Annotationen zu den Zeugen Jehovas
Paul Bräunlich und Leo Taxil
Ein fest umrissenes
Feindbild ist offenbar für gewisse Kreise unabdingbar. Wer die Geschichte der
Zeugen Jehovas verstehen will, der muss sich auch mit diesem Faktum
auseinandersetzen. In den zwanziger Jahren machte besonders ein kirchlicher
Autor namens Paul Bräunlich von sich reden. Seine Anschuldigungen
liefen darauf hinaus, dass er die Bibelforscher in die kommunistische Ecke
stellte.
Symptomatisch dafür der
Titel einer seiner Schriften: "Die Ernsten Bibelforscher als Opfer
bolschewistischer Religionsspötter". Eine gewisse Ironie in diesem nebulös
formulierten Buchtitel ist nicht zu übersehen. Liest man jene Publikation
selbst, so ist indes der Sachverhalt klar. Bräunlich setzt sein gesamtes
historisches Wissen ein, um die Bibelforscher in der oben genannten politischen
Ecke "festzunageln".
Das Stichwort "Ironie" sei
nochmals aufgenommen. In der Tat hatte sich Bräunlich auch intensiv mit einem
historischen Vorgang beschäftigt, wo gewisse ironische Überzeichnungen eine
Rolle spielten. Etlichen Beteiligten ist das zwar erst später aufgegangen, aber
die Sachlage war durchaus so. Auch den Bibelforschern war das Wirken von
Bräunlich nicht entgangen. Auch schon in den zwanziger Jahren beliebten sie sich
der Technologie zu bedienen, gewisse Gefälligkeitsapologeten einzusetzen
(möglichst solche mit akademischen Titeln), die da ihre Selbstsicht darstellten,
zugleich aber behaupteten, nicht der Bibelforscherorganisation anzugehören. Aber
die gleiche Sachlage kennt man ja auch aus der Gegenwart!
Also in den zwanziger Jahren
beliebten sie einen sogenannten Ingenieur namens Curt Bran, als Widerpart auf
Bräunlich anzusetzen. In der Ausgabe vom 1. 7. 1927 des "Goldenen Zeitalters"
wird davon berichtet. Bran informiert darüber, dass es schon damals einen
"Pressedienst der Bibelforscher-Vereinigung" gab, der ihm einen
Zeitschriftenartikel zugesandt habe, der die Bibelforscher in die sattsam
bekannte kommunistische Ecke stellte. Aufgabe von Bran war es nun, dies
möglichst wirkungsvoll zu widerlegen. In diesem Zusammenhang kommt er nun auch
auf Bräunlich zu sprechen, zudem er ausführt:
"Die hauptsächlichste Quelle, aus
der der Verfasser Ihres Artikels seine Kenntnis über das Wesen der Bibelforscher
geschöpft hat, ist offensichtlich die Schrift des Lic. theol. P. Bräunlich: 'Die
Ernsten Bibelforscher als Opfer bolschewistischer Religionsspötter'. Lic. theol.
P. Bräunlich hat, soweit mir bekannt, drei gleichartige Schriften geschrieben,
die, um die Geistesverfassung dieses Autors beurteilen zu können, in ihrem
inneren Zusammenhang und ihrer psychologischen Abhängigkeit voneinander als ein
Fiktionskomplex aufgefasst und betrachtet werden müssen: 'Leo Taxils
Schelmenstreiche', 'Die Ernsten Bibelforscher als Opfer bolschewistischer
Religionsspötter' und 'Sundar Singh in seiner wahren Gestalt.'
Man könnte ruhig über die Sache
hinweggehen, wenn nicht Lic. theol. Bräunlich diese Schrift über Taxil zum
Sprungbrett und zur Prämisse der beiden weiteren Schriften benützte und durch
unerhörte Trug- und Analogieschlüsse die Ehre … und den Glaubensinhalt
urchristlicher Weltanschauung, der vielen Tausenden nach göttlicher Wahrheit
ringenden Christen heilig ist, brutal in den Schmutz träte.
Mit festem, diabolischen Zynismus
glaubt er den Glaubenstreuen 'die Maske vom Gesicht reißen' zu können, und ahnt
wohl nicht, dass er statt dessen durch das Spiel seiner teuflischen Phantasie
und seiner gewissenlosen Dialektik als Lic. theol. und damit Repräsentant des
sogenannten 'Geistlichen' Standes einen erschütternden Einblick in
dieGeistesverfassung, die Wege und taktischen Mittel des kirchenpolitischen und
scheinchristlichen Apologeten gegeben hat."
Diese starken Worte machen
deutlich, dass der Begriff "Leo Taxil" auch schon in der Bibelforscherliteratur
aufgetaucht ist. Allerdings ohne nähere Erläuterungen. Wer von den
zeitgenössischen Bibelforschern nicht gerade die genannten Bräunlich-Schriften
selbst gelesen hat (und das dürften die allerwenigsten gewesen sein), der tappte
weiterhin im Nebel herum, wer oder was Taxil war, und wieso Bräunlich eine
Analogie zwischen Taxil und den Bibelforschern herstellte.
Auch vielen heutigen Zeugen
Jehovas dürfte der Begriff "Taxil" ein "böhmisches Dorf" sein, mit dem sie
nichts näheres anzufangen wissen. So mag es in der Tat angebracht sein, auf
Taxil einmal näher im Detail zu sprechen zu kommen. Dies um so mehr, weil auch
ein gewisser Robin de Ruiter einmal beliebte, jenen Namen in den Mund zu nehmen,
und das in einem Kontext, der nicht unwidersprochen bleiben kann.
Mag den heutigen
Zeitgenossen der Name Taxil in der Regel (abgesehen von einigen Spezialisten)
auch nichts sagen, so sah das um die Jahrhundertwende vom achtzehnten zum
neunzehnten Jahrhundert durchaus noch anders aus. Damals war Taxil noch
allgemeines Gesprächsthema!
Also fangen wir zum Einstieg
in die Materie gleich mal mit den Nazis an!
Wie schon gesagt. Ein fest
umrissenes Feindbild ist offenbar für gewisse Kreise unabdingbar. Schon bei den
Nazis konnte man diesen Fakt beobachten. Für sie war "der" "Jude" schlechthin
die Inkarnation des Bösen. Notwendige Differenzierungen? In ihrer Lesart nicht
nötig. Glauben ersetzte auch hier Wissen. Wenn Einzelne dem entgegentraten, ist
es ihnen nicht gut bekommen.
Exemplarisch der Fall des
Hugo Bettauer, der sich schon in den zwanziger Jahren, dieser
Judenhetze in den Weg gestellt hatte, was sein unsterbliches Verdienst bleiben
wird. So hatte er beispielsweise als Reaktion auf die nazistische Judenhetze in
seinem Roman "Stadt ohne Juden" ihnen einen Spiegel vorgehalten.
Er geht in seinem Romansujet
davon aus, dass eine geforderte Außerlandesschaffung aller Juden Wirklichkeit
wurde. Sein anschließender Kommentar dazu.
"Nun, wo es weder Juden noch
Judenstämmlinge in Österreich gab, verfing das nicht mehr, wurde die
Parteipolitik noch öder und langweiliger, als sie es vorher gewesen war. Elend,
Teuerung, Arbeitslosigkeit wuchsen und die Führer waren in Verlegenheit, weil
sie nicht wussten, wem sie die Schuld daran geben sollten. Die reichen Leute
waren ja jetzt brave Christen, die Ausbeuter und Wucherer auch, das heißt, man
durfte von solchen Menschen gar nicht sprechen, weil man sonst hätte zugeben
müssen, dass es christliche Ausbeuter genau so gibt wie jüdische.
Früher hatten die Hakenkreuzler mit
ihren Plakaten Aufsehen erregt, die Massen aufgehetzt. … Die Plakate der
Hakenkreuzler waren nun so sinnlos geworden, dass sie niemand mehr las."
Ganze Kloakenkübel von Dreck
ergossen daraufhin die Nazis und mit ihnen liierte Kreise über Bettauer. Auch
der Naziideologe Rosenberg beteiligte sich aktiv daran. Aber nicht nur die
"intellektuellen" Führer des Nazismus. Auch ihr Fußvolk. Das schlimme und
tragische daran ist, dass Bettauer das ungeschminkte Aussprechen dieser
Wahrheiten mit seinem Leben bezahlen musste. Hugo Bettauer wurde eines der
ersten Opfer des Nazipöbels, einer der ersten politischen Morde die diese
"Bewegung" zu verantworten hatte.
Szenenwechsel.
Im Jahre 1783 hatte der Papst Klemens II. eine erste scharfe gegen die
Freimaurerei gerichtete Schrift veröffentlicht ("In eminenti"). Eine Reihe
seiner Amtsnachfolger taten es ihm gleich. Die Freimaurer waren nicht nur
katholisches; sie waren in Sonderheit Papstthema.
Auch der Papst Leo XIII.
(1878-1903) tat es seinen Amtsvorgängern gleich. Ja, er verschärfte vielfach
noch die diesbezüglichen Angriffe. Selbst der katholische Autor Herbert
Vorgrimler muss bezüglich der Freimaurerangriffe des Leo XIII. rekapitulieren:
"Die Pflicht zur
soliden Information trat demgegenüber in den Hintergrund. Man kann die Enzyklika
'Humanum genus' mit ihren Behauptungen und mit ihrem Wortschatz nur gerecht
beurteilen, wenn man sie in diesem Zusammenhang sieht. Auch so bleibt das
Rundschreiben noch schlimm genug.
In seinem ersten
Teil zeichnet es das bereits bekannte Klischee von der finsteren Verschwörung
gegen die Kirche. Es verwendet dabei ein nicht weniger fatales anderes Klischee:
in der katholischen Kirche ist alles gut, in der Freimaurerei ist alles
schlecht. Die Quellen sind nicht seriöse Werke, sondern antifreimaurerische
Propagandaschriften niedrigsten Niveaus."
Auf dem Niveau Leo XIII. ist
in der Gegenwart ein Verlag stehen geblieben, der seinen Leserkreis nicht
zuletzt in katholischen Kreisen sucht. Er nennt sich programmatisch "Pro fide
Catholica" und ergänzt dies noch durch den Namen des Verlagsinhabers Anton A.
Schmid. Zwischenzeitlich sind auch andere katholische Kreise auf diesen Verlag
aufmerksam geworden und gleichfalls nicht sonderlich "glücklich" über ihn.
Jedenfalls kann man zu letzterem Schluss auch auf Grund eines Vorganges
gelangen, zudem dieser Verlag selbst eine Mitteilung machte.
Danach erhielt er von der
Diözese Augsburg der katholischen Kirche in Deutschland, die er mit der Vokabel
"Konzilskirche" abzuwerten sucht, mehrere Aufforderungsschreiben. In seinen
Worten: "Seit
Anfang März 1999 versucht die konzilskirchlich vereinnahmte 'Diözese Augsburg',
den Verlag Anton Schmid als katholische Stimme gewaltsam aus der Öffentlichkeit
zu verbannen. In diversen Schreiben, zuletzt unter Einschaltung eines
Rechtsanwaltbüros … droht sie rechtliche Schritte für den Fall an, dass der
Verlag nicht ihrer 'Aufforderung' nachkommen und es 'unterlassen' sollte, dass
Wort 'katholisch' 'namensmäßig in Anspruch zu nehmen'!
Man wird wohl sicher nicht
zuviel sagen, wenn man diesen Vorgang dahin deutet, dass auch katholischen
Kreisen einiges inhaltlich an diesem Verlag nicht passt.
Einer der Autoren die in
diesem Verlag zu Wort kommen heißt
Robin de Ruiter.
Der derzeitige Wohnsitz des letzteren befindet sich wohl in den Niederlanden
(Holland). Wer ist nun de Ruiter?
Nach eigenen Angaben hat er,
der der katholischen Kirche angehört, in Spanien Theologie studiert. Weiter
ergänzt er seine Aussage, dahingehend, dass er zweieinhalb Jahre bei den Zeugen
Jehovas "mitgemacht" habe. Man wird dieses "mitmachen" wohl dahingehend
interpretieren können, dass es ihm dabei hauptsächlich um die Materialsammlung
im Kampf gegen die Zeugen Jehovas ging.
De Ruiter hat auch einige
Jahre in spanischsprechenden Ländern Südamerikas gelebt und dort wohl seine
ersten Bücher zum Thema veröffentlicht. Inzwischen sind ihr Italienische,
Portugiesische und Französische Übersetzungen gefolgt.
De Ruiter weist weiter
daraufhin, dass er schon in Spanien auf den deutschen Verlag Pro fide Catholica
hingewiesen wurde, der in der Folge dann auch seine Manuskriptangebote
angenommen hat. Begünstigend für de Ruiter kommt noch hinzu, dass er auch die
deutsche Sprache (relativ gesehen) gut beherrscht.
Leider nur die Sprache.
Nicht jedoch auch die seriöse wissenschaftliche Literatur zu den von ihm auch
angesprochenen Themen. Zu Robin de Ruiter habe ich mich in der Annotation "De
Ruiter und Co" schon im Detail geäußert und bitte weiteres dort zu entnehmen.
In Kontinuität mit Leo XIII.
ist auch für de Ruiter ein klares Feindbild wichtig. Auch er bezieht es auf die
Freimaurer. Wenn die Zeugen Jehovas beispielsweise die These vertreten: Es sei
ein Kampf im Himmel entstanden zwischen Michael und dem Teufel und letzterer sei
dabei auf die Erde geworfen worden, wo er große Wut habe, da er nur noch wenig
Zeit habe.
Dann ist dies eine These die
einer rationalen Prüfung nicht standhält. Es ist eben eine typische
Glaubensthese. Man will etwas glauben. Die einen glauben "im Himmel sei
Jahrmarkt" und die Zeugen Jehovas eben das vorbenannte. Plausibel verdeutlichen
vermag keiner der Gläubigen seine diesbezügliche Auffassung. Um sie anzunehmen
braucht man kein wissenschaftlich geschärftes Gespür. Man braucht nur schlicht
und einfach Glauben.
Auch de Ruiter liegt
diesbezüglich mit den Zeugen Jehovas auf einer ähnlichen "Antennenlänge". Auch
er macht Glauben zu unabdingbaren Voraussetzung seiner Theorie. Nicht das er
sagt "im Himmel ist Jahrmarkt" - nein, das glaubt auch er nicht. Aber was er
glaubt liegt in der Kontinuität der katholischen Kirche des vorigen
Jahrhunderts. Ist für die Zeugen Jehovas der Teufel der Gott dieser Welt - so
für de Ruiter die Freimaurer, denen er vermeintliche oder "tatsächliche"
Satansähnliche Eigenschaften andichtet; wobei sich der Kreislauf zwischen beiden
Ideologien wieder geschlossen hat.
Selbstredend registriert de
Ruiter alles aufmerksam, was sich auf die Freimaurerei bezieht. So vermerkt er
dabei auch, dass es mal einen Schriftsteller gab, der unter dem Namen Leo Taxil
bekannt wurde, der einiges - nicht vorteilhaftes - über die Freimaurerei
berichtete.
Über jenen Taxil vermerkt de
Ruiter nun:
"Die Logenbrüder erschrecken immer
noch, wenn man die Rede auf Gabriel Jogand Pages, besser bekannt als 'Leo Taxil',
bringt. Dieser Mann beschuldigte die Freimaurer in seinem Buch: 'Los Misterios
de la Franmasoneria' der Teufelsanbetung…"
In seinen weiteren
Ausführungen wiederholt de Ruiter diese Grundaussage.
So auch etwa in
seinem Satz: "Der
österreichische Politiker Friedrich Wichtl erklärte in seinem Buch
'Weltfreimaurerei - Weltrevolution- Weltrepublik' (München 1919): 'Die
Freimaurer sehen Satan als ihren obersten Herrn und Gott an.'"
Nun habe ich letzteren Satz
bei Wichtl nicht gelesen. Es kann sein, dass ich ihn auch überlesen habe. Als
ich vor etlichen Jahren das Pamphlet des Wichtl auch zur Kenntnis nahm, da war
mir der Name de Ruiter noch kein Begriff. Aber schon damals wurde auch mir klar,
dass große "Verdienst" von Wichtl bestand darin, die vormals streng katholische
Freimaurerhetze in "weltliche" Bahnen umgelenkt zu haben.
Wichtl war mit einer der
Inspiratoren für Erich Ludendorff und Adolf Hitler. Ich kann dem de Ruiter
eigentlich nur zu dieser Art von Kronzeugen "gratulieren."
De Ruiter benennt noch
andere famose "Kronzeugen." Von einen von ihnen, vermag er noch nicht mal den
Namen richtig anzugeben. Das sei ihm aber nicht weiter angelastet. Fehler dieser
Art können auch anderen unterlaufen. So redet er beispielsweise von einem auf
freimaurerische Dokumente spezialisierten Dr. Fara (richtig: Fava) mit seinem
Buch "La Masoneria y su Obra" ("Die Freimaurerei und ihr Werk"). Über diesen Dr.
Fava weiß Bräunlich auch einige interessante Einzelheiten zu berichten. Er
schreibt:
"Wir meinen Mgr. Armand-Josef Fava,
den Bischof von Grenoble. Derselbe zeigte sich unermüdlich in der Herausgabe von
Broschüren und Hirtenbriefen gegen die Freimaurerei und galt als deren
bedeutendster Kenner unter den Katholiken Frankreichs, ja, der Welt. Sein Bild
pflegte in klerikalen Blättern mit der Unterschrift zu erscheinen: 'Bischof Fava,
der Hammer der Freimaurerei.'
Endgültig begründete diesen Ruhm
sein Buch vom Jahre 1883, in dem er den Freimaurern Satansdienst, Meuchelmord,
Hostienschändung und dgl. vorwirft, ihre Zahl auf 30 Millionen Männer und 2
Millionen Frauen angibt usw. In Wirklichkeit waren es damals kaum der 20. Teil.
Weibliche Freimaurer gibt es überhaupt nicht.
Dieser Mgr. Fava war ein
persönlicher Freund Leo's XIII. Sein Buch von 1883 gab daher den entscheidenden
Anstoß dazu, dass der heilige Vater unterm 20. 4. 84 sein berühmtes
'Apostolisches Rundschreiben 'Humanum genus'" erließ, in dem er sich - wie ein
katholischer Schriftsteller sagt - 'über die Freimaurerei verbreitete, wie nie
ein Papst zuvor.'
Bei dessen Abfassung zog er den
Grenobler Bischof zu Rate. Was dabei herauskam, war auch danach. Die 'Menschen,
die man Freimaurer nennt', gehören für Leo XIII. zum 'Reiche Satans und zu den
höllischen Mächten. Sie sind beseelt von den trotzigen Geistern des Teufels,
eine gottlose Sekte, Vernichter aller Religionen, die Partei des Bösen, eine
unreine Seuche, zu jeder Freveltat fähig, verwegene und durchtriebene
Meuchelmörder. Es gibt nichts Verwerflicheres als ihre Grundsätze. … Sie sind
von unbändiger Treulosigkeit und Verstellung, müssen deshalb entlarvt und
ausgerottet werden von den ehrwürdigen Brüdern' des Papstes"
(Bräunlich Band 1 S. 18, 19).
Da de Ruiter den Leo Taxil
bemüht, möchte auch ich auch ein paar Anmerkungen dazu machen.
Die groben Linien dazu. Der
französische Schriftsteller Gabriel Jogand-Pages (21. 3. 1854-30. 3. 1907), der
unter seinem Pseudonym Leo Taxil in die Geschichte eingegangen ist, hat wie kein
zweiter die katholische Kirche des 19. Jahrhunderts genasführt. Er schrieb mal
ein Buch das er "Amüsante Bibel" nannte.
Wie gesagt, das erschien im
19. Jahrhundert. Und da war die Kirche noch etwas mächtiger und war über diese
Frivolität keinesfalls "erfreut". Taxil - damals erklärter Atheist und
Freidenker, wurde zum bestgehassten Gegner der katholischen Kirche im Frankreich
seiner Zeit.
Der Stellenwert seines
Buches wird vielleicht dadurch deutlich, dass es 1961 noch, in der vormaligen
Sowjetunion, für die Atheismus bekanntlich Staatsdoktrin war, in russischer
Übersetzung erschien. 470 Seiten Umfang - aufgewertet auch durch ein Register
zur besseren inhaltlichen Erschließung.
Vergleicht man dazu die
französische Ausgabe des gleichen Buches von 1897, dann fällt auf, dass letztere
über 400 Comiczeichnungen enthielt; deren Tendenz eindeutig ist: Die Bibel ins
Lächerliche zu ziehen.
Eine Einschätzung jenes
Buches vermerkt noch, dass es
"eine Persiflage der
biblischen Geschichte unter genussvoller Ausnutzung einer allein auf das
sexuelle gerichteten Verdrehung der Erzählungen"
der Bibel darstellt. Ein ähnliches Buch von Taxil ist sein 1884 erschienenes
"Vie de Jesus",
"dass von der Voraussetzung ausgeht, dass Jesus nie existiert habe und das ganze
Neue Testament eigentlich nichts anderes als ein unsympathisches Gemisch
abstruser Geschichten sei."
Mir scheint, bei der
Charakterisierung von Taxil hat Paul Bräunlich, der neben einigen kleineren
Schriften über ihn, auch ein dreibändiges Opus vorlegte, eine durchaus
zitierenswerte Charakteristik gegeben.
Bräunlich arbeitet heraus,
dass Taxil Erziehung in der Kinderzeit wohl etwas missraten ist. Die Eltern
wissen sich keinen Rat und überantworten ihn einer kirchlichen Einrichtung. Dort
scheint Kinderpsychologie ein Fremdwort gewesen zu sein. Dagegen konnten diese "Padagogen"
offenbar mit dem Bibelwort, dem Knaben die Zucht nicht zu entziehen, um
so mehr anfangen.
Diese Jugenderfahrungen
haben sich tief in die Seele des Taxil eingegraben. Bräunlich beschreibt in
"Leo Taxils weltgeschichtlich denkwürdige Schelmenstreiche", wie sich die
Sache weiter entwickelte:
So
"verfiel Taxil darauf, ein
'Antiklerikales Jahrbuch für 1879' herauszugeben. Es erreichte bald eine Auflage
von 130.000. Damit hatte er ein Arbeitsfeld entdeckt, dessen ausgiebige
Beackerung ihn rasch aller leiblichen Not zu entheben versprach." Weitere
Schriften von Taxil folgten: "Entsprechend herausfordernd und marktschreierisch
ihre Titel: 'Die schwarze Bande' - 'Nieder mit den Kutten!'- 'Kappen und
Kappenträger' - 'Die ulkigen Priesterröcke' - 'Geheiligte Dummheiten' - 'Auf der
Rabenjagd' usw.
Auch geschichtliche Stoffe, zumal
überriechender Art, zogen ihn an. Inwieweit es sich um Wahrheit oder Dichtung
handelte, machte ihm dabei wenig zu schaffen. Er wärmte z. B. den alten
Schwindel von der 'Päpstin Johanna' auf, schrieb über 'die Borgia, eine (Papst-)Familie
von Ungeheuern', über Papst 'Pius IX., sein Wirken, seine Ausschweifungen, seine
Tollheiten und Verbrechen'. Über 'den Giftmischer (Papst) Leo XIII',
'Heiliggesprochene Schmutzschriftsteller', 'Geheimschriften der Beichtiger', das
'Unbefleckte Leben Veuillots' (des führenden Mannes der katholischen Presse
Frankreichs), die 'Kebsweiber des Papstes' usw. In Romanen - so dem 'Sohn der
Jesuiten', den 'Ausschweifungen eines Beichtvaters', den 'Drei Hahnereien' wußte
(er), gleichfalls den Geschmack eines stets kauflustigen Publikums zu treffen."
Auch auf die "Amüsante
Bibel" kommt Bräunlich zu sprechen. Sie und sein "Leben Jesu"
bezeichnet er als
besonders schlimme Schriften.
"Darin stellt der feine
Sittenprediger die heilige Geschichte als 'ein unsittliches und blödes Gewebe
von Fabeln dar. In beigegebenen Zeichnungen treten die Personen der Bibel bis
hinauf zum Herrgott, mit ungeheuer krummen Nasen, krummen Beinen und
entsprechender leiblicher Zierrat auf. "
Seinen weiteren Werdegang
beschreibt Bräunlich mit den Worten:
"Zu guter Letzt ging der
unternehmende Geschäftsmann auch noch unter die Vereinsgründer und
Versammlungsredner. Er wurde Generalsekretär der französischen
Freidenkerverbände und zog seit 1881 in Ausübung dieses Amtes redend im Lande
umher. Mit anderen, schon vorher bestehenden verband er die von ihm gegründeten
Vereine zur 'Antiklerikalen Liga'. Im Jahre 1885 umfasste diese 140 Ortsgruppen
mit 17 000 Mitgliedern, einschließlich der bloß angegliederten sogar 288
Vereine.
Aus dem kleinen Galgenstrick war auf
solche Weise allmählich der gefürchtetste aller Freidenkerhäuptlinge geworden.
Jedem um das Wohl seiner Kirche sich sorgenden katholischen Christen lief bei
Taxils Namen eine Gänsehaut über den Rücken"
(Bräunlich Band 1 S. 11,
12).
Eines Tages merkte Taxil,
dass seine Bücher sich zusehends schlechter verkauften. Die Christen kauften sie
ohnehin nicht. Und die Klientel, die er bislang angesprochen hatte, fand es auch
nicht mehr so interessant für Taxil noch Geld auszugeben. Er stand nun vor der
Frage, wie es mit ihm weitergehen solle.
Von seiner Schriftstellerei
konnte er nicht mehr leben und für eine andere berufliche Perspektive hatte er
offenbar keinen Draht. Da bewies er seine Skrupellosigkeit. Er der streitbare
Atheist, gab plötzlich vor reumutig in die katholische Kirche eintreten zu
wollen. Und was bemerkenswert ist, deren Funktionäre nahmen geschmeichelt das
Angebot an.
So wurde Taxil ab 20. 4.
1885 "katholisch". Im Jahre 1887 wurde er dann sogar vom Papst noch persönlich
in Privataudienz empfangen. Es sollte sich für ihn auch finanziell auszahlen.
Sein Buch über die Freimaurer erschien in einer Auflage von über 100. 000
Exemplaren. Die Grundsätze der Journalistik beherrschte er ohnehin und flugs
offerierte er der staunenden Öffentlichkeit sein 1888 auch in Deutsch
erschienenes Buch "Bekenntnisse eines ehemaligen Freidenkers".
Schon darin fand sich von
Taxil ein Satz, dem man zur damaligen Zeit keinerlei besondere Bedeutung beimaß.
Der hintergründige Sinn dessen sollte sich allerdings einige Jahre später noch
erschließen. Taxil schrieb also schon dort (S. 182):
"Eine der kühnsten Mystifikationen
der neueren Zeit ist unstreitig die Erfindung des angeblichen Pfarrers Jean
Meslier, jenes seltsamen Mannes, welcher, wie man sagt, auf dem Sterbebett die
Religion abschwor, deren Diener er gewesen war. … Ich selbst verabsäumte es
nicht, die 'Werke des Pfarrers Meslier' … herauszugeben. Wenigstens 30.000
wurden von dieser Ausgabe im Volke verbreitet."
Taxil schildert in seinen
Bekenntnissen weiter, wie er in seiner Freidenkerzeit unter Verwendung eines
Pseudonyms erfundene Geschichten in antiklerikalen Blättern lancierte. Über eine
solche vermerkte er:
"Ein anderes Mal erzählte ich, wie
die Domherren von Notre-Dome in unterirdischen Räumen zusammenkämen um alte
Folterwerkzeuge zu putzen und sich in der sichern Aussicht auf die
demnächstigste Wiederherstellung der legitimen Monarchie auf ihren Gebrauch
einzuüben." Er selbst
redet davon, dass er das Blatt, dass diese Märchen abdruckte damit
"mystifizieren" wollte (S. 203-205). Diese "Technik" beliebte er auch einige
Jahre später anzuwenden, wie gewisse Kreise zu ihrer Erschütterung dann noch
feststellen sollten.
Taxil beobachtete auch wach
die zu jener Zeit besonders stark in Erscheinung tretende Freimaurerhetze in der
katholischen Kirche. Und prompt legte auch er ein zweibändiges Buch dazu vor,
dass 1886/87 auch in deutscher Übersetzung erschien und dem er den Titel gab
"Die Drei-Punkte-Brüder".
Darin schrieb er im Band II
(S. 369) beispielsweise: "Die
Freimaurerei arbeitet überall, wo sie erscheint am Umsturz von Thron und Altar."
Damit hatte er die gängigen Vorurteile voll bedient. Genau das wollten die
Katholiken auch hören. Dies hatte ja Papst Leo XIII. in der am 20. 4. 1884
verkündeten Enzyklika "Humanun genus" so verlautbart.
Jetzt klingelten bei Taxil
die Kassen mächtig. Er hatte offenbar zur richtigen Zeit den richtigen Riecher
für einen "Bestseller". Vom Erfolg verwöhnt, sollte das Geschäft aber möglichst
noch einige Jahre weiter laufen. Und es lief! Taxil bediente sich da lediglich
eines kleinen Kunstgriffes.
Er schrieb weiteres unter
Pseudonymen. Eines davon war eine gewisse Miss Diana Vaughan (alias Leo Taxil).
Mit ihr lies er die tollsten Sachen geschehen. So sei sie vom "Teufel Bitru"
gezeugt worden und die katholische Klientel lauschte gespannt ihre rührseligen
Geschichten.
Pech war dabei nur, dass
einige Katholiken vor lauter Rührung zusehends die Forderung erhoben, diese Miss
"Diana Vaughan" doch mal vom Angesicht zu Angesicht sehen zu können. Jetzt wurde
es langsam schwierig für Taxil. Er musste allerlei Ausflüchte erfinden; weshalb
dieses nicht möglich sei.
Den Sachverhalt referierte
im Jahre 1907 die Zeitschrift "Das freie Wort" mit der Ausführung:
"Neben dem Großteufel Bitru, dessen
Unterschrift Taxil erhielt … wurde besonders Miss Diana Vaughan berühmt. Nach
ihren eigenen Memoiren war sie als Frucht einer Teufelsbuhlschaft … geboren, ihr
Vater war niemand anders als der Teufel Bitru selbst. Sie wurde mit dem Teufel
Asmodäus vermählt, der ihr als Hochzeitsgeschenk den wundertätigen Schwanz vom
Löwen des Apostels Markus verehrte, den er diesem tückischerweise abgeschnitten
hatte und den sie hinfort als Boa trug.
Sie war Vermittlerin zwischen dem
Höllenfürsten und seiner Gemeinde, bis es Taxil gelang, sie bußfertig in den
Schoß der katholischen Kirche zurück zu führen. Die Nachricht von ihrer
Bekehrung ergriff die katholische Kirche stark."
(S. 78f.)
Die Katholiken begannen sich
allmählich in zwei Richtungen aufzuspalten. Eine die weiter darauf bestand, die
"Diana Vaughan" persönlich kennenzulernen und die andere Richtung, die
angesichts der erkennbaren Ausflüchte allmählich zu bezweifeln begann, ob es die
denn überhaupt gab. Taxil befand sich in der Klemme. Er musste zur "Flucht nach
vorn antreten". So lies er denn verlautbaren ,"Diana Vaughan" werde sicherlich
auf dem für 1896 in Trient einberufenen Anti-Freimaurerkongress erscheinen.
Der Kongress tagte vom
26.-30. 9. 1896. In eigens eingerichteten Unterausschüssen wurde die Diana
Vaughanfrage heiß diskutiert und Diana Vaughan war immer noch nicht zu sehen.
Die Stimmen die an ihr zweifelten mehrten sich zusehends und Taxil wurde
zusehends diesbezüglich insistiert.
Die Zeitschrift
"Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland" hat im
Jahre 1896 (Band 118) selbst ausführlich diesen Anti-Freimauer-Kongress
referiert. Daraus einige Zitate:
"Der vierte Ausschuss war der Ort,
wo die heiße Schlacht geschlagen wurde. Die Verhandlungen in diesem Ausschusse
waren von vornherein von einem gewissen Enthusiasmus, wenn nicht Fanatismus
durchdrungen. Man fühlte, es lag etwas in der Luft, was sich entladen musste. …
" Auch ein
Diskussionsteilnehmer meldete sich zu Wort, der klar dem Ammenmärchen "Diana
Vaughan" eine Absage erteilte:
"Monsignore Gratzfeld fuhr in seiner
… Rede fort, indem er von den angeblichen Enthüllungen von Diana Vaughan sprach.
(Große Bewegung und vereinzelte heftige Zwischenrufe). Mit Energie und ohne sich
um die Störungen zu kümmern, fuhr der Redner fort, dass Leute mit klarem
Verstande von vornherein diese 'Enthüllungen' mit größtem Misstrauen behandelt
hätten, dass aber weite Kreise dieselben kritiklos als lautere Wahrheit,
angenommen und zu ihrer Massenverbreitung mitgewirkt hätten. (Erneute
Unterbrechungen und Rufe des Unwillens).
Was seien denn diese 'Enthüllungen'?
Wer sei Diana Vaughan? Erstere seien eine geschickte Herausputzung echter
Dokumente mit Verbrämung von Falschem und Abenteuerlichem, Letztere sei eine in
mystisches Dunkel gehüllte Persönlichkeit, über die einwandfreie Leute von
unbestrittenem Ansehen keinerlei Aufschluss geben könnten."
Angesichts dieses Angriffes,
musste der auch auf dem Kongress anwesende Taxil nun Rede und Antwort stehen.
Der Bericht vermerkt, nachdem ein weiterer Redner sich gleichfalls kritisch
geäußert hatte:
"Sofort (nach dieser Rede) ging Leo
Taxil hinauf und begann seine lange demagogisch zugespitzte, aber völlig
zusammenhanglose Rede.
Auf erneutes Drängen des Präsidenten
zur Sache zu sprechen, sagte der Redner endlich: Ich könnte Ihnen alles das
beweisen, was sie gefragt haben. Das Material darüber befindet habe sich in der
Tasche, aber sie dürfen es nicht wissen. Sie sind zu neugierig, mein Herr! Sie
wissen gar nicht, welches Unheil sie anrichten, wenn Sie öffentlich solch
delikate Dinge behandeln. Der Dolch der Freimaurerei bedroht Diana Vaughan
stündlich, also Schweigen wir über solche Vorgänge um die Heilige nicht zu
gefährden.
Einer Kommission von
Vertrauensmännern werde ich die Beweise vorlegen, aber Ihnen nicht! … Lauter,
anhaltender Beifall begleitete seinen Abgang vom Katheder, und Rufe 'Evviva Leo
Taxil' hallten durch den Saal."
Taxil hatte mit seiner
Rhetorik wieder einmal Zeit gewonnen. Dennoch die kritischen Fragen hingen
weiter in der Luft. Es wurde ihm langsam klar, dass das Spinnennetz in das er
sich selber begeben hatte, würde langsam aber sicher enger zusammen gezogen
werden.
Jetzt war wieder einmal für
ihn der Zeitpunkt gekommen eine erneute Zäsur vorzunehmen. Für den 19. April
1897 berief er eine Pressekorrespondenz in die Räume der Geographischen
Gesellschaft in Paris ein. Und dort verlas er der schockierten Öffentlichkeit
gegenüber eine Erklärung, in der er zugab, er sei Diana Vaughan und das seine
Beschuldigungen gegen die Freimaurerei nicht auf Fakten, wohl aber auf seiner
Fantasie beruhte.
Der katholische Jesuit
Hermann Gruber, hat unter dem Pseudonym "Hildebrand Gerber" im Jahre
1897 in einem Buch einige zeitgenössische Presseberichte anlässlich der
Selbstdemaskierung von Taxil gesammelt unter der "Überschrift "Betrug als
Ende eines Betruges."
Zitat aus der Erklärung des
Taxil vom 19. 4. 1897: "Um es
gleich heraus zu sagen, bin ich wie alle Marsailler, ein geborener Fümist
('Aufschneider'), der seinen Spaß daran hat, anderen Bären aufzubinden. Um meine
Scheinbekehrung selbst zu vollziehen zog ich mich in ein Excercitienhaus der
Jesuiten in der Nähe von Paris, nach Clanmot, zurück. Nachdem das Misstrauen des
Vatikans beseitigt war, galt es, mich demselben angenehm zu machen um die
Mystifikation auf den Höhepunkt zu bringen, musste ich mich an einen Punkt des
kirchlichen Programms anschließen, welches dem Heiligen Stuhl mit am meisten am
Herzen lag.
So hatte ich schon gleich, als ich
mich entschloss, den Katholizismus aus unmittelbarer Beobachtung genau kennen zu
lernen, Enthüllungen über die Freimaurerei ins Auge gefaßt."
Taxil widerrief mit dieser
seiner Erklärung vom 19. 4. 1897 alle seine vorangegangenen Ammenmärchen,
namentlich über die Freimaurerei, die "Teufelsbuhlschaft" der "Diana Vaughan"
und anderes mehr. Die katholische Öffentlichkeit war fürs erst geschockt.
Nachdem sie sich einigermaßen davon erholt hatte, fanden einige Wenige von
ihnen, wie der genannte Jesuit Gruber die Sprache wieder und haben selbst über
ihren größten Reinfall des Jahrhunderts dann noch berichtet.
Das wäre also jener Taxil,
von dem Robin de Ruiter meint über ihn würden die Freimaurer noch heute
"erschrecken".
Erschrecken kann man in der
Tat über das Feindbild das hier auf Glaubensbasis aufgebaut wird.
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Ergänzend noch eine Stellungnahme dazu aus freimaurererischer
Sicht; entnommen dem von Lennhoff/Posner herausgegebenen "Internationalem
Freimaurerlexikon".
Taxil, Leo (Pseudonym für Jogand-Pages, Gabriel), französischer Publizist und Buchhändler, der den berühmten Taxil-Schwindel inszenierte, »der größte Lügner des 19. Jahrhunderts«,
* 1854 in Marseille, + 1907, wurde nach Erziehung durch Jesuiten ein in Wort und Schrift sich sehr radikal gebärdender Freidenkerführer, ließ sich 1881 in der Freimaurerloge »Le Temple de l'honneur francaise« aufnehmen, in der er es aber nur zum Lehrling brachte. Nach nur dreimaligem Besuch wurde er wegen Vergehens gegen die freimaurerische Ehre (unsaubere Geschäfte) ausgestoßen. Als leidenschaftlicher Bekämpfer des Katholizismus bekannt (er gab u. a. ein antiklerikales Jahrbuch heraus), erregte es gewaltiges Erstaunen, als T. 1885 öffentlich seiner Vergangenheit abschwor und sich feierlichst zur katholischen Kirche bekehrte, mit der Ankündigung, nun für diese streiten zu wollen
Die Bekehrung des bisherigen Todfeinde», der zuerst in ein Trappistcnkloster zu gehen erklärte, wurde als gewaltiger Triumph der Sache der Kirche gewertet; der Apostolische Nuntius in Paris lud ihn ein, seine Feder in den Dienst Roms zu stellen, und niemand ahnte, daß T. in Wahrheit einen überdimensionalen Schwindel vorbereite, einmal, um die gehaßte Freimaurerei zu treffen, anderseits, um einen großen geschäftlichen Fischzug zu tun. T. erwirkte durch hochgestellte Geistliche bald nach Beginn seiner Antifreimaurerkampagne eine Audienz bei Papst Leo Xlll., der kurz zuvor gegen die Freimaurerei die Enzyklika ; »Humanum genus« erlassen hatte, und machte ihm Mitteilung von seinen auf Vernichtung der Freimaurerei hinauslaufenden Absichten.
1885 erschien das erste seiner diesem Plan dienenden Werke, »Les freres Trois-Points« (»Die Dreipunkte-brüder«), das neben manch Richtigem - aber der wirklich interessierten Öffentlichkeit keineswegs Unbekanntem - aus dem freimaurerischen Ritual faustdick aufgetragenen groteskestcn Schwindel enthielt. Weitere Bücher gleicher Art folgten. Schon in den »Dreipunktebrüdern" enthüllte T., daß die Freimaurerei Teufelskult treibe, daß ihr ganzes Ritual nichts als eine Verherrlichung Luzifers darstelle. Namentlich »die Areopage und Kapitel«, hieß es da, »stehen unter dem Einfluß des Geistes des Bösen, Luzifer und Eblis, des angeblichen Lichtengels, mit welchen die Ritter Kadosch (die Freimaurer des XXX. Grades des A. u. A. Schottischen Ritus) durch ihre Teufelsbeschwörungen und schwarzen Künste in direkter Gemeinschaft stehen«. Phantastisches erzählte T. auch von sexuell-orgiastischen Vorgängen in Frauenlogen und vom »Meuchelmord in der Freimaurerei«, dem er ein ganzes Buch widmete. Die Mitteilungen über die Audienz beim Papst, die in der katholischen Presse in sensationeller Aufmachung erschienen, erhöhten den Glauben an die Richtigkeit der Enthüllungen, die immer toller wurden. 1891 kam das Buch »Les Sceurs Maconnes« (»Gibt es Frauen in der Freimaurerei?«) heraus, in dem der angebliche Teufelskult der Hochgradmaurerei noch eingehender ausgemalt wurde. In den »palladistischen Satanslogen« feierte man nach T. wahre Unzuchtsorgien. Luzifer wurde auch hier als Prinzip des Guten verehrt, der Gott der Christen als Geist des Bösen geschmäht. »Hier beginnen der Kult und die direkte Anbetung des Teufels, die progressive Vertierung durch die Schwarze Kunst, endlich die Ehrenbezeugung an den Satan in Gestalt einer Schlange … der Adept ruft Satan als seinen Gott ! an … er betet ihn an in Gestalt von Baphomet, einem infamen Götzenbild mit Bocksfüßen, Frauenbrüsten und Fledermausflügeln. T. ließ auch eine von ihm erfundene Sophie Walder auftreten, die »Urgroßmutter des Antichrist« und palladistische Großmeisterin.
Noch ein zweites weibliches Wesen wurde ersonnen, die »Palladistin Diana Vaughan«, angeblich 1874 als Tochter des Teufels Bitru geboren, im Alter von zehn Jahren in eine amerikanische Palladistenloge aufgenommen und dem Teufel Asmodeus angetraut. Diese gar nicht existierende Dame "schrieb" unter dem Titel "Memoires d'une Expalladiste" scheußliche Enthüllungen, die weiteste Verbreitung fanden. Mit der Welt verkehrte Diana Vaughan ausschließlich durch T. Sie publizierte durch ihn Artikel mit authentischen Teufelsdokumenten, z. B. der Unterschrift des Teufels Bitru. Als sie dem Kardinalvikar Parocchi, eine Spende für einen geplanten antifreimaurerischcn Kongreß zukommen ließ, übermittelte ihr dieser im Auftrag des Papstes den Apostolischen Segen.
Die Bücher und Artikel T.s, die in der ganzen Welt Verbreitung fanden, wurden unterstützt durch gleichzeitige, gleichartige »Enthüllungen« von anderer, mit T. verbündeter Seite. »Dr. Bataille«, in Wirklichkeit ein Deutscher namens Hacks, veröffentlichte in 200 Fortsetzungen das Lieferungswerk »Le Diable au 19e siecle« (»Der Teufel im 19. Jahrhundert«), das 10 000 Abonnenten fand. Auch der Italiener Domenico Margiotta schrieb mehrere Bücher über den Teufelskult, wobei er namentlich sehr konkrete, wenn auch aus den Fingern gesogene Beschuldigungen gegen Crispi und die italienische Freimaurerei erhob. Der Franzose Paul Rosen (»Satan & Co.« und »L'ennemie sociale«) stieß in das gleiche Hörn. Viele Kirchenfürsten, namentlich der Bischof von Grenoble, Favart, dann der Erzbischof Leon Meurin (»La Franc-Maconnerie - Synagogue de Satan«) wurden Apostel T.s, der den amerikanischen Freimaurer Albert Pike zum »Teufelspapst« stempelte.
1896 fand auf Anregung von T. in Trient ein großer Antifreimaurerkongreß statt, zu dem 36 Bischöfe, 50 bischöfliche Delegierte und mehr als 700 Interessenten, größtenteils Geistliche, erschienen. Tagelang wurde über »MißVaughan« debattiert. Deutsche Kleriker (Hauptredner: Mgr. Gratzfeld als Vertreter des Erzbischofs von Köln und Dr. Baumgartner aus Rom) traten gegen den Glauben an deren Existenz auf, andere, vor allem Franzosen, legten sich für T. ins Zeug. Dieser selbst griff ein, indem er auf der Rednertribüne mit einer Photographie Diana Vaughans erschien und heftige Angriffe gegen den Jesuitenpater Herrman Gruber erhob, der, anfänglich selbst im Banne des Schwindels, dann, nach den aufklärenden Schriften Findels und anderer, das meiste zu seiner Aufdeckung beitrug. T. erhielt stürmischen Abgangsapplaus, und man beschloß, das Problem Vaughan durch eine Kommission restlos klären zu lassen. Diese Kommission erklärte diplomatisch, daß sie keinen zwingenden Beweisgrund, sei es für, sei es gegen die Existenz der Teufelstochter, habe finden können. Am Ostersonntag 1897 enthüllte dann T. anläßlich eines Vertrags über den Palladismus-Kultus im Saal der Geographischen Gesellschaft in Paris selbst den Schwindel in seinem ganzen gewaltigen Umfang, indem er die Mystifikation aufdeckte und zynisch erklärte, daß Miß Vaughan niemals existiert und er mit seinen Machenschaften die Spitzen des Klerus zwölf lahre lang düpiert habe.
Theodor Lessing (»Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen«, Seite 87 ff.) kommt zu einer anderen Wertung T.s, den er persönlich gekannt hat. Er schreibt: "Vor den Erschienenen trat am 19. April 1897 zur grenzenlosen Überraschung der uneingeweihten Kleriker mit der lachenden Enthüllung hervor, dass er immer noch, wie in seiner Jugend, Freidenker und Kirchenfeind sei und lediglich ein zehn Jahre lang dauerndes Spiel mit dem Aberglauben und dem Fanatismus des Menschen gespielt habe. Alle Einzelheiten seiner Audienzen beim Heiligen Vater, seinen Verkehr mit den Bischöfen, die kleinen Züge des von den Jesuiten gewünschten und angebahnten Wunderschwindels, die Lebensgeschichte der Vaughan, alles gab er in behaglich-komischer und derb übermütiger Weise dem Gelächter preis. Der Skandal zitterte manche Jahre nach. T. hielt während dieser Zeit Vorträge über seine Erlebnisse mit der Kirche in den französischen Städten und gab eine Fülle spöttischer, derb-satirischer Schriften heraus, die das Motto tragen 'Tuons les par le rire' (Töten wir sie durch Gelächter!) und mit übermütigen Widmungen an die befreundeten Bischöfe oder gar an den Papst zum Danke für die ihm erteilten Segen versehen sind." Ich habe", schreibt Lessing, "den Mann gekannt und einige Jahre mit ihm Verbindung unterhalten. Daher glaube ich zu wissen, dass weder Eitelkeit, Ruhmsucht, Geldgier noch auch Fanatismus für Aufklärung und Freigeisterei die Triebfeder seines Handelns war. Er gehörte, geborener Gascogner, zu den bewunderswert überlegenen Leuten, die an Spott und Spiel ein wahrhaft künstlerisches Vergnügen haben. Das ist ein Stück Dichttum, frei von jedem Pathos, außer einem gewissen Pathos des Witzes."
Abb.: Wie den braven Tirolern der Freimaurerteufel Bitru erscheint!. -- In: Jugend. -- 1896
[Quelle: Wendel, Friedrich <1886 - >: Die Kirche in der Karikatur : eine Sammlung antiklerikaler Karikaturen, Volkslieder, Sprichwörter und Anekdoten. -- Berlin : Der Freidenker, 1927. -- 154 S. : Ill. -- S. 139.]
Antiklerikale Karikaturen und Satiren II: Deutsche und österreichische Satirische Zeitschriften / kompiliert und hrsg. von Alois Payer. -- Fassung vom 2004-06-21. -- URL: http://www.payer.de/religionskritik/karikaturen2.htm
Noch ein Exkurs Paul Bräunlich betreffend:
"Dieser ihrer Grundanschauung gemäß zerfällt für die Papstkirche die
Menschheit - sehr einfach! - in zwei große Herden. Die eine gehört Gott an,
die andere dem Teufel.
Gottes Leute sind die Katholiken, des Teufels Beute - alle übrigen."
Auf die Attacken von Päpsten gegen die Freimaurer überleitend, geht es dann
(S. 8) bei ihm weiter mit der Aussage:
"Die Bewegung zur "Ausrottung" der Freimaurerei kam trotz jener die
Leidenschaften aufwiegelnden Papstworte damals noch nicht recht in Fluß,
vielleicht weil Pius als 86jähriger Greis genau 3 Jahre und einen Monat nach
diesem Aufrufe starb, vor allem wohl deshalb, weil der duldsame Sinn vieler
Glieder der katholischen Kirche sich gegen solche Hetzarbeit sträubte. Überall
die Flammen der Leidenschaft gegen die in ihrer weise zweifellos auch das Gute
wollenden Freimaurer zu entfachen, gelang erst dem gegenwärtigen
"Friedenspapst", Leo XIII., der mit feurigen Worten zu verschiedenen Malen am
20. April 1884 die Katholiken aufforderte, die Freimaurer "auszurotten".
Das also ist in der Sicht von Bräunlich der wesentliche Sachverhalt.
Dann beschreibt er noch detailliert, wie der Geschäftemacher Taxil auf diesen
Papstzug mit aufgesprungen ist, ja es schaffte, sich letztendlich an dessen
Spitze zu katapultieren
In den Worten von Bräunlich (S. 15)
"Taxil tat letzterer dadurch, daß er "nach Kräften" alles Nichtkatholische
lästerte. ... daß er in kurzem als eine der größten "Zierden der
römisch-katholischen Kirche" betrachtet wurde. Es dauerte garnicht lange, und
der bisherige Gotteslästerer war der Stolz der katholischen Bewegung gegen die
Freimaurer. Die Herzen aller für die Ausrottungspläne des Papstes begeisterten
Katholiken flogen ihm zu und man glaubte dem in den Schoß der "Mutter Kirche"
zurückgekehrten alles, was er verlangte. Das war nun allerdings nicht gerade
wenig. Er gatte sich nämlich keine geringere Aufgabe gestellt, als den
Ausspruch Papst Pius IX: "daß aus der Freimaurerei die Synagoge des Satans
hervorgehe" in des Wortes verwegenster Bedeutung zum katholischen Glaubenssatz
zu erheben. Dabei mußte freilich über die armen Freimaurer das Blaue vom
Himmel herunter gelogen werden."
Das schlussendliches "Stolpern" des Taxil umreißt Bräunlich etwa mit der
Aussage (S. 37, 64)
"Der bedingungslose Glaube, den Taxil bei allen katholischen
Schriftstellern fand, die sich mit der Freimaurerei befaßten, trieb ihn zu
immer tieferen Streichen. ...
Aber Taxil hatte noch höhere Pläne. Er wollte einen Weltkongreß der
römisch-katholischen Antifreimaurer berufen lassen, um dort vor den Augen der
ganzen Welt zu zeigen, daß er nicht etwa bloß ein paar verschrobene Köpfe,
sondern die überwältigende Mehrzahl der vom Eifer des Papstes gegen die
Freimaurerei angesteckten Katholiken war, die all seine Schwindeleien glaubten
und ihn den Schwindler beinahe vergötterten. Und auch dieser Plan gelang. ..."
"Der Schwindel wucherte weiter ... Endlich hielt Taxil den Zeitpunkt für
gekommen, den Schleier völlig zu zerreißen. Er hatte ja eigentlich einen
andern Plan gehabt, der ihm, wie er bedauernd bemerkt, durch Findels (ein
Freimaurer) Broschüre zerstört wurde.
Diese letzten Absichten nunmehr aufgebend, sandte er über allhin Anzeigen, daß
(eine von ihm kreierte) Teufelsmiß eine Rundreise durch die Welt antreten
werde und öffentlich Konferenzen gebe, um die gegen sie aufgestiegenen Zweifel
zu zerstören. Die Ultramontanen, die bisher Zweifel geäußert hatten, waren
bestürzt, viele wollten es garnicht glauben und erklärten die Nachricht als
eine Dichtung protestantischer Bosheit, bis sie selber eine Einladung
erhielten. ..." (S. 96)
Und weiter wertet Bräunlich (S. 138)
"Daß es gerade gegen die Freimaurer ging, war auch nicht mehr neu. Der "beühmte"
Jesuit G. M. Pachtler hat 1877 ... in 2. Auflage erschienenes Werk
geschrieben: "Der stille Krieg gegen Thron und Altar", das sich an
Gehässigkeit gegen die Freimaurer und an vielem anderen dreist mit Taxils
Schwindelschriften vergleichen.
Es ist in jeder Beziehung eine Vorbereitung, wenn nicht überhaupt Grundlage zu
Taxils Teufeleien."
Nachstehend dann noch ein Detail-Repro aus vorstehend zitiertem Buch