Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise (1927)

Einige Stichworte in diesem Jahrgang (in Auswahl):

Fischer-Jäger, Impfgegner, Mexiko, Heilpraktiker Erwin Hof, Honig, "Heiliger Rock" zu Trier, Konnersreuth, Rohkost, Landbote für Schlesig-Holstein, Curt Bran, Balzereit, elektrischer Pflug, Bibelforscher-Tagung, Berlin 1927, Flinders Petrie, Konkordat

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Wandlungen der „Fischer-Jäger"-Auslegung
Auf die Entdeckung einer „Marktlücke" durch die WTG, namens Begräbnisansprachen, auch für solche, welche Organisatorisch mit ihr nicht verbunden gewesen sind, wurde schon im Rahmen der Serie „Im Zeitspiegel" hingewiesen.
Siehe dazu
Parsimony.22958
Parsimony.22970

Offenbar war es die „Goldene Zeitalter"-Ausgabe vom 1. 1. 1927, die im besonderen darauf hinwies.
Weiter in jener Ausgabe.
Einen Israel bezüglichen Artikel in den „Dresdener Neuesten Nachrichten" entdeckend, nimmt das „Goldene Zeitalter" vom 1. 1. 1927 selbigen zum Anlass um unter der Überschrift „Alte Prophezeiungen und ihre wunderbare Erfüllung", zugleich Reklame für das im eigenen Verlag erschienene Rutherford-Buch „Trost für die Juden" zu machen.

Und zu den weiteren Kommentaren in dieser Sache gehören dann auch noch die Sätze:

„Es ist jedoch bedeutsam zu sehen, wie alle Prophezeiungen der Schrift, die vor Jahrhunderten, ja vor Jahrtausenden gesprochen und niedergeschrieben wurden, sich heute erfüllen, nämlich jene von der Wiedereinsammlung Israels nach Palästina. Wie bemerkenswert ist jene Prophezeiung in Jeremia 16:16, wo der Prophet sagt, daß Gott zunächst zu Fischern senden werde, um die Juden nach Palästina zu führen, womit zweifellos das vergebliche Bemühen der verschiedensten kirchlichen Bekenntnisse, die Juden zum Ergreifen ihres Messias Jesus zu veranlassen, bezeichnet wird. Derselbe Prophet fährt dann fort zu zeigen, daß Gott danach zu vielen Jägern senden würde, was unzweifelhaft auf die verschiedensten Judenverfolgungen Bezug nimmt, welche fast alle Länder der Welt in der Vergangenheit sahen. Doch das gesegnete Endresultat auch in dieser Beziehung ist:
„Ich werde sie in ihr Land zurücksenden, das ich ihren Vätern gegeben habe."

Solcherlei Thesen, auch von anderen Philosemiten vertreten, etwa dem Ernst F. Stroeter, entwickelten noch ihre makabere Eigendynamik. Extreme Beispiele, etwa die den Zeugen Jehovas nahestehende „Tagesanbruch Bibelstudien Vereinigung", deuteten gar den Hitler'schen Antisemitismus als diesbezügliche „Bibelerfüllung".
Mysnip.112948
Auch in der Schrift „Gott und Vernunft" dieser Gruppe kann man lesen:

„Es sei zugegeben, dass in den letzten Jahren die Juden aufs neue verfolgt wurden, und dass ihre Vorrechte in Palästina beschnitten worden sind; aber auch diese Erfahrungen stimmen mit den Prophezeiungen überein und beziehen sich auf jenen Zeitabschnitt, in dem die göttliche Gunst sich ihnen wieder zuwenden wird. Gottes Prophet sagte klar und deutlich, dass "Jäger" ausgesandt werden würden, um die Juden in ihr eigenes Land zurückzutreiben. (Jer. 16:16) Ferner, dass schliesslich Gott sich ins Mittel legen werde, um sie von ihren Feinden zu erretten, nachdem sie sich im Heiligen Lande niedergelassen haben würden."

Seitens der WTG gab es dann noch einen namentlich „Fischer und Jäger" betitelten WT, worüber etwa Friedrich Zipfel, bezugnehmend auf die Verhaftung des WTG-Funktionärs Franz Fritsche reflektierte.
Nach Zipfel wurde Fritsche am 25. 1. 1944 verhaftet. Zu den Anwürfen des Naziregimes gehörte, WT-Artikel vervielfältigt zu haben. Einige davon werden namentlich genannt. Eben auch einer der „Fischer und Jäger" betitelt war.

Hierbei ist allerdings zu sagen, dass der Philosemitismus der WTG in späteren Jahren wieder aufgegeben wurde. Gleichwohl wirkten die Ursprungsthesen noch bis in die KZ's hinein nach, wenn etwa KZ-Kommandant Höß reflektiert, und darüber verwundert selbst er sich, die Bibelforscher würden meinen, die Juden würden zu Recht leiden.

Aber es ist offensichtlich, dass die Auslegung der ominösen Fischer - Jäger Bibelstelle, bezogen auf die Juden von der späteren WTG, aufgegeben wurde. Schon in dem Rutherford-Buch „Religion" wurde sie anders gedeutet. Jetzt sah man sich selbst in der Rolle der „Fischer und Jäger".

Ein früher Beleg für diesen Wechsel kann man auch dem Jahrgang 1945 des internen Blattes „Informator" entnehmen. Dort entblödet man sich ja diese Bibelstelle in den Kontext zu setzen, dass die WTG (damals) forderte, Sonderpioniere hätten 175 Stunden und allgemeine Pioniere 150 Stunden Predigtdienst zu erbringen.

Auch in den internen Mitteilungen für die deutsche Untergrundorganisation
19432Briefe1943
fand man schon diesen Paradigmawechsel, wenn es auch darin drohend hiess:

„So bitten und ermahnen wir Euch denn, unverzüglich noch einmal, die WT "Fischer u. Jäger", "Trost für die Versprengten" und wenn möglich, auch "die Prophezeiung Michas" gebetsvoll und sorgfältig zu studieren und Ihr werdet überzeugt werden, daß der Herr in Eile noch ein sehr großes Werk vor den Hereinbruch der Schlacht von Harmagedon an den Menschen guten Willens für uns vorgesehen hat.

Wer sich daher weigert oder es unterläßt, unter das Volk zu gehen und die Menschen in ihren Wohnungen aufzusuchen, um ihnen die lebenspendende Botschaft vom Herrn zu überbringen, und wer die hindert oder entmutigt, die dem Herrn gehorchen, indem sie den Menschen die Botschaft der Wahrheit bringen, offenbart, eine lieblose und ungerechte Gesinnung, weil er dadurch die Jonadab-Klasse erbarmungslos dem Scharfrichter ausliefert, damit sie in Harmagedon hingerichtet werde. Eine Unterlassung oder Weigerung, diese Verantwortung zu übernehmen und zu erfüllen, wird der Herr keineswegs unbeachtet lassen."

Setzt man diese beiden Auslegungsvarianten ein und derselben Bibelstelle im Vergleich, kommt einem wohl unwillkürlich der Spruch in Erinnerung, von der alten Fidel, auf der man denn jedes Lied spielen könne!

Rauschgiftdealer und das der schlimmsten Sorte!
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 26. Januar 2012 01:00
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise
Rauschgiftdealer und das der schlimmsten Sorte!

Eine ständige Rubrik der Magdeburger Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" (auch im Jahrgang 1927) trug die Überschrift „Zeichen der Zeit des Endes". Obwohl sich die Inhalte der Magdeburger und der Berner Ausgabe des „Goldenen Zeitalters", bezogen auch auf die jeweils gleichen Datumsausgaben, im Jahre 1927 weitgehend angeglichen haben (was nicht immer der Fall war), übernahm das Berner GZ die Rubrik „Zeichen der Zeit des Endes" nicht immer. Nun soll man diesen Umstand nicht überbewerten. Ideologisch schwammen beide Ausgaben ja im gleichen Kielwasser. Aber da es nun mal ein gewisser Unterschied war, braucht man ihn auch nicht zu verschweigen.

Der Inhalt dieser Rubrik lässt sich stellvertretend auch an der Magdeburger Ausgabe des GZ vom 15. 1. 1927 verdeutlichen. Darin las man unter anderem:

„Die deutsche Regierung gestürzt. Durch die vereinigte Opposition der Sozialdemokraten und Deutschnationalen ist das Kabinett Marx gestürzt worden ..."

Oder (jetzt nur noch die Überschriften zitiert):

„Staatsstreich in Litauen ...
Große Schneestürme in Spanien. ...
Amerikanische Intervention in Nicaragua ...
Krisenwirrwarr in Südslawien."

Beide genannte GZ-Ausgaben brachten zeitgleich auch noch einen umfänglicheren „Ein drohender weltweiter Rassenkrieg" überschriebenen Artikel. Der lag denn auf der gleichen Wellenlänge der vermeintlichen „Zeichen der Zeit des Endes".
Nun ist es unbestritten, dass es weltpolitische Spannungen in Vergangenheit und Gegenwart gibt. Der Mensch erntet eben das, was er sät. Es ist jedoch nicht damit abgetan, sich in der Rolle des Schwarzmalers darzustellen, der wenn er denn mal aufgefordert werden sollte, etwas anderes als nur schwarz zu malen. Entrüstet darauf verweist: Aber doch nicht ich!

Ideologieverkäufer haben eine grosse Verantwortung. Ideologieverkäufer wollen auch eines vor allem. Von ihrem (Schrott) auch materiell leben, und das möglichst nicht schlecht. Windige Ideologieverkäufer müssen deshalb auch damit rechnen, dass man ihnen (früher oder später) auf den Kopf zu sagen wird, was sie vor allem sind:
Rauschgiftdealer und das der schlimmsten Sorte!

„Münchner Post"
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 12. Februar 2012 04:01
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise
„Münchner Post"

Die GZ-Ausgabe vom 1. 2. 1927 entdeckte auch einen Pressebeitrag, den sie auch ihren Lesern genüsslich zelebriert. Aus der Zeitung „Münchner Post" zitiert man eine Art selbstkritischen Beitrag. Selbstkritisch in dem Sinne, dass da die Kreise angesprochen sind, für welche die „Münchner Post" im besonderen spricht.
Und in diesem Text liest man denn auch die Sätze:

„Unsere Religion ist bürgerlich geworden. Sie ist gesättigt, behaglich, ohne Fragen. Sie verbietet sich jede Störung. Der Mechanik des Sonntags entspricht die Gottlosigkeit des Alltags. -
In diese Religion gehört der Priesterbeamte, der definitive Katechet, der vom Staate besoldete Religionsprofessor, alles ist System ...
Und so hat die Religion die Kraft verloren, das Feuer zu sein ...
Wir haben eine Furcht vor dem Worte Gottes. Aber selbst diese Furcht fällt uns nur selten an. Dafür sorgt schon das System. Der Beamte herrscht, und der Prophet wird zum Narren erklärt. - ...
Und unsere Kirchen werden immer leerer. Wien, du katholische Stadt, so gerühmt auf dem ganzen Erdkreis, wo Brüder mit Liebe und heiligem Stolz die Werke Gottes preisen, Wien - in dir kommen nur mehr fünfzehn von hundert deiner Getauften, um Sonntags das Mysterium der Erlösung zu feiern! - Anderswo ist es nicht anders. -"

Diese Meldung ist denn für das GZ das gefundene Fressen; wähnt man sich doch haushoch überlegen diesbezüglich. Indes das darf man den „Körperschaften des öffentlichen Rechts" noch mit auf den Weg geben. Das „letzte Wort" ist diesbezüglich noch nicht gesprochen.
Und: Nichts ist so alt, wie der Ruhm von gestern!

Die Impfgegner spielen sich gegenseitig die Bälle zu
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 20. Februar 2012 04:13
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise
Die Impfgegner spielen sich gegenseitig die Bälle zu

Die Meldung ist zwar knapp, aber im Kontext der zeitgenössischen Bibelforscher, inhaltsschwer. Sowohl in der Schweizer als auch in der deutschen Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" liest man in der Rubrik „Fragekasten" nachfolgenden Text (1. 2. 1927):

„Frage: Wo kann man Näheres über Impfangelegenheiten erfahren und an wen könnte man sich evtl. um Auskunft und Hilfe wenden?
Antwort: Der Verband der Impfgegner e. V., Leipzig V 28, Paulinenstraße 21 ist in der Lage im oben genannten Sinne zu dienen."

Wenn das mal keine Reklame ist, noch dazu für diesen Verband eine kostenlose!
Machten sonstige Tageszeitungen für diesen Verband Reklame? Ein entsprechender Beleg ist mir jedenfalls nicht bekannt. Auch das GZ nennt solche Belege nicht. Es tritt daher mit seiner Meldung aus dem Rahmen dessen heraus, was man auch in anderen Zeitungen lesen könnte. Irgendwelche Kritik baut es in diese Meldung auch nicht mit ein. Es macht sich somit zum Kumpan dieser Bestrebungen. Das wusste man zwar auch so. Nur eben das „Goldene Zeitalter" bestätigt es nochmals ausdrücklich.

In der Magdeburger Ausgabe des GZ vom 1. 3. 1927 nimmt man das Thema erneut auf; diesmal aber etwas ausführlicher:

„Die Impfung und ihr in mancher Beziehung zweifellos schädliche Folgen.
Bei verschiedenen Anlässen haben wir bereits in den Spalten des G. Z. auf den Verband der Impfgegner aufmerksam gemacht. Die verschiedenen Anfragen aus den Kreisen unserer lieben Freunde und Leser des G. Z. immer einzeln zu beantworten, ist uns unmöglich, und darum verweisen wir alle unsere lieben Freunde und Leser, die irgendeine Auskunft in Fragen der Impfung oder über Schritte, die getan werden müssen bei eingetretenen Impfgiftschäden, zu erhalten wünschen, an den Verband der Impfgegner e. V., Leipzig o 28, Paulinenstraße 21. Schriftliche Anfragen dort werden stets umgehende Erledigung finden. Die Schriftl. des G. Z."

Offenbar muss sich aber auch das „Goldene Zeitalter" mit dem Umstand auseinandersetzen, dass solcherlei massive Reklame, zugleich auch windige Geschäftemacher mit auf den Plan ruft. In einer weiteren Kurzmeldung, diesmal in der GZ-Ausgabe vom 1. 6. 1927, kann man trotz der Kürze des dort verlautbarten Textes, den dennoch Bände sprechenden Satz lesen:

„Zur Beachtung:
Um unsere Leser vor Kosten zu schützen, machen wir erneut darauf aufmerksam, daß alle Anfragen, Impfangelegenheiten betr., nicht an den vom Impfgegnerverband ausgeschlossenen Georg Kapphahn, sondern an den Impfgegnerverband, Leipzig O 28, Paulinenstraße 21, zu richten sind."

Wie letzterer einzuordnen ist mögen dann die Bibliographischen Angaben zu einer anderen Schrift, verdeutlichen:
Voigt, K.:
„Medizin ist Gift! Gegen den Arzneiaberglauben und andere Verirrungen der Wissenschaft. Naturgemäße Heilmethoden!"
Leipzig, Georg Kapphahn Verlag, 1922.
Oder auch diese:
Georg Kapphahn
„Hypnose. Ihre Geschichte, ihr Wesen und ihre Anwendung".
Leipzig, Kapphahn, 1923.

Die Grippeseuche
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 24. Februar 2012 22:46
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise
Die Grippeseuche
„Harmagedon" das Lieblings- und Standardthema der Bibelforscher/Zeugen Jehovas, findet man auch in der Ausgabe vom 15. 2. 1927 des „Goldenen Zeitalters", vielfältig reflektiert. Schon die „Standardrubrik" der Magdeburger Ausgabe selbigen mit dem Serientitel: „Zeichen der Zeit des Endes", strotzt in dieser Ausgabe nur so von einschlägigen Meldungen. In Auswahl zitiert zum Beispiel diese:

„Die Grippeseuche in Berlin. 50 neue Erkrankungen. ...
Die Grippeseuche in der Tschechoslowakei. Die Preßburger Schulen sind wegen der Grippeepidemie geschlossen. In Prag werden alle Bälle und Massenveranstaltungen wegen der Grippe verboten.
Die Grippeseuche in Baden geht nicht zurück. Schulen geschlossen. ...
Grippeseuche in München. Innerhalb zehn Tagen 943 Grippeerkrankungen, 3 Todesfälle.
Influenza in Budapest. 300 Erkrankungen, 3 Todesfälle
Grippeseuche in Leipzig. Täglich 200 neue Krankheitsfälle, zwei tödlich."

Das Thema erwies sich wohl für das GZ als eine Art „Dauerbrenner", denn nur einen Monat später, in der Ausgabe vom 15. 3. 1927, gab es dazu, einen diesmal ausführlicheren „Nachschlag". Genannte GZ-Ausgabe berichtet:

„Noch ist der Schrecken der großen spanischen Grippe nach den Kriegsjahren in aller Erinnerung, und schon wieder jagt eine Krankheitswelle über den Erdenball, diesmal besonders Europa heimsuchend.
Angesichts der rasenden Verbreitung dieser Krankheitswelle hat sich die Hygiene-Abteilung des Völkerbundes veranlaßt gesehen, ein tägliches Bulletin über den Stand besonders der Grippe-Epidemie herauszugeben. Außerdem hat die genannte Abteilung bei den maßgebenden Gesundheitsbehörden der europäischen Staaten eine Umfrage veranstaltet, die kürzlich folgendes Ergebnis hatte.
Es berichten:
Belgien hat zahlreiche Grippefälle, die sich durch leichten Verlauf und kurze Krankheitsdauer auszeichnen.
In Dänemark zeigte sich ein epidemieartiger Anstieg von Grippeerkrankungen im Laufe der dritten Dezemberwoche vorigen Jahres, namentlich in den Städten des südlichen Teiles von Jütland. In der letzten Dezemberwoche sprang die Epidemie nach Fünen über, ohne den nördlichen Teil von Jütland zu erreichen. Eine Reihe von Fällen wurden in Kopenhagen und sonst auf der Insel Seeland festgestellt.

In Spanien bemerkte man die ersten zahlreicheren Grippefälle anfangs Dezember, in dem nahe der französischen Grenze gelegenen Städten, vor allem in St. Sebastian und Barcelona. In Madrid hielt die Grippe Mitte Dezember ihren Einzug und entwickelte sich dort sehr schnell. Aber auch hier zeigten die Fälle überall einen gutartigen Charakter. Die Sterblichkeit war nicht höher als in dem entsprechenden Zeitabschnitt des vergangenen Jahres.
In Frankreich wütete und wütet die Grippeepidemie in den mittleren, östlichen und südlichen Landesteilen. Statistische Angaben lagen bisher nur für Paris vor. Es starben dort in der Zeit vom 20. November bis 31. Dezember 343 Personen an Grippe (Gesamtzahl der Todesfälle: 6324) und vom 20. November bis 20. Dezember an Krankheiten der Luftwege, die bekanntlich vielfach auf eine Infektion mit Grippe zurückgeführt werden 992 Personen (Gesamtzahl der Todesfälle: 4382). Die Niederlande werden von der Grippe seit Weihnachten 1926 heimgesucht. Als besonders bedeutungsvoll wird darauf hingewiesen, daß die Krankmeldungen wegen Grippe der im öffentlichen Dienst stehenden Beamten, vor allem der in Innenräumen tätigen, bisher im Januar dieses Jahres 2- bis dreimal so hoch waren wie in der gleichen Zeit des Vorjahres; beispielsweise erkrankten von den in einem Amsterdamer Krankenhause tätigen Krankenwärtern 25 Prozent.
In Norwegen zeigte die Grippeepidemie, über deren Beginn Angaben nicht gemacht werden, abgesehen von der Häufung der Erkrankungen, nichts Besonderes. In Oslo wurden im Monat Dezember 501 Grippeerkrankungen mit 2 Todesfällen, 913 Luftröhrenerkrankungen mit 3 Todesfällen und 32 Erkrankungen an Lungenentzündung mit 7 Todesfällen gemeldet.
Die Schweiz benennt als Ausgangspunkt der dort herrschenden Grippeepidemie den 10. Dezember 1926. Die Seuche zog besonders die Kantone Bern, Basel-Stadt und Genf in Mitleidenschaft. Obwohl die Erkrankungen auch dort in der Hauptsache gutartig verliefen, mehren sich in der letzten Zeit die Komplikationen seitens der Lunge ganz erheblich. Die Todesfälle betrafen wie in Frankreich vor allem ältere weibliche Personen.
Inzwischen hat nach amtlichen Veröffentlichungen die Grippe auch auf Österreich übergegriffen. Auch in Deutschland befällt die unheimliche Seuche immer weitere Gebiete. Aus Breslau wird gemeldet, daß eine Zeitlang täglich über 300 Neuerkrankungen aufgetreten sind. In West- und Süddeutschland breitet sich die Grippe immer mehr aus. In Köln sind mehr als 1000 Personen schwer erkrankt. Auch in Koblenz ist eine Zunahme, besonders der schweren Lungenerkrankungen, zu verzeichnen. Die Zahl der Grippekranken in Offenbach beträgt etwa 1800. In fast allen größeren Städten Badens, so auch vor allem in Karlsruhe, mußten die Krankenhäuser von einem großen Teil der dort stationierten Patienten geräumt werden, um den ungeheuren Zugang an Grippekranken ärztlich versorgen zu können. In großen Teilen Süddeutschlands mußten Betriebe geschlossen werden, bezw. mit verminderter Belegschaft arbeiten, da häufig mehr als ein Drittel der Arbeiter und Angestellten grippekrank ist. Die Zahl der Grippekranken in den größeren Städten Südbadens wird nach amtlicher Mitteilung auf über 50000 geschätzt. In Kehl, wo die Krankenhäuser mit Grippekranken überfüllt sind, und in Straßburg nimmt die Sterblichkeit beängstigend zu.
Vereinzelt werden auch andere seuchenartige Krankheiten gemeldet. So wird aus Charbin berichtet, daß in der Mongolei die Pest wüte. Bisher seien allein 4000 Pferde der Pest erlegen, sodaß die Ausfuhr von Fleisch aus der Mongolei über Rußland nach England verboten werden mußte. Und aus Galizien kommt die Kunde, daß speziell im Kreise Perzynnek (Ostgalizien) eine choleraähnliche Epidemie ausgebrochen sei. Zeitungen berichten, daß täglich 20 bis 50 Todesfälle zu verzeichnen wären, und daß die bisher angewandten sanitären Vorbeugungsmaßnahmen sich nicht als genügend erwiesen hätten.
Die Ursache der Grippe wird meist auf die nasse Witterung zurückgeführt. Die Ärzteschaft rechnet damit, daß bei Eintritt von Frostwetter ein Rückgang der Seuchen zu verzeichnen sein wird. Aber gerade das rasch wechselnde Klima unserer Zeit, heute Frost, morgen Schnee und übermorgen schon Regen, geben der unheimlichen Krankheit weiteren Nahrungsstoff. Und es darf nicht wunder nehmen, wenn unter dem Einfluß der Seuche auch viele Fälle von Schnupfenfieber und Lungenentzündung auf das Konto „Grippe" gebucht werden . ..."

Derart eingestimmt fragt man sich. Dann hat die europäische Menschheit also nicht bloß zwei, sondern gar drei Weltkriege erlitten. Der dritte wohl offiziell als solcher nicht anerkannte, war dann wohl jene Grippeepidemie, von der das GZ so umfänglich-schreckliches zu berichten weis. Dann ist es wohl eine Art „Wunder", das trotz alledem, die europäische Bevölkerung immer noch nicht restlos ausgerottet ist.

Wem vielleicht vorstehende Berichte etwas zu einseitig erscheinen, und wer auf Argumentation der vorgenannten Art nicht so recht anspricht. Auch an diese „ungläubige Thomasse" hat das GZ gedacht. Dem müsse man eben mit anderen Argumenten „überzeugen". Vielleicht mehr in die politische Richtung gehend. Und siehe da; auch in der Richtung wurde das GZ fündig.

Nun jagen durch politische Entscheidungen (Fehlentscheidungen) noch heute nicht wenige Meldungen, ebenfalls nicht wenigen, die Angstschauer über den Rücken. Dabei soll durchaus nichts bagatellisiert werden; der Mensch erntet in der Tat das, was er sät.

Nur das muss man dann aber auch sagen. Auch den Zeitgenossen des Jahres 1927, namentlich wenn sie Leser von WTG-Publikationen waren, erging es ähnlich.
Nachstehend denn mal (kommentarlos) zitiert, einige der Angstschauer des Jahres 1927, welchen das „Goldene Zeitalter" in einem „Harmagedon" überschriebenen Artikel, in dieser GZ Ausgabe, ihren Lesern zu kredenzen sich bemüht:

„Wir nehmen täglich die Zeitung zur Hand, um immer wieder festzustellen, wie es im Reiche des Fürsten dieser Welt auf der Erde drunter und drüber geht, wo der Teufel wütet, weil er weiß, daß er wenig Zeit hat. ...Regierungskrise folgt auf Regierungskrise in allen Ländern; die Ministerwechsel sind Tagesordnung geworden; eine Kleinigkeit vermag einen Minister - und sei er noch so tüchtig - gehen heißen; eine Zufallsmehrheit oder -minderheit stürzt ein ganzes Regierungskabinett. Der Völkerbund ratet in einer Ratlosigkeit mit zahllosen Organen, Kommissionen, Konferenzen. Unter.- und Zwischenkommissionen, mit Bergen von Papier, Kundgebungen, Beschlüssen, Prüfungen, Kontroll- und Forschungsreisen, daß dem Zuschauer vor dieser ungeheuren Arbeit Angst und Bange werden könnte. Doch - der Berg kreist und ein Mäuslein wird geboren.

Ein betrunkener französischer Leutnant schießt einige Deutsche tot, wird vom Gericht zu Landau freigesprochen und sofort ist das Ergebnis monatelanger Völkerbundssstreit ... Ein Gnadenakt - besser gesagt Verlegenheitsakt - vermag noch einmal die Situation zu retten. Dabei sind die Völker von einer Nervosität aufgeregt, die den wissenden Beobachter immer aufs Neue in Staunen versetzt.

Eine Bierrede (Dr. Stresemann in Genf) vermag ganz Frankreich außer Rand und Band zu bringen und die Journalistenfedern der halben Welt wochenlang in Bewegung zu setzen, weil schon von einer Bierrede das Wohl und Wehe der Nationen der Erde abhängt.

Das Gebaren eines kleinen aber schlauen Gernegroßes, des Präsidenten von Albanien, vermag ein halbes Dutzend Nationen in Atem zu halten, während im Hintergrunde die Großmächte, dauernd rivalisierend, auf dem Sprunge stehen, um bereit zu sein, sobald der Funke in dieses Pulverfaß - das noch immer der Balkan ist - fällt.

Kann sich eine Prophezeiung treffender erfüllen als Jesaja 8:10? „Beschließt einen Ratschlag und er soll vereitelt werden; redet ein Wort und es soll nicht zustande kommen." Alles dieses aber ist der Auftakt zu dem großen Kriege von Harmagedon ...

Während die europäischen Staaten eifrig damit beschäftigt sind, den Vertrag von Versailles auf Gültigkeit und Ungültigkeit, auf Durchführbarkeit und Undurchführbarkeit, auf Nutzen und Schaden für die einzelnen Nationen und für Europa zu bearbeiten, zu prüfen, zu zerpflücken, zusammenzuhalten, zu sezieren; während der Völkerbund in eifriger Papierarbeit von Konferenz zu Konferenz, von Kommission zu Kommission eilt oder schleicht, je nachdem man's nimmt, dieses Todes- und Mordinstrument, genannt „Friedens"- Vertrag von Versailles als Ausgangspunkt und Mittel seiner Tantalusarbeit benützend, von der nicht loszukommen ist - während Europa blind für alles andere sich um sich selber kreisend dreht - rückt das Weltgeschehen Schritt für Schritt vorwärts, mit ehener Notwendigkeit und Folgerichtigkeit erfüllend ...

Wenn in diesen Tagen von dem werdenden „asiatischen Völkerbund" (Rußland-Türkei-China) geredet wird, so taucht neben diesem Pan-Asien das Pan-Europa oder die Vereinigten Staaten von Europa auf und man sieht einmal den Unterschied in der Tendenz dieser beiden Mächtegrupen in der Theorie, indem der Gedanke Pan-Europa - noch weit entfernt, Wirklichkeit zu werden - auf den Weltfrieden eingestellt ist, während Pan-Asien - dicht vor der Wirklichkeit stehend - wie Figura zeigt, sich gegen die Knechtung der farbigen Völker durch die weiße Rasse richtet und so zum anderen in der Praxis das Bild klar zwei Fronten scharfer Gegner erkennen läßt: das degenerierte, auf Völkermord und Völkerentrechtung aufgebaute und daran zugrunde gehende Europa einerseits und das erwachende, nach Freiheit und Gleichberechtigung dürstende Asien, dem sich Afrika bereits ganz bemerkenswert anschließt, andererseits. Die Theorie des Pan-Europa-Planes scheitert an den Sünden der Vergangenheit seiner Völker und die rauhe Wirklichkeit stellt es eines baldigen Tages vor die Tatsache, anstatt Frieden zu schaffen, Krieg zu ernten ...

Um noch einmal das Stichwort Grippe-Epidemie aufzunehmen, veranschaulicht an einem Kontrastbeispiel.
Unter dem Titel „Religiöse Volkskunde" publizierte im Jahre 1925 ein Herr Joseph Weigert, katholisch orientiert, eine Schrift. Seinen „Bauchschmerzen" begegnet man in dieser schon mal in der Form der Klage:

„Dagegen hat gefehlt die Aufklärung des 18. Jahrhunderts. Sie hat alles Volkstümliche in der Religion als Götzendienst und Aberglauben hingestellt und bekämpft und abzuschaffen gesucht:
Die vielen Feiertage, die Darstellung des Glaubensgeheimnisses, die Prozessionen, Wallfahrten, Bruderschaften, die Heiligenverehrung, die religiösen Volksschauspiele, die Feldkreuze und Waldkapellen. -
Dagegen fehlt mancher Übereifrige, der am Volk zu viel erziehen, zu viel herumdoktern will."

Er meinte seine Klage noch mit einem anderen Beispiel belegen zu sollen. Und zwar diesem.

„Als 1836 die Cholera Deutschland bedrohte und dann wirklich auftrat, wurde in einem deutschen Staat durch einen Ministerialbefehl den Pfarrern und Seelsorgern aufgetragen, sie sollten vor allem das Volk vor dem Aberglauben bewahren, als wäre die Cholera eine Strafe Gottes; denn dieser Aberglaube könne wie jeder andere nur verderblich wirken. Sie sollten das Volk über die Natur dieser Krankheit und ihre Ansteckung belehren und es vor aller Furcht und Bangigkeit bewahren."

Aber o weh, meint er weiter zu wissen;

„Die Pfarrer hatten schwere Arbeit, denn als eine Belohnung Gottes konnte doch niemand dieses Übel ansehen.
Und das Volk war nun einmal so, daß es an eine Weltregierung Gottes und an göttliche Belohnung und Strafen (und Prüfungen - setze ich (Weigert) hinzu) glaubte."

Noch ein weiteres in seiner Sicht Buhmann-Beispiel, meint er seinem Publikum offerieren zu können. Und zwar dieses:

„Bölsche, berauscht von den Erfolgen der Naturwissenschaft, hat gemeint

„Der Blitzableiter hat das Kreuz besiegt; er ist stärker als das Kreuz."

Aber, so weiter Weigert, das sei

die alte Täuschung. Aber man kann wohl vergessen, daß hinter der Natur Gott steht, von dem man immer abhängig ist."

Zwischen den Zeilen lässt also Herr Weigert durchblicken.
Egal ob ein durch Blitzeinschlag entstandener Schaden, oder eben auch eine Cholera-Epidemie. Die möchten er und seinesgleichen, zu allererst für ihr „Theologiesieren" verwendet sehen.
Diffuse Ängste eher verstärkend, denn dämpfend, den auf dieser Basis lässt sich für Seinesgleichen das Geschäft der Ausbeutung am wirkungsvollsten realisieren.
Besagter Herr hätte sich im Mittelalter auch vortrefflich als „Haus- und Hoftheologe" der Geissler geeignet, die da auch wähnten, durch Selbstgeisselungen ein Ungemach abwenden zu sollen. Genau auf diesem Wege, das aber nicht erreichten. Nur durch strengste Hygiene hätten sie eine Chance gehabt, nicht aber durch Selbstgeisselungen.
Wie die Bilder sich doch gleichen, mag man dazu nur sagen.

Man vergleiche als weiteres Beispiel auch den Fall des Herrn Philipp Mauro.
http://27093.foren.mysnip.de/read.php?27094,31513,31513#msg-31513

Nachtrag:
Noch eine Meinung zu einem etwas anders gearteten Angstschauer der Gegenwart.
Stichwort Griechenland.
Da las ich dieser Tage in einem Posting andernorts.
Ein Herr Schröder und sein Finanzminister Eichel seien die Schuldigen.
Noch so ein weiteres vollmundiges Votum.
Europaparlament, alle die da sitzen seien „abgehalfterte" zweitklassige Politiker.
A ja, nun kann ich weder Herrn Schroeder noch seinen Finanzminister „verteidigen". Besagter Herr Schroeder würde mir persönlich noch in anderen Kontexten als Buhmann einfallen.
Stichwort Schroeder-Maschmeyer und noch einige Stichworte mehr.
Nur, in der Gegenwart sitzt besagter Herr Schroeder nicht am politischen Hebel. Da sitzt halt eine andere Partei am Ruder.
Und die Entscheidungen jener anderen Partei sind die Gegenwart. Nicht die Entscheidungen jener Partei, welche da schon zwei Bundestage lang, „weg vom Ruder ist".
Es ist ein alter Erfahrungssatz, bei Vorgängen die auf dem ersten Blick etwas undurchsichtig erscheinen, tut man gut auch zu fragen, wem nützen sie denn eigentlich?
Und hat man eine Antwort darauf gefunden, ist man vielleicht schon ein Stück weiter auf dem Erkenntnisweg.

Noch eine Reminiszenz, um die Frage nach dem „wem es nützt" noch etwas detaillierter zu beantworten.
In Berlin (wo ich wohne) gibt es auch etliche Straßenbahnlinien. Sicherlich sage ich damit nichts neues. Und es mag vielleicht sogar nachvollziehbar sein, dass ich gelegentlich solche eine auch nutze, so dieser Tage wieder mal geschehen. Und wie es der Zufall so will, die Streckenführung einer dieser Bahnen führte just auch an einem gewissen Gebäude mit vorbei.
Das Gebäude ist die Parteizentrale der NPD in Berlin. Dieweil ich das auch schon vordem wusste tat ich also einen Blick aus dem Fenster der Bahn. Und was war da zu sehen?
Nun die NPD beliebte ihr Gebäude mit einem kaum zu übersehenden, nennen wir es mal „Reklametext" zu versehen. Der kritisierte massiv den Euro. Ergo schlussfolgere ich daraus, ihre Politik heisst auch: Raus aus den Euro.

Damit wäre schon mal eine Richtung angedeutet, wem das artikulierte Missbehagen letztendlich nützt.

Auch ein Herr Hitler war massiver Kritiker des Versailler Vertrages. Jene Politiker die ihn auf deutscher Seite unterzeichneten, bedachte er schon vor 1933 mit dem Stigma der „Erfüllungspolitiker", der „Novemberverbrecher" und anderes mehr von der Güte.
Er machte es sich in seiner Polemik allerdings etwas zu einfach, als er keinesfalls alle relevanten Aspekte mit gebührend berücksichtigte. Auch besagte „Erfüllungspolitiker" befanden sich in einer Zwangslage. Der Text des Versailler Vertrages, als Abschluss des ersten Weltkrieges, wurde weitgehend von den Siegermächten diktiert. Und zu denen gehörte eben nicht Deutschland. Hätten besagte „Erfüllungspolitiker" jenen Vertrag nicht unterzeichnet, wäre das mit der Fortsetzung des Krieges identisch gewesen.
Nur bei einem weiter fortgesetzten - oder neu aufgeflammten Krieg - wäre Deutschland noch weitaus größer in die „Kniee gezwungen worden". Die besagten „Erfüllungspolitiker" entschieden sich letztendlich für das kleinere Übel für Deutschland.
All diese Aspekte hingegen lies der Populist Hitler unberücksichtigt.
Er beutete lediglich ein vorhandenes Mißbehagen einseitig aus.

Und die Populisten der Gegenwart befinden sich auf ähnlichem Level und befördern letztlich die Interessen der NPD und Co.
Wenn sie selbiger auch nicht organisatorisch angehören, so betreiben diese Populisten, doch letztendlich deren Geschäfte, wie das weiland schon zu Hitlers Zeiten zu beobachten war!

Siehe thematisch auch:
http://27093.foren.mysnip.de/read.php?27094,122756,122756#msg-122756
02. Februar 2012 05:30

„Für unsere Zeit"
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 14. März 2012 00:22
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise
„Für unsere Zeit"

Von jeher nimmt Religion (auch) die Funktion des „Seufzers der bedrängten Kreatur" war. Das wird man auch derjenigen der Bibelforscher/Zeugen Jehovas zubilligen müssen. Also dass auch sie (vielleicht sogar stärker als andere), den Finger in bestehende Wunden legten, kann nicht strittig sein.

Wie war denn das politische Gesamtklima auch in den 1920er Jahren? Deren Eliten, spätestens nach 1933 zeigte sich das unübersehbar, waren stark nationalistisch orientiert. Nationalistisch gleichsetzbar mit übersteigertem Egoismus, zu Lasten anderer, die da „im dunkeln sind". Und deren Leid und Not man nicht sehen will.

Bis eines Tages dann vielleicht, die Gegensätze derart sich zuspitzen, dass auch die da nichts sehen wollenden, dann noch die Augen geöffnet werden. Das dann aber nicht mehr auf die „sanfte Tour".

Nur ein Narr kann meinen, diese Problematik bestünde heute nicht mehr. Und Narren soll ihre Wissenslücken, manchmal ebenfalls auf recht unsanfte Weise, vom Unterbewusstsein ins Bewußtsein befördert werden.

Wo standen in dieser „Gemengelage" die „Grosskirchen", einschließlich auch der Freikirchen?
Nicht selten, wenn nicht in Worten, so doch in Taten, auf Seiten der Saturierten, von deren „Melkung" sie denn zu leben pflegen, und das möglichst nicht schlecht. Bei allen kirchenpolitischen Gegensätzen im Naziregime, tastete selbiges im „Altreich" eine „heilige Kuh" nie an. Und das war der staatliche Kirchensteuereinzug. Die - faktisch - staatliche Alimentierung der Kirchen. Sicherlich gab es im Naziregime diesbezüglich schwer überhörbare Stimmen (etwa die eines Alfred Rosenberg), die das gerne anders gesehen hätten. Sicherlich eskalierte auf diesem Felde einiges. Aber allen weltanschaulichen Distanzierungskräften zum Trotz, blieb die staatliche Kirchenalimentierung im Ansatz, bis zum Schluss des Naziregimes ungebrochen (bezogen auf das sogenannte „Altreich"). In den okkupierten Gebieten herrschte in der Frage in der Tat ein „anderer Wind". Auch das ist unbestritten.

Selbst solche Leute wie Martin Niemöller, hatten nie irgendwelche Skrupel, voll auf der Nationalismus-Schiene zu fahren, wovon denn schon sein Buchtitel: „Vom U-Boot zur Kanzel" beredtes Zeugnis ablegt. Und auch diese Erfahrung ist nicht neu. Trotz der skizzierten, nicht angetasteten Wirtschaftsgrundlage, gab es im Alltag mehr als genug (übergenug) Reibungsflächen.

Insofern kann man die Kirchen - pauschal - als nationalistisch orientiert bezeichnen. Die Bibelforscher/Zeugen Jehovas schwammen damals in der Tat nicht in diesem Strom mit. Sie kultivierten im besonderen den Aspekt des „Seufzers der bedrängten Kreatur".

Zu seufzen allerdings ist das eine. Das andere ist dann, welche „Lösungsansätze" dabei in Ansatz gebracht werden. Auch in der Weimarer Republik gab es erklärte Pazifistenorganisationen. Nicht eine einzige von ihnen, konnte je einen Bibelforscher/Zeugen Jehovas zu ihren passiven, erst recht nicht zu ihren aktiven Mitgliedern zählen.
Insofern war das „seufzen" Marke Bibelforscher, ziemlich nutzlos, lief es doch auf eines nur heraus, alle anderen religiösen Opiumdealer bei weitem zu übertreffen.

Das Rezept der „seufzenden Bibelforscher" war als nur eines. Religiöses Opium in der verstärkten Dröhnungsform zu offerieren.

Im Jahre 1927 wurde von der Magdeburger WTG auch eine Art Gratiszeitung mit dem Titel „Für unsere Zeit" herausgegeben. Selbige vermerkt zwar, „vierteljährlich" zu erscheinen. Tatsächlich kamen jedoch, nach bisherigem Überblick davon nur zwei Ausgaben heraus. Dann lies man die Sache wohl wieder einschlafen.

Just die Nr. 1 jener „Für unsere Zeit" enthielt auch den Nachdruck eines Artikels mit dem Titel „Ist ein allgemeiner Weltfriede möglich?"; aus dem „Goldenen Zeitalter" vom 1. 3. 1927. Bei selbigem versäumt man es dann auch nicht im Untertitel mit hinzuzufügen:
„Radio-Vortrag gehalten durch Radio-Station WBBR des „Goldenen Zeitalters" (Wellenlänge 416, 4 Meter)."

Lediglich diesen Werbehinweis auf den eigenen Radiosender lies man dann in „Für unsere Zeit" entfallen. Ansonsten besteht weitgehende Identität. Inhaltlich enthält er im besonderen die Aspekte des „Seufzers der bedrängten Kreatur" und man versprach sich wohl eine beträchtliche Werbewirkung damit in jenen Kreisen, welche man denn im besonderen erreichen wollte.

Das die Geschäfte für das deutsche „Goldene Zeitalter" damals florierten, machen auch die Angaben über dessen Auflagenhöhe deutlich. Die Ausgabe vom 1. 1. 1927 beziffert selbige mit 270.000. In der Ausgabe vom 1. 3. 1927 nennt man schon 300.000, und am Jahresende war man dann bei 320.000 angelangt.

Da konnte die Schweizer Ausgabe selbigen, wohl nicht im entferntesten mithalten, obwohl selbiges auch andere deutschsprachige Gebiete in Europa mit versorgte. Etwa das (damals) politisch nicht zu Deutschland gehörige Saarland; und auch Elsaß (Gegend um Strasbourg in Frankreich); Österreich und Tschechoslowakei (Sudentengebiet). Eine Angabe über seine Auflagenhöhe, druckte die Schweizer Ausgabe des GZ nie ab. Deren Zahlen dürften ohnehin nie berauschend gewesen sein. Hier wirkte soziologisch eben mit nach. Der Schweiz blieb die aktive Involvierung in den ersten Weltkrieg erspart. Die dort dominierende bürgerliche Orientierung (bis hin zu ausgesprochenen Rechtspopulismus in der Gegenwart), bestand ungebrochen weiter.

Die infolge des Weltkrieges in Deutschland stark gewordenen „Proletenschichten", von denen besonders zwei an sich gegensätzliche Strömungen zu partizipieren pflegten (nämlich KPD und Bibelforscher). Diese soziologische Grundlage war in der Schweiz nicht im mindesten gegeben.
Im Gegensatz zu den deutschen Auflagen-Erfolgszahlen, las man im Schweizer GZ ganz andere Töne. Etwa die in ihrer Ausgabe vom 1. 2. 1927 abgedruckte Klage

„Wichtige Anzeige
Wir machen die lieben Leser des „Gold. Zeitalters auf die Erneuerung ihres Abonnements per 1927 aufmerksam. Wer den Jahresbetrag ... noch nicht einbezahlt hat, möchte es jetzt nachholen, ansonst er Gefahr läuft, von der Liste gestrichen zu werden. Nicht selten treffen Reklamationen ein, daß „Das Goldene Zeitalter" nicht erhalten wurde, was in den meisten Fällen dem Umstand zuzuschreiben ist, daß der Abonnementspreis nicht bezahlt war."

Nachstehend dann noch die eine Dokumentierung der wesentlichen Ausführungen des vorgenannten GZ-Artikels; basierend auf der Variante „Für unsere Zeit". Was es dazu grundsätzlich als Kritik zu sagen gilt, wurde bereits ausgeführt:

„Vor dem Ausbruch des großen Weltkrieges schien allgemeiner Weltfrieden nicht nur eine Möglichkeit, sondern sogar eine Wahrscheinlichkeit zu sein. Man erklärte, dass Beilegen von Streitigkeiten auf dem Kriegswege gehöre der Vergangenheit an, und man habe in unserer Zeit endlich entdeckt, daß es besser sei, unsere Schwierigkeiten auf dem Wege friedlichen Ausgleiches zu regeln. Man schloss Friedensverträge und baute Friedenspaläste, Gegenseitigkeit war das Schlagwort des Tages, und die Pazifisten waren in manchen Ländern nicht nur geduldet, sondern sehr geehrt. Wohl rüsten die großen Nationen zum Kriege, aber diese Rüstungen so erklärte man, dienten nur einer Befestigung des Friedens. Die Welt wollte Frieden haben „und wenn sie sich ihn erkämpfen sollte", und die Folge hat gezeigt, dass sie gekämpft hat, aber sie hat keinen Frieden bekommen."

Aber, so wähnt man:

„Alle Prophezeiungen haben eine weltweiten Frieden vorausgesagt, und Christen haben immer um diesen Frieden gebetet und gehofft, dass er kommen werde. Viele der großen Führer der Welt haben sich sehr bemüht, ihn herbeizuführen. Die große Mehrheit der Menschen wünscht ihn herbei und hat oft geglaubt ihn fast erreicht zu haben.

Ein jeder sagte „Friede! Friede!" und doch brach mit einem Mal der größte Krieg der Weltgeschichte aus. Andere Kriege folgten, und trotz des Schreies nach Abrüstung haben auch heute noch die Rüstungen überall zugenommen. Und so scheint zur Zeit wenig Hoffnung zu bestehen, dass die Welt jemals eine Zeit erreichen wird, wo es keinen Krieg mehr geben soll. Immer noch ruft man „Friede! Friede!" und es ist doch kein Friede. ... Man hofft auf Frieden, und da ist nichts Gutes, auf die Zeit der Heilung und siehe da, Schrecken" - Jeremia 8: 11,15.

Immer noch herrscht Gewalt auf Erden und friedlicher Vergleich ist - wie man meint - nur für Schwächlinge. Wir haben einen Haager Schiedsgerichtshof, der Völkerbund und den Weltgerichtshof, nur eines habe nicht, nämlich Frieden. Aber nur solche Völker, die aus gewissen zwingenden Gründen, hervorgerufen durch bestehende Tatsachen keinen Krieg wollen, wenden sich an diese Körperschaften, wenn Abessinien durch die großen Nationen England und Italien sich in seinen Rechten beeinträchtigt glaubend, sich an den Völkerbund wandte, tat es dies nur deshalb, weil es nicht hoffen kann, bei einem Kriege gegen diese Mächte etwas zu gewinnen.

Doch wenn Mussolini eine kleine Schwierigkeit mit Griechenland hat, weiß er einen besseren Weg, um das zu erreichen, was er wünscht, nämlich, die altgeehrte Methode der Gewalt.
So bleibt es dabei, dass wir Friedensverträge schließen und neue Schlachtschiffe bauen, Friedenskonferenzen abhalten und neue Kriege planen, Friedensworte kauen, aber Kriegstaten bauen. Die Welt spricht wohl von Frieden und früheren Abrüstung, während sie tatsächlich bis an die Zähne bewaffnet ist, angeblich zur Verteidigung des Friedens, aber in Wahrheit für einen neuen Weltkrieg.

Tatsächlich zwingt fast eine jede Nation auf Erden, ob groß oder klein, ob reich oder arm, ihr Volk unter ein fast unerträgliches Joch von Steuern, nur um ein Heer unterhalten zu können und Kriegsschiffe zu bauen, die oft schon veraltet sind, bevor sie vom Stapel gelassen werden."

Von Europa zu den USA überleitend vernimmt man:

„Die Vereinigten Staaten von Amerika sind allerdings vorangegangen, ihre Armee auf Friedensstärke herabzusetzen und einen Teil der Kriegsschiffe einzuziehen, und es sind auch bei besonderen Völkern Abrüstungen zu Lande und zur See aber schon vorgeschlagen, sind auf dürres Erdreich gefallen, so dass auch Präsident Coolidge vor kurzem erklärte, daß wenn die Weltmächte nicht ihre fortwährenden Rüstungen zu künftigen Kriegen einstellen würden, die Vereinigten Staaten gezwungen seien, in einem noch nie dagewesenen Maße zu rüsten.

Die ganze Weltgeschichte ist ein Bericht von Kriegen und Kriegsgerüchten, von Angriffen und Aufständen von Bedrückung und Revolution. Wir sehen die Geschichte sich wiederholen. Es ist darum kein Wunder, das viele Leute zu der Ansicht gekommen sind, ein weltweiter Friede sei eine Unmöglichkeit. Viele sagen, es habe immer Kriege gegeben und werde es immer geben. Sie sagen, die Stärkeren haben immer die Schwächeren unterdrückt, und das Gesetz vom Überleben der Tüchtigen müsse sich immer weiter auswirken.
Und diese Behauptung erscheint manchen einleuchtend."

Der destruktive Kern der eigenen Verkündigung findet sich auch in der These:

„Seit Jahrhunderten haben die Menschen versucht, einen Zustand des Friedens herbeizuführen, aber es ist ihnen nicht gelungen. Und in der Tat beweist die Geschichte, dass der Menschen Bestrebungen in dieser Richtung immer fehlschlagen.
Doch Gott sei Dank, es gibt eine höhere Macht, die eines Tages eingreifen und zustande bringen wird, was der Mensch nicht vermochte. Gott sagt durch den Psalmisten prophetischer Weise: „Der die Kriege beschwichtigt bis an das Ende der Erde ... Lasset ab und erkennet, dass ich Gott bin." - Psalm 46: 9,10.

Sofern es sich um die Bemühungen der Menschen handelt, ist ein allgemeiner Weltfrieden allerdings eine Unmöglichkeit und zwar aus drei bestimmten Gründen:
1.) Fast alle Nationen rüsten zum Kriege, und die Geschichte beweist, dass, wo Kriegsrüstungen gemacht werden, der Krieg die Folge ist.
2.) die sogenannten christlichen Kirchen, von denen wir das zustande bringen eines solchen Friedens erhoffen sollten, haben ihre Unfähigkeit bewiesen.
3.) Es gibt überhaupt keine Organisation und keinen Einfluss, der mächtig genug wäre, einen solchen Frieden herbeizuführen.

Zu dem ersten angeführten Punkte möchten wir sagen, man sollte denken, das der letzte Krieg die Völker wenigsten etwas gelehrt, hätte nämlich das Kriegsrüstungen den Krieg unausbleiblich nach sich ziehen. Dennoch hören die Völker nicht auf zu rüsten. Sie werden von Furcht und Misstrauen beherrscht. Eine jede Nation fürchtet die anderen und weiß wohl, was einer wohlgerüstete Nation gegen eine andere unvorbereitete zu tun vermag, wenn sie will.

Ein jedes Volk weiß, dass unsre ganze Zivilisation nur auf Selbstsucht gegründet ist, und zwar bei den Völkern wie auch bei den einzelnen Menschen. Ein jeder sieht nur auf seine eigenen Interessen und denkt nicht an die Interessen anderer. Ein jedes Volk schaut über seine Grenzen und sieht seinen Nachbarn Soldaten drillen, Schlachtschiffe vom Stapel lassen, Flugzeuge kaufen, Munition produzieren usw. usw.

Natürlich werden dann die Führer des Volkes von Furcht ergriffen und verlangen, das ihr Volk dasselbe tue wie die anderen. Solange die Selbstsucht in der Welt herrscht, werden die Menschen einander misstrauen und mit Recht eine Abrüstung für undurchführbar halten. Somit können also die Kriege durch menschliche Bemühungen nicht aus der Welt geschafft werden. Die Geschichte hat in zahlreichen Fällen bewiesen, dass die zum Kriege rüsten, andere zum Rüsten zwingen und die Folge davon ist Krieg. Das ist in genauer Übereinstimmung mit der Bibel.

Große Staatsmänner und Politiker der Welt glauben allerdings die Lage, wie sie heute ist, meistern zu können, aber sie blicken dennoch voller Furcht in die Zukunft.
Sie hoffen, sich auf irgendeine Weise hindurchzuwinden, aber sie sind ihrer Sache nicht sicher. Sie fürchten sich und zittern und versuchen einen Plan nach der andern, aber die Aussicht für die Zukunft bleibt schwarz. Heilmittel auf Heilmittel hat man in den gegenwärtigen Schwierigkeiten versucht, aber keine Lösung gefunden. Große Staatsmänner haben erklärt, daß, wenn ein weiterer Krieg wie der letzte kommen würde, unsere Zivilsation zugrunde gehen müsse. Dennoch rüsten die Nationen weiter für den nächsten Krieg und machen ihn dadurch zur Gewissheit.

Offenbar ist es die Absicht Gottes, die Dinge ihren Gang gehen zu lassen, damit sich die Worte Jesu erfüllen: „Alle die das Schwert nehmen, werden durch das Schwert umkommen" (Matthäus 26: 52).

Nicht nur die konservative Klasse, die an der Herrschaft ist (gleichviel ob Könige oder Kaiser Präsidenten oder Diktatoren, Politiker oder Geistliche sind), hat sich Unruhe und Nervosität bemächtigt, sondern man findet bemerkenswerte Erschütterung auch unter den Massen besonders unter den radikalen Elementen. Gerade wie das Meer gegen die Küsten des Landes schlägt und sie abzutragen sucht, geradeso so wütet das radikale Element der menschlichen Gesellschaft gegen Dämme und Befestigungen, die das konservative Element der Gesellschaft zu seinem Schutz aufgerichtet hat und aufzurichten sucht.

Also wird das Erschüttertwerden solange dauern, bis die gegenwärtige unvollkommene Ordnung der Dinge vollständig durch eine neue Ordnung, die weder von den Konservativen noch von den Radikalen beherrscht werden wird, ersetzt sein wird. Ein Element beschuldigt das andere der Selbstsucht und sie haben beide Recht. Darum wird keiner von beiden einen Weltfrieden zustande bringen können. Unter beider Herrschaft würden die gegenwärtigen Zustände der Selbstsucht in dieser oder jener Form bestehen bleiben."

Als nächstes bekommt die religiöse Konkurrenz ihr Fett weg:

„Die Kirche hat fast zweitausend Jahre gebetet:
„Dein Reich komme, dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel." Doch anstatt den Willen Gottes auf Erden zu tun, und anstatt das Friedensreich Christi aufzurichten, ging die ganze Welt des sogenannten Christentum im Jahr 1914 in den Krieg und arrangierte das schrecklichste Menschenschlachten aller Zeiten. Der Grund dafür ist, dass die Kirche selbst verfehlt hat, den Geist des Meisters in sich aufzunehmen, und darum auch trotz all ihres Predigens von guten Werken, niemand diesen Geist zu verbreiten vermochte. Lassen Sie uns die Tatsachen prüfen.

Der Krieg wurde zwischen verschiedenen Nationen erklärt, die alle zusammen „christliche" Nation waren. Hat die Geistlichkeit dieser Länder bei ihren Regierungen gegen den Krieg Einspruch erhoben? Hat die Geistlichkeit dieser Länder ihre Gemeinden und alle Christen aufgefordert sich zu weigern, am Kriege teilzunehmen? Nein, im Gegenteil, sie haben sich hier und da, direkt oder indirekt zu Kriegswerbern her, und sie forderten die Herde auf, in den Kampf zu ziehen. Zahllose Gebete um Segen für erfolgbringendes Töten recht vieler Menschenleben wurden von den Geistlichen der verschiedenen sich feindlich gegenüberstehenden „christlichen" (!) Brudervölker gebetet zu demselben Gott, er möge doch ihre Heere Ehre segnen, damit die auch „christlich" sein wollenden Menschen der Heere des Gegners umgebracht werden könnten.

Was war die Folge davon? Die natürliche Folge des Weltkrieges ist, dass die „Christenheit" als Organisation nicht nur im christlichen, sondern auch in heidnischen Ländern ein gut Teil ihrer früheren, zweifellos großen Einflusses verloren hat.

Ja, die Kirche hat ihren Einfluss verloren und zwar mit gutem Recht. Sie hat gezeigt, dass sie zur Führerschaft unfähig ist und nicht vermag zusammenzuhalten; sie selbst beweist das auch durch ihre Zersplitterung in zahlreiche Sekten. Darum haben heute die Kirchen so wenig Einfluss, dass auch, wenn sie sich zusammenschließen würden, dieses keinen Einfluss auf die Zustände in der Welt mehr ausüben könnte.

Wir wissen, dass man uns nicht liebt, weil wir dies alles furchtlos aussprechen und wissen, dass alle, die sich durch unsere Ausführungen getroffen fühlen, zum Kampfe gegen uns aufrufen.
Gott hat allen wahrhaft Geistlichen nicht geboten, einen Menschen-Frieden zu predigen, sondern sein Königreich des Friedens zu verkündigen.
Der Völkerbund wird bereits von vielen als Fehlschlag bezeichnet und ernsthafte Kenner der Lage erwarten seinen Zusammenbruch."

Mexikos Präsident hält Vortrag
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 19. März 2012 01:52
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise
Mexikos Präsident hält Vortrag

Das „Goldene Zeitalter" (Ausgabe vom 15. 3. 1927), ist wieder mal fündig geworden, seinen Lieblingsfeind betreffend. Wenn man einfach nur zitieren kann, was man selbst meint, es aber durch den Mund anderer ausgesprochen findet, dann konnte wohl auch das „Goldene Zeitalter" nicht der Versuchung widerstehen, sich dieses nicht entgehen zu lassen. Und so liest man denn in der genannten GZ-Ausgabe (kommentarlos zitiert):

„In der Zeitschrift „Liberty" gibt S. Sutherland einen außerordentlich interessanten Bericht von einer Unterredung mit dem Präsidenten Calles von Mexiko, in welchem jener folgendes sagt:

Warum blind sein, warum sich selbst betören wegen der Rolle, welche die römisch-katholische Kirche seit vierhundert Jahren in Mexiko gespielt hat? Es gibt nichts Gutes für sie auszuführen, was ihre Existenz auf Erden gerechtfertigt hätte; doch sie ist der Fluch meines Landes gewesen, seitdem ihre ersten Priester hierher kamen.

Man braucht nur den Verhängnissen Italiens, Österreichs, Spaniens und Irlands nachforschen, um zu erkennen, was jene Kirche vollführte. Sie hat sich in Politik eingemischt, ja in die Politik fast eines jeden Landes hat sie ihre Krallen nun beinahe 2000 Jahre gesenkt. Sie machte Könige und Dynastien und hob sie auch wieder auf. Ihre Würdenträger hatten tausend von herrschenden Häusern, um auf den Ärmsten herumzutrampeln. Sie organisierte Kreuzzüge, erklärte Krieg, schrieb Friedensverträge, zeichnete und änderte die Grenzen der Welt.

Die römische Kirche ist genau bis zu dem Grade emporgeblüht, wie Unwissenheit, Aberglaube und Bettelei vorherrschend waren. Sie bestimmte die Sitten und die Sprache der ganzen lateinischen Welt Amerikas. Wo Unwissenheit vorherrschend war, da war sie mächtig. Sie gedieh in der Nacht des finsteren Mittelalters und wurde fett, ausschweifend und liederlich auf dem Elend menschlicher Wesen.

In dem Maße wie die Welt an Zivilisation, Wissenschaft, Erkenntnis und Kultur zunahm, schwand das Prestige, der Einfluß und die Macht der katholischen Kirche wieder dahin.

Wo sie nicht bekehren konnte, da mordete sie. - Wo sie nicht überreden konnte, da folterte sie. - Wo sie nicht herrschen konnte, da vernichtete sie. - Cortez in Mexiko, Pizarro in Peru und Torquemado in Spanien sind vollkommene Stichproben ihrer Kreuzträger und ihrer Handlungen und Machenschaften.

Heute schmollt und ziert sie sich in ihrer Ohnmacht auf dem winzigen irdischen Fleck, den die Welt ihr auf dem St. Petershügel noch gelassen, gerade so wie die Welt stets das sie Bedrohende einzusperren genötigt war. Aber sie wacht und wartet (auf das, was seit Jahrhunderten ihr Programm war) auf eine Gelegenheit, ihre verlorene Herrschaft wieder zu erlangen. Die ganze Welt täte besser, ein Auge auf Rom gerichtet zu halten!

Zu seiner eigenen Politik überleitend äußert er:

Und was für ein entrüstetes Gesicht sie aufsteckt, wenn sie zu mir von Toleranz, Pressefreiheit, Redefreiheit und Gewissensfreiheit spricht! Schatten von St. Bartholomäus! - Lies ihre blutbefleckte, pechschwarze Geschichte - und dann noch von Toleranz reden - freilich! -

Immer sag ich es auf's Neue, die römisch-katholische Kirche konnte nur in dem Maße gedeihen, wie Unwissenheit und Elend um sie herum waren. Als deshalb General Obregon und ich versuchten, etwas für unsere armen, unglücklichen, landlosen Landsleute zu tun, da schrie das gutsituierte Geschäft: „Bolschewismus!" Und die katholische Kirche heulte: „Gottesleugner".

Weiter geht es in seinem Statement:

Sie mischte sich nicht in Politik? Die römische Kirche hat während ihrer ganzen langen, schrecklichen Laufbahn nichts weiter getan, als nur in die Politik sich eingemischt! Schaut, was sie mit England machte, als Heinrich VIII. von ihr abfiel. Schaut, was sie Deutschland antat, als Martin Luther voll Ekel und Widerwillen sie verließ. Schaut hin, was man mit Savonarola machte, als er die böse Geistlichkeit zu reformieren versuchte. Schaut, was sie mit dem Ignaz Loyola zuerst zu tun versuchte, ehe sie einen Platz für diesen feurigen Kämpfer in ihrer Hierarchie fand.

Blickt hin auf die Vereinigten Staaten Amerikas, was sie tat, als sie versuchte, unser Land in einen Krieg mit Groß-Britannien zu verwickeln, als sie ihre morastigen Horden nach Kanada sandte. Schaut nach Frankreich, was sie dort zu tun versuchte, als jene erleuchtete Republik es müde wurde, das kostspielige Krebsgeschwür, zu welchem die Priesterschaft angewachsen war, länger zu ertragen. Blickt hin, was sie mit Italien macht, seitdem ihre weltlichen Grenzen bis auf die Gebiete des Balkans beschränkt wurden. Schaut, was sie erst kürzlich tat, als Spanien sich von der Staatsregierung loszureißen versuchte, aber nicht die Kraft dafür fand.

In der Tat, schaut, was diese Kirche in einem jeden Lande getan hat, das aufgewacht, den Alp des Katholizismus von sich weichen fühlte und hineintrat in das Licht der Vernunft und Wissenschaft. Blickt auf ihre „Index Expurgatorius" und seht die Aufzeichnung der Männer, die die Welt zu einem besseren Wohnplatz gemacht haben.

Wir mischen uns nicht in Politik? Warum gerade in diesem Augenblick versuchen die „Knights of Columbus" und die organisierte Kirche der Vereinigten Staaten Washington zu zwingen, sich mit den mexikanischen Angelegenheiten zu befassen? Damit ein Krieg auf eine solche Einmischung folgen möge, - doch ich beeile mich zu sagen, daß nichts dergleichen geschehen wird, weil es hundert Millionen Nicht-Katholiken in Amerika gibt, die es der amerikanischen Regierung nicht erlauben würden, die Kastanien des Papstes aus dem mexikanischen Feuer zu holen, - damit Tausende, junges amerikanisches Leben, in einem solchen Krieg verloren gehen. Es würde einen langen, teuren und nutzlosen Konflikt bedeuten, Steuern und Preise würden steigen und die Herzen ihrer Mütter würden in Schmerz zerrissen werden. -
Alles dieses bedeutet nichts in den Augen der katholischen Kirche, wenn sie nur ihre Priesterschaft hier wieder in den Sattel heben könnte."

Re: Mexikos Präsident hält Vortrag
geschrieben von:  sebe
Datum: 19. März 2012 10:37
Diese Fakten müßten in jedem kathol.Priesterseminar auf dem Lehrplan stehen!!Wobei die evang. Kirche mit ihren Untervassallen an Sekten und Gemeinschaften
auch nicht nachstehen!!
„Dr. Eisenbart"
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 19. April 2012 01:23
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise
„Dr. Eisenbart"

„Ich bin der Doktor Eisenbart, kurier die Leute auf meine Art. Kann machen, das Blinde wieder geh'n, und Lahme wieder seh'n".

Wie mag es wohl kommen, dass ausgerechnet dieser Spruch mir beim lesen des „Goldenen Zeitalters" (Ausgabe vom 1. 4. 1927) in den Sinn kam? Nun denn wenn ein, wie er sich denn selbst so nennt „Facharzt für Biologische Heilkunst", noch dazu unter Angabe seinen vollen Anschrift (München, Theresienstr. ...) sich auf vollen drei Druckseiten in der genannten GZ-Ausgabe verbreiten darf, dann ist das wohl selbst für GZ-Verhältnisse als ungewöhnlich zu bezeichnen, obwohl man da bereits einiges gewohnt ist.
Die im „Goldenen Zeitalter" mit enthaltene konkrete Hausnummer der Anschrift, wird hier nicht mit übernommen, da es gewisse Webseiten gibt, welche das Internet gezielt nach Adressdaten durchforsten.
Was nun weis dieser Dr. Erwin Hof, seinem geneigten Publikum via „Goldenes Zeitalter" mitzuteilen? Unter der Überschrift „Was, wie und wieviel esse ich?" hat er offenbar ein besonderes Patentrezept mitzuteilen. In einem Wort zusammenfassbar, für die er allerdings erheblich mehr Worte benötigt, heißt dieses Zauberwort:
Fastenkur.

Es ist zwar nicht nachweisbar, dass er nun direkt Wasser predigen und selbst Wein saufen würde. Aber auch er versäumt es nicht, sich bei seinen Ausführungen die berühmten Hintertürchen mit einzubauen. Zum Beispiel mit dem Satz:

„Da nur die Lebenskraft heilt, so ist es ohne weiteres klar, daß durch das Fasten wohl jede Krankheit, nicht aber jeder Kranke heilbar ist."

Bei solchen Thesen lässt dann wohl sein „Vetter", der eingangs genannte „Dr. Eisenbart" grüßen.

Wie man das auch vom sonstigen „Kleingedruckten" in mit riesigen Reklamelettern versehenen Verträgen kennt, gibt es auch bei diesem „biologischen Heilkünstler" das „Kleingedruckte". Etwa mit dem Satz:

„Ist der Mensch bereits zu alt, aber seine Lebenskraft infolge Lebensschwäche, schwerer Kämpfe oder Leiden aus anderen Gründen bereits zum größten Teile verbraucht und der mit Gift und Unrat durchseuchte Körper damit schon morsch und schwach, so reicht entweder die Lebenskraft zu einer so tiefgehenden Reinigungskur, wie sie das Fasten ist, nicht mehr aus, oder der vermorschte Körper bricht unter der Flut der durch sie eingeschmolzenen Krankheitsgifte zusammen. Die Fastenkur muß also, soll sie nicht enttäuschen, mit weiser Überlegung angewendet werden, d. h. also nur auf Rat und Anordnung von erfahrener Seite."

Ob jener „biologische Heilkünstler" indes dabei wirklich der geeignete Ratgeber ist? Die diesbezüglichen Zweifel wollen immer noch nicht weichen.
Selbst für den Personenkreis, die von vorgenannten Hintertürchen noch nicht mit erfasst sind, hat er offenbar vorgesorgt. So weis er etwa zu belehren:

„Da der Fastende in den seltensten Fällen alle zur richtigen Durchführung der Kur unerläßlichen Voraussetzungen (richtige Pflege, Gelegenheit zu Luft- und Sonnenbädern, Massage, Wärme- und Wasserbehandlung, reine, frische Luft usw.) zu Hause vorfindet, so ist der Sanatoriumsaufenthalt dringend zu empfehlen."

Es würde denn überhaupt nicht verwundern, wenn denn in der Praxis dieses „biologischen Heilkünstlers" gleich auch noch die „geeignet" erscheinenden Sanatorien mit vermittelt würden (und das wohl kaum ohne Honorar).

Allerdings muss dieser Wunderdoktor einräumen, dass wohl nicht in allen Fällen sein Patentrezept wirklich das geeignete ist. Aber er glaubt in bestimmten Fällen durchaus „punkten" zu können. Etwa in dem:

„Was die Syphilis anbetrifft, so ist nach meiner (d. h. der Meinung dieses „biologischen Heilkünstlers") Anschauung diese Krankheit durch keine andere Heilmethode, auch keine andere biologische, so rasch und gründlich zu heilen wie durch das Fasten."

Er meint weiter sich mit der Aussage ins Rampenlicht stellen zu sollen:

„Ich habe Knochentuberkulosen, die 10, 15 und 20 mal ohne Erfolg operiert worden waren, mit e i n e r Fastenkur und Dauerumstellung auf Rohkost in einigen Wochen dauernd geheilt."

(aber auch bei diesem Satz gibt es dann noch ein Hintertürchen, denn er setzt sich wie folgt fort:

„Soweit ich sie allerdings noch heilen konnte, denn die zerschnittenen Sehnen und Nerven und die daraus entstandenen Lähmungen und Versteifungen konnte ich nicht mehr beseitigen."

Ob denn ausgerechnet Syphillis-Kranke im relevantem Umfange mit zu den Lesern des „Goldenen Zeitalters" gehörten, mag man berechtigterweise anzweifeln.
Aber allein schon das mit voller Adressen-Angabe im GZ dieser „biologische Heilkünstler" sich selbst darstellen konnte, spricht Bände. Und vieles spricht dafür, dass mittels dieses Artikels seine Praxis einen nicht unwesentlichen Aufschwung erfuhr. Die aufnahmebereite „richtige" Klientel hat er ohne Frage sich dazu ausgewählt!

Übrigens, es blieb nicht nur bei jenem Artikel in der GZ Ausgabe vom 1. 4. 27.
Die GZ-Redaktion war offenbar von seinen Ausführungen dermaßen angetan, das sie ihm noch in zwei weiteren GZ-Ausgaben Raum zur Darstellung seiner „biologischen Heilkunst" gewährte.
In diesen beiden anderen Artikel war etwa auch dieses zu lesen:

Ein eher müdes Nachwort seitens der GZ-Redaktion gab es zwar auch
 

Ergänzender Nachtrag:
Ein User meinte andernorts am 12.04.2010, 19:39

„Dr. Erwin Hof verstarb kurze Zeit darauf im Jahr 1928. Er erreichte mit 47 Jahren selbst für damalige Verhältnisse ein unterdurchschnittliches Lebensalter. Woran er gestorben ist, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Ein Jahr vorher schriebe er noch dies:
Zitat von GZ vom 15. Juli 1927, S. 218-219
„Ich bin 46 Jahre alt, von muskulösen Körper und nehme es mit jedem jungen Menschen in jedem Sport auf."

http://forum.sektenausstieg.net/showthread.php?11518-ZJ-und-Medizin/page4&highlight=Erwin
Dann mache man sich mal so einen Reim auch auf seine nachfolgende Aussage:

Siehe bei Bedarf auch:
Goldene Zeitalter 1. 4. 1927

Goldenes Zeitalter 15. 7. 1927
Goldene Zeitalter 1. 8. 1927

Die wundersamen Radiowellen
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 20. April 2012 03:59
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise
Die wundersamen Radiowellen

Das „Goldene Zeitalter" in seiner Ausgabe vom 15. 4. 1927, macht sich wieder mal zum Makler einer etwas sonderbaren Theorie. Solange lag ja die Russell'sche Wunderweizen-Story zu dem Zeitpunkt ja noch nicht zurück. Aber inzwischen sind ja einige Jahrzehnte vergangen, und die „Schul-Wissenschaft" will immer noch nicht jene neue Theorie des GZ bestätigen. Aber das ficht wohl diesbezüglich Gläubige nicht an. Weder in der Vergangenheit, noch in der Gegenwart.

Im genannter Ausgabe des GZ verbreitet sich unter der Überschrift „Ist das Radio dem Wachstum der Pflanzen förderlich?", ein wie es laut Untertitel heißt „amerikanischer Mitarbeiter" (des GZ) wie folgt:

„Seit fünfzehn Jahren habe ich Weintrauben gebaut. Der Ertrag war ungefähr immer derselbe bis zum Jahre 1925 wo er sich ungefähr um das Dreifache vermehrte. Meine Weinstöcke trugen so schwere Früchte, daß ich sie anbinden und stützen mußte. Wo ich früher eine Traube geerntet hatte, erntete ich in diesem Jahre drei.

Weiter geht die Story mir der Aussage:

Alle meine Bekannten bemerkten es und fragten mich, womit ich diese große Zunahme des Ertrages erzielt habe. Ich mußte ihnen sagen, daß ich es selbst nicht wisse. Ich hatte nichts anderes zur Pflege meines Weines getan als in den vorhergehenden Jahren. Je mehr ich darüber nachdachte, umso verwunderlicher kam es mir vor.

Eines Morgens, als ich den Boden unter den Weinstöcken von dürrem Laube säuberte, bemerkte ich in diesem Laube Tausende von toten Insekten. Das war merkwürdig, denn in früheren Jahren hatte ich bemerkt, daß der Boden unter den Weinstöcken oft von lebenden Insekten wimmelte. Ich sah nun jeden Morgen nach, und fand tatsächlich an jedem Morgen eine Menge toter Insekten, die offenbar in der Nacht zugrunde gegangen waren. Und mit der Hand durch die Weinranken streifend, konnte ich nur ganz wenige Wanzenkäfer finden, die sonst in Fülle dagewesen waren, und die sich bei der Hitze des Tages in dem Laube der Weinstöcke verbargen und des Nachts den Saft aus den Weinstöcken sogen und ihnen schadeten. Was ich aber fand, war eine Menge toter Mücken und Insekten, die noch nicht abgefallen waren.

Auch das versäumt jener Berichterstatter via GZ nicht noch hinzuzufügen:

Dies alles war mir rätselhaft. Wenn ich auch weiß, daß wir in das goldene Zeitalter eintreten, wo sich der Ertrag der Erde mehren wird, so mußte ich doch erkennen, daß diese Mehrung des Ertrages eine andere und natürliche Ursache haben mußte. Darum setzte ich meine Untersuchungen dieser merkwürdigen Erscheinung fort. Ich konnte mir nicht erklären, warum Insekten, die in meine Weinstöcke kamen, stets, bevor ein neuer Tag kam, ihr Leben lassen mußten.

Schließlich bemerkte ich, daß die Radioleitung meines Nachbars über die ganze Länge meines Weingartens hinging; und es schien mir, als ob die Spannung der Leitung, wenn sie des Abends, wenn er seinen Radioapparat anstellte, in Schwingungen versetzt wird, einen zerstörenden Einfluß auf das Leben der Insekten in ihrer unmittelbaren Nähe habe. Ich befragte einen Sachverständigen, und er bestätigte meine Meinung. Ebenso erscheint es möglich, daß die Radiowellen noch außer dem zerstörenden Einfluß auf die Insekten, die die Säfte aus dem Weinstock saugen, einen guten Ein
fluß auf das Wachsen des Weines haben. Zweifellos läßt sich die ganze Wohltat des Radio heute noch gar nicht ermessen. Alles liegt noch in den Kinderschuhen.

„Von den Chinesen lernen - heisst siegen lernen" ?
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 27. April 2012 22:32
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - eine Zeitreise
„Von den Chinesen lernen - heisst siegen lernen" ?

In Fortsetzung des Berichtes über die wundersamen Radiowellen
Siehe http://27093.foren.mysnip.de/read.php?27094,121993,128943#msg-128943
20. April 2012 03:59
wäre noch zu berichten;
Auch in der Ausgabe vom 1. 11. 1927, wähnte das GZ wieder fündig geworden zu sein.
In letzterer Ausgabe, offenbar als Zusendung aus den Leserkreis des GZ fühlt selbiges sich berufen, auch seine Leserschaft, wie folgt zu informieren (Zitierung ohne inhaltliche Bewertung):

„Eine wunderbare Vervielfältigung der Getreideernten ...
Die Tragik jedes wahren Fortschritts scheint zu sein, daß er langer Zeiträume bedarf, um sich durchzusetzen. Die Schnelligkeit allen Scheinfortschrittes steht dazu in komischen Gegensatze. Erst die Not muß den Widerstand der Menschen brechen. Die nicht zu verkennende Notlage unsrer Landwirtschaft macht die Zeit und die Gemüter der Menschen günstig. Die Notwendigkeit einer Neubelebung und Stärkung der Landwirtschaft wird immer mehr als unaufschiebbar erkannt. Darin herrscht Übereinstimmung von der Deutschnationalen Volkspartei über die Demokraten bis hin zur Sozialdemokratie. Zwar sind die sprichwörtlich gewordenen Klagen der „notleidenden Landwirtschaft" nicht neu. Sie datieren bereits seit dem denkwürdigen Übergange der deutschen Wirtschaftspolitik vom Freihandel zum Schutzzoll im Jahre 1879 unter Bismarcks Aera. Ohne allerdings leider die finanziellen Nöte beseitigen zu können, hat die deutsche Landwirtschaft in den nachfolgenden Jahrzehnten eine erstaunliche Kraft bewiesen. In den Jahren 1882 bis 1914 ist ohne Vergrößerung der Anbaufläche der Ertrag der Getreideernten von 11 Millionen auf 28 Millionen Tonnen gesteigert worden. Leider haben die Nachkriegsjahre diese Höhe infolge vieler ungünstiger Umstände noch nicht wieder erreichen können. Viele glauben, daß damals der Höhepunkt aller Intensivierung erreicht war. Aber schon zeigen sich neue Möglichkeiten der Steigerung, z. b. die sich immer mehr ausbreitende Hackkultur.

Nach dieser Einleitung geht es weiter mit der Aussage:

„Diese Intensivierung wird aber durch eine neue und dennoch uralte Methode - sie wird von den Chinesen schon seit Jahrtausenden angewendet - in den Schatten gestellt. Namentlich dem kleinen Landwirt mit wenig Grundbesitz und zahlreicher Familie ist sie von größtem Nutzen. Diese ostasiatische Methode erzielt mit intensivster Menschenarbeit auf kleinstem Raume ein Höchstmaß des Ertrages, das jenes unserer üblichen Feldbestellung auf gleicher Bodenfläche um ein Vielfaches fast unglaublich übertrifft. Wir müssen unser Getreide pflanzen lernen, jawohl pflanzen, wie man Salat, Kohl und sonstiges Gemüse pflanzt. Es ist bekannt, daß die Verwöhnung und Überfütterung unserer Kulturpflanzen mit künstlichen Düngesalzen zu einer gewissen Schwächung der Wurzelbildung geführt hat. Der Chinese hingegen legt besonderen Wert auf kräftige Wurzelbildung.

Das Samengetreide wird in Anzuchtkästen oder -beeten dicht ausgesät, in unserem Klima etwa Ende Juli bis Mitte August. Wenn die Pflänzchen ca. 12 - 15 cm hoch sind, am ersten Halmknoten das 3. oder 4. Blatt erscheint, werden sie einzeln in die für die Ernte bestimmten Felder umgesetzt und bis über den ersten Stengelknoten, ca 2-3 cm tiefergepflanzt, sodaß er 1-2 cm mit Erde bedeckt ist und sich aus ihm besondere Adventivwurzeln entwickeln können. Vom Gemüsebau kennen wir ähnliche Tätigkeit unter dem Namen „pikieren". Nach dem Umpflanzen werden die jungen Pflänzchen begossen, am besten mit verdünnter Jauche. (1:6)
Viel Wintergetreide soll das Begießen bis in den Herbst hinein fortgesetzt werden, im Frühjahr dann allerdings unterbleiben, je mehr Dung, umsomehr Ertrag. Nach kurzer Zeit des Stillstandes, während dessen die Pflanzen „trauern", entwickelt sich eine kräftige Bewurzelung mit mehreren Bündeln übereinandergeschichteter Wurzeln, die auch tiefer als gewöhnlich in die Erde eindringen."

Als weiteres Detail wird belehrt:

„Bei dieser überreichen Bewurzelung und späteren Bestockung müssen freilich die Entfernungen der einzelnen Pflanzen erheblich weiter als bei unserer üblichen Ackerbestellung sein, etwa 20-30 cm, je nach Art und Boden. Am besten geschieht das Pflanzen in schachbrettartigen Reihen oder Bändern. Die spätere Bearbeitung wird dadurch sehr erleichtert. Geht die Entwicklung kräftig voran, so werden die Pflanzen im Laufe des Herbstes leicht behäufelt, wobei die Mitteltriebe schwach mit Erde bedeckt werden. Die letzte herbstliche Behäufelung, etwa 4 cm hoch, soll ca. 14 Tage vor Beginn der eigentlichen Frostperiode erfolgen. Die leichte Behäufelung wird auch im Frühjahr wiederholt. Wo der Boden schnell verkrustet, muß er im Herbst und Frühjahr wiederholt leicht behackt werden.
Der kräftigen Bewurzelung unter der Erde entspricht eine erstaunliche oberirdische Bestockung."

Als Resultat meint man verkünden zu können:

„Während bei unserer üblichen Kultur aus einem Samenkorn höchstens 5 Sprossen hervorgehen, entsprießen hier 6-10 mal soviel; einzelne Versuche ergaben sogar bis 120 Ähren aus einem Korn. Dabei trägt jeder Halm eine fast doppelt so große Ähre mit einem Durchschnittsertrage von 100 Körnern, deren Tausendkorngewicht bis 40 gr. beträgt. Zum wenigsten erwartet man bei Winterroggen durchschnittlich 25 Ähren, bei Winterweizen 35 Ähren von doppelter Länge mit je 90 bis 100 schönen vollen Körnern. Die allgemeine Kräftigung bewirkt, daß die Pflanzen sowohl Frost wie Hitze und Dürre weit besser als unser gewöhnliches Getreide überstehen. 110 Doppelzentner Weizen auf einem Hektar Ernteertrag sind keine Seltenheit. Prof. Dr. Strecker in Leipzig erzielte auf einem Versuchsfelde, allerdings unter sehr günstigen Bedingungen, sogar 240 Doppelzentner auf dem Hektar. (Kein Druckfehler!) Das klingt paradiesisch und unglaublich, ist aber durch vielfache Versuche als Wirklichkeit bestätigt."

Dann kommt wieder mal, das zu erwartende „Kleingedruckte":

„Die geniale Einfachheit dieser Methode, die freilich den verschiedenen Gegenden und Bedingungen durch praktische Erfahrungen angepaßt werden muß, besteht
1. In der Aussaat des Getreides in Anzuchtstätten oder -beeten,
2. In der Umpflanzung und Erweiterung des Zwischenr
aumes zwischen den einzelnen Pflanzen und
3. Im Behäufeln, Dungguß und Behacken.

Als Referenzen meint man verweisen zu können:

„Kein Geringerer aus Justus von Liebig hat diese gärtnerische Ackerkultur der Chinesen bereits gekannt und gepriesen. Fürst Kropotkin vor vielen Jahrzehnten empfohlen, Demtschinsky für unsere Klimate wissenschaftlich ausprobiert. (Demtschinsky, „Die Vervielfältigung und Sicherstellung der Ernteerträge", Verlag Paul Parey, Berlin.)
Der erfinderische Menschengeist hat auch hier schon durch Maschinen die mühseligste Arbeit abgenommen, namentlich spielt die von Reyenburgische Bodenfräse, System Siemens-Schuckert, eine große Rolle, die in einem Arbeitsgange alle notwendigen Feldvorbereitungen erledigt. Der Gesamtarbeitsaufwand ist nicht größer, eher kleiner als bei der üblichen Feldbestellung. Etwa ein halber bis ein ganzer Hektar Boden könnte zur Ernährung einer Familie genügen."

Die Belehrung setzt sich fort mit der Aussage:

„In der Nähe der Industriezentren und der großen Städte läßt sich die Intensität der Landwirtschaft durch rationellen Gemüse und Obstbau noch viel mehr steigern. Die gärtnerische Meisterschaft europäischer Nachbarvölker kann uns hier als Vorbild dienen. ... Hoffentlich wird das Treibhaus bei uns bald zu den notwendigen Zubehör jeder Wirtschaft zählen. Dann ließen sich 6 - 9 Ernten innerhalb eines Jahres auf demselben Stück Boden ermöglichen. In Österreich wurden bereits mit staatlicher Hilfe wohlgelungene Versuche mit solchen Getreidegärtenkolonien gemacht. Wunderbare Aussichten für unsere Siedlungsbestrebungen eröffnen sich hiermit. ..."

Und fast hätte man darauf gewartet. Dieser Artikel kann es sich nicht versagen, dann mit den Schlusssätzen zu enden:

„Ist nicht auch in dem hier geschilderten wieder ein Zeichen zu erblicken? Eine Erfüllung jenes Prophetenwortes (Hesekiel 36: 29-39):

„Und ich werde das Getreide herbeirufen und es mehren, und keine Hungersnot mehr auf euch bringen; und ich werde die Frucht des Baumes und den Ertrag des Feldes mehren, auf daß ihr nicht mehr den Schimpf einer Hungersnot traget unter den Nationen."

Als Nachwort darf man dann wohl noch anmerken. Bereits seit Russell's Wunderweizern-Story, ist ja die diesbezügliche Euphorie bekannt. Im nachschauendem Rückblick ist aber auch bekannt, dass jener „Wunderweizen" dann zur „Seifenblase" mutierte. Es drängt sich der Verdacht auf, es hierbei mit einer variierten Neuauflage selbiger Sache zu tun haben. Was denn an dem Bericht „dran" ist, werden wohl nur landwirtschaftliche Fachleute beurteilen können. Vielleicht lautet deren Urteil dann auch:
Erfindungen - auf welche die Welt gewartet hatte. Und sie dennoch nicht zu gebrauchen vermag!

Wieder ein Patentrezept auf welches die Welt wartete
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 21. Mai 2012 01:55
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - eine Zeitreise
Wieder ein Patentrezept auf welches die Welt wartete

Nachdem im „Goldenes Zeitalter, (Schweizer Ausgabe 15. 7. 1925; Ausgabe Magdeburg 1. 9. 1925) bereits, im Rahmen der Gesundheitsratschläge des GZ, eine Lanze für den Honig gebrochen wurde. Etwa mit der Aussage:

„Es wird uns von einem berühmten Arzte berichtet, der das Alter von 98 Jahren erreichte. Er verwendete statt Zucker nur Honig zum Süßen der Speisen, weil er, wie er sagte, so lange wie möglich leben und sich, solange er lebte, wohl fühlen wollte. Er schrieb:

,Es würde den Gesundheitszustand der jetzigen Generation außerordentlich heben, wenn der Honig wenigstens teilweise wieder zu einem allgemeinen Nahrungsmittel gemacht werden könnte. Das fast allgemeine Verlangen nach Süßigkeiten irgendwelcher Art beweist, daß der Körper ein wirkliches Bedürfnis in dieser Richtung hat. ... In dem wunderbaren Laboratorium des Bienenstockes finden wir eine Süßigkeit, die keines Verdauungsprozesses bedarf. So sorgfältig ist sie von den wunderbaren kleinen Chemikern, den Bienen, bereitet, daß sie niemals den Magen oder die Nieren belasten wird."

Mit dieser Aussage war das Thema für das GZ offenbar noch nicht beendet. In der GZ-Ausgabe vom 1. 5. 1927, gibt es dazu noch einen „Nachschlag" (die Imker werden das sicherlich zu schätzen gewusst haben). Diesmal meint man unter der Überschrift „Der Honig - ein vernachlässigtes Nahrungsmittel" zu wissen. Und nachfolgendes wird Kommentarlos zitiert. Ob es den ein „Patentrezept" ist oder nicht, diese Frage mag denn jeder für sich selbst beantworten:

„Mit Rücksicht auf den Gesundheitszustand unseres Volkes und besonders auch unserer arg geplagten und gehetzten Großstadtbevölkerung ist dies (das in den Hintergrund treten des Honigs) sehr zu bedauern, denn unsere Vorfahren wußten recht gut, was für ein vortreffliches Heil- und Vorbeugungsmittel gegen mancherlei Krankheiten und Beschwerden ihnen in dem Honig gegeben war; deshalb schätzten sie ihn hoch und räumten ihm in Küche und Vorratsraum den ersten Platz ein. Und das mit vollem Recht; denn durch seinen Gehalt an Frucht- und Traubenzucker, Vitaminen und Ameisensäure, Eisen, Kalium, Magnesium, Natrium, Phosphorsäure und anderen für den Aufbau und die Funktion des menschlichen Organismus unentbehrlichen Stoffen besitzen wir in dem Honig in der Tat ein allererstes Genußmittel von höchster Heilkraft, das besonders in der gegenwärtigen, an Epidemien der verschiedenen Art überreichen Zeit in viel ausgiebigerem Maße als tägliches Nahrungsmittel benutzt werden sollte, als es vereinzelt hier und da der Fall ist. -

Ein oder mehrere Teelöffel Honig in einem Glase heißen Wassers aufgelöst und, wenn möglich, den Saft einer halben Zitrone hinzugetan, sind selbst in Fällen schwerster Erkältungskrankheiten mit hohem Fieber von geradezu erstaunlicher Wirkung; eine solche Lösung, mehrmals am Tage eingenommen, drückt hohe Fiebertemperaturen wirksamer und vor allem nachhaltiger als alle chemischen Mittel, die in solchen Fällen mit Vorliebe angewendet werden, nieder. Auch in der Rekonvalenz gibt es nichts Besseres als reichlichen Genuß des Bienenhonigs, gleichgültig ob in Wasser gelöst oder in der natürlichen, zahlflüssigen Form; die Verdauuung wird dadurch gefördert, die Darmtätigkeit angeregt, die Nerven werden beruhigt, das Blut wird gereinigt und der ganze Körper in seinen Funktionen mächtig gestärkt. Regelmäßiger Honiggenuß abends vor dem Schlafengehen schafft selbst dem nervösesten Menschen, der sonst vielleicht erst nach stundenlangen Liegen einschlafen konnte, schon nach kurzer Zeit erquickenden traumlosen Schlaf. Bei allen akuten oder chronischen Erkrankungen des Magens, des Armes, der Schleimhäute und verschiedener Drüsen, bei nervöser Überanstrengung und Mattigkeit, bei Entwicklungshemmungen der Jugend, Bleichsucht und Blutarmut, Gelenkrheumatismus, Arterienverkalkung, Asthma u. v. a. hat sich der Honig vorzüglich bewährt und bei regelmäßigem Genuß schon nach kurzer Zeit zu überraschenden Erfolgen geführt. Mir
(dem GZ-Schreiber) sind zahlreiche Fälle bekannt, in denen jahrein, jahraus regelmäßig wiederkehrend, chronische Erkältungskrankheiten mit ihrem weniger gefährlichen als lästigem Gefolge wie Halsentzündungen, Schnupfen, Bronchitis und sonstige Leiden speziell der Schleimhäute durch längeren Genuß von Honig gänzlich verschwunden sind, ohne jemals - sei es auch nur in kurzen Anfällen - zurückzukehren. Selbst der mit Recht so gefürchteten Diphteritis ist in dem reinen Bienenhonig ein Vernichter entstanden, der leider noch viel zu wenig gewürdigt und anerkannt wird.

So berichtet u. a. Weigert (Blätter für die deutsche Hausfrau 1926, 30) über einen Fall in seiner näheren Verwandtschaft, wo ein kleines an Diphtheritis erkranktes Mädchen, das bereits von allen Ärzten aufgegeben, mit dem Tode rang, nach längerer Honigkur gerettet und völlig wiederhergestellt werden konnte. Ähnliche Fälle sind in letzter Zeit auch von anderer Seite berichtet worden, und nach den Erfahrungen, die ich (der GZ-Schreiber) selbst von der starken Heilwirkung des Honigs machen konnte, nicht weiter erstaunlich. Auch noch auf die wirklich einzigartigen, prompten Erfolge einzugehen, die gerade in letzter Zeit mit einer Honigkur auch bei schweren Lungenleiden gemacht wurden, muß ich mir leider aus Raummangel versagen. Doch kann ich
(der GZ-Schreiber) den Ausführungen des Herrn Dr. Harald nur vollinhaltlich zustimmen, wenn er sagt, daß es ihm stets ein Gegenstand des Verdrusses sei zu sehen, mit welcher Geringschätzung die breiten Volksmassen den für unsere Gesundheit so außerordentlich wichtigen Honig beurteilen, während sie dagegen auf der anderen Seite recht beträchtliche Summen für die verschiedensten sogenannten „Nährsalze" ausgeben, die sich - zwar nicht immer - aber oft als reinster Schwindel entpuppen [Hervorhebung nicht im Original]. Die Mahnung ist in der Tat dringend erforderlich, erst einmal auf die natürlichen Produkte zurückzugreifen, die unserem Organismus all das geben, was er braucht, und alle sonstigen Surrogate durchaus überflüssig machen."

[Redaktionelle Nachbemerkung. Vorstehend zitiertes stellte die Auffassung des „Goldenen Zeitalters" dar, so wie sie in der genannten Ausgabe enthalten ist. Eine Gewähr für darin enthaltene substanzielle Aussagen, wird in keiner Weise übernommen.]

„Erfüllte Prophezeiungen"
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 25. Mai 2012 05:07
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - eine Zeitreise

Dieses im „Goldenen Zeitalter" vom 15. 5. 1927 veröffentlichte Bild, inspirierte offenbar die GZ-Redaktion einen etwas umfänglicheren Kommentar dazu mit hinzuzufügen. Wie man unschwer erraten kann hielt die GZ-Redaktion eine Überschrift wie:

„Erfüllte Prophezeiung - ein unumstößlicher Beweis der Aufrichtung des Königreiches Gottes"

für angemessen.
Zu den Binsenweisheiten dieses Kommentares gehören dann auch solche Sätze wie:

„Eine Prophezeiung kann erst verstanden werden, wenn sie erfüllt oder im Verlauf der Erfüllung ist."

Bösen Zungen fällt da unwillkürlich der Spruch von dem auf dem Mist krähenden Hahn ein, dessen Gekrähe man auch so zu deuten vermag:
„Das Wetter ändert sich - oder es bleibt so wie es ist."

Das wiederum - man ahnt es schon - würde die GZ-Redaktion nie auf sich sitzen lassen, wähnt sie doch „handfestere Beweise" zu haben. Zum Beispiel die Bibelstelle Jesaja 60:8 in der laut GZ zu lesen ist:

„Wer sind diese, die wie eine Wolke geflogen kommen, und gleich Tauben zu ihren Schlägen?"

Dazu meint dann das GZ zu wissen:

„Niemand hätte vor der Erfüllung dieser Prophezeiung wissen können, was das Prophet hier meinte"

; womit man den wieder beim auf dem Mist krähenden Hahn angelangt wäre. Fatal nur dass sich mit solchen „Misthähnen" kein sonderliches Geschäft machen lässt. Was wäre denn eine Jahrmarktsbude ohne lautstarken Anpreiser:

„Komm' sei rein, komm' se rein. Hier werden sie genauso beschissen wie nebenan." Das muss wohl auch dem GZ-Schreiber im Unterberwusstsein gedämmert haben. Denn in demselben Artikel rühmt er sich auch, dass die von ihm vertretene Organisation im Jahre 1926 allein in Deutschland 3.300.00 Bücher und Broschüren und 12.000.000 Traktate verbreitet hätte. Solche Umsätze lassen sich wohl schwerlich bewerkstelligen, hat man nur krähende „Misthähne" zu offerieren.

Und damit das geneigte Publikum vor lauter Staunen das Maul nicht mehr zubekommt, weis der GZ-Schreiber zu berichten:

„Doch das Hereinbrechen der Zeit des Endes dieses Zeitalters brachte uns die Wunder der Technik, und zu ihnen gehört das Flugzeug..."

Na wenn das mal kein Highlight für Unbedarfte ist!
Sein Publikum weis der GZ-Schreiber offenbar richtig einzuschätzen, denn er hat noch einen zweiten Kassenschlager dieser Güte mit auf Lager.
Diesmal muss der Bibeltext Hiob 38, 34, 35 herhalten, der denn laut GZ lautet:

„Kannst du deine Stimme zum Gewölk erheben ... Kannst du Blitze entsenden, daß sie zu dir sagen: Hier sind wir."

Und da wähnt sich der GZ-Schreiber so richtig in seinem Element, wenn er denn weiter tönt:

„Nichts besser könnte man eine Erfindung der neuesten Zeit schildern, nämlich das Radio. Durch die Radio-Wellen wird es möglich gemacht, die Stimme eines Menschen Hunderte von Meilen weit zu vernehmen."

Derart euphorisch eingestimmt, und im Bewusstsein, das eigene Geldsäckel ist ausreichend gefüllt; war es besonders in „God's own Country" das besondere Anliegen, dieser Propheten, die Radiotechnik, auch für die eigenen Propagandabelange einzusetzen. Und für Money ist in „God's own Country" vieles möglich. Auch das, mit abstrusen Religionsthesen der Mitmenschheit, auch ungebeten „auf den Keks" zu gehen.

Zwar sah dass die religiöse Konkurrenz nicht so gern. Aber bis sie es dann geschafft hatte, Rutherford wieder aus dem Radio zu vertreiben, vergingen einige Jahre. Mit Sicherheit war ihnen das im Jahre 1927 noch nicht möglich.

Mag es auch marginale Unterschiede bei diesen Jahrmarktsverkäufern geben. Eines eint sie wohl allesamt:

„Komm' sei rein, komm' se rein. Hier werden sie genauso beschissen wie nebenan."

Der famose „Heilige Rock" zu Trier
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 11. Juni 2012 23:13
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise

Das „Goldene Zeitalter" (Ausgabe vom 1. 6. 1927) informiert, diesmal über den „Heiligen Rock zu Trier". Der kritischen Tendenz dieses Berichtes mag man sich ja durchaus anzuschließen. Indes ob ausgerechnet die WTG-Religion dabei der geeignete Ankläger ist, erscheint doch mehr als zweifelhaft. Das gleiche Geschäft mit der menschlichen Dummheit (wenn auch auf variierten anderen Ebenen) wird doch auch von ihr betrieben und das massivst.

In genannten Beitrag konnte man lesen:

„Im Jahre 1844 fand eine Ausstellung des heiligen Rocks zu Trier statt. Ein Sturm der Entrüstung ging damals durch die gebildetere katholische Welt Deutschlands. Über eine halbe Million Katholiken traten aus der römischen Kirche aus (F. Jaskowski), 60.000 davon bildeten unter Führung des kath. Pfarrers Ronge die Deutsch-Katholiken. Eine im amtlichen Auftrage geführte Untersuchung durch die Prof. Sybel und Gildemeister ergab die Unechtheit des Rockes, also Betrug. Letzterer geht schon daraus hervor, daß außer in Trier noch vier Exemplare, alle mit der päpstlichen Bulle der Echtheit versehen, vorhanden sind: in Argenteuil, St. Jago, Rom, Friaul!
1891 fand wiederum die Ausstellung statt. Da legte der kath. Geistliche F. Jaskowski im Bezirk Trier seine Entrüstung in einer Schrift nieder: Verlauf und Fiasko des Trierer Schauspiels, H. Klingebeil, 1891. Er bezeichnete sich als ultramontanen Geistlichen und übt eine vernichtende Kritik aus. Er schreibt im Auszug:

Bischof Korum ließ noch einmal durch zwei zur Verschwiegenheit verpflichte Geistliche, davon einer ein Jesuit, den Rock untersuchen und machte die Protokolle bekannt. Danach wurden ein Ober- und Untergewand, dazwischen ein völlig zerrissener Lappen, der angebliche hl. Rock, völlig vom Schimmel bedeckt, dem Gewölbe entnommen, gereinigt und genäht. 1876 hatte der Domherr v. Wilmowski den angeblichen Rock für Futter des Obergewandes erklärt. Der Papst hatte einen vollkommenen Ablaß gewährt unter gewissen Bedingungen. Außer einem einladenden Hirtenbrief hatte der Bischof in einem anderen um Geldopfer für den Dom und für den Papst gebeten. J. bemerkt, der Dom habe Millionen ausgeliehen, und der Jesuit Margotti habe den Papst für den reichsten Souverän erklärt. Während der Vorbereitungen wurde auch der hl. Rock in Argenteuil ausgestellt. Beide Bischöfe versicherten sich, daß jeder den echten Rock habe! Bei der Eröffnungsfeier im Dom war kein katholischer Fürst zugegen, kein höherer katholischer Beamter, keiner der 50 deutschen Bischöfe, nur zwei Ausländer.

So kam viel Volk aus den niedrigsten Ständen. Landleute, Arbeiter, Dienstboten, andere waren nur vereinzelt zu sehen. Die Pilger stammten zum größten Teil aus dem Bezirk Trier und dessen Nachbarschaft, im ganzen in 45 Tagen 1.000.000. Trotz der Eisenbahnen dieselbe Zahl wie 1844. Der Rock mit den anderen Gewändern war in einem Glasschrank hinter dem Altar in einem Bündel aufgehängt, der Schrank hatte an beiden Seiten eine Öffnung, durch welche je ein Geistlicher, Rosenkränze, Bilder usw. der Pilger einen Augenblick an das Bündel hielt. Die Pilger schritten zu zweien zunächst an zwei mächtigen Opferkästen, dann an dem Schrank vorbei, vor dem ihr für den einzelnen nur etwas mehr als eine Sekunde Aufenthalt gelassen war, jeder konnte nur einen Blick auf das Bündel werfen, beim Abgang mußten sie noch einmal an einem Opferkasten vorbei. (1844 saßen am Ausgang zwei Geistliche am Kassentisch; Beschreibung eines ehemaligen Jesuitenzöglings). Die Pilger waren fast durchweg arme Leute, die Trier verließen, ohne für einen Pfennig verzehrt zu haben; sie brachten sich kärglichste Lebensmittel mit und tranken Brunnenwasser, reisten nach ein paar Stunden wieder ab. Die Geschäftsleute hatten alle Preise hochgetrieben, sahen sich getäuscht, für viele wurde die Spekulation zum Ruin.

J. schließt mit den Worten:

„Nur einen Erfolg scheint das Trierer Schauspiel zu haben. Die Schatullen für den reichen Dom und für den armen Heiligen Vater sind gefüllt; allein, da dieses Opfergeld zum großen Teil vor Armen und Notleidenden gespendet, so ist dieser pekuniäre Gewinn kein Erfolg, sondern eine Niederlage in moralischer Hinsicht!"

Ein braver Christ. Mir ist unbegreiflich, daß die Staatsanwaltschaft nicht eingeschritten ist; sie tut es doch sonst bei solcher Massenausbeutung. Kirchenprivilegien hören doch auch auf, sobald sie mit der christlichen Moral in Konflikt kommen! Der Reliqienhandel ist von Gregor I. (600 n. Chr.), dem Erfinder des Fegefeuers, eingeführt worden."

Siehe zum Thema unter anderem auch:
Mysnip.35677

Nochmals „Dr. Eisenbart"
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 13. Juni 2012 00:30
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise
Siehe auch:
http://27093.foren.mysnip.de/read.php?27094,121993,128884#msg-128884
19. April 2012 01:25

Dem Lieblingsthema des „Goldenen Zeitalters", dass von Zeit zu Zeit immer wider mal in neuen Varianten hervorgeholt werden muss, kann man auch in der Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 6. 1927 in der Form einer Zeichnung begegnen.
http://www.manfred-gebhard.de/GZ27615.jpg
Eigentlich aber, springt aber ein anderer Beitrag in dieser Ausgabe, besonders ins Auge.
Nachdem er sich schon im „Goldenen Zeitalter" vom 1. 4. 1927, mit voller Adressenangabe, wirkungsvoll als „Facharzt für Biologische Heilkunst" vorstellen konnte, war es diesem „Dr. Eisenbart" (pardon: Dr. Erwin Hof), dank der wohlwollenden Unterstützung der GZ-Redaktion, vergönnt, sich erneut in der GZ-Ausgabe vom 15. 6. 1927, wirkungsvoll in Szene zu setzen: Diesmal sogar über vier Druckseiten verteilt (S. 197 - 200). Bei seinem „Antrittsbesuch" hatte er sich noch mit drei Druckseiten begnügen müssen. Die Bewilligung von immer mehr Druckraum, zeigt denn auch, dass die GZ-Redaktion ihren „Star" auch entsprechend zu würdigen wusste.

Wusste er bei seinem Einstiegs-Artikel sich beispielsweise als Helfer für Syphilis-Kranke zu outen. Und wusste er für selbige eine auf dem ersten Blick etwas ungewöhnliches Heilmittel anzupreisen. Nämlich eine zünftige Fastenkur.

So lies er damals allerdings die Frage unbeantwortet, ob denn alle so von ihm verarzten Syphilis-Kranken wirklich (auch) unter chronischem Übergewicht leiden. Da kann dann ja eine Fastenkur als nachvollziehbares Rezept in der Tat gelten. Sollte indes ein „Spindeldürrer" Syphilis-Kranker in seiner Praxis auftauchen. Ob er dem dann auch eine Fastenkur verordnete? Diese Frage blieb leider unbeantwortet.

Im Bewusstsein, bei seiner angesprochenen Klientel via GZ, bereits ein „mächtigen Stein im Brett zu haben", geht es also in der GZ-Ausgabe vom 15. 6. 1927 mit seinen Ratschlägen weiter.

Und die GZ-Redaktion als solches, lässt denn auch keinen Zweifel, wo sie denn in diesen und ähnlichen Fragen steht. Denn sie bewilligt diesem „Dr. Eisenbart" (pardon: der hiess ja anders. Aber das wurde ja schon gesagt), ein eigenes würdevolles Nachwort zu seinen Ausführungen. Und in selbigem verbreitet sie sich auch mit dem Satz:

„Wir sind der absoluten Überzeugung, daß die Zukunft der Naturheilkunde gehört ..."

Da haben sich also die rechten Partner gesucht und gefunden.
„Dr. Eisenbart" (alias Dr. Erwin Hof) ist aber offenbar ein vorsichtiger Mann, denn wiederum baut er in seine Ausführungen seine bereits bekannte salvatorische Klausel mit ein:

„Ich behaupte, daß jede Krankheit heilbar ist, wohl zu beachten, jede Krankheit, nicht jeder Kranke!"

Das könnte wohl sein Stammvater, der „Dr. Eisenbart", auch nicht besser gesagt haben, denn zu dessen Künsten gehörte es ja auch Blinde gehend zu machen, und Lahme sehend.

Es ist offenkundig, dass die Dr. Hof's und Co, welche sich auch mit dem Umstand herumschlagen müssen, dass ihre Dienstleistungen nicht von allen Krankenkassen anerkannt und bezahlt werden. Sie also ihre Patienten selbst und direkt zur Kasse bitten müssen (in nicht wenigen Fällen). Das bei denen durchaus so etwas wie Neid auf die an den Krankenkassen-Krippen sitzende Schulmedizin aufkommt. Auch dieser Dr. Hof blieb offensichtlich vor diesem Frust nicht verschont.
Wie bei ihm und seinesgleichen zu erwarten, spart er denn nicht an Plattitüden. An Sätzen, welche in nicht wenigen Fällen auch die Schulmedizin zu unterschreiben vermag.

So weis er beispielsweise mitzuteilen: „Weiterhin sind es die Genußgifte Alkohol und Tabak, die in hohem Maße gefäßschädigend wirken."

Wird das von der Schulmedizin „bestritten"? Wohl kaum.

Zu seinen auch von der Schulmedizin bestätigten Plattitüden gehört dann wohl auch der Satz:

„Auch jede dauernde körperliche und geistige Überanstrengungen, dann Kummer, Leid, Ärger, Sorgen, kurz alle psychischen Aufregungen, durch die das Kreislaufsystem ständig aufgepeitscht und zu anormalen Mehrleistungen gezwungen wird, führen ebenfalls zur frühzeitigen Schwächung und Abnutzung der Gefäße und ihrer Verkalkung."

Bestreitet diesen Satz nun die Schulmedizin? Wohl kaum. Wer solcherlei Plattitüden nochmals, Honorarpflichtig, gesagt bekommen möchte, kann dies natürlich tun. Davon leben ja die „Dr. Hof's und Co" und in der Regel leben sie davon wohl nicht schlecht.

Seinen Frust über die Schulmedizin lässt dieser Dr. Hof dann eher in Nebensätzen durchklingen.
Etwa in dem:

„Ist es nicht eine Schmach, daß in einer Zeit, in der mit größter Tatkraft alle in unserem Volke vorhandenen Kräfte gesammelt und erhalten werden müßten und in der in inmitten aller Volksschichten auch kraftvoll für dieses Hochziel gearbeitet wird, sich im Hartmannsbund, ein Bund von Ärzten zusammengeschlossen hat g e g e n die Abstinenzbewegung?"

Und das interpretiert er dann so:

„Und dann wundert man sich auf Seiten der Staatsmedizin, wenn das Volk in Massen ihr entflieht und zur Volksmedizin übergeht? - Nicht aus Bosheit, Dummheit oder mangelhafter Gesetzgebung ist die Volksmedizin entstanden, sondern aus tiefster Not des Volkes heraus, weil die offizielle Hüterin der Volksgesundheit, die Staatsmedizin, eben so mannigfaltig versagte. Nur wenn der Schmied nichts taugt, geht man zum Schmiedel. Hochmütig und gehässig erklärt die Staatsmedizin jeden, der mit nicht anerkannten Heilmethoden oder ohne Approbation zu heilen wagt, trotz glänzendster Erfolge für einen Kurpfuscher. Ich sage: Ein Kurpfuscher ist der, der eine Kur verpfuscht. Ob er approbiert ist oder nicht, oder mit einer Methode heilt, die von der rückständigen, auf einer ganz falschen Weltanschauung aufbauenden Staatsmedizin noch nicht erfaßt worden ist, das spielt dabei keine Rolle."

Da hatte also die „Schulmedizin" das gesagt bekommen, was sie sich „hinter den Spiegel stecken kann". Sie sei eben „Rückständig". Wahrscheinlich wohl auch, weil die Hof'sche Fastenkur gegen Syphilis immer noch nicht Eingang in die offiziellen Medizinlehrbücher gefunden hat.
Ein Glück für diesen Dr. Hof, dass er da im „Goldenen Zeitalter" den geeigneten Partner gefunden hat, wo er sich denn auch mal ausweinen darf!

Das Thema nun, dass dieser „Dr. Eisenbart" in dieser GZ-Ausgabe im besonderen aufgenommen hat, ist das der Arterienverkalkung, mit ihren schlimmen Folgewirkungen, wie etwa Schlaganfällen und ähnlichem.
In diesem Kontext weis er mitzuteilen:

„Die Schulmedizin erklärt die Arterienverkalkung für eine unvermeidliche Kultur- und Alterskrankheit, der sie hilflos gegenübersteht."

Dieses „hilflos" ist dann wohl für diesen Dr. Hof der geeignete Aufhänger, um so Betroffene denn möglichst in seine Praxis zu lotsen.

Interessant ist dann wohl, was er denn seinerseits empfiehlt, da er sich ja der Schulmedizin überlegen fühlt. Dieses Repertoire das er dabei vorträgt, erweckt allerdings den Eindruck ziemlich einsilbig zu sein.
Etwa wenn er schreibt: „Ja bei noch jungen und lebenskräftigen Individuen

[Man beachte schon diese Einschränkung: jung und lebenskräftig]

kann sogar eine Rückbildung der Verkalkung erfolgen durch strenge Meidung aller Genuß- und Ernährungsgifte, Anregung des Stoffwechsels durch Wasseranwendungen, Luft- und Sonnenbädern (die aber nur unter ärztlicher Aufsicht zu nehmen sind) und ganz besonders durch eine zeitweise völlige Entlastung des Kreislaufes durch eine unter ärztlicher Aufsicht oder Anordnung zu machende Fasten- oder Frischfruchtkur bei völliger Enthaltung von jeglicher körperlichen oder geistigen Arbeitsleistung."

Damit dürfte er dann wieder mal sein Patentrezept postuliert haben, dass er schon Syphiliskranken empfahl. Eine Fastenkur, möglichst unter den Rahmenbedingungen eines Sanatoriums.

Er hat aber noch mehr solcher Rezepte auf Lager. Etwa auch das:

„Wer geschlechtlich abstinent zu leben vermag, der lasse sich von der Behauptung, dies sei ungesund, nicht irreleiten. Im Gegenteil: Geschlechtskrafteinsparung ist Lebenskrafteinsparung ... Der Mensch sollte sich doch in dieser Beziehung eigentlich nicht unter das Tier stellen, bei dem nur einmal im Jahr die Brunst auftritt, und in der Tat ist durch eine gift- und reizfreie mäßige Ernährung und sonstige gesundheitsmäßige Ernährung dieser Zustand alsbald wieder zu erreichen."

„Alsbald wieder zu erreichen", nochmals diesen Satzteil wiederholt. Ob denn dieser Wunderdoktor selber schon sein so postuliertes Ziel erreicht hat, darüber aber lässt er den Leser dann doch im Unklaren, was denn wiederum verdächtig, an seine bereits zitierte Polemik gegen den Hartmannbund erinnert. Der Satz. Arzt heile dich erst mal selbst, hat offenbar für diesen Dr. Hof nur sehr eingeschränkte Bedeutung.
Einige Auszüge aus der Artikelserie im Magdeburger „Goldenen Zeitalter" des Jahres 1927, dieses Dr. Erwin Hof (S. 107, 189, 235)

Versteht man es richtig, so scheint Abstinenz, auf den unterschiedlichsten Ebenen, ein besonderes Rezept dieses Dr. Erwin Hof zu sein. Daher darf man es wohl als kaum „unerwartet" bezeichnen, wenn er auch ausdrücklich den Tabak mit in seinen diesbezüglichen Katalog aufgenommen hat.
Nun dürfte wohl bekannt sein, dass auch die Schulmedizin das Rauchen als ein möglichst zu unterlassendes Übel bewertet. Insofern ist die Originalität dieses Dr. Hof den Aspekt des Rauchens betreffend, eher als gering einzuschätzen.
Indem er aber dieses Thema mit aufnimmt, sagt er ja nichts falsches. In der Ausgabe vom 1. 7. 1927, gewährt ihm daher das „Goldene Zeitalter" wieder umfänglichen Druckraum zum Thema Rauchen. Seinen „Starcharakter", wieder mit der vollen Angabe seiner Anschrift, unterstreichend.

Da das strikte ablehnen des Rauchens, auch mit zu den heutigen Grundsätzen der Zeugen Jehovas gehört, kann man auch diesen „Die Tabakseuche" überschriebenen Artikel, als eine frühe Wurzel dazu bewerten. Seine wesentlichen Ausführungen seien im nachfolgenden vorgestellt.

„Im selben Maße, wie der Alkoholkonsum durch den Krieg zurückging, stieg der Verbrauch eines anderen, nicht minder verderblichen Giftes, des Tabaks. Wer da meint, das Rauchen sei ein harmloses Vergnügen, befindet sich in schwerem Irrtum. Der Tabak, der erst im 16. Jahrhundertz aus Amerika nach Europa gebracht und anfangs als schädliche Giftpflanze auf das heftigste bekämpft wurde, kann wohl keinen bewußtlosen Rauschzustand, wie der Alkohol, hervorrufen; die in ihm enthaltenen und beim Konsum entstehenden Gifte haben jedoch bei regelmäßigem Genuß eine nicht minder, Kraft und Gesundheit vernichtende Wirkung, wie er. Das weiß heute jeder Arzt, der es wirklich ernst mit seinem Berufe meint. Vor allem ist das im Tabakrauch und -saftenthaltene Alkaloid, das Nikotin, ein schweres Gift, das an Virulenz der hochgiftigen Blausäure gleichkommt und infolge dessen bei dauernder Zufuhr den Organismus auf das schwerste schädigt. Schon auf die bloße Haut gebundene Tabakblätter haben bei Schmugglern zu den schwersten Vergiftungserscheinungen geführt. Die Indianer benützen konzentrierten Tabaksaft zum Vergiften ihrer Pfeilspitzen. 1 - 2 Tropfen töten Kaninchen, 2 - 3 Hunde. Beim Menschen genügt ein Tropfen Nikotin, um die schwersten Vergiftungserscheinungen hervorzurufen. Außer Nikotin enthält der Tabakrauch als weitere, sehr giftige Bestandteile das Kohlenoxydgas, Pyridinblasen und Blausäure, die letztere in zwar geringen, aber doch noch schädlich wirkenden Mengen. Alle diese Gifte gelangen beim Rauchen, zum Teil zusammen mit der Atmungsluft in der Lunge, zum Teil mit dem Speichel, der verschluckt und im Magendarmkanal aufgesogen wird, indirekt in die Blutbahn, werden vom Blute zusammen mit dem Närmaterial in alle Organe, Gewebe und Zellen getragen, wo sie - vor allem in den lebenswichtigen, zarten Gehirn- und Nervenzellen - ihre verhängnisvolle, den ganzen Zellstoffwechsel und damit die Zellfunktion lähmende und verändernde Wirkung ausüben. (Ein jeder Zigarettenraucher kennt die sofortige, lähmend und schwächend im ganzen Körper sich bemerkbar machende Wirkung seiner nüchtern, mit tiefen Lungenzügen gerauchten Morgenzigarette.) Funktionsuntüchtigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen krank machende Einflüsse, besonders gegen feindliche Bazillen aller Zellen und der einzelnen Organe sind die Folgen der chronischen Tabakvergiftung bei gewohnheitsmäßigem Rauchen. Bei den ersten Rauchversuchen sucht sich der Körper durch Erbrechen, Schweißausbrüche, Stuhlentleerung usw. rasch und restlos der ihm aufgezwungenen Gifte wieder zu entledigen. Bald jedoch erlahmt diese seine natürliche Abwehrkraft. Er erliegt der Flut der Tabakgifte und zieht sich in die zweite Abwehrstellung zurück, in der er sich mit den gegebenen, nicht zu ändernden Verhältnissen durch Einlagerung der Gifte und Anpassung an ihr Vorhandensein so gut es geht, abfindet. Damit ist der Anfang zur chronischen Tabakvergiftung und Tabakflucht mit all ihren schweren Folgen von körperlichem und geistigen Siechtum und Frühtod gemacht.

Vor allem schädigen und lähmen die Tabakgifte die lebenswichtigen Organe: Gehirn und Nerven, ohne die ein gesundes Leben und vollwertiges Arbeiten des ganzen Körpers nicht möglich ist. Gerade in der heutigen Zeit mit ihrem nervenzerrütenden Berufs-, Geschlechts- und Nachtleben ist der Tabak ein doppelt verheerend wirkendes Gehirn- und Nervengift. In zweiter Linie ist der Tabak ein schweres Herzgift, sowohl direkt durch Schädigung des Herzmuskels und der Gefäßwände, als auch indirekt, durch die lähmende Wirkung auf die Herzinnervation, deren Folgen allgemeiner Gefäßkrampf, Herzlähmung, Herzkrämpfe, Herzarhytmie usw. sind. Besonders ist der durch den chronischen Gefäßkrampf erzeugte, ständig zu hohe Blutdruck gefährlich, da er auf die Dauer zur Arterienverkalkung mit ihren schweren Folgeerscheinungen führt. Schwere Störungen der Magen- und Darmtätigkeit, sowie Schädigungen des Lungengewebes sind ebenfalls direkte und indirekte Folgen des Rauchens.

Die schwerste Gefahr beim gewohnheitsmäßigem Tabakgenuß liegt jedoch in der durch die Tabakgifte herbeigeführten allgemeinen Schwäche und Widerstandsunfähigkeit aller Zellen und Organe, die jeder Bakterieninvasion den denkbar besten Boden bieten und dadurch zur Hauptursache infektiöser Erkrankungen werden. Nicht der zellfeindliche Bazillus ist bei der Infektionskrankheit der Hauptfeind, sondern die geschwächte Körperanlage, derzufolge die in jedem gesunden, normal funktionierenden Organismus sofort mit durchschlagendem Erfolge in Aktion tretenden Abwehrkräfte nicht mehr vorhanden sind, sodaß er rettungslos dem Massenansturm der in wenigen Stunden sich zu Millionen vermehrenden feindlichen Bazillen unterliegt.

So wird der Tabak, sowohl allein, als vor allem im Verein mit den anderen, in gleicher Weise die Widerstandskraft des Körpers zerstörenden Kulturschäden: Alkohol, Mietskaserne, Geschlechtskraftvergeudung, einseitige und überanstrengende Berufstätigkeit, Fleisch- und Küchenkost, Mangel an Körperbewegung, Nachtleben usw. zur Grund und Mitursache einer großen Anzahl von akuten und chronischen Krankheiten. Krebs, vor allem Magen-, Darm-, Kehlkopf-, Zungenkrebs, schwere Seh- und Gehörstörungen (vor allem durch Verkalkung der entsprechenden lebenswichtigen Arterien und schwere Schädigung der Innervation), Hautkrankheiten aller Art, Vereiterung der verschiedenen Kopfhöhlen, Erkrankungen des Gehirns, Blutarmut mit allen ihren schweren Folgen, geschlechtliche Impotenz durch Degeneration der Hoden, das ganze Heer der nervösen Störungen, von den Ausfallerscheinungen und der Gedächtnisschwäche bis zu den schwersten Neurosen und Hysterie und endlich das nicht minder große Heer der Infektionskrankheiten, vor allem die Tuberkulose mit ihren verschiedenen Formen, dann die Lungenentzündung, Grippe usw. sind die Folgen der durch die Tabkgifte entstandenen Widerstandsunfähigkeit des Organismus.

Durch das Tabakrauchen wird nicht nur der Raucher selbst geschädigt, sondern auch seine Umgebung. Die gemachten Erfahrungen und angestellten Untersuchungen mit Kindern nikotinsüchtiger Väter haben klar und einwandfrei bewiesen, daß der Aufenthalt in Räumen, in denen geraucht wird, fast ebenso gesundheitsschädlich wirkt, wie das Rauchen selbst. Die schwersten chronischen Erkrankungen von Kindern, deren Väter täglich zu Hause rauchten und deren rasche und völlige Ausheilung nach Aufhören der chronischen Tabakvergiftung sind schlagende Beweise hierfür. Schwer wird in dieser Hinsicht unbewußt, infolge mangelnder Aufklärung, an unserer heranwachsenden Jugend gesündigt. Es ist hier nicht möglich, näher auf die wissenschaftlichen Forschungsergebnisse über die gesundheitsverheerende Wirkung des Tabakgenusses einzugehen. Wer sich dafür interessiert, den verweise ich an die einschlägige, sehr gute Lektüre des Verlages des „Bundes Deutscher Tabakgegner."

Die schlimmste Art des Tabakgenusses ist das Zigarettenrauchen, bei dem der Rauch tief in die Lungen eingesogen wird, wodurch seine Gifte in großen Mengen direkt in den Lungenbläschen vom Blute absorbiert werden.

Riesengroß sind die Verluste an Gesundheit und Kraft, die die immer mächtiger anschwellende Nikotinseuche in unserem Volke, insbesondere unter der Jugend anrichtet. In der Früh das erste und am Abend das letzte ist die Zigarette. 10, 20, 30, 40, 60, 80 bis 100 Stück beträgt der Tageskonsum eines gewohnheitsmäßigen Zigarettenrauchers; dabei berechnet sich bei einer 6,5 g schweren Zigarette der Nikotingehalt auf 4,5 mg und die bei ihrer Verbrennung entstehende Kohlenoxydmenge auf 18 cbcm. Sogar beim Baden im Wasser wird geraucht. Das Schlimmste ist, daß auch unsere Frauen und Mädchen in immer größerer Zahl der Körper und Geist zerrüttenden Seuche anheimfallen. Was soll für eine Nachkommenschaft entstehen, wenn nicht nur der väterliche Samen, sondern auch das mütterliche Ei durch Tabakgifte auf das schwerste geschädigt und das werdende Kind im Mutterleibe, während seiner ganzen Entwicklung, von dem nikotinverseuchten Mutterblute durchkreist und der Säugling mit nikotinvergifteter Muttermilch genährt wird? Eine öffentlich rauchende Frau wirkt auf mich immer abstoßend. Nicht nur in den Lokalen, sondern auch schon auf der Straße rauchen manche Frauen und nicht nur Zigaretten, sondern sogar Zigarren und Pfeifen. Ich danke für eine Frau, die mit der Zigarette im Munde lutschend und spukend auf der Straße neben mir herqualmt und Tabakwolken paffend mir in der Wohnung die Luft verdirbt, und vor allem danke ich für eine Mutter, die meine Kinder in ihrem Leibe und mit ihrer Milch vergiftet und dann zu Sichtum und Frühtod verdammt.

„Mäßiges Rauchen schadet nicht." Mäßigkeitsphrasen dienen nur zur Beschönigung und als Deckmantel für Schwäche und Genußgier. Es gibt keine Mäßigkeit bei Betäubungsgiften! Wo ist die Grenze zwischen schädlich und nicht schädlich beim Rauchen oder den übrigen Genußgiften? Der eine geht an den Folgen zweijährigen Zigarettengenusses zugrunde, der andere raucht mit 80 Jahren noch seine Pfeife! Die ererbte Körperanlage, die Art des Berufes, die Zahl der anderen Kulturschäden, die sozialen Verhältnisse usw. sind wichtige individuelle Komponenten bei der Tabakschädigung, die die Festsetzung einer allgemeinen Schädlichkeitsgrenze nie zulassen.

Zu den gesundheitlichen Schädigungen kommen die schweren moralischen und wirtschaftlichen Nachteile des Tabakgenusses noch hinzu. Daß eine so schwere, Kraft und Gesundheit zerstörende, chronische Vergiftung, wie das gewohnheitsmäßige Rauchen, auch die moralischen Kräfte und das natürliche Anstandsgefühl im Menschen schwächt, ihn unter Umständen sogar träge, minderwertig und ungezogen macht, ist eine theoretisch wie praktisch bewiesene Tatsache. Ein jeder kennt z. b. die Nikotinlümmel, jene jungen Flegel, die rücksichtslos ihrer Umgebung ihren stinkenden Tabaksqualm ins Gesicht blasen, die glimmende Asche ihrer Pfeife oder Zigarette ihrer Nachbarschaft auf die Kleider abstreifen, die aufgerauchten Stummel, ohne sie auszulöschen, unter den Tisch oder auf den Aschenteller werfen, in der Eisenbahn im Nichtraucherabteil rauchen und die dagegen protestierenden Mitreisenden schließlich noch verspotten oder auf das gemeinste beschimpfen.

Wie jeder weiß, braucht der Tabak besten Getreideboden, wenn er gedeihen soll. Viele Tausende von Hektar fettesten Ackerlandes werden zur Erzeugung dieser, die Volkskraft und Gesundheit verwüstenden Giftpflanze vergeudet, während das Volk hungert und unsere Kinder und Alten verhungern. Es ist ja nur natürlich, daß die Tabakindustrie mit allen Mitteln ihre im Kriege erzwungene glänzende Geschäftslage zu erhalten sucht. Mit unsinnigsten Behauptungen wird dem Volk weisgemacht, welcher Segen es für das Volksganze sei, wenn durch einen hohen Tabakkonsum eine möglichst große Anzahl Arbeiter „Brot" und der Staat viel Steuern bekomme. Nicht Brotbeschaffung, sondern Brotvernichtung bedeutet die Tabakindustrie mit ihrer Boden- und Arbeitskraftvergeudung; und was der Staat durch den Tabakkonsum an Steuern einnimmt, das büßt er (beim Alkohol ist das gleiche der Fall), hundertfach wieder ein durch die durch den Tabak verursachten Verluste an Volkskraft und Volksgesundheit und die Aufwendung für Kranken-, Irren-, Armen-, Erziehungs- und Zuchthäusern, in denen die direkt und indirekt Nikotin- oder Alkoholgeschädigten untergebracht werden müssen. 500 Millionen Goldmark hat das Volk schon im Frieden in Rauch aufgehen lassen. Heute ist der Tabakverbrauch auf ein Vielfaches des Friedenskonsums gestiegen. Hier liegen, wie auch im Alkohol- und Fleischgenusse, die Quellen großer Armut und mancher Leiden.

Nach diesen eher medizinischen Aspekten, leitet er dann auf weltanschauliche um und fragt:

Warum rauchen die Menschen eigentlich? Vier Gründe sind es, die Männern wie Frauen dieses Gift in die Hand zwingen. Einmal die Gott- und Seelenlosigkeit unserer materialistischen Weltanschauung, dann das wirtschaftliche äußere Elend, ferner die aus ihr sich ergebende innere Not und „last least", die Suggestion.

In einer Zeit, die Gott durch wissenschaftliche Beweise aus der Welt schaffte, ist es nur natürlich, daß ein rohes, rein animalisch sich äußerndes Genuß- und Triebleben zum höchsten Lebenszweck wurde. „Nach diesem Leben das Nichts." Also her, mit allen Genüssen, die dieses Jammertal zu bieten vermag und so viel von ihnen, als Körper und Geldbeutel aushalten! Man kostet nicht mehr klug einen Genuß nach dem anderen, sondern in wahnwitziger Gier stopft man, um sich über die innere Leere und Armut hinwegzutäuschen, alle nur möglichen Genüsse zu gleicher Zeit in sich hinein. Mit vollem Magen, auf dem Tische das volle Bier- oder Weinglas, die Zigarette im Munde, den neuesten Gassenhauer in den Ohren, in einem zotigen Witzblatt oder einer Schundzeitschrift lesend, oder einen zweifelhaften Film betrachtend oder ähnlich genießt heute mancher Großstädter!

Vor allem aber ist es die Not, die den Menschen die Betäubungsgifte aufdrängt. „Wer Sorgen hat, hat auch Tabak", können wir frei nach Wilhelm Busch zitieren.

Armut, Siechtum, Arbeitslosigkeit, Wohnungselend und anderes sind oft Hauptursachen für den Tabakgenuß und je schwächer der Mensch von Natur aus ist, desto leichter und lieber greift er nach der Betäubung, die ihm ja so freigebig überall in unbegrenzten Mengen angeboten wird. - Aber noch mehr wie die äußere Not zwingt die innere zur Betäubung mit Tabak und Alkohol. All den ungezählten Tausenden, die die wirtschaftliche Not in Berufe gedrängt, die sie nur mit Widerwillen ausüben und das große Heer der unglücklich Verheirateten - die die Kurzsichtigkeit begingen, in einer Vernunft- und Geldheirat Erlösung aus drückender Lage zu erwarten, und nun an der Seite eines ungeliebten, sie nicht verstehenden Menschen hungern, ja, verhungern, ihnen ist der Tabak Lebensbedürfnis geworden, für kurze Zeit zwar Vergessen bringend, aber gleichzeitig in ihnen auch die Kraft, erlösende Änderung zu schaffen, immer mehr zerstörend.

Berufs- und Eheelend sind nach meinen ärztlichen Erfahrungen auch die Hauptursachen für das Überhandnehmen des Tabakgenusses bei Frauen und Mädchen. Die Not zwingt die Frau brutal in die Arbeitsfront oder zur Ehe ohne Liebe und entzieht sie ihrem ureigensten Berufe der tief und treu liebenden Gattin und Mutter; darum greift auch sie heute zum Betäubungsgift und zwar zum Tabak, weil er von den beiden bei uns gebräuchlichsten das anständigere ist.

Daß schließlich auch die suggestive Wirkung der rauchenden Umgebung ein mächtiger Faktor für die Ausbreitung der Tabakseuche ist, daran zweifelt keiner, der die unheimliche Kraft der Suggestion kennt. Ihr fallen alle die kritik- und urteilsunfähigen Herdenmenschen, (die ja unsere seelenmordende, alles Individuelle brutal zerstörende, moderne Erziehungsmethode und Arbeitsweise in Massen züchtet), die alles, auch das Unsinnigste und Naturwidrigste gedankenlos nachmachen, zum Opfer.

Was wird gegen die Tabakseuche getan? So gut wie garnichts! Gleichmütig sieht man der Zerrüttung der Volkskraft durch sie zu. Jeder darf seinem Körper Nikotin einverleiben, so viel er nur will. Das Gehen auf dem Bahnkörper, das Baden an tiefen Stellen, das Abspringen von der Trambahn usw. wird polizeilich wegen der damit verbundenen Lebensgefahr verboten. Die tödlichen Gifte, Alkohol und Tabak, die darf jeder in unbegrenzten Mengen verkonsumieren und sich, seine Umgebung und seine Nachkommenschaft damit zu Grunde richten. Den ernsthaften Bestrebungen der Wenigen, denen der Nikotinlutscher, nicht das klare Denken trüben und das Gewissen einlullen konnte, der verheerenden Wirkung des Tabakgenusses Einhalt zu tun, fällt man mit dem Zetergeschrei über „Vergewaltigung des Selbstbestimmungsrechtes und der persönlichen Freiheit" und der banalen Feststellung, daß alle Kulturvölker rauchen, in die Arme.

Das einzige, was man gegen die Tabakseuche unternommen hat, ist ein Rauchverbot für die Jugend, um den in den Entwicklungsjahren durch alle schädlichen Einflüsse besonders gefährdeten Organismus zu schützen. Den zartesten und empfindlichsten Kindeskörper aber, den männlichen Samenfaden, das mütterliche Ei und den im Mutterleibe wachsenden Fötus, den läßt man die nikotinsüchtigen Eltern ruhig vergiften. Welche Gedankenlosigkeit und Oberflächlichkeit! Und was wird mit dem Rauchverbote für die Jugend erreicht? Meist das Gegenteil! Es möge nur jeder an die eigene Knabenzeit zurück denken. Wäre es nicht verboten gewesen, hätte keiner je daran gedacht, die stinkenden, entsetzlich schlecht schmeckenden und das schwerste Übelsein hervorrufenden Zigaretten zu rauchen. Aber da der Lehrer, der Arzt, der Pfarrer, der Bürgermeister, der Vater, kurzum alle imponierenden Männer rauchten, erschien es uns als der Inbegriff höchster Männlichkeit, das Rauchen vertragen zu können. Und ein ganzer Mann zu sein, danach strebt als Junge (leider vielmehr als in späteren Jahren) ein jeder.

Ja, ihr Erzieher, Priester, Ärzte und Väter, solange ihr mit dem Nikotinträger von morgens bis abends herumlauft, solange werdet ihr der Jugend weder durch Prügel, noch durch schöne Worte vom heimlichen Rauchen abhalten. Aber sobald ihr selbst nicht mehr mit der Pfeife im Munde hinter dem Bierkruge sitzt (und somit dem Nachwuchs nicht weiter das Bild des rauchenden und trinkenden Vaters und Lehrers als Inbegriff höchster Männlichkeit vor Augen schwebt, sind alle Rauch- und Trinkverbote für die Jugend überflüssig geworden.

Das schlimmste beim Nikotingenuß ist, wie bei allen Betäubungsgiften, die Gewöhnung. Ist der Organismus erst durch und durch mit Nikotin durchtränkt, dann wird die Unnatur zum zwingenden Bedürfnis. Wie dem Säufer der Schnaps, dem Morphinisten das Morphium, so wird dem Raucher das Nikotin unentbehrliches Bedürfnis, für dessen Befriedigung er Gesundeit, Familienglück, Ehre und Freiheit aufs Spiel setzt. Auf der tiefsten Stufe der Tabakverelendung steht der Nikotinlump, dem nicht mehr das Rauchen, sondern nur noch das Trinken des im Wassersacke der Pfeife sich ansammelnden Tabaksaftes die nötige Beruhigung für seine zerrütteten Nerven gewährt.

Wir kommt es, daß der Raucher nicht mehr auf das Tabakgift verzichten kann? Sobald der durch Nikotin hervorgerufene angenehme Zustand der Betäubung einige Zeit nach Einstellen des Rauchens aufhört, macht sich ein immer stärker werdendes Unbehagen und Schwächegefühl bemerkbar. Unterbleibt das Rauchen länger, so beginnt der Körper alsbald mit der Entspeicherung der in ihm eingelagerten Tabakgifte und dieses Losreißen der Giftmoleküle aus dem Zellverbande, besonders aus dem Verbande der empfindlichen Gehirn und Nervenzellen, erzeugt im Verein mit dem Fehlen des gewohnten Betäubungszustandes, die bis zu Krämpfen und Delirien sich steigernden unerträglichen Entwöhnungserscheinungen, die bis zur völligen Reinigung auszuhalten keiner der durch jahrelangen Tabakgenuß zerrütteten, energielos gewordenen Raucher die Kraft mehr hat.

Man raucht nicht nur den Tabak, sondern man kaut und schnupft ihn auch. Die gesundheitlichen Schädigungen gewohnheitsmäßigen Tabakschnupfens und kauens stehen hinter denen des Rauchens nicht zurück.
Auf, ihr deutschen Ärzte und Erzieher, die ihr euch der ebenso hohen, wie tiefernsten und schweren Aufgabe, die die heutige Zeit schwerster innerer und äußerer Not gerade von euch fordert, bewußt seid, werft kraftvoll den Tabaklutscher für immer beiseite! Männer braucht unser Volk so bitter notwendig, Männer mit klarem Kopfe und mit durch keine Gifte geschwächten Kräften, gesunde, körperlich hochstehende, durch innere Gebundenheit wahrhaft freie Männer! Sonst gehen wir ruhmlos unter, nicht an unseren äußeren Feinden, sondern an unseren inneren."

„Dr. Eisenbart" - III
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 24. Juli 2012 02:15
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise
Siehe auch vorangegangen:
Mysnip.128884

Wieder mal, bekommt „Dr. Eisenbart" (pardon, der heisst ja Dr. Erwin Hof und nennt sich „Facharzt für biologische Heilkunst") unter voller Angabe seiner Anschrift in München, in der GZ-Ausgabe vom 15. 7. 1927, die Möglichkeit, sich auf drei Druckseiten des GZ, wirkungsvoll in Szene zu setzen. „Die wahren Ursachen der Erkältungen, ihre Heilung und Verhütung", titelt er diesmal. Interessiert nimmt man das zur Kenntnis, denn wohl kaum jemand dürften Erkältungskrankheiten bisher erspart gewesen sein. Und wenn da einer in diesem Kontext auch die Worte „Heilung und Verhütung" mit in den Mund nimmt, kann er wohl gewiss sein, dass man ihm aufmerksam zuhört.

Schon einleitend weis er zu postulieren:

„Wir leben in einer Zeit der Umwälzung. Bisher für unmöglich gehaltene Wahrheiten entpuppen sich durch den Fortschritt unserer Erkenntnis als falsch und müssen neuen weichen. Auch in der Medizin zeigt sich ein mächtiges Gären. Alte Dogmen und Heilmethoden müssen verschwinden, weil neue, bessere sie verdrängen."

Zu Zeiten dieses Dr. Hof hatten die Zeugen Jehovas zwar noch nicht ihre „Theokratische Predigtdienstschule", aber den in diesen Kursen mit vorgesehenen Bewertungspunkt, Interesse zu erwecken, hat dieser „Dr. Eisenbart" sicherlich mit Bravour gemeistert.

Er weis dann seine Leserschaft mit dem weiteren markigen Satz zu „beeindrucken": „Krankheit ist Lebenshemmung"

Welcher Kranke würde das wohl bezweifeln?

Seine Alltagserfahrungen bestätigen das doch nur allzu genau. Nur muss man um diese Binsenweisheit gesagt zu bekommen, dazu unbedingt einen „Facharzt für biologische Heilkunst" konsultieren? Da wollen die Zweifel, ob denn dieses notwendig sei, einfach nicht weichen.

Gleichwohl gehört Diagnostik auch mit zum ärztlichen Standard-Repertoire. Also billigen wir Dr. Hof zu, er hat „richtig diagnostiziert".

Also halten wir uns nicht länger mit der Diagnose auf, sondern fragen mehr: Welche Empfehlungen leitet er nun aus selbiger ab?

Offenbar auch die:

„Bisher hat man bei den Infektionskrankheiten den Bazillus für die Ursache gehalten. Kein fortschrittlicher Arzt wird dies heute mehr tun. Die wahre Ursache bei jeder Infektion ist die durch andere Störungen hervorgerufene Schwäche und krankhafte Veränderung in bestimmten Organen und Zellverbänden, auf Grund derer sich der Bazillus einnisten und sein Leben behaupten kann. Die Infektionskrankheit ist ein Lebenskampf zwischen Mensch und Bazillus."

Mit letzterem Satz hat er dann wohl seine Diagnostik beendet. Er weis also (man kennt das ja schon von seinen Santoriumsempfehlungen) zu empfehlen, eine möglichst gesunde Lebensführung zu praktizieren, damit im Fall der Fälle, die Bazillen eben nicht siegreich seien.

Dies kommt dann vielleicht auch in seinem Satz zum Ausdruck:

„Ich behaupte, nicht Kälte und Luftzug sind die wahren Ursachen der sogenannten Erkältungen, sondern unsere falsche, den Körper mit Gift und Unrat füllende und dadurch siech und schwach machende unnatürliche Lebensweise."

Zu seinen Binsenweisheiten gehört dann auch die:

„Wie einem Arbeiter zur Durchführung seines täglichen Arbeitspensums eine abgegrenzte Menge Kraft zur Verfügung steht, nach deren Verbrauch er ermüdet und zu weiterer Arbeitsleistung untauglich wird, so verfügt auch der Organismus über eine tägliche abgegrenzte Menge Kraft zur Erhaltung der Stoffwechselbilanz, deren Größe von der ererbten Anlage, dem Alter, der bereits verbrauchten Lebenskraft, dem momentanen Gesundheitszustand, dem beruflichen Kräfteverbrauch usw. abhängt. Ist sie erschöpft und mit ihr die Leistungsfähigkeit der Zellen und Organe zur Durchführung des Stoffwechsels, dann stauen sich die Abfallschlacken in ihnen und machen sie krank."

Sorry „Dr. Eisenbart". Sind sie denn wirklich der Meinung, dass ihre vorzitierten Aussagen wirklich so „revolutionär" wären. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass es irgendeinen Schulmediziner gäbe, der solche Empfehlungen zu einer möglichst gesunden Lebensführung prinzipiell in Frage stellen würde. Und sie selbst nennen ja auch kein solch abschreckendes Beispiel beim Namen.
Schon bei ihren Fastenkuren-Empfehlungen, möglichst unter Sanatoriums-Rahmenbedingungen, dürfte doch wohl deutlich sein. Es ist eben nicht jedem vergönnt, solch ideale Umweltbedingungen zu genießen. Das kann zwar auch ein „Dr. Eisenbart" nicht ändern. Gleichwohl muss man es doch wohl mit aussprechen. Was ist aber nun, wenn einer, dem solche idealen Rahmenbedingungen nicht vergönnt sind, eben aus diesem Grunde, auch tatsächlich krank wird? Was für „Rezepte" hat denn dieser „Dr. Eisenbart" für den nun???

Da offenbart sich dann aber eines. Eine gähnende Leere. Es ist eigentlich etwas zu wenig, nur sagen zu können (sinngemäß): „Halte dich warm und gesund". Gut, wer das noch nicht wusste, den kann man das natürlich sagen. Und mancher bedarf eben des ausdrücklichen Hinweises und der Wiederholung dessen, was wichtig ist. Nimmt die Heilpraktikerzene diese Aufgabe wahr, tut sie sicherlich nichts verkehrtes.

Seine „Philosophie" in Sachen Erkältungen, bringt dieser Dr. Hof auch in den Sätzen zum Ausdruck:

„Alles Geschehen im Körper ist weise und zweckvoll. Auch die Krankheit hat ihren tiefen Sinn. In ihr sucht sich der Körper der Störungen in seinem Betriebe zu entledigen, oder wenn dies nicht geht, die Funktionen der erkrankten Organe durch die der gesunden zu ersetzen. So ist auch der Sinn der Erkältung, die infolge Versagens der natürlichen Ausscheidungsorgane: Nieren, Darm, Lunge, Haut, auf die gewöhnliche Weise nicht entfernbaren Gifte durch Entzündung eines größeren Schleimhautkomplexes unter Eiterbildung auszustoßen. Wer sich beobachtet, kann bemerken, wie energisch und auf wie weise Art z. B. die Bronchien allen in sie gelangenden Ruß und Staub wieder ausstoßen. Sofort nach Eindringen der Fremdkörper werden sie von den Schleimzellen der Bronchialschleimhaut ausgeschiedenen glasigzähen Schleim abgefangen und eingehüllt. Hat die Schleimbildung einen die Atmung hemmenden Umfang erreicht, so wird der ganze Schleim- und Schmutzklumpen durch einen Hustenstoß hinausbefördert."

Seine eigentliche „Rezeptur" beschränkt sich dann wohl auf den Satz:

„Als ich früher noch in dem Wahne lebte, es gehöre zur Manneswürde, täglich ein erkleckliches Quantum Alkohol und Nikotin zu verkonsumieren, da hatte ich nicht nur im Winter regelmäßig einen sechs Monate dauernden Bronchialkatarrh, sondern litt auch im Sommer ständig unter Erkältungen. Heute, da ich schon seit Jahren Genußgiftabstinent und Rohköstler bin, kenne ich keine Erkältungen mehr. Ich bin 46 Jahre alt, von muskulösem Körper und nehme es mit jedem jungen Menschen in jedem Sport auf."

Zu seinen Platitüden gehört dann wohl auch der Satz:

„Ganz verkehrt halte ich bei den heutigen großstädtischen Luftverhältnissen in den Privatwohnungen, wie an den Arbeits- und Vergnügungsstätten den Rat, sich gegen die frische Luft abzusperren."

Aus seinen sonstigen Empfehlungen kann man dann wohl den in dem Wort zusammenfassbaren Rat herauslesen: „Abhärten". Nun soll es ja Leute geben, die im Winter beispielsweise in Eis-Seen einzutauchen pflegen. Die erfüllen dann gewissermaßen eine seiner Kriterien. Wer sich denn mit solcher Art Weisheiten in der in Rede stehenden Sache „beglückt" sieht, der mag es ja so halten. Andere indes können sich des Eindruckes nicht erwehren. Würde alle Ärzte, auch die Schulmediziner, nur auf diesem „Niveau" vor sich herdümpeln, sähe es heute noch auf der Gesundheitsebene, ziemlich düster aus!

Im Impressum der (Magdeburger) Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" so auch in der Ausgabe vom 1. 8. 1927, kann man auch den Satz lesen:

„Nicht verwendete Manuskripte ohne Rückporto werden nicht zurückgesandt".

Offenbar hat dieses Verdikt diesen Dr. Erwin Hof wohl kaum je ernsthaft getroffen. Denn schon wieder, in der GZ-Ausgabe vom 1. 8. 1927, darf er eine neue Variante seine Platitüden präsentieren. Wiederum mit voller Adressenangabe, was man wohl nicht zu unrecht, als massive geschäftliche Begünstigung bewerten darf.

„Entstehung, Heilung und Verhütung von Infektionskrankheiten"

 so lautet sein heutiges Thema. Selbiges nutzt er aber wieder schamlos aus, um seine massiven Breitseiten gegen die Schulmedizin abzufeuern. Etwa mit den Sätzen:

„Alles Leben ist Kampf, muß Kampf sein, denn ohne Kampf keine Auslese und ohne Auslese kein Fortschritt. ...
Zwei Richtungen sind es vor allem, die sich in der Heilkunst scharf gegenüberstehen: Die Staatsmedizin und die Psychiatrie oder Naturheilkunst."

An nebulösen Hintertürchen lässt er es auch diesmal nicht mangeln. Etwa in dem Satz:

"Krankheit ist der Ergebniszustand bestmöglichster Selbstregulierung der durch physische und psychische Störungen entstandenen Funktionsstörungen im Organismus."

Seine Rezeptur beschränkt sich denn auch auf eine „möglichst gesunde Lebensführung". Dazu rechnet er dann wohl auch:

„Die Ernährung soll in der Hauptsache vegetarisch und nicht zu eiweißreich sein."

Mit von der Schulmedizin Fallweise verwendeten Medikamenten hat er prinzipiell nichts am Hut, wofür denn auch der Satz steht:

„Wenn dergestalt die Schar der Ärzte Deutschlands in ihrer Gesamtheit im Reichs- und Landtage und einzeln in ihren ärztlichen Wirkungskreisen für eine naturgemäße Ernährungs-, Wohn- Arbeits- und Vergnügungsweise und eine großzügige Bodenreform energisch kämpfen würden, würden sie unserem Volke gesundheitlich tausendmal mehr nützen, als mit allen Medikamenten und kunstreichen Operationen, mit denen ja doch nur in den seltensten Fällen wirkliche, d. h. Wiedererkrankung unmöglich machende Heilung, sondern nur eine zeitweilige Hilfeleistung erreicht wird."

Summa summarum. Ein guter Arzt der Gesunden erklären kann, wie sie denn möglichst weiter gesund bleiben können. Wem solche Binsenweisheiten sein in der Praxis fälliges Honorar wert sind, der mag es ja so halten. Ob er indes tatsächlich Kranken wirklich hilfreich ist. Die Zweifel diesbezüglich, sind keineswegs ausgeräumt!

Übrigens ein User meinte bezüglich dieses Dr. Erwin Hof auch zu wissen, nachdem er seinen Satz zitiert:

„„Ich (Erwin Hof) bin 46 Jahre alt, von muskulösen Körper und nehme es mit jedem jungen Menschen in jedem Sport auf.".

Sein Kommentar dazu:

„Dr. Erwin Hof verstarb kurze Zeit darauf im Jahr 1928. Er erreichte mit 47 Jahren selbst für damalige Verhältnisse ein unterdurchschnittliches Lebensalter. Woran er gestorben ist, konnte ich nicht in Erfahrung bringen."

http://forum.sektenausstieg.net/showthread.php?t=11518&page=4
Also meinerseits kann ich ja die genannte Todesnachricht weder bestätigen noch dementieren. Sollte sie zutreffend sein, dürfte sie ein zusätzliches Schlaglicht sein. Der Katalog der Deutschen Nationalbibliothek weist zu ihm die Lebensdaten 1881 - 1928 aus. Ergo wird die genannte Angabe auch stimmen.

Rohkost
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 24. September 2012 00:41
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise

Wieder mal - man hat fast schon darauf gewartet - darf sich der zeitgenössische „Medizinstar" der Bibelforscher, wiederum mit voller Adressenangabe; über volle drei Druckseiten, in der Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 1. 9. 1927, wirkungsvoll in Szene setzen. Das Thema das er diesmal zu referieren gedenkt, besteht aus einem Wort: Rohkost.
Siehe zu ihm auch:
Mysnip.128884

Nun denn wenn einer solch eine Ernährungsform praktizieren will, mag er es ja so halten. Allenfalls stellt sich die Frage, ob er damit nicht zugleich gewisse Mangelerscheinungen provoziert. So wie es unterschiedliche Menschen gibt. Solche mit Untergewicht und solche mit Übergewicht, kann man da wohl schwerlich eine generalisierende These aufstellen. Was für den einen gut ist, muss es nicht zwangsläufig auch für den anderen sein.

Da muss man dann wohl schon auf die Individualumstände, etwas genauer hinschauen.

Da alle freilebenden Tiere Rohköstler seien (? Eine These über die auch noch zu streiten wäre) , meint er nun zu wissen:

„Und, o Wunder, keine einzige von all den unzähligen schweren, akuten und chronischen, nervösen und ansteckenden Krankheiten, die der Kulturmenschheit das Leben zur Qual und die Erde zur Hölle machen, finden wir bei den freilebenden Tieren."

Das wird erst mal als Behauptung in den Raum gestellt; wobei bei unsereins eher leise Zweifel zu dieser These zurückbleiben.
Also nebst seiner schon früher referierten Fastenkur, „möglichst unter Sanatoriumsbedingungen"

offeriert er nun die Rohkost als zweiten wundersamen „Geheimtipp".
Aber, falls nun einer seine Empfehlungen zu wörtlich nehmen sollte. Auch für diesen Fall hat er dann seine sattsam bekannte salvatorische Klausel mit eingebaut. Im Kontext dieses Themas lautet sie bei ihm dann so:

„Nie und nimmer maße ich mir an zu behaupten, daß das, was ich hier sage „die Wahrheit" sei. Es ist lediglich meine ureigenste, auf genauester Prüfung aller vorhandenen, einschlägigen wissenschaftlichen Anschauungen wissenschaftlichen Anschauungen, sowie langjährigen, an mir und Hunderten von kranken und gesunden Menschen gemachten praktischen Erfahrungen herauskristallisierte Meinung über die menschliche Ernährung, sonst weiter nichts."

Die Befindlichkeit seiner Klientel trifft er sicherlich mit solchen Sätzen wie:

„Ein jeder, nicht dem Arznei- und Operierwahne verfallene Arzt weiß, welche große Rolle die Früchte-Rohkost in der Heilkunst spielt."

Wer wollte als Kranker nicht den Strohhalm ergreifen, wenn einer da verspricht, es ginge auch „ohne Arznei- und Operierwahn."

So gesehen, wäre wohl die gesamte Schulmedizin eine einzige „Ressourcenvergeudung". „Früchte-Rohkost" soll es ja angeblich auch tun.
Ob indes solche archaische Rolle rückwärts, wirklich der Weisheit letzter Schluss ist, wirkt auch angesichts der diversen salvatorischen Klauseln, dieses „biologischen Heilkünstlers" mehr als fragwürdig.

Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise

geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 18. Juli 2012 00:36
Landbote für Schleswig-Holstein

Das Problem kennt man auch heutzutage, dass der „Gefälligkeits-Rezension". Leute die da einen „Namen" zu haben wähnen, geben sich als „Multiplikatoren" her, um andere, vielleicht erst einen „Namen" erstrebende, in einem günstigen Lichte erscheinen zu lassen. Gibt es in der Sache vielleicht, auch Kritik mit zu vermelden, ist diese wohl eher in „unterdimensionierter" Form, eventuell mit im Text enthalten.

Fühlen sich zudem, nicht durch eigene Studien zum Thema ausgewiesene Journalisten berufen, auf ein Buch empfehlend hinzuweisen, kann man fast darauf warten, den Kriterien der „Gefälligkeits-Rezension" zu begegnen.

Da gab es also eine Zeitung in den 1920er Jahren, die nannte sich „Landbote für Schleswig-Holstein". Und wie gar nicht mal so unüblich, bekam selbige wohl auch diverse Bücher als Rezensions-Exemplare zugestellt. Offenbar auch eines des Paul Bräunlich mit dem Titel:
„Die ernsten Bibelforscher als Opfer bolschewistischer Religionsspötter".

Zu Bräunlich habe ich nicht unbedingt die „beste" Meinung. In der „Geschichte der Zeugen Jehovas. Mit Schwerpunkt der deutschen Geschichte" (S. 446f.) gehe ich auf ihn etwas näher ein.
Zu seinem Hauptthema, Leo Taxil, hat Bräunlich durchaus beachtliches recherchiert. Aber auch schon dort Analogieschlüsse auf die Bibelforscher übertragen, die einer sachlichen Bewertung nicht standhalten. Genannter „Landbote" nahm nun die Bräunlich „Religionsspötter"-Schrift zum Anlass, um daraus eine Gefälligkeits-Rezension zu basteln, die allen üblen Kriterien voll entspricht.

Schon die gewählte tendenziöse Überschrift „Die kommunistische Bibelforscherpest", spricht ja dann wohl Bände. Im nachfolgenden erst mal einige Auszüge aus dieser tendenziösen Gefälligkeits-Rezension. Dieser „Landbote" meint:

„Was Krieg, Zwangswirtschaft, Revolution und Inflation nicht fertig gebracht haben, was die große Notzeit auf dem Lande nicht erreichen konnte, nämlich das Landvolk dem jüdischen Zersetzungsgeist zugänglich zu machen, der sich in der Irrlehre vom Sozialismus oder Kommunismus bisher bemerkbar machte, das soll nun durch die vom jüdischen Gelde unterhaltene Sekte der 'Ernsten' Bibelforscher erreicht werden."

Schon mit dieser Einleitung segelt denn dieser „Landbote" voll auf der Linie der Nazi-Agitation, gespickt zugleich, mit nicht bewiesenen Unterstellungen.

Weiter geht es in diesem Text:

„Die Schwindler kleiden sich in ein religiöses Mäntelchen, sie legen die Bibel in einem Sinne aus, der ihren jüdisch-revolutionären Zielen dienen soll und finden Dumme, die sie suchen und mehr, als man nach dem allgemeinen Bildungsstand des Landvolkes für möglich halten sollte."
Jetzt seien mal einige Passagen (unbewiesener Art) übersprungen.
Biblischem Gedankengut (etwa der Eschatologie) ist dieser „Landbote" ohnehin weitgehend entfremdet. Gleichwohl meint er selbige tendenziös ausdeuten zu können, etwa mit den Sätzen:

„Seit 1914 hat Christus sich den Leib eines Juden geborgt und es soll nun der 'Tag der Rache' beginnen, der die größte Revolution der Welt sein wird.
Alles wird um diese Zeit über den Haufen geworfen werden. Der 'Krieg von Harmagedon' vernichtet die herrschenden 'ruchlosen Systeme': den Staat, diesen 'Drachen' der Offenbarung St. Johannis: 'Die blutige Hand der Anarchie wird ihr schreckliches Werk vollbringen und Babylon, die Namenchristenheit, seine gesellschaftlichen, bürgerlichen und kirchlichen Einrichtungen werden fallen. 'Schon sind Könige und Fürsten' in ihrer Herrschaft 'durch die gemeinsamen Interessen und die Intelligenz der Massen bedroht.' Auch alle anderen 'tierischen Herrschaften' sollen beseitigt werden: 'herrschende Klassen, 'nationale Obrigkeiten', 'Gottesgnadentum', 'Militär' usw.
Es ist eine 'Zeit des Umsturzes aller Gebräuche', so radikal wie nur möglich. Denn es soll 'die böse und verderbte Zivilisation, die als 'Christentum' bekannt ist, noch öder und wüster gemacht werden als die Wildnis, die Palästina umgibt. Sie soll ganz vom Erdboden hinweggefegt werden, um Platz zu machen für die einziehende neue Ordnung der Dinge. Auch die 'gelehrten und mächtigen Hochschulen und Universitäten werden zuschanden und man wird sie vernichten ... Sie werden völlig wüste gemacht und niemals wieder aufgebaut.' Ferner geht die Vernichtung des Papstes, dieses 'Menschen der Sünde, und 'seiner nachgefälschten Hierarchie' vor sich. Denn die 'Bedeutung der kommenden sozialen Revolution in Gottes Plan' ist:
'Die unfruchtbaren Systeme, deren Zeit vorüber ist, zu beseitigen und die Welt durch einen großen Gleichmachungsprozeß für die Tausendjahrherrschaft der Gerechtigkeit vorzubereiten.'
Zwei große Parteien werden in diesem Endkampf miteinander ringen:
'Auf der einen Seite Sozialisten, Freidenker, Ungläubige, Unzufriedene und echte Liebhaber der Freiheit, deren Augen sich in bezug auf politische und religiöse Mißverwaltungen und politischen Despotismus zu öffnen anfangen. Auf der anderen Seite werden sich nach und nach die Gegner der menschlichen Freiheit und Gleichheit verbinden: Kaiser, Könige, Aristokraten.

Die Ernsten Bibelforscher rühmen sich, 'an diesem Werke, die jetzigen Reiche in Stücke zu schlagen, beteiligt zu sein.' Sie stellen allerdings nicht 'das große Heer des Herrn dar, das nach Bibelforscherdeutung von Joel 2, 2 bis 11, die Aufgabe zu erfüllen hat, 'die Reiche der Welt zu stürzen'. Aber sie nehmen daran doch 'einen gewissen geistigen Anteil. Als 'kleine Herde' leisten sie nämlich wertvolle Pionierarbeit für die Weltrevolution.
Praktisch bereitet Russell den Sieg des Bolschewismus vor, insbesondere durch unablässiges Hintreiben der von ihm umgarnten frommen Kreise kleiner Leute auf den Kirchenaustritt und durch Einschärfüng der 'Pflicht', den bestehenden Ordnungen sich feindlich zu erweisen, sowie den Sieg bolschewistischer Gottlosigkeit in keiner Weise zu hemmen. Seinen Kampfruf: 'Heraus aus Babel!' erläutert er u. a. mit den Worten:

'Von Babel ist so gemeint, daß man sich von allen Banden in der Namenschristenheit, von jeder Teilnahme an deren bürgerlichen, gesellschaftlichen und kirchlichen Organisationen losmachen soll. Dies kann nur geschehen indem wir aus den verschiedenen kirchlichen Organisationen ausscheiden. Gleichzeitig müssen wir allen bestehenden bürgerlichen Gewalten fremd gegenüber stehen.'

Am Weltrevolutionstage sei es 'Pflicht der Geweihten', 'zu allernächst zuzusehen, daß sie dem Wege Jehovas nicht im Wege stehen. Und dann, 'stille stehen, und schauen das Heil Gottes in dem Sinne, daß sie erkennen, es sei nicht ihre Sache, sich irgendwie an diesem Kampfe zu beteiligen, sondern des Herrn, der es durch andere ausführt.'

Ihre Verheißungen als göttliche Wahrheiten aufzutischen, konnten die Häupter der Ernsten Bibelforscher deshalb für gefahrlos halten, weil sie offenbar spätestens für Oktober 1925 mit dem Sieg der Weltrevolution rechneten.
Der evangelische Preßverband nagelte in einem Rundschreiben vom 23. Juli 1914 revolutionäre Ausführungen der Bibelforscherpresse fest wie:

'Die gegenwärtigen Regierungen sind heidnisch, wild, tierisch. Es ist höchste Zeit, daß nach dem Willen Jehovas alle Regierungen und Kirchen gestürzt werden.'

Und er setzte hinzu:

So leuchtet plötzlich hinter der Maske der Sektensendlinge die haßerfüllte Wut eines fanatischen Umstürzlers hervor!'
Mit wachsender Kriegsnot wuchs der von dem Sektenhaupt erwartete Revolutionsgeist. Bald ließen seine
Anhänger jede Vorsicht vermissen. Sie taten z. B. ihr mögliches, die Kraft des nationalen Widerstandes zu brechen, Empörergesinnung zu pflegen. ..."
'Und dieses Zerrbild endet dann mit der Empfehlung:

„Den auf dem Lande herumreisenden, von jüdischem Gelde bezahlten Aposteln dieser Umsturzsekte gegenüber ist nicht mehr deutsche Gutmütigkeit, sondern ein deutscher Eichenknüppel am Platz. Im alten Ordnungsstaat konnten derartige Giftpilze nicht gedeihen, im heutigen Judenstaat hält man die schützende Hand über alles, was dem Untergang des deutschen Volkes zu beschleunigen und zu besiegeln nur irgendwie geeignet ist."
 

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In der Ausgabe vom 1. 7. 1927 ging dann das „Goldene Zeitalter" auf vorstehenden Artikel ein. Wer indes erwarten sollte, die wesentlichen Aussagen des inkriminierten Artikels würden dabei mit vorgestellt, sieht sich allerdings getäuscht.
Noch eine Besonderheit gilt es zu registrieren. Die Antwort ist namentlich gezeichnet, von einem gewissen Ingenieur Curt Bran aus Jena.
Schon einleitend behauptet dieser Herr Ingenieur:

„Ich gehöre der Bibelforscher-Vereinigung nicht an."
Sonderlich überzeugend wirkt diese Behauptung allerdings nicht, wenn man mit in Betracht zieht, dass in der Balzereit'schen Schrift unter dem Pseudonym Gehrhard mit dem Titel „Kultur-Fragen" sein Name dort bereits erscheint. In der dortigen Auflistung von Namen der „Hofschranzen" die sich da dem Balzereit zur Verfügung stellten, findet man unter anderem auch den Namen:
„Ingenieur Curt Bran, Jena, Weinbergstr. 3". Und das in trautem Schulterschluss mit anderen Namen, die aber von sich selbst eindeutig erklären, der Bibelforscherorganisation zugehörig zu sein.

Zu seinen Gegenargumenten, mit dem er wohl glaubte „punkten" zu können, gehört beispielsweise dieses:

„Gewiss hat jeder denk- und urteilsfähige Deutsche die Pflicht, sich mit dem jüdischen Volkproblem auseinander zusetzen und sich Klarheit zu schaffen - aber auch wahrheitsgemäße Klarheit über die weltgeschichtliche Funktion des Judentums. Hierauf brauche ich nicht weiter einzugehen. Bei allen Verwünschungen des jüdischen Kapitals geht die völkische Kampfstimmung völlig an der Tatsache vorbei, dass der Weltkrieg jahrelang zur Rettung der Gelder Pierpan Morgans, des päpstlichen Erzkämmerers geführt wurde, dass Millionen deutscher Männer hierfür ihr Leben lassen mussten, und dass die wirtschaftliche Fortsetzung des Weltkrieges bis heute sich allein um diese Angel dreht. Herr Erzberger, der Anwalt jenes Geldinstitutes, konnte auch während der strengsten Grenzsperre des Weltkrieges ungehindert seiner Instruktion via Rom empfangen, gegen den darauf gegründeten Zellenstaat der katholischen Kirche, gegen den Ausbau katholischen Kirchenbesitzes und jesuitischer Klöster in den protestantischen Teilen Preußen-Deutschlands, aus dem so geretteten Geldern wagt sich kein Glied der „Geistlichkeit" mit dem Heldenmut anzugehen, mit dem sich die geistlichen Herren als Büttel der katholischen Kirche an der Verleumdung einer unbequemen Weltanschauung gütlich tun. Man prüfe den katholischen Anteil am Weltkapitalismus und wird dann erkennen, dass die katholische „Haltet den Dieb-Taktik", die in der Abteilung zum Antisemitismus ihren Ausdruck findet, ihren guten Grund hat! ...

Das Schlagwort sagt: „Die Bibelforscher bekommen ihr Geld von den Juden." Für Jahre war dieses Schlagwort die zugkräftigste Waffe „Christlichen" Geistlichkeit. Der „einwandfreie" Beweis wurde durch einen jüdischen Freimaurerbrief aus Amerikas erbracht, der sich später allerdings als eine grobe Fälschung erwies. Selbst die Apologetische Zentrale fand nicht mehr die Stirn , den gefälschten Brief als Beweismittel für die Behauptung anzuempfehlen. Man half sich damit, dass man an Stelle der positiven Behauptung die Verdächtigung setzte und es der Phantasie überließ, Motive und Schlussfolgerung nach Willkür und Bedarf zu kombinieren. Auch Lic. theol. Bräunlich schärft an dieser ernsten Frage seinem plumpen Witz und glaubt durch vielseitige Beleuchtung der Möglichkeiten seinen Leser keine andere Schlussfolgerung mehr gelassen zu haben als dass das Geld nur von Juden kommen kann, Jeder Kritik und gedankenlos Leser muss ihm in seinen diabolischen Gedankengängen folgen. Doch er beweist dem Kenner nur Perfidie, Krämergeist und Maulwurfshäuser."

Unter den kirchlichen Anti-Bibelforscher-Apologten jener Jahre, ragt als einsame Ausnahme der Pfarrer Rohkohl
positiv hervor. Positiv auch deshalb, weil er sich nicht von Bräunlich und Co täuschen lies. Siehe dazu auch:
19282Rohkohl.htm
Besagter Pfarrer Rohkohl kommt nun auch auf die Apologie des Curt Bran zu sprechen:

"Die Bibelforscherbewegung hat in dem Ingenieur Curt Bran-Jena einen eifrigen Verteidiger gefunden, der mit großer Leidenschaft für die Wahrheit der Bibelforscherlehre einzutreten versucht. Es liegen von ihm, der behauptet, selbst nicht der IVEB anzugehören, zwei 'offene Briefe' vor, von denen einer an die Schriftleitung des 'Landboten für Schleswig-Holstein' in Kiel, der andere an die 'Blätter des Evangelischen Bundes' gerichtet ist. Einer der beiden Briefe ist inzwischen in der Halbmonatsschrift der Bibelforscher 'Goldenes Zeitalter' veröffentlicht.

Bran will beweisen, dass alle Angriffe gegen die Bibelforscher durch Hass, Dummheit und Unkenntnis gekennzeichnet seien, und das die Bibelforscher die wahren Vertreter des Urchristentums seien. Der Ton der beiden Briefe ähnelt aufs Haar dem Tenor der berüchtigten 'Anklage gegen die Geistlichkeit'. Das muss um so mehr wunder nehmen, da der Verfasser gerade über den Ton der von ihm inkriminierten Artikel lebhaft Klage führt. Man hätte also erwarten sollen, dass er sich ganz besonders der Sachlichkeit befleißigen würde. Nichts von alledem! Beide Briefe tragen von Anfang bis Ende den Charakter stärkster Animosität.

Weiter meint Rohkohl

„Ebenfalls nicht überzeugend sind die Ausführungen des Verfassers, die die Finanzierung der Bewegung angehen. Hier hätte er wesentlich mehr für sich geltend machen können. Rührselige Geschichten, wie die Anhänger würden jeden Groschen, den sie erübrigen, der Bewegung zugute kommen lassen, sind ja immer sehr schön, überzeugen aber nicht restlos. Meines Erachtens muss sich das 'Goldene Zeitalter' zum Beispiel ohne Zuschüsse selbst halten können, ja sogar noch Überschüsse erzielen. ...

Was Bran sachlich über das Buch von Lic. Bräunlich: 'Die Ernsten Bibelforscher als Opfer bolschewistischer Religionsspötter' sagt, verdient gewisse Beachtung. Für mich sind seine Ausführungen über diesen Punkt die Antwort auf Vermutungen, die ich bei Erscheinen dieses Buches aussprach:

Die Bibelforscher werden aus ihrem umfangreichen Schrifttum eine Fülle von Beispielen bringen, die dartun, dass ihre Führer gegen den Kommunismus aufgetreten sind und vor ihm warnen. Bran hätte seine Beispiele sicher noch beliebig vermehren können. Denn es gibt in der Tat eine große Anzahl solcher Stellen. Damit wird die Frage dringend, ob man überhaupt von dieser Position die Bibelforscher ernstlich, d. h. mit einer gewissen Aussicht auf Erfolg bekämpfen kann. ...

Ein wesentliches Merkmal der Ausführungen Bräunlichs wird sich trotzdem auch jeder objektive Kritiker zu eigen machen können, dass nämlich die Bibelforscher Wegbereiter des Bolschewismus sind, soweit es sich um die Religionslosigkeit und Religionsfeindschaft der Massen handelt. Hier ist mit bewunderswerter Klarheit das Endergebnis der Bibelforscherarbeit herausgestellt worden: Die Massen werden zunächst der Kirche sowie jeder nur religiösen Gemeinschaft entfremdet und mit glühendem Haß gegen sie erfüllt.

Bricht dann eines Tages ihr religiöses Gebäude zusammen, so wird ein großer Prozentsatz, getrieben durch bittere Enttäuschung, sich vollends dem Atheismus verschreiben, zumal ihre bisherige religiöse Gedankenwelt nichts anderes ist, als religiös übertünchter Materialismus. Der Unterschied der Auffassung besteht lediglich darin, dass Bräunlich der Ansicht ist, glaubhaft nachweisen zu können, dass diese Entwicklung seitens der Führerschaft gewollt ist, während andere das als eine ungewollte Wirkung ansehen."

Fast überflüssig noch, zu bemerken. Eine veröffentlichte Stellungnahme seitens der WTG zu den Ausführungen Rohkohl's gibt es nicht.

Fragwürdige Geschäftemacherei mit dem Unglück anderer

geschrieben von:  Drahbeck

Datum: 19. Juli 2012 02:40

Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise
Einige Überschriften (nur) aus dem „Goldenen Zeitalter" vom 1. 7. 1927, Rubrik:
„Zeichen der Zeit des Endes. Der Tag des Zornes und Grimmes Jehovas":

„Unwetter überall: Sturmkatastrophe in Holland,
Ein Wirbelsturm in Günzburg,
Wirbelsturmkatastrophe in Oldenburg,
Wirbelsturmkatastrophe in Lingen a. d. Ems,
Schwere Unwetter, Wolkenbrüche, Stürme in Amerika,
Taifun bei den Philippinen,
Schwere Sturmschäden in Portugal,
Weitere Überschwemmungs-Katastrophe im Mississippigebiet,
Der Umfang der Mississippikatastrophe,
Schwerer Sturm bei Arkona,
Unbekanntes Erdbeben,
Starkes Hochwasser der
Wolga,
Erdbeben in Serbien."

Dieselbe Rubrik in der Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 7. 1927. Dort neben Politikorientierten Meldungen auch die (wiederum nur die Überschriften):

„Unwetter in Oberschlesien,
Schwere Gewitterstürme in Polen,
Schweres Unwetter im Kreise Groß-Strelitz,
Neue Überschwemmungen in Nordamerika,
Schweres Unwetter in Luxemburg,
Orkan-Unwetter in Weißrußland."

Insbesondere die Lingen a. d. Ems betreffende Meldung, sei doch noch, aus einem noch zu erläuternden Grunde, im Wortlaut zitiert:

„In Lingen 200 - 300 Häuser abgedeckt, 10 Häuser zerstört, 2 Tote, 17 Verletzte. Das Dorf Esche, bestehend aus zwölf Bauerngehöften, vollständig vernichtet. Die Gegend von Reede, Haaksbergen ein Bild der Verwüstung. Zwei- und dreistöckige Häuser niedergerissen. Riesige alte Bäume entwurzelt. Ein Eisenbahnzug aus den Schienen geworfen, 18 Tote."

Sicherlich verdienen diese Opfer des Mitgefühls und (hoffentlich) auch der Hilfe.
Eine ganz spezifische Form der „Hilfe" bekamen sie offenbar aus dem Leserkreis des „Goldenen Zeitalters", worüber in dessen Ausgabe vom 15. 7. 1927 berichtet wird. Exklusiv wusste offenbar ein direkt in Lingen, Ems wohnhafter Leser des GZ als Augenzeuge, darüber zu berichten.

Sein Bericht sei denn zitiert:

„Gerade war ich dabei (es war Mittwoch, der 1. Juni etwa 17, 15 Uhr) einen kleinen Betrag zu senden für das G. Z., als der Himmel eine immer dunklere und gelbe Färbung annahm. Jedoch ließ ich mich nicht im Schreiben stören, auch nicht, als das elektrische Licht zweimal versagte. Plötzlich vernahm ich ein furchtbares Krachen und Bersten, und zugleich schrieen meine Eltern und Geschwister. „Ein Wirbelsturm, ein Erdbeben, in die Keller!"
Meine Mutter schrie furchtbar. Gott verlieh mir Ruhe, und ich stellte mich in eine Ecke, und bat um Schutz vor dem „Fürsten der Gewalt der Luft" durch Jesum. Dann suchte ich meine Mutter zu beruhigen, als plötzlich die Fensterscheiben dort, wo ich gesessen hatte, um zu schreiben, mit furchtbarer Wucht durch die herabstürzenden Pfannen der Nachbardächer eingedrückt wurden. Wäre ich nicht aufgestanden und fortgegangen, so wäre ich unfehlbar getötet worden. Jetzt eilte ich auf die Straße und sah wie überall Dächer zusammenstürzten, Menschen schrieen:
„Ein Kind liegt dort tot!" Ich eilte schnell hin, wo die Leute ratlos standen (Telefon- und Lichtanlagen waren zerstört!) Und nahm den blutüberströmten Knaben auf den Arm und rannte, so schnell ich vermochte, mit ihm zum Krankenhaus. Überall mußte ich über Schutthaufen und Drähte springen, bis ich endlich am Ziel war. Ich eilte zum Verbandszimmer mit dem Kind. Der Schädel war gespalten, der Kiefer zerschmettert. „Wie heißt das Kind?" Fragte die Schwester. „Ich weiß es nicht. Kommen Sie, schnell verbinden, ehe das Kind verblutet!" „Ist das Kind denn katholisch?"

Das war zuviel für mich! „Das kann Ihnen doch egal sein, ob katholisch evangelisch oder sonst was, hier heißt es helfen!" Sagte ich ziemlich grob und füllte eine Schale mit warmen Wasser. Jetzt wurde sie etwas verlegen. „Ich meine, wenn das Kind mal stirbt ... der Pastor ...." „Ach was", sagte ich Pastor! Wenn alle Menschen nur soviel Sünde täten wie dieser Knabe! Nun schnell verbinden, ehe er verblutet!"
Jetzt kam eine andere, bedeutend liebenswürdigere und tatkräftigere Schwester und wusch den Knaben ab, bis der Arzt kam, der ihn verband. Nun eilte ich auf die Straße und konnte sehen, welch furchtbare Verwüstungen der Wirbelsturm angerichtet hatte. Überall waren die Dächer der Häuser - über 500 - abgedeckt. Viele Häuser waren vollständig eingestürzt. Hunderte von Bäumen, darunter solche von 1 Meter und mehr Durchmesser und 20 Meter Höhe lagen entwurzelt auf dem Boden oder an Häusern. Wie ein Strohhalm waren sie abgebrochen worden. Zementsäulen von 60-70 cm Breite und Dicke lagen wie abrasiert auf der Erde. Ein entwurzelter Baum von über 1 Meter Durchmesser hob bei seinem Sturz ein Haus hoch und zertrümmerte es. Einer Frau ging der Kinderwagen mit Kind in die Luft, aber ohne weitere Folgen. Ein Mann kam wie wahnsinnig im Arbeitszeug in seine Wohnung gestürzt, schweißgebadet:
Mein Kind, mein Kind! Man hatte ihm erzählt, das von mir transportierte Kind wäre sein kleines Mädchen, was jedoch nicht richtig war. Um 21 Uhr endlich meldete sich der Vater des Kindes. Es war sein einziger Sohn. Die erste Frage der Krankenschwester bei seinem Kommen soll gewesen sein:
„Wer soll die Verbandskosten bezahlen?!" Heute morgen ist der Junge, er war 7 Jahre alt, gestorben.

Ich hatte das Vorrecht, die Eltern mit der gegenwärtigen Wahrheit trösten zu dürfen. Es ist bezeichnend, wie schnell die Menschen sich des Zeugnisses der Bibelforscher erinnerten. Ich mußte immer wieder sagen:
Ein Zeichen der Zeit des Endes! Und gleich wußte ein jeder Bescheid.
Viele zeigten auf einmal Interesse für unsere Bücher, und manchem durfte ich Bücher und Traktate geben. Einer Frau, die mich kürzlich bei der Missionsarbeit abgewiesen und verspottet hat, ist das ganze Haus eingestürzt. Ich fragte sie: „Erinnern Sie sich meiner Worte kürzlich zu Ihnen, Sie würden belehrt werden?"

Sie widersprach noch, wenn auch zögernd. Vielleicht wird die nächste Belehrung genügen.

Eigentümlich war die Ruhe der Leser des „Goldenen Zeitalters", die auch vielfach ein Zeugnis des kommenden Königreiches gaben unter Hinweis auf dieses entsetzliche Ereignis als eines Teiles der Erfüllung der Prophezeiung Jesu Christi ... Hier sah man die wunderbare Wirkung des G. Z. und der Wahrheit, wie durch sein Studium Frieden und Ruhe des Herzens erzeugt wird. Möchten doch alle Menschen das G. Z. lesen!

Nach dem offiziellen Bericht sind 500 Häuser schwer beschädigt, 6 Häuser völlig in Schutt gelegt; 100 Häuser erlitten Dachschäden. Hunderte schwerer Bäume entwurzelt und zerstört, ein siebenjähriger Junge getötet (obengenannt), ein weiterer Junge und eine Frau leicht verletzt. Telefon- und Lichtanlagen sind völlig zerstört. Der Regierungspräsident hat angeordnet, daß der Schaden aus Staatsmitteln gedeckt wird."

Und seinen Bericht lässt der Schreiber dann mit dem Satz ausklingen:

"Die Menschen haben wieder eine große Warnung und ein Zeugnis empfangen. Gepriesen sei Gott!"

Das ganze ist also für ihn und das GZ, Wasser auf die eigenen Endzeitmühlen. Wem solcherlei Grundsatz-Argumentation befriedigen kann, wird man wohl nicht daran hindern können. Es entspricht halt seinem eingeschränkten, indoktrinierten Gesichtskreis. Für mich jedenfalls kann ich sagen. Solcherart von Instrumentalisierung von Leid, kann nur eines bewirken. Tiefsten Abscheu. Namentlich auch gegen jene (in diesem Fall die GZ-Redaktion) die das so „verkaufen" und unterstützen!

Re: Fragwürdige Geschäftemacherei mit dem Unglück anderer

geschrieben von:  prozessor

Datum: 15. August 2012 17:15

Drahbeck
Zeichen der Zeit des Endes

Einige Ausgaben vorher (15. Mai 1927) wurde ein viel eindeutigeres Zeichen behandelt, nämlich:
Das Porto wird erhöht!


 

Re: Fragwürdige Geschäftemacherei mit dem Unglück anderer

geschrieben von:  Drahbeck

Datum: 16. August 2012 05:39

ProzessorDrahbeck
Zeichen der Zeit des Endes

Einige Ausgaben vorher (15. Mai 1927) wurde ein viel eindeutigeres Zeichen behandelt, nämlich:
Das Porto wird erhöht!

Das Bild „Erfüllte Prophezeiungen" in der Magdeburger Ausgabe des "Goldenen Zeitalters vom 15. 5. 1927 ist dann wohl mit der Briefporto-Story auch Konkurrenzfähig!
http://27093.foren.mysnip.de/read.php?27094,121993,131191#msg-131191
25. Mai 2012 05:0

„Da staunt die Welt"
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 14. August 2012 01:22
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - eine Zeitreise
„Radio-Vortrag gehalten durch Radio-Sendestation WBBR des „Goldenen Zeitalters" („Wellenlänge 416,4 Meter)" liest man wieder einmal als Untertitel des ersten Artikels im „Goldenen Zeitalter", so auch in dessen Ausgabe vom 1. 8. 1927. Vielleicht kann man diesen Artikel auch dahingehend einschätzen, dass er ein besonderes „Highlight" mit kredenzt.

Kann doch die staunende Umwelt (mit Ausnahme der „Bibelforscher", die darüber nicht mehr staunen, dieweil Thesen dieser Art ihnen schon in Fleisch und Blut übergegangen sind). Aber die übrige „staunende Umwelt" kann darin auch lesen:

„Ja, vor vielen Jahrhunderten, als die Menschen noch keine Ahnung von all den wunderbaren Erfindungen der Gegenwart hatten, ließ Gott seinen Propheten Hiob schreiben:

„Kannst du die Blitze entsenden, daß sie hinfahren, daß sie zu dir sagen: Hier sind wir?"

Und nun kommt's. Der Vortragsredner dieses Radiovortrages, kein anderer als Herr Rutherford höchstpersönlich, interpretiert das dann so:

„Das war eine Voraussagung des Radios, welches Gott nach einer Zeit von 3000 Jahren den Menschenkindern gegeben hat, damit sie seine Botschaft der Wahrheit, durch den Luftraum eilend, hören möchten. Jehova Gott und nicht den Menschen gebührt der Ruhm für diese Erfindung."

Da ist dann die staunende Menschheit in der tat „baff", und bekommt, so belehrt, kaum den Mund mehr zu. Anders die Bibelforscher. Die kennen das ja schon alles. Thesen der Art haben sie ja schon xmal gehört, respektive gelesen. Und weil das so ist, fangen sie doch tatsächlich mal zaghaft an, Rückfragen zu stellen.
Und siehe da, in der Rubrik „Fragekasten" dieser Ausgabe des GZ begegnet man solch einer zaghaften Rückfrage.
Da wird dann gefragt:

„Warum wird nicht auch in Deutschland, wie es in Amerika und England und überall der Fall ist, über Radio die Wahrheit verkündigt. Warum erhalten wir in Deutschland die Radiovorträge nur im Goldenen Zeitalter. Über 300.000 Leser des G. Z., wenn man für jeden Leser eine Familie von 5 Personen rechnet, ergibt doch schon eine Anzahl von 1 ½ Millionen Einwohnern von Deutschland, haben diese nicht auch Anspruch mittels Radio etwas von der Wahrheit zu hören, genau so wie andere Christen durch ihre Vertreter ihre Ansichten in religiöser Beziehung in Form von Morgenandachten usw. durch das Radio verbreiten. Ist das Goldene Zeitalter nicht auch in der Lage, Vorkehrungen zu treffen, daß die Botschaft der Wahrheit uns zugänglich wird, wo fast alle Leser des G. Z., aber wenigstens die meisten derselben, Radioempfänger sind und eigene Antennen haben? Immer und immer wieder versucht man vergebens, auch aus dem Radio etwas über die Wahrheit zu hören. Wir bitten um Auskunft darüber."

An dieser vermeintlichen Fragestellung fällt schon mal auf, wie geschickt da mit Zahlen jongliert wird.

Die genannte Auflagenhöhe wird flugs zu 1 ½ Millionen hochstilisiert. Ist das jedoch sachgerecht? In der gleichen (Magdeburger) Ausgabe des GZ findet man zwei Bilder, wozu der Bildtext hinzufügt: „Leipziger und Hamburger Leser des Goldenen Zeitalters bei der Werbearbeit". Die tatsächliche Auflagenstruktur dürfte doch wohl so ausgesehen haben. Die aktiven Bibelforscher (1933 auf 25.000 beziffert. 1927 noch nicht im entferntesten so viel) bezogen pro Familie keineswegs nur „ein" Exemplar des GZ, sondern ein vielfaches davon. Wiederum sich bemühend selbiges dann bei organisierten Autobustouren (wie in jener GZ-Ausgabe im Bild gezeigt), weiter zu veräußern. Insofern entsprechen die hochgerechneten Zahlen schon dem Bereich der Hochstapelei.

Nun soll das mit den geschönten Zahlen, keineswegs nur eine Eigenschaft der Bibelforscher/Zeugen Jehovas sein. Beispiele dafür andernorts - in Vergangenheit und Gegenwart - dürfte man ohne sonderliche Schwierigkeiten, benennen können. Aber auch die WTG bildet keine Ausnahme von der Regel!

Wir entnehmen der Zeitschrift „Tremonia" vom 2. Juni dieses Jahres folgende charakteristische Notiz schreibt das „Goldene Zeitalter" (Magdeburg) wenig erfreut in seiner Ausgabe vom 1. 8. 1927.

Und dann bekommt man zu lesen:

Schmallenberg, 1. Juni:
Irrlehrer verbreiten seit einigen Tagen wieder ihre verlogenen blödsinnigen Zeitschriften in unserer Gegend. „Ernste Bibelforscher" nennen sich diese Irrlehrer die die Frechheit besitzen, in die Häuser der katholischen Sauerländer einzudringen und ihre mit salbungsvollen, frommen Überschriften versehenen Schmierschriften anzubieten. Wenn so eine Kunde ins Haus kommt, dann verlange man doch stets, ehe man ihn überhaupt anhört, zunächst eine Bestätigung des Ortsgeistlichen. Kann er sie nicht mit Unterschrift und pfarramtlichen Stempel aufweisen, dann darf man für solche Hetzapostel nur noch ein Wort haben:
„Rrraus!" Gehen Sie dann nicht sofort, dann den Hund von der Kette, der wird schon mit ihm fertig. Die Sauerländer müsse sich dagegen wehren, dass ihre schöne Heimat religiös verstänkert wird."

So ist das halt im Leben. Nicht jeder ist erfreut über eine Religion, die (unter anderem) auch eine spezifische Deutung des Radios mit im Gepäck hat. Und das spiegelte sich dann eben auch darin wieder, dass die Früchte nach denen die WTG in Sachen Radio in Deutschland gierte, für sie ziemlich hoch hingen.

Und stärker als andernorts, ist eben für Money in den USA alles möglich. 1927 indes hatte die US-Amerikanisierung Deutschlands eben noch nicht jenes Ausmaß erreicht, von dem „God's own country" Tag und Nacht träumt. „Früher hatten wir das Land und ihr die Bibel. Jetzt haben wir die Bibel und ihr die Hedgefonds", ist dann allerdings die ernüchternde Erkenntnis, die sich (vielleicht) als Kommentar zu diesen selbsternannten Weltmissionaren irgendwann mal einstellt.

Als eigentliche Antwort auf die Frage antwortet das GZ:

„Wir haben es schon einige Male versucht, mit den Sendestationen uns in Verbindung zu setzen, um Gelegenheiten zu bekommen, dem immer wieder an uns gelangenden Verlangen der Leser des G. Z. und anderer Freunde der Wahrheit zu entsprechen, um auf dem Wege des Radio die Wahrheit über das Königreich Gottes zu verbreiten. Aber unsere verschiedenen Ansuchen an die Sendestationen sind entweder unbeantwortet geblieben oder aber abschlägig beschieden worden dahingehend, daß man das Radio nicht zur Verfügung stellen wolle, um nicht Polemik hervorzurufen. Natürlicherweise beabsichtigen wir auch keinerlei Polemik hervorzurufen, sondern wenn wir uns mit Anfragen an einzelne Sendestationen wandten, taten wir das in der guten Absicht, die Wahrheit über das Radio zu verbreiten, genau so, wie dies im G. Z. und auf andere Art und Weise geschieht. Da aber diesbezüglich von den Sendestationen selbst keine Zugeständnisse gemacht wurde, Bewilligung von der Reichspost für die Errichtung einer eigenen Sendestation zu bekommen, müssen wir es unserer großen Freundes- und Leserschar selbst überlassen, sich Beschwerde führend an die einzelnen Sendestationen ihres Bezirkes zu wenden. Natürlicherweise haben wir, wie der Fragesteller anregt, das Recht, die Wahrheit des Wortes Gottes, wie wir sie verstehen, ebenso auf dem Wege des Radios verbreiten und hören zu dürfen, wie dies anderen christlichen Bekenntnissen eingeräumt ist. Es bleibt aber unseren Freunden nichts weiter übrig, da unser diesbezügliches Ansuchen abgelehnt ist, sich Beschwerde führend selbst an die einzelnen Sendestationen zu wenden; und wenn dieser Protest unserer Freunde nichts nützen sollte, bleibt nichts weiter übrig, als irgendwelche umfassenden Protestaktionen in die Wege zu leiten. Wir überlassen es natürlich dem Urteil unserer Leserschaft und Freunde, auf welche Weise sie sich an die einzelnen Sendestationen wenden wollen, ob brieflich oder in persönlicher Anfrage, wir selbst möchten in dieser Beziehung vorläufig nichts weiter unternehmen."

van Amburgh und Balzereit
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 18. August 2012 01:39
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise
WTG-Funktionär W. E. van Amburgh, einer der wenigen Rutherford-Getreuen schon aus der Frühzeit; und der, da Rutherford sich letztendlich seinen Widersachern gegenüber durchsetzen konnte, sich auf der Seite der Sieger in der WTG-Geschichte befand. Jener Herr van Amburgh, für seine Rutherford gewährten Steigbügelhalterdienste angemessen belohnt. Etwa mit dem Posten eines Sekretär-Kassierers der WTG. Oder sich auch mit seinem dubiosen „Der Weg zum Paradiese", unter seinem Autorennamen verewigend dürfend, eine Gunst, die Rutherford zu der Zeit schon keinem anderen mehr gewährte.

Besagter Herr von Amburgh hat was mitzuteilen. Versteht sich, dass das WTG-eigene Medium der Radiostation WBBR als das dafür geeignete Medium angemessen erschien. Versteht sich weiter, da in Europa wegen der „bösen Satansdiener" der Rutherford's und van Amburgh's ihre Radioambitionen nicht gewährt wurden. Versteht sich, dass für die eigene gläubige Zuhörerschaft, selbiges dann via des hauseigenen „Goldenen Zeitalters" übermittelt wurde.

Und in dessen Ausgabe vom 15. 8. 1927, weis denn Herr von Amburgh unter anderem den „weltbewegenden" Satz mitzuteilen:

„Napoleon war vorausgesagt als der, der das religiöse Sklaventums Roms, das Papsttum, brechen und die Gefängnistüren für alle, die im Mittelalter geistig geknechtet waren, öffnen würde. Die Bibel bezeichnet sogar den genauen Zeitpunkt dieser Befreiung, nämlich das Jahr 1799, wo auch wirklich mit der Gefangennahme des Papstes durch Napoleon diese Befreiung kam".

Sie war inzwischen zwar schon verstorben, die agile Frau Ellen G. White von den Siebenten-Tags-Adventisten. Aber angesichts dieser van Amburgh'schen These, wird sie sich womöglich noch im Grabe umgedreht haben. Mit einem Gefühl der „Wut" über diesen „Diebstahl". Denn das war doch auch eine ihrer seinerzeitigen Kernthesen. Etwa in ihrem „Der große Kampf zwischen Licht und Finsternis". Und nun kommt dieser van Amburgh und plappert das einfach nach, ohne Quellenangabe.

Damit dürfte dann wieder mal deutlich sein. Was die organisatorische Ausgestaltung beider Organisationen anbelangt (STA und Bibelforscher) bestanden in der Tat erhebliche Unterschiede. Indes der „Humus" aus dem beide schöpften, wies eine verdächtige Ähnlichkeit auf.

Wenn schon Herr van Amburgh sich in der GZ-Ausgabe wirkungsvoll in Szene setzen durfte, dann wollte der deutsche Rutherford-Statthalter Balzereit da wohl nicht so recht nachstehen. Und da selbigem auch der Spruch geläufig war: „Wenn einer eine Reise tut, dann kann er etwas erzählen", erschien ihm wohl eine Reisebericht das geeignete Medium dazu.

So wie es aussieht, wurde da Balzereit offenbar zu einer Dienstreise, hin zu seinem Chef Rutherford, nach New York beordert. Das Flugzeug als Massentransportmittel, war damals ja so noch nicht tagesaktuell. Diese Aufgabe nahmen noch mehr die zünftigen Dampfer war. Und just in einem solchen mit Namen „München", schiffte sich nun auch Herr Balzereit ein. Selbst seinen Fotoapparat hatte er mitgenommen, und so vermag denn der zeitgenössische GZ-Leser auch ein paar Bildimpressionen von jener Reise zur Kenntnis zu nehmen.

Balzereit, der sich ja wohl in der Rolle eines verhinderten Schriftstellers sah, und in dieser Eigenschaft im GZ-Impressum auch ausdrücklich seinen diesbezüglichen Aliasnamen, als „Paul Gehrhard" aufführen lies, schrieb auch diesmal unter diesem Kürzel: „P. Gd."

Und da er offenbar ein gelehriger Schüler der van Amburgh's und Rutherford's war, lässt er denn seine Lehrstücke kombiniert mit seinen vermeintlichen Schriftstellerischen Fähigkeiten, mit in diesem Bericht einfliessen. Etwa mit der Aussage:

„Wie das blitzt und glitzert an der Oberfläche, als ob hunderttausend scharfe Scheiben sich drohend erhöben! Viel zu spät, um seinen Eisenschaufeln, die die Wasser teilen, zu schaden. Tiefauf wühlt er das Meer und läßt des Menschen Auge in Schlünde blicken. - Geheimnisvolle Tiefe!

Rollende Wogenleiber suchen vergeblich sprudelnde Trichter zu füllen, immer neue Löcher reißen seine Eisenhände, und aus der Tiefe leuchtet es wie graues Haar. Ringsum dunkle Wasser, wie ein großes Schlammfeld, nur in der Fährte unseres Leviathans leuchtet es weiß, blau und grün; weit, weit ist die Spur zu verfolgen, als wäre ein Dreschschlitten - eine Preßwalze - über ein Schlammfeld gezogen. Das ist unser Leviathan!

„Warum ich ein Dampfschiff Leviathan nenne?" Weil die Bibel - jenes alte Buch, aus dem ich schon so viel zitierte - es auch tut. Im Buche des Hiob wird die Unfähigkeit des Menschen, sein eigenes Glück ohne Gott zu schaffen, gezeigt. Prophetisch wird auf das Ende dieses Zeitalters mit dem Versagen alles Menschenwerkes hingewiesen und in prophetischen Bildern auch die Zeichen, die jene Zeit kennzeichen würden, beschrieben. In den vorhergehenden Versen wohl mehr die Anwendung der Dampfkraft (letztere ist eines dieser Zeichen) auf dem Lande, d. h. bei der Lokomotive beschreibend, wird Hiob 40:20 das Dampfschiff prophetisch „Leviathan" genannt; und dann gibt dieser Prophet Gottes - viele hunderte Jahre vor der Erfindung der Dampfmaschinen - eine Beschreibung des Dampfschiffes, die jeden Menschen, ob er nun der Bibel glaubt oder nicht, in Erstaunen setzen muß, weil sie erstens so geheimnisvoll gehalten ist, daß sie - dem seichten Auge verborgen bleibend - nur dem ernsten Sucher offenbar wird, und zweitens doch so genau markiert und kennzeichnet, daß ein Zweifel über das, was sie meint, dem verständigen Sinn garnicht kommen kann."

In der Ausgabe vom 1. 9. 1927 des „Goldenen Zeitalters" gab es dann noch eine Fortsetzung dieses Reiseberichtes. Und in selbiger meint Herr Balzereit auch mit den Sätzen „glänzen" zu können:

„Voll besonderem Interesse blickt mein Auge nach Staten Island, befindet sich doch dort die große Radiostation der Bibelforscher, von welcher aus die Botschaft vom Königreich Gottes auf drahtlosem Weg über die ganze Erde verbreitet wird.
Wie lange wird man sich in Europa noch weigern, der Menschen edelste Freiheit freizugeben? Wie lange noch werden jene willkürlichen Schranken der Intoleranz, die es den Bibelforschern verunmöglichen, Die Botschaft vom Königreich Gottes auch mittels Radio zu verkündigen, aufrecht erhalten werden? Nachdem ich gesehen habe, mit welcher Macht von 53 Sendestationen der Vereinigten Staaten Amerikas aus die Wahrheit mittels Radio verbreitet wurde, ist mir klar, daß Gott in Europa die Stunde erzwingen wird, wo er diejenigen, die sich das Verfügungsrecht über die von ihm gegebene Segnung des Radios genommen haben, zwingen wird, das Radio auch für die Verkündigung der Botschaft der Wahrheit freizugeben."

Auch wenn Herr Balzereit durch die Nähe seines Chefs sich derart beflügelt fühlte, ist doch schlicht und einfach festzustellen. Seine Prognose ging nicht auf.

Der elektrische Pflug
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 21. August 2012 01:16
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise
Das Thema Elektrizität, hat die zeitgenössischen Bibelforscher schon verschiedentlich inspiriert. Etwa in Form ihrer These, dass der Einsturz eines „elektrischen Ringes" um die Erde , eine gar wunderbare Fruchtbarkeit zur Folge hätte.

Nun ist die GZ-Redaktion in dieser Ausgabe ihrer Zeitschrift (15. 8. 1927), offenbar wieder mal „fündig" geworden. Aus heutiger Sicht ist man allerdings eher geneigt zu sagen.
„Erfindungen auf welche die Welt wartete - Und doch keine Verwendung für sie hat."

Aus GZ-Sicht „passend", wird dann diese ihre Sinne beflügelnde Pressemeldung, der Rubrik „Zeichen der Zeit des Endes" zugeordnet.
Die Nachwelt kann in ihr noch heute folgendes erstaunliches vernehmen:

„Der elektrische Pflug. Aus New York wird telegraphiert:
Auf einem Gut in der Nähe von Rochester wurde, wie die Blätter berichten, ein elektrischer Pflug mit sensationellem Erfolg ausprobiert. Der Elektrische Pflug ist die Erfindung eines Maschineningenieurs aus Pittsburg, Hamilton Roe. Der Pflug wird mit einem Strom von 100.000 Volt angetrieben und von einem gewöhnlichen Traktor gezogen, der den elektrischen Strom erzeugt und durch ein System von Stahlklingen in die Erde leitet. Der elektrische Pflug vernichtet jegliches Unkraut, Würmer, Käfer und sonstiges Ungeziefer und befruchtet überdies den Boden. Bei den Versuchen wurde festgestellt, daß auf mit dem elektrischen Pflug bearbeiteten Boden angebautes Korn viel schneller gedieh als auf gewöhnlichem Ackerboden. Auch wurden die Pflanzen doppelt so hoch wie bei normalem Anbau."

Die Frage, weshalb sich denn diese Erfindung nicht durchgesetzt habe, lässt das GZ allerdings unbeantwortet. Aber das kennt man ja schon seit ihrer Wunderweizen-Euphorie. Von Zeit zu Zeit bedurften die GZ-Leser offenbar neuer Stimulanzen, auf diesem „Level".

Das zerschnittene „Tischtuch"
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 24. September 2012 23:43
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise

Das Geschäft sich Publicitymäßig in Szene zu setzen, verstehen die Zeugen Jehovas sicherlich. Und das kann man von ihnen schon sagen, als sie sich noch Bibelforscher nannten.

Vor dem ersten Weltkrieg gab es in Deutschland zwar schon einige von ihnen. Aber zahlenmäßig doch eher bescheiden zu nennen. Der einzigsten relevanten Kraft, der damals hierzulande schon die diesbezügliche „Hutschnur hoch ging", das waren die sogenannten Landeskirchlichen Gemeinschaften, pflegten doch die Bibelforscher in deren Revieren im besonderen zu wildern. Die Polemik etwa der Zeitschrift „Licht und und Leben" aus derFrühzeit, ist Beleg dafür.

Der Humus auf den denn sowohl Bibelforscher, Landeskirchliche Gemeinschaften und Freikirchen zu „blühen" pflegten, war ja ziemlich ähnlich. Um nicht zu sagen: Oftmals bequem austauschbar. Der Dissenz zwischen Freikirchen und Landeskirchlichen Gemeinschaften bestand ja auch nur darin, dass letztere die „Nabelschnur" zur babylonischen Kirche noch nicht - de jure - vollends gekappt hatten, wie das die Freikirchen ja taten. Nun waren wegen genannter Differenz sich Landeskirchliche Gemeinschaften und Freikirchen, gegenseitig nicht sonderlich „grün".

Diese Differenzen lernten sie aber alsbald wieder herunterzuspielen, dieweil sie sich durch den US-Import Marke C. T. Russell, gleichermaßen unangenehm berührt sahen. Auch hierbei kann man wesentliche ideologische Gemeinsamkeiten, zwischen allen drei genannten Strömungen registrieren. Was aber nun das „Blut ins Wallen brachte" bei Landeskirchlichen Gemeinschaften und Freikirchen, war besonders der Umstand. Sie hatten sich ja organisatorisch verfestigt, dieweil früher am Markt in Deutschland wirkend. Und zu dieser Organisatorischen Verfestigung gehörte auch eine jeweilige eigene Priesterkaste. Die zogen es zwar vor, den aus ihrer Sicht ramponierten Namen Pfarrer oder Pastor, weniger zu benutzen. Da waren dann eben Ausweichbezeichnungen angesagt. Prediger, Gemeindeälteste, und ähnliches in der Richtung. Die neu aufgekommene Russell'sche Konkurrenz hingegen, verzichtete anfänglich auf eine besoldete Priesterkaste. Sprach man es auch so deutlich nicht aus, das war der eigentliche Grund, welcher mit zum „Zerschneiden des Tischtuches" beitrug.

Vergleicht man die Zuwachsraten der Bibelforscher nach dem ersten Weltkrieg, insbesondere die der USA und Deutschland, so dümpelten in den USA - gemessen an der Größe des Landes und an der dort weitaus breiter gestaffelten Konkurrenzsituation -, sie so vor sich hin. Es sind etwa kirchliche Reiseberichte aus den USA überliefert, wo die aus Deutschland kommenden Berichterstatter ihre besondere Verwunderung darüber zum Ausdruck brachten, dass in den USA die Bibelforscher in der öffentlichen Wahrnehmung, keineswegs jenen Status erreicht hatten, wie in Deutschland. Und man darf hinzufügen. Auch in der Schweiz dümpelten die Bibelforscher so vor sich hin, ohne sonderlich rasch vom Fleck weg zu kommen.

Hier spielt eben die bürgerlich-soziologische Struktur beider Länder, eine wesentliche Rolle. Der Schweiz blieb die aktive Involvierung in den ersten Weltkrieg erspart. Die USA mauserten sich zunehmend als relevanter Kriegsgewinnler (ökonomischer Art) des ersten Weltkrieges. Beiden Ländern blieb etwa auf dem linken Spektrum, eine Partei wie die KPD, erspart (so es dort ähnliches gab, war ihre Bedeutungs- und Wirkungslosigkeit vorprogrammiert). Anders aber eben in Deutschland, einem Land das nicht zu den Kriegsgewinnlern gehörte, sondern zum Gegenteil.
Hier waren, spätestens seit der Inflation, wenn nicht schon vorher, viele Orientierungslos geworden. Nutznießer dieser Tendenz war dann im besonderen die KPD, und in späteren Jahren in dezidierter Konkurrenz zu dieser, die NSDAP.

Für die sich dem Milieu der Landeskirchlichen Gemeinschaften und der Freikirchen zugehörig wissenden (wiederum mit Ausnahme der babylonischen „Grosskirchen") waren - in der Regel - weder KPD noch (mit anfänglichen später aber wieder vergessenen Abstrichen) NSDAP wählbar. Und dies primär der Gottesfrage wegen.

Kennt man etwa von der heutigen SPD die ideologische Prinzipienlosigkeit, die dazu führte, dass böse Zungen titulieren, auch die SPD ist zur halben (wenn nicht gar noch mehr) Pfarrerpartei verkommen.
So hielt es die KPD in der Frage prinzipiell anders. Ein Pfarrer der in selbige eintreten „wollte", bekam in der Regel keinerlei Chance dazu. Dieweil die KPD in der Gottesfrage eine klare Entweder - Oder-Position bezog.

Auch die frühe NSDAP muss als ziemlich ambivalent diesbezüglich eingeschätzt werden. Eine Dominierung kirchlicher Interessen gab es dort nicht. Allenfalls ein taktisches Hofieren und „Honig ums Maul schmieren". Wer allerdings genauer dorthin sah, etwa zum „Mythus des XX. Jahrhunderts" eines Alfred Rosenberg's, der erkannte nur zu deutlich die Brüchigkeit dieses „Hofierens". Und als es dann „nach Tisch" soweit war, bestätigte sich nur zu deutlich, dass diejenigen recht behalten sollten, die da schon früher prophezeit hatten. Die NSDAP taktiert in der Religionsfrage nur. Echter Interessenvertreter für deren Belange ist sie mit Sicherheit nicht.

Auch die Bibelforscher, mit ihrer prinzipiellen, vermeintlichen Politiklosigkeit, waren dabei auf dem besten Wege, in diesen Konstellationen zwischen die Mühlsteine zu geraten, was sich spätestens nach 1933 auch bestätigte.

1927 war es noch nicht so weit. 1927 waren auch sie noch Krisengewinnler, namentlich bei denen durch die Inflation Orientierungslos gewordenen Kreisen, die sich weder für KPD noch NSDAP (und Vorläufer) „erwärmen" konnten.

Eigentlich könnte Lieschen Müller vom Lande, bekannt-berüchtigt für ihren vermeintlichen „Tiefblick", doch meinen. Haben die Bibelforscher nicht dem Jahre 1925 zugejapst? Und gingen ihre Erwartungen nicht in die Binsen? Sicherlich haben sie dass. „Lieschen Müller vom Lande" lässt nur eines außer Acht. Wie schon der Volksmund zu berichten weis.
„Zuletzt stirbt die Hoffnung". Wobei noch ausdrücklich hinzugefügt werden muss. Es gibt - nicht zu knapp - auch eine männliche Variante der „Lieschen Müller vom Lande, mit ihrem berüchtigten 'Tiefblick'".

Jene die da allen Ernstes ihre Hoffnung auf 1925 gesetzt hatten. Was hatte sich denn in deren Allgemeinsituation bis 1927 „verändert"? Wohl nicht allzuviel. Waren sie in diesen beiden Jahren soweit gereift, dass sie sagen konnten. Eigentlich geht es auch ohne religiöse Opium, vielleicht sogar besser? Wohl kaum. Wer 1925 schon am Hungertuch nagte, der nagte mit hoher Wahrscheinlichkeit auch 1927 noch daran.

Insofern muss die Frage lauten: Hat sich ihr sozialer Status in dieser Zeit wesentlich verbessert? Und weil das eben - in der Regel - nicht der Fall war, existierte der Humus auf dem die 1925-Blüte denn gedeihen konnte, im wesentlichen ungebrochen weiter. Insofern liegt derjenige, der wie die Schlange auf das Kaninchen, nur auf bestimmte Jahreszahlen stiert (den Satz jedoch außer Acht lässt: Das das Sein das Bewusstsein bestimmt). Insofern liegt der nur auf Jahreszahlen stierende, grundlegend schief.

Man kann diese Problematik je gerade in der Gegenwart wieder extensiv „bewundern".
Da schaukeln sich Evangelikale und Islamisten, via eines von Evangelikalen kreierten Hassvideos gegenseitig hoch.
Und die „ganz Schlauen" hierzulande kommentieren, die Islamisten hätten sicherlich kein Recht für ihre überzogenen Reaktionen darauf. Formal sicherlich richtig.
Etwas weniger formal: Zu welchem Bereich gehören denn viele der Länder, aus denen jetzt die Kunde über unliebsame Reaktionen der Islamisten kommen. Pauschal bezeichnet, zur sogenannten „Dritten Welt". Noch etwas näher bezeichnet zu den „Verdammten dieser Erde".
Wessen individuellen Lebensumstände als eher trostlos bezeichnet werden müssen, der hätte fallweise noch was zu verlieren. Seine eigene Selbstachtung. Und genau gegen diesen Verlust wehrt man sich, auch mittels anfechtbarer Methoden.
Es ist sicherlich kein Zufall das eines der größten Neokolonialistischen Länder der Neuzeit, eben die USA, im besonderen Auslöser jener Reaktionen bei den islamistischen Extremisten sind.
Haben die USA ihr Trauma des World Trade Center bereits schon wieder vergessen? Vergessen haben sie es sicherlich nicht. Aber konstruktive Lehren daraus haben sie garantiert nicht gezogen.
Und wenn man dann noch so sieht, wie ein Mit Romney in den USA, der für vieles steht. Nur für eines nicht, den sozialen Ausgleich. Der im Gegenteil bereits bestehende Gegensätze noch verschärfen will, dann sei daran erinnert.
"Kleine" Ursachen - können auch eine große Wirkung haben.
Am 23. Mai 1618 wurden in Prag drei mißliebige Personen aus dem Fenster geworfen (immerhin 17 Meter tief). Relativ glückliche Umstände bewirkten das die Opfer zwar schwer verletzt wurden, wohl aber den eigentlichen Sturz doch noch überlebten.
Es waren zwar "nur drei", aber die Folgewirkungen blieben keineswegs auf "drei" beschränkt.
Die Folgewirkungen sollten dann noch mit dem Namen versehen werden:
Dreissigjähriger Krieg!
Der Mord an dem Österreichischen Thronfolgerpaar im Jahre 1914, sollte auch noch Folgewirkungen zeitigen, welche auf den Namen Weltkrieg zu hören pflegten.
Es können also auch „kleine Anlässe" große Folgewirkungen zeitigen.
Das alles aber wollen die Mit Romney und ihre Jünger, auch hierzulande, eigentlich gar nicht so genau wissen.
Sicherlich wäre es vermessen den „Propheten" spielen zu wollen. „Tausendmal berührt und nichts passiert", textete mal ein Liedsong.
Aber auch das ist wahr: Der Krug geht solange zu Boden bis er bricht!

Noch was. Vielfach beschwert man sich hierzulande über den größeren Grad an Religiosität gerade auch in islamistischen Kreisen. Wie lange sind denn besagte islamistische Kreise eigentlich im hiesigen Kulturkreis präsent?
Doch wohl mehr oder weniger erst ab dem Jahre 1961, als die hiesige Politik der „Einfuhr von Gastarbeitern" begann, dieweil der Osten - vorher als Ausbeutungsreservoir genutzt - seinen „Laden dicht gemacht hatte".
Das sind dann mal gerade - etwa - fünf volle Jahrzehnte, auch von Mitbürgern die islamistisch geprägt sind. Das ist in geschichtlicher Dimension ein unbedeutender „Klacks".
Die Religiosität die etwa zu Zeiten eines Martin Luthers herrschte, und die heutzutage weitverbreitete „Kulturchristenmentalität" (Gott ist ein guter Mann und das war es dann) sind wohl auch kaum zu vergleichen. Auch da hat eine schleichende Erosion zu lasten der Kirchen stattgefunden. Trotz dieser Erosion existieren die sogenannten Großkirchen bis heute weiter.
Warum sollte die Sachlage ausgerechnet im islamistischen Bereich, so viel anders sein. Auch da wird es - zumindest hierzulande unter pluralistischen Rahmenbedingungen - mal eine schleichende Erosion geben. Ob sie unsereins noch miterlebt, kann man zwar berechtigt anzweifeln. Aber prinzipiell wird es sie geben. Nur geht das etlichen bereits säkularisierten Zeitgenossen alles zu langsam.
Gerade die Geschichte der Zeugen Jehovas kann doch lehren, wozu Fanatismus religiös geprägt, fähig ist.
Im 1950er Zeugen Jehovas Prozess, soll einer der zu lebenslänglich verurteilten, den Richtern kommentierend den Satz ins Gesicht geschleudert haben:
„Meine Herren - sie meinen wohl ein Jahr".
Nein, besagte Herren meinten keinesfalls nur „ein" Jahr, und die letzten dieser Verblendeten, sofern sie überlebten, konnten erst Mitte der 1960er Jahre als gebrochene Menschen, die Gefängnismauern wieder verlassen. So gebrochen, dass die WTG bis heute, weder über einen Friedrich Adler noch einen Willi Heinicke, einen Jubelbericht publizierte, wie sie es vom Prinzip her, gern getan hätte. Dieweil es nämlich nichts zu „jubeln" gibt!
Religion hat ein zähes Leben, dass schon so mancher unterschätzt hat. Man kann letztendlich nur auf den Faktor Erosion hoffen. Dazu sind aber auch Rahmenbedingungen notwendig, nicht zuletzt auch ökonomischer Art, die selbige begünstigen. Gibt es diese Begünstigung nicht, ist alles jammern über eine „Steinzeitreligion" vergeblich!

Zurückkommend zum eigentlichen Thema:
Die soziale Gemengelage war also in Deutschland des Jahres 1927 für die Russell/Rutherford-Religion, durchaus noch günstig. Jedenfalls erheblich günstiger, als zur gleichen Zeit in den USA.
Allerdings holte diese Proletenreligion, just zu der Zeit auch massiv in den USA auf. Als wesentlichen Faktor, darf man dort, durchaus die Verwendung des Radios bewerten. In der Frage hingen ja bekanntlich in Deutschland, die Trauben ziemlich hoch, in unerreichbaren Höhen. Das war in den USA in der Tat anders. Und das sahen wohl auch die Rockefeller und Co dort so, die ja schon traditionell in Religion als geeignetes Volksverdummungsmittel, zu investieren pflegten.

Eine Offenlegung ihrer Kassenbücher, für Nichtbejubler, erfolgt ja seitens der WTG prinzipiell nicht. Aber das da zu der Zeit erhebliche Geldmengen für die Radioforcierung zur Verfügung standen, ist auf dem Indizienwege, unschwer zu erkennen.

Das Jahr 1927 kann man in Deutschland vielleicht auch als das Jahr bezeichnen, indem erstmals in größerem Umfange, auch die Tagespresse von den Bibelforschern Kenntnis nahm. Nun braucht man sich wahrlich nicht zu wundern. Ist dieser Zustand erst mal erreicht, findet man das auch genüsslich in der eigenen Zeitschrift „Das Goldene Zeitalter" mit zelebriert. Und genau so ist es denn auch abgelaufen. Besonders die GZ-Ausgabe vom 15. 9. 1927, kann man als solch eine „Jubelausgabe" bezeichnen. Liest man in der selbigen doch unter anderem:

Augenblicklich steht Toronto im Zeichen einer großen Bibelforscher-Konferenz, zu der sich mehr als 8000 Delegierte aus allen Teilen der Vereinigten Staaten Amerikas und Canadas zusammengefunden haben. Im Automobilverkehr der Stadt treten überall die Autos der Bibelforscher - in besonderer Weise durch Abzeichen kenntlich gemacht - hervor. Vor der eigentlichen Versammlungshalle, in der die Konferenz stattfindet, halten beständig mehrere 100 Bibelforscher-Automobile. Die größte Halle der Stadt, dass Coliseum im Ausstellungsgelände, ist am Eröffnungsmorgen der Konferenz gut besetzt. Der Bürgermeister Stadt begrüßt die Konferenzteilnehmer im Namen der Stadt und bezeugt, dass dies die größte christliche Konferenz sei, die je in Toronto stattgefunden habe.

Dieser Vortrag Richter Rutherfords hat eine Verbreitung über die ganze Welt gefunden, wie sie nie ein anderer Vortrag gefunden hat und zwar mittels Radio. Durch vertragliche Verbindung mit den meisten Radiostationen Amerikas wurde dieser Vortrag über 53 Radiostationen weitergegeben.
Die Presse Amerikas und Kanadas berichtete, dass es das erste Mal sei, dass ein Vortrag eine solche Verbreitung fand wie dieser. Selbst die bedeutendsten Vorträge des Präsidenten der Vereinigten Staaten haben keine so umfassender Verbreitung gefunden wie dieser Vortrag. Acht Tage dauerte diese Konferenz.

Und dann jubelt das „Goldene Zeitalter" weiter:

Hauptversammlung der Bibelforscher in Berlin
„So etwas hat Berlin noch nicht gesehen!"
So scheint es selbst aus den verschiedenen Berichten der großen Berliner Presse hervorzugehen, die die Meldungen über die große Bibelforscherkonferenz vom 27 bis 29. August im Sportpalast brachte. 10 bis 12.000 Vertreter waren anwesend aus allen Teilen des deutschen Landes, und außerdem Vertreter aus der Schweiz, Österreich, Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien und Amerika.

(anonymer Pressebericht) Die Literatur der Bibelforscher hat schon eine enorme Verbreitung erfahren. Wir uns von gut unterrichteter Seite mitgeteilt wird, wurden allein in Deutschland über 12 Millionen Bücher Bibelforscher verbreitet, und die Bücher Richter Rutherfords allein haben in den letzten sieben Jahren eine Verbreitung von 30 Millionen über die ganze Erde gefunden. Dies sind Zahlen, die wohl von keiner zweiten Bewegung aufzuweisen sind."

Und zum inhaltlichen vernimmt man:

Richter Rutherford sagte, er wisse nichts über die deutsche Geistlichkeit persönlich zu sagen, aber er wisse, dass in diesem Sinne die Geistlichkeit Amerikas ganz entgegengesetzt den Grundsätzen der Bibel gehandelt habe, und dass deshalb überall, wo ähnliches geschehen sei, die Geistlichkeit Schuld trage dafür, dass die Bibel mit ihren Forderungen: Du sollst nicht töten nicht beachtet wurde und der schreckliche Krieg kam.

Er sagte, dass ein hervorragender Geistlicher Amerikas, Dr. Hillis, einer der schlimmsten Kriegshetzer für den Eintritt Amerikas in den Krieg gegen Deutschland gewesen sei und dies auf Bezahlung durch den amerikanischen Banktrust. Richter Rutherford trat öffentlich dagegen auf und erklärte, dass die Hetze der Geistlichkeit für den Krieg ein schlimmes Unrecht sei. Dies trug ihm den Hass der Geistlichkeit ein und diese richtete eine Petition an die Regierung mit den Ersuchen, ihn zu töten. Dies ist ihnen allerdings nicht gelungen, aber es gelang ihnen, ihn wegen seines Glaubens an die Bibel, und weil er für Wahrheit und Gerechtigkeit eintrat ins Gefängnis zu bringen.
Aber auch nach dem Krieg war dieser Geist noch nicht beendet, und setzte genannter Geistlicher sein hetzerischer Tätigkeit fort, er veröffentlichte einen Artikel, in dem es heißt, dass 10 Millionen Deutscher kastriert werden müssten, um - diesen Ausdruck gebrauchte er - diese ganze Brut auszurotten.

Der Wermutstropfen im Jubelgesang

Vor der Tür des Sportpalast wurden vom Evangelischen Preßverband herausgegebene Pamphlete verteilt, in welchen die bekannten
Unwahrheiten P. Bräunlichs
aufgewärmt wurden. Wir haben erfahren, dass es zwecklos ist, P. Bräunlich selbst zu ersuchen, seine Unwahrheiten zu berichtigen, da er trotz unserer Berichtigung es nicht tut, sondern weiter verleumdet. Der evangelische Presseverband mag stolz sein auf diesem Kampfgenossen. Weil aber immer aufs neue seine Unwahrheiten verbreitet werden, erklären wir bei dieser Gelegenheit erneut, dass seine Kombinationen, die Bibelforscherbewegung trage den gleichen Charakter wie der
Taxilschwindel,
oder Bibelforscher seien Religionsspötter und Vorboten des Bolschewismus, oder, der Leiter der deutschen Bibelforscher habe an der Kieler Matrosenrevolution teilgenommen und ähnliche Behauptung mehr, aus der Luft gegriffene Erfindungen (nur der Anstand verbietet uns das Wort „Lügen" anzuwenden) des Herrn P. Bräunlich sind. Wenn man die Bibelforscher mit solchen persönlichen Verunglimpfungen und Schmähungen zu verleumden sucht, weiß man nur, dass man ihnen geistig nicht gewachsen ist. Was die Bibelforscher gebrauchen, ist die Bibel, ihre Gegner gebrauchen die Verleumdung.

Weiter in GZ-Bericht

Fast alle großen Zeitungen Berlins brachten Spaltenlange Berichte.
Berliner Morgenpost Nr. 207 vom 30.8.1927
Vossische Zeitung Nr. 207 vom 30.8.1927
B. Z. am Mittag Nr. 228, vom 30.8. 1927
Berliner Volkszeitung Nr. 408 vom 30.8. 1927

Die WTG zitiert zwar genannte Presseartikel, aber doch eher selektiv.
Nachstehend seien selbige noch (kommentarlos) dokumentiert:

Berliner Morgenpost
Dienstag, 30. August 1927
S. 3:

„Ernste Bibelforscher
Massenversammlung im Sportpalast
Die Internationale Vereinigung ernster Bibelforscher, die seit ungefähr fünf Jahren in Deutschland festen Fuß gefaßt hat, hielt ihre Jahres-Heerschau im Sportpalast ab, die gestern Abend mit einem Vortrag ihres geistigen Oberhauptes, des Richters Rutherford aus New York, abschloß. Die große Halle war bis auf den letzten Platz gefüllt, und eine scharfe polizeiliche Absperrung mußte einsetzen, um Tausende und Abertausende fernzuhalten. Selbst der große Hof vor dem Gebäude war dicht mit Menschen gefüllt, die vergebens hofften, Einlaß zu finden.

Die Bewegung, deren Sprecher Rutherford ist, und die durch wörtliche Auslegung der Bibel den Beweis zu führen sucht, daß wir am Beginn des tausendjährigen Reiches stehen, ist nicht neu. In allen Zeiten, in denen die Menschen durch große Leidensperioden, wie sie der Weltkrieg mit sich gebracht hat, geschritten ist, tauchten die Verkünder des bevorstehenden Reiches Gottes auf und fanden Zuspruch von Tausenden.

Der große Saal, der mit den blau-weiß-gelben Fahnen der Vereinigung und mit Bibelsprüchen geschmückt war, machte einen festlichen Eindruck, als Richter Rutherford die Rednertribüne bestieg und seine Ansprache in englischer Sprache hielt, die Satz für Satz ins Deutsche übersetzt wurde und so unmittelbar wirken konnte. Rutherford ist ein glänzender Redner, der seine Gemeinde zu fesseln und zu bewegen versteht. Jede seiner Behauptungen belegte er mit Bibelzitaten. Jetzt sei die Zeit gekommen, von der alle Propheten reden. Nun habe der Kampf Aller gegen Alle begonnen, von dem die Heilige Schrift spreche.

Es war ergreifend auch für die, die Rutherfords Gedanken nicht zu folgen vermögen, als der geschickte Redner am Schluß seiner Ausführungen die Frage an die Versammelten richtete, ob sie nicht für eine Regierung des Rechtes, eine Regierung der Verbrüderung, eine Regierung, die keinen Unterschied, keinen Krieg und keine Arbeitskämpfe kenne, eintreten wolle, und sich die zehntausend, die den Sportpalast füllten, wie ein Mann erhoben. Gleichzeitig setzten die geschickt verteilten Chöre der Gläubigen ein, und machtvoll schall das „Lobe den Herrn" von geschulten Stimmen gesungen durch die Halle.

Richter Rutherford erklärte nach der Versammlung unserem Mitarbeiter, daß er seit sechs Jahren, als er nach dem Krieg nach Deutschland gekommen sei, mit großer Sorgfalt gerade den Aufbau der deutschen Gemeinden verfolgt habe. Er habe in Magdeburg, der deutschen Zentrale der Bibelforscher, eine große Druckerei für 100.000 Dollar gebaut, die über eine eigene Radiostation verfüge

[Einfügung: Bezüglich der Radiostation hat der Journalist da offenbar etwas in die falsche Kehle bekommen],

und die seine Druckschriften mit der frohen Botschaft, die er zu verkündigen habe, in Hunderttausenden von Exemplaren vertreibe. Dreißig Millionen seiner Bücher hat Richter Rutherford umgesetzt. Jedenfalls ist seine Organisation eine ganz hervorragende. Daß die evangelische Kirche sie ernst zu nehmen beginnt, geht daraus hervor, daß sie vor dem Sportpalast durch Flugblätter eine starke Gegenpropaganda machen ließ, in der die Bibelforscher scharf angegriffen werden.

Vossische Zeitung
Dienstag, 30. August 1927
S. 2:

Das Reich der Gerechtigkeit
Die Bibelforscher im Sportpalast
Drei Tage lang hat die „Vereinigung der Bibelforscher" unter ihrem Präsidenten, dem amerikanischen Richter Rutherford, in Berlin verweilt. Die Bibelforscher betreiben nicht die gottlose Kunst historischer und philologischer Kritik, die uns die heiligen Schriften als Werk von Menschen und entstanden unter menschlichen Bedingungen darstellen möchten, sondern im Gegenteil, sie zweifeln an keinem Buchstaben und durchforschen die Bibel nach Prophezeiungen, die das Reich Gottes und seine nahe Heraufkunft verkünden.

Gestern abend hielten sie eine öffentliche Werbeversammlung im Sportpalast ab. Wieviel Personen faßt der Sportpalast? Sagen wir: 10.000. Zehntausend Personen füllten ihn bis auf den letzten Platz, und ebenso viele, wenn mann Richter Rutherford glauben darf, warteten draußen vergebens auf Einlaß.
Inmitten des überfüllten Saales, unter mächtigen weißen Schildern, die in blauer Schrift die hoffnungsvollen Worte: Frieden, Leben, Glück, Liebe, Treue, Freiheit, Gesundheit, Wohlfahrt zeigten, behütet von Ordnern, die einander „Bruder" nannten, hielt Rutherford seine Rede in den Lautsprechern, so daß man ihn bis in den letzten Winkel verstand, auf Englisch, wobei aber jeder Satz von einem Herrn neben ihm sogleich übersetzt wurde.

Man erfuhr aus seinem Munde mancherlei über ihn selbst. Wenn man ihm glauben darf, so hat sich Richter Rutherford in Amerika für Deutschland gegen Amerikas Kriegsbeteiligung eingesetzt, und ist dafür mit Gefängnis bestraft worden. Er hat es sich mit seinen Freunden zur Aufgabe gemacht, das Reich Gottes unter den Menschen zu verkünden, und tat es, ohne Geld dafür zu nehmen. Auch seine Schriften vertreibt er ohne Gewinn, nur zum Selbstkostenpreis, und es ist ihm gelungen, im Laufe der Jahre ihrer dreißig Millionen abzusetzen. Wenn man Richter Rutherford glauben darf.
Und was wußte er den zehntausend Hörern zu verkündigen? Das Reich Gottes, das Reich der Gerechtigkeit, wie es die Bibel alten und neuen Testamentes an vielen Stellen verspricht, darin es keine Ungerechtigkeit, keine Not, keinen Krieg, wohl aber Glück, Gerechtigkeit und Frieden geben wird.

Er beruft sich zum Beweise dieser Verkündigungen auf Bibelstellen, die er nach Kapitel und Vers angab, und es fanden sich im Publikum nicht wenige, die das heilige Buch bei sich führten und sogleich nachschlagen. Ohne Zweifel haben sie festgestellt, daß an den angegebenen Stellen genau das stand, was vorgelesen wurde, und der Referent, der keine Bibel zur Verfügung hatte, zweifelt nicht, daß Richter Rutherford in diesem Punkte Glauben verdient.

Das Reich Gottes, das die Bibel verheißt, ist nichts Neues. Neu ist, daß eben jetzt, wenn man Richter Rutherford glauben darf, die Prophezeiungen der Bibel begonnen haben, in Erfüllung zu gehen. Mit dem Ausbruch des Weltkrieges hat es angefangen, ist genau nach der Bibel mit Pestillenz, Hungersnot und Erdbeben weiter gegangen und wird damit enden, daß die Herrschaft des Messias mit ihren Segnungen beginnt. Ja, Millionen von denen, die heute leben, werden, weil sie das Reich Gottes noch erleben, niemals sterben.

Zehntausend hörten sich die Botschaft an, sangen ergriffen den ehrwürdigen Choral „Lobet den Herrn" und dankten im Gebet Gott dafür, daß die Herrschaft des Messias so nahe bevorsteht. Es sah so aus, als glaubten sie dem Richter Rutherford. Hoffentlich darf man ihm glauben,
Inquit

B. Z. am Mittag
Dienstag, 30. August 1927
S. 3
Christian Bouchholtz

„Millionen jetzt Lebender werden nie sterben!"
Das Bibel-Meeting im Sportpalast
Der Amerikaner, Richter J. F. Rutherford, spricht vor 15 Tausend Berlinern im Sportpalast
Was ist los?
Riesenrote Plakate schreien an Litfasssäulen:
Rutherford spricht im Sportpalast. Sein Bild prangt. Worüber will er sprechen? Man weiß es nicht genau. Vage Andeutungen, daß man in der ganzen Welt wieder zum Krieg rüstet und daß deshalb alle Regierungen der Welt gestürzt werden müssen. Das „goldene Zeitalter" beginne ...
Die Berliner haben zu Tausenden von Malen diese Worte schon von den Litfasssäulen läuten hören, und immer waren es Glocken ohne Klang, die nicht einmal soviel Menschen locken konnten, daß ein kleiner Saal gefüllt wurde. Aber diesmal?

Der Sportpalast war zur Zeit der größten Boxkämpfe, der Sechs-Tage-Rennen, der Böse-Buben-Bälle noch nie so überfüllt, wie bei dieser Predigt. 15.000 Menschen in der Riesenhalle. Vor dem Sportpalast Tausende, die nicht mehr hineinkommen. In Scharen stehen sie da. Strenge Polizeisperrkette.

In den Seitenstraßen Lastautos voller Schupo in Bereitschaft,
Unter die Scharen, die herumstehen, werden Flugblätter verteilt:

„Aber mit den Russell- und Rutherford-Nachbetern wollen wir nichts zu tun haben."
(Herausgegeben von dem evangelischen Preßverband Deutschlands).

Die Gegenpropaganda ist schon da. Auch die Heilsarmee rüstet sich schon, heißt es.
Was ist denn plötzlich in die Berliner gefahren, daß sie in solchen Massen die Sportpalast-Kirche stürmen, um die neuen Lehren der „Ernsten Bibelforscher" in sich zu saugen?
Das evangelische Flugblatt klingt beinahe defensiv:

„Die ev. Kirche bedarf dieser verwirrenden amerikanischen Sekte nicht. 165.000 hilflose Kinder finden in ihren 3800 Heimen liebevolle Aufnahme. 1900 Kranken- und Pflegeanstalten, 950 Altersheime, 35.000 Diakonissinnen."

Passiert man als Pressevertreter, heiß beneidet, den Polizeikordon, kommt man auf den geräumten Vorhof. Plakate an Mauern und Baumstämmen. I, II, III usw. In Abteilungen sind die Gläubigen der Gemeinden Stettin, Stendal usw. erschienen, tragen beim Hinausgehen Plakate mit dem Namen der Stadt hoch.

Lastautos stehn da. Ein halbes Dutzend. Darauf Plakate „Das Goldene Zeitalter". Sie kommen aus Magdeburg, wo die Zentrale der „ernsten Bibelforscher" eingerichtet ist. Über dem Portal prangt ein Leuchtgebilde: Weltkugel - Goldkrone - schief hineingesteckt ein Kreuz-Symbol. Das Kreuz wird die Herrschaft über den Erdball führen.

Drinnen: Überwältigender Anblick. Nicht ein Platz mehr zu haben. Riesenhaft der Hintergrund drapiert in Gelb, Blau, Weiß um das hohe Podium, das mit Blumen überreich geschmückt ist.
Ein großes Orchester. Auf den Galerien Chöre.

Die Ordner - Hunderte - tragen alle das Symbol der ernsten Bibelforscher im Knopfloch.
Dort ferne, nicht erkennbar, stehen Richter Rutherford und sein Dolmetscher hinterm Mikrophon. Und in allen Winkeln des Riesensaals hört man sie sprechen, den Amerikaner und seinen Übersetzer, durch die Lautsprecher. Immer wieder die Zitate:
„Hesekiel 2, Vers 3" und „Matthäus 11 Vers 11" und „Moses 4, Vers ..."

Und von den Galerien strahlen die Riesenworte: „Freiheit", „Gesundheit" - „Wohlfahrt" - „Frieden" - „Leben" - „Liebe" - „Gerechtigkeit" - „Treue" und. „Das Ersehnte aller Nationen wird kommen!" Und: „Und der Tod wird nicht mehr sein" - Offenb. 21, Vers 4.

Rutherford spricht. Man kann zwischendurch Erfrischungen zu sich nehmen, Schokolade, Minza, Himbeer, sogar schäumendes Bier. Aus Zerstäubern wird Fichtennadelduft gespritzt.
Packend ist der Vortrag nicht. Kühl-sachlich spricht er. Fast Gemeinplätze. Nur ab und zu blitzt es durch, aber so fernher und donnerlos, daß man sich nicht fürchtet.

Jedoch was ist die Lehre?
Sie stammt von C. T. Russell, der 1916 im Schlafwagen eines Expreßzuges in Amerika starb.
Sein Erbe übernahm Rutherford, der Richter, der vor allem ein Propagandaagent ist. Viele Millionen schwören in Amerika auf ihn. Er hat acht Funkstationen, von denen aus er zu seinen Gläubigen spricht.
Seine Thesen: Das goldene Zeitalter ist da! Das 1000jährige Reich des auferstandenen Christus ist seit 1874 in der Welt, Christ unter uns. Millionen heute Lebender werden nicht sterben. Nieder mit allen Regierungen von heute, mit allen Kirchen von heute. Es gibt keine Hölle. Im Himmel sind auch keine Toten. Es gibt keine Seele. „Ist es vernünftig, anzunehmen, daß Gott einem Geschöpf einen Asbest-Leib gibt, damit es ewig gebrannt werden kann?" Aber diese gefährlichen Dinge stehen erst in den Büchern, die er in einem Lastauto-Zug herangebracht hat.
Schluß der Predigt:

„Und wenn Sie jetzt eine Regierung fänden, unter der Sie dauernden Frieden, dauernde Glückseligkeit, dauernden Wohlstand, Gerechtigkeit, Gesundheit hätten, so daß Sie nicht sterben würden, würden Sie nicht mit Freuden für eine solche Regierung stimmen? Wer für sie stimmen würde, der stehe auf!!"

Und - 15.000 Berliner stehen auf!
Darauf spielt das Orchester: Großer Gott, wir loben dich. Der Primgeiger dirigiert mit Fidelbogen und Geige. Und dem Prediger wird - zugeklatscht! Und er nimmt das Taschentuch und winkt.

Gläubige bilden dann einen Kordon um ihn. Ich durchbreche den Kordon. Spreche mit dem hochgewachsenen, schwarzgekleideten Mann, dem ein Monokelband über die Hemdbrust geht. Er ist entzückt von seinem Empfang in Berlin. Er sagt:

„Deutschland ist das beste Land von ganz Europa, sonst hätte es sich nicht so rasch erholt."

300.000 Mark haben sie jetzt für Propaganda ausgegeben. (Mit dem Verkauf der Bücher dieses bestbezahlten Schriftsteller-Propheten mit den acht Funkstationen und mit der Zeitschrift „Das goldene Zeitalter" werden sie wieder hereinkommen.
Er geht jetzt nach Dänemark. Wird er auch Dänemark für das beste Land Europas erklären? Aber kann man einem Mann böse sein, der einem das Paradies auf Erden verspricht, das goldene Zeitalter, ewiges Leben und alles, was es sonst an lieblichem sonst gibt. Mitnichten.

Berliner Volks-Zeitung
[Einfügung. Chefredakteur selbiger Otto Nuschke. In einer späteren Phase seiner Biographie (DDR), dort noch als Alibi-Aushängeschild, stellvertretender Ministerpräsident, und auch für Kirchenfragen mit zuständig (auf dem Papier) das allerdings nicht das Wert war, was es denn vielleicht gekostet hat. Ende der Einfügung]
Dienstag, 30. August 1927, Morgen-Ausgabe
Robert Fischer

Run zu Rutherford
Achtzig Jahre Zuchthaus - Das Wort an den deutschen Arbeiter - Kapital und Kirche. Die Zeit der letzten Prüfung - Viele Tausende wollen ihn im Sportpalast hören. Schon einmal war der Richter J. F. Rutherford, Präsident der Internationalen Bibelforscher, auf einer Inspektionsreise in Europa. Vor sieben Jahren. Damals konnte er keinen Paß nach Deutschland erhalten. So organisierte er von Bern aus den europäischen Zweig der I.V.E.B. und gründete mit dem Sitz in Zürich ein Zentraleuropäisches Bureau, des Jurisdiktion die Vereinigungen in Frankreich, in der Schweiz, in Belgien, Holland, Österreich, Italien, Deutschland unterstehen sollten. Jetzt aber ist er in Berlin, um einmal zu den Gliedern seiner Vereinigung zu sprechen. Etliche Stunden vor seinem Vortrag gewährt er ein Interview.

Der erste Eindruck. Ein Hüne von Erscheinung, breitschulterig, nicht übermäßig herkulisch, echt amerikanischer Typ. Im diametralen Gegensatz die Stimme, in welche wohl nie die Härte kam, weich das Wort, weich die Gesichtszüge, weich die Augen im eigentlichen Glanz. Kein Reformator aus unruhigem Blut, kein Feuerkopf, kein kriegerischer Geist. Gleich das erste Wort bestätigt das.

„Man hatte mich zu achtzig Jahren Zuchthaus verurteilt, weil ich nicht in die Kriegspropaganda einstimmen wollte, als Amerika der Entente zur Seite sprang."

Den widerlichsten Prozeß hat man ihm damals gemacht, mit den gemeinsten Mitteln, ihm und sieben Mitarbeitern. Und hat sie doch wieder freigelassen, nach neun durchbüßten Monaten, als der Krieg beendet war.
Auch das erzählt er ruhig, unter der Begleitung eines feinen Lächelns, als sollte es zeigen, wie leid ihm die Menschen tun, die nicht anders als in den Gedankengängen Krieg und Zuchthaus denken können.

„Das ist das Lebenswerk für die Armen zu schaffen. Von den Regierungen kommt ihnen keine Hilfe. Auch von den Kirchen nicht Wohl steht die Wahrheit in der Bibel. Aber die Priester lehren sie nicht. Sie lehren lediglich die Politik."

„In Amerika stehen die Prediger in Verbindung mit den Bankiers. Dr. Hillis, einer ihrer bekanntesten Sprecher hat in den Krieg mit Deutschland gehetzt und die American Bankers Association hat ihn dafür bezahlt. Ich bin nicht dafür!"

Und - wer weiß, welche Ideenverbindung ihm das eingab -
„Die Deutschamerikaner sind gute Bürger. Die Deutschen sind die besten Bürger!"

Das ist kein Kompliment gegen das Land, dessen Boden er betrat. Bestimmt nicht. Das ist so echt, gerade so - wie seine Traurigkeit über die amerikanischen Priester. Und er läßt nur einen Abschnitt Hillischen Geistesgutes abschreiben, das eine einzige Gemeinschaft ist, so pervers, daß man ihn keinem Papier anvertrauen kann.
Inzwischen sagt mir Paul Balzereit, wie es heißt, ein ehemaliger Werftarbeiter, nun Leiter des deutschen Zweiges der I.V.E.B., ein Wort für den deutschen Arbeiter.

„Sie sollten erkennen, daß die Bibel das wichtigste Mittel in ihrem Kampfe ist. In ihr finden sie ihr verbrieftes Recht. Es gibt keine Forderung, die sie erheben und die sie nicht auf ein biblisches Zeugnis stützen könnten. Es ist die weiseste Politik der Führer, den Massen immer wieder vor die Augen für führen. Der deutsche Arbeiter sucht etwas Höheres, etwas was ihn erhebt. Dieses Suchen treibt ihn stetig in die Arme der Kirche zurück, aber wie er sagt" - und Balzereit deutet auf Rutherford - „die Priester bringen die Politik, nicht die Bibel."

Dann gibt er Rutherford ein letztes Wort.

„Die Erde ist für alle Menschen, nicht nur für einige. Das Werk der Bibelforscher wird erst vollkommen sein, wenn sich alle Verheißungen erfüllt haben."

So scheidet man von einem Menschen in dem Bewußtsein, daß er seine Kräfte einsetzen will an die Genesung einer ganzen Welt. An eine Genesung „von innen heraus" - wie er sagte.
Die Ideen, welche Rutherford propagiert, liegen klar. Dem einen sind sie Evangelium, dem anderen erscheinen sie interessant. Bleibt Streitfrage, Streitfrage, so steht doch fest, daß hier ein Mann am Werke ist, der unbeirrt sein Ziel verfolgt. Und das bedeutet heute manches.

Um halb acht vor dem Sportpalast. Der Vortrag ist für acht Uhr angesetzt. Fährt von Kampen sechs Tage und sechs Nächte über die Bahn, geht Breitenströter über zehn Runden, ist es schlimm.
Heute spricht Rutherford. Heute ist es schlimmer.
Der Sportpalast ist überfüllt. Zehntausend Personen faßt er normalerweise, mehr haben Einlaß gefunden. Man schüttelt den Kopf, wie das möglich ist. Vor den Türen staut sich die Masse, die keinen Einlaß mehr finden kann. Im Vorhof drängen sich die Menschen. Straßenwärts hat die Schupo alle Not, die Türen geschlossen zu halten. Noch immer strömen die Massen. Kurz nach acht sind es noch einmal Tausende, die zu Rutherford wollen.

Traktate werden in verschiedenster Fülle verteilt. Die Ernsten Bibelforscher mit ihrem blauweißgelben Abzeichen treiben gute Propaganda.

Man rührt und rührt sich nicht, weiß, daß im Sportpalast Lautsprecher aufgestellt sind. Nun fordert man, daß die Rede auch nach außen übertragen wird. Indessen beginnt Rutherford, es geschieht nichts.
Inzwischen hat auch der Häusser-Anhang sich eingefunden und versucht, aus der Menschenansammlung Kapital zu schlagen.
Drinnen redet Rutherford:
1914 hat das Unglück begonnen, das „Ende der Welt" aus der Absicht Gottes, den Menschen die Bosheit zu zeigen; auch 1918 bedeutet kein Ende, der Völkerbund, die Delegaten reden vom Frieden, aber England, Frankreich und Amerika rüsten. Das ist die letzte Prüfung. Was dann kommen wird, ist goldene Zukunft. Rutherford belegte das mit Bibelstellen; ob überzeugend, sei dem Urteil des Einzelnen anheimgegeben.
Die Ernsten Bibelforscher haben eine Chance gehabt. Wie wird sie ausschlagen?

Wenn einer eine Reise macht - kann er was erzählen
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 20. Oktober 2012 00:07
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise
Nachdem Balzereit schon in der Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 8. 1927 einen Reisebericht bezüglich seiner Dampfer-Überfahrt in die USA abgeliefert hatte, geht es nun in der GZ-Ausgabe vom 1. 10. 1927 in diesem Stile weiter. „Reisebriefe" überschrieben, lässt er die zurückgebliebene Leserschaft, an einigen seiner Impressionen teilhaben.

Man vergesse doch die Umstände nicht. Balzereit von seiner sozialen Herkunft, war mal als Nieter auf einer Schiffsbauwerft tätig. Zwar mühte sich Rutherford kräftig, alle Fäden zentralistisch in der Hand zu haben. Aber das er regionale Statthalter einsetzen müsse, war auch ihm klar.
Dazu gab es sogar die Farce einer „Wahl". Verdächtig an die späteren Wahlgepflogenheiten der Nazis und der Kommunisten erinnernd.

Dem vernehmen nach, favorisierte die kleine Handvoll deutsche WTG-Funktionsträger, die da Rutherford als „Wahlstimmvieh" zuließ, keineswegs den Balzereit. Sein Gegenkandidat Buchholz erschien etlichen etwas „charismatischer". Nur eben Herrn Rutherford nicht. Der hatte nämlich nur ein Ziel im Auge. Eine willfährige Marionette als seinen deutschen Statthalter zu installieren. Charismatische Persönlichkeiten hatten unter diesem Aspekt bei Rutherford noch die allergeringsten Chance. Denn die können, wie er schon bei seinem eigenen Machtantritt als Nachfolger Russells erfuhr, ihm unbequem, sehr unbequem werden. Flugs fälschte Rutherford das Wahlergebnis, worüber etwa William Schnell berichtete.

Der Balzereit war zu der Zeit noch jung, biegsam, so wie es den sein Herr Rutherford wünschte.
Der Unterschied ist wohl der. Rutherford begann seiner Laufbahn keineswegs als „Prolet" (nichts anderes war ja Balzereit), sondern als Advokat.

Der Herr gewährte nun seinem Knecht Balzereit, um ihm weiter zu stimulieren, eine Überfahrt in die USA. Welche Eindrücke nun Balzereit in „God's own Country" so sammelte, darüber berichtet er eben in dieser GZ-Ausgabe.
Da kann man denn solche Sätze lesen wie:

„Durchweg haben alle amerikanischen Städte etwas Verwandtes. Es haftet ihnen allen an - der einheitliche Zug des Geistes Amerikas, jener Hauch der Geschäftigkeit und Eile, den wir Europäer gerne mit dem etwas spöttisch klingenden Ausdruck „buisness" bezeichnen. Es ist nicht zu leugnen: der Amerikaner lebt in erster Linie fürs Geschäft. Und es ist wiederum nicht zu leugnen, daß, wo ein Mensch nur fürs Geschäft lebt, d. h. wo der Kopf vollständig das Herz verdrängen wollte, unglückliche Verhältnisse entstehen müßten. ... In diesem Lande des Rekords setzt eben ein jeder, ob klein oder groß, seine Ehre darein, einen Rekord erreicht zu haben, nicht um des damit verbundenen Gewinnes, sondern um der Ehre willen. Und derselbe Geschäftsmann, der sich mit zäher Ausdauer bemühte, bei irgendeinem Handel von seinem Vertragspartner zehn Cent mehr herauszuschinden, gibt ihm im nächsten Augenblick für die Bewirtung desselben Vertragspartners ohne Bedenken 100 Dollar aus. So schnell wie das Geld in jenem Lande hereinfließt, fließt's auch heraus. Die Parole des Tages ist: Rekord, Rekord, und diese Idee - so scheint es - begeistert groß und klein. ...

Wie ich hineinblicke in diesen Riesenorganismus, empfinde ich - in der Erwägung der Möglichkeit, ein Teil in dieser Riesenmaschine zu sein - deutlich ein leises Unbehagen, denn bei aller Bewunderung für das Organisationstalent der Amerikaner und für die Kaltblütigkeit, mit der sie schwierige auftretende Probleme des Verkehrslebens und andere Dinge ordnen, fühlt man dennoch überall hindurch die Sorgen ungelöster Fragen auf wirtschaftlichem, sozialem und verkehrstechnischem Gebiet".

Zu seinen Impressionen gehört dann wohl auch die (und da fühlt man sich doch an die sattsam bekannten WTG-Statistiken erinnert):

„Bei meinem Ausflug fällt mir auch eines der Riesenhotels Chicagos auf, das als das größte der Welt bezeichnet wurde, ein Wolkenkratzer, der nicht weniger als 3000 Zimmer mit Bad zur Verfügung hat. Ein Mann der jeden Tag ein anderes Zimmer bezieht, könnte also 8-9 Jahre dort wohnen, bevor er das ganze Hotel durchgewohnt hat. Das ist eine Rekordrechnung, die mir vorgelegt wurde; man sieht, der Amerikaner rekordiert und berechnet eben alles."

Es versteht sich, dass für das Balzereit'sche Sightseeing-Programm auch ein Besuch Pittsburgh's mit vorgesehen war, begann doch dort die ganze WTG-Organisation. Über seine Pittsburgh-Impressionen liest man bei ihm:

„Wenn man ins Pittsburgher Gebiet kommt, glaubt man, man käme ins Kohlenrevier Westfalens oder befinde sich in der Nähe des Wuppertales. Große Schutt- und Schlackenhaufen zu beiden Seiten, schwarze, verrußte Häuser, große Hochöfen und Schächte, und über dem Ganzen der dichte, graue Nebel der Schmelzofenbezirke, Dunstwolken aus Riesenschornsteinen und der süß-saure Geruch der Hochöfen, der die Nase kitzelt. Pittsburgh ist das Eisenzentrum Amerikas."

Das natürlich die Besichtigung der New Yorker WTG-Anlagen, mit zum Balzereit'schen Pflichtprogramm gehören würden, war vorauszusehen. Und wie ebenfalls vorauszusehen war, würde er selbige in höchsten Tönen lobpreisen. Ob denn letzterer Aspekt ihm wirklich gelungen ist? Bilde sich jeder seine eigene Meinung dazu. Er schreibt:

„Ein achtstöckiges Druckereigebäude, geradezu vorbildlich organisiert, fabriziert komplett täglich mit nur 82 Arbeitern 12.000 und mehr gebundene Bücher zu je 384 Seiten, ferner 30.000 Broschüren mit Umschlag zu je 64 Seiten und außerdem Tausende von Zeitschriften, Traktaten und kleineren Drucksachen. ...
Ein an Stelle eines alten, nicht mehr ausreichenden, neu erbautes großes Wohnhaus für die Mitarbeiter geht gerade seiner Vollendung entgegen. Große, helle Schlafräume - viel Licht und Luft ist ihr Grundsatz - bieten hier dem Menschen nach getanem Werk sein „Zuhause". Auf jedem Flur des acht Stockwerk hohen Hauses sind Wannen- und Brausebäder eingerichtet, kaltes und warmes Wasser an allen Waschplätzen. Gemeinsame Salons oder Wohnzimmer, Lesezimmer usw. usw."

Nun darf man wohl heutige Maßstäbe nicht an jenem Bericht aus dem Jahre 1927 anlegen. Mein subjektiver Eindruck dazu lässt sich mit einem Wort zusammen fassen: Kaserne!

Übrigens findet man die auch von Balzereit konstatierte Reklameorientiertheit, auch unter deutschen Verhältnissen wieder. Man beachte dazu die in dieser GZ-Ausgabe abgedruckten Bilder (unter anderem auch die Nutzung von Straßenbahnen als Werbeträger!)

Und zur Zeit des Endes wird der König des Südens...
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 24. Oktober 2012 00:15
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise
Als Fortsetzungsserie brachte das „Goldene Zeitalter" auch Abschnitte des Rutherford-Buches „Die Harfe Gottes" mit zum Abdruck. So auch in der Ausgabe vom 15. 10. 1927. Da wird ein Abschnitt behandelt, welcher von jeher die Bibelforscher-Herzen „beschwingte", die vermeintliche „Zeit des Endes". Fast überflüssig anzumerken, dass man die in der jeweils eigenen Lebenszeit wähnte und noch wähnt. Der eigene Egoismus lässt es offenbar nicht zu zuzugestehen.
Das mit dem Satz. „Es sei was man will", ist ein ziemlich fragwürdige Angelegenheit.

In der „Harfe Gottes" schwamm auch Rutherford noch weitgehend in den Russell'schen Gedankengängen. Dies wiederum hinderte den späteren Rutherford nicht daran, sich von denen in der Richtung abzuseilen, auf einen Faktor vor allem zu setzen; Zeit zu gewinnen. Der Schrott von gestern wird dann eben in einer etwas - vermeintlich - zeitgenössischeren Form, neu kredenzt.

Immerhin konnte man in der genannten GZ-Ausgabe, via der Rutherford'schen „Harfe Gottes" noch die nachfolgenden „Weisheiten" lesen:

„Und zur Zeit des Endes wird der König des Südens mit ihm zusammenstoßen, und der König des Nordens wird gegen ihn anstürmen mit Wagen und mit Reitern und mit vielen Schiffen; und er wird in die Länder eindringen und wird sie überschwemmen und überfluten. Und er wird in das Land der Zierde eindringen, und viele Länder werden zu Fall kommen." ...

Die Erfüllung dieser Prophezeiung stellt den Beginn der "Zeit des Endes" fest, weil die Prophezeiung dies bestimmt erklärt.
Der Feldzug des grossen Kriegers Napoleon Bonaparte ist eine klare Erfüllung dieser Prophezeiung, wie aus den historischen Ereignissen dieses Feldzuges deutlich hervorgeht. Der "König des Südens", von welchem in dieser Prophezeiung die Rede ist, deutet auf Ägypten hin; der König des Nordens bedeutet Grossbritannien, welches damals ein selbständiger Teil des römischen Reiches war.

Napoleon kämpfte in Ägypten gegen die ägyptischen Heere, die von Murat Bey geführt wurden, und denen er eine Niederlage beibrachte. Sein Sieg jagte nicht nur den Ägyptern einen heillosen Schrecken ein, sondern auch den Völkerschaften bis weit in Afrika und Asien hinein, und alle umherwohnenden Stämme unterwarfen sich dem grossen Eroberer.
Während Napoleon hier operierte, unternahmen die Engländer im Norden, unter der Führerschaft des Admirals Lord Nelson, einen erfolgreichen Angriff auf Napoleons Streitkräfte zur See, Napoleon begann diesen ägyptischen Feldzug im Jahre 1798, führte ihn zu Ende und kehrte am l. Oktober 1799 nach Frankreich zurück. Der Feldzug ist kurz aber anschaulich in dieser Prophezeiung ... beschrieben, und da dieser Feldzug 1799 zu Ende ging, so bezeichnet er, nach den eigenen Worten des Propheten, den Beginn der "Zeit des Endes"

Konnersreuth
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 20. November 2012 02:23
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise
Bereits in der Ausgabe vom 15. 12. 1926, kam das „Goldene Zeitalter" auf das Thema „Konnersreuth" zu sprechen. Wenn sich die Chance bietet, die religiöse Konkurrenz madig zu machen, läßt sich auch das „Goldene Zeitalter" kaum eine sich dazu bietende Chance entgehen. In dieser Ausgabe vom 15. 12. 1926 (sowohl Berner als auch Magdeburger Ausgabe) war es wieder einmal soweit.

Da hatte man in der Presse einen geeignet erscheinenden Artikel entdeckt. Es verstand sich für das GZ als Ehrenpflicht, zu seiner weiteren Verbreitung durch seine eigenen Spalten beizutragen. Nachstehend sei dieser erst einmal kommentarlos vorgestellt. Unter der Überschrift

„Aberglaube, nur kein Glaube"

liest man:

„Wir entnehmen der Unterhaltungsbeilage zur Dresdner Volkszeitung „Nach der Arbeit" einen mit „Georg Lorenz, Passing" gezeichneten Artikel, der uns den spritistischen Werdegang mancher sogenannter „Heiliger" deutlich macht. Der Artikel lautet:

Die heilige Theres
Wie Wallfahrtsorte entstehen.
Ostern dieses Jahres las man in bayerischen Blättern sensationell aufgemacht die Schilderung von einem „Wunder", das sich in dem Oberpfälzischen Dörfchen Konnersreuth zugetragen haben sollte. Eine 28-jährige Jungfer, Therese Neumann, Tochter eines Schneiders, die infolge eines Brandunglücks anderthalb Jahre lang völlig gelähmt war, hatte nachts einen Traum: Der Heiland oder die Mutter Gottes - genau sagte sie es nicht - erschien ihr und brachte die Botschaft, daß sie andern Tags gesund sei und das Bett verlassen könne. Das soll dann auch geschehen sein, doch habe das Mädchen seither jeden Freitag um die Mittagsstunde Christi Leidensweg mit all den Schmerzen auszustehen; aus den „fünf Wundmalen", an Händen und Füßen und in der Brust, sickere, wie einst bei dem Gekreuzigten, frisches Blut ...

 So las man es damals, und seither suchten an allen Feiertagen viele Hunderte von Gläubigen und Neugierigen das oberpfälzische Dörfchen auf, um die „heilige Theres", wie das Mädchen bald genannt wurde, und ihre Wunden zu sehen. Eine Ferienreise ins Fichtelgebirge führte auch mich an einem Freitag in das Wunderdorf.

Weiter der Verfasser:

Es war nicht schwer, das Haus der „Heiligen" zu finden; mitten im Dorf umstand eine dichte Menschenmenge die Tür eines dürftigen Bauernhauses; auch Autos und Droschken standen auf dem freien Platze. Das mußte also die Behausung des Wunders sein. Ich wollte mir die Sache zunächst einmal von respektvoller Ferne aus ansehen und begab mich in ein gegenüberliegendes Wirtshaus, dessen Gaststuben überfüllt waren von Pilgern, Männern, Frauen und Kindern in allen Lebensaltern, Mönchen und Nonnen. Was bekam man da nicht alles zu hören! Eine Frau, die seit Jahrzehnten an Kopfschmerzen zum Wahnsinnigwerden litt und, wie sie sagte, vergeblich Dutzende von Ärzten aufgesucht hat, erzählt ihrer staunenden Umgebung, wie sie befreit sei von den Schmerzen, seitdem sie vor Monatsfrist die „heilige Theres" aufgesucht habe. Eine Jungfer schildert, wie man förmlich selbst die Schmerzen des Heilands mitfühle, wenn man Therese leiden sehe. Ein Pfarrer erklärt auf eine Frage, daß das Mädchen seit eineinhalb Jahren überhaupt nichts mehr gegessen habe und sich nur von Wasser und Himbeersaft ernähre ...

Alles hing an den Lippen der Erzähler,

 Stimmung und Spannung wuchs, je näher die Mittagsstunde heranrückte.
Da kam auch schon Bewegung in die Pilger vor dem Hause gegenüber. Es schien „loszugehen". Meine Tischnachbarin, ein Mädchen, das

bereits zum neunten Male hier war,

erklärte, daß jetzt zwar die Leidensstunde beginne, in der ersten halben Stunde aber nur Geistliche eingelassen würden. Der Verdacht,

daß jetzt das "Wunder" präpariert werde,

regte sich, aber niemand wagte es, ihn unter der gläubig-fanatischen Menge laut zu äußern. So verging noch eine halbe Stunde, bis wir „Laien" zugelassen wurden.

War das ein Gedränge und Geschiebe, um nur die Haustüre zu erreichen! „Immer nur drei auf einmal!" schrie von der Treppe herab ein Ordnungsmann in geistlichem Gewande. Die schmale Holztreppe zum ersten Stockwerk ächzte in allen Fugen; man schob, drängte, stieß sich und beneidete die, die von oben wieder herabkamen.

Plötzlich stand auch ich geschoben in der Stube des Wunders, und sofort wurde mir klar, daß hier alles dazu angetan war, leichtgläubige Gemüter in den Bann zu nehmen. Das Zimmer selbst, vollgepropft mit Geistlichen und Klosterfrauen, macht einen ärmlichen, aber sehr sauberen Eindruck. Das Bett, in dem die Wunderkranke liegt, ist von blendernder Weiße. Aber sie selbst -- ein schrecklicher Anblick, den man so leicht nicht vergessen kann. Ein Mädchen, von dem man weiß, daß es 28 Lenze zählt, einer Greisin von 90 Jahren gleich, ein wachsgelbes, pergamentes Gesicht, die Augen fest zugeklebt mit geronnenem Blut, der Mund mit seinen verdorbenen Zähnen aufgerissen vor Schmerz, die Arme gebogen in halber Höhe, so sitzt sie mit aufgerichtetem Oberkörper in ihrem Lager. Von den Augen über den Wangen herab in Rinnen stockendes Blut, und unaufhörlich sickert darüber aus den Wunden, „wo die Dornenkrone sitzt" und aus den Augen, aus den verbundenen Händen frisches Blut. Plötzlich stöhnt die erstarrte Kranke - ein Geistlicher klärt mich flüsternd auf, daß sie jetzt den Augenblick durchlebe, an dem Christus am Kreuz seufzte: „Mich dürstet!" ...

Länger als die andern durfte ich Zuschauer sein. Dabei fiel mir vor allem auf, daß während der ganzen Leidenszeit der Wunderkranken an ihrem Fußende ein Geistlicher mit überaus scharfgeschnittenen, ja kühnen Gesichtszügen regungslos mit starrem Blick das - Medium in seiner Gewalt hatte ...

Niemand konnte oder wollte Aufschluß geben, wer er sei.

Konnersreuth liegt ganz vorgeschoben im Norden der katholischen Oberpfalz dicht an der Grenze des in südöstlichen Teil vollständig protestantischen Oberfranken, ein katholischer Keil, eine Art Diaspora. Viele der in den umliegenden Orten wohnenden Protestanten, die zunächst die Neugierde hertreibt, glaubten fast ebenso wie ihre katholischen Volksgenossen an das Wunder; auch sie tragen Amuletts mit dem Bildnis der „heiligen Theres". Fragt man diese Leute nach ihrer Meinung, dann antworten sie unsicher und achselzuckend: „Na, dran muß was sein!"
Was wird nun kommen? ... Jedenfalls wartet die ganze Bevölkerung in und um Konnersreuth auf das große Wunder, das die „heilige Theres" noch wirken wird. Es wird kaum mehr lange auf sich warten lassen, vielleicht kommt es schon am Karfreitag 1927. Dann wird wohl, wie anderswo in dunklen Zeiten unkontrollierbar, ein Lahmer gehend oder ein Blinder sehend ...
Das bayerische Lourdes!

Ungeahnte Möglichkeiten wirtschaftlicher Vorteile für das verlassene Konnersreuth und seine Umgebung sind dann geschaffen.

Aufwachen, ihr alle, die ihr zu sogenannten Heiligen anstatt zu Gott betet!"

Ergänzend wäre noch hinzuweisen auf:
http://de.wikipedia.org/wiki/Therese_Neumann

www.indian-skeptic.org/html/hanauer/schwi.htm

Vorstehende Zitierung gibt ja nur die Meinung Außenstehender wieder. Offenbar war das einem Teil der GZ-Leserschaft zu wenig. Und in der GZ-Ausgabe vom 1. 11. 1927 war es dann soweit. Erneut musste das „Goldene Zeitalter" dieses Thema aufnehmen.
Unter der Überschrift

„Konnersreuth und immer wieder Konnersreuth"

schrieb man jetzt:

„Einige unserer Freunde und Leser fragen an, warum wir nicht irgend etwas gegen die Konnersreuther Sache im G. Z. schreiben. Wir antworten unseren lieben Freunden, daß das G. Z. sich nicht dazu hergeben will, die Werbetrommel zu schlagen für eine geschickt aufgemachte Affaire, wie sie die ganze Konnersreuther Sache darstellt. Der Glaube des Volkes an „Heilige der katholischen Kirche" und die angeblich von ihnen verrichteten Wunder, sowie der Glaube des Volkes an wundertätige Wirkungen der verschiedensten Reliquien usw., ist eben dank der wachsenden Erkenntnis und des Einflusses der Wahrheit, mehr und mehr im Schwinden begriffen, und die katholische Kirche bedarf zweifellos irgendwelcher Dinge und Mittel, um dem Glauben des Volkes an diese angeblichen Wunderdinge eine Auffrischung zu geben.

Wir aber wissen, daß Gott sich solcher Dinge und Mittel nicht bedient, denn er ist der Ursprung aller Vernunft, und er, der dem Menschen den Verstand und den Geist des gesunden Sinnes gab, benutzt nur den Verstand des Menschen, um ihn zu unterweisen.
Satan appelliert im Gegensatz dazu nur an das Gefühl und sucht mit den verschiedensten Dingen Eindruck auf das Gefühl der Menschen zu machen. ...
Für uns ist es mehr als kennzeichnend, daß man

sich weigert, die Therese in ein Krankenhaus, in welchem unparteiliche, nicht katholische Ärzte sie beobachten und untersuchen können zu bringen.

Man weiß ganz genau, würde man das tun, würde sich das ganze angebliche Wunder in seinem rechten Lichte zeigen. Gott gebraucht solche Wunder (?) nicht. Wenn blindgläubige katholische Christen diese Dinge auch als ein Wunder bezeichnen wollen - so verstehen wir, daß ein paar blutige Schrammen auf der Haut eines Menschen eine ganz belanglose Sache sind, ganz und gar unwürdig unseres großen Gottes, der Schöpfers Himmels und der Erde und seines Sohnes und dessen erhabenen Opfers. ... Die Wunder des Teufels hingegen sind klein und jämmerlich, sie bedienen sich der Erbärmlichkeit des menschlichen Geistes; weil eben der Mensch, so klein wie er heute ist, am Kleinen hängt und am Großen vorübergeht. Jesus Christus, der wahrhaftige Sohn Gottes und Erlöser der Menschheit, braucht weder irgendwelche aufbewahrte Leinentücher, Hemden oder Röcke, noch ein paar blutige Schrammen auf der Haut irgendeiner Frau ...

Die Menschheit und die moderne Presse unserer Tage ist so spottsüchtig im allgemeinen und stets so skeptisch den wunderbaren Beweisen des Daseins Gottes und der Größe des Opfers seines lieben Sohnes, wie sie die Bibel gibt, gegenüber. Aber hier, wo es sich um einen armseligen, menschlichen Täuschungsversuch handelt, hier, wo in irgendeinem weltfernen Dorfe ein Bauernmädchen ein paar blutige Schrammen auf der Haut zeigt,

ein paar Schrammen, die, weil sie sorgfältig bewacht werden von katholischen Schwestern, Mönchen und Pfarrern, als etwas Wunderbares in die Welt hinauspropagiert werden,

da geben sich diese spottsüchtigen überlegenen Zeitungsschreiber her, spaltenlange Artikel als gehorsame Werbeagenten des um den Wunderglauben des Volkes besorgten Klerikalismus zu schreiben. Das G. Z. wünscht nicht, diese Torheit mitzumachen, es erkennt genau, was Rom wünscht und will, und aus diesem Grunde sind diese Zeilen die einzigsten, die der Therese von Konnersreuth gelten.

Wir bedauern das arme Mädchen und wir bedauern diejenigen, die es mißbrauchen; wir bedauern die Presseleute, die sich mit Fleiß bemühen, sich in dieser Angelegenheit lächerlich zu machen und bedauern die große Masse der Menschen, die sich so jämmerlich an der Nase herumführen lassen.

Im übrigen sei nur noch auf die interessanten Ausführungen des Berliner Arztes Dr. Teilhaber hingewiesen, der in einem Vortrag der Gesellschaft für Sexualreform die Konnersreuther Sache als alles andere, nur nicht als ein Wunder bezeichnete und unter anderem nach dem Berliner Tageblatt Nr. 485 sagte:

Die eigenartige Fähigkeit zu bluten, Wunden aufzuweisen, vollzieht sich gerade bei Personen, die durch Hunger und Nahrungsmangel geschwächt sind. Über die Behauptung, daß sie wochen- und monatelang überhaupt nichts gegessen hätte, verlohnt es sich aus naturwissenschaftlichen Gründen nicht, zu reden. Hautblutungen sind auch sonst den Medizinern bekannt: bei manchen Menschen ruft schon ein leichter Druck, Stoß u. dgl. Hautblutungen hervor; die Wand der Hautgefäße ist so empfindlich, daß sie sofort einreißt. Bei sensiblen Frauen wird dies häufig beobachtet; die direkt unter der Haut sichtbaren feinen Adern sind überaus empfindsam. Aber die Fähigkeit zu Hautblutungen ist eine direkte Krankheit. Sie tritt regelmäßig auf bei Skorbut.

Nach einer Erklärung „Skorbut plus Neuropathie", führte der Redner zu diesen Fällen die - wie der in Konnersreuth - durchsichtigerweise als „Wunder" bezeichnet werden, weiter aus:

„Die skorbutkranken Personen wollen sich der Umwelt interessant machen; vielfach handelt es sich um Sexualneuropathen.
Klar sehende Männer der Wissenschaft also sind ebensowenig geneigt wie denkende Menschen, sich durch einen Bluff zu Plakatträgern künstlich zurechtgemachter angeblicher Wunder herzugeben, und das freut uns.

Erneut griff die Schweizer Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 1. 5. 1932 das Thema Konnersreuth auf. Letztere Ausgabe führte aus:

„Frage: Ist Therese Neumann von Konnersreuth als ein "Gotteswunder" zu betrachten? Wenn ja, warum wird eine solche Sensationsbegebenheit nicht von Staates wegen einer amtlichen Prüfung unterzogen? Hat sich überhaupt die Wissenschaft mit diesem Problem einmal befasst? Wie ist deren Urteil ausgefallen?"

Und darauf antwortet das GZ:

„Um der Frage näher zu kommen, ob es sich hier um ein "Gotteswunder" bezw. eine Kundgebung göttlicher Macht handelt, möchten wir die Frage aufwerfen: Besteht die Nachfolge Christi bezw. der Dienst den der Christ Jehova Gott schuldet in solch dramatischen Leistungen wie die Stigmatisation der Therese Neumann? Wir werden diese Frage mit einem bestimmten Nein beantworten müssen. Jesus Christus selbst hat sich seine Leiden durch das furchtlose Vertreten unbequemer, befürchteter Wahrheiten zugezogen. Ganz besonders dadurch, dass er die Geistlichkeit, die vorgab Gott zu vertreten, als das kennzeichnete, was sie in Tat und Wahrheit war.

Es braucht keiner weitern Beweise, dass Jesus Christus seine Leiden nicht in einem Zustand der Verzückung, noch unter Anteilnahme und zum Nutzen der Männer in langen Gewändern ertrug, und keinem seiner Nachfolger hat er geboten auf diese Weise Schmerzen und Pein zu erleiden und die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich zu lenken.

Wenn Jesus Christus sagt, dass so, wie er gehasst worden ist, auch seine Nachfolger gehasst wurden,. dann geschah es, weil er wusste, dass sie ebenfalls Zeugen der Wahrheit sein würden inmitten eines wundersüchtigen Volkes. Es ist klar, dass der Name Gottes weder durch die Hellseherei, noch durch die Stigmatisation, noch durch die übrigen Zustände der Th. Neumann geehrt, sondern dass dadurch die Verehrung des armen unwissenden Volkes, die dem Schöpfer allein gebührt, auf das Geschöpf, auf ein krankes sterbliches Menschenkind gelenkt wird.

Hätte sich Therese Neumann dem Auftrage des Wortes Gottes gemäss der Verbreitung der biblischen Wahrheiten gewidmet, würde der Besuch bei ihr von der Kath. Kirche gewiss nicht gefordert. Er wäre nicht, wie es heute der Fall ist, vom erzbischöflichen Ordinariat zu Regensburg geregelt. Heute bedarf es nämlich eines besondern Passierscheines, um Zutritt zur Stigmatisation zu erhalten.

Die gegenwärtigen schweren Zeiten scheinen dem Wunderglauben zu einer guten neuen Konjunktur zu verhelfen.

Der Umstand, dass mit der Krise eine Ausbreitung der Wahrheit in bisher nicht gekanntem Masse parallel läuft, dürfte allerdings ihrer Ausnützung eher hinderlich werden.
Auf Grund der Schrift kann keinenfalls gesagt werden, dass es Gottes Billigung finde, wenn man Wille und Körper für derartige Demonstrationen zur Verfügung stellt. Das Gegenteil ist der Fall. Währenddem die heutige Wissenschaft die ekstatischen Zustände u. s. w. denen die Neumann unterworfen ist,

auf verirrte Bahn geratene Selbstsuggestion zurückführt,

zeigt Gottes Wort, dass es sich hierbei um fremde Einflüsse handelt, dass es unsichtbare dämonische Einflüsse sind, die sich den Willen ihres Opfers unterjochen. Wir haben in der HI. Schrift manche Beispiele, die uns dies mit aller Deutlichkeit lehren. Wir möchten nur an jenes von einem Geist der Hellseherei bezw. Wahrsagerei besessene Weib erinnern, das von Paulus befreit oder geheilt wurde.
Es interessiert vielleicht in diesem Zusammenhang, dass auch jenes von gewinnsüchtigen Menschen ausgenützt wurde, die, "als sie sahen, dass die Hoffnung auf ihren Gewinn ausgegangen war", Paulus und Silas vor den Kadi schleppten und sie anklagten, nicht wegen dem Weib, das .von ihrer Krankheit genesen war, sondern weil diese Juden die Stadt Philippi verwirren würden, indem sie Gebräuche verkündeten, welche ein guter Staatsbürger und Römer nicht befolgen dürfe. ...

Von der Th. Neumann wird behauptet, dass ihre Nahrung nur in täglich einer Hostie und ein paar Tropfen Wasser bestehe. Hierzu wird gesagt, dass die Frage der Nahrungslosigkeit bisher nie befriedigend abgeklärt worden sei. Zu ihrer Erklärung sagt Dr. L. Mayer bleibe nur die Betrugshypothese übrig, wobei man in Ansehung der schwer psychopathischen Veranlagung des Patienten nicht an ein bewusstes Betrugsmanöver zu denken brauche.

Eine einwandfreie Prüfung könne nach Ansicht der Ärzte nur in einer Klinik durchgeführt werden, das aber soll Vater Neumann nicht wünschen. Nun, wie dem auch sei, gewiss ist, dass eine auf die wundersüchtige katholische Heiligenverehrung eingestellte Person, die durch Krankheit und Unterernährung, Zuständen der Bewusstlosigkeit, nervösen Anfällen und Halluzinationen ausgesetzt ist, ein günstiges Arbeitsfeld für dämonische Suggestionen und Hypnotiseurkünste bildet. Auf alle Fälle kann es sich nur auf eine von einem betrügerischen Geiste hervorgerufene Sinnestäuschung handeln, wenn die Neumann behauptet in ihren Zuständen mit Christus selbst zu sprechen oder dass Christus aus ihr spreche.

In seinem Konnersreuth behandelnden sehr lesenswerten Buche (Verlag Gg. Uehlin. Schöpfheim) schreibt Dr. med. L. Mayer,

dass namhafte kath. Geistliche über selbsterlebte Situationen berichteten, in denen die Kranke förmlich eine Aufhebung aller physikalischen Regeln über das Schwergewicht des Körpers demonstrierte. Dr. M. sagt, dass es nichts anderes sei, als was jeder Psychiater von seinen Geisteskranken her kenne und als Muskelphänomen bezeichne.
Es sei nichts anderes als was je
der Hypnotiseur ohne Schwierigkeiten vorzuführen vermöge, indem er seine Versuchsperson die Muskelbrücke oder ein ähnliches Phänomen zeigen lasse.

Im Falle Neumann konstatieren wir als einzige Abweichung, dass der agierende Hypnotiseur unsichtbar bleibt. Es ist nach all dem ausgeschlossen, dass es sich um ein Gotteswunder handeln kann; wir halten die Sache vielmehr für eine Kundgebung jener unsichtbaren gottfeindlichen Mächte, die hinter aller Zauberei und hinter allem Hokuspokus steht, die auch heidnische Nationen verführt hat, Geisteskranke als Heilige zu verehren.

Kaplan Fahsel, der gegenwärtig in der Schweiz als Zeuge und Anwalt der Therese Neumann auftritt und durch Vorträge das Interesse an ihr neu zu wecken sucht, pocht zwar darauf, dass es noch keinem Spiritisten und Hypnotiseur gelungen sei stigmaähnliche Erscheinungen hervorzurufen. In der Tat, das Stigma ist die katholische Spezialität. Damit ist aber nicht bewiesen, dass es sich um kein Dämonen handelt, das

dem Trancezustand irgend eines Mediums oder Fakirs gleichkommt.

Schließlich bleibt zu beachten, dass die Geisterwelt gewiss nicht einseitig eingestellt ist und warum sollte sie, was sie bei wundersüchtigen Nichtkatholiken erreicht, nicht bei frommneugierigen Anhängern der katholischen Religion durch ihren Anschauungen entgegenkommende Demonstrationen zustande bringen können."

In der „Goldenen Zeitalter"-Ausgabe vom 15. 10. 1933, wurde das Thema erneut aufgegriffen. Diesmal hatte man nachfolgenden Bericht entdeckt:

„Eine Stigmatisierte aus streng protestantischen Kreisen
In der Vorstandssitzung des Deutschen Gemeinschafts-Diakonie-Verbandes in Marburg berichtete Dr. med. Alfred Lechler über das von ihm geleitete "Haus Lebenswende" in Neustadt, Südharz.

Besonders tiefen Eindruck machte das, was Dr. Lechler über Stigmatisations-Erscheinungen an einer seiner Patientinnen mitteilte.

Auf die Bitte von Pastor Paul Kuhlmann legt er nun seine Beobachtungen kurz zusammengefasst der Öffentlichkeit in "Licht und Leben" vor mit dem Hinzufügen, dass weitere Einzelheiten mit photographischen Abbildungen der Wundmale in der demnächst erscheinenden Schrift "Das Rätsel von Konnersreuth im Licht eines neuen Falles von
Stigmatisation" folgen.
Dr. Lechler schreibt vorerst in "Licht" und Leben":
"Eine meiner Patientinnen, Elisabeth K. versetzt mich in die Lage, zu dieser Frage einen klärenden Beitrag zu liefern. Ihre Krankengeschichte weist in vielen Punkten eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit der Krankengeschichte und den Phänomen der Therese Neumann auf.

Als sie im Februar 1928 in meine Behandlung kam, zeigte sie die mannigfachsten Krankheitserscheinungen, die sich durchweg als seelisch bedingt erwiesen. Die langwierige
Behandlung deckte die dem Oberbewusstsein verborgenen Ursachen Ihrer Störungen auf, so dass eine langsame Besserung erfolgte. Seit Februar 1929 ist Elisabeth in meinem Haushalt tätig und steht daher unter meiner dauernden Beobachtung.

Seit längerer Zeit kann sie als geheilt angesehen werden, w
enn auch immer wieder zahlreiche Beschwerden auftreten, die auf Ihre krankhafte Veranlagung zurückzuführen sind. Diese Veranlagung besteht in einer

abnorm starken Beeindruckbarkeit, d. h. jeder Eindruck, besonders wenn er unangenehmer Art ist, geht Ihr sehr nahe und setzt sich im Unterbewusstsein fest.

Dazu kommt eine abnorm starke Beeinflussbarkeit, die sich in der Weise äussert, dass die aufgenommenen Eindrücke über kurz oder lang auf die körperlichen Vorgänge wirken. Wenn ein Mensch mit solcher Veranlagung von einer Krankheit hört oder liest, so setzt sich diese krankhafte Vorstellung ins Körperliche um, so dass er dieselben oder ähnliche Beschwerden bekommt.

Die Erkrankung pflegt dabei ganz unbewusst zu erfolgen, so dass deren Ursache nur nach eingehender Unterredung und Aufdeckung des Unterbewusstseins geklärt werden kann. So bekam Elisabeth, so oft sie die Geschichte von der Heilung des Gichtbrüchigen las, das Gefühl, als werde sie selbst lahm und taub. Als sie von einer Magenoperation hörte, traten rasch Magenschmerzen auf. Auf solche Weise kamen die mannigfaltigsten Krankheitsbilder zustande, die jedesmal durch entsprechende Aufklärung rasch behoben werden konnten. Als Elisabeth an einem Lichtbilderabend über Jesu Leiden und Sterben teilnahm, verspürte sie beim Anblick des gekreuzigten Heilands starke Schmerzen an den Händen und Füssen, und zwar an der Stelle, wo Jesus die Nägel eingeschlagen wurden. Von solcher Schmerzensempfindung ist nur noch ein kleiner Schritt bis zur Entstehung wirklicher Wundmale.

Um dies zu beweisen, machte ich im Einverständnis mit Elisabeth entsprechende suggestive Versuche.
Es gelang, nach mehreren vergeblichen Versuchen auf dem Wege der Fremdsuggestion unter dauernder Beobachtung blutende Wundmale an ihren Händen und Füssen entstehen zu lassen. Desgleichen traten nach der Suggestion der Dornenkrönung blutende Wunden an der Stirn sowie nach entsprechender Suggestion aus den Augen blutige Tränen auf. Die Blutung erfolgte je nach der Stärke der Konzentration von Elisabeth. Durch diese Versuche ist der Beweis erbracht, dass die Stigmatisation auf suggestivem Wege erfolgen kann.

Die erwähnten Vorgänge lassen sich bei entsprechender Veranlagung lediglich durch bestimmte Vorstellungen erzeugen. Was durch Fremdsuggestion erreicht werden kann, kann auch durch Selbstsuggestion auftreten. Ein grundsätzlicher Unterschied besteht zwischen Fremd- und Selbstsuggestion nicht."

Nach einem Seitenblick auf die Visionen von Konnersreuth schliesst Dr. Lechler seine Darstellung mit den Worten:

"Die seelisch bedingte Entstehungsweise solcher Visionen lässt sich ebenfalls durch die bei Elisabeth K. gemachten Versuche beweisen. Wenn diese sich in die Leidensgeschichte oder in eine andere biblische Begebenheit versenkte, fiel sie nach einiger Zelt in einen durch Fremd- oder Selbsthypnose verursachten Zustand, in dem sie das Gelesene schaute und hörte, als ob es völlig Wirklichkeit wäre. Die bei Elisabeth K. gemachten
Versuche erscheinen insofern ausserordentlich bemerkenswert, als es sich um den ersten Fall einer Stigmatisation handelt, bei dem die seelisch bedingte Entstehungswelse der Wundmale einwandfrei nachgewiesen werden kann, eine Tatsache, die von katholischer Seite bisher lebhaft bestritten wurde. Ferner haben wir die Tatsache vor uns, dass hier meines Wissens zum ersten Male eine Stigmatisation innerhalb des Protestantismus vorliegt. Es besteht daher, von den erwähnten Tatsachen aus gesehen, kein Anlass, die Vorgänge von Konnersreuth als Wunder zu bezeichnen, und es erscheint als bedenklich, dass Therese Neumann von vielen Seiten schon jetzt mehr und mehr als Heilige betrachtet wird."

Professor Flinders Petri
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 21. November 2012 00:19
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise
Das „Goldene Zeitalter" weis in seiner Ausgabe vom 15. 11. 1927 mitzuteilen:

„Professor Flinders Petri, der hochbetagte britische Forscher, der seit vielen Jahrzehnten in Ägypten gearbeitet hat und so viel zu unserer Erkenntnis über die große Pyramide und die alt-ägyptische Kultur bis zurück zu Joseph und seinen Brüdern beigetragen hat, hat die neuen Bestimmungen für Ausgrabungen und Forschungen so ungünstig gefunden, daß auch er aus jenem Lande zurückkehrte und nun eine Expedition in dem äußersten Süden Palästinas leitet.
So ist es gekommen, daß die Haupttätigkeit der Archäologen von Ägypten nach dem heiligen Lande verlegt wurde.

Dazu meint das GZ:

Und das sollte so sein. Welches Land könnte den Forschern wertvollere Informationen liefern als jener Streifen am östlichen Ende des Mittelländischen Meeres, der durch die biblischen Berichte aus den Tagen Abrahams, 2000 Jahre vor Beginn der christlichen Ära, geheiligt wurde? Palästina ist das Land, in dem der biblische Bericht volle Bestätigung durch die wissenschaftlichen Forschungen findet.

Zweifellos ist es einer gewaltigen Vorsehung zuzuschreiben, daß diesem Lande bisher so wenig archäologische Aufmerksamkeit zugewendet wurde, sowie, daß sie gerade jetzt darauf hingelenkt wird. Es ist im göttlichen Programm so vorgesehen, daß es dieser Generation zugelassen wird, daß sie ihren völligen Unglauben an sein Wort der Wahrheit offenbart, und daß „starke Irrtümer" kommen, um womöglich auch die Auserwählten zu verführen. Wenn sich das Interesse der Archäologen vor mehreren Jahrhunderten dem Lande Palästina zugewandt hätte, und wenn während der letzten Jahrzehnte dort so bedeutende Ausgrabungen gemacht wären wie heute, würde der biblische Bericht vor der „bestimmten Zeit" eine so gründliche Bestätigung gefunden haben, daß die entscheidende Prüfung des christlichen Glaubens in den letzten Tagen zur Unmöglichkeit geworden wäre."

Besagter Prof. Flinders Petrie (1853 - 1942) war ja mit einer der Inspiratoren für die Russell'sche Pyramidentheorie.

Eine Zusammenfassung der Sachlage an anderer Stelle führte dazu schon mal aus:

„Erst im 19. Jahrhundert kamen einige Gelehrte auf den Gedanken, dass die Große Pyramide wissenschaftliche Geheimnisse bergen könnte. Im Jahre 1799 begannen einige französische Forscher, die Napoleon auf der ägyptischen Expedition begleiteten, die Große Pyramide zu untersuchen.
Colonel Howard Vyse beschäftigte im Jahre 1837 mehrere hundert Arbeiter bei den Räumungsarbeiten an der Pyramide. Colonel Vyse veröffentlichte drei ziemlich umfangreiche Bände unter dem Titel "Operations of the Pyramid of Gizeh" (Arbeiten bei den Pyramiden von Gizeh); dieselben riefen großes Interesse hervor und regten andere zu weiteren Forschungen an.
Im Jahre 1859 gab John Taylor ein Werk heraus unter dem Titel: "The Great Pyramid; why was it built? and who built ist?" (Die Große Pyramide; warum und von wem wurde sie gebaut?) Er war der Erste, der den Gedanken aussprach, die Pyramide könne vielleicht göttlichen Ursprungs sein. Kurz vor seinem Tode vermochte er Professor C. Piazzi Smyth, Schottland, für dieses Bauwerk zu interessieren.

Im Jahre 1864-1865 brachte Professor Smyth mehrere Monate bei der Großen Pyramide zu. Er stellte zahlreiche Messungen und astronomische Berechnungen an, die er in drei Bänden mit dem Titel: "Life and Work of the Great Pyramid" (Leben und Arbeit bei der Großen Pyramide) veröffentlichte. Ferner schrieb er: "Our Inheritance in the Great Pyramid" (Unser Erbe in der Großen Pyramide). Auch später besuchte er die Pyramide noch öfters, um weitere Messungen anzustellen und sich von der Richtigkeit der früheren zu überzeugen; seine astronomischen Berechnungen erfuhren in der Folge in einigen Punkten kleine Verbesserungen.

William Petrie, der Vater von Professor Flinders Petrie, kam zuerst auf den Gedanken, dass der "Giebelstein" der an sich eine kleine Pyramide bildete, die Gestalt und Winkel für den Gesamtbau bestimmte, in gewissem Sinne Christus darstellen könnte. In Hiob 38: 4-7 ist der "Eckstein" erwähnt

Um das Jahr 1881 herum gab Professor Flinders Petrie, nachdem auch er die Pyramide erforscht und umfassende Messungen, vorwiegend der oberen Teile der Pyramide vorgenommen hatte, sein denkwürdiges Werk "The Pyramids and Temples of Gizeh" (Die Pyramiden und Tempel von Gizeh) heraus. Auch er schilderte voller Begeisterung den meisterhaften Bau, die Dichte der Verbindungen der Steine untereinander, die Genauigkeit der einzelnen Winkel, die in dem ganzen Bau zutage tritt. ...
Im Jahre 1893 erschien ferner ein Buch des bekannten amerikanischen Schriftstellers C. T. Russell, unter dem Titel: "Dein Königreich komme". Professor P. Smyth"s Werk "Unser Erbe in der Großen Pyramide" hatte einen derartigen tiefen Eindruck auf ihn gemacht, dass er den theologischen Lehren, die in der Pyramide enthalten sind, ein Kapitel in seinem oben erwähnten Buche widmete. Ein Freund, der von dieser Absicht hörte, ersuchte ihn um die Erlaubnis, das Manuskript dieses Kapitels über die Große Pyramide vor seiner Drucklegung zur Durchsicht vorlegen zu dürfen, was auch geschah. Professor Smyth sandte das Manuskript mit einem Brief zurück, aus dem wir (das „Goldene Zeitalter") folgendes hier anführen:

"Je mehr ich mich in diese Blätter vertiefte, kamen mir das Können und die Eigenart des Verfassers zum Bewusstsein und es gab nicht wenige Betrachtungen, von denen ich gern das Reproduktionsrecht hätte, um unter Namensangabe in meinem nächsten Werke über die Große Pyramide dieselben anzuführen. Ich bemerke ferner noch, dass der Verfasser, was die chronologischen Ausführungen über die verschiedenen Teile der Pyramide anbetrifft, vorzügliche und neue Gedanken zum Ausdruck bringt; insonderheit gilt dies von der ersten aufwärtsführenden Passage mit dem granitenen Pflock, an der großen Galerie, die das Leben Jesu darstellt, dem Parallelismus zwischen der Königskammer, die in Granit enthüllt, was in der Stiftshütte in Gold dargestellt ist und von der allgemeinen Bestätigung und wunderbaren Übereinstimmung der Bibel und der Großen Pyramide."

Das Buch "Dein Königreich komme" erregte in der Folge einerseits wiederum das lebhafteste Interesse von Professor Dr. med. John Edgar und seines Bruders Morton Edgar von Glasgow, Schottland.
Diese beiden ... beschlossen, die von Pastor Russell aufgestellten Theorien an Ort und Stelle persönlich einer genauesten und kritischen Prüfung zu unterziehen. Mit den besten und modernsten wissenschaftlichen Instrumenten ausgerüstet, besuchten sie die Pyramide im Jahre 1909 und brachten dann zusammen viele Monate dort zu, wo sie mit unermüdlichem Fleiß ihre Studien betrieben und Messungen vornahmen, sowie die Aufzeichnungen der vorgängigen Forscher Colonel Vyse, Professor Smyth und Petrie nachprüften.

Überdies ließen sie die unteren Gänge mit beträchtlichen Kosten selbst von Schutt säubern und nahmen genaue Messungen von sämtlichen Gängen, Kammern und Winkeln vor, die sie in manchen Fällen dreimal überprüften, um ja jeden Irrtum zu vermeiden. Viele photographische Blitzlichtaufnahmen von allen Teilen der inneren Passage wurden gemacht, ebenso wurde das Äußere und die Umgebung der Pyramide auf das sorgfältigste gemessen und photographiert.

Mr. Morton Edgar besuchte in der Folge die Pyramide nochmals in den Jahren 1912 und 1914, um gewisse Züge, die nicht völlig klar waren, noch sorgfältiger zu prüfen. Die Ergebnisse dieser beiden aufopfernden Forscher sind in dem bedeutendsten Pyramidenwerk "Great Pyramid Passage" (Gänge der Großen Pyramide) in drei Bänden zusammengefasst. Der erste enthält zahlreiche Photographien, Zeichnungen und erklärt den Symbolismus der Pyramide; der zweit
e behandelt hauptsächlich die chronologischen Züge und der dritte befasst sich mit den in diesem Wunderbau verborgenen wissenschaftlichen Lehren. ..."

Nun also im Jahre 1927 wurde erneut in tendenziöser Weise auf diesen Flinders Petrie Bezug genommen, was denn belegt, dass auch zu der Zeit, die Russell'schen Pyramidentheorien noch in voller Wirksamkeit waren.

„Zufriedenheit" - keinesfalls garantiert
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 20. Dezember 2012 00:09
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise
In seiner Ausgabe vom 1. 12. 1927, fühlt sich das „Goldene Zeitalter" zu der nachfolgenden Replik bemüßigt:

„Auf Seite 288 der von den Bibelforschern herausgegeben Schriftstudien, Band I, lesen wir:

„Es ist ein Irrtum, den viele hegen, daß, wenn Christi tausendjähriges Königreich eingeführt sei, jedermann mit seiner Regierung gar wohl zufrieden sein werde. Doch nicht also. Bei weitem genauer wird er es mit seinen Verordnungen nehmen, als irgendeine frühere Regierung und die Freiheit des Volkes wird in solchem Grade eingeschränkt werden, daß es manchem, der jetzt auf eine Vermehrung der Freiheit aus ist, recht unbequem vorkommen wird. ..."

Dann geht der Bericht weiter mit der Zitierung eines Presseberichtes, wonach ein angehender Mörder, beim Beginn seiner Tat einen Schlaganfall erlitt, der seine beabsichtigte Tat zur Makulatur werden ließ.
Solcherart Berichte machen sich natürlich gut, wähnt man doch die Erfüllung der verdienten Strafe, sofort wahrzunehmen.
Für sich wäre ja gegen die Zitierung eines solchen Presseberichtes nichts einzuwenden. Auch nicht gegen einen sachgemäßen Kommentar dazu. Stutzig allerdings macht es schon, welcher Kommentar, seitens des GZ, respektive des Artikelschreibers da gewählt wurde. Die Apostrophierung eines strengen Regimentes des Christus in dem Kontext der Pressemeldung, ist ja nun durchaus nicht zwingend.

Es fragt sich doch sehr, welche Motivation da eigentlich die hauptsächliche ist. Die über den Bericht eines Kriminalfalles? Oder das artikulieren des eigenen Sadismus, wobei der als Beleg gewählte Fall, eher der Rubrik Alibifall zugehört; aber nicht der Rubrik „Überzeugend".

Ein Kommentar zum Konkordat
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 21. Dezember 2012 02:00
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise
Letztendlich muss man es doch wohl so bewerten, dass sich das „Goldene Zeitalter" wieder einmal massiv in die Politik einmischte. In seiner Ausgabe vom 15. 12. 1927 fährt es eine massive Attacke gegen die deutsche Konkordats-Politik.
Es ist unbestritten, dass selbige zwar den Interessen des GZ zuwiderläuft. Indes werden sich prinzipielle Wahlverweigerer, und Nicht-Mitglieder von politischen Parteien, schon die Frage der Legitimation für solche Gegnerschaft stellen lassen müssen.
Wie ein Staat seine Kirchenpolitische Gesetzgebung denn gestaltet, ist nicht die Aufgabe der vermeintlich „Abstinenten" es zu beurteilen.
Natürlich haben sie das Recht (in Demokratien), dann fallweise auch den Aufschrei des Entsetzens zu tätigen. Nur müssen sie sich dann auch sagen lassen, dass sie genau in dem Moment, ihre selbstgesetzte Grenze der vermeintlichen Politiklosigkeit überschreiten. Das wäre das, was als Kommentar zu den nachfolgenden Ausführungen der genannten GZ-Ausgabe zu sagen wäre:
Man liest im G. Z.:

„Aus der amerikanischen Zeitschrift: G. A. Nr. 206
Roms Gier nach Deutschland
Die päpstlichen Politiker sind wiederum eifrig am Werke, die Hand noch fester auf Deutschland zu legen, ein Werk, das sie unmittelbar nach dem Weltkriege begannen. Es ist ein harter Kampf im Gange, ein Kampf, von dem die Öffentlichkeit noch nicht viel weiß. Das Wenige jedoch, was bekannt geworden ist, genügt, um ein Streiflicht auf die ganze Situation zu werfen.

Die Quintessenz der ganzen Angelegenheit datiert schon aus dem Jahre 1925, wo es dem katholischen Klerus gelang, ein Konkordat mit Bayern zu schließen. Das war nur dadurch möglich, daß der römische Stuhl seine ganze unvergleichliche Schlauheit gebrauchte, und weil die staatliche lutherische Kirche zeitlichen finanziellen Gewinnes wegen zustimmte, denn der römische Klerus hatte nur ein Drittel der Stimmen.

Bedeutende Professoren und Gelehrte des konstitutionellen Rechtes, darunter Professor S. G. Anschütz von der Universität Heidelberg, Dr. K. Rothenbücher aus München, und der bayrische Universitätsprofessor Dr. R. Piloty aus Würzburg beweisen, daß Artikel 5 des Konkordats eine direkte Vergewaltigung der Staatsverfassung ist. Dennoch ist das Konkordat bis auf diesen Tag noch voll in Kraft.

Wie im finstern Mittelalter„Jedes Konkordat ist eine vollständig einseitige Sache, aber das bayerische Konkordat ist in seiner Einseitigkeit etwas noch nie Dagewesenes, da der Papst dadurch unerhörte finanzielle Zugeständnisse erhält, dergleichen nur im finsteren Mittelalter zu finden sind.
Seit Jahrhunderten hat der Staat mit Zähigkeit um die Autorität über die Schulen gekämpft und sie festgehalten. Jetzt ist sie in die Hände der katholischen Kirche übergegangen, und zwar in die Hände der Jesuiten. Die Bedeutung einer solchen Lage der Dinge kann nur von jemand erkannt werden, der die Grundlage der Geschichte der Zivilisation seit dem Anfang des finsteren Mittelalters kennt und weiß, welchen Ausgang die Schulpolitik des Klerus genommen hat. Tatsächlich bedeutet dies eine systematische Verrückständigung der Massen des Volkes. Die Beweise hierfür sind auf Grund unantastbarer geschichtlicher Tatsachen in der Broschüre: „Das Konkordat, Deutschlands Schritt in das finstere Mittelalter zurück" niedergelegt.

[Redaktionelle Einfügung. Wer denn Verfasser und Herausgeber genannter Broschüre sein soll, wird nicht gesagt. Eine Recherche ergab. In den gängigen deutschen Bibliothekskatalogen jedenfalls nicht nachgewiesen. Demzufolge ist es mehr als fraglich, ob es denn je einen autorisierten deutschen Text davon gab. Weiter in der Zitierung des GZ].

Aber das bayrische Konkordat war nur der Anfang. Jetzt folgen die anderen Staaten, besonders das Reich selbst. Die Diplomatie des päpstlichen Stuhles ist fieberhaft am Werke, sie hat den Nuntius Pacelli, der das bayrische Konkordat zustande brachte, nach Berlin geschickt. Die ganze Politik des Zentrums stand seit Jahren unter diesem Einfluß und hat sich bemüht, ein Konkordat mit dem Staate zustande zu bringen. Die verwirrten internationalen politischen Zustände sind dieser Bewegung förderlich, und Pacelli hat ein großes Geschick, eine Situation auszunützen.

Die katholische Zentrumspartei in Deutschland ist bei jeder Parteiverbindung des Staates der die Waage haltende Faktor, weil keine Partei ohne das Zentrum eine Mehrheit hat. Gegenwärtig befindet sich diese Partei in Übereinstimmung mit den konservativen Parteien und erhält im Voraus Zugeständnisse in Bezug auf ein Konkordat, obwohl eine dieser Parteien, die deutsche Volkspartei, immer antiklerikal war. Letztere Partei vertritt hauptsächlich die Interessen der Großindustriellen. Die klerikale Zentrumspartei vertritt einen Teil der Landwirte und der Arbeiterschaft. Um die deutsche Volkspartei ihren Wünschen geneigt zu machen, opfert die Zentrumspartei die Interessen ihrer Wähler, was besonders im letzten Reichstag bei dem Handelsvertrag mit Frankreich zu Tage trat. Der Redner der Zentrumspartei konnte, während er über diese Frage sprach, kaum gegen die lauten Zwischenrufe aufkommen, und die Verteidigung war schwach und durchaus nicht überzeugend.

Die Ultramontanen beachten, wenn die Interessen der päpstlichen Weltherrschaft auf dem Spiele stehen, überhaupt nicht im Geringsten die Interessen ihrer Wähler. Das deutsche Volk, durch Kämpfe von außen und innen, sowie von wirtschaftlichen Schwierigkeiten schwer heimgesucht, dient als ein Reservoir, den zunehmenden Einfluß der römisch-katholischen Kirche zu beleben. Das verarmte deutsche Volk wird gezwungen, einer erschrecklich ehrgeizigen und stolzen Hierarchie die finanzielle und moralische Grundlage zu bieten, damit diese ihren Weltmachtsneigungen frönen kann.

Die ungeheure Zunahme religiöser Anordnungen und der Ankauf von Ländereien durch die Geistlichkeit seit dem Kriege - oft unter dem Vorwand, den Armen helfen zu wollen - dienen nur diesem Zwecke. Das Papsttum operiert jetzt genau in derselben Art und Weise wie vor tausend Jahren, nämlich es sucht an Stelle des Friedensreiches Jesu Christi das päpstliche Reich als sogenanntes Königreich Gottes aufzurichten. Alle diese Bemühungen sind nichts anderes als ein neues augustinisches „Königreich Gottes", dessen Wirksamkeit während des finsteren Mittelalters ebenso schrecklich war, wie es in unseren Tagen sein wird. ...
Wenn die Presse und das Volk nicht zur letzten Stunde einen entschiedenen Standpunkt gegen das Konkordat einnimmt, wird sein Schrecken und seine Knebelung der Freiheit und Menschenrechte eines so aufrechten Volkes nicht aufzuhalten sein."

Bild der Frau Nahles oder dem Herrn Thierse von der CSPD zugeeignet.

1927

Im Goldenen Zeitalter 1926 gelesen

Im Goldenen Zeitalter 1928 gelesen

 

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