Volkes befleckten! Hört dies, wenn ihr mir
zuhört, ihr ungetreuen Hirten, ihr Verräter Christi! In die barbarischen Hände
von Legionären und Mauren habt ihr die heiligen Gefäße, die Schätze und
Reichtümer gelegt, die ihr eurem Volke, den Armen, den Entrechteten, den
Hungrigen niemals dargeboten habt. Ihr vergebt diese Dinge entweder als
frevelhafte Beute oder zur Umwandlung in Waffen, die unter eurem Volke und
eurer Herde den Tod säen. Ich kenne euch gut, ihr Bischöfe, die in der Politik
herumpfuschen und von Politik schwatzen. Hört gut zu; denn was ich sage, ist
eine Anklage.
Ihr, die Würdenträger der spanischen Kirche, habt die Kirche verraten und das
Volk beraubt!" -´...
Die katholische Presse hat Hochkonjunktur
in spanischen Märtyrergeschichten. Doch vermißt man Beiträge gleich den
folgenden:
Im Jahre 1928 gab es in Spanien 32.004 katholische Priester. 1936 behaupteten
die "Nationalisten", daß von dieser Zahl 17.500 ermordet worden seien. Später
bezifferte Kardinal Goma die Anzahl der Getöteten auf über 10.000.
Im letzten Hirtenbrief der spanischen Bischöfe wurde die Anzahl mit 6.000
angegeben. Die richtige Ziffer dürfte etwa 3.000 sein, und die Tatsachen
zeigen, daß die meisten davon umkamen, während sie wie gewöhnliche Soldaten
gegen die Regierung kämpften.
Der vatikanische "Osservatore Romano" meldete:
"In Teruel ermordeten die Kommunisten am
6. Januar [1938] siebenundzwanzig von den fünfundsechzig Priestern."
Daraufhin gab die spanische Republik zur
Kenntnis, daß von diesen 27 Priestern vier in einem Offizierskasino in
Barcelona und zweiundzwanzig in Militärbaracken in Valencia in Haft gehalten
würden und der siebenundzwanzigste in einem Militärlazarett gestorben sei. -
Gestorben für Christus? Darüber schrieb der schon genannte Schriftsteller Jose
Bergamin, einer der hervorragendsten Vertreter der modernen
spanisch-katholischen Literatur:
"Gibt es Priester und Mönche, die vor dem
Juliaufstand [Francos] ermordet wurden? Die Antwort lautet: nicht einen
einzigen.
Wie aber kam es dann zu den Ermordungen von Priestern später ?
Auch hier müssen die Tatsachen sprechen. Auf Weisung ihrer repräsentativen
Obrigkeit hat die spanische Kirche mit Beginn des Aufstandes für die Militärs
Partei genommen, also Partei genommen gegen den Staat, gegen das Volk.
Von diesem Augenblick an verlor das Gewand des Mönches und Priesters in den
Augen des Volkes seine religiöse Bedeutung und nahm eine politische an, wurde
zur Farbe des Krieges.
Ja, es kam sogar vor, daß Mönche in ihren Gewändern an den Fronten kämpften.
Mönche und Priester haben sich ,auf Weisung ihrer Obrigkeit' zu Kriegführenden
erklärt, und damit waren sie der politische Feind des Volkes und des Staates,
nicht aber ein Feind des Volkes aus religiösem Grund. Auch das sind nur
Tatsachen, nicht Hypothesen und Vermutungen.
So starben viele Priester und Mönche, weil sie Kriegführende waren, starben
wie Kriegführende, als Faschisten, die sie waren, wie Faschisten. Nicht einer
von ihnen, auch nicht ein einziger, hat den Tod für Christus erlitten. Sie
starben für Franco." -
Sie starben auch für den Papst und für
die Weltherrschaftsbestrebungen der römisch-katholischen Hierarchie.
Der Papst hat Franco zu seinem Siege beglückwünscht.
So lautet das Telegramm, das Eugenio Pacelli als Papst Pius XII. am 2. April
1939 an General Franco sandte:
"Indem wir unser Herz zu Gott erheben,
freuen wir uns mit Ew. Exzellenz über den von der katholischen Kirche so
ersehnten Sieg. Wir hegen die Hoffnung, daß Ihr Land nach der Wiedererlangung
des Friedens mit neuer Energie die alten christlichen Traditionen wieder
aufnimmt, die ihm so viel Größe verliehen hatten. Beseelt von diesen Gefühlen,
erteilen wir Ew. Exzellenz und dem ganzen edlen spanischen Volk unsern
apostolischen Segen."
Der "von der katholischen Kirche so
ersehnte Sieg"! Die katholische Kirche wollte demnach die Hinschlachtung von
Tausenden solcher, die um ihre demokratischen Rechte kämpften.
Da sollte sich die ehrliche, freiheitsliebende, katholische Bevölkerung
fragen, was sie eigentlich mit der katholischen Kirche gemein hat. Sie wollte
nicht das, was die katholische Kirche wollte und in Spanien erreicht hat.
Katholische Kirche und katholische Hierarchie sind ein und dasselbe. Was aber
hat der um seine einfachsten Lebensrechte bangende und kämpfende Mann aus dem
Volke mit jenen herrschsüchtigen, prunkliebenden, anmaßenden und grausamen
Kirchenfürsten gemein? ...
Keine Moskauer Gottlosenpropaganda könnte den Namen Gottes und Christi
gemeiner schmähen als diese spanische Faschistenpropaganda der
römisch-katholischen Hierarchie, die den faschistischen Terror mit der
Herrschaft Christi gleichsetzt."
Und das alles ordnet dann „Trost" in das bekannte endzeitliche Raster
ein, indem es seine Betrachtung mit den Worten ausklingen lässt:
„Das ist ein weiteres untrügliches
Zeichen dafür, daß sein Gericht über alle seine Feinde sehr nahe bevorsteht."
Thematisch ähnlich auch jener Beitrag in „Trost" vom 15. 6. 1939 in
welchem unter der Überschrift „Volksbildung: unerwünscht" unter anderem zu
lesen ist:
„Daß ein Analphabet in den zivilisierten
Ländern so gut wie keine Aussicht auf Vorwärtskommen hat, sondern durch seine
Unbildung an die untersten Stufen der Existenz gekettet ist, bedarf keiner
besonderen Erwähnung.
Wenn einige darauf hinarbeiten, den Massen des Volkes auf solche Weise von
Anfang an alle Aussichten auf Besserung ihrer Lebensverhältnisse zu nehmen,
dann sicher nur deshalb, um sie in dieser Stellung der Abhängigkeit besser
auszubeuten. Bildungsfeindliche Tendenzen lassen darum von vornherein die
Absicht der Volksausbeutung erkennen. Niemand kann es einem Volke verdenken,
wenn es nicht länger das Opfer solch ungerechter Herrschaft sein will, aus
Unwissenheit und Rückständigkeit herauszukommen sucht und freie, ungehinderte
Bildungsmöglichkeit erstrebt.
Das wollte das spanische Volk. Es wollte nicht länger eins der rückständigsten
Völker Europas bleiben. Es erstrebte Volksbildung und hatte auch darin den
katholischen Klerus und die mit ihm verbündeten Granden zum Feind. So dauerte
es nicht lange, bis ein "Militäraufstand" Jagd zu machen begann auf die
Sklaven, die entlaufen wollten, um fortan als Freie zu leben.
Schon vor längerer Zeit, als Franco erst reichlich die Hälfte des spanischen
Gebietes beherrschte, ließ sein sogenannter "Volksbildungsminister" fünfzig
höhere Schulen schließen und bemerkte zu dieser Maßnahme:
"Das Volk ist besser daran, wenn es nicht
gebildet ist, weil es sonst für seine Bestimmung als Bauern und Arbeiter
ungeeignet wird."
Diese Einstellung ist charakteristisch
für jede Tyrannei. Schon durch Knebelung der Presse und sonstige Zensur ist
dafür gesorgt, daß die Volksbildung in jedem diktatorisch beherrschten Staat
einen schweren Rückschlag erleiden muß. Denn um sich zu bilden, braucht man in
erster Linie die Möglichkeit, sich allseitig und uneingeschränkt über etwas zu
unterrichten. Unter diktatorischer Bevormundung ist das den Massen des Volkes
einfach unmöglich.
Es kann mit Fug und Recht behauptet werden, daß der katholischen Hierarchie
ein ungebildetes Volk sehr erwünscht, ein aufgeklärtes Volk dagegen ein Greuel
ist. Daß im Vorhergehenden auf Spanien verwiesen wurde, dient nur zur
Veranschaulichung; denn diese Taktik klerikaler Volksverdummung ist nicht auf
Spanien beschränkt.
Bleiben wir einmal beim spanischen 'Beispiel'. Ist die Hierarchie dort damit
einverstanden, daß das Volk erneut in den trübseligen Zustand der Unwissenheit
zurückgestoßen wird, aus dem es sich in den letzten Jahren zu erheben suchte?
Man beachte, was John V. Hinkel am 5. September 1938 in den "Times" von New
York schrieb:
"Sehr viel Achtung und Aufmerksamkeit
wird dem Kardinal Goma y Tomas, dem Oberhaupt der spanischen Hierarchie und
wohl einflußreichsten Mann außerhalb der Regierung, im nationalistischen
Spanien gezollt. Der Kardinal sagte dem Schreiber dieser Zeilen, daß ,der
Geist der Gesetze, die bisher von der nationalistischen Regierung erlassen
wurden, in vollster Übereinstimmung mit den Lehren der Kirche' sei."
Vielleicht sind die staatlichen Maßnahmen
zur Einschränkung der Volksbildung in Spanien aber doch ohne Wissen und
Zustimmung der Hierarchie erfolgt? Wer das meint, beachte noch folgende, von
Kardinal Goma selbst gesprochenen Worte:
"Es ist notwendig, ein Regime
vollkommener Übereinstimmung zwischen Kirche und Staat zu errichten, weil
erstere in vielen Angelegenheiten mitzureden hat. Ich bin glücklich, ihnen
sagen zu können, daß wir bis jetzt mit der nationalen Regierung völlig
übereinstimmen, und daß die Regierung andererseits keinen Schritt unternimmt,
ohne mich um Rat zu fragen und meinem Rat zu folgen. Der Vertreter des
Justizministers wird mir das bestätigen."
Die gleiche Bestätigung wäre gewiß vom "Volksbildungs"-Minister
zu erlangen.
Heute besteht in den meisten europäischen Ländern allgemeiner Schulzwang. Das
ist natürlich kein Verdienst der römischen Hierarchie. Aber diese sagt sich:
Wenn der Staat die Eltern schon zwingt, ihre Kinder in der Schule bilden zu
lassen, dann werden wir wenigstens dafür sorgen, daß die Bildung hübsch in
Grenzen bleibt, indem wir die Schulen kontrollieren. Deshalb will man keine
sogenannt "weltlichen", sondern konfessionelle Schulen, obwohl die
konfessionellen Schulen schon der Anfang zur Spaltung eines Volkes sind.
Sehr aufschlußreich ist das, was in einem Buche des verstorbenen Rektors der
amerikanisch-katholischen Notre-Dame-Universität, des Geistlichen James
Aloysius Bums, über die "Volksbildungs"-Ideen der katholischen Hierarchie
gesagt wird. Dort zitiert man einen Ausspruch des katholischen Geistlichen
Orestes Augustus Brownson wie folgt:
"Als Katholiken bestreiten wir natürlich,
daß die weltlichen Behörden ein Recht auf Erziehungsarbeit hätten; denn
Erziehungsarbeit ist eine Punktion der geistigen Gesellschaftsordnung, genau
so wie das Predigen und das Austeilen der Sakramente. Das Recht, öffentliche
Schulen zu errichten und für ihren Unterhalt zu sorgen, machen wir dem Staat
jedoch nicht streitig... Er kann Schulen gründen und ausstatten und die
Lehrkräfte bezahlen; aber für die Erziehungs- oder Bildungsarbeit der Schule
Vorschriften zu machen oder sich darin einzumischen, steht ihm nicht zu."
Der Mann, der das geschrieben hat, nimmt
unter den katholischen Erziehern seines Landes eine hervorragende Stellung
ein! Er sagt also allen Ernstes, der Staat solle einfach für die Schulen
bezahlen und sich im übrigen nicht weiter darum kümmern, was die Hierarchie
mit den Schulen und mit dem Gelde macht.
Es gehört eine gute Portion Unverfrorenheit dazu, so etwas auch nur zu sagen.
Der Presse wird allgemein volksbildender Einfluß zugeschrieben. Damit ist es
oft nicht weit her, besonders bei der rein konfessionellen katholischen
Presse.
Zu dem gleichen Schluß kam Dr. A. Ackermann mit Bezug auf die katholische
Landpresse der Innerschweiz, indem er in der "Nation" (Bern, 2. März 1939) in
einem Artikel über Luzemer Verhältnisse schrieb:
" ... Dazu kamen die Verhältnisse auf
kantonalem Boden mit der ziemlich schonungslos ausgeübten konservativen
Hegemonie und schließlich die auf eine eigentliche Volksverhetzung und
Volksverdummung hinauslaufende Schreibweise der klerikalen Kleinpresse der
Luzerner Landschaft und der Innerschweiz überhaupt, der gegenüber die
nachdrückliche Vertretung des liberalen Ideengutes zu einer Art notwendiger
Heimatschutzarbeit wurde."
Um so erstaunlicher ist es, daß der
katholischen Hierarchie noch so viele Vorrechte eingeräumt werden, die ihr
einen ganz ungebührlichen Einfluß auf die Gestaltung oder besser Mißbildung
des geistigen Lebens gestatten. ..."
In einer weiteren Kurzmeldung notiert „Trost" in seiner Ausgabe vom 15.
8. 1939 dann noch unter der Überschrift
„Gute Aussichten auf Zunahme der Analphabeten":
„Die spanischen Schulen sind wieder
Zweigstellen der katholischen Kirche geworden. Durch eine Verordnung erhalten
die Geistlichen der Ortschaften mit weniger als 500 Einwohnern das
Vorzugsrecht zur Erteilung des Primarschulunterrichtes. Damit ist die
Volksbildung wieder denen anvertraut, die niemals etwas zur Beseitigung des
spanischen Analphabetentums getan haben."
Zum Thema passend, ist dann wohl auch noch jene Kurzmeldung aus „Trost"
vom 15. 6. 1939:
„In den 7339 Städten Italiens gibt es nur
4240 Buchhandlungen, und die meisten Buchhändler können nicht ohne
Nebeneinnahmen existieren. Im Italien Mussolinis sind Bajonette in Hülle und
Fülle vorhanden, aber mit der Volksbildung ist es nicht weit her."
Exkurs.
Da im zeitgenössischen Spanischen Bürgerkrieg, besonders auch die Rolle der
Religion in ihm thematisiert wurde. Und da die Tendenz der
WTG-Berichterstattung dabei eindeutig ist, sei noch als - unkommentiertes -
Kontrast-Zitat, aus der 4. Auflage (1939 erschienen) des Naziautors Gregor
Schwartz-Bostunitsch, aus dessen Pamphlet „Jüdischer Imperialismus" (S. 426
f.) die nachfolgende Passage zitiert:
„In seiner ... Rede vor dem ... Parteikongreß in Nürnberg am 9. September 1937
hat Reichspropagandaminister Dr. Goebbels u. a. gesagt:
"Nach unanfechtbaren Zahlenmaterial, das auf rein bolschewistischen
Statistiken aufgebaut ist, wurden in Rußland 42.000 Priester ermordet:
In Spanien wurden bis zum 2. Februar 1937 etwa 17.000 Priester und Mönche und
11 Bischöfe ermordet.
Der Prozentsatz der Priester beträgt durchschnittlich in den Diözesen 40, in
einzelnen Diözensen sogar bis 80%."
Parsimony.23752
https://www.youtube.com/watch?v=aC7m9R212yc
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 25. Juni 2009 05:50
Eine „delikate" Frage zu beantworten, müht „Trost" in seiner Ausgabe
vom 1. 6. 1939, und das kann man schon vorab sagen: „mehr schlecht als
recht". Unter Berufung auf eine frühere „Trost"-Ausgabe wird da angefragt,
dass dort zu lesen sei:
„Die Erwählung der großen Volksmenge"
... "Doch erst 1935 enthüllte der Herr seinem Volke, daß seine "andern
Schafe" eine irdische Klasse bilden, die ewig auf der Erde leben soll."
Der Fragesteller will nun wissen:
„Auf welche Weise und bei welcher
Gelegenheit enthüllte der Herr dies seinem Volke?"
Wer nun eine kurze und klare Antwort darauf erhoffen sollte, sieht sich
allerdings getäuscht.
Der Fragesteller wird erst einmal belehrt:
„Dies bedeutet, daß Gott nicht mit der
Welt noch mit Weltmenschen handelt."
Und weiter:
„Daß der Herr auf seine eigene Weise
die empfangenen Lichtblitze an seine Knechte auf Erden weiterleite".
Und weiter:
„Im Jahre 1935 anläßlich der großen
Hauptversammlung der Zeugen Jehovas in Columbus (Ohio, USA.) wurde zum
erstenmal der überzeugende Beweis aus dem Worte Gottes unterbreitet, daß die
große Volksmenge nicht eine geistgezeugte, himmlische, sondern eine irdische
Klasse ist, die durch "Jonadab" und "die anderen Schafe" in verschiedenen
biblischen Bildern veranschaulicht ist.
Weltleute und Religionisten sehen hierin sehr wahrscheinlich nur eine
menschliche Predigt Gottes Volk aber steht auf einer viel höheren Warte."
Und dann zieht man sich auf die Linie zurück:
„Glauben Jehovas Zeugen, daß der Herr
bei jener denkwürdigen Gelegenheit zu seinem Volke gesprochen und ihm diese
Enthüllung geschenkt hat Natürlich zwingt Gott niemand, dies so zu sehen;
aber "ohne Glauben ist es unmöglich, ihm wohlzugefallen."
Über die technischen Einzelheiten jener vermeintlich „göttlichen"
Enthüllung hüllt „Trost" sich dann allerdings in Schweigen. sonst müsste es
wohl bloß das wiederholen, wie einer der WTG-Jünger den damaligen
WTG-Präsidenten Rutherford anhimmelte mit den Worten (Wachtturm 1931
S. 192)
„Leserbrief J. A. Bohnet, Michigan
Lieber Bruder Rutherford!
so wird mir denn die Überzeugung aufgedrängt, dass der Urheber von „Licht"
nicht ein menschliches Geschöpf ist. Kein Mensch hätte dieses Buch schreiben
können, und keiner tat es ... Bruder, Du warst nur der Amanuensis
(literarische Gehilfe) bei der Herstellung von „Licht". Jehova ist sein
Autor wie auch das Buch selbst erklärt."
Diese Verklärungsthese reduziert sich also auf den Umstand, Rutherford
betrachtete es im Interesse der „Predigtdienst-Forcierung" seiner
Organisation, als nützlich die „Himmelstüre zu verschließen." und die
blökende Horde der „Führer befiehl wir folgen dir", verkauft das als
„göttliche Enthüllung".
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 26. Juni 2009 05:31
„Wie der Vatikan die Diktaturen stützt", so eine
Artikel-Überschrift in „Trost" vom 1. 6. 1939. Das Thema aus dem Munde
(respektive der Presse) der Zeugen Jehovas ist nicht neu. In unzähligen
Variationen wurde es schon zelebriert. So eben auch in dieser „Trost"-Ausgabe.
Der diesbezügliche Text sei nachstehend (kommentarlos) in seinen
Hauptaussagen, vorgestellt:
Freiheitsliebende Kreise von Menschen, die das ungestüme Vorwärtsdrängen der
Diktaturmächte in der Welt beobachten und dieser Gefahr ziemlich rat- und
hilflos gegenüberstehen, setzen ihre Hoffnungen nur allzu leicht und gern auf
etwas, das ihnen nimmermehr Hilfe bringen wird. Sie erwarten eine Wendung von
Rom aus. Das könnten sie nicht ohne das krampfhafte Bemühen, Rom anders zu
sehen, als es wirklich ist. Vor allem das "geistliche Rom" der Päpste.
Der Papst braucht nur den Mund aufzutun - sofort finden demokratische
Zeitungen in seiner Rede eine ,,Anspielung" nach der ändern, die sie zu ihren
Gunsten, zugunsten der demokratischen Idee ausschlachten. Dabei handelt es
sich durchweg um nichtssagende Worte. Wie verkehrt es ist, aus solchen
"Anspielungen" für die Sache der Freiheit Kapital schlagen zu wollen, erhellt
aus folgender Meldung, die am 22. Juli 1938 im Londoner "Catholic Herald"
erschien:
„Wenn sich der Papst nachdrücklich gegen gewisse Strömungen im italienischen
Faschismus ausspricht, ist die Presse der demokratischen Länder geneigt, sich
zu einigermaßen übertriebenen Schlußfolgerungen zu versteigen. Es hat hier [in
Rom] stark verdrossen, daß viele englische Zeitungen in dieser Woche die
Schlagzeile 'Der Papst verurteilt den Faschismus' trugen. Das ist eine völlig
irreführende Auslegung der Worte des Heiligen Vaters über den 'Fluch des
extremen Nationalismus'."
Der Kampf gegen die Demokratie wird getarnt
Angenommen, man wünscht den Faschismus, dieser ist jedoch im Lande verpönt.
Was ist da zu tun ? Wenn man klar zu erkennen gibt, daß man auf Seiten des
unpopulären Faschismus steht, wird man selber unpopulär. Aber auch in dieser
verzwickten Lage wissen sich die Schlangenmenschen der katholischen
Hierarchie, die Jesuiten, zu helfen, nämlich:
sie suchen die Begriffe zu verwirren, damit dann auch die Stellungnahme des
einzelnen aus dem Volke verwirrt werde.
Was anders ist jener jesuitische Versuch, den Leuten vorzuschwatzen, es gäbe
auch einen Edelfaschismus ? Das aber versuchen die Jesuiten. So gab sich zum
Beispiel der Jesuit Ignatius W. Cox, Professor an der amerikanischen
Fordham-Universität, in einem Artikel "Ist die Demokratie zum Untergang
verurteilt?" ganz den Anschein einer demokratischen Gesinnung, schrieb aber:
"Es besteht nur wenig Unterschied zwischen Kommunismus und einer verkehrten
Art von Faschismus."
Das ist nichts weiter als Propaganda für den Faschismus. Wenn jemandem
eingeredet werden kann, es gäbe neben der verkehrten Art des Faschismus auch
eine rechte Art, dann ist er für die Annahme des Faschismus schon reif
gemacht. Will uns der Jesuitentheologe Cox nicht sagen, wer eigentlich die
"rechte Art von Faschismus" vertritt und wie das geschieht?
In Spanien haben Faschisten von der Art Mussolinis, Hitlers, Francos und des
Papstes einträchtig zusammen gewirkt. Wer von ihnen vertrat die "rechte Art
von Faschismus", und wie hat er das speziell im spanischen Massenmorden zu
erkennen gegeben ?
Über "Patriotismus" zum Faschismus
Man wird sich vergeblich bemühen, einen wesentlichen Unterschied zwischen
"Katholischer Aktion" und dem Faschismus herauszufinden. Es besteht keiner.
Trotzdem gebärdet sich die "Katholische Aktion" unter allen Regierungsformen
sehr patriotisch und hält sich auch in der Schweiz für die berufenen
"geistigen Landesverteidiger".
Von katholischen Kreisen inspirierte und finanzierte Faschistenverbände haben
auch in der Schweiz sehr patriotisch klingende Namen (z. B. ESAP -
Eidgenössische Sozialistische Arbeiter Partei). In die Reihe der
Faschistengenossen gehört auch die SPK (Schweizerische Presse-Korrespondenz)
der "Gesellschaft für Kirche und Papst" in St. Gallen.
Über die gleiche patriotische Vermummung in den Vereinigten Staaten bemerkte
Professor Dr. Haiford E. Luccock kürzlich in einem Vortrag in New York:
"Wenn der Faschismus nach Amerika kommt - und in einigen Gegenden ist er schon
da -, wird er als Kennzeichen nicht das Hakenkreuz mit Aufschrift ,Made in
Germany' tragen. Er wird nicht einmal als Faschismus bezeichnet werden,
sondern den hochtönenden und hochgepriesenen Namen ,Amerikanismus' tragen."
Mögen sich die Schweizer ebenfalls merken, daß nicht alles schweizerisch ist,
was diesen Namen trägt.
Kampf gegen den Kommunismus
Es genügt, für die Schweiz auf die Tätigkeit von Alt-Bundesrat Musy
hinzuweisen, um zu zeigen, wie durch erkünstelten "Kampf gegen den
Kommunismus" dem Faschismus Vorschub geleistet wird. Diesen Trick bringt am
stärksten die römisch-katholische Hierarchie zur Anwendung.
Auch in Amerika wird auf diesem Umweg der Faschismus gezüchtet. Hierüber
schrieb der Direktor der Houghton Company, Aaron E. Carpenter, in "The
Houghton Line":
"Bei jeder vaterländischen Vereinigung, zu der ich gehöre (und ich gehöre
mehreren an), scheint die Kommunistengefahr heutigentags das
Hauptgesprächsthema zu sein. Persönlich bin ich der Ansicht, daß wir mehr
durch den Faschismus als durch den Kommunismus gefährdet sind. Ich habe in
allen Teilen des Ostens mit Arbeitern gesprochen und bin sehr wenigen
Kommunisten begegnet. Wir haben sogar seit zwanzig Jahren einen in unserer
Fabrik. Er scheint politisch ziemlich harmlos zu sein.
Auf der andern Seite muß jeder, der heute die Zeitungen liest, erkennen, wie
für unser Land die Gefahr des Faschismus und des totalitären Staates besteht.
Ich bedaure, auch sagen zu müssen, daß ich in den letzten zwei Jahren viele
wohlhabende, gebildete und in ihren Gemeinden recht einflußreiche Menschen
getroffen habe, die dem faschistischen Staat von Herzen zugetan sind. Die
Vereinigten Staaten sind 160 Jahre lang ohne eine dieser beiden Formen des
totalitären Staates ausgekommen, und meiner Meinung nach ist die eine Form.
ziemlich ebenso schlecht wie die andere. Ich denke, daß viele vaterländische
Vereinigungen und wohlhabende Menschen ihre Zeit und ihr Geld viel besser zur
Abwehr des Faschismus als des Kommunismus verwenden würden.
Ich glaube, daß die Aussichten, Amerika kommunistisch zu machen, nicht einmal
wie l zu 1000000 stehen; aber faschistisch kann Amerika werden, und die
Amerikaner wollen keines von beiden."
Die größte Gefahr - die Propaganda der Hierarchie
Diese Propaganda wird nicht nur in Amerika durchgeführt, sondern auch für
unser Land und andere Länder gilt sinngemäß das, was die amerikanische
,,Nation" in ihrer Nummer vom 4. Juni 1938 schrieb:
"Nichts am amerikanischen Horizont - weder die Reaktion im Süden noch die
Schreckensherrschaft unter Baumwollpflückern, noch die tyrannischen
Korporationen, noch die kalten Unterdrückungsmaßnahmen eines Hague - ist für
das Jahrzehnt unseres Lebens so gefährlich wie die organisierte Propaganda der
katholischen Hierarchie. Wir sagen 'Hierarchie', weil wir nicht glauben
können, daß die Arbeiter und Geschäftsleute, aus denen sich die Masse der
Katholiken Amerikas zusammensetzt, von den Vätern Curran und den Vätern
Coughlin und den Kardinalen Hayes, die sich anmaßen, für sie zu sprechen,
richtig vertreten werden.
In späteren Nummern werden wir über die Art, wie in den Schriften und den
Reden von Mitgliedern der Hierarchie arbeiter-, fortschritts- und
demokratiefeindliche Histerien entfacht werden, nähere Angaben machen. Hier
wollen wir nur auf den Zusammenhang zwischen der faschistischen Gefahr und der
Tätigkeit dieser größten Minderheitengruppe des Landes hinweisen."
Weitere Pressestimmen
Über die faschistischen Strömungen im politischen Katholizismus schrieb die
"Berner Tagwacht" am 22. März 1939 unter anderem:
"Das erbarmungswürdige Schicksal der Tschechoslowakei richtet die
Aufmerksamkeit auf die Rolle, welche auch bei dieser Katastrophe wiederum
gewisse katholische Prälaten und katholische Kreise gespielt haben. Man weiß,
daß katholische Prälaten und katholische Kreise schon in Deutschland Hitler in
die Hände arbeiteten und seinen Aufstieg zur Macht begünstigten und
erleichterten. Die Rolle des Herrn von Papen ist eindeutig in ihrer
Zweideutigkeit ...
[Nach einem Hinweis darauf, daß im katholischen Lager auch ehrliche Gegner
Hitlers vorhanden sind, schreibt das Blatt:]
Item, die Tatsache bleibt, daß Hitler schon in Deutschland seine
Steigbügelhalter im Lager des politischen Katholizismus fand.
[Hierauf bespricht der Artikel den Fall Österreich und die Rolle des Kardinals
Innitzer und fährt dann fort: ]
Jetzt haben wir den Fall der tschechoslowakischen Republik. Er wurde
vorbereitet durch den slowakischen Separatismus, dessen Träger nicht das
slowakische Volk ist - mindestens zwei Drittel wollten gar keine Trennung von
der Tschechei. Die Träger des slowakischen Separatismus sind die
faschistischen Hlinka-Garden, die geführt sind von katholischen Prälaten,
deren Haupt, der Prälat Tiso, Hitler zu Hilfe rief. Wieder waren es
katholische Kreise, die Hitler als Schrittmacher dienten, die Wege ebneten,
die Vorwände lieferten.
[Einfügung man vergleiche dazu auch das nachfolgende von Trost publizierte
Bild]
In der Schweiz ist der Repräsentant dieses merkwürdigen, mit dem Faschismus
liebäugelnden Katholizismus der Bundespensionär Herr Alt-Bundesrat Musy. Herr
Musy reist in den faschistischen Lagern des Auslandes herum, hält dort
Vorträge, gilt als der spiritus rector der famosen Esap etc...
[Nach nochmaligem Hinweis auf faschistenfeindliche Gruppen, die im
schweizerisch-katholischen Lager ebenfalls vorhanden sind, vor allem auf die
Gruppe von der "Entscheidung", sagt der Artikel:]
Aber dies festgehalten, müssen wir doch erkennen und ins Licht stellen, daß im
politischen Katholizismus faschistische Strömungen vorhanden sind, vor allem
auf die Gruppe von der "Entscheidung", sagt der Artikel:
Aber dies festgehalten, müssen wir doch erkennen und ins Licht stellen, daß im
politischen Katholizismus faschistische Strömungen vorhanden sind, nicht nur
im Ausland, sondern auch in der Schweiz. Hinter Musy stehen gewisse, wieder
von Prälaten angespornte Schichten von Jungkonservativen; Musy selbst ist mit
seinem ganzen Tun und Gehaben von der katholischen Volkspartei geduldet, wurde
nach öffentlichem Wissen noch nie zur Rechenschaft gezogen, spielt ungehindert
seine Rolle.
Heute kann diese Rolle zu jeder Stunde verhängnisvoll werden. Österreich und
die Tschechoslowakei gingen in erster Linie an der eigenen inneren
Unsicherheit zugrunde. Der Faschismus darf hier um keinen Preis Stützpunkte
finden. Jetzt muß Klarheit herrschen über jeden, der im öffentlichen Leben
eine Rolle spielt. Jetzt muß man wissen, wo er steht und welche Kräfte hinter
ihm wirken. Von den Parteien und Gruppen gilt das erst recht. Wir wollen in
der Schweiz nicht erleben, daß Hitler plötzlich auch hier seinen Papen, seinen
Innitzer oder seinen Tiso findet." -
Das ist deutlich genug gesagt. Vor Jahren hätten Tageszeitungen nicht in
dieser Weise geschrieben. Damals wurde über TROST (bzw. DAS GOLDENE ZEITALTER)
und die Schriften der "Waten Tower Society" gehöhnt, wenn sie - schon vor
Jahren! - erklärten, daß der Faschismus und alle seine Abarten von der
römisch-katholischen Hierarchie geschürt werde. Es ist gut, wenn durch klare
Worte die Tatsachen gezeigt werden, wie sie sind. Doch sind es eben nur Worte,
und auf der Gegenseite steht - die rohe Gewalt.
Die römisch-katholische Hierarchie steht mit auf der Seite der rohen Gewalt,
wie durch die Ereignisse der letzten Jahre überreichlich bewiesen wurde. Sie
will gemeinsam mit ehrgeizigen Diktatoren die Welt beherrschen und dies dann
als die Herrschaft Christi ausgeben. Das gehört zum "Greuel der Verwüstung",
der sich an eine Stelle setzt, wo er nicht hingehört. ..."
Und ergänzend übernimmt „Trost dann noch eine Zeitungs-Karikatur, die ihm zum
Thema angemessen erscheint.
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 28. Juni 2009 06:32
Folgt man einem Internettext, dann habe der «Anzeiger von Saanen» im
Berner Oberland just zu jenem Zeitpunkt sein 125-jähriges Bestehen gefeiert.
www.kleinreport.ch/meld.phtml?id=32129 (Stand Dezember 2005)
Und weiter:
"Der «Anzeiger von Saanen» erscheint
zweimal wöchentlich in einer Auflage von knapp 5500 Exemplaren und deckt 85%
aller Haushalte in der Region Gstaad-Saanenland ab."
Nun ja, es dürfte sicherlich Presseorgane geben, welche eine größere
Auflage und Bedeutung haben. Gleichwohl hat es schon immer Lokal-Zeitungen
gegeben und wird es wohl weiterhin geben.
In besagter Zeitung lies nun ein Herr Fritz Gerber (laut "Trost" ist
selbiger Lehrer von Beruf) in der Ausgabe vom 10. 12. 1938 einen Beitrag
abdrucken, welchem er die Überschrift gab "Laienhafte Gedanken zu den
Schöpfungs-Drama Aufführungen veranstaltet von Jehovas Zeugen, Berner
Oberland."
In der "Trost"-Ausgabe vom 1. 6. 1939 kommt selbiges nun auf diesen Artikel zu
sprechen. Unfraglich ziemlich "verstimmt" reagiert "Trost" darauf. Es muss
zwar einräumen, auch der Herr Lehrer habe das Recht, sich - kritisch - mit den
Zeugen Jehovas auseinander zu setzen. Gleichwohl lässt es keinen Zweifel
darüber aufkommen, es wäre ihm lieber, besagter "Anzeiger von Saanen" hätte
diesen Beitrag nicht veröffentlicht.
Eine Kostprobe aus der diesbezüglichen „Trost"-Replik:
„Niemand von den Zeugen Jehovas hat
behauptet, im "Schöpfungs-Drama" erstklassige künstlerische Leistungen zu
bieten; dies ist die Aufgabe anderer Institutionen; und wenn Sie bei "freiem
Eintritt" solche erwarteten, so müssen wir mit Bedauern feststellen, daß Sie
die Anzeigen und Bekanntmachungen nicht sorgfältig gelesen haben."
Nun ja, da mag der Herr Lehrer also mit verkehrten Erwartungen die
diesbezügliche Veranstaltung besucht haben. So etwas soll im Leben vorkommen,
auch andernorts. Und - ist das ganze nun wert, eine Pressepolemik zu
entfachen? Hatte es „Trost" so nötig, darauf so zu reagieren?!
Bemerkenswert. Der besagte Lehrer wird nun von „Trost" nach „Strich und Faden"
kritisiert. Aber den eigentlichen „Stein des Anstoßes" als Komplettext, gibt
„Trost" seiner Leserschaft nicht zur Kenntnis. Nun denn, so mag an dieser
Stelle dieses Versäumnis zumindest teilweise „ausgebügelt" werden, indem
einige wesentliche Aussagen des inkriminierte Text aus dem „Anzeiger von
Saanen" noch zitiert werden. Dann kann sich ja jeder seine eigene Meinung zu
dieser Kritik des Herrn Lehrer bilden.
Letzterer schrieb:
Diese "ernsthaften Bibelforscher" ziehen
den Inhalt der Bibel durch solche Veranstaltungen ins Gemeine und Lächerliche.
Sie trivalisieren und karikierend die letzten Fragen.
Der Ausruf des Redners:
"Wer die Bibelforscher abweist, schadet sich selbst" ist eine freche
Behauptung. Im Gegenteil, durch diese Art von Vorführungen wird die Hohlheit
und Oberflächlichkeit des "Sendboten Gottes" aufs schlagendste bewiesen, und
wer sie abweist schadet sich auf keinen Fall.
Die gezeigten farbigen Lichtbilder waren Kitsch allerschlimmster Sorte. Die
gewaltigen Bilder der Schöpfung (Anfang der Bibel) im Film zeigen zu wollen,
das zeugt von einer Ahnungslosigkeit sondergleichen. Glaubt einer ernsthaft,
daß sich solch großartige Geschehnisse wie die Erden-Pflanzen-Tier oder
Menschenerschaffung so seicht und billig darstellen lassen?
Adam und Eva waren keine Menschen, sondern moderne Filmschauspieler mit
theatralischem Gebaren und angelernt "reizend-verführerischem" Augenaufschlag.
Einfach lächerlich und banal zu schauen.
Die anfangs erwähnten Sätze, daß die Veranstaltungen zu Gottes Ehre getroffen
worden seien, daß durch solche Filme edles Menschentum gehoben und gefestigt
werde und daß so der zerrütteten Zeit geholfen werden könne, müssen sich bei
näherem Zusehen als leere alberne Phrasen erweisen. Im Gegenteil, die Zeugen
Jehovas helfen wacker mit, die Kluft zwischen dem was die Bibel ist und sein
sollte und dem wozu sie von so vielen Leuten gemacht wird, nur noch weiter zu
öffnen.
Darum ist die Behauptung des Redners: "Niemand anders als den Zeugen Jehovas
ist die Gnade zuteil geworden, das göttliche Wort zu verbreiten" im höchsten
Grade blasiert und anmaßend. Gegen eine solche Verbreitung des göttlichen
Wortes muß man sich verwahren. Wer vorgibt, mit Film, Radio, Grammophon und
Lautsprecher, "im Auftrag Gottes" Bibelverständnis zu fördern ist ein hohler
Schwätzer und muß energisch bekämpft werden."
Zur Vervollständigung dann auch noch der Text des „Offenen Brief an den
Lehrer Fritz Gerber, in St. Stephan", aus „Trost" vom 1. 6. 1939:
„Sie hielten es für notwendig, gegen die
Verbreitung des göttlichen Wortes durch Lichtbild, Film, Radio, Grammophon und
Lautsprecher im , .Schöpfungs-Drama" der Zeugen Jehovas, Bemer Oberland, durch
eine Kritik im "Anzeiger von Saanen" (Ausgabe vom 10.12. 38) Verwahrung
einzulegen. Natürlich haben Sie dazu gemäß der Schweiz. Bundesverfassung ein
Recht, welches wir jederzeit respektieren.
Ins Unrecht aber haben Sie sich gesetzt vom göttlichen Standpunkt aus, indem
Sie die absolut uneigennützigen, selbstlosen Bemühungen der Zeugen Jehovas,
Gottes Wort und Namen zu erhöhen und den interessierten Mitmenschen zu einer
besseren Erkenntnis der biblischen Wahrheit zu verhelfen, in gemeinster Weise
herabsetzen und lächerlich machen. Wir hielten es als eines Christen unwürdig,
sofort auf ihre flegelhaften Anwürfe einzugehen, wissend, daß man auch den
Herrn Jesus und seine treuen Apostel um der Wahrheit willen schmähte und
verfolgte. Da wir aber gelegentlich eines Besuches unserer dortigen Freunde
feststellen mußten, daß gewisse kirchliche Kreise Ihre, eines gebildeten
Mannes unwürdige Kritik als Handhabe zu einer hemmungslosen Hetze gegen uns
benutzten und noch fortfahren, dies zu tun, sehen wir uns gezwungen. Ihre
Verdrehungen und Verleumdungen öffentlich richtig zustellen.
Sie bezeichnen die Zeugen Jehovas als »hohle Schwätzer" und als "Schrittmacher
zu Unkultur und Niedergang", die "mit ihrem Gedankengut - besessen von einer
Bekehrungswut -Hausierhandel betreiben"; unsere Filme als solche, "die Zirkus-
und Schundfilmen sehr stark gleichen"; unsere Musikdarbietungen als
"schändlichen Unfug" und unsere Lichtbilder als "Kitsch allerschlimmster
Sorte".
Demgegenüber empfehlen Sie: "Man lasse einmal die Zartheit, Schlichtheit und
das Unsentimentale der Weihnachtsgeschichte der Bibel auf sich wirken"; ferner
"Darstellungen der Weihnachtsgeschichte von alten Malern oder auch nur einen
alten, einfachen Weihnachtschoral".
Wir können nicht umhin, unserem Erstaunen über Ihre Naivität Ausdruck zu
geben; denn als Mann der Bildung vom Lehrerfach sollten Sie wissen, daß es auf
Erden nicht zwei Menschen gibt, die in allem einander gleichen. Wenn Sie
Gefallen finden an den Dingen, die Sie in Ihrem Artikel empfehlen, so ist dies
ohne Zweifel Ihre persönliche Sache; und bestimmt wird Sie kein Zeuge Jehovas
daran hindern, noch wird jemand von uns sich unterstehen, sie herabzusetzen
und lächerlich zu machen. Mit vollem Recht würden Sie ein solches Unterfangen
als Vermessenheit und Überheblichkeit bezeichnen.
Von Ihnen aber hätten wir zuletzt erwartet, daß Sie sich dazu hergeben, den
Gottesdienst bibelgläubiger Menschen und wahrer Christen zu verspotten und
verächtlich zu machen. Zweifellos gibt es Menschen in der Welt, denen als
geistige Nahrung die Betrachtung eines Bildes, das Lesen eines Bibeltextes
oder das Anhören eines Chorals vollauf genügt. Sie müssen indes zugeben, daß
es Millionen anderer gibt, die mit ganzer Kraft danach streben, ein
Verständnis der bis jetzt unverständlichen Aussprüche des Wortes Gottes zu
erlangen, und sie sind damit auf dem rechten Wege, denn der Herr Jesus sagt:
"Ihr forschet in der Schrift, weil ihr glaubet das ewige Leben darin zu
finden, und sie ist es, die von mir Zeugnis gibt" (Joh. 5: 39, Allioli). Der
Apostel Paulus sagt: "Diese aber [in Beröa] waren edler als die in
Thessalonich; sie nahmen mit aller Bereitwilligkeit das Wort [der
Verkündigung] auf, indem sie täglich in den Schriften forschten, ob dies sich
also verhielte" (Apostelgeschichte 17: 11).
Während man in früheren Zeiten zur Erreichung dieses erhabenen Zieles
lediglich das geschriebene und gesprochene Wort zur Verfügung hatte, schenkte
der Herr in der heutigen Zeit seinem Volke das Radio, Lautsprecheranlagen,
Grammophone, Lichtbilder und Filme, um den nach Wahrheit Hungernden und
Dürstenden "die Speise zur rechten Zeit" zu vermitteln und darzureichen. Es
steht geschrieben: "Lobet Gott in seinem Heiligtum; ... lobet ihn mit
Posaunenschall; lobet ihn mit Harfe und Laute! Lobet ihn mit Tamburin und
Reigen; lobet ihn mit Saitenspiel und Schalmei! Lobet ihn mit klingenden
Zimbeln; lobet ihn mit schallenden Zimbeln!" (Psalm 150). Das waren in alten
Zeiten die Hilfsmittel zum Lobpreis des Namens Jehovas.
Die modernen Mittel zur Volksaufklärung sind seit vielen Jahren erprobt und
als hervorragend erfunden worden. Dies ist eine in der ganzen Welt so bekannte
Tatsache, daß man sich wundert, von einem Lehrer einen Sturmlauf dagegen zu
erfahren. Niemand von den Zeugen Jehovas hat behauptet, im "Schöpfungs-Drama"
erstklassige künstlerische Leistungen zu bieten; dies ist die Aufgabe anderer
Institutionen; und wenn Sie bei "freiem Eintritt" solche erwarteten, so müssen
wir mit Bedauern feststellen, daß Sie die Anzeigen und Bekanntmachungen nicht
sorgfältig gelesen haben. Es sollte Ihnen nicht schwerfallen, zu verstehen,
daß der beabsichtigte Zweck unserer Veranstaltungen auf einem ganz anderen
Gebiet liegt, und dieser Zweck - die Menschen über die Bibel aufzuklären -
wird im "Schöpfungs-Drama" vollständig und zur Zufriedenheit der weitaus
größten Zuhörerschaft erreicht. Aus einer großen Anzahl von zustimmenden und
ermutigenden Mitteilungen seien nur die folgenden hervorgehoben:
"Diese drei Abende des ,,Schöpfungs-Dramas sind eine geistig hochwertige
Veranstaltung." - "Es ist ein wahres Erlebnis, dieser letzte Abend des
"Dramas". - »Der Besucher vernimmt keine Moralpredigten, keine 'frommen
Sprüche', sondern er erfährt in wohltuender Offenheit die Wahrheit über Dinge,
die für jeden Menschen guten Willens von lebenswichtiger Bedeutung sind."- "In
der
Tat, nicht diplomatische Vertuschung, sondern die offene Wahrheit" usw.
Sollten Sie mit Ihren Verleumdungen beabsichtigt haben, die sogenannte
"christliche Religion" oder das Kirchen- und Priestertum zu verteidigen, so
muß gesagt werden, daß Sie Ihre Lanze vergeblich gebrochen haben; denn wir
besitzen die Zeugnisse vieler bedeutender Männer des In- und Auslandes, daß
heute wahres Christentum weit mehr außerhalb der Kirchensysteme als innerhalb
derselben zu finden ist.
Wir verweisen nur auf bekannte Äußerungen des im Jahre 1919 verstorbenen
Bundesrates Müller, Sohn eines Pfarrers, und des Theologen L. Reinhardt. Die
Zitierung einiger anderer Gelehrten, wie Goethe, Pestalozzi und Schopenhauer,
während des "Schöpfungs-Dramas", geschah durchaus nicht zur Unterstützung der
Lehren der Zeugen Jehovas - dazu ist die Heilige Schrift allein vollständig
ausreichend -, sondern lediglich zur Erhärtung der Beweise, daß das Kirchen-
und Priestertum der sogenannten "christlichen Religion" von Gott und Christus
Jesus abgefallen und zum Feinde übergegangen ist.
Zu Ihrer Beruhigung sei noch erwähnt, daß man dem "Schöpfungs-Drama" nicht
nur- in Saanen und Zweisimmen so reges Interesse und eine solch große
Aufmerksamkeit entgegenbrachte, sondern auch in allen größeren und kleineren
Städten der Schweiz, Deutschlands (als es noch frei war), Englands, Amerikas
und in mehr als fünfzig anderen Ländern der Erde. Den Vorwurf, Jehovas Zeugen
würden mit ihrem Gedankengut - besessen von einer Bekehrungswut -
Hausierhandel treiben, haben Sie ohne Zweifel gegen bessere Erkenntnis
erhoben, einzig und allein aus dem Wunsche, zu beleidigen und zu verletzen;
denn Sie müssen zugeben, daß niemand von Ihnen Geld gefordert hat während der
drei Tage, da Sie unser Gast gewesen sind. Auch müssen Sie bestätigen, daß Sie
während dieser Zeit und auch sonst niemals von einem Zeugen Jehovas belästigt
worden sind, in der Absicht, Sie zu bekehren. Wenn diese Zeugen von Haus zu
Haus im Jahre ein- oder zweimal ein Schriftchen kostenlos anbieten, so
geschieht dies niemals in der Absicht, Sie zu bekehren, sondern von dem
Wunsche beseelt, Ihnen damit im Gehorsam gegen das Gebot Gottes und des Herrn
Jesus Christus zu helfen, die kommenden ernsten Ereignisse sowie das Vorhaben
Gottes mit der Menschheit, wie im Buch der Bücher aufgezeichnet, zu verstehen.
Es wird von uns bestimmt niemand ungehalten sein, falls Sie diesen Dienst
ablehnen sollten.
Sie erhoben weiter den Vorwurf, Jehovas Zeugen seien hochmütig und anmaßend,
indem sie sich als "Freunde der Wahrheit" und "Sendboten Gottes" bezeichneten
und behaupten, "im Auftrag Gottes" zu wirken. Wie eigenartig! Man hat doch
noch niemals gelesen, daß Sie gegen die Titel der Päpste, Kardinale, Bischöfe
und anderer "Hochehrwürden" protestiert hätten. Würden Ihre Zeilen vom Geiste
des Eifers für wahres Christentum diktiert sein, so hätten Sie innerhalb der
"christlichen Religion" mehr als genügend Stoff zur Kritik; aber wie es
scheint, sind Sie ein Eiferer gegen jede Neuerung und ein Anbeter alles Alten.
Aber Sie sollten verstehen, daß Gottes Wort viel älter ist als die
"christliche Religion", und weil der Herr Jesus sagt: "Siehe, ich sende euch",
darum sagt der Apostel Paulus: "So sind wir nun Gesandte für Christum" (Matth.
10:16; 2. Kor. 5: 20). Was ist demnach vernünftiger, als daß die an Gott und
Christus Jesus Glaubenden sprechen: "Wir handeln im Auftrag Gottes?"
Zum Schlusse sei noch gestattet, auf die vorbildliche Haltung eines Lehrers in
Israel hinzuweisen, der, als eine Horde verblendeter Juden die Arbeit der
Apostel des Herrn zu stören suchte, aufstand und sagte: "Stehet ab von diesen
Menschen und lasset sie, (denn wenn dieser Rat oder dieses Werk aus Menschen
ist, so wird es zugrunde gehen; wenn es aber aus Gott ist, so werdet ihr sie
nicht zugrunde richten können,) damit ihr nicht gar als solche erfunden
werdet, die wider Gott streiten" (Apostelgeschichte Kap. 5: 38, 39).
VEREINIGUNG JEHOVAS ZEUGEN
Sekretariat Bern."
Schon vom Volumen her übersteigt diese „Trost"-Antwort den Ausgangs
„Stein des Antoßes" um ein Vielfaches. Auffällig auch, wie da diesem Lehrer
Motivationen und Aussagen unterstellt werden, die sich in dem
Ausgangs-Zeitungsartikel überhaupt nicht nachweisen lassen. Was dann ja
wiederum charakteristisch für die Zeugen Jehovas in Vergangenheit und
Gegenwart ist!
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 29. Juni 2009 06:58
In kommentierter Form berichtet „Trost" in seiner Ausgabe vom 15. 6. 1939:
„Papst Eugenio Pacelli macht kein Hehl daraus, wie sehr die
römisch-katholische Kirche den Sieg der vereinigten Faschisten in Spanien
herbeisehnte. Sein Glückwunschtelegramm an Franco anläßlich der Kapitulation
Madrids hat diese sonderbaren "väterlichen Gefühle" aller Welt kundgetan.
Viele Katholiken aber sahen hierin nichts anderes als eine übliche
Gratulation zwischen zwei Staatsoberhäuptern, wie sie in der heutigen Welt
gang und gäbe ist. Erst als die katholische Kirche in Bern "die Freunde des
neuen Spanien" zu einem feierlichen Tedeum einlud, kam es einigen zum
Bewußtsein, wo diese Kirche steht. Die Basler "National-Zeitung" vom 12.
April 1939 veröffentlicht unter der Überschrift "Mißbrauch der Kirche"
folgende interessante Zuschrift:
"Von katholischer Seite wird uns geschrieben: Aus einer auch durch einen
Teil der Presse verbreiteten Mitteilung der spanischen Gesandtschaft geht
hervor, daß am Ostermontag in Bern ein feierliches Tedeum für die während
des Krieges in Spanien gefallenen Soldaten stattfand. Es handelt sich hier
wieder um einen Mißbrauch der Kirche zu rein politischen Zwecken, der vom
religiösen Standpunkt aus nur bedauert werden kann.
Daß ein solcher Mißbrauch vorliegt, beweisen die Veranstalter dieses
seltsamen Gottesdienstes selbst. Wenn es ihnen tatsächlich um eine
religiös-kirchliche Ehrung der Toten der blutigen spanischen Wirren zu tun
wäre, müßten sie ein in solchen Fällen übliches Requiem abhalten lassen und
nicht die 'Freunde des neuen Spanien' zu einem feierlichen Tedeum einladen.
Weite katholische Kreise, die aus den Ereignissen gelernt haben, berührt es
schmerzlich, zu sehen, daß auch bei uns die Kirche sich einseitig in den
Dienst politischer Mächte spannen läßt, und sie fragen sich, ob es in
heutiger Zeit gerade die Aufgabe der Kirche sein kann, eine blutige
Tragödie, wie sie nun einmal der spanische Bürgerkrieg darstellt, in Form
von Dankgottesdiensten zu feiern und zu verewigen."
Ein Requiem hat mehr Trauercharakter, es wird dabei der "Seelen
Verstorbener" gedacht; während das Tedeum ein Lobgesang bei Dankesfeiem ist.
Der offenbar katholische Einsender jener Zeilen in der "National-Zeitung"
versteht also nicht, warum seine kirchlichen Oberen über das spanische Elend
nicht eher trauern, statt zu jubeln. Warum sollte die Hierarchie darüber
Klagelieder singen lassen, daß in Spanien jetzt wieder "die alte christliche
Tradition" gilt, nämlich: der "Peterspfennig" wieder regelmäßig nach Rom
fließt?
Wie konnte sich auch das spanische Volk unterstehen, dieser alten Tradition
im Jahre 1931 ein solch plötzliches Ende zu bereiten! Nun ist dieses Volk
kirre gemacht und wahrscheinlich auf lange Zeit geheilt von seiner
demokratischen, "unchristlichen" Ideologie. Nun besteht die Aussicht, daß es
wieder im Verein mit den meisten übrigen Völkern der Welt vor dem Wagen der
römisch-katholischen Hierarchie herläuft und das päpstliche Joch trägt.
Die Kirchen und Klöster werden nun voraussichtlich wie Pilze aus der Erde
schießen; Presse, Radio, Schulen, Jugenderziehung usw. werden unter die
Kontrolle der Jesuiten gestellt werden, und das spanische Volk kann die
Rechnung bezahlen. Ist mit der Feier in Bern ein "Mißbrauch der Kirche"
erfolgt? Aber nein! Die römisch-katholische Kirche ist mit ihrer in Bern
bekundeten Einstellung in ganz normalem Fahrwasser. Die Schwierigkeit bei
einigen scheint nur darin zu liegen, daß sie von ihrer Kirche mehr erwarten,
als diese zu geben gewillt ist. Gute Katholiken fragen und kritisieren
nichts. Sie "überlassen das Denken ihren geistlichen Oberen; andernfalls -
so lehrt man sie - machen sie sich einer Todsünde schuldig, und es droht
ihnen die Exkommunikation. Mit diesen Methoden und mit solch
eingeschüchterten Gläubigen ist die Hierarchie lange Zeit gut gefahren. ..."
Thematisch sei auch auf jenes der Presse entnommene Bild hingewiesen,
welches „Trost" in seiner Ausgabe vom 15. 7. 1939 präsentiert, mit dem
dazugehörigem Begleittext. (Begleittext rechtsseitig am Bild, also etwas
scrollen).
Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 30. Juli 2009 04:36
In der Ausgabe vom 5. 4. 1939, war in der in der Schweiz
erscheinenden "Schaffhauser Zeitung" in der Rubrik "Aus Welt und Kirche" unter
der Überschrift
"Der Geschäftsbericht der amerikanischen Bibelforscher" unter Berufung auf die
Katholische Nachrichtenagentur "Kipa" zu lesen :
"Im zwei Mal wöchentlich in Chicago
erscheinenden "Ken" hat Kermit Kahn die Bibelforscher als "einen ungeheuer
reichen, scharf ausgeprägten Kult mit weltumfassenden Verzweigungen"
beschrieben.
Von dort (Brooklyn) aus wird die weltumspannende Tätigkeit der Gesellschaft
geleitet, die in den ausländischen Staaten - genau gesagt in 45 - vertreten
ist und ihre Bureaus sogar an abgelegenen Orten wie Java und Trinidad besitzt.
Ihre unglaublich umfangreiche Literatur wird in 88 Sprachen, darunter sogar in
der Zulusprache publiziert
Kein Kult wird in den Vereinigten Staaten so starke propagiert wie die Zeugen
Jehovas. Jedes Mittel der modernen Reklametechnik wird zur Verbreitung des
Evangeliums verwendet, das von der Ankunft einer neuen Zeit spricht, wo Gott
wieder über die Erde herrschen wird.
Auf den großen Landstraßen werden die Motorfahrer bei jeder Straßenkehre mit
dem Schlagwort "Millionen Lebender werden nicht sterben!" begrüßt. Die ganze
amerikanische Landschaft ist mit den von Richter Rutherford erfundenen
Schlagwort überpflastert: es ist an den Telegraphenstangen, an den
Plakatsäulen, in den Bergkurorten, an den Felsen zu finden.
Im Jahre 1937 verbreiteten 339 Radiostationen 18 000 mit ungeheuren Gebühren
bezahlte Radioprogramme der Zeugen Jehovas, meistens Reden des Richters
Rutherford. Ab 1937 vertrieben die Proteste der Kirchenfürsten die Reden von
den meisten Radiostationen.
Kardinal Dougherty von Philadelphia beschuldigte Richter Rutherford der
Stiftung religiösen Unfriedens und religiösen Hasses und verlangte dessen
Ausschluß von der Station W. J. P. in Philadelphia. Der Richter antwortete mit
einer
200 000-Dollar-Verleumdungsklage, die abgewiesen wurde.
Aber W.J.P. weigerte sich, dem Richter weiterhin Sendezeit zu verkaufen und
andere Stationen folgten unter ähnlichem Druck ihrem Vorgehen nach. Seit
letzten Herbst ist der Richter nur noch über 8 Stationen zu hören, an denen
seine blühende Organisation große finanzielle Interessen hat oder die in ihrem
eigenen Besitz stehen. Des Radios beraubt, hat der Richter zu anderen
Propagandamitteln gegriffen.
Vom bezahlten Wort stammt die größte Propaganda und das größte Einkommen. Die
literarische Produktion der Zeugen Jehovas zwingt Bewunderung ab. Im letzten
Jahr wurden 24 Millionen Bücher und Traktätchen verteilt. Dazu werden
Phonographen und Platten zu anständigen Preisen abgesetzt. Rutherford kann
wohl über die Bankiers herfallen, aber als Chef der Zeugen Jehovas ißt er
selber ein Industriekapitän."
Neben der zitierten "Schaffhauser Zeitung" brachte - ebenfalls unter
Berufung auf "Kipa" die "Thurgauer Zeitung" und die "Freiburger Nachrichten"
ähnlich lautende Artikel.
Wie man unschwer erraten kann, war die WTG ob solcher Kritik nicht sonderlich
erfreut. Prompt kommentierte sie unter Überschrift "Armselige Kritik" in der "Trost"-Ausgabe
vom 1. 7. 1939, diesen "Kipa"-Artikel.
Schon einleitend wird diese "Kipa" mit den Worten bedacht:
"Die KIPA, wenn auch literarisch nicht so
erbärmlich tiefstehend wie die SPK., hat mit dieser das eine gemeinsam, eine
katholische Pressekorrespondenz zu sein, und darum findet man auch bei ihr die
übliche tendenziöse und wahrheitswidrige Presse-Informierung."
A ja diese vermeintlich "wahrheitswidrige Presse-Informierung" muss dann
aber doch wohl noch soviel Qualität gehabt haben, dass "Trost" es nicht wagt,
den inkriminierten Artikel im eigentlichem Wortlaut vorzustellen, sondern nur
in kommentierten Auszügen.
"Kipa" wird dann von "Trost" mit den Worten belehrt:
"Die eigentliche Tendenz des Artikels
ist, das Werk der Zeugen Jehovas zu einem Propagandabetrieb mit finanziellen
Zielen herabzuwürdigen, also die Sache so darzustellen, als ob bei ihnen ein
"reicher Kult" von einem einträglichen Geschäft gespeist würde.
Nun, die katholische Kirche verkauft gegen Geld "geistliche Werte", die keine
sind, verkauft Ablässe, die keine sind, verspricht gegen Entgelt Fegefeuer-
und sonstige Hilfen, die keine sind. ...
In dem, was Jehovas Zeugen tun, sind geistige Werte jedoch niemals zum
Gegenstand des Geldschachers gemacht. Man möge dort Kritik üben, wo es anders
ist. Über die Bibelforscher schreien die einen: "Ihre Bücher sind ja so
spottbillig, daß da unbedingt noch dunkle Geldgeber vorhanden sein müssen."
Die andern wieder behaupten, der Literaturvertrieb der Zeugen Jehovas sei "ein
Bombengeschäft". In beiden Fällen dreht sich das Geschwätz um den schnöden
Mammon. Aber: am Golde hängt, nach Golde drängt nicht alles! Ist das den
armseligen Kritikern, die hinter dem KIPA-Artikel stecken, so
unbegreiflich?...
Richter Rutherford fällt nicht - wie es in jenem Artikel heißt - "über die
Bankiers her", wenngleich er für die Hochfinanzier die Aussichten, an den
Segnungen des Königreiches Gottes Anteil zu haben, nicht günstiger darstellt,
als es Jesus im Gleichnis vom Kamel und Nadelöhr selber lehrte. Die Bankiers
in Schutz zu nehmen, kann allerdings ihren religiösen Verbündeten überlassen
bleiben. ..."
Da hatten also die "Kipa" und die hinter ihr stehenden katholischen
Kreise "ihr Fett weg". Hätten sie argumentiert um ein Beispiel aus der Neuzeit
zu nennen. Die Inhaber der Supermarktketten "Aldi" und "Lidl", obwohl ihre
Preisgestaltung oftmals für den Verbraucher günstiger ist als in anderen
Vergleichsunternehmen. Besagte Inhaber sind trotz vorstehender Umstände
persönlich reich geworden. Hätte "Kipa" so argumentiert, hätte es in der Frage
der Finanzen wahrscheinlich treffsicherer argumentiert. Hat es aber nicht,
auch das muss gesagt werden. Und prompt damit den Zeugen dem "Heimvorteil"
gegeben, dass die "Kipa"-Kritik ins Leere traf.
Weiter kam der zitierte Artikel auch noch auf Rutherford's Radioambitionen zu
sprechen. Dazu nun schreibt "Trost":
"Die Proteste amerikanischer
Kirchenfürsten hätten Jehovas Zeugen von den meisten Radiostationen
vertrieben? Das ist falsch. Solchen Einfluß haben unduldsame Religionisten in
den Vereinigten Staaten zum Glück nicht. Ihre Aktionen, bei denen mit Boykott
und Gewaltandrohung gearbeitet wurde, hatten nur bei verhältnismäßig wenigen
Radiostationen Erfolg, waren aber immerhin der Anlaß zu den auch in jenem
KIPA-Artikel erwähnten - als einziges gesetzliches Mittel möglichen -
Schadenersatzklagen, die sich gegen mehr als 40 römisch-katholische Geistliche
richten und noch nicht zum Abschluß gekommen sind. Auch im Prozeß gegen
Kardinal Dougherty ist noch nicht das letzte Wort gesprochen."
Nun denn: Rutherford's Radio-Eskapaden sind inzwischen Geschichte. Und
aus dieser rückblickenden Sicht kann man sehr wohl sagen: Er hat diesen Kampf
letztendlich verloren. Damals indes wollte man sich das so noch nicht
eingestehen. Und getreu dem Motto: Wenn man einsam im Wald ist, singt man,
belehrt "Trost" weiter:
"Die Zeugen Jehovas schränkten ihre
Rundfunktätigkeit in den Vereinigten Staaten gerade wegen der auch in jenem
Artikel erwähnten "ungeheuren Gebühren" von sich aus ein, weil sie in den
Tonapparaten und Sprechplatten ein besseres Mittel fanden. Wenn sie wollen,
stehen ihnen in den Vereinigten Staaten auch heute noch Hunderte von
Rundfunksendern zur Verfügung. Bei ihrem nächsten Kongreß (vom 23. bis 25.
Juni in New York) wird man das wieder erleben.
Über 100 Stationen werden für diesen Anlaß zu einem Sendenetz
zusammengeschlossen."
Unfraglich hatten die im Dienste der WTG stehenden Rechtsanwälte zur
damaligen Zeit fiel zu tun. Davon kündet dann wohl auch noch die nachfolgende
Notiz in der gleichen Ausgabe von "Trost":
"PLAKATTRÄGER IN NEW YORK
Von jeher wurden Plakate mit allen möglichen Bekanntmachungen durch die
Straßen New Yorks getragen. Wen sie interessierten, der las sie, wen nicht,
der ging einfach daran vorbei. Auch Jehovas Zeugen benutzten dieses Mittel, um
die New Yorker auf größere Veranstaltungen, Rundfunkvorträge, eine besonders
wichtige Broschüre etc. aufmerksam zu machen.
Dann setzte eine Propaganda gegen das Umhertragen von Plakaten ein, vielleicht
geschürt von solchen, die öffentliche Hinweise auf eine dem religiösen Irrtum
abträgliche Wahrheitsbotschaft nicht vertragen können, jedenfalls aber damit
begründet, daß das Straßenbild durch Plakat-Umhertragen verunstaltet werde,
was besonders für die Zeit. der Weltausstellung nicht geschehen dürfe.
Es wird wohl einigen dieser "Verschönerungsapostel" schon bekannt gewesen
sein, daß Jehovas Zeugen für den 23. bis 25. Juni in New York einen großen
Kongreß vorbereiteten und dafür wieder lange Plakatträger-Kolonnen aufstellen
würden.
Jedenfalls wurde Polizeikommissar Valentine dahingehend bearbeitet, eine
Verkehrsvorschrift gegen das Umhertragen von Plakaten in den Straßen New Yorks
zu erlassen, und das tat er auch.
Die Vorschrift sollte am l. April in Kraft treten.
Nun verstößt sie aber ganz offen gegen eine kürzliche Entscheidung des
Obersten Gerichtshofes der Vereinigten Staaten mit Bezug auf Preßfreiheit und
verwandte Gebiete, und hierauf machte der Rechtsbeistand der Zeugen Jehovas
die New-Yorker Polizeibehörden aufmerksam und bemerkte, daß Jehovas Zeugen
angesichts des guten Einvernehmens, das zwischen ihnen und der New-Yorker
Polizei stets geherrscht hat, bedauerte, die Rechtsgültigkeit dieser
Polizeivorschrift bestreiten zu müssen, weshalb sie auch weiterhin von ihrem
Recht, Plakatträger-Kolonnen durch die Straßen New Yorks gehen zu lassen,
Gebrauch machen würden.
Am gleichen Tage, wo die Vorschrift in Kraft treten sollte, gingen 180 Zeugen
Jehovas kolonnenweise mit Plakaten durch Nieder-Manhatten in New York. Keiner
von ihnen wurde belästigt; die Polizisten zeigten sich so freundlich wie
immer, stoppten den Verkehr, damit die Kolonnen vorüberziehen konnten, und
einige von ihnen zeigten sich an der bekanntgemachten Botschaft "Freiheit oder
Faschismus" sehr interessiert.
In New York läßt man also die Verfassung und die Entscheidungen des Obersten
Gerichtshofes der Vereinigten Staaten noch gelten."
Beispiele solch gepriesener Plakatträger
Übrigens, auch in dem neuen Buch von
Barbara Kohout
kann man, dann bezogen auf Deutschland, solch ein Plakatträgerbild vorfinden
Letzteres ist in den Kontext von Zeugen Jehovas-Veranstaltungen der frühen
1950er Jahre einzuordnen, wie auch etwa nachfolgendes Bild
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 31. Juli 2009 05:33
Auf den zeitgenössischen Artikel bezüglich der Hitler'schen KZ, welcher
auch in der Schweizer Presse "herumspukte", wurde schon früher eingegangen
siehe dazu:
Zynismus
Selbiger wurde in der "Trost"-Ausgabe vom 15. 7. 1939 vorgestellt und
kommentiert.
Ergänzend sei noch aus dem "Trost"-Bericht zitiert:
" Der Lagerkommandant will sogar einen
Genfer als Zeugen Jehovas in Hamburg verhaftet haben. Das ist alles Schwindel.
Er habe 250 Leute im Telephonbuch angezeichnet gehabt. In Wirklichkeit hat es in
Hamburg noch nicht einmal 10 Zeugen Jehovas
gegeben, die Telephon besaßen."
Auch den nachfolgenden "Trost"-Widerspruch zu diesem Artikel wird man wohl
als berechtigt anerkennen müssen:
" Auch das ist nicht wahr. Sie (Jehovas
Zeugen) hatten in Hamburg niemals eine Druckerei, weder eine öffentliche noch
eine geheime."
Insbesondere die Druckerei-Geschichte war ja in dem Ursprungsartikel
relevant mit herausgestellt worden. Dazu muss man dann wohl sagen. Der
Nazi-Gewährsmann des Journalisten gab mündliche Auskunft, quasi aus dem
Stegreif. Da ist ihm offenbar einiges durcheinander gekommen.
Höchstwahrscheinlich dürfte die Story über eine ausgehobene Druckerei sich auf
kommunistische Kreise beziehen.
Eine Presse-Nachricht erschien "Trost" in seiner Ausgabe vom 15. 7. 1939
besonders wert, auch seiner Leserschaft weiter gegeben zu werden. Die über den
amerikanischen Katholiken Coughlin. Über letzterem las man in "Trost":
Pater Coughlin in USA.
Pater Coughlin wird allgemein als ein billiger Propagandist, Faschist und Lügner
angesehen, der Rassenhaß predigt.
Es ist keine Frage, wo er steht; aber es ist eine Frage, wieviel Leute hinter
ihm stehen und welches seine Stellung innerhalb der katholischen Kirche ist.
Über die Zahl seiner Anhänger herrscht nur Rätselraten, ebenso weiß man nicht
einmal, ob sie größer oder kleiner geworden ist. Viele seiner Zuhörer kommen aus
purer Sensationslust; da aber seine Reden eine Mischung von Antisemitismus und
pseudo-sozialen Reformvorschlägen enthalten, da er häufig soziale
Ungerechtigkeiten kritisiert, und da er sogar vorgibt, freundschaftlich mit
Arbeiterorganisationen zu stehen, vermag er leicht Köpfe zu verwirren, besonders
wenn er an die wunden Punkte seiner Zuhörer rührt. Sein christliches,
patriotisches, humanitäres Getue und seine pathetische, zitternde Stimme, mit
der er Gemeinplätze als wichtige Dinge vorträgt, erfassen die Gemüter von
Menschen, die ihren Weg noch nicht gefunden haben.
Es ist eine Mischung von Sentimentalität und Unklarheit. Er gleicht Hitler vor
der Machtübernahme, als er allen alles versprach, wenn sie ihm nur folgten in
seiner Vernichtung der Juden und der "Marxisten". Der Pater streitet ab, mit
Hitler zu sympathisieren. Aber er gibt nicht nur ganze Teile von Göbbels Reden
als seine eigenen wieder, auch seine Anhänger halten Kumpanei mit den Nazis in
Versammlungen und in anderer Propaganda. Seine Publikationen werden in
Veranstaltungen des "Bundes" verkauft.
Da die Amerikaner uniformierte Disziplin nicht mögen und da die Landstraßen für
Marschkolonnen nicht geeignet sind, scheint es nicht so sehr daneben gegriffen,
anzunehmen, daß Pater Coughlin sich für den "Führer" nach amerikanischer Art
hält, der die Massen für den Faschismus zusammenbringt, falls die politische und
ökonomische Situation diesem einen günstigen Boden bietet. Nicht mit
militärischem Drum und Dran will er die Massen sammeln, vielmehr soll der
"Aufmarsch" sich den amerikanischen Gewohnheiten anpassen. Die Amerikaner lieben
das Radio, und er mag wohl davon träumen, durch das Mikrophon "der Nation"
zuzurufen, sie sollte in Telegrammen und Briefen an ihre Abgeordneten ein
faschistisches Regime fordern.
Wenn wir Coughlin für eine der hauptsächlichen Bedrohungen in diesem Lande
halten, so haben wir zu prüfen, ob er als Privatmann handelt, oder ob er die
Billigung oder gar die Unterstützung der katholischen Kirche hat. Daß er
Priester ist, ist der gewichtigste Teil seines Prestiges. Vertreter der Kirche,
Bischöfe und Kardinale, haben sich gegen ihn ausgesprochen und behauptet, daß er
als Privatperson und nicht für die Kirche spreche. Diese Feststellung könnte
wohl genügen, wenn die katholische Kirche nicht eine hierarchische Institution
wäre; ein Priester wie auch ein Laie in ihr hat zu gehorchen, oder er wird
exkommuniziert.
Die Kirche hat bis jetzt Coughlin in ihrem Schoß behalten. Solange sie das tut,
ist wenig Hoffnung, daß seine Feinde ihn erfolgreich schlagen können.
Tatsächlich hilft somit die katholische Kirche, indem sie Coughlin in seiner
Funktion als Priester läßt, den Faschismus in diesem Lande aufzurichten.
F. Williams in "Sozialistische Warte", Paris, 21. 4. 39.
Ergänzend berichtet auch "Trost" in seiner Ausgabe vom 1. 8. 1939:
In einem Bericht aus New York schreibt die
Basler "National-Zeitung" am 9. Juni 1939:
'Daß der schärfste reaktionäre Demagoge des
Landes, der Radiopriester Father Coughlin, seine Ideen aus dem Dritten Reich
bezieht, ist eine Tatsache, die schwarz auf weiß festgestellt worden ist.
Bestehen doch große Teile seiner Reden sowie Artikel in seinem Privatblatt 'Social
Justice' aus wörtlichen Übersetzungen Göbbelscher und Rosenbergscher Ansprachen
und Aufsätze." -
Und dazu kommentiert "Trost" dann noch:
"Das Blatt dieses römisch-katholischen
Faschistenpriesters trägt einen falschen Namen. Nur die Anfangsbuchstaben sind
richtig: S. J.
- Societas Jesu."
Erneut kommt "Trost" in seiner Ausgabe vom 1. 12. 1939 auf Coughlin zu
sprechen. Man liest dort:
"An dieser Stelle soll von dem
römisch-katholischen Faschistenpriester Coughlin die Rede sein, der in den
Vereinigten Staaten sein Unwesen treibt. Der Vorsitzende der "Amerikanischen
Liga für Frieden und Demokratie", Dr. Harry F. Ward von New York, sagte über
diesen sogenannten "Radiopriester":
"In schlauer Weise flicht er beständig
kurze Bemerkungen ein, in denen Hitler verteidigt wird, und ebenso schlaue
Winke, dahingehend, wie die Demokratie hier bei uns sich nicht bewähre und der
Faschismus da drüben sich besser bewähre", und daß sein Ziel "ein kontrollierter
Totalitätsstaat mit der Kirche als Herrschermacht" sei.
Damit sind Coughlins Ziele in treffender
Weise skizziert.
Was Coughlin am meisten auszeichnet, ist eine übernormale Portion von
Skrupellosigkeit. Am besten getroffen zu sein scheint uns die Beurteilung
Coughlins durch den Filmkomiker Eddie Cantor, welcher sagte:
"Pater Coughlin ist ein glänzender Redner;
aber daß in seinem ganzen Organismus auch nur ein einziges Atom aufrichtig ist,
das bezweifle ich."
Ein ehrlicher Mensch könnte nicht in seinen
Rundfunkreden in heftigsten Ausdrücken über die Börsenspekulanten herziehen,
wenn er selber zu den Börsenspekulanten gehört.
Daß das bei Coughlin aber der Fall ist, bewies die "Detroit Free Press" vom 29.
März 1933 durch photographische Wiedergabe von Bankauszügen.
Doch lassen wir Coughlin sich einmal selber charakterisieren. Er sagte von
seinen natürlichen Neigungen:
"Wenn ich meinen Glauben wegwerfen und ihm
abschwören würde, dann würde ich mich mit den geschicktesten Banditen umgeben,
alle Tricks der großen Bank- und Börsenmanöver erlernen, mir die Gesetze zunutze
machen, um meine Verbrechen zu verbergen, und mich den Blicken der Menschen
durch Vemebelung entziehen, und glaubt mir, ich würde der Meisterschwindler der
Welt werden."
Coughlin versteht sich auf Propaganda. Wie
es bei seinen Veranstaltungen zugeht, erzählt ein australischer Journalist, der
in New York im gleichen Hotel gewohnt hatte, wie der "Radiopriester", jedoch bei
einem versuchten Interview auf seine kurze zweite Frage nur die Antwort erhielt:
"Kommen Sie heute abend in meine Versammlung".
Der Journalist berichtet nun:
"Ich ging hin. Den Taxifahrer fragte ich:
,Ist das hier Pater Coughlins Versammlung?'
Natürlich. Sehen Sie sich nur die Gesichter an, sagte er. Man war gerade dabei,
ein gefülltes Haus durch die Trompetenklänge des Liedes ,Wenn irische Augen
lachen' in höchste Gefühlswallung zu versetzen. Ein Bursche überreichte mir zwei
Fähnlein zum Schwenken und verkaufte mir ein Blatt mit dem Lied 'Pater Coughlin
kommt'; dann marschierte, mit lautem Beifall und Fahnenschwenken begrüßt, eine
Abteilung Jungmänner in grauen Uniformen, mit hellglänzenden Helmen und Trommeln
herein, und ihnen folgte 'Vater' Coughlin selber. Der Strahl zweier Scheinwerfer
fiel auf ihn, während er zu einer Kanzel mit rotem Plüschüberzug huschte.
Die Kanzel war mit Flaggen dekoriert. Sechs Mikrophone befanden sich dort. Der
Beifall hielt genau zehn Minuten an und wurde geschickt dirigiert und durch
Trommeln verstärkt, sooft er schwächer werden wollte. Dann hielt ,Vater'
Coughlin seine Rede, in der er sich so oft und in so heftiger Weise widersprach,
daß man meinen konnte, ihm müßte der Unterkiefer herunterfallen.
Mosley arbeitet geschickter. Couglin machte zweierlei ganz unkünstlerische
Gesten, die Mosley verschmäht hätte. Er gab nämlich der Zuhörerschaft oft selber
einen Tip, wann sie klatschen solle, indem er auf das Mikrophon hinwies und zu
klatschen anfing; und nachdem er "seine Tirade zu hinausgebrüllter Wildheit
gesteigert hatte, schaute er auf seine Armbanduhr, griff nach einem Mikrophon
und sagte in der einschmeichelnden Tonart eines Ansagers: 'Hiermit ist unsere
Sendung aus dem Hippodrom in New York beendet. Am nächsten Sonnabend wird Pater
Coughlin wieder über das gleiche Sendernetz zu hören sein.' " -
Dieser Australier hat sich durch die
Aufmachung nicht blenden lassen. Das ergibt sich aus seinem Bericht.
Mit Bezug auf die Propaganda hält sich Coughlin an faschistische Vorbilder,
kopiert aber auch deren Worte. So heißt es zum Beispiel in der Zeitung "Record"
von Philadelphia:
"Im Büro des Paters Coughlin leugnet man
zwar, daß Coughlin die Reden von Göbbels jemals gesehen habe. Damit ist aber
noch nicht geklärt, wie es kommt, daß Pater Coughlin und Göbbels Hunderte von
Worten in so gut wie derselben Reihenfolge geschrieben haben. Wie von einem
Papagei, ist in einem von Pater Coughlin gezeichneten Artikel Wort für Wort, in
Hunderten von Worten, Göbbels Rede wiederholt."
Daß Coughlin Antisemit ist, braucht wohl
nicht erst erwähnt zu werden.
Seine Bereitschaft zu blutigen Revolten hat Coughlin am 30. Juli 1939 deutlich
genug zu verstehen gegeben, als er in einer Rede erklärte, seine "christliche
Front" sei bereit, den Kommunismus "nötigenfalls nach Francos Methode" zu
bekämpfen. Er sagte:
"Wir Christen, die wir eine Einheitsfront
bilden, könnten marschieren und in den Vereinigten Staaten in einem Jahre das
tun, was Franco in Spanien fertiggebracht hat."
Auch bei ihm dient das Gerede vom
Kommunismus natürlich nur zur Vernebelung. Fanatiker wie er stehen auf dem
Sprunge, bei einer günstigen Gelegenheit unter Andersdenkenden ein Blutbad
anzurichten, und alle Umgebrachten würden dann einfach als Kommunisten
bezeichnet, ganz gleich ob sie jemals etwas mit Kommunismus zu tun hatten oder
nicht.
Jehovas Zeugen sucht Coughlin natürlich ... mundtot zu machen. Die Störversuche
seiner Anhänger, die im Juni 1939 in New York bei Richter Rutherfords Vortrag
"Herrschaft und Friede" unternommen wurden, scheiterten allerdings.
Am 9. Juli 1939 sagte "Vater" Coughlin in einem Radiovortrag, Jehovas Zeugen
wären überhaupt gegen alles, und wenn die Amerikaner nur aufwachen wollten, so
könnten sie die Zeugen Jehovas in einem einzigen Tage vernichten.
In dem an die Presse gegebenen Manuskript des gleichen Vortrages ließ er diese
Bemerkung wohlweislich aus; sie kann aber durch viele Rundfunkhörer bezeugt
werden.
Die faschistenfreundlichen Umtriebe dieses Priesters sind so offensichtlich, daß
es der Presse nicht schwerfallen könnte, sie bloßzustellen und dadurch die
Gefahr, die in ihnen liegt, so gut wie zu bannen. Die Presse aber schweigt oder
schreibt nur verschwommen über dieses Thema. ...
Diese Pflichtvemachlässigung aus Furcht wird ihr noch teuer zu stehen kommen.
Sie hegt die Schlange am eigenen Busen.
Am 14. August 1939 z. B. berichteten die New Yorker "Times" wieder einmal über
Straßenkrawalle der Coughliniten, erwähnten jedoch den Namen Coughlin überhaupt
nicht und ließen nicht erkennen, daß es sich um seine Anhänger handelt. ...
Die Coughliniten hatten bei diesen Krawallen zwei Polizisten verletzt, darunter
einen Hauptmann, der am darauffolgenden Tage in Urlaub geschickt wurde und darum
nicht interviewt werden konnte. Auch dieser schnelle Urlaub diente zur
Vertuschung der Affäre.
Bei all diesen Berichten darf man nicht vergessen, daß Coughlin
römisch-katholischer Priester im Amt ist. Wäre die Hierarchie mit seinem Wirken
nicht einverstanden, so könnte sie es mit einer einzigen Verordnung unterbinden.
Aus dem Umstand, daß sie das nicht tut, möge jeder die Schlußfolgerung selbst
ziehen.
Man vergleiche auch thematisch die Karikatur zu Coughlin aus dem "Consolation"
vom 18. 10. 1939
Exkurs:
Norman Cohn notiert in seinem Buch
„Die Protokolle der Weisen von Zion
Der Mythos von der jüdischen Weltverschwörung"
zum Fall Coughlin noch folgendes:
Pater Coughlin, der »Rundfunkpriester«, war verhältnismäßig spät zum
Antisemitismus bekehrt worden. Schon in den frühen dreißiger Jahren war er durch
seine Rundfunksendungen über Religion und Politik im ganzen Land bekannt, aber
damals interessierte er sich überhaupt noch nicht für die Juden.
Er unterstützte zunächst Roosevelts »New Deal«, doch 1935 wandte er sich gegen
den Präsidenten und griff seine Politik wütend an, weil sie ihm nicht radikal
genug war. Anscheinend war er aufrichtig bekümmert über das Massenelend, das die
große Depression verursacht hatte, und Roosevelts Mäßigung erregte seinen
Unwillen.
Er gründete eine neue politische Partei, die National Union for Social Justice,
die nach kurzer Zeit mindestens vier Millionen Mitglieder hatte. Aber als sich
die Union 1936 an den Präsidentschaftswahlen beteiligte, erlitt sie eine
katastrophale Niederlage; in keinem einzigen Staat gewann sie die Stimmen der
Wahlmänner.
Coughlin hielt sich zwei Jahre lang zurück; dann, 1938, begann er plötzlich
Propaganda für einen autoritären Korporativstaat zu machen.
Gleichzeitig gründete er eine neue Organisation, die Christian Front, als
Bündnis von Christen aller Konfessionen gegen Kommunismus und Plutokratie - und
er sagte deutlich, daß er Roosevelt für einen Knecht dieser beiden Mächte hielt.
Coughlin näherte sich dem antisemitischen Sumpf; was ihn endgültig hineintrieb,
waren außenpolitische Motive.
Seine Zeitung Social Justice befaßte sich 1938 zunehmend mit Außenpolitik und
nahm dabei einen extrem isolationistischen Standpunkt ein. Coughlin haßte
Großbritannien, wie so viele Amerikaner irischer Abstammung. Es war deshalb zu
erwarten, daß er und sein Blatt schließlich in die deutsche Propaganda über die
jüdische Weltverschwörung einstimmen würden.
Diesen letzten Schritt tat der Pater im Sommer 1938, auf dem Höhepunkt der
Sudetenkrise. Social Justice rechtfertigte die Vergewaltigung der
Tschechoslowakei durch Hitler, wütete gegen Churchill und brachte eine
Artikelserie des führenden amerikanischen Propagandisten für Nazi-Deutschland,
George S. Viereck; anschließend druckte es die Protokolle selbst ab.
Das war die größte Kampagne dieser Art seit den Tagen des Dearborn Independent
[des Henry Ford], denn Social Justice hatte eine Auflage von einer Million.
Im November behandelte Coughlin die Protokolle in seinen sonntäglichen
Rundfunksendungen; bei dieser Gelegenheit wärmte er sogar die alte Geschichte
auf, daß eine jüdische Firma in New York die bolschewistische Revolution
finanziert habe.
Nach Ermittlungen des American Institute of Public Opinion hatte er gewöhnlich
dreieinhalb Millionen Hörer, und von diesen fanden ihn über zwei Millionen
überzeugend.
Schließlich stellte er auch seine eigene Kirche in Royal Oak (Michigan) in den
Dienst seiner antisemitischen Kampagne. Sein »Schrein der Kleinen Blume«,
günstig an der Autobahn nach Detroit gelegen und von Gasthof, Garage,
Andenkenläden und Würstchenbuden umgeben, wurde eine Touristenattraktion und ein
Zentrum für den Vertrieb der Protokolle.
Er verteilte dort auch Verzeichnisse von Firmen, die keine Juden beschäftigten.
»Christus selbst hat dieses Heftchen zum Druck befördert, um Dich zu schützen«,
stand darauf - der unmittelbare Geldgeber war jedoch der Deutsch-Amerikanische
Wirtschaftsverband.
Natürlich war Pater Coughlin nicht repräsentativ für den Katholizismus in den
Vereinigten Staaten. Seine antisemitische Kampagne beantwortete Kardinal
Mundelein von Chikago mit der Erklärung:
»Er ist nicht autorisiert, für die katholische Kirche zu sprechen, und er
repräsentiert nicht die Lehre oder die Gesinnung der Kirche.«
Ebenso kritisch äußerte sich der Katholik Frank Hogan, Präsident der
amerikanischen Anwaltskammer.
Aber von seinen unmittelbaren Vorgesetzten wurde der umtriebige Priester nicht
gerügt, und das erleichterte es ihm, zahllose Katholiken davon zu überzeugen,
daß seine Stimme die Stimme der Kirche sei.
Besonders unter den ärmeren, wenig gebildeten Katholiken irischer Abstammung
gewann er viele hingebungsvolle Anhänger. Über vierhundert New Yorker Polizisten
waren Mitglieder seiner Christian Front. Dem inneren Kreis seiner Gefolgsleute
gehörten sogar einige Priester an, darunter der Präsident der »International
Catholic Truth Society«, Edward Lodge Curran.
In rund 2000 Kirchen wurde Social Justice verkauft. Alles in allem steht fest,
daß es Coughlin gelang, in der katholischen Bevölkerung der Vereinigten Staaten
eine virulentere Form von Antisemitismus zu verbreiten, als sie bis dahin
gekannt hatte.
Ebenso unbestreitbar ist, daß seine Bewegung den Interessen der Nazis diente,
auch wenn er selbst keine Verbindungen zur deutschen Regierung oder zu
Nazi-Organisationen in, den Vereinigten Staaten unterhielt.
Nicht von ungefähr unterstützte der Deutsch-Amerikanische Bund sehr aktiv den
Vertrieb von Social Justice, nicht von ungefähr druckte Streichers Stürmer
Auszüge aus diesem Blatt ab, das umgekehrt reichlich Gebrauch vom Inhalt der
Kurzwellensendungen machte, die Goebbels ausstrahlen ließ. Einmal ließ Coughlin
sogar ein großes Stück einer Goebbels-Rede unter seinem eigenen Namen drucken -
weiter konnte er in der Identifizierung kaum noch gehen.
Weder der Kriegsausbruch in Europa 1939 noch der Kriegseintritt der Vereinigten
Staaten zwei Jahre später änderte etwas an der Haltung des Blattes. Noch im März
1942 beschuldigte Social Justice die Juden, sie hätten den Krieg angezettelt.
Das allerdings brachte das Faß zum Überlaufen. Die Regierung griff ein, die
Zeitung wurde verboten, und auf Ansuchen der Behörden gebot der Erzbischof von
Detroit dem Pater Coughlin endlich Schweigen.
Siehe auch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Coughlin
http://www.kirchenlexikon.de/c/coughlin_c_e.shtml
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 26. August 2009 08:08
In Beantwortung einer Leserfrage, informiert "Trost" in seiner
Ausgabe vom 1. 8. 1939 darüber, wie es denn so das katholische
Fronleichnamsfest einschätzt:
Fronleichnam bedeutet "des Herrn Leib" (vom altdeutschen "Frö", d. h. Herr)
und ist ein Fest zur Feier der Transsubstantiation. Es ist also kein
christliches Fest, so sehr es auch von Katholiken als ihr heiligster Feiertag
gepriesen werden mag; denn es hat als Grundlage die unchristliche Lehre von
der Transsubstantation, das heißt daß ein Priester die Macht habe, die Hostie
(ein Stückchen Brot) in den wirklichen Leib Christi zu verwandeln.
Natürlich wurde dieses Fest weder von Christus noch von den Aposteln
eingesetzt. Den Anreiz zu diesem Feiertag gab vielmehr die Nonne eines
Klosters in der Umgebung von Lüttich. Sie hatte (offenbar dämonische)
Visionen, sah einen vollen Mond mit einer Lücke und erhielt die "Offenbarung",
der Mond sei ein Bild der Kirche und die Lücke bedeute, daß es noch an einem
Fest fehle, bei dem die Abendmahlshostie Mittelpunkt sei.
Das war im 13. Jahrhundert, und erst im 14. Jahrhundert gelangte das Fest zu
allgemeiner Bedeutung. Verbindung mit einem "Sieg über die Ketzer" hat es nur
insofern, als es höchst prunkvoll ausgestattet wurde, um "die Herrlichkeit der
katholischen Kirche auch vor den Augen ihrer Gegner zu offenbaren und deren
Seelen zu erschüttern und zu gewinnen", wie sich ein päpstliches Konzil über
dieses Fest aussprach.
Die Ausgestaltung des Festes in Form gewaltiger Prozessionen bezweckte
zweifellos, die Macht der katholischen Kirche öffentlich zu demonstrieren.
Noch beute sind an diesem Tage in streng katholischen Gegenden die Straßen
unsicher, da alle, die sich zur gegebenen Zeit auf der Straße befinden, zum
Bilderdienst gezwungen werden - und sei es nur durch Hutabnehmen - oder aber
Bestrafung wegen "Herabwürdigung der Religion" zu gewärtigen haben. Die ganze
Angelegenheit ist religiöser Frondienst, aber kein Gottesdienst.
Der vermeintliche "Gottesdienst" in der Sicht des "Trost" stellte sich dann
wohl so dar (Bild aus "Consolation"
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 28. August 2009 04:54
Einer kleineren Notiz zufolge in "Trost" vom 1. 8. 1939 unter der
Überschrift:
"Ein gewisser Jonak" soll das Lieblingshasss-Objekt der zeitgenössischen "Trost"-Redaktion,
die SPK, in ihrer Folge vom 10. 3. 1939 wohl auch eine Verlautbarung enthalten
haben, derzufolge die (Zitat)
"unwahren, tendenziösen und verleumderischen Informationen ... die in Jonaks
Hetzbroschüre DIE ZEUGEN JEHOVAS enthalten sind" auch vom Regierungsrat des
Kantons Luzem in seiner Beantwortung der Replik der Zeugen Jehovas an das
Schweizerische Bundesgericht." verwendet wurden.
Und als eigenes Werturteil fügt "Trost" noch hinzu:
"Die Broschüre gehört unter die Schundliteratur."
Weiter erfährt man, es gäbe einen Schriftsatz.
"In einem Schriftsatz "Stellungnahme zu den unwahren und verleumderischen
Aussagen des Dr. Jonak in seiner Broschüre DIE ZEUGEN JEHOVAS", von Herrn M. C.
Harbeck in seiner Eigenschaft als Vizepräsident der Vereinigung "Jehovas Zeugen"
am 22. Januar 1937 dem Schweizerischen Bundesgericht in Lausanne" zugestellt.
Weiter Zitat, darin "war auch vermerkt, daß eine strafrechtliche Verfolgung
gegen Dr. Jonak in Vorbereitung sei. Diese Angabe entsprach den Tatsachen. Sie
war kein Versuch, ein Gericht zu bluffen, wie Dr. Jonak in einem Brief an die
SPK. meint.
Dr. Richard Smetana, Rechtsanwalt in Wien, Kärtnerring 12, war 1937 beauftragt
worden, ein Strafverfahren gegen Dr. Jonak beim Wiener Landesgericht
einzuleiten."
Pech offenbar für die WTG. Jonak's Schrift war schon seit Mai 1936 im Vertrieb.
Die Tageszeitung "Germania" etwa veröffentlichte am 27. Mai 1936 dazu eine für
jeder Mann (der es wollte) frei lesbare Rezension.
Wann im Jahre 1937 die WTG den genannten Rechtsanwalt beauftragt haben will,
wird nicht ausgeführt. Offenbar hatte man es wohl mit dessen Beauftragung dann
wohl auch nicht so besonders "eilig". Selbiger scheint dann wohl auch nicht von
besonderer "Eile" angetrieben gewesen zu sein, denn er lies die Sache offenbar
"schleifen" bis dann die Nazi-Besetzung Österreichs eingetreten und er damit zu
der Einschätzung kam, jetzt hat die Sache wohl keinen Zweck mehr.
Wer denn sich da noch mehr Zeit lies, ist allerdings sehr die Frage, denn laut
"Trost" kontaktierte Harbeck erst am 20. 3. 1939 den besagtem Anwalt in der
Sache.
Zitat "Trost":
"Auf eine Anfrage des Herrn M. C. Harbeck bei Dr. Smetana in Wien, wie diese
Angelegenheit verlaufen sei, antwortete der Rechtsanwalt am 20. März 1939 u. a.
wie folgt:
" ... Hierzu benötigte ich eine Vollmacht von Richter Rutherford, New York, die
ich auch von Herrn Walter Voigt in Wien abverlangt habe. Infolge des Umbruches
(Besetzung Österreichs durch deutsche Truppen) wurde jedoch jedes Einschreiten
gegen den oben genannten Herrn zwecklos." -
Nun kann man der WTG die inzwischen erfolgte deutsche Besetzung Österreichs
nicht anlasten. Wohl aber stellt sich die Frage, warum fragt Harbeck erst im
März 1939 in der Sache nach? Offenbar wohl, weil er sich wieder mal durch die
SPK "hochgeschreckt" sah. Und um die zu kontern und sagen zu können, wir haben
ja versucht gegen Dr. Jonak vorzugehen, diese ziemlich verspätete Anfrage, die
ohnehin nur den Zweck einer billigen Alibifunktion wahrzunehmen hatte.
Die "Trost"-Ausführungen enden dann mit den "markigen" Sätzen:
"Dagegen wird er (Jonak) dem Strafgericht, das der Höchste in der nahe
bevorstehenden Schlacht von Harmagedon an allen willentlichen Verächtern der
Wahrheit vollziehen wird, nicht so leicht entfliehen, sondern die Konsequenzen
seiner Freveltaten auf sich zu nehmen haben."
Festzuhalten ist aber ausdrücklich. Weder die im Text mit genannten Ausführungen
von Harbeck über Jonak, wurden je von der WTG im Wortlaut veröffentlicht. Man
belässt es also auf WTG-Seite - wie gehabt - bei plakativem Überschriften ohne
inhaltliche Substanz. War auch ein Gerichtsverfahren in Österreich nunmehr
"geplatzt", zu dessen Einleitung man sich offenbar viel, sehr viel Zeit lies, so
stand dennoch der WTG durchaus die Option offen, im Detail zu Jonak's
Ausführungen, weiterhin in ihrer eigenen Zeitschrift Stellung zu nehmen.
Genau dieses aber ist nie erfolgt. Jonak wurde lediglich einmal (Ende 1936) im
"Goldenen Zeitalter" mit einem patzigem sogenannten "Offenen Brief" "beehrt",
und darin auch dergestalt "belehrt". Es sei Krieg zwischen Gottes und Satans
Organisation. Und weil das so sei, habe man "wichtigeres" zu tun als sich mit
Jonak im Detail auseinanderzusetzen.
Sollte der Herr Harbeck genau diese "Weisheit" in seiner Stellungnahme zu Jonak
zu Händen des Schweizerischen Bundesgerichtes wiederholt haben, dürfte wohl
offenkundig sein, wie man dort Auslassungen solcher Art einschätzte. Ab in den
Papierkorb!
Zudem kann man in einer von den Zeugen Jehovas selbst herausgegebenen
Publikation lesen:
"In Österreich wurden die Zeugen schon in der Zeit des Bundeskanzlers
Schuschnigg durch Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 17. Juni 1935 und
durch den Beschluß des Bundesgerichtshofes vom 7. Februar 1936 verboten. Die
verhältnismäßig unkoordinierte Verfolgung der Zeugen wurde mit dem Anschluß
systematisiert und radikalisiert."
Auch unter diesem Gesichtspunkt erweist sich die Harbeck'sche Anfrage aus dem
Jahre 1939 als Schaufensterrede ohne Substanz.
Das Jonak-Buch
Weiteres zu Jonak
Siehe zu Jokak auch noch
http://forum.mysnip.de/read.php?27094,3736,3745#msg-3745
06. Mai 2008 14:41
Zum Thema Antisemitismus Made in WTG
Ausführungen bezüglich Otto Karrer
Alternativ auch
Forumsarchiv252
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 29. August 2009 06:55
Im "Wachtturm" des Jahrganges 1933 kann man unter anderem die
nachfolgenden Sätze lesen:
"Es gab solche, die einst in der
Organisation tätig waren, die die Berufung zum Königreich angenommen hatten und
demnach Anwärter auf das Königreich waren, sich aber weigerten, den Geboten des
Herrn zu gehorchen und mit der Zeugnisarbeit voranzugehen, dies traten sie,
indem sie sich zurückzogen und dem Werke des Herrn gegenüber als Gegner
auftraten". (S. 6)
"Es sind etliche vom Volke des Herrn über den
Abfall und die von den Abgefallenen offenbarte Feindschaft beunruhigt und
geneigt gewesen, den Versuch zu machen, die so Gefallenen zur Harmonie
zurückzuführen. Ein solches Verfahren ist verkehrt. Als das Weib Hesekiels
starb, wurde ihm vom Herrn gesagt, nicht zu trauern (Hesekiel 24:18). Dies
zeigt, dass die Treuen wegen der Untreuen nicht trauern und nicht versuchen
sollten, diese zum Tempel zurückzubringen." (S. 250)
"Diese neuzeitlichen Träumer und Fastenden sind den Anweisungen von Menschen
gefolgt und üben sich zum Beispiel in "Charakterentwicklung", was ihrem eigenen
Fleische und anderen Leute wohlgefällt, sie wähnen, sie machten sich dadurch für
den Himmel bereit und geeignet, und sie tun dies auch, um in den Augen anderer
als Gottgefällige zu erscheinen." (S. 309)
"Unter einigen von Jehova vor seinem treuen
Volke erst kürzlich offenbarten Wahrheiten, haben wir die Wahrheit betreffs der
Ältesten und diesbezüglich durch Abstimmung besetzen Amtes. Jehova hat seinem
Volke gezeigt, das Älteste nicht durch die Wahlstimmen von Geschöpfen gemacht
werden." (S. 199)
"Was geschah nun, als die Zeit der 2300
Tage endete? Die "Watch Tower"-Artikel in den Ausgaben vom 15. August und 1.
September 1932 brachten vor das Volk Gottes den Schriftbeweis, dass das Amt
eines durch Abstammung von Geschöpfen gewählten oder herausgenommen "Wahlältesten"
nach der Schrift auch nicht vorhanden ist." (S. 247)
"In Kanada haben die Geistlichen und ihre
Verbündeten den Rundfunk der Königreichbotschaft verhindert, indem sie als Grund
angaben, die gefunkten Mitteilungen kritisierten die Geistlichen und die
öffentlichen Beamten der weltlichen Organisation. Einer der sich als
"Bibelforscher" unterzeichnen ließ in der Toronter Tageszeitung "Star" kürzlich
einen Brief verpflichten der im wesentlichen folgendes sagt:
Die (Bibelforscher) Organisation wurde vom
Pastor Russell in den siebziger Jahren gegründet, aber die wahren Nachfolger der
Lehren Pastor Russells verließen die Gesellschaft schon vor einer Reihe von
Jahren. ... Eigentliche internationale Bibelforscher nehmen es übel auf, mit dem
zusammengewürfelt zu werden, was jetzt von der Gesellschaft als die Lehren der
Bibelforscher vorgebracht wird. Pastor Russell gab einen klaren Umriss seiner
Stellung gegenüber den Kirchen und weltlichen Einrichtungen. Er verurteilte
harte Worte und Unduldsamkeit." (S. 164)
"Der Kampf ist im Gange und wird
weitergehen, bis Jehova den Feind vernichtet hat, und diese Vernichtung wird
geschehen sobald die Ankündigung gemacht worden ist. Es ist die Aufgabe des
Überrest ..." (S. 41)
"Die "obrigkeitlichen Gewalten" sind solche
von der Organisation Jehovas, denen er die Autorität übertragen hat, in seinen
Namen eine Arbeit zu verrichten. Jehova und Christus Jesus sind die
"obrigkeitlichen Gewalten", wobei Jehova selbst die höchste Gewalt ist.
Den Gliedern das Überrests wird jetzt besonders befohlen, den "obrigkeitlichen
Gewalten", nämlich Jehova und Christus Jesus zu gehorchen, und das schließt die
Befehle mit ein, die ihnen durch Jehovas Organisation gesandt werden. Sie sollen
dies tun ohne Rücksicht darauf, was die Welt sagen mag." (S. 73)
"Es gab eine Zeit, wo sogar die Geweihten
glaubten, die "obrigkeitlichen Gewalten" wären die irdischen Gewalten. Die
darüber aufgeklärt worden sind, wissen jetzt, dass dies nicht so ist"
(S. 183)
"Jehova begann seinem Volke zuerst im Jahre
1927 bekannt zu geben, dass der vertrustete Welthandel oder das Großgeschäft ein
Teil der Organisation Satans und bedrückend und todbringend ist. (Siehe
"Freiheit für die Völker" S. 27 - 28). Die Bücher "Prophezeiung", "Licht", und
"Rechtfertigung" haben diese Wahrheit stark hervorgehoben. Jehova hat sein Volk
gelehrt und ihm gezeigt, dass es sein (Jehovas) Zeugnis ist, dass von seinem
Volke gegen Satans Organisation vorgebracht und eifrig und fleißig gegen jeden
Teil der Organisation Satans verkündigt werden muss." (S. 151)
"Briefe aus den Felde
In Rutledge, das in der Gegend von Grainger etwa 25 Meilen von Knoxville liegt,
wurden kurz vor der Versammlung mehrere Zeugen verhaftet. Es waren Pioniere, die
Konserven als Gegengabe für die Literatur entgegengenommen hatten ..."
(S. 174)
"Einige mögen einwenden: "Wenn wir
angesichts solch heftiger Verfolgung und Bekämpfung fortfahren, unter das Volk
zu gehen und diese Wahrheiten öffentlich zu verkündigen, so fürchte ich, dass
wir umgebracht werden können." Das ist wahr, und wahrscheinlich werden viele der
Treuen getötet werden." S. 360)
Aussagen dieser Art, lassen sich auch aus anderen "Wachtturm"-Jahrgängen
eruieren. Sie belegen wohl zur Genüge, dass mit der Macht-Ursurpation durch
Rutherford, in dieser Organisation ein grundlegend anderer Geist einzog.
Herausragend (als Symbolcharakter) da etwa seine "Anklage gegen die
Geistlichkeit", oder auch seine Hetze gegen den Völkerbund, insbesondere, dass
er die attackierte, welche nicht bereit waren "göttliches Eingreifen" (am
Sankt Nimmerleinstag) und Völkerbund als dieses Ziel nicht verfolgend. Die
also nicht bereit waren diese destruktiven Thesen mitzutragen, wurden von
Rutherford attackiert, äußerst scharf attackiert.
Allmählich kam das "Echo" solcher Strategie hörbar zurück. Wohl nicht nur in
Staaten wie etwa Hitlerdeutschland. Einige solcher Echo-Reaktionen kann man auch
der "Trost"-Ausgabe vom 15. 8. 1939 entnehmen. Man liest dort:
"Was am Abend des 19. Mai, einem Freitag,
vor sich ging, wurde mir gegenüber von Außenstehenden als die größten Unruhen
bezeichnet, die sich im Glasgower Bezirk Garngad je zugetragen haben. Die zwölf
Verkündiger waren beim Verteilen des Clydebank-Flugzettels [der die britische
Öffentlichkeit über vorhergehende Ausschreitungen katholischer Kreise gegen
Jehovas Zeugen unterrichtet] und der Broschüren SCHAU DEN TATSACHEN INS AUGE und
FREIHEIT ODER FASCHISMUS, als sie ganz unversehens von mehreren, in die Hunderte
gehenden Pöbelhaufen belästigt und tätlich angegriffen wurden.
Einige wurden Treppenstufen hinuntergestoßen oder eher geworfen; ihre Literatur
wurde gestohlen, ihre Kopfbedeckung weit weggeschleudert; man zerrte sie an den
Haaren die Straße entlang, schlug beständig auf Kopf und Körper auf sie ein, und
während sie irgendein Transportmittel zu erreichen suchten, stieß man sie
dauernd in den Rücken und in die Beine. Steine, Flaschen und sonstige
erreichbaren Gegenstände wurden nach ihnen geworfen, und manchen steckte man
sogar Pferdemist von oben in die Kleidung. Von Außenstehenden (also nicht von
Zeugen Jehovas) erfuhr ich, daß einige in der Menge sogar alte Schwerter und
dicke Knüppel, also Mordwaffen hatten.
Die Polizei sandte einige Schutzleute in den Bezirk, aber auch diese wurden mit
Steinen beworfen und kamen nicht dazu, jemand zu verhaften. Der Verkehr kam zum
Stillstand, weil der Pöbel die Straßen vollständig abgesperrt hatte. Es war eine
wütende, bis zur Sinnlosigkeit erhitzte, brüllende Menge, der die Verkundiger
nur dadurch entkommen konnten, daß ihnen die Führer und Schaffner der
aufgehaltenen Straßenbahnwagen zu Hilfe eilten.
Als sich die verschiedenen Banden auf der Hauptstraße vereinigten, mögen es, wie
nur gesagt wurde, insgesamt 2000 Menschen gewesen sein. Ihr könnt euch denken,
wie schwierig es gewesen sein muß, aus einer solchen Menge heraus zu den
Straßenbahnwagen zu gelangen. Die Polizisten schleuderten die Menschen wie Bälle
um sich, während sie zu den Zeugen durchzukommen versuchten."
Henry Carmichael, der am betreffenden Abend in einer Gruppe von fünf Personen
auf der Garngad-Straße in Glasgow mit überfallen wurde, berichtete unter anderm:
"Wir gingen unser fünf nach der Cobden-Straße. Es war alles friedlich, und wir
fanden überall gute Aufnahme. Wir merkten nichts von irgendwelchen Unruhen im
Bezirk und hatten eben eine Mietkaserne in der Charles-Straße beendet, als
mehrere Frauenm auf uns zueilten und riefen: 'Bringen Sie sich in Sicherheit -
es ist Krawall. Ein Mann und eine Frau sind überfallen und in einem Tramwagen
fortgeschafft worden.'
Ich war beunruhigt und wußte nicht, wohin ich gehen sollte. Elisabeth Möckel
(als Pionier-Arbeiterin tätiger deutscher Flüchtling) und ich beschlossen, zur
Garngad-Straße zu gehen. Dort fanden wir eine gewaltige Menschenansammlung. Ich
sah zwei Polizisten; wir stellten uns unter ihren Schutz. Ich sagte den
Polizisten, daß noch andere Überfälle erfolgt wären. Sie gingen mit uns zur
Bright-Straße.
Als die Leute uns sahen, fing ein gewaltiges Geheul an - die Menge wälzte sich
auf uns zu. Eine derart wahnsinnige Horde habe ich in meinem Leben noch nicht
gesehen. Im Vergleich hiermit waren die Vorfälle in Clydebank bloßes
Kinderspiel. Man warf Steine und Knüppel; mir steckte man oben in die Kleidung
Mist hinein. Die Polizisten waren dieser Rotte gegenüber machtlos. Auch fing man
an, sie mit Steinen zu bewerfen. Ihnen war vor dem Pöbel mehr bange als uns. Sie
führten uns die Bright-Straße entlang nach der Charles-Straße, bis zur
Turner-Straße. Dort verließen sie uns und sagten, wir sollten schnell machen,
daß wir bis zur Castle-Straße kommen und aus dem Bezirk verschwinden.
Elisabeth und ich gingen die Charles-Straße durch, während uns die Menge immer
noch folgte, mit Steinen bewarf, auf uns einschlug und uns Fußtritte versetzte.
Elisabeth zerrte man am Rock und versuchte ihr die Tasche zu entreißen. Das ging
die ganze Charles-Straße so fort, etwa 800 Meter weit.
In der Castle-Straße kam eine andere, mehrere hundert Mann starke Rotte von der
Garngad-Straße her. Wir wußten zuerst nicht, was wir tun sollten. Es war kein
Verkehrsmittel in Sicht. Schließlich sah ich eine Tram, und wir suchten sie zu
erreichen. Unterdessen stürmten einige junge Leute auf mich los und hieben mit
Fäusten auf mich ein. Gleichzeitig griffen mehrere Frauen Elisabeth an, zerrten
sie an den Haaren, versetzten ihr Fußtritte und Püffe und suchten sie zu Boden
zu schlagen.
Die Menge hatte den Tramwagen zum Stehen gebracht, und der Führer, der Schaffner
und ein anderer Mann kamen aus dem Wagen und suchten uns zu helfen. Auch zwei
Schutzmänner schlugen sich in unserer Richtung durch die Menge. Währenddessen
war ich schon zur Hälfte auf dem Wagen und zog Elisabeth herauf; Frauen zerrten
sie wieder hinunter, aber ein Mann im Straßenbahnwagen half mir, sie
hinaufzuziehen. Dann hatten sich die beiden Polizisten durchgekämpft, und der
Tramwagen fuhr ab."
Aus dem Bericht von Frau Mary Kilpatrick:
"Wir hatten die Arbeit in der Cobden-Straße und Bright-Straße kaum begonnen, als
Jessie Turner zu mir gerannt kam und mich bat, die Polizei zu holen, weil ihre
Gruppe von einer Menschenhorde tätlich angegriffen würde. Ich ging direkt zu
einer Polizei-Zelle, zog die Notglocke und rief: 'Bitte senden Sie sofort
Polizei nach der Villers-Straße. Kommen Sie sofort; man überfällt Jehovas
Zeugen.' Als ich mich umdrehte und aus der Zelle hinausgehen wollte, war ich von
einer Ansammlung von wahrscheinlich dreihundert Leuten umringt. Ich ging die
Villers-Straße entlang nach der Castle-Straße, um einen Schutzmann zu finden.
Auf dem Wege schlugen die Kerle dauernd mit Fäusten auf mich ein, versetzten mir
Fußtritte und brüllten schreckliche Drohungen. Sie riefen immerfort: Ihr werdet
schon sehen, was wir mit Euch machen, wenn Ihr hierher kommt und etwas gegen den
Papst sagt'.
Zwei junge Frauen schienen Rädelsführer zu sein; sie hatten kleine Kinder im
Arm, übergaben diese zwei anderen Frauen und beteiligten sich mit am Austeilen
von Püffen und Schlägen. Es war inzwischen eine Horde von 300 bis 500 Menschen -
Männer, Frauen und Kinder - zusammengeströmt. Ich erreichte dann die Straßenbahn
und konnte mich auf diese Weise der Menge entziehen. Der Straßenbahnführer
sagte, er wolle als Zeuge dafür auftreten, wie man über mich hergefallen sei."
Rutherford und seine ihr Gehirn ausgeschaltet habende Satrapen, hatten die
Provokation gesucht. Nun bekamen sie offenbar das Echo präsentiert.
Kommentierend meint "Trost" dann noch zu vorstehendem Bericht:
"Wer ist für die Krawalle verantwortlich?
Großbritannien ist protestantisch und hat sich in den letzten Jahrhunderten zu
einem Standpunkt wirklicher Duldsamkeit in Glaubensfragen durchgerungen. Aber in
diesem protestantischen Lande hat sich allmählich eine beträchtliche, mehrere
Millionen zählende katholische Bevölkerung angesammelt, die um Liverpool und
Glasgow herum besonders durch Zuwanderung aus dem katholischen Irland entstanden
ist. Diese katholische Minderheit ist es, die dazu aufgeputscht wird, der
traditionellen englischen Duldsamkeit und Redefreiheit ein Ende zu bereiten."
An anderer Stelle in dergleichen "Trost"-Ausgabe wird dann noch die als
vermeintlicher Urheber dieser Exzesse geoutete katholische Kirche mit den Sätzen
bedacht:
"Diese Memmen in den schwarzen Kutten
zittern um Brot, um Ehre und Ansehen. Sie wissen nicht mehr, wie sie ihre
Lügenexistenz gegenüber der Wahrheit aus Gottes Wort verteidigen sollen, und
finden dafür kein anderes Mittel als das der rohen Gewalt, zu der sie
irregeleitete, ihnen geistig versklavte Menschen aufhetzen, während sie sich
unterdessen in erbärmlicher Feigheit in ihren Schlupfwinkeln verkriechen.
Viele Leute leben immer noch in der Wahnvorstellung, die römisch-katholische
Kirche sei etwas Gutes. Hunderte von Millionen Menschen haben ihr geistiges Wohl
diesem System anvertraut. Mögen sich solche gesagt sein lassen, daß ihr
Vertrauen schändlich mißbraucht worden ist; daß sie ihr Vertrauen an eine
unwürdige Sache vergeudet haben. Wenn dieses katholische System tatsächlich
etwas Gutes wäre und den Namen des Herrn, den sie trägt, überhaupt verdiente,
dann ginge es nicht darauf aus, Christen mundtot zu machen und möglichst' sogar
umzubringen, weil diese Christen andere Anschauungen vertreten.
Muß es all den gutgesinnten Menschen der katholischen Bevölkerung (und es gibt
deren viele!) nicht klar sein, daß solche Tätlichkeiten gegen diejenigen, die
anderen zu einem Verständnis der Bibel verhelfen wollen, durchaus kein Plus für
das katholische System sind? Denn die Wahrheitsboten, über die man herstürzt,
tun ja gerade das, was auch aufrichtige Katholiken tun sollten!... In gleicher
Weise, wie die katholische ,,Irisch-Republikanische Armee" in England, einem
Lande, das nicht ihre Heimat ist, in der Manie von Anarchisten eine Bombe nach
der anderen platzen läßt, ebenso hetzen katholische Priester - ebenfalls in der
Manie von Anarchisten - zu Tätlichkeiten auf."
Nun soll und kann in der Tat die katholische Kirche nicht verteidigt
werden. Dennoch bleibt beim lesen dieses Berichtes das beklemmende Gefühl
zurück, dass da wohl auch seitens der Rutherford-WTG, allerkräftigst Öl ins
bereits brennende Feuer nachgegossen wurde!
Das alles spielte sich, wie gelesen in Großbritannien ab. Und als weiteren
Kommentar meint "Trost" dann noch nachlegen zu können:
"Die Abwehr dieser Methoden ist
schwächlich. Das Volk wird von seinen Führern, den angeblichen Hütern der
Demokratie, zwar gegen einen möglichen Feind von außen in Abwehrstellung
gebracht, aber nicht im geringsten aufgeklärt über die größeren Gefahren, die
ihm durch seine Feinde von innen her drohen. Die Staatsmänner des Britischen
Weltreiches haben deutlich genug zu erkennen gegeben, daß sie den Faschismus
weder als Bundesgenossen noch als Vorbild ablehnen. Er wird auf dem Wege über
die römisch-katholische und die anglo-katholische Religiosität von
Großbritannien Besitz ergreifen."
Ob denn der letztere Kommentar sich durch besondere "Sachlichkeit"
auszeichnet, mag man wohl ebenfalls mehr als berechtigt, in Zweifel ziehen.
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 30. August 2009 07:08
Gemessen an dem, was sich da in Großbritannien abspielte, (im
vorigen Bericht zitiert) waren die "Bauchschmerzen", welche man fast zur
gleichen Zeit auch in der Schweiz bekam, eher marginal. Immerhin wurde durch sie
auch die WTG in beträchtlichem Maße hochgeschreckt. Man liest dazu in
dergleichen "Trost"-Ausgabe (15. 8. 39):
"Den meisten wird es schwerfallen, zu
glauben, daß das Schweizervolk für die Verteidigung seiner Freiheit des Guten
zuviel tue, und daß denen, die gegen eine drohende Versklavung kämpfen, Fesseln
angelegt werden müßten. Die Wirklichkeit ist doch, daß die Gefahr nicht von der
Freiheit kommt, sondern vom Faschismus. Warum also die Freiheit abdrosseln und
dem Faschismus freien Lauf lassen ?
So wirklichkeitsfremd und unbegreiflich das erscheint, geschieht es doch. Die
Broschüre FASCHISMUS ODER FREIHEIT ("Watch-Tower-Verlag") ..., ist in der
Schweiz verboten worden!
Man vergleiche dazu auch:
http://www.manfred-gebhard.de/19402Faschismus.htm
Tausende von faschistischen
Propagandaschriften kursieren im Schweizerland. Sie zielen ab auf die
Beseitigung dessen, was es in der Schweiz zu verteidigen gilt. Aber sie werden
nicht verboten. Verboten wird dagegen ein Heft ... FASCHISMUS ODER FREIHEIT ...
Warum, fragen wir, kämpft eine Demokratie ausgerechnet gegen das, was die
wirklich christlichen Bürger des Landes gegen die Seuche des Faschismus immun
macht ?
Wer hat ein Interesse an solcher Knebelung der Preßfreiheit und Aushöhlung der
Demokratie?
Die Antwort ist: Erstens die Nazis und zweitens die römisch-katholische
Hierarchie.
Aus beiden Lagern 'dieses seltsamen Bündnisses' sind Protestschritte gegen die
Verbreitung von FASCHISMUS ODER FREIHEIT erfolgt.
Soweit man bis jetzt weiß, sind Ausführungen über Hitler der Hauptanlaß für das
Verbot der Broschüre. Aus etlichen Kantonen der Schweiz soll man sich bei der
Bundesanwaltschaft über diese Ausführungen beschwert und ein Verbot der
Broschüre verlangt haben, weil ein Bundesratsbeschluß Angriffe auf fremde
Staatsoberhäupter untersage.
Aus schweizerischen Kantonen beklagt man sich darüber, daß ein paar offene
Wahrheiten über Hitler gesagt werden? Sind wir schon so weit? Sitzen schon in
allen Teilen der Schweiz Schweizer, die nach einer Bestrafung derjenigen
schreien, die es wagen, über Hitler die Wahrheit zu schreiben und zu sagen? ...
Um zu verbergen, von welcher Seite der Kampf gegen diese Botschaft - in diesem
Falle gegen die Broschüre FASCHISMUS ODER FREIHEIT - in Wirklichkeit ausgeht,
und um zu verbergen, daß mit diesem Kampf die faschistische Politik des Vatikans
geschützt werden soll, greift man einen anderen Punkt als Vorwand auf. Leute der
Katholischen Aktion in der Schweiz machen sich mit ihren Protesten an die
Bundesanwaltschaft zu Verteidigern des Ansehens Hitlers im Ausland!
Dieses Spiel ist nicht einmal neu. Als zum Beispiel im Juni 1938 in Zürich bei
einem großen öffentlichen Vortrag über ,,Kreuzzug gegen das Christentum" rund
200 extra herbeigekommene Jünglinge von der Katholischen Aktion die Versammlung
vergeblich zu sprengen gesucht hatten, gaben die katholischen ,,Neuen Zürcher
Nachrichten" am 29. Juni 1938 ihrer Enttäuschung über diesen Mißerfolg Ausdruck
mit den Worten:
"Wo aber war die Polizei, als der Referent gegen ... fremde Staatsoberhäupter
hetzte, was bisher in unserer freien Schweiz nicht ungestraft durchging?"
Obwohl sich in der 64seitigen Broschüre FASCHISMUS ODER FREIHEIT nur ein paar
Zeilen mit Hitler befassen - und auch das sind keine persönlichen Angriffe,
sondern er wird als Vertreter einer abgöttischen Staatsidee erwähnt -, haken
seine katholischen Freunde auf diese paar Worte ein, um die ganze ... Botschaft
zu unterdrücken!
Merkt man nicht, daß diese Elemente die Behörden dazu drängen wollen, nach und
nach selber die Totengräber der Freiheit ihres Landes zu werden?"
Und als weiteren Kommentar dazu meint "Trost" dann noch:
"Die auf der ganzen Erde bereits
verbreiteten reichlich 12.000.000 Exemplare dieses Heftes haben schon vielen,
vielen die Augen geöffnet; und weitere Millionen Exemplare werden folgen in
jenen Ländern, wo die Preßfreiheit auch heute noch von den Faschistenfreunden
nicht beeinträchtigt ist."
Und das ganze wird dann - wie gehabt - in das endzeitliche Pokrustesbett
eingepresst, wofür dann auch die Aussage steht:
"... Im nahen Schlußkampf von Harmagedon.
Soll uns Widerstand von selten der Wahrheitsfeinde irgendwie abschrecken? Nein!
Kampf - jetzt erst recht!"
Aus heutiger Sicht mutet diese Schweizer Verbots-Entscheidung recht banal
an. Zumindest ist sie Beleg dafür, dass auch die Schweizer Politiker zur
fraglichen Zeit eine beachtliche "Dünnhäutigkeit" offenbarten. War die in der
bestehenden weltpolitischen Gemengelage wirklich so "unerwartet"? Von
"unerwartet" kann man doch wohl eher weniger reden. Das muss selbst das "Trost"
- indirekt - zugeben, indem es gleichfalls in dieser Ausgabe auch die
nachfolgende Nachricht weitergibt:
"Die Welt stöhnt unter Kriegslasten
Der finanzielle Krieg ist bereits erklärt.
Deutschland gibt im Jahre 1939 für seine Armee mehr aus als im Jahre 1915, als
der Weltkrieg in vollem Gange war. Es hält zwar die genauen Ziffern für seine
militärischen Ausgaben geheim. Jedoch schätzte die "Foreign Policy Association"
dieselben für das vergangene Jahr auf 4.4 Milliarden Dollar.
In diesem Jahr, nach dem Anschluß von Österreich, Mähren und Böhmen, dürfte die
Summe von 5 Milliarden reichlich überschritten werden. Das sind also ungefähr
200 Milliarden französische Franken.
England wird mindestens 112 Milliarden ausgeben. Das ist die Ziffer, die Sir
John Simon im April dem Unterhaus bekanntgegeben hatte, wobei er übrigens gleich
erklärte, daß man sicher nicht dabei bleiben werde.
Frankreich ist bei 55 Milliarden angekommen.
Was Rußland anbelangt, so hat es ein Militärbudget von 40 Milliarden Rubel
bekanntgegeben, was 300 Milliarden Franken entsprechen würde, wenn man den Rubel
zu pari einsetzt.
Rechnet man noch die militärischen Ausgaben von Italien, Japan und Amerika dazu,
so ergibt sich, daß die Welt im Jahre des Unheils 1939 für Rüstungen mehr als 2
Milliarden täglich ausgibt.
Oder auch diese in "Trost" wiedergegebene Meldung:
"Von den Geldhyänen
Im Jahre 1938 hat Frankreich im Durchschnitt 500 Tonnen Erz pro Monat an
Deutschland geliefert. Bei einem Krieg bekämen die Franzosen diese Erze in Form
von Granaten wieder auf den Kopf. Die Leichen, die es dabei gibt, stören die
Erzbarone nicht besonders; denn der Gewinn steckt um jene Zeit schon lange in
der Tasche. Und solche erbärmlichen Wichte werden gelegentlich noch als
Musterpatrioten gefeiert!"
Mag man die geschilderte Entscheidung der Schweiz auch kritisieren. Aus der
Sicht der zeitgenössisch handelnden Schweizer Politiker ist sie durchaus
nachvollziehbar. Und das die WTG ihre vermeintlichen Interessen um jeden Preis
durchzuboxen gewillt ist, dass hat wohl auch jenen Politikern zu dieser Zeit
schon gedämmert. Die Interessen der WTG - das muss in aller Deutlichkeit gesagt
werden - sind durchaus nicht kongruent mit staatspolitische Notwendigkeiten.
Weder in der Schweiz und erst recht nicht in den zeitgenössischen
Diktaturstaaten.
Die WTG versuchte dann noch mittels eines von Harbeck unterschriebenen
Protestschreibens, an die Bundesanwaltschaft, datiert vom 21. 7. 1939, wenn denn
möglich, dieses Verbot rückgängig machen zu können, worüber "Trost" in seiner
Ausgabe vom 1. 9. 1939 berichtet. Offenbar lies sich die Bundesanwaltschaft
davon nicht beeindrucken und blieb bei ihrer Entscheidung.
"Ungefähr 110 Zeitungen der Schweiz
brachten in den Tagen vom 7. bis zum 12. August eine Notiz über das Verbot der
Broschüre FASCHISMUS ODER FREIHEIT, und wenn sich auch die meisten Blätter auf
kommentarlose Wiedergabe irgendeiner der verschiedenen Presse-Agentur-Meldungen
beschränkten." berichtet "Trost" in seiner Ausgabe vom 1.
10. 1939 dann noch.
Und weiter:
"Es zeigte sich auch hierbei, daß die
katholischen Kreise einen bessern Zuträgerdienst aus dem Bundeshaus haben als
alle andern. Das ,,Vaterland", Luzern, war es nämlich, das zwei Tage vor allen
andern Zeitungen, am 5. August, die erste - mit Aufhetzung zu weiteren
Unterdrückungsmaßnahmen gegen Jehovas Zeugen verbundene - Meldung über das
Verbot veröffentlichte. Vom 7. August an machte dann eine weitere katholisch
inspirierte - und trotzdem auch vom "Bund" abgedruckte! - gehässige Presse-
Agentur-Meldung die Runde, und kürzere, etwas weniger tendenziöse
Presse-Agentur-Meldungen folgten."
Spätestens nach diesem Punkt, muss man auf die "Befindlichkeit" der
zeitgenössisch handelnden Zeugen Jehovas zu sprechen kommen. War deren
Befindlichkeit objektiv? Kurze aber klare Antwort mit einem Wort: - Nein -
Wäre es anders gewesen hätten sie sich beispielsweise umfassend (und vor
allem auch glaubwürdig) sich mit ihren Endzeithesen, etwa 1914, 1925,
auseinandersetzen müssen. Diese Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte
unterblieb schon mal. Das eigene Scheitern diesbezüglich wollte man
grundsätzlich nicht wahrhaben. Gleich einem Fieberkranken redete man sich
weiterhin ein. Es müsse so sein, wie man es wünscht. Das die weltpolitischen
Rahmenbedingungen alles andere als "erhebend" waren, wurde bereits geschildert.
Sie boten durchaus genügend Stoff für gewiegte Demagogen, sie in ein
Endzeitkoresett hineinzupressen. Solch ein Demagoge war (auch) Rutherford und
seine Satrapen.
Der Gebetsmühlenartig vorgetragene Spruch: Es möge bitte geschehen, was man
wünscht, ändert überhaupt nichts an dem Umstand, das Wunsch und Wirklichkeit
eben nach wie vor zwei "verkehrte Schuh" sind, die einfach nicht zueinander
passen.
Wenn diese Konfliktlage sich schon - wie beschrieben in Ländern wie
Großbritannien und der Schweiz widerspiegelte. Um ein vielfaches mehr in
Hitlerdeutschland! Um dabei Oppositionsgefühle in sich aufkommen zu lassen, zu
jenem Regime, dazu gehörte in der Tat nicht viel. Vom ideologischen von
Rutherford geprägtem Korsett (etwa der Ablehnung der konventionellen
Obrigkeitslehre her) wurde dieses Oppositionspotzential dann noch um ein
vielfaches potenziert.
Der einzelne kleine Zeuge befand sich da (das sei durchaus anerkannt)
in einem echten Gewissenskonflikt, den er aber durch seine Indoktrinierung durch
die WTG-Organisation auch nicht zu lösen vermochte. Der für ihn also in der
Regel nur zu einem "Ende mit Schrecken" führen konnte. Rutherford interessierte
die Befindlichkeit des einzelnen seiner kleinen Anhänger nur herzlich wenig
(allenfalls als brauchbares Propagandamaterial). Er kannte nur ein Ziel. "Money
und nochmals Money" (als symbolischer Begriff verstanden).
Und für dieses Ziel war er bereit über "Leichen zu marschieren". Sein "Money"
hieß eine "starke Organisation". So wie weiland in einem Krieg zwischen Vietnam
und China in morastischem Gelände, befehlsgebende Militärs es durchsetzten, dass
lebende Menschen die Panzerfahrbahn in diesem Gelände bilden müssen. Von der
gleichen Entschlossenheit war auch Rutherford (angepasst an seine Zielstellung)
geprägt.
Am American way of Life sollte und soll die Welt genesen. Das manifestiert sich
dann auch in Personen. Egal ob Hedgefonds oder eben auch einen Herrn Rutherford.
Damit ist das zeitgenössische Hitlerregime in keiner Weise - auch nicht im
allergeringsten - irgendwie entschuldigt. Auch andere gerieten in Opposition zu
ihm, etwa (als Beispiel) Dietrich Bonhoeffer. Auch er hat seine Opposition
letztendlich mit dem Leben bezahlen müssen. Das agieren im Sinne möglichst
wirkungsvoller Opposition kann man im Falle Bonhoeffer sehr wohl anerkennen. Im
Falle Zeugen Jehovas eher nicht.
Es wurde bereits eingeräumt, dass der einzelne kleine Zeuge sich da in einer
echten (für ihn nicht positiv lösbaren) Konflikt und Gewissensnot befand.
Dennoch bringt selbst "Trost" zum Ausdruck, welche Optionen es selbst unter
diesen widrigen Umständen gab, etwa wenn es in dieser Ausgabe auch schrieb:
"Worauf kommt es den Nazis eigentlich an?
Wollen sie bloß ein paar Glaubensverzichtunterschriften sammeln? Gewiß nicht.
Sie wollen den Menschen innerlich brechen; denn erst dann sind die Menschen
Spielbälle ihrer Willkür.
Manche sagen: "Man kann doch unterschreiben; Gaunern gegenüber gilt doch weder
ein Ehrenwort noch sonst etwas." -
Doch solche Bemerkungen werden wohl meist von der Angst vor Verfolgungen
eingegeben; und mit der Unterschrift, die angeblich nur mit der Hand, nicht aber
mit dem Herzen gegeben wird, bricht im Innern etwas entzwei."
Wie gesagt, dass sei als echter Gewissenskonflikt durchaus anerkannt. Nur -
und das ist der springende Punkt. Die Opposition dagegen, welche die
Rutherford-Organisation entwickelte, ist nur aus ihren eigenen
Organisations-egoistischen Motiven gespeist. Nicht aber beseelt von dem Willen,
möglichst effektivem Widerstand zu leisten (siehe Beispiel Dietrich Bonhoffer).
Indem diese "Trost"-Ausgabe auch über wenig erfreuliche Geschehnisse in
Großbritannien und der Schweiz berichtet, ist es wohl nachliegend, dass auch
Hitlerdeutschland dann nicht vergessen wird. Und genau so ist es. Schon in einem
einleitenden Artikel von Rutherford höchstpersönlich. Letzterer weiß zu
berichten:
"Ein in Deutschland im Geschäftsleben
stehender Mann machte kürzlich einen Besuch m den Vereinigten Staaten und
überbrachte mir aus erster Hand den Bericht eines Zeugen Jehovas ...
"Unter dem Terror der Naziherrschaft ist Deutschland ein Land von Heuchlern und
Feiglingen geworden. Obwohl mindestens 75 % der Bevölkerung das Naziregime
hassen, was auch aus den beißenden Witzen ersichtlich ist, die geschwind von
Mund zu Mund gehen, stellt man sich nach außen doch sehr begeistert.
Zu den schlimmsten Heuchlern gehören jene Millionen ehemaliger Kommunisten, die
jetzt zu den lautesten Nazis und eifrigsten Fahnenwedlern zählen. Um ihre
frühere politische Tätigkeit als Kommunisten zu verbergen, oder um zu zeigen,
wie gründlich ihr "Herzenswandel" sei, gehen sie sogar so weit, andere Leute zu
verraten und als mit dem Nazismus nicht übereinstimmend zu denunzieren, wodurch
sie ihre Einsperrung veranlassen.
Eine ähnliche Probe wurde von dem finster aussehenden Himmler, dem Chef der
deutschen Polizei (einschließlich der Gestapo), im Frauenkonzentrationslager
Mohringen selber angestellt.
[Einfügung die Vokabel des finster aussehenden Himmler, findet dann noch ihren
Niederschlag in Gestapo-Dokumenten Man vergleiche etwa
http://www.manfred-gebhard.de/1943.htm] ...
Es stimmt, daß die meisten angeblichen
"Selbstmorde" von Zeugen Jehovas in Gefängnissen und Lagern ganz gewöhnliche
Morde sind; andererseits kann aber kein Zweifel darüber bestehen, daß einige
tatsächlich Selbstmord verübt haben. Die Ursachen davon sind momentane
Geistesverwirrung infolge von Schlägen auf den Kopf oder andere unmenschliche
Quälereien; Gifte, die im geheimen der Speise oder dem Trank der Gefangenen
beigemengt wurden; Nervenzusammenbrüche und in einigen Fällen Gewissensbisse
über Verrat, der während der Folterungen an Brüdern begangen, oder
Gewissensbisse wegen eines Kompromisses, der mit dem Feinde geschlossen wurde.
Allein aus dem Gefängnis in Bautzen (Sachsen) wurden zwölf bis achtzehn
Selbstmorde (wirkliche oder angebliche) berichtet. ...
Besonders berüchtigt ist Sachsen. So hat zum Beispiel der Nazi-Ortsgruppenleiter
von Kandier Befehl erteilt, daß jeder, den man den Namen Jehova aussprechen
hört, anzuzeigen sei. Ein solcher wird noch am gleichen oder spätestens am
nächsten Tage ohne Verhör auf unbestimmte Zeit ins Konzentrationslager gebracht.
Ungefähr neunundneunzig Prozent der Bevölkerung haben ihre Kinder - freiwillig
oder unfreiwillig - der Hitlerjugend beitreten lassen, wo sie politisch und
militärisch ausgebildet werden. Durch ein neues Gesetz wird nun versucht, auch
das übrige eine Prozent Kinder zwischen 10 und 18 Jahren noch zu erfassen.
Eltern, die nicht nachgeben, werden ins Gefängnis oder in ein
Konzentrationslager gesteckt und die Kinder unter staatliche Vormundschaft
gestellt. Dieses neue Gesetz droht Hunderte von Familien solcher vom Überrest
und von den Jonadaben auseinanderzureißen, die sich in dem immer größer
werdenden Gebiet befinden, das dem Greuel der Verwüstung ausgeliefert ist. ...
Letzten September, als Europa am Rande eines neuen Weltkrieges stand, war die
Bevölkerung in Deutschland voller Furcht und schlimmer Ahnungen. Überall konnte
man Leute sagen hören, daß Harmagedon nahe bevorstehe."
Insbesondere die letztere Aussage, das einordnen des ganzen in ein
endzeitliches Korsett, dürfte dann wohl typisch sein!
Die holzschnittsartige Befindlichkeit (bar der Fähigkeit ausreichend zu
differenzieren) der zeitgenössischen Zeugen Jehovas kommt dann wohl auch in
solchen Kurzmeldungen zum Ausdruck, wie den nachfolgenden, gleichfalls dieser "Trost"-Ausgabe
entnommenen:
"Vor einigen Monaten brachten Sie einen
Artikel, worin stand, daß der Kommunismus der Weg zum Faschismus sei. Ein Freund
von mir, ein Kommunist, meinte dazu: 'Das ist Unsinn.' Ich erwiderte, er würde
nicht mehr so sprechen, wenn er nur die Augen aufmachen und sehen würde, welche
Kräfte hinter beiden Bewegungen stecken; dann könnte er feststellen, daß das von
der Hierarchie gegen den Kommunismus erhobene Geheul nur zur Tarnung dient und
das Volk von der gleichen Hand, die den Faschismus dirigiert, zur Schlachtbank
gefuhrt wird. Vor ein paar Tagen nun sagte dieser Freund zu mir: 'Ich glaube, du
hast in dieser Sache recht, und künftig werde ich mich von all diesen Dingen
fernhalten. ...
Dult Cooper, früher Erster Lord der Britischen Admiralität, sagte kürzlich in
einem Interview: "Das Regime Stalins ist eine Art Nationalsozialismus."
Darum ist es nicht verwunderlich, daß sich die Massen streitbarer
Nationalsozialisten in Deutschland um das Jahr 1933 zum großen Teil aus solchen
rekrutierten, die vorher entweder Kommunisten waren oder bei Wahlen für den
Kommunismus gestimmt hatten.
Man könnte natürlich als Erklärung dafür sagen:
Die verzweifelten, fast verhungernden Massen probieren eben alles aus, was ihnen
Hilfe verspricht. - Doch das trifft nicht auf jene zu, die zuerst Karriere bei
den Kommunisten zu machen suchten und dann bei den Nazis tatsächlich Karriere
machten, und solcher gibt es eine große Anzahl. Rot und Braun sind zwei Farben,
die ineinanderfließen. ...
Sehr bald wird Jehova Gott all die Unglücklichen, die durch das
Totalitätsungeheuer "befreit" wurden, wirklich befreien, sofern sie ihr Heil von
Ihm und nicht von Menschen erwarten."
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 26. September 2009 04:19
Zwei Kurzmeldungen, wiedergegeben in "Trost" vom 1. 9. 1939,
sind durchaus symptomatisch für das kirchenpolitische Klima in
Nazideutschland.
Die erste Meldung besagt:
"Die gereinigte Bibel"
Berlin, 24. Mai (Exchange Telegraph).
Die Regierung hat ein besonderes Institut "zum Auffinden und Beseitigen
jüdischer Einflüsse aus dem deutschen religiösen Leben" geschaffen, das unter
Leitung von Professor Grundmann von der Universität Jena die Bibel reinigen
und ein modernes Gebetbuch schaffen wird, das "des deutschen Volkes würdig und
fremdrassig giftfrei" sein soll. Alle Verwandtschaft zwischen Christus und
Abraham soll beseitigt, alle jüdischen Legenden sollen entfernt und ein
Psalmenbuch zusammengestellt werden, das ausschließlich aus deutschen Liedern
besteht."
Das fatale an dieser Meldung kommt eigentlich nicht zum Ausdruck. Zwar war
dieses Institut Systemkonform; indes stand es in kirchlicher Trägerschaft.
Noch fataler der Umstand, sein Leiter, Walter Grundmann, konnte auch nach 1945
ohne in den Westen emigriert zu sein, im Osten Deutschlands, in der
thüringischen Kirche weiter Karriere machen.
Im Westen Deutschlands war ja wohl die Karriere solch belasteter Personen
ohnehin an der Tagesordnung.
Man vergleiche dazu auch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Grundmann
Nur mal die Zitierung einiger von Grundmann in der Nazizeit veröffentlichter
Bücher:
"Gott und Nation", Berlin 1933
"Totale Kirche im totalen Staat", Dresden 1934
"Jesus der Galiläer und das Judentum", Leipzig 1940
"Die völkische Gestalt des Glaubens" Leipzig 1943
Insbesondere zu den Schriften aus den 1940 Jahren ist noch anzumerken.
Es herrschte Krieg. Als Folge dessen wurden bereits (auch) etliche
theologische Zeitschriften eingestellt (Papier und
Druckereikapazitätseinsparung). Grundmann indes konnte munter weiter
publizieren. Und das, weil er ja die Nazis "noch von rechts überholte".
Welchen "Vorauseilendem Gehorsam" denn Grundmann und sein Institut
praktizierten, kann man auch an dem Umstand ablesen, dass es ihm sogar gelang,
den Referenten im "Reichssicherheitshauptamt" zum Thema "Politische Kirchen",
seines Amtes entheben zu lassen. Man vergleiche dazu auch:
Murawski
In seinem "Gott und Nation", laut Untertitel: "Ein evangelisches Wort zum
Wollen des Nationalsozialismus", verbreitet sich Grundmann auch mit der
Aussage: (S. 7)
"Der Verfasser, der sich zum politischen Wollen des Nationalsozialismus
bekennt, möchte mit dieser Arbeit zeigen, daß der Nationalsozialismus sein
Ziel nur erreichen kann, wenn er die Stimme der Kirche hört."
"Bauchschmerzen" bereitet allerdings Grundmann und anderen Kirchenmännern,
insbesondere der Nazifunktionär Alfred Rosenberg.
Die Position der Kirchenmänner zu Rosenberg war durchaus gespalten. Einige
redeten "Fraktur" und scheuten fallweise die Konfrontation nicht.
Andere, eben auch Grundmann, versuchten es eher mit der "Taufe" des
Nationalsozialismus.
So meint er auf Seite 123 dieser Schrift sich auch damit "trösten" zu können:
"Übrigens hat Rosenberg bei seinem Kampf gegen das Christentum wesentlich mehr
ein katholisches Christentum - und das auch nur verzerrt - vor sich als das
protestantische evangelische.
Wo er dies im Auge hat, dann auch nur in mehrfacher Verzerrung."
Weiter umreißt Grundmann seine Position in vorgenannter Schrift auch mit den
Sätzen (S. 14, 15):
"'Wir sind die Gegenbewegung gegen die französische Revolution'. Mit diesen
Worten hat einer der bedeutendsten nationalsozialistischen Führer, Gregor
Straßer, das Wesen der nationalsozialistischen Bewegung umrissen.
Gregor Straßer behält auch nach seinem schweren Zerwürfnis mit Adolf Hitler
für die Bewegung seine große Bedeutung. ...
Die Proklamierung der Menschenrechte, die im Mittelpunkt der französischen
Revolution stand, ist herausgeboren aus liberalistischem Geiste: 'Freiheit,
Gleichheit, Brüderlichkeit', sie bedeuten die Zersetzung aller Autorität und
aller Gemeinschaft, denn es gibt keine Autorität ohne Gemeinschaft, und es
gibt keine Gemeinschaft ohne Autorität" (meint Grundmann).
In seinem "Jesus der Galiäer und das Judentum" betitelten Schrift, begegnet
man auch der These, die man ansonsten vorrangig von Deutschgläubigen Kreisen
(weniger von christlichen) kennt (S. 175f.)
"Wenn also die galiläische Herkunft Jesu unbezweifelbar ist, so folgt ...
daraus, daß er größter Wahrscheinlichkeit kein Jude gewesen ist ..."
Solcherlei Thesen fanden ja in breiten christlichen Kreisen, entschiedenen
Widerspruch. Sie waren aber zugleich auch "Markenzeichen" etwa der
Rosenbergianer. Auch hier sieht man, wie Grundmann einen von der Sache her,
eher zweifelhaften Spagat versucht.
Eben zitierte Schrift firmierte auch als "Veröffentlichung des Instituts zur
Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben",
dessen Leiter er ja bekanntermaßen war.
Allerdings sah auch Grundmann, wie je länger je mehr; die Deutschgläubigen,
das traditionelle Christentum zu verdrängen drohte. Hierin verstand auch er
keinen Spaß.
Sein "Totale Kirche im totalen Staat" thematisiert das im besonderen, am
Beispiel des Funktionärs Ernst Bergmann von den Deutschgläubigen.
Denen das Feld zu überlassen, das will auch Grundmann nicht.
Und so findet man denn in vielerlei Wendungen bei ihm, auch Ausführungen, wer
denn wohl die besseren Nazis seien. Die Ungeliebten "Deutschgläubigen" oder
eher die seinesgleichen.
In "Die völkische Gestalt des Glaubens" outet er sich dann auch als Supernazi,
wenn er darin auch tönt (S. 100):
"Die Rassenfrage ist als der Schlüssel der Weltgeschichte bezeichnet worden,
sie (sei es) auch für die schwierigen Fragen der Religionsgeschichte" (in der
Lesart von Grundmann).
Nach 1945 dann. 20 Jahre lang von 1955 - 1975 leitet er eine kirchliche
Ausbildungsstätte. Das katechetische Seminar in Eisenach.
In einem Text der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, wird ihm
unterstellt, zu jenen Kräften zu gehören, welche die Annäherung an die SED
forciert betrieben.
Zitat:
"Der Weimarer Arbeitskreis (zu dem auch Grundmann gehörte) organisierte auf
innerkirchlicher Ebene die damals noch heftig umstrittene Annäherung an den
SED-Staat. ..."
Also könnten böse Zungen versucht sein zu kommentieren.
Opportunist vor und nach 1945.
Hans Prolingheuer etwa notiert in seinem Buch "Kirchenwende oder Wendekirche"
auch:
"Das perverse kirchlich-theologische Unternehmen gilt als kriegswichtig".
Und zitiert wird dazu Grundmann mit seiner Aussage:
"Im großdeutschen Schicksalskampf, der ein Kampf gegen das Weltjudentum und
alle zersetzenden und nihilistischen Kräfte ist, gilt die Arbeit des (von
Grundmann geleiteten) Instituts an ihrem Platze das Rüstzeug, zur Überwindung
aller religiösen Überfremdung im Innern des Reiches ..."
Grundmann zuvor auch noch Schriftleiter einer Zeitschrift mit dem
programmatischen Namen "Christenkreuz und Hakenkreuz".
Nach 1945 publiziert Grundmann dann, als wäre nie etwas gewesen. Etwa
Kommentare zum Bibelbuch Matthäus (auch von der "Brücke zum Menschen"
zitiert). Prolingheuer konstatiert, Grundmann's Theologische Werke (nach 1945)
seien in Ost wie West in der Theologenschaft geschätzt.
Nur wenige fragten ob dieser geschätzten Kommentare, was davor war.
Etwa in seinem 1973 erschienenen "Die frühe Christenheit und ihre Schriften".
Politisch-zeitgenössische Bezüge gibt es darin schon mal nicht (von der Sache
und den Umständen her verständlich).
Erinnert man sich seiner These zur Französischen Revolution, kann man ihm
vielleicht sogar einen kleinen Kurswechsel bescheinigen. Nunmehr "nur noch"
Theologe.
Wie soll man eben genannte Schrift einordnen. Eher dem liberalen Flügel der
Theologie annähernd. Zwar kein "zweiter Rudolf Bultmann", aber so weit
entfernt von ihm wohl auch nicht!
Die zweite Meldung des "Trost":
"Votivmesse für Hitler
Das St. Paulusblatt, kirchliches Organ mehrerer westfälischer Dekanate,
enthält in der Nummer vom Sonntag, dem 16. April außer einem redaktionellen
Artikel zu Hitlers 50. Geburtstag die folgende Anordnung des Bischofs von
Münster:
"Aus Anlaß des 50. Geburtstags des Führers und Reichskanzlers, am 20. April
1939, schreiben wir vor:
1. Am Vorabend, Mittwoch, dem 19. April müssen alle Kirchenglocken von 18 Uhr
bis 18.30 Uhr feierlich geläutet werden.
2. Am Donnerstag, dem 20. April müssen die Kirchen und kirchlichen
Dienstgebäude, wie auch die Amtswohnungen der Geistlichen mit der Reichs- und
der Landesfahne beflaggt sein.
3. Am Donnerstag, dem 20. April muß in allen Parochial- und Rektoratskirchen
zu passender Zeit eine Votivmesse zu Ehren des hl. Michael, des Schutzheiligen
des deutschen Volkes, gelesen werden, um Gottes Segen für den Führer und für
Volk und Vaterland zu erbitten. Im Anschluß daran ist das "Allgemeine Gebet"
im Wortlaut vom 9. Oktober 1933 laut vorzubeten.
Münster, den 3. April 1939. Der Bischof von Münster Clemens August."
("Het Nationale Dagblad" vom 18. l,. 39)"
Es ist offenkundig. Dass solch eine Meldung naturgemäß "Wasser auf die Mühlen"
für die zeitgenössischen Zeugen Jehovas darstellte, und sie zusätzlich in
ihrer Motivation stärkte, sowohl das Naziregime als auch die katholische
Kirche abzulehnen. Prompt kommentiert dann auch "Trost" noch dazu:
"Michael, der große Fürst (Dan. 12: l), ist Jesus Christus. Ausgerechnet er
ist "Schutzheiliger des deutschen Volkes"? Seit wann?
Und glaubt der Bischof von Münster wirklich, Michael, der den Satan und seine
Engel schon aus dem Himmel hinausgeworfen hat und gerade dabei ist, sie
mitsamt allen Helfershelfern von der Erde auszutilgen (Offenbarung 12:7-12),
dieser Michael - Christus Jesus - werde das gottlose Führer-Regime in
Deutschland beschützen?
Auch der Vatikan erflehte für Hitler zu seinem fünfzigsten Geburtstag ein
langes Leben. Der Papst hat die Hoffnung, mit dem deutschen Tyranneisystem
noch so manches Geschäft zu machen."
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 28. September 2009 06:10
Zu einer wenig erfreulichen Artikelüberschrift, sah sich "Trost" in
seiner Ausgabe vom 1. 9. 1939 genötigt. Schon im ersten Artikel dieser
Ausgabe. Ihr Titel:
"Schlägerei bei den Zeugen Jehovas"
Im Untertitel wird dann schon mal relativierend mitgeteilt:
"Eine Richtigstellung. - Der
Bürgermeister von New York, La Guardia, und der Erzbischof der Diözese New
York, F. J. Spellman, erhielten Briefe, die den Sachverhalt genau so
klarstellen, wie nachstehender Bericht eines Augenzeugen es tut. Diese Briefe
wurden auch den Einwohnern von New York in einer Aufklärungsschrift, von der
1000 000 Exemplare zur Verteilung gelangten, zur Kenntnis gebracht."
Na ja, mag man dazu schon anmerken. So wichtig dürften den
zeitgenössischen New Yorkern die Zeugen Jehovas wohl nicht gewesen sein.
Angesichts der genannten Auflagenhöhe von Hunderttausend indes, dürfte wohl
dort nun fast jedes Schulkind davon erfahren haben, was es denn mit dieser
Schlägerei so auf sich hatte.
Ob die Mehrzahl der so "Informierten" das auch ohne diese Verteilaktion
interessiert hätte, ist doch sehr die Frage. Man kann das ganze sehr wohl als
Ausnützung zu einer geviewten Public Relation Aktion (schlichtweg billige
Reklame. Zu billig, werten).
Weiter teilt "Trost" mit:
"Zeitungen in aller Welt brachten die
folgende Meldung:
"New York, 26. Juni. (Havas.) Während einer Veranstaltung der 'Zeugen Jehovas'
im Madison Square Garden kam es zu einer Schlägerei, in deren Verlauf 40 bis
50 Personen verwundet wurden. Die eigentlichen Gründe für diese Schlägerei
sind noch nicht abgeklärt. Fest steht nur, daß sie begann, als ein Redner über
das Thema 'Regierung und Frieden' sprach. An der Veranstaltung nahmen rund 18
000 Personen teil. Alle Verletzten konnten mit Ausnahme eines Mädchens, das in
Spitalpflege verbracht werden mußte, nach Hause entlassen werden." -
Dazu äußert "Trost" dann noch:
"Diese tendenziöse Havas-Meldung macht
den Eindruck, als ob Jehovas Zeugen unter sich Krawall gehabt hätten, und
einige Zeitungen überschrieben die Notiz direkt mit "Schlägerei bei den Zeugen
Jehovas" oder "Zeugen Jehovas lagen sich in den Haaren".
Auch ein Rundfunksender in Deutschland brachte eine derartige Meldung, und
einige Zeitungen schrieben, die Veranstaltung sei gesprengt worden."
Und das wird dann mit der Bemerkung beantwortet:
"Durch derartige Ausstreuungen hilft die
Presse den katholisch-faschistischen Kreisen, die Wahrheit zu verschleiern.
...
Zu stören versucht wurde von der Katholischen Aktion, und zwar bei einem
öffentlichen Vortrag von Richter Rutherford. Die Störenfriede wurden an die
Luft gesetzt, wie es ihnen gebührte; doch auch dabei hat es keine
"Verwundeten" gegeben, geschweige denn jemand, den man hätte ins Krankenhaus
bringen müssen. Der Redner hielt währenddessen ganz unbeirrt seinen Vortrag
weiter, und auch diese Versammlung, an der die Öffentlichkeit teilnahm, wurde
in voller Ordnung zu Ende geführt. ..."
Das ganze wird in die Rubrik "Verschwörung" eingeordnet.
"Daß es sich tatsächlich um eine
Verschwörung fanatischer Katholiken handelt, dafür sind zahlreiche Beweise
vorhanden. ..."
Als Detail berichtet "Trost":
Kurz bevor Richter Rutherford seinen
öffentlichen Vortrag über "Regierung und Friede" begann, marschierte eine
Kolonne - den Berichten nach waren es zwei- bis dreihundert Mann - geschlossen
auf die oberste Galerie, direkt oberhalb des Rednerpodiums. Zwei oder drei
katholische Priester saßen bei ihnen, in der vordersten Reihe. Es handelte
sich um Coughliniten. ... Um Anhänger dieses katholisch-faschistischen
Priesters dreht es sich hier.
Wie festgestellt wurde, hatten diese Coughliniten in einer Stärke von etwa 500
Mann am gleichen Tage vor der New-Yorker Radiostation WMCA "demonstriert",
weil diese Station ihren "Vater Coughlin" nicht sprechen lassen will. Nachdem
sie dort Radau gemacht hatten, marschierte ein Teil von ihnen zum "Madison
Square Garden".
Dort fingen sie achtzehn Minuten nach Beginn des Vortrages ihren Krach an. ...
Man brauchte auch keinen Anlaß; denn man wollte Krawall machen um jeden Preis,
Deswegen war man ja gekommen. So fingen die Kerle also an zu brüllen, zu
pfeifen, zu trampeln und auch "Viva Franco!" und "Heil Hitler!" zu schreien.
...
Die Veranstalter, Jehovas Zeugen, wußten von den Plänen der Katholischen
Aktion. Darum sicherten sie sich durch Aufstellung von einigen hundert
Saalordnern. Als der Radau begann, ersuchten einige Saalordner die anwesenden
Polizisten, für Ruhe zu sorgen, bekamen aber zur Antwort:
"Das ist eure Sache."
Demgemäß forderten sie die lärmenden Coughliniten auf, entweder still zu sein,
oder die Halle zu verlassen. Statt dem nachzukommen, griffen diese
katholischen Fanatiker einige Saalordner tätlich an, und diese verteidigten
sich natürlich und sorgten schließlich unter Beteiligung der Polizei dafür,
daß die CoughIiniten-Meute an die Luft gesetzt wurde."
Der Polizei indes meint "Trost" vorhalten zu sollen:
"Immerhin war das Handeln der Polizei
nicht unparteiisch. Sie schritt nicht energisch gegen die Ruhestörer ein, und
statt diese zu verhaften, nahm sie vier Saalordner fest, weil gegen diese von
den Coughliniten falsche Beschuldigungen erhoben worden waren. ...
Über einen Fall dabei heisst es:
Dieser (Zeuge Jehovas) war beschuldigt,
eine Coughlinitin namens Agnes Walton mit einem Stockhieb über den Kopf
bewußtlos geschlagen zu haben. Als seine vier Ankläger vor Gericht
einvernommen wurden - so, daß keiner Gelegenheit hatte, die Aussagen der
ändern zu hören - brachte ein jeder eine andere Lügengeschichte vor, so daß
sie der Richter entließ mit der Verwarnung:
"Gehen Sie nach Hause und belästigen Sie das Gericht nicht weiter mit
erfundenen Anklagen."
Ein Entlastungszeuge des Saalordners sagte aus, er habe gehört, wie ein
gewisser Philip May der Agnes Walton gesagt habe, sie solle sich auf den Boden
legen und so tun, als ob sie niedergeschlagen worden wäre, und der Polizei
dann sagen, ein Saalordner habe sie bewußtlos geschlagen. ..."
Und unterschrieben ist das ganze noch mit:
"Als Augenzeuge der New Yorker Vorgänge
M. C. Harbeck, Bern"
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 29. September 2009 06:12
Offenbar hatte es die zeitgenössische WTG nötig, angesichts trostloser
Umweltverhältnisse, etwas zur "moralischen Aufrüstung" der eigenen
Anhängerschaft beizutragen. In diese Rubrik kann man dann wohl auch den
"Trost" vom 15. 9. 1939 entnommenen Berichte einordnen.
Er spielte sich zwar in den USA ab; wurde aber von der WTG offenbar als so
"bedeutsam" eingeschätzt, um ihn auch international bekannt zu machen. In ihm
war zu lesen:
"1937, in den Sommermonaten, fragten wir bei den Beamten des Kreiszuchthauses
von Monroe in Pennsylvanien an, ob es ihnen recht wäre, wenn wir erzieherische
Veranstaltungen für die Gefangenen einrichten würden. Die Veranstaltungen
befaßten sich mit der Aufrichtung des Königreiches Gottes auf der Erde.
Der Gefängnisverwalter meinte, das sei eine gute Idee, um den Gefangenen und
den sonstigen Insassen zu helfen, und gab seine Zustimmung. Er lud uns für den
nächsten Sonntagmorgen ein, weil das der freie Sonntag des Monats war. Die
andern Sonntage waren vom katholischen Priester und dem protestantischen
Geistlichen belegt. Unsere Veranstaltungen sollten eine Stunde dauern.
Am nächsten Sonntag fuhren wir mit unserm Tonwagen in den Gefängnishof. Die
Gefangenen kamen aus ihren Zellen marschiert und setzten sich rund um den
Wagen ins Gras.
Wir begannen mit einer Musikplatte. Das erweckte das Interesse der
Hausbediensteten, der Wärter und aller andern.
Dann folgten die Vortragsplatten mit Richter Rutherford als Redner. Am Schluß
drückten alle auf den Wagen gerichteten Augen Staunen und Bewunderung aus. Es
wurde uns gesagt, keinerlei Diskussion anzufangen; darum boten wir
Gratisbroschüren an für solche, die sie haben wollten.
Vierundneunzig Stück gaben wir an Wärter und Gefangene aus.
Der Zuchthausverwalter meinte, die Sache sei sehr gut, und lud uns ein, jeden
Monat einmal mit dem Wagen zu kommen und ähnliche Veranstaltungen
durchzuführen. Wenn nun, jeden Monat einmal, der Wagen ins Zuchthaus einfuhr,
wurde er von den Männern stets mit Freudenrufen begrüßt. Jedesmal ließen wir
Broschüren für diejenigen zurück, die sie wünschten.
Das ging fünf bis sechs Monate so weiter, bis wir eines Sonntags gesagt
bekamen, daß wir mit diesen Veranstaltungen aufhören müßten. Uns nach dem
Grund erkundigend, sagte man uns, 'Ehrwürden' Eug. Golding und 'Ehrwürden
Vater' William Hollock wären mit den religiösen Angelegenheiten des Hauses
betraut und hätten, ohne einen Grund zu nennen, die Anweisung gegeben, daß die
Veranstaltungen sofort einzustellen sind.
Der Zuchthausverwalter schien umgewandelt.
Offenbar fürchtete er den Verlust seiner politischen Stellung. Ein paar Monate
später erfuhren wir, daß alle bei den Wärtern und Insassen zurückgelassenen
Broschüren eingesammelt und verbrannt worden sind und die strenge Anweisung
erlassen wurde, daß, wer irgendwelche WATCH TOWER-Literatur, die er hat, nicht
abliefere, eine Woche Einzelhaft bei Brot und Wasser erhält. Auf diese Art
sind zirka 500 Broschüren eingezogen und vernichtet worden."
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 30. September 2009 03:08
Nun denn, wenn schon die USA für Jubelberichte herhalten müssen, dann ist es
wohl klar. In Hitlerdeutschland gab es für die WTG-Hörigen zur gleichen Zeit
wenig bis nichts zum "jubeln".
Sollte es tatsächlich mal eine Ausnahme von der Regel gegeben haben, auch das
ist klar. Die lässt man sich nicht entgehen, da man moralische Aufrüstung in
der Tat bitter nötig hat.
Und eben im Sinne der "moralischen Aufrüstung" konnte man in dergleichen "Trost"-Ausgabe
(15. 9. 39) auch den nachfolgenden "Jubelbericht" vorfinden:
"Nachdem ich 1934 mein Friseurgeschäft verkauft hatte, da die Propaganda gegen
mich zu stark wurde, nahm ich den Friseurposten in einer Lungenheilstätte an,
deren Personal ich schon früher als Kunden gehabt hatte.
Schon bei den ersten Unterhaltungen mit Patienten wurde mir gesagt, daß die
Oberin von Tür zu Tür durch die ganze Anstalt ginge und allen Leuten sage:
"Wißt ihr, der neue Friseur, der jetzt kommt, ist Bibelforscher."
So suchte sie Opposition gegen mich zu machen. Wenn ich den Leuten Zeugnis
gab, stand sie immer vor der Tür und horchte.
Ein Patient sagte einmal zu ihr; "Schwester, kommen Sie doch herein, wenn der
Friseur da ist; den sollten sie mal hören, der hat uns erklärt, wer Gott
Jehova ist, das hätten sie auch hören sollen."
Die Verhältnisse kamen dann so, daß sie gehen mußte und ich ihr vorher noch
selbst Zeugnis geben konnte.
Unter den Patienten war ein Schriftsteller. Ich unterhielt mich jede Woche mit
ihm, und er sagte mir: "Ich freue mich immer auf diese Unterhaltung, ja, ich
kann die Zeit nicht erwarten, bis Sie wiederkommen."
Er hatte alle Religionsarten studiert, indische und sonstige orientalische,
nur die Bibel nicht. Auch hatte er hohe katholische Geistliche in seiner
Familie, die ihn aber alle nicht zu Gott und zum
Königreich führen konnten. Mit Begierde las er dann die Bibel, die er bis
dahin nicht gekannt hatte. Er sagte dann noch zu mir, daß er jetzt in Ruhe
sterben könne, was auch kurze Zeit später geschah. Man muß die Freude gesehen
haben, die dieser Mann hatte, als er die biblischen Wahrheiten erkannte.
Ich kam zu einem andern aufs Zimmer. Dieser war Großkaufmann von Beruf, und
als Nationalsozialist las er gerade das Buch "Mein Kampf". Ich erklärte ihm
die heutigen Probleme im Lichte der Bibel. Resultat: Er bestellte bei mir
einen Satz Bücher - 13 Stück - auf einen Schlag, mit dem Bemerken, daß ja
eines immer interessanter sei als das andere und nun das Buch "Mein Kampf"
erledigt sei.
Da unsere Tätigkeit zu dieser Zeit im Saargebiet schon verboten war, war es
schon mit Gefahr verbunden, die Bücher zu liefern. ...
Wenn ich in die Privatwohnung des Oberinspektors kam, brachte die Frau sofort
die Bibel, und ich mußte erklären.
Als ich dann nicht zur Wahl ging, mußte ich auf Drängen der Partei und zum
Leidwesen anderer entlassen werden.
Auf einen Schlag war ich ohne Verdienst, da die politischen Leiter es den
Leuten verboten, sich von mir bedienen zu lassen. Auf Drängen der Partei und
der Arbeitsfront mußte uns auch die Wohnung gekündigt werden. ...
An dem Tage, da wir räumen sollten, kam in aller Frühe die Gestapo und machte
Haussuchung, fand nichts Belastendes, nahm mich aber trotzdem mit. Meine Frau
und zwei Kinder, 10- und 13jährig, waren vier Wochen ohne Wohnung. Die
Umstände, die dazu führten, daß meine Frau zu einer Wohnung kam, sind nicht zu
beschreiben. Es hat sich auch hier erwiesen, daß, wenn die Not am größten ist,
Jehovas Hilfe kommt.
Nach sechs Wochen hörte ich im Gefängnis zum ersten Male etwas von meiner
Familie.
Im Gefängnis kam ich zu einem in die Zelle, der sich sonst mit niemand
vertrug. Als er mich sah, lachte er und sagte: "Du gefällst mir." Er frug
mich, warum ich im Gefängnis sei. Ich sagte ihm: "Wegen meinem Glauben als
Zeuge Jehovas." Er sagte: "Da kannst du froh sein, daß du für deinen Glauben
leiden darfst. Du bist zu beneiden. Ich wäre froh, an deinem Platz zu sein."
Er war Erfinder und stand noch im Gefängnis mit dem Kriegsministerium in
Verbindung. Er glaubte an einen Schöpfer, doch nicht im Sinne einer Religion,
nur nach seiner eigenen Anschauung, die ich ihm nach der Lehre der Heiligen
Schrift auch zerschlug.
Er war sehr hartnäckig, jedoch ehrlich. Als er mal eine schriftgemäße
Erklärung nicht gelten lassen wollte, sagte ich ihm, daß es keinen Zweck habe,
ihm weiteres zu erklären, und gab ihm einen Tag lang keine Antwort. Er weckte
mich nachts und sagte:
"Wenn du ein Zeuge Jehovas sein willst, mußt du mir auch noch alles erklären."
Da sein Stolz gebrochen war, ging dann alles gut. Wir hatten eine Bibel und
hielten regelrecht Bibelstudium.
Dann kam ich in ein anderes Gefängnis. Obwohl es von der Gestapo streng
verboten worden war, daß ich mit andern Gefangenen in Berührung komme, genoß
ich durch meine Führung das Vertrauen des Hauptwachtmeisters. Es kam oft vor,
daß er andere Gefangene schlug.
Durch ihn hatte ich Gelegenheit, viele Brüder in ihren Zellen zu sprechen.
Nach meiner Verurteilung bekam ich dann den größten Vertrauensposten, den ein
Gefangener im Gefängnis erhalten kann. Ich stand mit den Brüdern von zwei
Gefängnissen in Verbindung und war über alles auf dem laufenden. Ich war im
Gefängnis besser orientiert über das, was gemacht wurde, als Geschwister in
der Freiheit.
Nach meiner Entlassung wurde meine Frau von zwei Beamten abgeholt und ins
Gefängnis eingeliefert. Auch sie hatte Vertrauensposten. Als Staatsfeinde
gezeichnet, jedoch zum Vertrauen am besten geeignet.
Als sie wieder entlassen war, bekamen wir immer den Besuch von Bruder . . .
Unter welchen Umständen, kann nicht beschrieben werden. Es war für uns
aufregend, alles zum Guten der hungernden Geschwister zu leiten, da ich immer
unter Aufsicht stand und jeder Schritt bewacht wurde.
Keine ruhige Stunde, kein Schlaf, immer der Gedanke: die Gestapo!
Mein Sohn, den man auf dem Lehrstellenvermittlungsbüro fragte, warum er nicht
in der HJ [Hitlerjugend] sei, antwortete, daß man ihm schlechten
Anschauungsunterricht erteilt habe, indem man seine Eltern unschuldig
einsperrte.
Es wurde ihm gesagt, daß seine Eltern kein Umgang für ihn wären und er von zu
Hause fort müsse. Wir frugen ihn, ob er gewillt sei, mit seinen Eltern Jehova
treu zu sein und freiwillig fortzugehen (über die Grenze), oder ob er in die
HJ eintreten und demnach alles mitmachen wolle. Er entschied sich dafür,
fortzugehen.
Später kam die Gestapo wieder, und da ich gewarnt worden war und mich nicht zu
Hause aufhielt, nahmen sie meine Frau mit. Was sollte ich tun? Meine Frau
wieder im Gefängnis und beide Kinder im Auslande. Da traf ich zwei Brüder, die
mir sagten, ich solle zu den Kindern gehen, da das Verbleiben zwecklos sei.
Traumwandelnd ging ich über die Grenze an Grenzwächtern vorbei; es schien, als
wären sie alle mit Blindheit geschlagen.
Nach menschlichem Ermessen bestand keine Möglichkeit mehr, als Familie wieder
zusammenzukommen, da meine Frau mit andern Schwestern ins Konzentrationslager
geschafft werden sollte.
Der Vorgang ist wunderbar, wie sie im Gefängnis erfuhr, daß ich mich in
Freiheit befinde. Nach sechs Wochen wurde sie plötzlich entlassen, um als
Lockvogel für mich zu dienen.
Obwohl sie vor der Wohnung von zwei Individuen bewacht wurde, war es uns
möglich, sie unter besonderen Umständen über die Grenze zu bringen. Wie das
zuging, kann ich nicht alles berichten. ..."
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von: Frau von x
Datum: 30. September 2009 11:00
Zitat:
Es hat sich auch hier erwiesen, daß, wenn die Not am größten ist, Jehovas
Hilfe kommt.
WT vom 15.OKTOBER 2008 S.9 Abs. 9:
"Die Macht, jemand aus einer Gefahr zu befreien, hat Jehova ohne Zweifel. Können
wir aber mit Sicherheit sagen, ob er in einer konkreten Situation eingegriffen
hat? Nein."
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 27. Oktober 2009 00:34
J(ohn) C(orrevon)
"Trost"
So heisst das halbmonatliche Hetzblatt der Zeugen Jehovas, ex-Bibelforscher,
dieser fanatisch-religiösen und politischen Sekte, die bereits in mehreren
Ländern, auch in Polen, wegen antichristlicher und antinationaler Propaganda
verboten wurde.
Die Zeugen Jehovas behaupten, sie seien herzensgute Patrioten und Christen,
die sich niemals mit Politik beschäftigen.
Wie sehr unwahr diese Ausrede ist, zeigt uns die Tatsache, dass die
Bibelforscher nicht nur den Militärdienst verweigern, aber auch sogar den
Flaggengruss verbieten. Dieser wird von ihnen als "Gegenstand eines
abgöttischen Kultus" betrachtet
(Vergl. "Trost" Nr. 402 vom 15. Juni 1939. Seite 14).
Weiter bestätigen die Artikel
"Diktatoren" (Trost Nr. 403; 1. Juli 1939) Seite 14 und
"Russland macht Wüsten urbar"
Seite 16,
dass die Bibelforscher unter
religiösem Mantel eine ganz antipatriotische Politik: betreiben.
Vom patriotischen Standpunkt aus gesehen, ist der Artikel von J. F. Rutherford
"Irregeleitet" S. 6, aus
Nr. 404
sehr interessant, weil er darin
den Flaggengruss verbietet; ebenso reich an Aufklärungen über die politischen
Ziele der Bibelforscher ist die Stellung von "Trost" gegenüber den
Geschehnissen in Palästina auf S.3;
"Aufruhr in der Heiligen Stadt".
Wenn man diese unsinnigen politischen
Artikel wegschiebt, so sieht man, dass der grösste Teil der übrigen ganz grobe
und gemeine antikatholische Schimpfreden sind.
Man wird nicht mehr daraus klar, wie es überhaupt noch möglich ist, dass in
unserem Ruhe- und Gerechtigkeit-liebenden Land eine Hetzzeitschrift eine
Staatsreligion so frech und windig herabwürdigen und verunehren kann. Wäre es
nicht endlich mal Zeit, den Umtrieben dieser fanatischen Delinquenten und
Unruhestifter ein Ende zu machen?
Lassen wir unsere werten Leser selbst darüber entscheiden; dazu mögen die
folgenden Zitate genügen:
Aus "Trost" Nr. 403, S.4; .
"Das bedeutet nichts anderes, als dass
katholische Priester junge, unbesonnene Menschen dazu benutzen, sich eine
Privatarmee in der Art hitlerischer Sturmabteilungen zu schaffen. ...
Seite 5;
Katholiken, die nicht mit
Scheuklappen versehen sind, wollen auch in Nieder-Gösgen wissen, was all die
Liebhabereien der katholischen Hierarchie gegenüber den Diktaturen Hitlers und
Mussolinis eigentlich soll. Sie wissen ja auch einiges über den katholischen
Naziprotektor von Papen, über bischöfliche Wahlpropaganda für Hitler... und
schliesslich über das enge Hand-in-Hand-Arbeiten (!) des Vatikans mit dem
demokratie-feindlichen System Mussolinis."
Nach 4 unverschämten Fragen fährt "Trost"
weiter fort: "Katholische
Bischöfe in Deutschland verlangten ... die Unterdrückung der Tätigkeit der
Zeugen Jehovas. Heute wird diese Unterdrückung von derselben Seite in der
Schweiz verlangt. Bleibt nun die Frage:
Wo ist derjenige, der in der Schweiz tun will, was Hitler in Deutschland getan
hat? ... Wenn sich der katholische Klerus in der Schweiz selbst in das Lager
der Verfolger der Zeugen Jehovas einreiht und damit Wahres (sic!) Christentum
bekämpft, so ist die Tatsache von selbst gegeben, dass auch in der Schweiz
schon ein Kreuzzug gegen das Christentum" nach faschistischem Muster begonnen
hat."
Liederliche Angriffe sind wieder auf
Seite 12
zu lesen:
"Die hervorragenden Geistlichen wiederum
trachten nach der Gunst der politischen Herrscher, um von ihnen geschmeichelt
zu werden, wodurch sie auf das Volle stärkern Einfluss gewinnen. ... Der
Teufel bekommt die Religionsorganisationen, die viel lieber Menschen statt
Gott ehren und rühmen, in seine Gewalt.
Die wichtigste und führende Religionsorganisation auf der Erde ist die
römisch-katholische Hierarchie der Autorität, die eine Willkürherrschaft von
Menschen darstellt und bei der das Volk nichts zu sagen hat. Man wird
beobachten können, dass diese grosse Religionsorganisation in jedem Lande, wo
politische Diktatoren herrschen, diese unterstützt, und die Regenten werden
sehr tyrannisch."
Ebenso heftige Stellen sind in der
Nummer 404 vom 15. Juli 1939, enthalten. Auf Seite 5
werden die Priester als "Religiöse Schmarotzer"
bezeichnet. Die Seiten 6,7,8 unten sind mit
Angriffen gegen die S.P.K. und Gesellschaft für
Kirche und Papst gefüllt. Noch auf Seite 7
wird im Artikel "Coughlin in U.S.A." folgendes
geschrieben:
"Die Kirche hat bis jetzt Coughlin in
ihrem Schosse behalten ... Tatsächlich hilft somit die kathol. Kirche, indem
sie Coughlin in seiner Funktion als Priester lässt, den Faschismus in diesem
Lande aufzurichten."
Interessant ist ja festzustellen, dass
dieser Artikel aus der "Sozialistischen Warte" (also doch !!!!) Paris, 21.
April 1939 entnommen.
Diese Zitate werden wohl unsern Lesern schon genügt haben, um sie von den
antichristlichen und auch antipatriotischen Tendenzen der Zeugen Jehovas zu
überzeugen. Ist nun recht, dass tagtäglich, aber speziell am Samstag und
Sonntag, ein paar Hunderte von solch illuminierten Fanatikern von Haus zu Haus
mit ihren Hetzschriften hausieren?
Die Schriften, die sie gegenwärtig mit Vorliebe verbreiten, und zwar wegen
ihren sehr scharf antikatholischen Inhalt sind die folgenden:
Das Buch 'Reichtum' in rotem Kaliko mit Golddruck und das Buch 'Feinde' in
braunem Kaliko, ebenfalls mit Golddruck. Die andern Bücher haben alle eine der
bunten Regenbogenfarben. Die buntfarbigen Broschüren: 'Warnung', 'Jenseits des
Grabes', und die weissen: 'Schutz', 'Aufgedeckt' (gemeint die Hure von
Rom!!!). Die neuesten und unverschämtesten Broschüren sind: 'Schau den
Tatsachen ins Auge', 'Heilung' und 'Faschismus oder Freiheit' (auf dessen
Titelbild steht ein katholischer Bischof zwischen Hitler und Mussolini !!! )
Sobald ein Hausierer mit solchen Schriften an der Türe steht, sollten unsere
werten Leser sofort die Polizei benachrichtigen. Damit wäre dem Vaterland ein
Dienst erwiesen, denn die Bibelforscher hausieren ohne Bewilligung der
Behörden und verbreiten Hetzschriften, die den konfessionellen Frieden schwer
bedrohen. Schweizer sind wir und Schweizer wollen wir sein, nicht Zeugen eines
.jüdischen Nationalgottes.
In der Zeitschrift "Trost" vom 1. Januar bis zum 15. Juni 1939
wird unsere heilige katholische Kirche
auf niederträchtigste Weise herabgewürdigt und verunreinigt:
Alle genannten Artikel wimmeln von Übertreibungen aller Arten, von bösartigen
Schimpfreden und von so gemeinen Ausreden, dass man gut denken könnte, sie
wären die Früchte der Einbildung eines Geistesgestörten. Es wäre doch höchste
Zeit den Umtrieben dieser Sektierer ein für allemal ein Ende zu machen.
Gelesen in der (katholischen) in Rorschach (Schweiz) erschienenen Zeitung
"Das Neue Volk" (Ausgabe vom 12. 8. 1939)
Vorab erst mal zu dem Autorennamen.
In genannter Zeitung wird er nur abgekürzt wieder gegeben als J. C.
Die Auflösung des Namens erfolgte seitens "Trost" in seiner Ausgabe vom 1. 10.
1939. Die Diktion des Artikels lässt wohl keinen Zweifel darüber aufkommen,
dass er "stramm katholisch" orientiert ist. Ob nun besagter Correvon schon von
seiner Biographie her (worüber weiter unten noch was zu sagen sein wird) im
besonderen für Ausführungen wie die vorstehenden "prädestiniert" ist,
erscheint mir so ausgemacht nicht zu sein.
Ich habe eher den Eindruck, besagte Zeitung hat sich zwar mit Correvon in
Einvernehmen gesetzt, von ihm auch das "Gerippe" des Artikels erhalten.
Letzteren dann aber in eigener Verantwortung ausgeformt. Gleichwohl ist das
eine Hypothese. Es kann so - oder auch anders - gewesen sein.
Es versteht sich eigentlich von selbst, dass eine Zeitung, die Ausführungen
vorstehender Art bringt, seitens "Trost" nichts "zu lachen bekommt". Prompt
wird denn das "Neue Volk" in "Trost" vom 1. 10. 1939 mit einigen einschlägigen
"Charakteristikas" bedacht, wie zum Beispiel die:
"Dr. Weder, Redakteur der Zeitung "Das
Neue Volk" ("Organ im Sinne der katholischen Aktion", Rorschach). ... Seine
Zeitung wird nach Erfurt geschickt und wartet auf die freudige Zustimmung
Fleischhauers. Trotzdem dieses Blatt katholische Prälaten als ständige
Mitarbeiter hat, schreibt es vom "jüdischen Nationalgott Jehova", ganz im
Sinne Fleischhauers. ..."
Oder auch die:
"Es ist wohl kein Zufall, daß von den
Gründern und Inspiratoren (der SPK) nur mehr der nun "eingetragene" Schweizer
Metzler an die Öffentlichkeit tritt.
Und jenen Passus "eingetragene Schweizer" meint "Trost" dann noch wie
folgt verifizieren zu können:
"Heinrich Metzler.
Von ihm schreibt Tödtli in seinem russisch gefärbten schlechten Deutsch in
einem Briefe: "Laut Metzler (der ein Deutscher ist) haben die
Schweizerkatholiken echt Schweizercharakter (bevor meine Tasche leidet nicht -
alles gut) kein Unternehmungslust!"
Der schweizerische "Nationalist" Metzler selber schreibt in einem Briefe an
Tödtli am 25. September 1936: "Sie verstehen, daß ich erst ab Nov.
'eingetragener' Schweizer bin und vor allem jetzt nicht gerne an die
Öffentlichkeit treten kann, was ich überhaupt womöglich vermeide, weil sonst
die .Forscher-Arbeit' etwas gehemmt ist."
Das ist also Heinrich Metzler, der nun seit nicht einmal drei Jahren
'eingetragener' Schweizer ist ..."
Was die von "Trost" gemachten Andeutungen zur Biographie des Metzler
anbelangt, ist festzustellen.
Belege für die These, der stammt aus Deutschland, werden nicht mitgeliefert.
Also gilt wohl auch hier. Es kann so oder auch anders gewesen sein. Und wenn
er denn aus Deutschland nach St. Gallen umgesiedelt, und in amtlichen
Dokumenten als Zahntechniker bezeichnet wird, bleibt immer noch die Frage des
weshalb und warum, offen. Auch "Trost" beantwortet sie nicht.
Aber kehren wir zum eingangs zitierten Artikel zurück. Laut "Trost" erschien
der wohl zuerst französischsprachig in einer Zeitschrift mit dem Titel "La
Liberte", Fribourg (Schweiz) 27. 6. 1939. Offenbar hat das "Neue Volk"
selbigen dann wohl etwas abgewandelt, ebenfalls übernommen.
Zur Substanz.
Es werden einige Belegstellen aus "Trost" angeführt. Soweit selbige etwa das
Thema Flaggengruß-Streit berühren, nimmt man es doch etwas verwundert zur
Kenntnis, dass selbiges offenbar auch in der Demokratie Schweiz, mit
aufgebauscht wurde.
Zu der "Trost"-Notiz "Russland macht Wüsten urbar" muss gleichfalls
Widerspruch angemeldet werden. Das behandelt ein naturwissenschaftliches
Thema. Es hätte der gleiche Vorgang auch in einem anderen Lande sich in der
Presse widergespiegelt und dann von "Trost" aufgenommen, abspielen können.
Ausdrücklicher Widerspruch ist auch jener Meldung zu widmen, die den
amerikanischen Priester Coughlin betrifft, wo das "Neue Volk" durch seine drei
!!! Anstoß daran nimmt, dass selbige Meldung einer in Paris erscheinenden
sozialistischen Zeitschrift entnommen wurde.
Aber die Tendenz des "Neuen Volk" ist klar. Es möchte - wie gehabt - die
Zeugen Jehovas in die kommunistische Ecke stellen. Ob es damit "sachgerecht"
ist, mag man mehr als bezweifeln. Parteiisch ist solch ein Votum allemal. Die
gleiche ablehnende Parteilichkeit lässt das "Neue Volk" allerdings dem
Naziregime gegenüber vermissen.
Mag man den zeitgenössischen Zeugen Jehovas auch ihrerseits antikatholische
Überspitzungen zurechnen. Bereinigt um diese Überspitzungen, haben sie sehr
wohl (sachlich richtig) herausgearbeitet die stille oder auch laute Liaison
die da zwischen Katholizismus und Faschismus bestand. Auch das "Neue Volk"
stand ganz offensichtlich auf der Seite dieser Liaison. Symptomatisch dafür
auch die "Trost"-Einschätzung:
"Auch heute noch (sucht man) vergeblich
nach irgendwelchen Meldungen die das Mißfallen des deutschen Nazi-Systems
erregen könnten (im "Neuen Volk").
Recht geben wird man dem "Neuen Volk" allerdings in einem gegen die
Zeugen Jehovas gerichtetem Vorhalt, etwa wenn es auch formulierte, dass die
Zeugen Jehovas "den konfessionellen Frieden schwer bedrohen."
Zumindest aus katholischer Sicht und Interessenlage ist dieser Vorwurf als
berechtigt anzuerkennen. Man halte sich doch mal die Relationen vor Augen.
Laut den eigenen Statistiken, bezifferten die Zeugen Jehovas in der Schweiz,
die Durchschnittszahl ihrer Verkündiger im Jahre 1938 auf 813.
1933 waren es 805. Also in diesen fünf Jahren eine magere Zunahme um acht
Personen.
Dieses kleine Häuflein verbreitete nun im Nachgang des Verbotes der
WTG-Broschüre "Faschismus oder Freiheit" in der Schweiz, in einer Auflage von
400.000 Stück eine sogenannte "Verteidigungsschrift zur Abwehr der unerhörten
Presse-Angriffe gegen JEHOVAS ZEUGEN."
Man wollte offenbar - um jeden Preis - auch in der Schweiz etwas "darstellen".
Indes auch das muss gesagt sein. Die "Akzeptanz" der Zeugen Jehovas in breiten
Schichten der Schweizer Bevölkerung, war eben nicht gegeben. Da konnten sie
noch so aggressiv gegen die katholische Kirche polemisieren. Diese
Verkündigung kam zu damaliger Zeit bei der Schweizer Bevölkerung "einfach
nicht an". Und was das Häuflein der Achthundert anbelangt. Auch die
Verkündiger-Durchschnittszahl in der Schweiz Jahre davor, etwa 1928 (763),
kann man wohl kaum zu den "berauschenden Zahlen" rechnen.
Etwas mehr Bescheidenheit, wäre der Rutherford-Organisation durchaus
angemessen gewesen. Genau die war nicht gegeben, und wurde durch besonders
aggressive Thesen "kompensiert".
Nun also sei Rom schuld tönt man in dieser "Verteidigungsschrift", dass
genannte Broschüre verboten wurde. Stören würde darin ja nicht so sehr, was
über Hitler gesagt, sondern eben das "aufdecken" der Liaison zwischen
Faschismus und Katholizismus. Wer so in den Wald hineintönt, hat wohl wenig
Grund sich über das zurückkommende Echo zu verwundern.
Aber kommen wir nun noch zu besagtem Herrn Correvon. Letzterer bereitete nur
etwa ein Jahr später, der WTG erneut "heftigste Bauchschschmerzen"
Siehe dazu
Also doch!
Missmutig muss "Trost" bekanntgeben. Der war ja bis vor kurzem (seit April
1936) noch einer der Ihrigen:
"Dieser Mensch, der bis zum Januar 1938
ein Mitarbeiter der WACHTTURM BIBEL- UND TRAKTAT-GESELLSCHAFT war, bringt es
als neubackener Katholik fertig, durch unverschämte Lügen das Verderben derer
zu suchen, denen gegenüber er sich noch vor kurzem als ihr "Bruder" ausgab.
Und weiter "Trost":
"Niemand hat bedauert, als er diesen
Dienst nach knapp zwei Jahren wieder aufgab, denn seine Unaufrichtigkeit war
schon vor seinem Weggang deutlich erkannt worden."
A ja so ist das also. Weiter zitiert "Trost" den Correvon noch mit seiner
seinerzeitigen Aussage:
"Ich habe mehr als 500 theologische
Bücher gelesen und studiert (da ich 'Pfarrer' werden wollte); aber ich kann
sagen, daß sie sich mit Richter Rutherfords Büchern nicht messen können!"
Nun wer sich denn da wohl grundlegend getäuscht hat, ist doch sehr die
Frage. Jener Correvon auf der Suche nach einer Pfarrerähnlichen Tätigkeit (und
sei es auch bei den Zeugen Jehovas). Oder eben die WTG-Funktionäre, welche da
den Rotz den Correvon ihnen um die Backen schmierte, für bare Münze nahmen,
(nehmen wollten).
21 Jahre alt sei nun Correvon, teilt "Trost" mit. Sicherlich kein Alter für
eine "gestandene Karriere". Der Zeugen Jehovas waren also für ihn nur eine
Durchzugsstation auf seiner "Reise": und "Reisende soll man ja bekanntlich
nicht aufhalten".
Nun ist es wohl so, dass Personal-Fehlentscheidungen auch in anderen
Organisationen vorkommen können, keineswegs "nur" bei den Zeugen Jehovas. Was
das besondere am Falle Correvon darstellt, ist wohl der Umstand, dass der
"Wachtturm" ihn in seiner Ausgabe vom 15. 3. 1936 der breiten Leserschaft als
ein besonders "potenten Fisch an der Angel" vorstellt.
Man hatte es wohl sehr nötig, wenn sein Fall (der Anwerbung) damals so publik
gemacht wurde. Wenn man ihn denn schon nimmt, bestand aber durchaus noch nicht
die Notwendigkeit, so einen jungen Mann nun in der eigenen Zeitschrift so
gross heraus zustellen.
Tja vor Irrtümern ist halt auch die WTG nicht gefeit! Und mancher Irrtum
kostet halt seinen Preis!
Dann mag noch dokumentiert werden, welch "erbaulichen" Brief die Leser des
"Wachtturms" in der Ausgabe vom 15. 3. 1936 zu lesen bekamen.
Wie der Fall sich weiter entwickelte, wurde ja bereits ausgeführt:
S. 95
Interessante Briefe
"Diesmal hatte die Wahrheit mich erfasst"
Liebe Brüder in Christo
Das Büro der Tour de Garde in Paris schrieb mir als Antwort auf einen Brief,
worin ich betreffs der Bedingungen, ein Pionier zu werden, angefragt hatte,
dass ich mich mit ihnen in Verbindung sollte, da sie die Fragen des
Pionierdienstes erledigten. Erlauben Sie mir daher, Ihnen etliches zu
wiederholen dass ich schon nach Paris schrieb.
Nachdem ich einen Kurs in einem "Bibel-Institut" [wahrscheinlich
Tufels-Institut] beendet hatte (in Grossbritannien), kam ich nach Frankreich,
um für den Herrn zu wirken.
Ich traf in Le Havre Mr. G., den Pastor der sogenannten "Versammlungen
Gottes", zu denen ich gehörte. Ich wurde nach J. beordert, um dort Mr. A, dem
Pastor der Evangelischen Kirche, behilflich zu sein. Er nahm ich als
Evangelist auf und erlaubte mir, jeden Mittwoch und Freitag abend in der
Kirche zu sprechen. An Sonntag Nachmittagen und Mittwoch abends musste ich den
Kranken "die Hände auflegen" und für "göttliche Heilungen" beten.
Eines Tages sagte mir einer der Treuen unserer Kirche, dass er sehr für die
Tour de Garde eingenommen sei und ihre Bücher lese. Diese unerwartete Äußerung
brachte mir vieles in Erinnerung zurück. Es fiel mir wieder ein, dass ungefähr
im Jahr 1928 zwei Fräuleins in "La Manhuettoz" bei Yverden (Waadt) in unserer
Wohnung aufgesucht hatten, sie hatten uns zwei Bücher und Broschüren gebracht,
die ich, ohne besonderen Eindruck zu empfangen, gelesen hatte. Später, als ich
im Jahre 1931 bei meinen Eltern in der Nähe von Thun war, )meine Eltern sind
immer noch dort), kam Herr A. oft zu uns. Er überließ uns verschiedene Bücher
und Broschüren, auch brachte er uns monatlich das "Age d'or". Als ich England
verließ nahm ich drei Bücher und verschiedene Broschüre mit, aber im Jahre
1935 kam ein Geistlicher auf mein Zimmer, nahm mein Buch und meine Broschüren
(die ich gerne studierte), zerrieß sie und warf sie ins Feuer, indem er sagte:
"Dies sind Teufelsprodukte". Seit diesem Moment war ich der Tour de Garde
gegenüber kalt geworden. Meine Mutter sandte mir das "Age d'or", doch las ich
es nicht, weil ich annahm, dass es von Satan komme. Wir mir also dieses alles
wieder einfiel, entschloss ich mich sogleich nach Paris zu schreiben. Ich tat
es. Herr Z. gab mir die Adresse von Fräulein B. und M. Ich ging zu ihnen und
kaufte mir alle Bücher und 20 Broschüren. Diesmal hatte mich die Wahrheit
nicht erfasst. Ich war ein Gefangener Jehovas! Ich entschloss mich "nach den
Bergen zu fliehen", solange es noch Zeit war. ... Aus diesem Grunde schrieb
ich nach Paris. Natürlich bin ich in meiner Kirche Verfolgen ausgesetzt, doch
nehme ich die Gelegenheit wahr, die Wahrheit zu erzählen. Die Verfolgung
beweist mir, daß ich auf der rechten Seite bin.
Ich habe mich entschlossen, den Titel "Evangelist" aufzugeben, und ein Zeuge
Jehovas zu werden, um den einzig wahren Gott zu dienen. Ich bin bereit, irgend
etwas zu tun zur Ausbreitung der frohen Botschaft des Königreiches.
Zuerst habe ich gedacht, daß ich vielleicht einen Platz bekäme in einem Eurer
Büros, Paris oder Brüssel, doch wenn es dies nicht gibt, bin ich bereit irgend
etwas für Gott zu tun. Bruder Rutherford sagte in einer seiner letzten
Ansprachen: "Es tut nichts zur Sache, ob jemand Straßenputzer sei oder
Präsident der Gesellschaft ---"
Ich möchte Ihnen also gerne meine Dienste anbieten für die Übersetzung der
Bücher und Broschüren Richter Rutherfords, sei es nun ins französische oder
ins deutsche, den ich kenne diese beiden Sprachen sehr gut.
Auch wäre ich bereit ein Pionier in Frankreich, Belgien, Luxemburg, England
oder Deutschland zu sein, wenn sie sonst nichts für mich zu tun haben. Was
sind die Bedingung für den Pionierdienst? Bezüglich meiner Mittel bin ich
nicht "sehr" reich, denn ich habe sozusagen alles geopfert für Arme, aber ich
weiß, dass, wenn ich Jehova treu bin, er mich nicht verlassen wird. Empfangen
Sie meine christlichen Grüße Aufrichtig, ihr demütiger Diener im Dienste des
Herrn
C. C. S. Seine Inferieure, France
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 28. Oktober 2009 05:28
In der Reihe seiner (gelegentlichen) "Charakterisierungen" von
Konkurrenz-Religionen, begegnet man in der "Trost"-Ausgabe vom 15. 10. 1939
diesmal einer solchen über die "Heilsarmee". Das ganze ist in der Form einer
"Frage" und ihrer Beantwortung aufgezogen. Man konnte dazu lesen:
Frage:
In der Beilage übersende Ich Ihnen einen Zeitungsausschnitt über die Wahl
eines neuen Generals der Heilsarmee. Demnach soll die Heilsarmee, die
Organisationen in 59 Staaten der Welt unterhält, über ein Vermögen von etwa
400 Millionen Schweizerfranken (!) verfügen, worin ohne Zweifel auch die
Liegenschaften (Heime etc.) inbegriffen sein werden.
Mir will es scheinen, es sei nicht christlich, ein solches gewaltiges Vermögen
aufzuhäufen und daneben immer und immer wieder bei jeder Versammlung Kollekten
zu erheben. Da ich gerne etwas mehr über die Heilsarmee wissen möchte, frage
ich hiermit höflich an, ob Sie mir vielleicht Weiteres mitteilen können, damit
ich weiß, wie ich mich in Zukunft dieser religiösen Organisation gegenüber
verhalten soll.
Und als Antwort wird dazu offeriert:
Antwort:
Als früherer Offizier der Heilsarmee bin ich in der Lage, Ihnen einiges über
diese Organisation darlegen zu können.
Die Heilsarmee ist eine religiöse Organisation, deren Zweck und Ziel es ist,
zu versuchen, die Menschheit und Insonderheit die nach ihrem Begriff am
tiefsten Gesunkenen zur Bekehrung zu bringen. Ihre Haupttätigkeit entfaltete
sie anfänglich in den Elendsvierteln Londons. Von da aus dehnte sie ihre
Organisation allmählich auf die ganze Erde aus. Das Werk ist in zwei Gruppen
geteilt: 1. die Evangelisierung; 2. das Sozialwerk. Letzteres hat dazu
beigetragen, der Heilsarmee viele Freunde und Gönner zuzuführen.
Was die Lehre der Heilsarmee anbelangt, so ist diese unbiblisch, was mich
seinerzeit bewogen hat, aus dieser Organisation auszutreten. Sie stützt die
Lehren von einer ewigen Qual und einer Unsterblichkeit der Seele und hat,
ähnlich wie die katholische Kirche, das Beichten-Sündenbekenntnis vor
Menschen.
Ihr gewaltiges Vermögen hat sie durch freiwillige Beiträge, Kollekten und
Legate erhalten. Es besteht größtenteils aus Liegenschaften.
Dem göttlichen Auftrag, das Königreich Gottes zu verkündigen, ist diese
Organisation nie nachgekommen. Sie gehört zum religiösen Teil dieser
Weltordnung und wird in Harmagedon der Auflösung anheimfallen.
W.G.
Der neugewahlte General der Heilsarmee, G. L. Carpenter, erklärte laut
Zeitungsberichten vom 25. Aug. 1939 kurz nach seiner Wahl u. a.:
"Mein Programm als der neue General der Heilsarmee ist zu allererst Religion,
zweitens Religion und drittens Religion, und zwar heiße Religion, wie unser
Gründer es auszudrücken pflegte."
Diesem Programm bei der Heilsarmee gemäß könnte das Christentum erst an
vierter Stelle stehen
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 29. Oktober 2009 04:55
Sicherlich wurde auch die zeitgenössische Öffentlichkeit
hochgeschreckt durch die Meldung des Abschlusses eines Vertrages zwischen
Hitlerdeutschland und der Sowjetunion.
Man vergleiche etwa die (auszugsweise) wiedergegebene zeitgenössische
Berichterstattung aus der "Freiburger Zeitung"
Genau dieser Umstand stellte nun in der Sicht der zeitgenössischen
Zeugen Jehovas "Wasser auf ihre Mühlen" dar. Davon kündet im besonderen auch
die "Trost"-Ausgabe vom 15. 10. 1939.
Die dortige Berichterstattung dazu sei im nachfolgenden etwas näher
vorgestellt.
Unter der Überschrift "Nationalsozialismus und Kommunismus" liest man dort:
"Am 22. August 1939 gaben die
Großstadtzeitungen nach langer Zeit wieder einmal Extrablätter heraus. Diese
kündigten den Abschluß des Paktes zwischen Deutschland und Sowjetrußland an;
und wenn auch dessen Tragweite und mögliche Folgen selbst heute noch nicht
völlig überschaut werden können, war doch damals schon klar, daß die
Weltpolitik damit wieder einmal auf den Kopf gestellt würde.
"Das Unglaubliche und Unfaßliche ist Ereignis geworden. Hitler, der 'Erretter'
Europas vor der 'bolschewistischen Höllenpest', hat sich mit dem 'infernalen
Teufel' Stalin angefreundet. Wie oft hat Hitler mit solchen und noch
schärferen Ausdrücken über den Rundfunk der Welt erklärt, es gäbe mit diesem
Erzfeinde der abendländischen Kultur nie ein Paktieren; wie oft hat sich seine
Stimme überschlagen vor dem Mikrophon, wenn er den Massen seinen fanatischen
Haß auf die Moskauer demonstrieren wollte. Und im Handumdrehen hat er einen
Salto mortale ausgeführt und erklärt der vor Überraschung versteinerten
Menschheit, die Friedenspolitik habe Deutschland und Rußland
zusammengeführt..."
"Die Sensation ist riesengroß. Stalin hat sich mit Hitler verständigt, und die
Welt steht Kopf. Die Fragen schwirren auf und bleiben unbeantwortet. Hat sich
die Natur verändert? Kann sich Wasser mit Feuer vertragen? Der Faschismus und
der Kommunismus in den gleichen Schuhen? ...
Stalin hat Hitler gerettet, das ist die Wahrheit..."
So und ähnlich widerspiegelte sich die allgemeine Stimmung gegen Ende August
1939 in der Presse. Aber während die meisten bei der Kunde von diesem
Paktabschluß wie betäubt waren, sagten einige andere, allerdings nur sehr
wenige:
"Ganz wie erwartet!"
Zu diesen wenigen gehören Jehovas Zeugen. Sie hatten eben, obwohl sie keine
Politiker sind ... eine bessere Einsicht als andere in das Wesen politischer
Totalität überhaupt. Zwei Tatsachen, die von Jehovas Zeugen seit langem immer
und immer wieder betont wurden, treten jetzt durch die Ereignisse klar hervor:
Erstens einmal: Die von der Hierarchie ausgegebene und von politischen
Extremisten aufgegriffene Parole vom "Kampf gegen den Kommunismus", mit deren
Hilfe sich in Europa allenthalben die Diktatur breitmachte, ist Bluff.
Zweitens: Nationalsozialismus und Kommunismus sind keine unversöhnlichen
Gegensätze, sondern nur Schattierungen ein und derselben Sache.
Wenn Hitler von Europa erwartete, es solle beide Augen darüber zudrücken, daß
in Deutschland alle bürgerlichen Rechte und Freiheiten außer Kurs gesetzt
wurden, tat er dies mit der "Begründung", um diesen hohen Preis werde die
Rettung Europas vor der "asiatischen Pest des Kommunismus" erreicht.
"Deutschland ist das Bollwerk gegen den Bolschewismus. Bei seiner Bekämpfung
begegnen wir dem Terror mit Terror, der Gewalt mit Gewalt. Wir sind die
Todfeinde des Bolschewismus und seine fanatischsten Gegner", erklärte Hitler
im November 1935.
Heute aber, da über Nacht mit dieser "jüdisch-marxistischen Seuche" ein
Bündnis geschlossen wurde, da sich "der Führer und Stalin für die Freundschaft
entschieden" haben, wie der deutsche Außenminister öffentlich erklärte, und da
Göring - ehemaliger "Kommunistenfresser" - der Welt in einer Rundfunkrede
verkündigte, Deutschland werde den Krieg mit den Rohstoffen Rußlands, also des
einstigen "ideologischen Gegners" führen, heute ist die Phrase vom "Kampf der
Ideologien" als jämmerlicher Bluff entlarvt.
Ginge es bei solchen Diktatoren um Ideen und Ideale, dann wären derlei
Schwenkungen ganz ausgeschlossen. Viele wollten nicht glauben, daß mit dem
Zetergeschrei über eine "kommunistische Gefahr" nur eigene Diktaturgelüste
verdeckt, also dunkle Ziele verfolgt würden.
"Der Vatikan hat den Ruf zum gemeinsamen Kampf gegen den Bolschewismus zuerst
erhoben... Besonders stark trieb er diese Propaganda in Deutschland, und mit
solchem päpstlichen Werbematerial ausgestattet, legte der Nationalsozialismus
seinen Weg zur Macht zurück" ... Der angebliche "Kampf gegen den Kommunismus"
bildete tatsächlich die Plattform, auf der sich der Nazismus und die
katholische Hierarchie zusammenfanden.
Im gemeinsamen Hirtenbrief der deutschen Bischöfe vom August 1936, in welchem
sie für "innere Geschlossenheit des deutschen Volkes hinter dem Führer"
[Hitler] eintraten, kam das deutlich zum Ausdruck. In Wirklichkeit hatte sich
damit das politische und das religiöse Element 'nur zu der gleichen
Spiegelfechterei vereinigt!
"Wer heute den Teufel des Kommunismus an die Wand malt, der besorgt ja doch
nur die Geschäfte des Nationalsozialismus", erklärte Prof. Barth, Basel, sehr
treffend; aber nur wenige hatten so viel Einsicht in das Wesen des Nazismus
und in daß Wesen der römisch-katholischen Hierarchie. Die Hierarchie hat die
Geschäfte des Nationalsozialismus gründlich besorgt. -
Dieses Ränkespiel ist aber schon lange durchschaut und öffentlich bloßgestellt
worden. Zum Beweis dafür beachte man folgende Zitate:
"Die Nazis ... gehen Hand in Hand mit der Hierarchie. Es war das Manöver der
Hierarchie, großes Geschrei über die Gefahr des Kommunismus zu verursachen, um
dem Volke Schrecken einzujagen und dann die Nazis zu organisieren, sich der
Regierung zu bemächtigen und dem deutschen Volke den letzten Rest von Freiheit
wegzunehmen. Ich kenne das deutsche Volk, wenigstens viele daraus. Ich bin
wiederholt unter ihnen gewesen, habe mit Tausenden von ihnen gesprochen, und
zweifellos findet man keine aufrichtigeren Menschen auf der Erde, als die
Deutschen im großen und ganzen genommen. Und doch, mit ihren Freiheiten ist es
nun vorbei" -
so sprach Richter Rutherford in einem Vortrag am 18. Oktober 1936,
wiedergegeben in der Broschüre
HARMAGEDON auf den Seiten 21 und 22.
"Das Schreckgespenst, das den Menschen jetzt überall, landaus, landein, vor
Augen gehalten wird, ist der Kommunismus, und hinter dieser
Schreckgespenst-Bewegung steckt das Papsttum. Jedermann, der es wagt, die
Wahrheit über die römische Hierarchie herauszusagen, wird von dieser
Organisation als Kommunist verschrien. Tatsache ist, daß die Jesuiten, der
Geheimorden der römisch-katholischen Hierarchie, den Kommunismus schon
gefördert haben, um ihn dann als Mummerei und Schreckgespenst zu benutzen und
den Menschen so sehr Furcht einzujagen, daß sie sich zu einer Gegenbewegung
organisieren, die wiederum gänzlich unter der Gewalt des Papsttums steht. Auf
diese Weise wurden unter der Führung Hitlers in Deutschland die Nazis
organisiert . ..", so liest man auf Seite 160 des Buches FEINDE von Richter
Rutherford, das im September 1937 erschien.
An dieser Stelle sei auch erwähnt, daß von Papen, der Steigbügelhalter Hitlers
bei der Machtergreifung des Nazismus, ein frommer, praktizierender, vom Papste
hoch ausgezeichneter Katholik, laut Pressemeldungen am Zustandekommen des
deutsch-russischen Paktes entscheidend beteiligt war. Die Zeitungen schrieben
von einer "geschickten Vorarbeit des bewährten Ränkeschmiedes von Papen" in
Moskau.
Rot und braun vermischt
Die andere Tatsache, die in den Schriften der Zeugen Jehovas schon lange
gezeigt wurde, den Massen aber erst jetzt durch die Ereignisse eingehämmert
wird, ist, daß der Nationalsozialismus und der Kommunismus aus dem gleichen
Holz geschnitzt sind.
"Im Grunde genommen sind Kommunismus, Faschismus und Nationalsozialismus
gleichartig, wenn sie auch unter verschiedenen Namen auftreten. Rußland,
Italien, Deutschland und andere europäische Länder werden von Diktatoren
beherrscht. Der Zweck solcher Totalität ist, die Menschen alle
,gleichzuschalten' und den Staat als das Höchste, sogar über Jehova Gott und
über Christus Jesus stehend hinzustellen."
Diese Worte Richter Rutherfords, aus TROST vom 15. Oktober 1938 wiederholt,
zeigen, daß die extremen Staatsformen ihrer Grundhaltung nach vorn jeher
nebeneinander standen. Jehovas Zeugen erkannten das und waren darum über den
deutsch-russischen Pakt keineswegs verblüfft.
Ähnliche Aussprüche, gleich dem zitierten, könnten aus älterer Literatur der
WATCH TOWER SOCIETY dutzendweise angeführt werden. Hier nur noch zwei solche:
,,. .. Aus dieser Völkerverbindung heraus ist ein mächtiges Ungeheuer
gewachsen, dem heute die Religionisten völlig zustimmen. Dieses Ungeheuer ist
... [die] 'totalitäre Herrschaft'. . . Zuerst erhob es sich in Rußland unter
der Maske des Bolschewismus oder Kommunismus. Dann trat es in Italien unter
dem Namen des Faschismus in Erscheinung und in Deutschland unter der
Bezeichnung Nationalsozialismus. Die große Organisation, die in der Religion
der Welt führend ist, unterstützt dieses Ungeheuer, und das unbekümmert um den
Namen oder die Maske, unter der es erscheint." (Aus WARNUNG, Seite 23, von
Richter Rutherford im Jahre 1937 geschrieben.)
"Wenn auch unter verschiedenen Namen segelnd, sind der Kommunismus, der
Faschismus und der Nazismus doch alle ein und dasselbe." (Aus WARNUNG, Seite
51.)
Solche, die sich über eine derartige Sprache aufregten, oder auch darüber, daß
man Hitler und Stalin auf das gleiche Bild brachte, wie in der Titelzeichnung
des GOLDENEN ZEITALTERS vom 15. September 1937 oder auf der Broschüre
FASCHISMUS ODER FREIHEIT, sie alle erleben heute diese Bilder als viel
aufregendere Wirklichkeit.
[Einfügung. Gemeint ist damit die Karikatur "Die Riesen Kannans" aus der
genannten GZ-Ausgabe]
Vor etwa zwei Jahren behandelte
Richter Rutherford in unserer Zeitschrift die Frage, ob es heute darauf
ankomme, für die Demokratie gegen den Faschismus, oder gegen den Kommunismus,
oder umgekehrt Stellung zu nehmen. Seine Antwort war, daß die wirklichen
Fronten überhaupt nicht in dieser Richtung verlaufen. Die eigentlichen zwei
Fronten sind: für oder gegen Gottes Königreich. Also nicht die Frage der
Vorherrschaft zwischen verschiedenartigen politischen Richtungen, sondern die
Frage der Oberherrschaft zwischen Jehova Gott und Satan, dem Widersacher
Gottes, ist das, was jetzt die Welt erschüttert. Wer sich in politischen
Streit verliert, erkennt die eigentlichen Fronten nicht. Er sieht nicht - was
gerade durch die jetzige deutsch-russische Wendung wieder ersichtlich wurde!
-, daß die politischen Gegenspieler in Wirklichkeit als rot-, braun-, schwarz-
oder andersfarbiges Gemisch alle der zerspaltenen Front des Widersachers
Gottes angehören. ...
Die Stellungnahme und die Aussichten der Religionisten einerseits und der
Christen anderseits seien nun durch einige weitere Zitate aus älteren
Schriften der WATCH TOWER SOCIETY kurz dargelegt:
"Religionisten unterstützen nun offen solche totalitären oder diktatorischen
Regierungen ..."
An dieser Stelle mag die Berichterstattung dazu aus "Trost" abgebrochen
werden. Die Tendenz indes dürfte wohl klar geworden sein (auch allein schon
durch die abwertende Vokabel "Religionisten"). Letztendlich läuft die Tendenz
darauf hinaus, die Endzeitthesen der Zeugen als vermeintliche "Alternative"
herauszustellen.
Das insbesondere die römisch-katholische Kirche dabei keinerlei Pardon von
seiten der Zeugen Jehovas zu erwarten hat, dürfte schon deutlich
herauskristallisiert sein.
Die Entwicklung ging weiter. Eine Folge dieses Schreckenspaktes, der
nachfolgende Angriff Hitlerdeutschlands auf Polen und das wiederum war der
offizielle Beginn des zweiten Weltkrieges. Nun hatte "Trost" wie viele andere
Zeitschriften, einen gewissen redaktionellen Vorlauf. Es konnte und ging nicht
"sekundengenau" auf aktuelle Tagesgeschehnisse ein. Den Angriff auf Polen
findet man in dieser "Trost"-Ausgabe noch nicht widergespiegelt, mit einer
Ausnahme allerdings. Und das ist eben, dass "Trost" eine ständige Rubrik
hatte, die Werbetexten für WTG-Publikationen gewidmet waren. Und in diesen
Werbetexten konnte man offenbar, zeitlich kurzfristiger agieren. Jedenfalls
findet man den Ausbruch des zweiten Weltkrieges (inzwischen eingetreten) auch
schon im Werbetext dieser "Trost"-Ausgabe reflektiert. Seine wesentlichen
Aussagen seien noch nachfolgend wieder gegeben:
"Ein neuer Krieg ist im Gange. "Krieg und
Kriegsgerüchte" nannte Jesus ja in seiner großen Prophezeiung (Matthäus 24)
als eins der Kennzeichen der Zeit des Endes, in der wir leben.
Was wird nun werden?
In seinem Buche FEINDE schreibt Richter Rutherford:
"Niemand auf der Erde kann den Gang der Ereignisse genau vorhersagen; doch
können die dem Herrn Ergebenen, wenn sie nach der göttlichen Regel die
wohlbekannten Tatsachen auf die sich jetzt erfüllenden Prophezeiungen Gottes
anwenden, wohl zu einem vernünftigen Schluß darüber kommen, was eintreten
wird...
Wenn die Hierarchie vollständige weltliche Macht über die Erde erlangt hat,
wird sie sich in ihrer Schlußfolgerung völlig bestätigt fühlen, daß ihr Wunsch
ganz in Erfüllung gegangen sei, und dann wird sie sagen; ,,Friede und
Sicherheit" (l. Thess. 5:3). Dann werden die "zehn Hörner", das heißt alle
Herrschermäcbte der Nationen, "Gewalt ... empfangen ... mit dem Tiere", indem
der Völkerbund dann tatsächlich ein von der römisch-katholischen Hierarchie
beherrschter Faschismusbund oder ein faschistischer Staatenzusammenschluß sein
wird" (Seiten 283, 284).
"Die römisch-katholische Hierarchie übt als Führerin der "organisierten
Religion" im Völkerbund auf schlaue Weise Macht und Einfluß aus und erwartet
sogar noch größere Macht ausüben zu können, was sie zweifellos in sehr naher
Zukunft auch tun wird, ungeachtet dessen, wie die Verbindung genannt sein mag"
(Seite 276).
Dieses Buch FEINDE ist durch die neuesten Ereignisse jetzt bedeutsamer als
früher!"
Auch hier wiederum auffällig, die stark antikatholische Komponente dieser
Argumentation, die sich auch in den nachfolgenden Jahren fortsetzte bis ins
1942 erschienene Buch "Die neue Welt" hinein. Erst mit Beginn der Knorr-Ära
wurden dann einige (keinesweg "alle") solcher Überspitzungen, allmählich
zurückgefahren.
Einer Wurzel dieser antikirchlichen Ressentiments, kann man auch aus einem
weiteren Artikel dieser "Trost"-Ausgabe extrahieren. Unter der Überschrift
"Zuerst 80 Jahre Zuchthaus, dann Freispruch!" lässt sich Rutherford darin wie
folgt interpretieren:
"Anfang 1918 hatten ein paar englische
Geistliche in einem Manifest darauf aufmerksam gemacht, daß der Weltkrieg und
seine Begleiterscheinungen die Erfüllung der ebengenannten Prophezeiung Jesu
über das Ende der Welt seien. In Amerika gab es weder katholische Geistliche
noch sonstige Religionisten, die ... auf diese wichtige Prophezeiung
hingewiesen hätten. Sie predigten vielmehr ihr abgestandenes Zeug von früher
immer weiter und fügten nur hinzu, die Nationen müßten jetzt in den Krieg
ziehen, um der Welt "die Demokratie zu sichern".
Ich betonte damals besonders, daß, wenn die Geistlichen dem Herrn Jesus
Christus glauben und für ihn einstehen, sie auch seinem Gebot gehorchen und
dem Volke sagen müssen, welche Bedeutung jener Krieg hatte, nämlich: daß er
das nahe Ende der Organisation Satans und das Herannahen von Harmagedon
anzeigte ...
Über meine diesbezüglichen Vorträge waren die Geistlichen sehr erbost. Sie
unternahmen in Kanada und in den Vereinigten Staaten eine Schimpfkampagne
gegen mich und gegen unsere Gesellschaft. ... schließlich kam in Los Angeles
an vier aufeinanderfolgenden Abenden eine solche Diskussion zustande. Ihr
Ausgang fachte den Haß der Geistlichkeit gegen mich noch stärker an als alles
andere.
1917 traten die Vereinigten Staaten in den Krieg ein. Der Kongreß beschloß das
Dienstpflichtgesetz, oder besser das ,,Gesetz über Aushebung nach Auswahl" ("Selective
Draft Act"), das Befreiung von der Dienstpflicht für diejenigen vorsah, die
aus Gewissensgründen wegen ihrer religiösen Überzeugung nicht am Krieg
teilnehmen konnten.
Viele junge Leute fragten mich, was sie tun sollten, und in jedem Falle gab
ich denen, die mich um Rat angingen, die Auskunft: "Wenn Sie die Teilnahme am
Krieg mit Ihrem Gewissen nicht vereinbaren können, ist in Punkt 3 des ,Selective
Draft Act' für Sie vorgesehen, daß Sie ein Gesuch um Befreiung einreichen
können. Das sollten Sie tun und Ihre Gründe darlegen, die Aushebungsbehörde
wird Ihr Gesuch dann weiterleiten."
Ich bin niemals weitergegangen, als darauf hinzuweisen, daß man sich
diese Bestimmung des Kongreßgesetzes zunutze machen könne. Ich habe stets
betont, daß jeder Bürger einem Landesgesetz gehorchen solle, solange dieses
nicht gegen Gottes Gesetz verstoße
[Hervorhebung redaktionell, nicht von "Trost"].
In vielen Aushebungskomitees saß ein
Geistlicher, und die Gesuche jener jungen Leute, die ihren Glauben an Gott und
an das Königreich Christi bekannten und erklärten, die Teilnahme am Kriege mit
ihrem Gewissen nicht vereinbaren zu können, ärgerten die Geistlichkeit, so daß
der Haß gegen unsere Gesellschaft immer größer wurde.
Dann wurde eine regelrechte Verschwörung aufgedeckt, die darauf abzielte,
unser Werk ... zugrunde zu richten, weil die Doppelzüngigkeit und Heuchelei
der Geistlichkeit durch die Wahrheit aufgedeckt ...
Um diese Verschwörung durchzuführen, kamen eine große Anzahl Geistliche im
Jahre 1917 in Philadelphia zu einer Konferenz zusammen und ernannten dort eine
Abordnung, die nach Washington gehen und auf eine Abänderung des "Selective
Draft Act" und des Spionagegesetzes dringen mußte.
Die Folge war, daß John Lord O'Brian von Buffalo, damals Beamter des
Justizdepartements in Washington, damit beauftragt wurde, einen
Abänderungsantrag zum Spionagegesetz auszuarbeiten und im Senat einzubringen.
Der Antrag sah für alle Vergehen gegen das Spionagegesetz Aburteilung durch
ein Kriegsgericht und Verhängung der Todesstrafe vor. Diese Gesetzesvorlage
wurde jedoch nicht angenommen.
Auf Long Island, New York, befand sich damals ein Militärlager unter dem
Befehl des Generals Bell, der mich in meinem Büro aufsuchte und sich mehrere
Stunden mit mir unterhielt.
Einige Männer, die mit der Watch Tower Bible and Tract Society in Verbindung
standen, waren damals zum Militärdienst einberufen worden und befanden sich in
dem Lager, das General Bell unterstand. Sie alle hatten aus Gewissensgründen
um Befreiung vom Militärdienst ersucht. Bei seiner Unterredung mit mir suchte
General Bell, ein wirklicher Diplomat, mich mit allen Überredungskünsten dazu
zu bewegen, den jungen Leuten Anweisung zu geben, jeden ihnen zugewiesenen
Dienst zu übernehmen.
Ich antwortete dem General im wesentlichen wie folgt: "Jeder muß für sich
selbst entscheiden, was er tun will; er selber ist für sich verantwortlich,
und nur er; er weiß, was ihm sein Gewissen vorschreibt, und so würde ich sehr
unrecht handeln, wenn ich versuchen würde, irgendeinen dieser jungen Männer
zur Verletzung seines Gewissens zu bewegen; darum kann ich diesen jungen
Leuten nicht sagen, was sie tun müssen."
Der General bestand darauf, von mir einen Brief zu erhalten, den er den jungen
Leuten vorlesen könne, und worin ihnen gesagt werde, was sie tun sollten. Das
lehnte ich ab. Er meinte dann:
"Also gut, können Sie mir nicht irgendeinen Brief mitgeben?" So schrieb ich
schließlich an jene jungen Leute einen Brief, worin ich im wesentlichen sagte:
"Jeder von Euch muß für sich selbst entscheiden, ob er aktiven Militärdienst
übernehmen will oder nicht. Tut, was Ihr als Eure Pflicht und als recht in den
Augen Gottes, des Allmächtigen, erachtet."
Mit diesem Schreiben war der General nicht zufrieden. Im Gegenteil, er war
aufgebracht.
Ein paar Tage später suchte ich ihn in Begleitung von W. E. Van Amburgh im
Armeelager auf Long Island auf. Bei dieser Gelegenheit erfuhren wir beide im
Büro des Generals, wo auch noch sein Adjutant zugegen war, vom General noch,
daß die schon erwähnte Abänderungsvorlage zum Spionagegesetz (Aburteilung
durch Militärgericht und Todesstrafe) nicht durchgedrückt werden konnte, weil
Präsident Wilson persönlich dagegen eingeschritten war.
Der General war damals ziemlich erhitzt. Er hatte vor sich auf dem Pult einen
Stoß Akten, tippte mit dem Zeigefinger darauf und sagte erregt, zu mir
gewendet: "Dieser Gesetzentwurf ist verworfen worden, weil Präsident Wilson
dagegen eingeschritten ist; aber wir wissen, wie wir Sie fassen können, und
wir werden Sie fassen'" Ich antwortete nur: "Herr General, Sie wissen, wo ich
zu finden bin."
Nachdem Pastor Russell gestorben war, wurden George Fisher und C. J. Woodworth
dazu erwählt, das viele, was Pastor Russell über die Offenbarung und über die
Prophezeiung Hesekiels geschrieben hatte, zu einem Buche zusammenzutragen, das
als "Siebenter Band" mit dem Titel "Das Vollendete Geheimnis" erschien. Diese
Arbeit wurde von ihnen ausgeführt. Ich habe gar nichts von dem geschrieben,
was in diesem Buche steht. Das einzige, was ich damit zu tun hatte, war, für
die Gesellschaft einen Vertrag über Herausgabe dieses Buches zu unterzeichnen.
Es kam am 17. Juli 1917 heraus und wurde weit verbreitet.
Im Februar 1918 wurde es auf Veranlassung der Geistlichkeit in Kanada von der
Regierung verboten.
Am 13. Februar 1918 wurden die Kontobücher der Watch Tower Bible and Tract
Society im Büro der Gesellschaft in Brooklyn, Hicks Str. 17, vom Geheimdienst
in Washington beschlagnahmt und zur Prüfung fortgeschafft.
Als die "Tribüne" von Winnipeg in Kanada das Verbot des Buches "Das Vollendete
Geheimnis" meldete, schrieb sie: "Die verbotenen Schriften enthalten angeblich
aufrührerische und kriegsgegnerische Äußerungen. Ehrwürden Charles G.
Patterson, der Pastor der St. Stephanus-Kirche, hatte sich vor einigen Wochen
von der Kanzel herab gegen einige Stellen in einer neuen Nummer der
.Bibelforscher-Monatsschrift gewendet, worauf sich General-Staatsanwalt
Johnson von Ehrwürden Patterson ein Exemplar dieser Schrift beschaffte. Man
denkt, daß die Maßnahme des Zensors eine direkte Folge davon ist."
Bevor ich und die andern eingesperrt wurden, sprach ich in einem öffentlichen
Vortrag in Atlanta (Staat Georgia) über die Gründe für diese zielbewußten
Anstrengungen, uns aus dem Wege zu räumen, und sagte (gemäß Bericht in der
"Atlanta Constitution" vom Montag, dem 8. April 1918):
"Da die Geistlichkeit die überzeugende Beweisführung dafür, daß die Welt zu
Ende ist und Millionen jetzt auf der Erde Lebenden niemals sterben werden, und
daß nach dem Kriege wunderbare Segnungen für das Volk kommen werden, nicht
widerlegen kann, hat sie, vom Geist der Eifersucht getrieben, gegen uns eine
systematische Verfolgung eingeleitet. Wir sind der Verbreitung von
"Hunnen-Propaganda" und der Treulosigkeit gegenüber der Regierung der
Vereinigten Staaten angeschuldigt. Solche Anschuldigungen sind schmutzig und
gemein und haben nicht einmal den Schein der Wahrheit für sich
...
Wir sind nicht gegen den Krieg. Ich habe mit keinem einzigen Ausspruch
die Regierung verunglimpft. Es war stets meine Ansicht, daß die Regierung
ermächtigt ist, Krieg zu erklären und die Bürger zum Dienst einzuziehen, und
ich bin nur so weit gegangen, juristischen Rat zu erteilen über das Recht von
Christen oder Kriegsgegnern aus Gewissensgründen, zu beanspruchen, daß sie vom
Dienst befreit werden, oder daß Paragraph
3 des .Selective Draft Act' auf sie angewendet werde." [Hervorhebung
nochmals redaktionell]
Was nun die Biicherbeschlagnahmung
betrifft, verbrachte man einige Zeit damit, die beschlagnahmten Bücher oder
Papiere durchzusehen; aber es wurde nichts Schädliches gefunden. ... Man griff
nur einiges als Vorwand auf, um uns ... zu beschuldigen.
Kurz darauf kam ein Mitglied des Nachrichtendienstes, namens Converse, einmal
ums andere in mein Büro, stellte jedesmal ein paar Fragen, ging fort, kam am
nächsten Tag wieder und fing dasselbe von vorne an. Converse ließ immer wieder
durchblicken, daß die Regierung hinter mir her sei. Ich bin dessen gewiß, daß
diese täglichen Besuche den Zweck verfolgten, mich in irgendeiner Falle zu
fangen. Sicher wollte man mir Furcht einjagen, um mich zur Flucht zu
veranlassen, was stets als ein Schuldbeweis angesehen wird, wenn jemand dies
tut, der voraussehen kann, daß er eines Verbrechens angeklagt werden wird.
Als Converse das letzte Mal kam, sagte er: "Die Regierung möchte wissen, wo
Sie sich in den nächsten zwei Wochen aufhalten werden." Ich antwortete: "Wenn
ich zu Ihnen ins Büro kommen und Ihnen diese Frage stellen würde, dann würden
Sie mir sagen, sonstwohin zu gehen, nicht wahr?" Er erwiderte erregt:
"Dann soll ich von Ihnen aus der Regierung sagen, sie sollen zum Teufel
gehen?" Ich antwortete: "Das habe ich nicht gesagt; aber wenn Sie meine Worte
so drehen wollen, nun gut, dann tun Sie es."
Darauf sagte er zu mir: "Die Regierung möchte Ihre Reiseroute für die nächsten
zwei Wochen wissen." Ich antwortete:
"Meine Reiseroute ist im Watchtower veröffentlicht." Er verlangte ein
Exemplar, und ich sagte: "Nein, ich kann Ihnen das nicht geben; Sie können
eins für fünf Cent bekommen, wenn Sie nach der Hicks Str. 17 hinuntergehen und
es kaufen."
Dann sagte ich noch: "Converse, ich bekomme Ihre Besuche hier allmählich satt.
Sie haben keinen Grund, zu kommen. Alle Ihre Fragen habe ich beantwortet.
Verlassen Sie nun dieses Büro, und lassen Sie sich nie wieder hier blicken,
sofern Sie nicht einen Haftbefehl gegen mich haben. Wenn Sie ohne ihn kommen,
werde ich Sie hinauswerfen. Hinaus!" Darauf ging er.
Ein paar Tage später war ich planmäßig in Washington, um einen Vortrag über
"Die Welt ist zu Ende" zu halten. Ich ging dort ins Raleigh-Hotel, und obwohl
niemand gewußt hatte, daß ich dorthin gehen würde, rief mich dort, nachdem ich
kaum fünf Minuten im Zimmer gewesen war, jemand an, der mich zu sprechen
wünschte. Man war mir also offenbar immer auf dem Fuße gefolgt. Der Mann, der
mich angerufen hatte, nannte sich Richter Harris aus Oklahoma. Ich ließ ihn
heraufkommen, und nach einer kurzen Unterhaltung gab er mir einige
Informationen, die er offenbar von anderswoher bekommen hatte. Der Mann war
mir vorher völlig unbekannt gewesen, und ich wüßte nicht, welches Interesse er
an mir gehabt haben sollte.
Er sagte: "Man will Sie in einigen Tagen verhaften, und ich möchte Ihnen nur
einen diesbezüglichen Wink geben." Ich deutete mir das als einen weiteren
Versuch, mich einzuschüchtern und zur Flucht zu veranlassen. Ich ging dann ins
Opernhaus, hielt die angekündigte Rede und nahm dann den nächsten Zug nach New
York.
Wenige Tage danach erschien in meinem Büro ein Beamter mit einem Haftbefehl
gegen mich und sieben oder acht andere, die alle einer Verletzung des
Spionagegesetzes angeklagt waren. Die Anklage stützte sich hauptsächlich auf
einen Abschnitt aus dem Buche "Das Vollendete Geheimnis", von dem ich nicht
einen einzigen Buchstaben geschrieben habe. Dieser Abschnitt lautete:
"Patriotismus (ein engstirniger Haß gegen andere Völker) wird im Neuen
Testament nirgendwo ermutigt. Mord in jeder Form wird überall und stets
verboten; und dennoch verlangen die Regierungen der Erde unter der Maske des
Patriotismus von friedliebenden Menschen, sich selbst und ihre Lieben
aufzuopfern, Mitmenschen abzuschlachten und dies als eine von den Gesetzen des
Himmels verlangte Pflicht zu begrüßen."
Wir stellten uns dem Gericht, gaben zu Protokoll, uns nicht schuldig zu
bekennen, und unser Anwalt legte in seinem Schriftsatz einige weitere
rechtliche Punkte zu unserer Verteidigung dar. Richter Howe erklärte kurz:
"Ich schlage vor, diesen Männern das volle Maß dessen zu geben, was ihnen
zukommt."
Vertreter der Anklage war Assistenz-Bezirksanwalt Butler, ein verbohrter
Katholik, und ihm war Richter Oeland als Sonderberater beigegeben. Diese waren
zweifellos von den Verschwörern gedungen, wenngleich der Staat die Kosten
tragen mußte. Die Verhandlung dauerte mehrere Tage, und während dieser Zeit
sah ich oft katholische Priester mit Richter Oeland und dem
Assistenz-Bezirksanwalt konferieren und ihnen Ratschläge erteilen.
Der Fall wurde inmitten großer Aufregung verhandelt. Die deutsche Armee war
auf dem Vormarsch nach Paris, und die Zeitungen enthielten ausführliche
Berichte darüber; in den Straßen vor dem Gerichtsgebäude, wo die Verhandlung
stattfand, marschierten Musikkapellen, und die Straßen waren voll Menschen. In
dieser Atmosphäre war es allgemein leicht, bei den Menschen gegen uns Stimmung
zu machen.
Trotzdem zögerten die Geschworenen mit ihrem Urteil sehr lange, so daß Richter
Howe schließlich jemand zu ihnen hineinsandte, mit der Mitteilung, daß ihr
Spruch auf "schuldig" lauten müsse, wie einer der Geschworenen uns später
sagte. Sie sprachen uns also schuldig, und wir wurden jeder zu 80 Jahren
Zuchthaus verurteilt. Kaution wurde abgelehnt, so daß wir sofort in Haft
genommen wurden, zuerst im Brooklyner Gefängnis auf der Raymond Straße, dann
nach sieben Tagen im Gefängnis von Long Island City, wo wir bis zur
Überführung ins Bundes-Zuchthaus verblieben.
Inzwischen stellten unsere Anwälte beim Appellations-Gerichtshof der
Vereinigten Staaten einen Antrag auf provisorische Freilassung gegen Kaution,
und obwohl dieses Gesuch an Richter Ward adressiert worden war, teilte
Oberrichter Martin T. Manton die Erledigung des Gesuches sich selber zu und
lehnte ohne jede Angabe von Gründen die Kaution ab.
Als wir im Zuchthaus von Atlanta ankamen, war sofort zu merken, daß die
Beamten über uns unterrichtet worden waren. Sie schienen schon alles zu
wissen, was uns betraf. ...
Nun zu unserer Verurteilung: An den Zeitungsberichten wird Ihnen auffallen,
daß sich die Geistlichkeit gegenseitig beglückwünschte und sagte: "Jetzt sind
wir diese pestartige Russellitengesellschaft los."
Sie mußten aber sehr bald wieder andere Töne anschlagen. Nachdem wir von der
zweiten Instanz freigesprochen worden waren besuchte ich jede nur irgendwie
bedeutende Stadt in den Vereinigten Staaten und ließ in den größten Zeitungen
eine ganzseitige Bekanntmachung erscheinen, des Inhalts: "Auf Veranlassung der
Geistlichkeit zu 80 Jahren Gefängnis verurteilt. Kommen Sie und hören Sie die
Grunde dafür."
Und die Vorträge, die ich dann während zwei Jahren hielt, haben die
Geistlichkeit versengt, so daß ihr Zorn seither immer stärker geworden ist.
Wie aus den Gerichtsakten ersichtlich ist, taten Manton und seine katholischen
Mitverschworenen alles was sie konnten, um uns im Gefängnis festzuhalten. Ein
solches Dokument aus den Akten des Gcrichtsschreibers, datiert vom 12. Juli
1918, lautet:
KREIS-APPELLATIONSGERICHT
DER VEREINIGTEN STAATEN
Zweiter Kreis
Joseph F. Rutherford und Genossen
Gegen
Vereinigte Staaten,
als irrtümlich Angeklagte.
Da bei dem Unterzeichneten, als einem Richter des hiesigen Gerichts, beantragt
wurde, das Gericht möge beschließen, daß den Angeklagten die Stellung von
Kaution eingeräumt werde, während beiliegende Berufung schwebt, wird noch
Erwägung des Antrags hiermit entschieden, daß dieser Antrag abzulehnen sei und
hiermit abgelehnt wird.
(gezeichnet) Manton, C.J.
Hierauf richteten unsere Anwälte ein weiteres Gesuch an Pachter Louis D.
Brandeis, Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. Auf seine
Anweisung hin erfolgte ein weiteres Gesuch an das Kreis-Appellationsgericht
von New York. Nach neun Monaten Einsperrung wurde Kaution angenommen; für
jeden mußten 10 000 Dollar gestellt werden.
Diese Verfügung wurde am 21. März 1919 getroffen, und am 29. März 1919 wurden
wir aus dem Gefängnis entlassen. Kurz darauf fand die Berufungsverhandlung
statt, das Urteil wurde umgestoßen, die Angeklagten freigesprochen, und dann
ließ der Bezirksanwalt auf Anweisung des General-Staatsanwaltes die
Angelegenheit vollständig fallen, so daß wir als seinerzeitige Angeklagte
automatisch wieder sämtliche Bürgerrechte zurückerhielten und nicht als
vorbestraft in Sinne des Gesetzes gelten können.
Diesen Ausführungen Richter Rutherfords wäre nur noch hinzuzufügen, daß
Richter Manton auch bei der Berufungsverhandlung sein Urteil abzugeben hatte
und gegen den Freispruch stimmte. Doch konnte er gegen den Mehrheitsspruch der
andern Richter nichts ausrichten. Wäre es nach diesem prominenten Katholiken
gegangen, dann würden Richter Rutherford und die ändern noch heute ihrer
Freiheit beraubt sein ..."
Dieser durchaus als interessant einzustufende Bericht, zeigte denn auch
einige dem Bereich "persönlicher Verletzung" zuortbare Details auf. Rutherford
verzieh also das ihm zugestoßene Ungemach nicht. Er sann auf Rache und er übte
auch Rache aus!
Natürlich waren auch die USA zur fraglichen Zeit von hochgradiger
Kriegspsychose geprägt. Kühl nüchternes Abwägen, wie etwa in Friedenszeiten,
war offenbar nicht mehr möglich. Beachtlich erscheint mir auch die Einlassung
von Rutherford (in seiner Eigenschaft auch als Rechtsanwalt). Er wolle nur das
maximale ausnutzen von Wehrdienst-Befreiungs-Bestimmungen anempfehlen.
Ob man, wie von Rutherford getan, das ihm wiederfahrene Ungemach vorrangig dem
Bereich der konkurrierenden Religionen zuordnen kann, würde ich weiterhin mit
einem Fragezeichen versehen. Eine solche These verkennt grundsätzlich, dass
Kriegen auch immer handfeste ökonomische Interessen, bzw. deren Tangierung,
zugrunde liegen.
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 30. Oktober 2009 07:07
Ein weiterer durchaus beachtlich zu nennender Beitrag der "Trost"-Ausgabe
vom 15. 10. 1939, stellt auch das abgehandelte Thema sogenannter "Freimautrerbrief"
dar, ein zeitgenössischer "Schlager" der Anti-Bibelforscher-Apologeten, mit
Auswirkungen bis in die Gegenwart. Vorab zum Einstieg erst mal eine
Zusammenfassung dazu, wie sie schon seit geraumer Zeit vorliegt:
Jüdisch-freimaurerische Finanzierung?
Großes Aufsehen erregte in den zwanziger Jahren ein Prozess in dem es um die
Behauptung ging, die Bibelforscher würden durch jüdisch-freimaurerische Gelder
finanziert. Viele Gegner der Bibelforscher stürzten sich gierig auf diesen
Punkt. Auch die Apologetische Centrale versuchte Klarheit in diesem Wust von
Behauptungen zu bekommen. Veranlassung gab, dass sie gerade diesen Punkt
betreffend immer wieder mit Anfragen bestürmt wurde. So antwortete sie
beispielsweise einem Fragesteller am 18. 9. 1930:
"Da nicht eine ganz zuverlässige Quelle über die Finanzierung anzuführen
ist, raten wir Ihnen zu großer Vorsicht in der Öffentlichkeit davon zu
sprechen. Wir haben es selbst früher auch getan, sind aber von dieser Taktik
abgegangen, weil man eben nicht bis zum letzten die Beweise herbei schaffen
kann. Das wir aber trotzdem überzeugt sind, dass finanzielle Zusammenhänge
zwischen dem jüdisch-kommunistischen Kapital und den Bibelforschern bestehen,
möchten wir Ihnen noch sagen, aber es fehlen wie gesagt die tatsächlichen
Unterlagen dafür." [68]
Ein anderer Anfrager wollte wissen, dass es von den Prozeßakten
Vervielfältigungen geben sollte und bat um deren Einsichtnahme, sofern sie
auch der Apologetischen Centrale vorlegen sollten. Man musste ihn abschlägig
bescheiden fügte aber noch hinzu: Wir werden aber versuchen sie zu beschaffen
und ihnen dann sobald wie möglich zuschicken. [69]
Was aus diesem Vorhaben wurde, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Dieses
Antwortschreiben war vom 19. 5. 1931 datiert. Falls es der Apologetischen
Centrale danach noch möglich gewesen wäre, neue Erkenntnisse zu gewinnen,
hätte sie das sicherlich bekannt gegeben. Aber weder in den Akten noch in den
Veröffentlichungen gibt es entsprechende Hinweise.
Die Stimmen, die differenziert und mit Skepsis der Unterstellung einer
jüdisch-freimaurerischen Bibelforscherfinanzierung gegenüberstanden, waren in
der Regel auf nichtkirchliche Kreise beschränkt. Seitens der proletarischen
Freidenker etwa, erklärte Efferoth:
"Außerdem behaupten die Antisemiten - ob mit Recht oder Unrecht sei
dahingestellt -, dass das jüdische Bankhaus Hirsch in New York die
Dollar-Millionen für die ungeheuerliche Propaganda der 'Bibelforscher'
aufbringen, wobei man allerdings, wenn man nicht gerade ein blonder
Rassenphantast und Zionistenriecher ist, nicht gerade den Grund einsieht, was
einen modernen Bankier veranlassen sollte, in Religion zu spekulieren.
Tatsache ist, dass die Traktätchen der 'Bibelforscher' … entweder
unentgeltlich oder doch weit unter dem Herstellungspreis an den Mann gebracht
werden, so das die unbedingte Notwendigkeit besteht, anzunehmen, dass recht
kapitalkräftige Kreise im Interesse der Sekte ziemlich tief in ihren
Brustbeutel zu greifen pflegen." [70]
Der Name des "Jüdischen Bankhauses Hirsch in New York" taucht noch in etlichen
Veröffentlichungen über die Bibelforscher auf. Beispielsweise behauptet
Schlegel: "Diese Spur führt zum Jüdischen Bankhaus Hirsch in New York. Von
diesem Bankhaus wird die ganze I.V.E.B. (Internationale Vereinigung Ernster
Bibelforscher) mit den reichsten Geldmitteln versorgt." [71]
Wenn man dieser, so ohne jegliche Detailbegründung in den Raum gestellten
Behauptung näher auf den Grund geht, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass die
(nicht genannte) Quelle dafür in der 2. Auflage des Pamphletes des Antisemiten
Fetz, "Der große Volks und Weltbetrug durch die 'Ernsten Bibelforscher'" zu
sehen ist. Darin schreibt er: "Und noch geheimnisvoller wird die Frage,
wenn man erfährt, dass durch das jüdische Bankhaus Hirsch in New York die
ganze IVEB mit den reichsten Geldmitteln versorgt wird (Nornen Nr. 133)."
[72]
Fetz, Mitglied des "Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes", sollte noch
etliche Nachbeter finden. So wird denn in einer anderen Schrift des gleichen
Verbandes die Publizistik von Fetz über alle Maßen gelobt. [73] Es kam in der
von Fetz aufgeworfenen Frage der Finanzierung der Bibelforscher noch zu
gerichtlichen Auseinandersetzungen. Sie endeten aber aus vielerlei Gründen wie
das sprichwörtliche "Hornberger Schießen".
In vollmundigen Thesen plakatierten die Antisemiten, der
"Bibelforscherschwindel sei von der jüdischen Hochfinanz bezahlt." [74]
Man redete aneinander vorbei, setzte unterschiedliche Schwerpunkte. Jedenfalls
ist in keinem dieser Prozesse, sofern sie denn überhaupt bis zum Ende
durchgeführt wurden, ein speziell die Finanzierungsfrage betreffendes
greifbares Ergebnis nachweisbar. Darauf beriefen sich wieder die
Bibelforschergegner, indem sie anführten, die Bibelforscher hätten
letztendlich in entscheidenden Momenten gekniffen.
In ihrer Verteidigungsschrift "Wahr oder nicht wahr?" schrieben die
Bibelforscher: "Die im 'Wachtturm' genannte 'Hilfe aus Amerika' war eine
Unterstützung durch das Brooklyner Bibelhaus in der schlimmsten Zeit der
Inflation Deutschlands, die den Kauf eines Grundstückes und einiger Maschinen
zum Drucken ermöglichte." [75]
In einer weiteren Verteidigungsschrift namens "Kulturfragen" wird ausgeführt:
"Es sei hier noch mitgeteilt, dass der Abschluss des Jahres 1924 dem
Bibelhaus (in Deutschland) als der Zentralstelle eine Unterbilanz von Mark 498
366,06 und des Jahres 1925 eine Unterbilanz von Mark 725 405,69 buchmäßig
nachweisbar erbrachte. Diese durch die billige Literatur, Freiliteratur und
Tausende veranstalteter religiösen Volksbelehrungsabende entstandenen
Fehlbeträge wurden durch freiwillige Beiträge gedeckt." [76]
Somit wurde durch Bibelforscherangaben bestätigt, dass in Deutschland
beispielsweise für die Jahre 1924/25 circa 1,2 Millionen Mark mehr von ihrer
Organisation ausgegeben wurde, als durch reguläre Eingaben gedeckt wurde. Man
versuchte den Eindruck zu erwecken, die zu jenem Zeitpunkt nicht einmal 10 000
deutschen Bibelforscher hätten das Defizit durch Spenden gedeckt. Man wird der
Wahrheit näher kommen, wenn man unterstellt, dass der Mammutbetrag dabei von
der US-Zentrale der Bibelforscher zugeschossen wurde. Die wiederum
veröffentlichte keine Bilanzen ihrer tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben.
Damit ist Raum für die Spekulation gegeben, dass es dabei auch Spender gegeben
habe, deren Namen man in der Öffentlichkeit lieber nicht nennen wollte. [77]
Es ist aber auch festzuhalten, dass außerhalb der Gerichtlich-juristischen
Ebene die Bibelforscher durchaus eindeutig diesen Unterstellungen
wiedersprochen haben. Ein Beispiel wird von Stokes zitiert. Unter Bezugnahme
auf die Anwürfe von Fetz hatten die Bibelforscher z. B. in etlichen Zeitungen
verkündet: "Wir zahlen jedem, der den Beweis bringt, dass die V(ereinigung)
E(ernster) B(ibelforscher) jemals Geld oder ähnliches von Juden empfangen hat,
eine Belohnung von 10 000 Mark." [78]
Der ausgelobte Betrag wurde nicht eingefordert. Dennoch gab es keine Ruhe in
dieser Angelegenheit. Das Lieblingsthemen der Antisemiten, die Behauptung der
jüdisch-freimaurerischen Bibelforscherfinanzierung, stützte sich besonders auf
den Brief eines amerikanischen Freimaurers der davon sprach, dass die
Bibelforscher auf indirektem Wege größere Geldbeträge erhielten. Adressiert
war das Schreiben an einen deutschen Freimaurer der seine "Erkenntnisse" in
verschiedener Form vermarktet hat. Vollmundig verkündet dieser "Christian
Kreuz" (alias Herbert von Bomsdorff-Bergen) seine Grundsatzauffassung:
"Christliche Staaten können nur nach christlichen Grundsätzen regiert werden.
Das unserem Wesen Fremde darf höchstens Gastrecht genießen, aber niemals
bestimmenden Einfluss in den Volksorganismus gewinnen, wie z. B. das Judentum
und die politische Weltfreimaurerei." [79]
Ausgehend von seiner These wusste er einen konkreten "Störenfried" zu
benennen: "Alle Bewegungen die geeignet sind, den menschlichen Geist zu
verwirren, Aberglauben zu verbreiten (siehe die 'Ernsten Bibelforscher')
Unfrieden zu stiften werden - indirekt und absolut unauffällig von der
Weltfreimaurerei unterstützt." Und er geht noch weiter und erklärt:
"Ich konnte den Gedanken nicht los werden, dass hier das internationale
Judentum seine unsauberen Hände im Spiel haben müsse. Meine Vermutungen wurden
zur Gewissheit. Ich erhielt volle Bestätigung durch Briefe aus Amerika;
bereits im Jahre 1911 wird von namhaften Unterstützungen gesprochen, die die
'Ernsten Bibelforscher' durch jüdische Freimaurer direkt oder indirekt
erhalten."
Bomsdorff-Bergen zitiert dann den Brief eines amerikanischen Freimaurers vom
27. 12. 1922 der ihm aus Boston, Massachusetts schrieb. [80] Der amerikanische
Freimaurer bezog sich auf eine Anfrage von Bomsdorff-Bergen auch bezüglich der
Bibelforscher, um darauf zu antworten: "Gewiss sind uns diese Leute
nützlich, sogar von sehr großem Nutzen. Wir geben ihnen viel Geld durch eine
Anzahl Brüder (die sehr viel Geld gemacht haben, während des Krieges, es tut
ihrem dicken Portefeuille nicht weh!) Sie gehören zu den Juden. … Wir haben
diese Leute sehr nötig. Sie müssen uns Pioniere sein! Was soll ich ihnen mehr
sagen! Sie wissen ja selbst genügend!"
In seinen weiteren Ausführungen setzt sich Bomsdorff-Bergen dann mit den
Bibelforschern in den Worten auseinander: "Die 'Ernsten Bibelforscher'
halten in allen Städten Vorträge, ein beliebtes Thema ist: 'Satans Reich
fällt!' Unter dem Satansreich verstehen sie die heutigen Staaten, die
religiösen und wirtschaftlichen Zustände. Die Bibelforscher haben den allein
richtigen Glauben, so lassen sie in ihrer rührenden Bescheidenheit
durchblicken."
Weiter kommentiert er: "Natürlich wollen die frommen Leute im trüben fischen.
Den Hauptfischzug macht aber jene Organisation, deren bewusste und unbewusste
Pioniere sie sind. Damit ist nicht gesagt, dass es unter den 'Ernsten
Bibelforschern' anständige und ehrliche Leute nicht geben kann." [81]
Bevor Bomsdorff-Bergen seine Broschüre herausbrachte, hatte er den
wesentlichen Sachverhalt schon in der in Olten (Schweiz) erscheinenden
katholischen Tageszeitung "Der Morgen" publiziert. [82] Die dort gewählte
Artikelüberschrift lautete: "Sind die Ernsten Bibelforscher wirklich so
'harmlos'?" In der redaktionellen Einleitung wird vermerkt: "Wir erhalten
von einer durchaus eingeweihten Seite, die wir aber aus besonderen Gründen
heute noch nicht nennen können, einen Artikel, der auf obige Frage eine ganz
neue Antwort gibt."
Diese Antwort fiel denn auch entsprechend tendenziös aus. Unter Bezugnahme auf
das Bibelforscherschlagwort von den "Millionen jetzt Lebender die niemals
sterben würden" hieß es dann: "Gewiss, man hat nur vergessen, ein paar
Worte einzuschieben: eines natürlichen Todes! Das ist richtig, denn die
Machtgier gewisser Staaten und die heimlichen Wühlereien der Weltfreimaurerei,
die doch die Triebfeder von allem Unheil sind, werden dafür sorgen, dass die
Menschheit von den Kriegsschrecken nicht so bald erlöst wird."
Bomsdorff-Bergen äußert dann weiter: "Zufällig gelangten nun Originalbriefe
aus Freimaurerkreisen in unsere Hände, die die 'Harmlosigkeit' der Ernsten
Bibelforscher in einem völlig neuen Lichte zeigen. Sie werden darin von
kompetenter Seite als die Pioniere der Weltmaurerei bezeichnet, die auch aufs
reichlichste durch stets bereite Brüder mit Geldmitteln versorgt werden."
Er zitiert dann einen solchen Brief vom 27. 12. 1922 [83] Einleitend heißt es
darin: "Ihre zweite Anfrage, die betrifft die Internationale Gesellschaft
der Ernsten Bibelforscher." Diese Formulierung verdeutlicht, dass
Bomsdorff-Bergen selbst somit der Anstoßgeber der von ihm zitierten Äußerung
war.
Er, der ehemalige Freimaurer, sucht sich nun nach dem Vorbilde von Leo Taxil
ein katholisches Presseorgan aus, im Bewusstsein dessen, dass man dort für
Antifreimaurerisches sicherlich ein offenes Ohr hat. Wenn es gar noch mit
Anti-Bibelforscherischem vermengt ist, um so besser. So "streng katholisch",
kann Bomsdorff-Bergen jedenfalls nicht gewesen sein; denn einige Jahre später
beehrte sich auch eine andere Religionsgemeinschaft noch, einen Artikel aus
der Feder von Herbert v. Bomsdorff-Bergen abzudrucken. Auch wenn der sich "Die
Religion und der gesunde Menschenverstand" nennende Artikel nichts
spezifisches enthält, was man als auf die Bahai-Religionsgemeinschaft
zugeschnitten interpretieren muss, so ist es doch sehr die Frage, ob ein
"gläubiger Katholik" sich unbedingt ein Presseorgan der Bahai aussucht. [84]
Aber es ist offensichtlich, dass Bomsdorff-Bergen meinte noch mehrere solcher
Briefe zur Verfügung zu haben. In seiner Broschüre äußert er dazu: "Meine
Vermutungen wurden zur Gewissheit, ich erhielt volle Bestätigung durch Briefe
aus Amerika. Bereits im Jahre 1911 wird von namhaften Unterstützungen
gesprochen, die die 'Ernsten Bibelforscher' durch jüdische Freimaurer direkt
oder indirekt erhalten. Das die politische Weltmaurerei ebenfalls an der
'Arbeit' der 'Ernsten Bibelforscher' interessiert sein müsse, war mir von
Anfang an klar.
So verschiedene Punkte, die dem Laien nicht auffallen, sprachen ganz
entschieden dafür. Auch in dieser Hinsicht täusche ich mich nicht. Ich erfuhr
noch mehr. Ich erhielt Nachricht, dass amerikanische Brüder im Verein mit den
'Ernsten Bibelforschern' vor Kriegsausbruch in Deutschland eine emsige
Tätigkeit entfalteten, um das deutsche Volk, dass damals noch an keinen Krieg
dachte, jedem Kriegsgedanken abhold zu machen; aber nicht um des
Völkerfriedens willen, sondern um Deutschland bequem überrumpeln zu können.
Das amerikanische Großkapital, in Sonderheit Freimaurerei und Judenschaft,
wussten ganz genau, dass es in Kürze zu einem Krieg in Europa kommen müsse, an
dem Amerika sich entscheiden so oder so beteiligen würde. Es kam so. Das
Amerika in dem Augenblick eingreifen musste, als die Sache für Frankreich und
England sich bedenklich gestaltete, war jedem verständlich, dem das Spiel der
internationalen Politik, an dem die Weltfreimaurerei hervorragenden Anteil
hat, nicht fremd ist. An der Art von Börsenspekulationen ist auch mancherlei
zu erkennen. ... 1919 bestätigten mir Briefe aus England und Amerika, dass man
in Freimaurerkreisen ein Interesse an der Arbeit der 'Ernsten Bibelforscher'
habe. Ein großes sogar!" [85]
Bestätigt sah sich Bomsdorff-Bergen auch durch jenen Passus in den
Freimaurerbriefen wo man äußerte: "Im nächsten Frühjahr wird ein
bedeutender Jurist ... nach Europa kommen. Er war schon mehrere Male in
Europa. Mr. Rutherford, der wird Propaganda machen durch Vorträge. Ich habe
Gelegenheit jetzt zu einer Bitte an Sie. ... Wollen Sie bitte bemüht sein,
dass die Journale der Schweiz keine Artikel bringen, die gegen diese Vorträge
gerichtet sind!" [86]
Der weitere Ablauf wird von ihm mit den Worten umrissen: "Anfang Juni
erhielt die Redaktion des 'Morgen' einen Einschreibebrief von den
Rechtsanwälten der sogenannten 'Ernsten Bibelforscher', der Autor des Artikels
solle unter Klageandrohung Widerruf leisten. … Sie klagten aber nicht. Auf
Veranlassung des 'Morgen' brachte ich am 16. Juni 1923 einen Artikel, der
alles andere als ein Widerruf und nur eine Bekräftigung der erhobenen Anklagen
war." [87]
Darin schrieb er: "Ich habe nicht gesagt, dass die 'ernsten Bibelforscher'
soweit die Schweizer Gesellschaft in Frage kommt, ein Bündnis mit der
Weltfreimaurerei geschlossen hat, auch nicht, dass sie sich von diesem
Geheimbund bezahlen lässt. - Es ist sogar möglich, dass die 'ernsten
Bibelforscher' den Grund der Freigebigkeit mancher Freunde ihrer Tätigkeit
nicht kennen, sie glauben, uneigennützige Freunde zu haben und verteidigen
diese." [88]
Die Reaktion darauf wird mit den Worten beschrieben: "Die Bibelforscher
schwiegen bis Mitte September, also volle drei Monate. Da erhielt ich wieder
einen Einschreibebrief der Rechtsanwälte in welchem nochmals mit Klage gedroht
wird. ... Wiederum ließ ich die Frist von acht Tagen, die mir für den Widerruf
eingeräumt wurde, verstreichen, und brachte am 3. Oktober 1923 einen
Zeitungsartikel, den jeder, selbst mit einem einfachen Denkvermögen Bedachte
als eine direkte Herausforderung zur Klage ansehen muss. Man klagte nicht."
[89]
In dem genannten Artikel schrieb er: "Am 21. September lassen die 'Ernsten
Bibelforscher' die Redaktion des Morgen durch ihren Rechtsanwalt mitteilen,
dass sie den in Frage kommenden Brief zu sehen wünschen, im Weigerungsfalle
sie Ehrverletzungsklage anstrengen würden. Die Herrschaften haben die
Kühnheit, zu behaupten, der Brief könne nicht echt sein. Wir weisen diese
dreiste Behauptung mit der Bemerkung zurück, dass wir es gewissen anderen
Leuten überlassen, mit unehrlichen Waffen zu kämpfen und sehen allen weiteren
Schritten der 'ernsten Bibelforscher' mit der Ruhe entgegen, die ein ehrliches
Gewissen als Fundament hat." [90]
Dieses eindeutige Auftreten ließ die Bibelforscherleitung zurückstecken. Sie
wagte es nicht gegen Bomsdorff-Bergen gerichtliche Klage zu erheben. Wohl aber
klagte sie gegen Kolporteure dieser Behauptungen, von denen sie annehmen
konnte, dass sie nicht allzu tief mit der Materie vertraut sind. Immerhin
unternahmen sie eine Klage gegen den Verleger der Broschüre, Keller-Zoller,
die mit einem Vergleich endete.
Jonak, der diese Vorgänge ausführlich referiert hat, merkt an, dass der
eingeschüchterte Keller-Zoller weder vor noch nach dem Vergleich seinen Autor
Bomsdorff-Bergen darüber informiert hatte: "Diesen Vergleich schloss der
gefügige E. Keller-Zoller, … ohne hierzu die Ermächtigung des Verfassers
Christian Kreuz (Bomsdorff-Bergen) eingeholt zu haben. Er verständigte
Bomsdorff weder vor noch nach der Vergleichsverhandlung, so das dieser von dem
Vergleich nichts wusste und erst nachträglich davon erfuhr. Man verhandelte
hinter dem Rücken des Verfassers, um diesen nicht zu Wort kommen zu lassen."
[91]
Eine weitere Bibelforscherklage wurde gegen den Arzt Dr. Fehrmann erhoben und
erreichte nahezu sensationelles Aufsehen. Da auch bei dieser Klage
Bomsdorff-Bergen nicht direkt tangiert ist, war auch in diesem Fall sein
Auftreten vor Gericht nicht vorgesehen. Jonak kommentiert:
"Schon während des St. Gallener Prozesses war den Bibelforschern der Name
Bomsdorff-Bergens bekannt. Es wäre das einzig richtige gewesen, dass sie ihn,
der den Brief im 'Morgen' und in einer Broschüre veröffentlichte und die darin
enthaltenen Behauptungen für wahr erklärt hatte, wegen Verleumdungen angeklagt
hätten. Sie unterließen dies aber. Sie protestierten sogar gegen seine
Vorladung als Zeuge. Und auch als Bomsdorff-Bergen den Brief in der 'Münchener
Katholischen Kirchenzeitung' Nr. 19 vom 10. Mai 1925, mit der die
Bibelforscher korrespondierten, neuerdings erscheinen ließ und dabei seinen
Namen nannte, sahen sie von einem Vorgehen gegen ihn ab." [92]
Publizistisch nahm Bomsdorff-Bergen weiterhin jede sich bietende Gelegenheit
wahr, seine These zu bestätigen. So auch in der von Fritz Schlegel
herausgegebenen Zeitschrift "Abwehr". Schlegel selbst war ebenfalls als ein
dezidierter Bibelforschergegner hervorgetreten, unter anderem durch zwei
einschlägige Bücher. [93] In diesem Zusammenhang ist ein beiläufiger Satz in
dem "Handbuch der Judenfrage" interessant der besagt: "Natürlich haben sie
gelegentlich die Behauptung aufgestellt, der Freimaurerbrief sei eine
Fälschung. Aber da trat nun der Empfänger (Herbert von Bomsdorff-Bergen aus
Ludwigshafen am Bodensee) selber an die Öffentlichkeit und bewies die Echtheit
in der 'Abwehr' Nr. 2 vom August 1925." [94]
Sieht man sich den von Jonak zitierten Artikel der "Münchner Katholischen
Kirchenzeitung" näher an, dann kann man bestätigen, dass er in der Aussage
eindeutig ist. Einige Passagen daraus: [95] "Der Adressat, Herbert von
Bomsdorff-Bergen, ermächtigt uns, seinen Namen zu nennen. ... In dem Protokoll
jener Vereinbarung ist die Stelle enthalten, dass ich (Keller-Zoller) zu dem
Vergleich nur die Hand biete, weil durch Unterschlagung des sog.
Freimaurerbriefes mir die Möglichkeit einer richtigen Beweisführung genommen
ist, was für mich den Grund bildet zur Verständigung mit den Ernsten
Bibelforschern. Die Ernsten Bibelforscher haben auch die Kosten des gegen mich
eingeleiteten Verfahrens übernommen. Die Ernsten Bibelforscher, so konstatiert
der Verleger weiter, machten nachher breitspurige Veröffentlichungen, ließen
aber jene Protokollstelle mit Absicht stets unerwähnt." [96]
Über eines kann jedoch kein Zweifel sein. Bomsdorff-Bergen wollte zum Ausdruck
bringen, dass amerikanische Freimaurerkreise den Bibelforschern beträchtliche
Finanzspritzen zukommen ließen, dass die amerikanischen Freimaurer die
Bibelforscher als "Zersetzungswerkzeug" dogmatischer Kirchen einschätzten und
aus dieser Motivation heraus handelten. Zweierlei wird man dazu sagen können:
Diesen Vorwurf pauschal auf das gesamte amerikanische Freimaurertum zu
erheben, dürfte unzulässig sein. Aber man wird auch feststellen können, dass
historisch betrachtet, eine Situation der Feindschaft speziell zwischen der
katholischen Kirche und der Freimaurerei bestand. So gesehen kann man die
Vorwürfe Bomsdorff-Bergens, bezogen auf Teile des amerikanischen
Freimaurertums, als durchaus berechtigt akzeptieren.
Zweitens, ist die relative Finanzstärke der frühen Bibelforscherbewegung nicht
"nur" durch Mitgliedsbeiträge erklärbar. Dies wird auch dadurch erhärtet, dass
die Bibelforscherführung bis in die Gegenwart hinein, keinerlei detaillierte
Einblicke in ihren Finanzhaushalt gewährt. Wenn also unterstellt wird,
amerikanische Freimaurerkreise, die finanziell dazu in der Lage waren, haben
der Bibelforscherbewegung auf indirektem Wege namhafte Spendenbeträge zukommen
lassen, dann wird man auch das - bis zum Beweis des Gegenteils - als
Gegebenheit zu akzeptieren haben.
Damit ist nicht gesagt, dass es sich um eine "ständige" Subvention handelte.
Aber als zumindest zeitweilig (speziell in der Phase der internationalen
Ausdehnung der Bibelforscher), ist dieser Vorwurf als berechtigt zu
registrieren.
Schon bei Bomsdorff-Bergen klingt es in "Zwischentönen" an. Man kann es aber
noch gezielter auf den Punkt bringen. Es geht hierbei nicht um das
Selbstverständnis der Bibelforscher. Wohl aber geht es darum, welche Zwecke,
politischer Natur jene Förderer verfolgen, die für sich persönlich die
Entscheidung getroffen haben, kein Bibelforscher zu werden, die aber
andererseits dennoch diese Organisation finanziell förderten. Die Antwort auf
diese Frage erhält man, wenn man das politische Gesamtumfeld dabei mit
berücksichtigt. Es wurde mal mit den Worten umrissen:
"Auf das Konto der Vereinigten Staaten geht schließlich der erste
imperialistische Krieg zur Neuaufteilung der Welt. 1898 nutzte die
US-Regierung den … Untergang eines ihrer Kriegsschiffe im Hafen von Havanna
dazu, um der finanziell bankrotten und militärisch so gut wie wehrlosen
spanischen Monarchie in wenigen Wochen die Reste ihres Kolonialreiches
abzunehmen. Puerto Rico annektierte man einfach, die Philippinen wurden nach
der blutigen Unterdrückung der nationalen Unabhängigkeitsbewegung in eine
Kolonie verwandelt; Kuba wurde formell ein selbständiger Staat. ... 1898
erfolgte auch die Annexion von Hawaii. 1903 inszenierte die US-Regierung, um
sich die ausschließliche Kontrolle des Verbindungsweges zwischen Atlantik und
Pazifik zu sichern, in Kolumbien eine separatistische Bewegung. Der neuen
Republik Panama wurde die Kanalzone buchstäblich abgepresst. Mit der
Fertigstellung des Panama-Kanals 1914 verfügten die Vereinigten Staaten dann
über eine hervorragende Ausgangsposition für die Expansion sowohl in
westlicher (atlantischer) als auch in östlicher (pazifischer) Richtung."
Über die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg recherchierten die Autoren weiter:
"Mit dem 1. Weltkrieg gelang den Vereinigten Staaten endgültig der Durchbruch
zu einer Weltmachtposition. Während die europäischen Länder allesamt
geschwächt aus dem Krieg hervorgingen, vergrößerte sich das nordamerikanische
Machtpotential bedeutend. Nur wenig mehr als 1% der Kriegsverluste entfiel auf
die USA, ihr Territorium blieb von allen Kriegshandlungen verschont. Ihr
ökonomisches Potential wuchs aufgrund der Kriegskonjunktur gewaltig an."
[97]
In diese Gesamtsituation ordnen sich auch die Expansionsbestrebungen der
Russellorganisation ein. Hatten in früheren Jahrhunderten europäische
Kolonisationsbestrebungen in den christlichen Missionen ihre Vorboten, so
bestand nun eine ähnliche Situation unter US-amerikanischer Hegemonie. Der
politische Gehalt ihrer Lehren, hat denn ja auch noch nachfolgend, einigen
Regierungen, namentlich in Deutschland, einiges zu schaffen gemacht. Freie
Konkurrenz bis aufs "Messer". Arbeiten zu Dumping"löhnen", dass sind so einige
"Errungenschaften" der US-Kolonisatoren, wo die europäischen Konkurrenzkirchen
in der Tat nicht "mithalten" können!
Die Vorwürfe von Bomsdorff-Bergen wurden in weitem Umfang kolportiert. Der
Bibelforscherbewegung waren sie nicht "angenehm". Zeitweilig versuchte sie auf
gerichtlichem Wege einen Stop zu erreichen. Allein es zeigte sich, dass sie in
entscheidenden Momenten die Sache auf sich beruhen ließ, bzw. nicht konsequent
genug handelte. Auch ein indirektes Eingeständnis.
Wer ist nun Herbert von Bomsdorff-Bergen? Es ist ein Autor, dem es primär
nicht um die Bibelforscher geht, der sie eher am Rande behandelte. Den Anstoß
für seine Aktivitäten fand er in der Korrespondenz, die er mit amerikanischen
Freimaurern pflegte. Bomsdorff-Bergen hatte mit den Freimaurern gebrochen und
wollte ihnen daher eins "auswischen". [98]
Neben einigen weiteren Schriften, nicht ganz so dubioser Art, kann man ihn
dann 1935 noch als Autor in der Zeitschrift "Der Weltkampf" begegnen.
Inzwischen war auch die Freimaurerei in Hitlerdeutschland verboten worden.
Bomsdorff-Bergen war es vorbehalten dazu im "Weltkampf" einen Kommentar zu
veröffentlichen. [99]
Der Antisemit Jonak, meinte noch ein weiteres "Mosaiksteinchen" zu der heiß
diskutierten Finanzierungsfrage der Bibelforscher beitragen zu können. Unter
Bezugnahme auf Rutherford's Buch "Trost für die Juden" kommentiert er es mit
den Worten: "Besonders interessant ist, dass Rutherford in diesem Buch
einen an ihn von Nathan Strauß gerichteten Brief vom 14. August 1925
veröffentlicht. ... Dieser Nathan Strauß ist ein in der Rheinpfalz geborener,
nach Amerika ausgewanderter Jude, Teilhaber an großen Warenhäusern und war
wiederholt Ehrenpräsident des American Jewish Congresses. Strauß spendet
alljährlich größere Summen für zionistische, jüdische und philanthropische
Zwecke. So schreibt das 'Jüdische Lexikon.' Er dürfte hernach wohl zu
denjenigen zählen, die die Bibelforscher subventionieren, zu den Männern, 'die
Gott und seine Sache lieben.'" [100]
St. Galler Bibelforscherprozess
Es wurde schon angedeutet, dass die Bibelforscher im Falle Bomsdorff-Bergen es
nicht wagten konsequent zu handeln. Aber die von ihm angestoßene Diskussion
lag ihnen nichts desto weniger "schwer im Magen." Bei "passender" Gelegenheit
versuchten sie daher ihren Frust auf Nebenkriegsschauplätzen loszuwerden.
Die Sache fing damit an, dass am 21. 1. 1924 von dem Zürcher
Theologieprofessor Ludwig Köhler ein öffentlicher Vortrag über die
Bibelforscher gehalten wurde. Köhler hatte sich auch dadurch ausgewiesen, dass
er gleichfalls im Jahre 1924 eine Schrift veröffentlicht hatte mit dem Titel:
"Die Offenbarung des Johannes und ihre heutige Deutung." Auch wenn sie nicht
primär im Hinblick auf die Bibelforscher konzipiert war, so konnte jedoch kein
Zweifel darüber bestehen, dass er den Endzeitthesen der Bibelforscher - nicht
zuletzt aufgrund seiner historischen Kenntnisse, dezidiert kritisch
gegenüberstand.
Allerdings war dies eine sachliche Gegnerschaft. [101] Eine Gegnerschaft der
Art "mit Schaum vorm Maul" gegen die Bibelforscher zu agitieren, war nicht
seine Sache. Letzteres war jedoch für viele zeitgenössische
Bibelforschergegner zutreffend. Zu ihnen ist ganz offensichtlich auch der
Fritz Schlegel zuzurechnen.
Und so ereiferte sich denn auch Schlegel über Köhler mit den Worten:
"In diesem Vortrage hat der Herr Professor bewiesen, dass er die
Bibelforscherlehre entweder nicht kennt oder nicht kennen will, sonst hätte er
nicht die Behauptung über die Lippen bringen dürfen, die E(rnsten)
B(ibelforscher) seien gar nicht so schlimm, wie sie oft mitunter hingestellt
würden. Sonst hätte er den Gottesleugnern und Religionsfeinden als
christlich-protestantischer Professor nicht in verschiedenen Dingen wieder
Recht geben dürfen. Sonst hätte er es nicht als Verleumdung bezeichnen dürfen,
dass man die E. B. mit jüdischem Einflüssen in Verbindung bringe.
Der nämliche Gelehrte hat auch in jenem Vortrag es für nötig gefunden, sich zu
äußern, Russell könne nichts schlimmes nachgesagt werden, er sei ein 'rechter
Mann' gewesen. Dann darf man also in Zukunft jemand, der öffentlich zum
Kirchenaustritt auffordert, zum Kampfe gegen die Geistlichkeit aufreizt, die
christlichen Regierungen verlacht nichts nachsagen. Dann ist ein solcher wie
jeder untadelige Bürger ein Ehrenmann! Das verstehe, wer das wolle!" [102]
In jener öffentlichen Veranstaltung trat im Anschluss daran als
Diskussionsredner auch der Arzt Dr. Fehrmann auf, der danach auch noch in
Leserbriefen an Zeitungsredaktionen Front gegen Köhler machte. Insbesondere
erregte es ihn, dass Köhler faktisch dem antisemitischen Pamphlet "Protokolle
der Weisen von Zion" und ihrer Ausdeutung auf die Bibelforscher, eine Absage
erteilt hatte. Fehrmann, Schlegel und andere waren jedoch gläubige Anhänger
jenes Elaborates. Fehrmann war die von Bomsdorff-Bergen angestoßene
Finanzierungsdebatte bekannt, die er dann auch selbstredend in sein Statement
mit einbaute.
So entstand nun in einer zwischenzeitlich für die Bibelforscherfrage
sensibilisierten Öffentlichkeit erneut der Eindruck, es handele sich bei den
Bibelforschern um ein (von Juden und Freimaurern) "fremdfinanziertes Gewächs".
Die nicht zu übersehende Öffentlichkeitswirksamkeit dieser These lies der
Bibelforscherleitung es angezeigt erscheinen, dagegen Stellung zu beziehen.
In einer dazu speziell entworfenen Flugschrift mit dem Titel "Die Antwort der
Internationalen Vereinigung Ernster Bibelforscher auf tendenziöse Entstellung
ihrer Botschaft und ihrer Absichten" [103] wurde die Unterstellung
zurückgewiesen, dass die Bibelforscher von den Juden finanziert würden.
Bemerkenswerterweise wird in jener Flugschrift aber nicht auch auf den Vorwurf
eingegangen, dass amerikanische Freimaurer indirekt zur
Bibelforscherfinanzierung beigetragen hätten! Gerade dies war jedoch die These
von Bomsdorff-Bergen! Aber immerhin wird man konzedieren können, dass - soweit
Juden der Bibelforscherfinanzierung bezichtigt wurden -, dies von der
Bibelforscherleitung eindeutig zurückgewiesen wurde.
In jener Flugschrift konnte man lesen: "Unsere Aufmerksamkeit wurde auf ein
im Februar 1922 veröffentlichtes und unter dem Namen Fritz Schlegel
herausgegebenes Buch von 250 Seiten gelenkt, dass zahlreiche verleumderische
Angaben über die Internationale Vereinigung Ernster Bibelforscher enthält. …
Als Beweis seiner leichtfertigen Darlegungen zitieren wir folgende von
Schlegel aufgestellte, leere Behauptung:
'Wo haben diese Leute (die Bibelforscher) die Millionensummen der Gelder her?
Weil wir die Wahrheit lieben, sind wir der Sache ein klein wenig auf die Spur
gegangen, und - wohin führte uns die Spur? Diese Spur führte zum jüdischen
Bankhaus Hirsch in New York. Von da aus wird die gesamte I.V.E.B.
(Internationale Vereinigung Ernster Bibelforscher) mit den reichsten
Geldmitteln versehen.'"
Die Schweizer Bibelforscherleitung kommentierte dazu: "Entweder stützt sich
Fritz Schlegel (und die übrigen Verbreiter dieser Verleumdung die
deutschvölkischen Antisemitenführer Fritsch, Fetz, Lienhardt und Konsorten)
bei dieser Behauptung auf falsche Informationen oder - er lügt mit Vorbedacht.
Ist er aber im Besitz irgend eines diesbezüglichen Nachweises, so fordern wir
ihn auf, denselben der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Für jeden einzelnen
Dollar, für den Herr Schlegel den Nachweis zu erbringen vermag, dass er der
Internationalen Vereinigung Ernster Bibelforscher aus dem jüdischen Bankhaus
Hirsch in New York oder irgend einer jüdischen Bank der Welt zugeflossen ist,
zahlen wir irgend einer Wohltätigkeitsanstalt der Schweiz, Deutschlands,
Frankreichs oder Österreichs die Summe von je 1000 (tausend) Dollars.
Hier hat nun Fritz Schlegel Gelegenheit, vor aller Welt zu beweisen, dass
seine sensationelle Behauptung auf Wahrheit beruht oder er muss durch sein
Stillschweigen zugeben, dass er absichtlich verleumdet hat."
Diesen Vorgang kommentiert die Bibelforscherleitung mit den Worten: "Der
Öffentlichkeit aber geben wir die Erklärung, dass der Internationalen
Vereinigung Ernster Bibelforscher auf der ganzen Erde niemals Geld von Juden
zugeflossen ist. … Schlegel ist im letzten Jahre wiederholt in der Presse
aufgefordert worden, der Öffentlichkeit den Wahrheitsbeweis für seine
sensationelle Behauptung bekannt zu geben. Wir stellen hiermit fest, dass er
bis heute auch nicht den Schatten eines Beweises hat erbringen können, sondern
mit der heuchlerischen Ausflucht ausgekniffen ist: 'Wir Christen wollen kein
Judasgeld!' Damit hat er sich selbst als gewöhnlicher Ehrabschneider
gerichtet."
Abgeschlossen wurde diese Stellungnahme mit der Eidlichen Versicherung:
"Ich William E. van Amburgh ... (Sekretär und Kassierer der Wachtturm-, Bibel-
Traktat-Gesellschaft) erkläre unter Eid, dass, solange ich Kassierer genannter
Wachtturm-, Bibel- Traktat-Gesellschaft war, dieser Korporation nicht ein
einziger Dollar - weder direkt noch indirekt - von einem Juden, einer
jüdischen Bank oder einem jüdischen Unternehmen zugeflossen ist." [104]
Es verdient Beachtung, dass jüdischerseits gleichfalls eindeutig, die
Unterstellung einer jüdischen Finanzierung der Bibelforscher zurückgewiesen
wurde. Der Rabbiner M. Salomonski schrieb dazu in der jüdischen C(entral)
V(ereins) Zeitung: "Und nun setzt noch eine merkwürdige Kampfgemeinschaft
gegen uns ein, zu der kirchliche und kirchenfeindliche deutsche Kreise
deutschvölkischer Prägung sich treffen. Beiden ist anscheinend auffällig und
unerwünscht, dass die Vereinigung Ernster Bibelforscher sich ziemlich abseits
von dem großen Kesseltreiben gegen die Juden hält und auf ihre in Palästina
schneller erhoffte Bekehrung zum Christentum vertraut. Darin wittern die
sonderbaren Verbündeten eine große Gefahr." [105]
Weiter kommentiert er zu dieser Sachlage: "Es sei erwähnt, dass Hans
Lienhardt in seiner Broschüre: 'Ein Riesenverbrechen usw.' auch den
katholischen Jesuitenorden als ein von jüdischer Seite gespieltes Instrument
bei der Durchführung der Bibelforscher-Ideen bezeichnet. Um so verwunderlicher
wirkt dann, wenn der katholische Geistliche Fritz Schlegel für sein
umfangreiches Buch 'Die Wahrheit über die Ernsten Bibelforscher' das
Imprimatur erhalten hat. Denn auch er behauptet, dass wir Juden hinter den
Bibelforschern stehen und enthüllt zwar keinerlei Wissenschaft, aber einen
bösen Hass, dem die zum segnen berufene Hand das Siegel der Billigung
aufdrückte.
'Nur tief erschrocken', um Schlegel zu zitieren, kann man diesen wütenden Hass
betrachten, der nicht zu überbietenden Oberflächlichkeit, die ihm und allen
anderen judenfeindlichen Gegnern dieser Sekte diktierte. Mit Entrüstung weisen
wir Juden den verwerflichen Versuch zurück, unbequeme Irrlehren uns in die
Schuhe zu schieben und ihre rein christlichen Verfechter uns aufzuhalsen."
[106]
Auch in Deutschland wurden analog der Schweizer Verteidigungsschrift "Antwort
…" ähnliche Verteidigungsschriften seitens der Bibelforscher verbreitet. Sie
waren offenbar unabhängig von der Schweizer Schrift konzipiert. Auffallend
ist, dass (im Vergleich zur Schweizer Verteidigungsschrift) erheblich
zurückhaltender formuliert wird. Die Schlegel'schen Anwürfe werden nicht
zitiert. Gleichfalls auch nicht die Eidesstattliche Erklärung des van Amburgh.
Und selbst der ausgesetzte Preis für den Nachweis jüdischer Finanzierung,
wurde erheblich reduziert. Ist in der Schweizer Erklärung noch davon die Rede,
für jeden nachgewiesenen Dollar jüdischer Finanzierung 1000 Dollar zu zahlen,
so beschränkt man in der deutschen Verteidigungsschrift dieses Angebot auf
lediglich insgesamt 1000,- M.
In der diesbezüglichen Passage wird bei "Gehrhard" ausgeführt: "Noch heute
stehen auf dem Amtsgericht in Magdeburg 1000,- M. die ausgesetzt sind als
Belohnung für denjenigen, der irgend etwas zum Beweis für diese Verleumdung
nachzuweisen vermöchte. Bis heute vermochte niemand, diesen Betrag sich zu
verdienen." [107]
An anderer Stelle schreibt der gleiche Verfasser: "Immer wieder publiziert
man die Lüge, wir würden von den Juden bezahlt, trotzdem wir immer wieder
versicherten, dass dies absolute Unwahrheit ist, weil wir noch nie einen
Pfennig vom Judentum erhielten. … Wir sind zu jeder Zeit bereit, jeder
deutschen zuständigen Behörde unsere dies beweisenden Bücher vorzulegen, wie
auch hier auf dem Amtsgericht in Magdeburg von uns seit langer Zeit 1000
Goldmark deponiert und öffentlich ausgeboten sind, demjenigen zufallend, der
auch nur ein Jota Beweismaterial bringt dafür, dass wir vom Judentum bezahlt
werden. Niemand vermochte dies bis zur Stunde, dennoch verleumdet die
kirchliche Presse aller Schattierungen ohne Ehrgefühl in derselben schamlosen
Weise weiter." [108]
Es gab keine Ruhe in dieser Angelegenheit. Bomsdorff-Bergen wagte die
Bibelforscherleitung nicht gerichtlich zu belangen. Ihr war sehr wohl bewusst,
dass Bomsdorff-Bergen auf vorangegangene Einschüchterungsversuche stets
eindeutig reagiert hatte, indem er von seinen Vorwürfen nichts zurück nahm,
sie aber stets aufs neue bekräftigte. Die Bibelforscherleitung zog ihm
gegenüber "den Schwanz ein" um es mal etwas drastisch zu formulieren.
Aber da war ja noch jener Arzt Dr. Fehrmann, der ebenfalls die Thesen des
Bomsdorff-Bergen in seinem Streit mit dem Theologieprofessor Köhler
wiederholte. Von einem Mediziner konnte man erwarten, dass er nicht sonderlich
tief in der zur Diskussion stehenden Problematik verwurzelt war. Und so trat
das ein was mit der drastischen Formulierung von Schlegel so formuliert wurde:
"Juden und Bibelforscher waren empört, versteht sich. Letztere reichten
Klage ein und 'verpassten' diesmal ausnahmsweise den Termin nicht. Die
Gerichtsverhandlung dauerte 1 ½ Tage." [109]
Es fand also nun doch noch eine Gerichtsverhandlung in dieser sensiblen Sache
statt. Wie nicht anders zu erwarten, stützten beide Seiten sich dabei auf die
Ratschläge ihrer dazu engagierten Rechtsanwälte. Und deren Spezialität ist es,
möglichst alle taktischen Möglichkeiten genau auszuloten und entsprechend zur
Anwendung zu bringen. So mussten denn die Bibelforscher erfahren, dass ihre
Klage von dem Anwalt des Beklagten zugleich auf die formaljuristische Ebene
umdirigiert wurde.
Der Anwalt Dr. Duft argumentierte: "Die I.V.E.B. sei keine juristische
Person nach geltendem Schweizerischen und St. Gallischem Rechte, da sie keine
Mitgliederverzeichnisse führe, keine Beiträge erhebe, keine An- und
Abmeldungspflicht kenne usw. Sie auch in unserem Handelsregister nicht
eingetragen sei, obgleich sie mehr wirtschaftlichen als ideellen Interessen
diene. Das Grundkapital der Vereinigung betrage nach der englischen
Handelsregistereintragung ganze 100 Pfund Sterling, und jedes reguläre
Mitglied der Vereinigung müsse mindestens einen dieser Anteilscheine besitzen.
Es handelt sich demnach um einen ganz kleinen Mìtgliederkreis. Der Kreis der
übrigen Angehörigen der I.V.E.B. bilde nicht eine regelrechte Mitgliedschaft,
sondern sie werden lediglich als sog. 'Mitarbeiter' betrachtet, ohne Pflichten
und Rechte." [110]
Damit waren die Bibelforscher erstmal auf der formaljuristischen Ebene
ausmanövriert. Das Gericht war zwar bereit dem Bibelforscherklagevertreter
Binkele zu konzedieren, dass er durch die Anwürfe auch persönlich betroffen
sei und somit ein Klagerecht habe. Aber der Anwalt Dr. Duft lies nicht locker
und argumentierte weiter:
"Das der Beklagte nichts anderes behauptet habe, als was zuvor von anderer
Seite bereits Dutzendmal geschrieben wurde, ohne das die I.V.E.B. deshalb zum
Kadi gelaufen wäre. Er mache sich nun aber anheischig, auch noch einen
direkten Beweis anzutreten und durch einen in Konstanz lebenden Schriftsteller
beweisen zu lassen, dass nicht bloß der im 'Morgen' abgedruckte Brief auch
authentisch sei, sondern auch die darin enthaltenen Behauptungen der Wahrheit
entsprechen." [111]
Die Berichterstattung der "Thurgauer Zeitung" schließt mit der Ausführung:
"Das Gericht fand aber, dass der offerierte Zeuge gar nicht notwendig sei.
Nachdem die I.V.E.B. jahrelang sich nicht habe dazu aufraffen können, die von
Dr. Fehrmann gemachten Behauptungen vorher schon einer gerichtlichen
Beurteilung zu unterstellen, obschon sie Binkele und Konsorten doch schon
längst bekannt sein müssen, müsse der vom Beklagten anerbotene Beweis auch so
als erbracht angenommen werden. Das Gericht wies deshalb die Klage unter
Kostenfolge ab und sprach dem Beklagten zudem eine außerordentliche
Entschädigung von 450 Fr. zu." [112] Zuzüglich der Gerichtskosten von 150
Franken. [113]
Im Nachgang des St. Galler Urteiles versuchten die Bibelforscher
verschiedentlich den Eindruck zu erwecken, als hätten sie gegen dieses Urteil
eine Revisionsklage eingereicht. Letztere ging aber für die Bibelforscher
gleichfalls negativ aus. Dazu stellte der Rechtsanwalt Dr. Duft in einer
Presseerklärung triumphierend fest:
"Nachdem in der bekannten Ehrverletzungsklage der Internationalen
Vereinigung Ernster Bibelforscher ... das staatliche gallische Kantonsgericht
am 13. März 1925 die Klage zurückgewiesen hatte, ließen sie durch ihre Agenten
und die Presse in der Schweiz und fast ganz Europa verkünden, sie hätten diese
Angelegenheit an das schweizerische Bundesgericht weiter gezogen. Diese
Behauptung widerspricht der Wahrheit. Die Kanzlei des Schweizerischen
Bundesgerichtes hat dem Unterzeichneten Anwalte auf Anfrage hin bestätigt,
dass die Internationale Vereinigung Ernster Bibelforscher … das Bundesgericht
innerhalb der gesetzlichen Frist nicht angerufen haben. … St. Gallen, 13. Juni
1925. Dr. J. Duft, Advokat." [114]
Der St. Galler Bibelforscherprozeß vom November 1924 war so ein Anlass für die
Antisemiten um ihren Frust loszuwerden. Charakteristisch dafür ist der Artikel
in der "Deutschen Tageszeitung" vom 3. 11. 1924 mit dem Titel: "Die 'ernsten
Bibelforscher' und das Judentum", denn die Zeitschrift "Studierstube" für so
"bedeutungsvoll" hielt, ihn auch noch nachzudrucken. [115]
Darin konnte man lesen: "Die Propaganda dieser sogenannten 'ernsten
Bibelforscher' richtet sich mit fanatischer Schärfe und in brutalster Weise
gegen die christlichen Bekenntnisse. ... Dagegen kann sich die Propaganda der
'ernsthaften Bibelforscher' in der Verherrlichung des Judentums und des
Zionismus … nicht genug tun. Gleichzeitig wirkt die 'Internationale
Vereinigung der ernsten Bibelforscher' im jüdisch-internationalem Sinne
staatszerstörend und predigt, dass die heutigen Staaten verschwinden müssen,
um einem alt-testamentarisch-paradiesischen 'Friedensreiche der tausend Jahre'
Platz zu machen."
Die "Krone" setzt sich jedoch die "Deutsche Tageszeitung" mit den
nachfolgenden Auslassungen auf: "Wir möchten dieses bemerkenswerte Urteil (Bibelforscherprozeß
St. Gallen) welches hoffentlich dazu hilft, auch bei uns den 'ernsthaft
biblischen' Verjudungsagenten endlich etwas mehr auf die hurtigen Finger zu
sehen, mit einem notwendigen Hinweis versehen. In einem leider in christlichen
Kreisen bisher nicht genügend beachteten jüdischen Buche: 'Die Stadt ohne
Juden' von dem Wiener Schreibjuden Hugo Bettauer verfasst, finden sich sehr
wertvolle Hinweise auf die Naturgeschichte der 'ernsthaften Bibelforscher.'
Dieses Buch ist das wertvollste Zeugnis für die maßlos gewordene Überhebung
des nachrevolutionären Judentums. In diesem Buche, der schamlosesten
Beschimpfung des christlichen Europas, die sich das zur Vergeltung überreif
gewordene Ostjudentum jemals herausgenommen hat."
Die "Deutsche Tageszeitung" behauptet dann: "So wird darin mit
Hohngelächter geschildert, wie ein einziger Jude, der sich selbst mit der
jüdischen Frechheit rühmt, ein ganzes christliches Land in Verwirrung und
Selbstzerfleischung zu stürzen, indem er, nach dem Vorbilde der 'ernsthaften
Bibelforscher' einen 'Bund der wahrhaften Christen' gründet, der in
Wirklichkeit nur aus ihm, dem zerstörungslüsternen Juden, und einer Anzahl
dummer Christen besteht." Soweit die "Deutsche Tageszeitung".
Wenn man sich jedoch den fraglichen Roman einmal selbst ansieht, dann gewinnt
man einen ganz anderen Eindruck! [116] Bettauer schildert darin, wie die
fiktive Entwicklung in Österreich nach einem faschistischen Sieg und der
Ausweisung aller Juden aus Österreich weiter gehen würde:
152
"Um ein Uhr mittags verkündeten Sirenentöne, dass der letzte Zug mit Juden
Wien verlassen, um sechs Uhr abends läuteten sämtliche Kirchenglocken zum
Zeichen, dass in Österreich kein Jude mehr weilte. In diesem Augenblick begann
Wien sein großes Befreiungsfest zu feiern. [117] Sehr bald zeigte es
sich, dass alle diese Parteien, die Christlichsozialen wie die
Nationalsozialisten, nur darauf aufgebaut waren, dass man den Massen die Juden
als bösen Geist, als Wauwau und Prügelknaben darbot. Nun, wo es weder Juden
noch Judenstämmlinge in Österreich gab, verfing das nicht mehr, wurde die
Parteipolitik noch öder und langweiliger, als sie es vorher gewesen war.
Elend, Teuerung, Arbeitslosigkeit wuchsen, und die Führer waren in
Verlegenheit, weil sie nicht wussten, wem sie die Schuld daran geben sollten.
Die reichen Leute waren ja jetzt brave Christen, die Ausbeuter und Wucherer
auch, dass heißt, man durfte von solchen Menschen gar nicht sprechen, weil man
sonst hätte zugeben müssen, dass es christliche Wucherer und Ausbeuter genau
so gibt wie jüdische. Früher hatten die Hakenkreuzler mit ihren Plakaten
Aufsehen erregt, die Massen aufgehetzt. ... Die Plakate der Hakenkreuzler
waren nun so sinnlos geworden, dass sie niemand mehr las." [118]
Offensichtlich konnten die Antisemiten diese Demaskierung nicht verkraften;
sodass sie dazu zu einem Rundumschlag ausholten. Auch wenn die "Deutsche
Tageszeitung" eine Antwort auf die Frage, was das ganze denn nun mit den
Bibelforschern zu tun hätte, in schlüssiger Weise schuldig geblieben ist. So
offenbart es andererseits doch sehr viel über die Seelenverfassung jener, die
sich da als "Christen" bezeichneten und nicht in der Lage waren, das Anliegen
der Bibelforscher wirklich zu verstehen.
Auch Katholischerseits wurde die Zionsmusbegünstigung der Bibelforscher
missdeutet. Ein mit kirchlicher Imprimatur vom 15. 1. 1925 erschienenes
Flugblatt warf den Bibelforschern vor: "Nach Ausrottung der christlichen
Religion, nach dem Sturz von Kirche und Staat bricht das tausendjährige Reich
an, dass ist der Sieg des Judentums, die Herrschaft des Zionismus. Das ist das
Ziel der E(rnsten) B(ibelforscher). Darum bezieht es von den Juden seine
Gelder, unter anderem von dem jüdischen Bankhaus Hirsch in New York."
[119]
Diese "Hirtenworte" beziehen sich des weiteren auf den Bibelforscherprozeß in
St. Gallen um daran die These anzuhängen, dass dort der "Nachweis" erbracht
worden sei, dass die Bibelforscher "schwere Geldunterstützung aus den
Taschen des amerikanisch-freimaurerischen Judentums beziehen." Eine
Behauptung, die in dieser kategorischen Form nicht haltbar ist.
Selbst der in seinem Urteil, im Vergleich zu anderen, als bedächtig und
kenntnisreich einzuschätzende Dr. Algermissen, fiel auf die Propagandathesen
des St. Galler Bibelforscherprozesses herein, da sie eine einfache (man muss
aus heutiger Sicht sagen: zu einfache) Erklärung plausibel erscheinen ließen.
Zudem fügten sich die "Ergebnisse" dieses Prozesses sehr harmonisch in das
bereits seit Jahrzehnten bestehende katholische Weltbild, die Freimaurerei
betreffend, ein.
Algermissen schrieb damals: "Die Europäische Zentrale (der Bibelforscher)
erhält reichliche Unterstützung von Amerika, eigenartigerweise aber nicht nur
von der dortigen Hauptstelle der 'Ernsten Bibelforscher', sondern auch von der
jüdisch-amerikanischen Freimaurerei. Ein Prozess, der vor einigen Monaten in
St. Gallen in der Schweiz sich abspielte, gab noch interessante Enthüllungen
über die intimen Beziehungen zwischen diesen angeblich christlichen
Bibelforschern und der widerchristlichen, jüdisch-amerikanischen Freimaurerei.
Es stellte sich bei dem Prozess heraus, dass die sogenannten 'Ernsten
Bibelforscher' in dem Dienste jüdisch-amerikanischen Freimaurertums stehen und
von dort besoldet werden. Damit sollte für jeden denkenden Menschen diese
Gesellschaft gerichtet sein, die vorgibt, das Christentum reinigen und
veredeln zu wollen, in Wirklichkeit aber im Dienste des ungläubigen
Freimaurertums, der stärksten Feindin des Christentums steht." [120]
Ein weiteres übles Beispiel, dieser an Oberflächlichkeiten hängenbleibenden
katholischen Apologetik, liefert auch Karrer in seinem 1942 in der Schweiz
erschienenen Buch über moderne Sekten. Karrer, der darin völlig unkritisch die
Freimaurerbriefaffäre unter Hinweis auf das einschlägige Buch von Jonak wieder
aufwärmt [121] versteigt sich dann zu der Behauptung:
"Das Interessanteste kommt erst, wenn wir die geheime politische Ideologie
der Sekte ins Auge fassen. Das nun in Erscheinung tretende tausendjährige
Reich heißt bei den Bibelforschern nicht zufällig 'Königreich Jehovas'; der
altjüdische Name ist für die Sache bezeichnend. [122] Der Höhepunkt aber im
Aufstieg der jüdischen Allherrschaft wird bezeichnet durch die große Schlacht
von Harmagedon. … Der Name bezeichnet in der altjüdischen Geschichte den Ort
einer Niederlage; er hatte deshalb einst für die Juden eine unangenehme
Bedeutung und dementsprechend ist er in der Geh. Offenbarung noch als Symbol
für die versammelten dämonischen Mächte gebraucht (Geh. Offenbarung 16, 16).
Für die Zeugen Jehovas ist es umgekehrt: da bezeichnet Harmagedon die
Vernichtungsschlacht der jüdischen Welt gegenüber der christlichen und den mit
ihnen verbundenen Systemen. Unterdessen haben die Gläubigen der Sekte die
moralische Vorbereitung auf die Schlacht von Harmagedon zu treffen, d. h. den
Hass zu schüren. Im übrigen ist es aus dem Weltmachtsideal der Zeugen Jehovas
nur selbstverständlich, dass gegen jede Staatsordnung ähnlich gehetzt wird wie
gegen das Christentum." [123]
Von den vorzitierten Text zugehörigen Anmerkungsnummern sei noch die [91]
und die [96] noch zitiert:
[91] Vgl. Jonak, Zeugen S. 43.
Vgl. dazu auch "Der Morgen" (Olten) 16. 4. 1925. Artikel: "Eine
skrupellose Unterstellung". In diesem Artikel bestätigt der Verlagsdirektor
des "Morgen" den fraglichen Freimaurerbrief seinerzeit selbst in den Händen
gehabt zu haben. Er verwahrt sich weiter gegen die Unterstellung, dieses
Schreiben in seiner Aussage selbst lächerlich gemacht zu haben, wie dies die
Bibelforscher und mit ihnen (in dieser Frage) liierte Presseorgane noch
unterstellten. Charakteristisch dabei ist auch der folgende Satz: "Das im
'Morgen' veröffentlichte Schreiben des amerikanischen Freimaurers lag der
Redaktion des 'Morgen' im Original vor. Es besteht nicht der geringste Zweifel
in der Echtheit dieses handschriftlichen Dokuments. Dasselbe liegt heute
nicht, wie der Leitartikler des 'Oltener Tageblattes' lächerlicherweise
vermutet, auf der Nuntiatur in Bern, sondern es befindet sich bei den
Prozeßakten in St. Gallen, wo die 'Ernsten Bibelforscher' vor kurzem einen
Aufsehen erregenden Prozess verloren haben."
[96] Schwartz-Bostunitsch kommentiert unter Hinweis auf die Veröffentlichung
von Jonak und der Nichtauffindbarkeit des Originalbriefes, mit der ohne
Beweise vorgetragenen Behauptung: "Vermutlich haben sich die 'Ernsten
Bibelforscher' auf Schleichwegen seiner doch bemächtigt, um die belastende
Urkunde aus der Welt zu schaffen." Vgl.. Schwartz-Bostunitsch, Gregor
"Jüdischer Imperialismus", Berlin 1939 S. 631.
Jonak hingegen zitiert Bomsdorff-Bergen mit der Vermutung, dass der
Originalbrief den Bibelforschern in der Vergleichsverhandlung übergeben wurde.
Auch die Zeugen Jehovas argumentierten dabei mit Unterstellungen ohne
Faktenbeweis. In der Ausgabe des "Trost" vom 15. 9. 1945 S. 15, nahmen
sie (nach 1945) in dieser Angelegenheit nochmals Stellung. Ihre These, die
Katholiken hätten diesen Brief selbst vernichtet.
Zu dem Vorwurf von Jonak, dass sie Bomsdorff-Bergen merkwürdig geschont haben
und ihn nicht in eine direkte gerichtliche Auseinandersetzung verwickelten,
nehmen sie bezeichnenderweise nicht Stellung. Dagegen zitieren sie einen
Kommentar von Jonak als gleichzeitiges Alibi für ihre entscheidende
Inaktivität. Das "Trost" schreibt: "Dagegen betont er (Jonak)
nachdem er Gewißheit hat, dass der Originalbief nicht mehr existiert, dass es
'ein in der Rechtswissenschaft anerkannter Grundsatz ist, dass die Unechtheit
einer Urkunde von ihrem Angreifer und nicht die Echtheit von ihrem Verteidiger
zu beweisen ist."
Der Kommentar des "Trost" dazu betont, dass dieses Dokument sicherlich niemals
ohne Quittung den Zeugen Jehovas ausgehändigt worden sei. Weil letzteres aber
nicht der Fall ist, unterstellt man, die katholischen Kreise hätten jenen
Freimaurerbrief selbst vernichtet. Die wehleidige Klage des "Trost": "Haben
sie uns durch ihre Wegschaffung des Briefes die Möglichkeit genommen, nach dem
oben von Jonak zitierten Rechtsgrundsatz die Unechtheit zu beweisen." Auch
diese Argumentation gleicht dem werfen von Nebelbomben. Verleumdet (aus ihrer
Sicht) wurden die Zeugen Jehovas primär durch Bomsdorff-Bergen als Urheber.
Alle danach genannten Namen sind lediglich als "Kommentatoren" einzustufen.
Aber gerade Bomsdorff-Bergen haben sie eben nicht vor Gericht gezogen!
Wie schon früher ausgeführt, war insbesondere nach dem in der Schweiz
erfolgtem Verbot der Rutherford-Broschüre "Faschismus oder Freiheit", das
Thema der SPK (die man mit als Drahtzieher outete) wieder für die WTG auf der
Tagesordnung. Und so nahm selbige nach jahrelangem Schweigen, in der "Trost"-Ausgabe
vom 15. 10. 1939 erstmals ausführlich zum Thema sogenannter Freimaurerbrief
Stellung, weil man wähnte, das sei wohl so eine Art "Kassenschlager" der SPK,
den es nun zu zerstören gälte.
In den diesbezüglichen "Trost"-Ausführungen liest man unter anderem:
"Im Jahre 1924 hatte dieser Brief in
einem Prozeß vor dem Bezirksgericht Zürich beweisen sollen; daß das Werk der
Bibelforscher vom Ausland her mit Geldern der Juden und Freimaurer ausgehalten
werde. Als es dann an der Zeit gewesen wäre, den Beweis dafür vor Gericht
anzutreten, hatten jene Gegner der Bibelforscher den Brief plötzlich
"verloren" oder "verlegt".
Der Verlag L. Keller-Zoller, Zürich, der den Brief in einer Broschüre
veröffentlicht hatte, mußte diese Veröffentlichung widerrufen.
Im seinerzeitigen Gerichtsprotokoll hieß es: "Dieser Widerruf und die
Erklärung erfolgt mit der Begründung, weil Otto Walter, Direktor des
gleichnamigen Verlages und des katholischen Zeitungsuntemehmens ,Der Morgen'
in Olten, das Original des auf Seite 142-143 der genannten Broschüre
publizierten ,Bibelforscher- oder Freimaurerbriefes' unterschlagen und
nachher als unauffindbar verlegt angegeben hat, wodurch dem Verlag die
Möglichkeit genommen ist, den im vorliegenden Prozesse erforderlichen Beweis
antreten zu können."
Dir. Walter bestreitet die Unterschlagung und behauptet, den Brief an Frau L.
Keller-Zoller zurückgeschickt zu haben, so daß dann sie ihn unterschlagen
haben müßte (obwohl doch gerade sie ihn vor Gericht gebraucht hätte, um nicht
in der Tinte zu sitzen!). Mögen sie ihren Streit untereinander ausmachen. Ihr
schwindelhafter Freimaurerbrief blieb jedenfalls verschwunden bis auf den
heutigen Tag.
Was in diesem Brief behauptet wird, trägt den Stempel der Lüge an sich selbst.
Ob er überhaupt je existierte, oder ob er eine Fälschung war oder nicht, macht
letzten Endes wenig aus. Auf jeden Fall dient das, was als sein Wortlaut
abgedruckt wird, der Lügenverbreitung. Es wäre eine Kleinigkeit, einen Brief
zu schreiben, um irgendwelche Märchen auszustreuen.
Angeblich haben sich Brown aus Boston, der als Briefschreiber figuriert und
1926 gestorben sein soll, und der "Briefempfänger" Bomsdorff-Bergen aus
Konstanz vom Freimaurertum abgewendet und wohl zum Katholizismus bekehrt. So
ähnlich lief schon früher einmal eine Affäre, und das Ende vom Lied war - der
Taxilschwindel! Haben die römisch-katholischen Kleriker diese Blamage von 1897
schon vergessen?
Wenn diese Leute hoffen, Jehovas Zeugen würden Zeit, Kraft und Geld darauf
verschwenden, sich mit diesem "Freimaurerbrief'-Mummenschanz herumzuschlagen,
dann irren sie sich.
Die Tatsachen sind:
In den Kreisen der Zeugen Jehovas gibt es nirgendwo in der Welt Freimaurer.
Jehovas Zeugen bekommen weder von den Juden noch von den Freimaurern
finanzielle Unterstützung, noch war dies je der Fall. ...
Obiger Sachverhalt wurde durch die von der Behörde angeordnete Bücherrevision
des Herrn Kantonsbuchhalters Emil Jung, Bern, für das zentraleuropäische Büro
dieser Gesellschaft in Bern am 13. Nov. 1922 eindeutig festgestellt.
Daß Juden und Freimaurer auch die "Wachtturm"- Zentrale in Brooklyn niemals
finanziert haben, ist bei verschiedenen Gelegenheiten in eidesstattlichen
Versicherungen des Schatzmeisters der Gesellschaft, W. E. Van Amburgh,
niedergelegt worden.
Jeder vorurteilslose Betrachter dessen, was Jehovas Zeugen sagen und tun, weiß
von selbst, daß ihr Werk auch keinerlei inneren Zusammenhang mit den
Freimaurern hat. ...
Die Zeugen Jehovas machen keine Propaganda, weder für sich noch für die Juden,
noch für die Freimaurer oder für sonstwen. ..."
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 25. November 2009 02:36
Angereichert mit einigem Bildmaterial (welches sich teilweise
auch in späteren WTG-Publikationen wiederfindet), bringt "Trost" in seiner
Ausgabe vom 1. 11. 1939, auch einen Bericht über den berühmt-berüchtigten
WTG-Kongress 1939 im New Yorker Madison Square Garden
Man beachte mal bei dem Bild, welches die Ankunft Rutherford's zeigt,
wie er da von seinem Adlatus und späteren Nachfolger Knorr, flankiert wird.
Aus dem Kommentartext von "Trost" seien vielleicht noch die folgenden
Passagen zitiert:
"Verschiedene Blätter scheinen mit Bezug
auf die Botschaft vom Königreiche Gottes eine Politik der ,,splendid
Isolation" befolgen zu wollen, das heißt, sie wollen weder etwas für noch
gegen diese Verkündigung veröffentlichen. So auch die Zeitungen des
amerikanischen Zeitungskönigs Hearst. Der Redakteur des "Examiner" von Los
Angeles, eines Hearst-Blattes, z. B. sagte mit zittrigen Händen, er habe
"Anweisung, nichts anzurühren, was mit Richter Rutherford zu tun hat".
In Denver. (USA.) ereignete sich ein Zwischenfall bei Bekanntmachungsumzügen.
Es waren schon an mehreren Tagen solche Umzüge störungsfrei verlaufen, als
"Hochehrwürden" Hugh L. McMenamin, der römisch-katholische Großmogul jener
Stadt, der Polizei den Befehl erteilte, dagegen einzuschreiten, und einige
Polizeibeamte waren so dumm oder feige, auf diesen, unberufenen Befehlshaber
zu hören. So verhaftete dann die Polizei ein sechsjähriges Kind und
zweiundsiebzig andere Teilnehmer an einem Informationsmarsch, mit der
Begründung, daß durch die Schilder, die sie herumtragen, die Pferde scheu
gemacht werden könnten. In Wirklichkeit ging es nicht um die Pferde (denn
diese fraßen auf den grasumsäumten Straßen weiter friedlich aus ihren
Futtersäcken), sondern um den "Hochehrwürden" mit seinen Kollegen. ...
Der diensthabende Wachtmeister meinte, aus der ganzen Geschichte werde eine
Reklamesensation für die Festgenommenen. Nach zwei Stunden ließ man die
Verhafteten wieder frei, und am nächsten Morgen zogen über 200 Zeugen Jehovas
zu einem weiteren Informationsmarsch hinaus und wurden von niemand mehr
belästigt."
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 28. November 2009 03:30
Ihrem Charakter als ausgesprochene Unterklassen-Religion (zumindest
in der Rutherford-Ära), unterstreicht "Trost" in seiner Ausgabe vom 15.
11. 1939 wieder einmal nachdrücklich. Schon ein paar "Trost"-Nummern davor,
erfuhr man, dass die WTG eine Reihe der ihr Hörigen nach Schanghai (China)
beordert habe. Etwa in einem "Von Marseiile nach Schanghai" betitelten Bericht
in "Trost" vom 15. 8. 1939.
Selbige lieferten nun verschiedentlich Berichte über die dortigen trostlosen
Verhältnisse. Wie gehabt lässt man es beim Beschreiben des "Ist-Zustandes"
bewenden. Irgendwelche Aktivitäten (und seien sie noch so gering) zur Hilfe.
Nicht seitens der WTG-Religion.
Sie hat nur eines anzubieten: "Opium", "Opium" und nochmals "Opium" -
religiöses Opium.
Je trostloser die Verhältnisse, um so größer die Chancen für die WTG zu
entsprechenden "Fischzügen". Das bildete offenbar mit eine der Motivationen,
dass schon die WTG zu Rutherford's Zeiten in China über den "Brückenkopf
Schanghai", Fuss zu fassen suchte.
In genannter "Trost"-Ausgabe kann man beispielsweise als Schilderung der
Eindrücke der WTG-Missionare das nachfolgende lesen:
"Wenn das Schiff noch nicht richtig am
Kai festgemacht hat, kommen sie schon an Bord gestürmt: Chinesen, eine Welle
von mageren gelben Körpern, die sich den Reisenden als Träger anbieten. Ihre
monotonen Rufe zittern in der feuchtheißen Luft:
"Kuli?! - Kuli?? - Kuli!"
Mit diesem Schrei preisen sie sich selbst an. "Ku" bedeutet: bitter! "LA"
bedeutet: Kraft. "Kuli", das heißt: Bittere Kraft!
Sie stürzen sich auf das Gepäck und zerren es den Reisenden aus den Händen.
Neben mir steht ein amerikanischer Geschäftsmann, der sein halbes Leben im
Fernen Osten verbrachte - der also mit diesem Leben hier gründlich vertraut
ist. Ein Kuli hat seine Koffer ergriffen. Der Amerikaner brüllt ihn an, daß er
sich zum Teufel scheren solle. Der Kuli hält die Koffer weiter verzweifelt
fest, weil er glaubt, der Fremde werde nachgeben - und weil er Angst hat, ein
anderer Kuli könnte ihm seine eroberte Chance wegnehmen.
Da holt der weiße Mann ohne jegliche Aufregung zum Fußtritt aus - und trifft
den Kuli am Oberschenkel. Der gelbe Mann taumelt etwas zur Seite. Er gibt
keinen Laut von sich, er gibt keine Miene des Unwillens zu erkennen: Er hofft
immer noch, er hält weiter die Koffer fest umklammert und lächelt
entschuldigend.
Da hebt der fremde weiße Teufel seinen Fuß zum zweiten, stärkeren Tritt - und
erst jetzt springt der Kuli zur Seite und gibt seine Chance verloren.
Nun kommt der persönliche Diener des weißen Mannes. Der Diener ist auch
Chinese, aber er geht mit verächtlichem Ausdruck durch die Reihen der Kulis,
deren schräge, lauernde Blicke ihm folgen. Er ergreift das Gepäck seines
Herrn, stößt die im Wege stehenden Kulis rücksichtslos mit den Koffern
beiseite, und verläßt erhobenen Hauptes den Kampfplatz: Er ist kein Kuli; er
ist ein Mann mit einer festen und sicheren Position. Er ist Boy eines weißen
Herrn!
Das ist das erste Bild von Schanghai, wenn man noch nicht einmal den Boden
dieser Stadt betreten hat. Und es ist das bleibende Bild, nur in seinen
Dimensionen unendlich vergrößert, wenn man in dieser Stadt lebt: Das tierische
Dasein der Getretenen - und die brutalste Gewalt und Rücksichtslosigkeit der
Tretenden! In keiner Stadt der Welt sind die Gerechtigkeit und die
Menschenwürde fremder als in Schanghai. In keiner Stadt ist das Menschenleben
billiger und verachteter als hier. Denn eine unerschöpfliche Menschenreserve
steht jederzeit zur Verfügung: Chinas 440 Millionen darbende Bewohner!
Nirgends sind der Hunger und die Gier nach dem Gelde entsetzlicher als in
Schanghai, wo der Tod eines Menschen nur als notwendige Voraussetzung für das
Weiterleben der übrigen stoisch hingenommen wird.
Schon draußen am Kai schreien sie wieder, die Scharen der wartenden
Rikscha-Kulis mit ihren Wagen. Kuli - ist das erste Wort, das man in China in
die Ohren geschrien bekommt. Und das Wort bleibt, pflanzt sich fort, begleitet
einen durch ganz China: Kuli - ist China, mit seiner bitter-tragischen Kraft!
Man degradierte den Menschen zum Tier und wies danach mit verabscheuender
Geste, mit aller nur aufzubringender Verachtung auf den Kuli: Da, seht China!
Aber wer hat das entsetzliche Wort "Gelbe Pferde" auf die Kulis geprägt? Wer?
- Und wer hing den wie Tiere an Seile gespannten, schwerste Lastwagen
ziehenden Kulis ein Blechschild auf den Rücken - ein Nummernschild, wie es
Trecker, Lastautomobile und Motorcars- sonst nur tragen ?
Wer? - Die Herren der Schlachtschiffe im Schanghaier Hafen! Die Herren der
imperialistischen Armeen in den Konzessionen! Die weißen und die gelben Herren
der Banken und Industrie, der Handelshäuser und Pressefabriken. Des blutenden
Femen Ostens! Hier ließen sie alle Moral fahren, hier wucherten Habgier und
Korruption ins Grenzenlose!
Drei schöngeformte chinesische Schriftzeichen sind es: Jin-li-che. (Japanisch:
Jin-rik-scha. Der Chinese kann kein R aussprechen und setzt L dafür.) Brutal
ist ihre wörtliche Übersetzung: Menschen-Kraft-Wagen! Menschenkraftwagen, das
ist: Rikscha!
Es ist ein eckelhaftes Gefühl, Rikscha zu fahren. Aber man muß es erdulden,
wie so vieles in Schanghai. Denn Menschenkraft steht an erster Stelle in ganz
China. Menschenkraft ist billiger als Motoren- und Maschinenkraft. Den
Menschen kann man wegwerfen, wenn er verbraucht ist, und einen neuen nehmen -
ohne Unkosten. Es gibt Millionen Menschen! Eine Maschine verursacht
Anschaffungskosten, sie muß darum gepflegt und erhalten werden. Sie ist einzig
kostbar - nicht der Mensch. Die Straßenbahn fährt nur in wenigen begrenzten
Gebieten der fremden Konzessionen. Die Preise für ein Auto-Taxi sind
unerschwinglich teuer. Man ist auf die Rikscha angewiesen. Ich fahre Rikscha.
Vor mir, zwischen den Wagenstangen, pendelt der ausgezehrte Körper des Kulis.
In der einen Hand hält er ein Tuch, um den gröbsten Schweiß aus Gesicht und
Augen wischen zu können. Hat er ein dünnes Hemd oder eine dünne Leinenjacke
auf dem Oberkörper, ist das Zeug schon nach kurzer Zeit schweißdurchnäßt.
Viele Kulis besitzen aber nicht mal ein Hemd oder einen Kittel, sie laufen mit
nacktem Oberkörper. Der geringste Luftzug kann dem durchschwitzten Körper eine
Erkältung einbringen. Die Widerstandskraft der Kulis ist durch die dauernde
Unterernährung geschwächt:
Eine Erkältung ist oft gleichbedeutend mit Lungenentzündung und Tod. Im
monotonen Gleichtrab läuft der Kuli. Seine nackten Fußsohlen klatschen auf dem
heißen Asphalt. Der Schweiß durchnäßt die dünne Leinenhose, klebt sie an den
Leib fest. Aber aufmerksam, äußerst geschickt und gewandt bugsiert der gelbe
Mann sein Gefährt durch alle Verkehrsstrudel. Sicher und vorsichtig - nicht
etwa, weil ein Passagier in der Rikscha sitzt und der Kuli befürchtet, es
könnte dem Passagier was geschehen. Das billige Leben eines unbekannten
Passagiers ist dem Kuli völlig gleichgültig. Er hat andere Sorgen.
Nicht gleichgültig ist ihm dagegen sein kostbarer zweirädriger Wagen mit den
paar Kissen und den langen Lenkstangen: Weil es nämlich gar nicht seine
Rikscha ist! Die Rikscha gehört nicht ihm und sie wird ihm nie gehören, weil
sie für ihn ein Vermögen bedeutet, das er in seinem ganzen Leben nicht
erarbeiten kann -, sondern sie gehört einem der riesigen
Rikscha-Verleih-Unternehmen, von dem der Kuli sie nur Tag für Tag ausleiht.
Für die Miete hat der Kuli durchschnittlich jeden Tag einen Dollar
aufzubringen (Chinesischer Silberdollar == 100 Cents, schwankend in der
Währung, ungefähr des amerikanischen Dollars nun.) Der Rikscha-Kuli erreicht
aber, wenn er Glück hat und Fahrten bekommt, selten mehr als einen
Tagesverdienst von 1.20 bis 1.50 Schanghai-Dollar. Also bleiben dem Kuli
täglich 50 Cents für sein Leben!
Darum gibt es in Schanghai keinen Rikscha-Kuli, der ein Bett oder gar eine
Wohnstätte hat. Die Rikscha ist das Bett und die Wohnstätte vieler Kulis. In
der Rikscha schläft er auf den Straßen, in den Arbeitspausen, oder wenn ein
Passagier ihn irgendwo warten läßt. Und in der Rikscha, zwischen den
Wagenstangen hängend, stirbt er meistens auch. Und Rikscha-Kulis sterben alle
früh: der kräftigste Mann selbst hat nicht die Lunge eines Pferdes. Man
rechnet durchschnittlich, daß ein Kuli seinen mörderischen Beruf fünf bis
höchstens acht Jahre ausführen kann. Dann ist er erschöpft, dem Tode nahe.
Wehe, wenn dem Kuli durch einen unglücklichen Zufall die Rikscha in Trümmer
geht. Dann ist er verloren, ein Verdammter - dem Unternehmer auf Abzahlung
verpfändet, ausgeliefert, lebenslänglich verkauft und versklavt. Der
Schanghaier Rikscha-Unternehmer kennt kein so rührendes Wort, wie Erbarmen.
Der Kuli samt seiner ganzen Familie oder Verwandtschaft ist in einem solchen
Augenblick dem Unternehmer verfallen und tributpflichtig. Das ist das Ende.
Der Kuli mußte Bürgen bringen, die für ihn und die Rikscha garantieren. An
diese Bürgen hält sich der Unternehmer.
Wo soll der Kuli nach einem solchen Unglücksfall neue Bürgen herbekommen?
Niemand will mehr für ihn bürgen, solange er in der Schuld des Unternehmers
ist. Und selbst, wenn er neue Bürgen bekommen würde, so könnte er mit seinen
täglich verdienten zwanzig bis fünfzig Cents diese Schuld nie mehr im Leben
loswerden. Die fünfzig Cents bedeuten aber zugleich das Minimum der
Lebensexistenz des Kulis. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als die Flucht oder
der Selbstmord - oder das langsame Verhungern, wenn er sich nicht einer der
vielen Banditenbanden anschließt, die oft von diesen verzweifelten Existenzen
ihr Menschenmaterial beziehen.
Aber selbst, wenn es gut geht, wenn dem Kuli und seiner Rikscha nichts
geschehen sollte, bilden die wenigen täglichen Cents seiner
Verdienstaussichten ein immerwährendes verzweifeltes Problem. Denn in
Schanghai gibt es 25 000 Rikscha-Kulis, die jeden Tag einen verbissenen Kampf
um ihre bloße Existenz austragen!
Auf der andern Seite bedeutet das: eine tägliche Einnahme von einem Dollar für
jede Rikscha für den Wagenverleiher. Das sind täglich 25 000 Dollar, die den
Herren der Rikscha-Unternehmen zufließen. Die Kulis müssen ihre täglichen
Abgaben zahlen, ob sie was verdient haben oder nicht. Haben sie keine Fahrten
bekommen können, müssen sie das Geld leihen. Liefern sie den Wagen nur eine
halbe Minute zu spät nach der vereinbarten Zeit ab, werden sie zur Strafe in
dunkle feuchte Räume eingesperrt, oder sie bekommen nie mehr eine Rikscha
geliehen.
Von einem französischen Unternehmer in der French Concession in Schanghai
hörte ich erzählen, daß er die Kulis zur Strafe zwang, Salzwasser zu trinken.
Die Unternehmer aber verzeichnen 25000 Dollar Tageseinnahme, gepreßt aus dem
tiefsten Elend, aus Schweiß, Blut und Tod der Menschen, die nie ein
menschenwürdiges Dasein kannten und zu "Gelben Pferden" degradiert wurden.
Und wer ist der Erfinder der Rikscha?
Die Rikscha wurde von einem Franzosen, der ein gutes Geschäft witterte, aus
Japan nach China eingeführt. Aber ihr eigentlicher Erfinder war nicht nur ein
weißer Teufel allein - nein, noch dazu ein Europäer und Geistlicher: das
,,christliche" Hirn des englischen Reverend M. B. Bailey hat diesen
teuflischen Plan ausgedacht. So kam die Rikscha auf die Welt und nach China -
mit vielen anderen zweifelhaften Gaben "christlicher Nächstenliebe" zusammen.
Mr. Bailey schuf als erster die den Chinesen vorher völlig unbekannte Rikscha
in Tokio. Er gab vor, ein wahrhaft christlicher Mensch zu sein. Die aufrichtig
sich für die menschliche Bruderliebe einsetzende Menschheit hat eine große
Aufgabe allein darin, das unter dem Deckmantel ihrer Idee von gewissenlosen
Heuchlern gestiftete Unglück in aller Welt wieder gutzumachen. Eine unendlich
große und schwierige, eine gewaltige - aber wohl die brennendste und
ehrenvollste Aufgabe: den Geschlagenen, den Unterdrückten und Verzweifelten zu
helfen, ihre menschliche Würde zurückzuerobern!
Vor dreitausend Jahren sandte das geplagte chinesische Volk seine Klage gegen
den hohen blauen Himmel: "O wie lange läßt du noch uns im Leid begraben?" Der
hohe Himmel erhörte nicht das heiße Flehen. Das Leid wuchs ins Unermeßliche.
Dreitausend Jahre lang. Aus der dumpfen Klage wurde ein blutiger Aufschrei,
erwuchs ein blutiges, brüllendes China. Millionenfache Klage erhärtete zum
glühenden Signal: Der verzweifelte Kampf um die Menschenrechte hat begonnen!
Kuli - - wie lange noch, wie lange noch? ..."
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 12. Dezember 2009 03:06
Der "Kleinkrieg" zwischen der SPK und "Trost" setzt sich auch in der "Trost"-Ausgabe
vom 1. 12. 1939 fort. Da hatte also die in St. Gallen erscheinende Zeitung
"Ostschweiz" in ihrer Ausgabe vom 17. 10. 1939 eine Meldung der SPK wieder
gegeben. Über selbige war - wie man unschwer erraten kann -, "Trost" nicht
sonderlich erfreut und meinte diese nun in besagter Ausgabe "kontern" zu
müssen. Man liest in "Trost" zu diesem Thema:
Was ist die Aufgabe einer
Pressekorrespondenz? Möchten wir fragen. Besteht sie darin, sich selber zu
einer Polizeikommissariats-Filiale zu ernennen? Die unschweizerische
,,Schweizerische Presse-Korrespondenz" in St. Gallen jedenfalls kommt sich
schon durchaus halbamtlich vor. Man nehme nur folgende Notiz aus der
"Ostschweiz,", St. Gallen, vom 17. Oktober 1939 zur Kenntnis:
Freche Propaganda. - Sonntagvormittag
erschien zur Zeit des Gottesdienstes im Oberstraßquartier ein Agent der
Bibelforscher und bot das Buch "Kreuzzug gegen das Christentum" verfaßt von
Franz Zürcher, Redaktor der Bibelforscherzeitung "Trost" in Bern an. Diese im
Europa-Verlag in Zürich erschienene Broschüre enthält in ihrem ersten Teil
unerhörte Angriffe auf Kirche und Geistlichkeit und kath. Institutionen,
welchen die Verantwortung für die Unterdrückung der sog. "Zeugen Jehovas"
(Bibelforscher) zugeschrieben wird.
Der zweite Teil befaßt sich in breitester Weise mit der Unterdrückung dieser
Gesellschaft in Deutschland. Gegen diese Übertretung der Bestimmungen über das
Hausier- und Kolportagewesen ist bereits beim Polizeikommissariat I der Stadt
Anzeige erstattet worden. In dieser Sache dienliche Mitteilungen richte man
möglichst bald an die Schweiz. Pressekorrespondenz St. Gallen I oder direkt an
das Polizeikommissariat. (SPK)
Ob denn die SPK eine "angemessene" Tonlage angeschlagen hatte, mit dieser
Meldung, mag man in der Tat kritisch hinterfragen. Indes gilt eine solche
Feststellung dann wohl nicht nur in "einer Richtung".
Jedenfalls sucht denn "Trost" seinerseits nicht faul, dass ganze in billige
Reklame für sich umzumünzen, etwa wenn es dann noch verkündet:
"Aber allen, die dieses Buch noch nicht
kennen, sei es empfohlen. Ein Buch, das eine anrüchige Gesellschaft derart in
Harnisch bringt, muß doch lesenswert sein!"
Auch diese "Trost"-Ausgabe liefert wieder Beispiele dafür, dass man
selbst keineswegs so "harmlos" ist, wie man sich denn verkaufen möchte; etwa
wenn man aus der Feder Rutherford's höchstpersönlich auch die nachfolgenden
"Weisheiten" präsentiert bekommt:
"In vergangenen Monaten sind von Jehovas
Zeugen Banner umhergetragen worden, auf denen zu lesen war "Religion ist ein
Fallstrick und ein Racket" und "Dienet Gott und Christus, dem König". Man ist
[in Amerika, England usw.] mit diesen Bannern durch die Straßen marschiert und
hat diese Tatsache auf solche Weise bekanntgemacht. Viele Menschen werden
ungehalten, wenn sie sehen, daß solche Banner oder Schilder zur Schau
stehen....
Diese Banner wurden umhergetragen, um das Volk zu informieren und vor der
großen Gefahr zu warnen, die sich aus der Ausübung von Religion ergibt; und
sie wiesen darauf hin, daß die einzige Möglichkeit für das Volk, Sicherheit zu
finden ...ist ... Gottes Königreich und dessen Herrscher Christus Jesus ist,
steht den Interessen derer, die leben möchten, entgegen. Diese Information
wird dem Volke gegeben, weil Gott dies geboten und gesagt hat, das Volk müsse
von ihm aus gewarnt werden."
Und in einer Fussnote wird der Begriff "Racket" dann noch wie folgt
definiert:
"Amerikanischer Ausdruck, der ungefähr
die Bedeutung von Gimpelfang hat."
Und weiter "Trost":
"Es ist gut bekannt, daß Religion ein
Racket ist, weil sie seit langem schon dazu benutzt wird, dem Volke Geld
abzuknöpfen, ihr Geld hergeben, ohne etwas dafür zu bekommen. Das bedeutet
sicherlich, Geld unter falschem Vorwand zu erlangen, und das ist eine der
schlimmsten Arten von Gimpelfängerei."
Angesichts des heutigen eigenen Finanzgebarens (Extremfall: Immobilien
von eigenen Leuten, Lohnmäßig kostenlos erstellen lassen. Fallweise später
wieder verscherbeln, wie in Brooklyn), wirkt solches mit "dem Finger auf
andere zeigen" mehr als deplatziert.
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 13. Dezember 2009 04:04
Bis zur Ausgabe vom 15. Oktober 1939 (einschließlich), wurde
im "Trost"-Impressum, auch eine WTG-Büro-Anschrift in Polen mit angegeben.
Inzwischen hatte die Tagespolitik, mit Ausbruch des zweiten Weltkrieges, neue
Sachlagen geschaffen. Einen Kommentar dazu indes gab es vorerst im "Trost"
nicht, sieht man von jener Kurzmeldung in "Trost" vom 1. 12. 1939 einmal ab,
die da besagte:
"Acht Tage Glockengeläute zum Fall
Warschaus
Berlin, 2. Oktober. Die Glocken sämtlicher Kirchen werden eine Woche lang
täglich, und zwar von 12 bis 13 Uhr läuten.
"Das Geläute ist", wie in einer amtlichen Mitteilung erklärt wird,
"gleichzeitig ein Zeichen des Dankes an die Gefallenen und des Sieges, der
durch den Einzug in Warschau seine endgültige Klärung erhalten hat"
Polen war ein katholischer Staat, und die Glocken, die den Sieg über diesen
Staat einläuteten, befanden sich auf Kirchengebäuden - auch auf katholischen!"
Eine schon etwas ausführlichere kommentierte Meldung, gab es dann dazu im
"Trost" vom 15. 12. 1939; dort war zu lesen:
Ordensverleihung für "Heldentaten in
Polen"
Hier sind eine Schar Flieger beisammen, viele deutsche und ein paar
slowakische. Es ist kurz nach der Ordensverleihung im schönen slowakischen
Kurort Pistyan. Bei den beiden Offizieren im Vordergrund sieht man die neue
Auszeichnung über den andern hängen. Wieder einmal ein Kreuzorden, diesmal
sogar mit zwei Querbalken. Denn die Kriegsauszeichnung ist von den Führern
eines katholischen Landes herausgegeben und verliehen.
Die vollständig katholisch beherrschte Slowakei verleiht Fliegern des Dritten
Reiches gerade zur jetzigen Zeit einen Orden? Allerdings. (Und das mag dem
katholischen Volk in demokratischen Ländern ein wenig zu denken geben!)
Der verliehene Orden ist keine Lebensrettungsmedaille. Es ist eine
Kriegsauszeichnung.
Hat es denn jetzt in der Slowakei Krieg gegeben? Nein, aber in Polen. Das ist
jetzt besiegt, zum guten Teil durch "Einsatz der Luftwaffe". Ein höchst
wirkungsvoller Einsatz, wie die Leichen von viel tausend polnischen Kindern,
Frauen und Greisen bezeugen.
Polen ist allerdings ein katholisches Land. Und für die erwähnten
"Heldentaten" im katholischen Bruderstaat verleiht die Slowakei Orden? (Wieder
etwas zum Nachdenken für ehrliche Katholiken.)
Sicherlich wird die arme slowakische Geistlichkeit von den deutschen
Protektoren hart bedrängt, so daß sie sich gegen derartige Sachen nicht
energisch zur Wehr setzen kann?
Weit gefehlt! Unser Bild zeigt ja auch einen gutgenährten, zufrieden
lächelnden Mann, dem man den katholischen Priester schon am Gesicht ansieht.
Er ist nicht nur Prälat, sondern war Ministerpräsident und ist seit kurzem
sogar Präsident der Slowakei. Es ist Herr Tiso.
Die Ordensverleihung an die deutschen und slowakischen Flieger "für Tapferkeit
in Polen" erfolgt durch katholischen Prälaten.
(Wieder etwas zum Nachdenken für ehrliche Katholiken.)
Diese sonderbar anmutenden Ehrungen sind übrigens gegenseitig. So meldete das
"Deutsche Nachrichtenbüro" am 26. Oktober aus Berlin: "Hitler hat dem
slowakischen Ministerpräsidenten Dr. Josef Tiso das Großkreuz des Ordens vom
deutschen Adler verliehen." -
Dr. Tiso ist immer noch römisch-katholischer Prälat, also Beamter der "alleinseligmachenden
Kirche" und angeblich ordinierter Diener Gottes. Er ist nicht exkommuniziert,
nicht einmal gemaßregelt. Was heißt das anders, als: Der Vatikan ist
einverstanden?
Wie wenig dieses Zusammengehen zwischen Nazis und Katholiken (o die armen
verfolgten Katholiken!) unter Zwang geschieht, zeigt die Tatsache, daß auch
unter den Auslandsslowaken für dieses Bündnis Propaganda gemacht wird, und
zwar durch katholische Geistliche.
Die "Post Tribüne" von Gary (Ill., USA.) erörterte kürzlich einen solchen
Fall. Der neu zu den dortigen Slowaken gekommene katholische Priester
entpuppte sich nämlich als fertiger Hitler-Propagandeur, lobte das neudeutsche
Regime bis in den Himmel und erklärte seiner Gemeinde, das slowakische Volk
sei mit der jetzigen Regelung sehr zufrieden.
Die Zeitung überschrieb ihre Notiz: "Von wem wurde Kochis hierhergeschickt, um
Reden zu halten?" Im Artikel selbst lautete ein Abschnitt:
"Wer ist dieser Ehrwürden Kochis, und was bezweckt er hierzulande? Ist er von
der unter deutscher Kontrolle stehenden Regierung des Dr. Tiso
herübergeschickt worden, um den in Amerika lebenden Slowaken die Schlafmütze
über die Augen zu ziehen?" -
Die Schlafmütze über den Augen? Hier in Europa scheint es bei den meisten
schon so weit zu sein.
Und dazu war dann noch ein der Presse entnommenes Bild mit beigefügt.
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 13. Dezember 2009 04:12
Und nicht vergessen (als ergänzender Kontrast zu dem im
vorigem Posting ausgeführten).
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 14. Dezember 2009 00:12
Es ist offenkundig, dass die schockierende Meldung über die Annexion Polens
durch Hitlerdeutschland, der ihr vorangegangene Diktatorenpakt zwischen
Deutschland und der Sowjetunion, was dann ja der faktische Beginn des zweiten
Weltkrieges war. Das dies alles und noch viel mehr, in der Tat denkenden
Menschen die Sorgenfalten in die Stirn trieb.
Es würde in der Tat verwundern, hätten die Zeugen Jehovas selbiges nicht auch
als "Wasser für ihre Endzeitmühle" ausgenutzt. Es ist festzustellen, dass man
sich diesbezüglich in der Tat nicht zu wundern braucht.
Dennoch muss immer wieder auf's neue betont werden. Das subjektive Empfinden
des kleinen Zeugen, in religiösen Ideologismen verstrickt, zu einer objektiven
Einschätzung kaum noch in der Lage, und vielfach von Wunschdenken geprägt
(es sei was man will).
Und auf der anderen Seite der Ablauf der Weltgeschichte, welche den Kern des
Wunschdenkens eben - nicht - bestätigte. Das ist eben die eigentliche Tragik,
die es zusätzlichen "Rattenfängern" (auch Hitler war solch einer. Aber
eben nicht nur er). Die es auch dem Rattenfänger Rutherford ermöglichte,
auf dem Leid von Millionen sein "Süppchen" zu kochen, ohne damit diesen
Leidtragenden irgendeine echte Hilfe zu bieten.
Die bornierte Gesamthaltung des Wunschdenkens kommt denn auch in der "Trost"-Ausgabe
vom 15. 12. 1939 wieder mal mit zum Vorschein, etwa wenn man da auch die
markigen Sätze lesen kann:
Hinter "Wällen aus Beton und Eisen",
Minenfeldern, Ballonsperren und ähnlichem suchen die Völker heute ein Gefühl
der Uneinnehmbarkeit, der Sicherheit zu gewinnen. Die ganze Welt gleicht einer
Festung. Die ganze Welt ist aber auch belagert. Allerdings macht sie sich
falsche Begriffe über die Art dieser Belagerung. Wenn sie an drohendes
Verderben denkt, so denkt sie an den Bolschewismus, oder an den Faschismus,
oder an die "gelbe Gefahr", oder einfach an das Heer des feindlichen
Nachbarlandes, nur nicht an Gott.
Wenn es sich um die Frage des Gerichts, der göttlichen Abrechnung über Gut
oder Böse dreht, halten es die Menschen gewöhnlich mit dem römischen
Prokurator Felix und sagen: "Davon reden wir ein andermal." ...
Der Zusammenbruch der bestehenden Weltordnung ist unabwendbar. Ihre
Vernichtung ist vom Allmächtigen beschlossen ...
Bekanntlich sagen oder denken viele bei solchen Betrachtungen:
"Schon wieder einmal Weltuntergangs-Katzenjammer! Wie oft war das nicht schon
in der Vergangenheit der Fall, und die Erde dreht sich trotzdem weiter so
hurtig und sicher wie je, und unter den Menschen wiederholt sich und verklingt
und wiederholt sich das alte Lied von Lust und Leid. Es geht alles im gleichen
Wechsel weiter, wie in den Zeiten unserer Väter.
Und ihr 'Bibelforscher', hört doch endlich auf mit dem blinden Alarm! 1914
sollte bei euch die Welt schon untergehen, dann 1925, und sie steht immer
noch. Ihr redet und redet nur immer, aber es kommt nichts." - ...
Solche Argumente haben schon in früheren Zeiten die Katastrophe nicht
abgewendet, sondern schließlich nur noch verheerender gestaltet."
Ob denn zwischen den verschiedenen Diktatursystemen "große" Unterschiede
bestehen, mag man in der Tat mehr als bezweifeln. Die "Firmenschilder"
erweisen sich zwar als unterschiedlich. Die Substanz indes, erweist sich als
verdächtig ähnlich.
Ich darf dann wohl eine persönliche Reminiszenz mit einflechten. Ich hatte das
zweifelhafte "Vorrecht", das fein ausgeklügelte Zensursystem der DDR, was
wissenschaftliche Literatur anbelangt, auch im Detail "auszukosten".
Man wird es wohl doch nachvollziehen können, dass unsereiner sich für ein
Buch, wie etwa das "Zürcher"(Harbeck)-Buch "Kreuzzug gegen das Christentum"
durchaus näher interessiert..
Der Haken an der ganzen Sache war nur der. Die Deutsche Staatsbibliothek in
Berlin, die selbiges zwar in ihrem Bestand hatte, gewährte dafür keineswegs
"freie" Einsichtnahme. Dieses Buch war denn nebst etlichen anderen Sachen,
fein säuberlich der dortigen sogenannten "Abteilung für spezielle
Forschungsliteratur" zugeordnet.
Dem gewöhnlich Sterblichen war es nahezu unmöglich, dort Zugang zu bekommen.
Dazu waren schon allerhand "hochrangige" Genehmigungen (bzw. "Befürwortungen")
vonnöten. In einem mehr als nervenaufreibenden Kampf, hatte ich mir dann
einiges "abgetrotzt". Und ich kenne sehr wohl jenen Lesesaal der Stabi für die
ASF-Abteilung, wo man dann, sofern man diese "heiligen Hallen" überhaupt
betreten durfte, einträchtig in den Regalen den "Völkischen Beobachter" oder
den "Stürmer" und ähnliches vorfand.
Nicht etwa, dass man darin etwa nach Lust und Laune mal rumblättern durfte.
Das wäre einem sehr angekreidet worden (dazu war wiederum wie gehabt, eine
Genehmigung erforderlich). Und wenn man denn jene Abteilung weiter nutzen
wollte, da war es selbstverordnete Einsicht, nicht über "die Stränge zu
schlagen."
Da lernte man denn auch vom sehen so einige andere Benutzer dieses Lesesaales
kennen. "Überfüllt" war dieser kleine Lesesaal nie.
Obwohl auch diejenigen, die etwa in der DDR das "Privileg" hatten, mal im
"Spiegel" oder ähnliches zu lesen, genau auch in diesen Lesesaal beordert
wurden. Auch für sie galt. Sie konnten dann zwar ihren bestellten "Spiegel"
lesen (dort). Aber eben nicht in einer Anwandlung von Lust mal im "Völkischen
Beobachter" blättern, obwohl selbiger buchstäblich zum Greifen nahe war.
Und zum "Spiegel" wäre noch anzumerken. Zeitweilig wurde der dem Osten zu
unbotmäßig. Folge. Auch die Stabi bestellte ihn ab. Wer also nach jenen
fehlenden Jahrgängen gezielt fragte (was ich auch mal getan) war gezwungen
nach Leipzig zur Deutschen Bücherei zu reisen. In ganz Ost-Berlin gab es jene
fehlenden Jahrgänge indes nicht.
Das also als eingeflochtene persönliche Reminiszenz.
Und damit komme ich dann zu dem Ausgangssatz, dass zwischen den
unterschiedlichen Diktatursystemen wohl keine wirklichen relevanten
Unterschiede bestehen. Egal ob sie nun unter dem Firmenschild "Zeugen
Jehovas", oder auch unter dem Firmenschild zeitgenössische katholische Kirche
dahersegeln.
Das beide Genannte nicht sonderlich "gut" aufeinander zu sprechen sind, wurde
hier schon verschiedentlich dokumentiert.
Und wieder einmal fand "Trost" in seiner Ausgabe vom 15. 12. 1939, einen
Anlass, seinem Haßgegner eins "auszuwischen". Das mich das darin ausgesagte
auch persönlich berührt, hatte ich versucht mit der eingeflochtenen
Reminiszenz zu verdeutlichen.
Nun noch in Auszügen einiges aus dem offerierten "Trost"-Text:
"Strengstens verboten"
Exkommunikation"
Wenn Sie einmal von einer Schrift über biblische Wahrheiten besonders
begeistert sind, vielleicht von Richter Rutherfords neuester Broschüre
,,Herrschaft und Friede", und Sie treffen zufällig einen katholischen Priester
und sagen sich: "Das müßte der Mann auch lesen", finden aber, daß er es nicht
lesen will, so sollten Sie nicht allzu verwundert sein. Vielleicht will er,
aber darf nicht?
Zwar mögen Sie denken, dieser Mann, als "Seelenhirte" und ,,geistiger Führer"
vieler Leute, dürfe sich doch selbstverständlich mit jeder geistigen, und noch
dazu biblischen Frage auseinandersetzen und ohne weiteres alles lesen. Das
hatten wir auch gedacht, aber es muß ein Irrtum sein.
Denn im "Christophorus" von Arlesheim, Nummer vom 15. Oktober 1939, steht:
"Die Bande der sogenannten Bibelforscher
ist von Zeit zu Zeit immer wieder am Werk, unsaubere Schriften und Bücher zu
verteilen und sogar noch Schallplattenvorführungen zu geben. Es ist
strengstens verboten, solche Schriften im Hause aufzubewahren und überhaupt zu
lesen.
Sogar der Priester muß von seinem. Bischof extra Erlaubnis haben, aus
wissenschaftlichen Gründen solche Sachen lesen zu dürfen.
Wie will dann irgendein Christ, der die unsauberen Gedanken ahnungslos liest,
ohne Schaden bleiben? Wie im Militär, so muß auch in der Hl. Kirche Gottes
Disziplin gehalten werden. Also: die Türe weisen. Strafe der Exkommunikation.
Es ist überhaupt interessant, daß in Bern diese Volksverderber eine offizielle
Adresse führen dürfen." -
Und dazu kommentiert "Trost" dann:
Also sogar der ,,Seelsorger" darf das,
was die Wahrheit aus Gottes Wort enthält, nicht ohne Erlaubnis des Bischofs
anrühren. Unmündige "Seelenhirten"!
Wenn ein Diktator römisch-katholischer Religion ein Verbrechen nach dem ändern
begeht, wird er trotzdem nicht exkommuniziert. Dagegen droht einem ehrlichen
Wahrheitssucher die Exkommunikation schon, wenn er nur ein kleines Heft
durchliest. ..."
1939
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