Annotationen zu den Zeugen Jehovas
Diplomarbeiten und Verwandtes

Wer sich für die Literatur zum Thema Zeugen Jehovas näher interessiert, der wird auch bei ihr (wie auch in anderen Bereichen) unterschiedliche Kategorien feststellen. Einmal die selbstständigen Monographien zum Thema; dann auch Zeitschriftenartikel, unterschiedlichster Qualität (auch Artikel in Tageszeitungen).

Dann gibt es aber noch eine spezielle, wenig beachtete Kategorie. Und das wären die Diplomarbeiten und Verwandtes. Dabei handelt es sich in der Regel (im Selbstverständnis der Autoren), um eine wissenschaftliche Abhandlung, in der Regel auch an einer wissenschaftlichen Institution erstellt. Da fangen aber zugleich die Probleme an.

Wissenschaftliche Bücher und auch Dissertationen werden von den großen wissenschaftlichen Bibliotheken gesammelt und sind dort auch ausleihbar. Sie werden auch in den Neuerscheinungsbibliographien der Deutschen Bibliothek nachgewiesen. Also es ist durchaus möglich sich über dieses Genre einen umfassenden Überblick zu verschaffen. Jedoch bei Literatur unter dem "Qualitätsstandard" Dissertation, lehnt die Deutsche Bibliothek, als verantwortliches Bibliographiezentrum es ab, diese zu sammeln und nachzuweisen. Lediglich die Österreichische Nationalbibliothek ist da konzilianter. Bei der Literatur des fraglichen Bereiches handelt es sich zudem vielfach um Maschinenschriftliche Ausgaben (aber diesem Faktum kann man auch bei Dissertationen begegnen). Dennoch ist vereinzelt zu registrieren, das - wiederum in vereinzelten Bibliotheken - auch einzelne Diplomarbeiten zum Thema Zeugen Jehovas nachweisbar sind. Aber auch diese sind mit Problemen behaftet. Vielfach lehnen es die besitzenden Bibliotheken ab, die auf dem Fernleihweg auch Auswärtigen Interessenten zur Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen. Dann gibt es auch noch eine ganze Reihe von Diplomarbeiten, deren Nachweis vielfach nur durch Zitierung in irgendwelcher Literatur möglich ist.

Ich möchte hiermit - den zugegeben torsohaften - Versuch unternehmen, die mir Titelmäßig bekannt gewordenen Diplomarbeiten zum Thema Zeugen Jehovas aufzulisten. Geordnet nach den Erstellungsdaten. In Ausnahmefällen werden noch ein paar zusätzliche Informationen hinzugefügt, so sie denn vorhanden sind.

Es ergeht der Aufruf, durch zur Verfügungsstellung weiterer Informationen, oder gar der entsprechenden Arbeiten, diese Liste weiter zu ergänzen. Sollten in Ausnahmefällen auch Arbeiten dieses Genres in veröffentlichten regulären Büchern enthalten sein,

2013

Madlen P...

„Die Herrschaftspraxis der Nationalsozialisten. Die Häftlinge mit dem lila Winkel"

Wenn man keine Ahnung hat ...
Unter der URL: www.sat1.de/tv/die-dreisten-drei-die-comedy-wg/episoden/die-dreisten-drei-die-comedy-wg20
gab es im Internet auch mal nachfolgenden Kurzkommentar zu lesen:

„Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Klappe halten. Eure Zeugen-Witze könnt ihr euch sparen."

Das ganze datiert vom 8. Dezember 2012 um 01.38
Offenbar wurde da auf eine auf dem Sender sat.1 ausgestrahlte wohl satirisch inspirierte Sendung Bezug genommen. Da ich selbige nicht selbst gesehen habe, kann ich zu dieser Sendung auch nichts weiter ausführen.
Aber eine Zuschauerin, die auch namentlich genannt wird, hat offenbar jene Sendung gesehen, und wähnt nun darin enthaltene Witze bezüglich der Zeugen Jehovas mit dem Kommentar zu bedenken, die Sendungsmacher sollten doch

„einfach mal lieber die Klappe halten, und ihre Zeugen Jehovas-Witze könnten sie sich auch sparen."

Auf die Nennung des Familiennamens jener Kommentatorin, mag hier dann verzichtet werden. Ergo wird die Dame Madlen P... von der Universität Erfurt, bezüglich ihres Familiennamens hier nur verkürzt genannt. Wer indes einschlägige Links nutzt wird ohne sonderliche Schwierigkeiten, jenen Familiennamen auch erfahren können. Und das zu verhindern ist hier auch keinesfalls beabsichtigt, da in meiner Sicht diese Dame sich auch des Umstandes schuldig gemacht hat, den sie da - wie zitiert - anderen auch vorhält.
Ein magerer (inhaltlich magerer) Text von 41 Seiten Umfang, wird von besagter Dame via Buchhandel auch angeboten. Lässt man Inhaltsverzeichnis und Quellenbelege beiseite, kann man sagen, da lässt sich jene Dame (respektive ihr Verlag) jede einzelne Druckseite ihres Büchleins mit einem Euro bezahlen. Sicherlich ein stolzes Honorar, von dem andere Autoren, die gewichtigeres publiziert haben, nur träumen können. Allenfalls bliebe bei dieser Art von Wertung noch die Frage offen, ob das Kalkül jenes herausgebenden Verlages wirklich aufgeht.
Wie auch immer. Unter dem Titel

„Die Herrschaftspraxis der Nationalsozialisten. Die Häftlinge mit dem lila Winkel"

bietet Frau P ... ihre sogenannte Bachelorarbeit (Abschlussarbeit) zum Kauf an. Mir tun zwar die verausgabten 36 Euro dafür inzwischen leid, aber das „Schicksal" werde ich wohl mit „Fassung tragen."
Einleitend belehrt sie schon mal:

„Begriffe wie Sekte, Brooklyn und Blutverweigerung."

wolle sie nicht eingehen. Schön, kann man so unbequemes als unwichtig abtun.
Statt dessen ist es eher ihre Intention eine variierte Laudatio auf die WTG-Standhaft-DVD in dieser Arbeit zu bieten.
Etliche von der WTG im wohlwollenden Sinne zitierte Voten „Außenstehender", von denen sich manchem Kritiker der Zusatzkommentar aufdrängt „gekaufte", wird man in ihren Ausführungen ebenfalls wohlwollend zitiert, wieder begegnen.
Zu den in ihrer Sicht brauchbaren Kronzeugen gehört auch der Karl R. A. Wittig, seines Zeichens in der relevanten Phase, in der er sich für die WTG zum vermarkten eignete, amerikanischer CIC-Agent.
So fand sich auch an diesem Beispiel belegt, zusammen was zusammengehört.
Zu Wittig siehe auch (selbstredend nicht von Frau P... erwähnt)
Mysnip.140777

Nun ist die Widerständige Verhaltensweise gegenüber dem Naziregime in der Tat ein Faktum das zu konträren Wertungen führt.
Eine (auf Kritikerseite) ist dabei auch die, es ging der Brooklyner Adminstration um durch die Durchsetzung ihrer Machtansprüche auf Biegen und Brechen. Da war dann letztendlich kein Platz mehr für die Balzereits und Co in der WTG-Organisation, die eher für das geschmeidigere agieren eintraten.
Als sogenannte „Fallstudien" stellt die Autorin dann besonders drei Fälle heraus.
Den von den Nazis ermordeten Wehrdienstverweigerer August Dickmann, die Hermine Schmidt, die dann nach ihrer KZ-Odysee noch in einem skandinavischen Land anlandete, und dabei mehr „Glück als Verstand" hatte, und schließlich noch den Herrn Erich Frost.
Auf letzteren sei im Kontext ihrer Ausführungen in der Tat noch etwas näher eingegangen.
Letzteren meint sie auch als „brillanten Musiker" herausstellen zu sollen. Wenn ihr diese Art von Personenkult etwas geben mag, mir jedenfalls gibt sie nichts.
Ihre Heldensaga in Sachen Frost setzt sie dann mit der unbewiesenen Behauptung fort.

„Er rückte außerdem in den Fokus des Zorns, weil er sich 1949 kritisch zu den kommunistischen Verhältnissen geäußert hatte. Daraufhin wurde er in verschiedenen Jahren, ... von der Staatssicherheit verhört und gehörte zu denen, die in der DDR per Haftbefehl gesucht wurden. Man konnte ihn festnehmen, weil er sich aufgrund seiner Tätigkeit als Zeuge Jehovas häufiger wegen Vorträgen in der DDR aufhielt."

Diese Behauptung trieft nur so vor ihrer Unbewiesenheit. Es reicht jener Dame also nicht Frost als Musiker zu verklären. Nein auch noch eine Zusatzverklärung in Sachen DDR-Stasi fügt sie hinzu.
Für Sachkenner ist es keine neue Mitteilung, Mitte der 1950er Jahre suchte die DDR-Stasi Frost zu erpressen. Jenes Erpressungsgespräch mit einem Stasi-Agenten, fand indes in Wiesbaden statt. Und völlig abgebrüht, ließ Frost sich dabei auch nicht durch den Hinweis auf seine unterzeichneten Gestapo-Protokolle, aus der Ruhe bringen.
Das es indes überhaupt solche Gestapo-Protokolle gab, erfährt man via Dame P ... nicht, sieht man von der Fußnote auf den einschlägigen Spiegel-Artikel mal ab.
Weiteres in Sachen Frost
Auch das hält die den Personenkult in Sachen Frost so hoch haltende Dame P... nicht für erwähnenswert, dass Frost, nachdem er Mitte der 1960er Jahre auch noch seinen letzten offiziellen Posten, als deutscher WT-Redakteur verloren hatte, nicht länger mehr in Wiesbaden verbleiben durfte. Dort jedenfalls, hatte die WTG für ihn keinen Platz mehr übrig!
In ihren Abschlussvoten findet sich auch der Satz:

„Abschließend möchte ich zu der (Standhaft) DVD sagen, dass sie zwar Zeitdokument aber in keinster Weise eine Form von Propaganda ist."

Das indes dürften Kritiker grundlegend anders sehen.
Weiteres zur Hitlerzeit
Ihr eigenes Verhältnis zu den Zeugen Jehovas indes, lässt besagte Frau P. sowohl in der vorstehenden Schrift, als auch andernorts „unbeschrieben". Auch so ein fauler Trick sich als unabhängig von der WTG darzustellen, es in der Praxis jedoch nicht zu sein!
Auf Seite 38 ihrer Ausführungen meint sie dann gar ihrer „geneigten" Leserschaft ein besonderes Bonmot präsentieren zu können, den Text eines im „Standhaft"-Video vorhandenen Gedichtes das da mit dem Satz beginnt:
„Ich bleibe fest ..."
Ihr Kommentar dazu, sie biete nun eine Verschriftlichung jenes Gedichtes, die es ihrer Meinung nach, vorher nicht gegeben habe.
Na ja, wer denn mit solchen Mätzchen glaubt punkten zu müssen, der hat es wohl besonders nötig!

2012

Carsten Müller

Die Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus - Zwischen Anpassung und Resistenz".

Sein Literaturverzeichnis im Anhang seiner 24seitigen als Studienarbeit deklarierten Schrift, umfasst sieben Positionen. Unter denen ist das Buch von Detlef Garbe, auf das auch er sich weitgehend stützt, das relevanteste. Referierungen über WTG-kritische Stellungnahmen zum Thema vermeidet er weitgehend, schwimmt also im Mainstream der Etablierten. Es wäre wohl auch etwas zuviel erwartet, sollte man ein anderes Ergebnis erhofft haben. Wer mit dieser gebremsten „Hoffnung" sich dieser Schrift zuwendet, sieht dann auch jene „Bremsung" bestätigt.

Vielleicht am relevantesten ist seine abschließende „Zusammenfassung", in der man auch die Sätze lesen kann:

Es ging ... lediglich darum, den eigenen Glauben und das eigene Verkündigungswerk fortführen zu können. Dazu war man sogar bereit, sich mit der Ideologie der Nationalsozialisten zu arrangieren und sich deren Positionen anzunähern."

Und weiter:

„Einigkeit (herrscht) darüber, dass es zwischen Widerstand in der Absicht, Hitlers Regime zu Fall zu bringen und der vorbehaltlosen Zustimmung zum Nationalsozialismus ein breites Spektrum von Haltungen gab, dass irgendwie nicht systemkonform war und sich der Gleichschaltung entzog."

Und weiter wertet er etwa bezugnehmend auf die zwei Flugblattaktionen:

Außerdem gingen die Zeugen Jehovas nun zum Gegenangriff über; aus Resistenz aus religiösen Gründen wurde ab diesen Zeitpunkt aktives Handeln, auch wenn die Zielsetzung gleich blieb. Die Flugblattaktionen zielten auch auf die Bewahrung ihres religiösen Status gegen Eingriffe des Staates und der Aufklärung der Bevölkerung über ihre Situation."

Eva Obernauer

"Das Geschlechterrollenverständnis der Zeugen Jehovas als Indiz einer fundamentalistischen Bewegung?"

Wien 2012, Bachelorarbeit

Ihr im Titel mit angedeutetes Fragezeichen, beantwortet die Autorin in den Schlussätzen (ihrer auch im Internet zugänglichen) Arbeit dann mit dem Satz:

"dass an Stelle des diffamierenden "Sektenbegriffs" der Fundamentalismusbegriff für die Charakterisierung der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas weitaus zutreffender ist."

Über solcherart von Aussage, mag man dann ja "ganz hin und hergerissen" sein. Ohne das die Autorin dass dann weiter spezifiziert, konnte man aus ihm auch ableiten, beispielhaft: Fundamentalistische Kreise findet man auch in soziologischen Gruppierungen, wie etwa den Kirchen, die es - unverdienterweise - geschafft haben, nicht mit dem Sektenstigma behaftet zu sein. Das wäre dann allerdings, eine Erkenntnis, die man eher nur dann mitbekommt, liest man diese Arbeit "gegen den Strich".

Ansonsten teilt die Autorin erneut, die keineswegs unerwartete Feststellung mit, bei den Zeugen Jehovas mit reiner betont konservativen Form des Christentums zu tun zu haben, auch beim Aspekt des Verhältnisses der Geschlechter zu einander.

Das Verhältnis der Geschlechter zueinander beziffert sie als etwa 60 (Frauen) zu 40 (Männer) Prozent. und ebenfalls nicht unerwartet die Wiederholung der Feststellung:

"Daraus ergibt sich für die Zeugen Jehovas, dass sich Frauen in ehelichen Gemeinschaften unterzuordnen haben, sowie in der Versammlung keinen Anspruch auf religiöse Ämter haben."

Unter Bezugnahme auf unterschiedliche Quellen zitiert sie weiter, in den USA besagen diese Quellen, eine Scheidungsrate von 14,9% bei den Zeugen Jehovas. In Deutschland hingegen soll diese Quote nur 4,9% betragen. Zwar nicht von der Autorin geäußert (dann eben vom Berichterstatter bezüglich der deutschen Zahl), noch der Ergänzungssatz: "Wer es glaubt - wird selig"!

2009

Lydia Haltenberger

In ihrer Studienarbeit zum Thema. „Zeugen Jehovas. Der Konflikt um Bluttransfusionen"

nennt der Verfasserin Lydia Haltenberger, von dem eine gewisse Publizistik erreichenden Fällen, insbesondere den Fall Simon Hartl in Österreich, und den etwas weiter zurück liegenden Fall Adolf Zierath in Deutschland, welchen seinerzeit schon die CV aufgrifff, und der auf dieser Webseite hier auch dokumentiert ist.

Da die Verfasserin nicht den Zeugen Jehovas angehört, beschleicht auch sie ein eher ungutes Gefühl, angesichts der WTG-Blutdoktrin. Aber auch ihr ist bewusst, es gibt in freiheitlichen Ländern, halt auch die Freiheit zu „verrecken" (im Fall der Fälle); auch wenn sie selbstredend diese Vokabel so nicht verwendet.

Ergo ist es für einen Außenstehenden eher schwer, außerhalb einer Sachstandsbeschreibung, etwas „tun" zu können. Dieses Dilemma bleibt auch der Autorin nicht erspart.

Sicherlich mit Recht, arbeitet sie deshalb auch andere Aspekte mit heraus, die man in dem Kontext durchaus mit benennen kann. Etwa den:

„Wer sich vollkommen der Sache der Zeugen Jehovas verschreibt, hat mehr zu verlieren, wenn er die Entdeckung macht, dass bei der Organisation nicht alles zum Besten bestellt ist. Engagierte Zeugen werden also stärkere innere Konflikte erleben, denn sie haben viel investiert und entsprechend auch mehr zu verlieren, wenn sich herausstellt, dass ihre Befürchtungen, die Zeugen könnten falsch liegen, sich bewahrheiten. Wer sich weniger stark eingesetzt hat, wird weniger Probleme haben, wenn er diese Entdeckung macht."

Und weiter:

„Durch eine meist streng autoritäre Erziehung werden zahlreiche Zeugen Jehovas von klein auf dazu angehalten, feindselige Gefühle zu unterdrücken oder zu umzulenken. Wer seine Gefühle auslebt, wird üblicherweise streng zurechtgewiesen und damit gezwungen, die feindseligen Regungen nach innen zu richten. Die Folge sind Depressionen oder sogar verschleierte Aggressionen. Da die Wachtturm-Organisation ihren Mitgliedern nur wenige Möglichkeiten lässt, über deren Aggressionen zu sprechen und mit ihnen umzugehen, werden sie meist nach innen gelenkt und rufen dann unter anderem Depressionen, Schuldgefühle und Nervosität sowie diverse körperliche Beschwerden hervor. Wer sich niemandem ungefährdet anvertrauen kann, behält seine Gefühle für sich, und das verstärkt häufig die Depressionen und kann sogar zu aggressivem Verhalten führen, nicht selten auch zum Einsatz körperlicher Gewalt."

Andreas Kübler

Auf 19 Seiten versucht Andreas Kübler in seiner Hausarbeit vom Mai 2009 an der Fachhochschule Ludwigshafen am Rhein der Frage nachzugehen:

"Totschlag oder Religionsfreiheit?

Dürfen Eltern die Bluttransfusion bei ihrem Kind verweigern, weil sie  Zeugen Jehovas sind?"

Wer nun erwarten sollte - das ist kein Vorwurf, nur eine Feststellung - dass es etwa Herrn Kübler gelungen wäre, dazu den "Stein der Weisen" zu präsentieren, der sieht sich sicherlich einem enttäuschendem Ergebnis gegenüber.

Auch er vermag letztendlich nur den "Ist-Zustand" zu beschreiben.

Charakteristisch dafür etwa auch seine Sätze:

"Solche Vorkommnisse stellen für das gesamte Behandlungsteam eine enorme Belastung dar."

Oder auch:

"Dass ein erwachsener Mensch unabhängig von seiner Religion jederzeit die Wahl hat, Maßnahmen, also auch eine Bluttransfusion, abzulehnen, steht hier nicht zur Diskussion."

Was denn mündige Erwachsene anbelangt, verweist er etwa auf Folgewirkungen der Art, wie sie sich aus einem Todesfall ergaben. Das Opfer war in einem Verkehrsunfall verwickelt. Nachfolgend wurde die Annahme einer Bluttransfusion verweigert. Der Todesfall trat ein. Die Ehefrau wollte gerichtlich eine Hinterbliebenenrente erstreiten, wurde aber - in letzter Instanz - mit ihrem Anliegen abgewiesen.

Also im Sinne der Justiz liegt kein Straftatbestand im engeren Sinne vor.

Gleichwohl kann diese Form der Nutzung von Religionsfreiheit, sehr wohl wirtschaftliche Konsequenzen beachtlicher Art nach sich ziehen.

Sein eigenes Mißbehagen bei dem Thema bringt dann der Verfasser wohl auch mit den Sätzen zum Ausdruck:

"Alles in allem erinnert die Struktur (der Zeugen Jehovas) mehr an ein totalitäres Regime, das auf Überwachung, Abgrenzung und Kontrollmechanismen angewiesen ist, um sein Bestehen zu sichern. Ob man bei einer solchen Struktur überhaupt von einer Religion sprechen kann, ist ebenfalls eine sich aufdrängende Frage, die jedoch in dieser Arbeit nicht geklärt werden kann."

Und weiter:

"Aber die Organisationsstruktur der „Zeugen Jehovas" lässt (dem einzelnen) nur in sehr geringem Maße Freiraum für Persönlichkeitsentwicklung und – da andernfalls das Fortbestehen gefährdet wäre und die sie selbst unangenehme Fragen stellen könnten.

Genau das allerdings ist nicht erwünscht ..."

Er differenziert dann auch noch zwischen "juristisch" und "moralisch", wenn er denn etwa verlautbart.
"Juristisch gesehen stellt sich die Frage nach der Religionsfreiheit sicher nicht, da in allen vorhandenen Fällen die Religionsfreiheit den menschlichen Entscheidungswillen zu rechtfertigen scheint. Moralisch sieht es hingegen ganz anders aus."

Da auch er die juristische Sachlage nicht abzuändern vermag, hat er also das Thema der Erwachsenen bei dieser Problematik, wie vorstehend beschrieben, grundsätzlich ausgeklammert.

Was nun die Kinder anbelangt, die ja wohl im besonderen sein Thema sind, rekapituliert er:

"in einem solchen Fall (besteht) die Möglichkeit, die Interessen des Kindes zu wahren, auch wenn dessen Eltern „ Zeugen Jehovas" sind und die Zustimmung zur Transfusion verweigern. ... Das Oberlandesgericht Celle verwies darauf, dass bei  entsprechender Eile und Dringlichkeit auf die Anhörung der Eltern verzichtet werden kann und die Entscheidung des Vormundschaftsgerichtes ohne Gewährung rechtlichen Gehörs getroffen werden darf."

Sebastian Kiraga

„Persuasive Mittel in Texten der Zeugen Jehovas. Analysiert an polnischem und deutschem Material"

Wieder ein Beispiel der Rubrik „Elfenbeinturm-Studien" ist zu registrieren. Publiziert ein deutscher Wissenschaftsverlag die Arbeit, eines von Hause aus polnischen Verfassers, dann muss man sich schon fragen:

Und was kommt als Resultat heraus?

Laut Angabe auf Seite 10 offeriert der Verfasser seine im Jahre 2006 am Institut für Slawistik der Humboldt-Universität zu Berlin eingereichte Magisterarbeit der polonistischen Sprachwissenschaft. Und weiter, „ohne die finanzielle Unterstützung des Instituts für Slawistik der Humboldt-Universität zu Berlin" hätte diese Arbeit, so nicht erscheinen können.

Dann ist man doch geneigt zu kommentieren, da muss ja besagtes Institut „im Gelde schwimmen". Oder anders formuliert, seine „Bedeutung" auf diese Art und Weise zu unterstreichen, sich bemühend.

Außer den paar Linguisten aus dem „Elfenbeinturm", dürfte wohl „Otto Normalverbraucher" diese Arbeit kaum mit Gewinn lesen. Es sei denn „Otto Normalverbraucher", selbst der polnischen Sprache unkundig, möchte mal wissen, wie die deutsche und polnische Ausgabe des „Wachtturms" (beide in Selters gedruckt), sich im Vergleich optisch darstellen. Sollte er dieses ungewöhnliche Bedürfnis haben, dann findet er in der Tat in der Arbeit von Kiraga etliche Beispiele dafür. Zum Beispiel dieses:

Da „Otto Normalverbraucher" indes, in der Regel kaum auch in einem „Elfenbeinturm" beheimatet ist, wird ihm der daraus gewinnbare „Erkenntnisgewinn" nicht übermäßig weiterbringen. Eher bleibt bei ihm das dumpfe Gefühl zurück. Rund 30 Euro zum „Fenster hinausgeschmissen" zu haben!

2008

Arne Kouker

Seiner Studienarbeit gab Arne Krouker den Titel:

Geschichte der Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus.

Wieder ist nicht unerwartet zu beobachten, Hauptstütze seiner Ausführungen bildet eine Referierung einiger Thesen dazu von Detlef Garbe. Vergleicht man indes einige weitere thematische Arbeiten dieses Genres, drängt sich manchmal der Eindruck auf, dass es auch Internet mit entsprechenden thematischen Ausführungen gibt, hat sich offenbar noch nicht überall herumgesprochen. Eine Ausnahme von dieser Regel ist dann in der Tat der Text von Kouker. Nun darf man einen einen 21-Seiten Text sicherlich keine überzogenen Erwartungen richten. Immerhin sei registriert, der Autor erwähnt in Ansätzen auch die Rutherford-Broschüre „Die Krise", welche in durchaus doppeldeutigen Sinne, die Krise der Zeugen Jehovas in Hitlerdeutschland mit einleitete. Eben jener Stellenwert genannter Schrift, ist für mein Empfinden, in der Studie von Detlef Garbe unterrepräsentiert „reflektiert".

Aldous Huxley

Kindheit und Jugend in Sekten - am Beispiel der Zeugen Jehovas - die Auswirkungen auf die Sozialisation

In ihrer Darstellung findet sich auch der sicherlich auch andernorts nachweisbare wertende Satz:

„Insbesondere für schulpflichtige Kinder ist dieses Verbot (Geburtstagsfeiern) ein erheblicher Leidensfaktor, da solche Überlegungen für sie keine Bedeutung haben, aber von klein auf nach außen vertreten werden müssen. Im Schulalltag bedeutet dies nicht nur, Einladungen zu Geburtstagen auszuschlagen, bereits die Gratulation eines Geburtstagskindes wird als verwerflich angesehen. Insbesondere in der Weihnachtszeit erhöht sich der psychische Druck, da sowohl die Teilnahme an vorweihnachtlichen Bastelaktionen als auch das Vortragen von Liedern und Gedichten mit weihnachtlichem Inhalt als Regelverstoß gilt."

Das ist dann zwar nur ein Beispiel; indes charakteristischer Art der Erziehung zum Außenseitertum seitens der Zeugen Jehovas.

Da diese Abhandlung auch im Internet zugänglich ist, sei für weiteres auf die entsprechende URL verwiesen:

http://datei.sektenausstieg.net/text/KindheitJugendSekten.pdf

Anna Mölle

„Kommunikation in Randgruppen am Beispiel der Zeugen Jehovas" betitelte Anna Mölle ihre Studienarbeit aus dem Jahre 2008. Sucht man in ihr, was denn nun der Kern ihrer Ausführungen dazu sein soll, wird es wohl der Satz sein:

Dieses so genannte Schwarz-weiß-Denken ist typisch für die Zeugen Jehovas und lässt sich zurückführen auf den Anspruch der WTG, den alleinigen Weg in die Erlösung zu bieten."

Nun darf man wohl an eine Arbeit von 18 Seiten Umfang, keine zu großen Erwartungen stellen. Diese Bescheidenheit wäre potentiellen Lesern auch in dem Falle anzuraten.

„Gestolpert" bin ich indes über ihren Satz:

„Laut der Internetseite www.watchtowerinformationservice.org, die nach eigenen Angaben den Zeugen Jehovas und der WTG „ergeben" ist."

Letztere Aussage würde ich indes mit einem Fragezeichen versehen. Gleichwohl mag diese Anmerkung marginal sein.

Schneider, Charlotte:

"Sie sind kein Teil dieser Welt" : eine soziologische Antwort auf die Frage, ob Zeugen Jehovas Außenseiter sind"

Diplomarbeit, Universität Wien 2008 (209 S.)

Volltext am Hochschulschriftenserver der UB Wien

Jetzt kommt aber das einschränkende „Aber".

Zur Anzeige nicht freigegeben.

Was dann - wieder mal - einen faden Beigeschmack hinterlässt.

Auch nicht im ermittelbaren Angebot von konventioneller Verlage an die man da etwa denken könnte, wie etwa den Grin-Verlag.

Solcherlei Praktiken sind dann wohl ein besonderes „Signal" der Autoren zu ihrer eigenen Arbeit.

Rene Limberger

„Durch die kulturelle Brille gesehen."

Zu dieser Magisterarbeit aus dem Jahre 2008, von der Teile (außer den Seiten 13 - 98) auch im Internet lesbar sind meinerseits die Anmerkung:

Eine Enqute-Kommission des Deutschen Bundestages zum Thema „Sekten" endete wie zu befürchten, als „Hornberger Schießen". Viel Rauch und Nebel, und das war es dann. Sowohl Groß- wie Klein-Kirchen, sie alle setzten mehr oder weniger erfolgreich, ihre Lobbyisten in Aktion. Für die „Kleinkirchen" steht an herausragender Stelle der Name des später zu den Linken konvertierten Herrn Besier, auch den Herrn Hans Apel (nicht konvertiert) nicht zu vergessen.

Sicherlich hätte sich der genannte Herr Besier, zu Zeiten seiner Beschäftigung mit dem Thema der Enqute-Kommission, es sich wohl noch nicht träumen lassen, einige Jahre später sich bei den Linken wiederzufinden.

Gewisse Umstände bewirkten nämlich, dass selbst ihn einstmals protegierende Kreise der CDU, nicht mehr viel von ihm wissen wollten. Seinen teilweise dadurch verursachten Karriereknick bügelten dann für ihn die Linken aus. Opportunisten hüben und drüben suchten und fanden sich so. Das wäre so meine Meinung in Sachen Besier.

Allerdings der Herr mit den vielen Doktortiteln, wird heute noch als Autorität gehandelt  wenn auch nicht von mir

 Offenbar auch für Limberger ist er Autorität.

Was es anfechtbares zum Besier Opus über die vermeintlichen „neuen Inquisitoren" zu sagen gäbe, bei Limberger wird man es wohl nicht vorfinden

So zitiert er etwa die Besier-These, die Vorhalte gegen Scientology seien ihm nicht „substanziiert" genug. Über die phasenweise indes aktive Lobbyistenarbeit des Besier, auch für Scientology, redet, wiederum Limberger wohl nicht.

Unter Berufung auf eine TED-Umfrage und den Hans Apel, wird von letzterem wohl - zu Zeiten der Hochphase der Enquete-Kommission zitiert:

80 Prozent der Befragten sprachen sich für ein Verbot der „Sekten" aus."

Als einer der selbst eine Biographie in einem Landesteil hat, wo es tatsächliche Sektenverbote gab, halte ich von diesem Instrumentarium null komma nichts. Dito auch die geschichtlichen Verbote in der alten BRD (die KPD betreffend) oder auch angedachte Planspiele in Sachen NPD. Nicht dass ich diese Strömungen/Parteien nun „gut" fände. Das wohl nicht. Aber ich sehe auch klar, das Verbotsschwert dürfte sich eher in Richtung Bumerang umformen.

Für die Sektenlobbyisten sind solcherlei populistische Verbotsforderungen, letztendlich das gefundene Fressen. Damit haben sie die geeignete Startbasis um in ihrer Biedermann-Manier sich als die (scheinheiligen) Retter der Freiheit zu verkaufen. In Wahrheit sind sie weniger als das, sondern aktive Begünstiger der Verletzung von Menschenrechten.

Limberger’s Arbeit basiert dann wohl auf der Auswertung von Fragebogen auch die Zeugen Jehovas betreffend. Dieses Schema begegnet man bis zum Überdruss, auch in anderen Diplomarbeiten. Das mag für diese Literaturgattung gang und gäbe sein, und ist wohl nicht zu ändern.

Die „Gretchenfrage" indes auch im Falle Limberger, lautet für mich, wie er es denn mit den Besier und Co so hält.

2007

Alfred Seif:

„Macht Religion oder Religiosität krank oder verläuft die Wirkung umgekehrt und neigen psychisch kranke oder auffällige Menschen zu Religiosität?"

Dieser Fragestellung begegnet man in der Hausarbeit mit dem Titel "Psychische Gesundheit und Religiosität" des Wintersemester 2007/2008 an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Department Psychologie Klassische Sozialpsychologie Seminar „Psychische Gesundheit"
Der Verfasser, Alfred Seif, nennt für eine Pro-Religion orientierte Antwort darauf, insbesondere, US-amerikanische Kreise, die bei näherem Hinsehen als im Evangelikalen Umfeld eingebettet sich erweisen.

Als Gegenpol dazu nennt er etwa den klinischen Psychologen Franz Buggle, der auf inhumane Tendenzen in der christlichen und jüdischen Bibel hinweist, wo besonders negative Effekte wie Angst, Grauen, Strafe und Vergeltung thematisiert würden. Diese negativen Wirkungen zentraler religiöser Aussagen gefährdeten – so Buggle – Wohlbefinden und psychische Gesundheit:

Dieser Aussage stehe das Selbstverständnis im Grunde aller Weltreligionen als Religionen der Liebe und des Friedens entgegen.

Die Gretchenfrage dabei entpuppt sich dann wohl dergestalt:

"Nicht die Kirche mache depressiv, sondern depressive Menschen flüchteten gerne in die Kirche" meinen zumindest die, welcher letzterer einen Glorienschein zu verpassen gewillt sind.

Weiter charakterisiert der Verfasser die in Rede stehende Szene auch mit den Worten, und selbige geben dann wohl auch eine Art Antwort auf die eingangs gestellte Frage wieder:

"Ein Festhalten an früheren Idealen und Wertesystemen wird scharf kritisiert und sein weiteres Verfolgen mit Minderwertigkeitsgefühlen, Schuldvorwürfen und Versagensängsten belastet bzw. bedroht.
Das frühere Leben wird als verkehrt, der neue Weg als allein zukunftsfähig oder gottgewollt dargestellt, eigene Schwächen werden zu groben Fehlentwicklungen, Eltern zu Spießer und Freunde als Verführer umgewertet.
So erzeugt man einen Identitätskonflikt und drängt das Mitglied dazu, mit seiner eigenen Vergangenheit zu brechen und Ideal und Lebensform der Gruppe zu übernehmen, weil nur dadurch die Selbstachtung und somit das psychische Wohlbefinden aufrecht erhalten werden könne.
Eine Kommunikation mit dem Anhänger bzw. Mitglied, die eine Auseinandersetzung mit Einwänden und Zweifeln erlaubt, ist nicht vorgesehen. Botschaften für die Mitglieder werden  in einfachen Kernsätzen und Vergleichen vorgetragen und lassen sich nicht diskutieren."


Bezogen auf die von ihm auch thematísierten Zeugen Jehovas bescheinigt er selbigen.
"Aggressives Verhalten dürfte eher selten vorkommen, da der Zeuge Jehovas gelernt hat, seine krank machenden Emotionen zu kontrollieren. Bei Aussteigern hat man oft einen „sleeper-Effekt" beobachtet, wobei die angestaute Reaktanz jahrelang gespeichert wurde und nach dem Ausstieg ausgelebt wurde und dabei gerade die vorher verbotenen Dinge exzessiv getan wurden (Kinobesuche, Popmusik hören, Fluchen, Geburtstage und Weihnachten feiern, rauchen ...)."

Unter Bezugnahme auf die einschlägige Studie von Jerry Bergman , zitiert er selbigen auch wie folgt:
"Wenn Zeugen Jehovas von psychischen Erkrankung in ihren Reihen hören, reagieren sie, wie Bergman beschreibt, meist folgendermaßen:
Sie leugnen die Fakten, nennen beschwichtigende Gründe, stellen die Motive der beteiligten Wissenschaftler in Frage oder ignorieren das Problem."


Bedenkenswert auch der Satz:
"In Wirklichkeit werden aber viel Zeugen krank, weil sie stark im Glauben sind, zumindest im Glauben an die WTG. Solche Erkrankungen werden oft als Folge der Beeinflussung von Dämonen erklärt."

Man erfährt weiter, dass der Verfasser im Vorfeld seiner Studie auch die WTG zum Thema kontaktierte, und von dort, unterschrieben vom WTG-Funktionär Slupina, eine zwar höflich formulierte, in der Sache aber ziemlich allgemein gehaltene Antwort erhielt. Strickmuster: „Bei uns herrscht Friede, Freude Eierkuchen".

Wobei unsereins dazu nur hinzufügen würde, wer eine andere Antwort erwartet hätte, signalisiert damit lediglich dass er nicht zu erkennen gewillt ist, dass jeder Krämer seine Ware lobt, wie das eben auch die eingangs erwähnten Evangelikalen tun. Damit ist aber noch nicht der Beweis erbracht, um was für eine Ware es sich handelt.
Schön anzusehende Apfel, mit guten Geschmack? Oder um gleichfalls solche, die sich erst beim näheren Hinsehen als „wurmstichig" erweisen!

Dann gibt es vom gleichen Verfasser noch eine weitere Hausarbeit, etwa zur gleichen Zeit, mit dem Titel

"Theorien der Sozialpsychologie und ihre Anwendung auf die Zeugen Jehovas"

In ihr liest man schon einleitend den Satz:
"Kritiker der Zeugen Jehovas sind der Ansicht, dass der einzelne Zeuge in einem unsichtbaren Käfig lebt."

Wobei für diese Aussage, exemplarisch beispielsweise auf das Buch von Renate Sprung "Gefängnis ohne Mauern" hinzuweisen wäre, dieweil schon im Buchtitel ausgesagt. Allerdings, Herr Seif nennt dieses Buch und vergleichbares, indes nicht.
Der Verfasser meint aber der WTG bescheinigen zu sollen, dass sie sich bemüht, Zitat:

"dass psychische Probleme jeglicher Art oder bestimmte für die eigene Lehre unangenehme Kognitionen erst gar nicht entstehen oder zumindest schnell wieder beseitigt werden können."

Nun ja, diese Bemühung als solches, wird man ja kaum in Abrede stellen können. Man denke nur als Beispiel an den WTG-Buchtitel "Mache deine Jugend zum Erfolg"

Indes greift das alles wohl etwas zu kurz.

Was ist beispielsweise, dass wäre meine Gegenfrage, mit jenen, die sich auch mal als (damalige) Jugendliche um 1950, im DDR-Regime lebenslängliche Zuchthausstrafen einhandelten. Einer dieser Opfer, der Herr Adler meinte zwar kommentierend dazu

"Meine Herren sie meinen wohl ein Jahr".
Es wurde auch für ihn etwas länger als "nur ein Jahr". Immerhin, er konnte nach langen Jahren, doch noch das WTG-Zweigbüro erreichen, als neue Wohnanschrift. Und wie erwies er sich dort?
Er erwies sich als hochtraumatisiert.
Psychologisch alles nachvollziehbar.

Oder man vergleiche auch den Fall Meta Kluge

Aber dass sind dann wohl die "wurmstichigen Äpfel" von denen schon die Rede war. Und was das genannte WTG-Jugendbuch anbelangt, fanden es ja schon mal Kabarettisten (etwa der „Dr. Satori") für „Zerpflückenswert", aber sicherlich nicht nur sie. Ergo bietet auch sein Inhalt Aspekte, die eben wiederum der „Wurmstichtigkeit" nahe kommen.
Ergo ist zu den WTG-Verlautbarungen festzustellen; man hört die Botschaft, indes es fehlt der Glaube (eben mit Ausnahme der WTG-Suggerierten).
Oder noch anders formuliert. Viele schon versuchten sich an der Quadratur des Kreises. Keiner, einschließlich WTG, hat es bis heute geschafft.

Es ist sicherlich nicht die Intention des Verfassers, auch wesentliche geschichtliche Aspekte mit in seine Studie einfliessen zu lassen. Da er das nicht tut, muss eben an dieser Stelle den WTG-Schönrednern widersprochen werden.

In einer weiteren Arbeit aus dem Jahre 2007 mit dem nicht unbedingt als Publikumswirksam zu bezeichenbaren Titel:

„Die Theorie der kognizierten Kontrolle unter besonderer Beachtung bei Religionsgemeinschaften wie den Zeugen Jehovas" äußert er als Fazit:

„Die geschilderten psychologischen Prozesse sind dem einzelnen Zeugen Jehovas meistens nicht bewusst und er würde sie, erklärte man sie ihm, entschieden ableugnen. Die meisten von ihnen leben, wohl auch gerade wegen ihres diesbezüglichen Unwissens, in rechter Zufriedenheit – solange sie nicht zu sehr ins Nachdenken oder in Kontakt mit Wissenschaften wie der Psychologie kommen, die ihnen erklären könnten, dass alles was sich in ihnen und ihrer Umgebung abspielt,  n i c h t das Werk Gottes ist."

Und in dergleichen Arbeit auch die Einschätzung:

„Die Illusion der Kontrolle über die Wahrheit und die restliche Welt wird immer wichtiger, je tiefer man sich in das komplexe System dieser Organisation verstrickt. Gegenseitig bestätigt man sich immer wieder , dass man auf dem richtigen Weg sei und diesen Weg weitergehen müsse, egal was geschehe. Dies dient in hohem Maße der Aufrechterhaltung und Hebung des Selbstwertgefühls.

Durch Zufall oder eine persönliche Krise, so die Autoren in ihrer anschaulichen Darstellung des Irrgartens weiter, kommt der Zeuge Jehovas an einem Ausgang vorbei. Aber dort steht ein Kontrollagent in Person eines Wächters, der davor warnt, diesen, der direkt zu Satan führe, zu benutzen. Wagt man es dennoch, den Ausgang zu benutzen, funktioniert der Kompass nicht mehr und man steht vor einem gewaltigen Verlust fast jeglicher Kontrolle mit unabsehbaren Folgen bis zur Depression oder Suizidalität.."

2006

Julia Schumacher

Ihrer Ausarbeitung (etwa aus dem Jahre 2006) gab Julia Schumacher den Titel:

„Wie der Blickwinkel das Objekt bestimmt. Zeugen Jehovas im öffentlichen Diskurs."

Bezugnehmend auf den sicherlich auch publizistischen öffentlichen Wirbel, den der ZJ-KdöR-Prozess in seinen verschiedenen Stationen verursachte, sucht sie wohl dabei nach einer Art Resümee.

Das „Zauberwort" der Gerichte lautete ja letztendlich.

Jeder könne ja auch bei den Zeugen Jehovas wieder austreten.

Dieses „austreten können" ist dann der „Freibrief" um alle Vorhalte als unbedeutend (zumindest in der Sicht des Gerichtes) abzuqualfizieren.

Und an dieser „Abqualifizierung" beteiligt sich denn auch Frau Schumacher; etwa wenn sie den auch feststellt:

Nicht ohne Grund ist es ein evangelischer Pfarrer, der die schärfste Kritik äußert, denn die tatsächliche Umsetzung der Religionsfreiheit, die die Gleichbehandlung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften bedeutete, beinhaltete einen Verlust der Sonderstellung der beiden großen Kirchen, die sie de facto bis heute noch genießen."

Aha, also genannter Pfarrer sei ja nicht „Interessenfrei".

Sicherlich ist er das nicht.

Sicherlich ist auch richtig festgestellt, insonderheit dürfte die „Sonderstellung" gewisser Kirchen, letztendlich das Kardinalproblem sein.

Aus meiner Sicht (nicht unbedingt der von Frau Schumacher) kann man auch genannten Kirchen, Vorhalte machen, wenn man denn nur wollen möchte. Viele, namentlich die den Kirchenfilz begünstigenden Parteien, wollen schon mal nicht.

Insofern braucht man sich über der „Hornberger-Schießen-Ergebnis" (Viel Rauch und Nebel und sonst nichts), auch nicht zu wundern.

Es ist nicht der Impetus von Frau Schumacher, da nun Veränderungen anzustoßen (das liegt sicherlich nicht in ihren Möglichkeiten).

Insofern beschränkt sie sich auf das Beschreiben des „Hornberger Schießens" ...

 

Wie war das noch mal mit dem Erdbeerkuchen?

Kommen da also Fremde in einen Königreichssaal.

Nun Zeugen Jehovas untereinander kennen sich ja. Fremde sind somit sofort ausgemacht.

Und die zu ihnen passende Strategie auch gleich in Anwendung gebracht. Sprich das sprichwörtliche Lovbombing.

Wollen besagte Fremde dann gar noch Individual-Interviews mit Zeugen Jehovas führen, gehört es zum artigen Einmaleins des Lovbombing dass man sich von der „Schokoladenseite" zeigt.

Im speziellen Fall dann wohl auch mit der entwaffnenden Frage, welches denn der Lieblingskuchen sei, denn man dann beim Interview zu kredenzen gedenke ..

Weiteres dazu kann man in einem externen Bericht lesen:

http://edoc.hu-berlin.de/miscellanies/menschenrechte-27763/128/PDF/128.pdf

Florence Ledermann; Rea Zwicky

„Der Weg ins Ungewisse. Der Einfluss in einer Sekte auf das Leben nach dem Austritt aus der Sekte"

Diplomarbeit, Berner Fachschule Soziale Arbeit, 2006.

Der Titel verspricht wahrscheinlich mehr, als die eigentliche Arbeit dann liefert. Man merkt es den AutoRinnen an. Sonderlich bewandert in der Materie sind sie wohl nicht. Das äußert sich dann auch darin, dass ein Schwerpunkt ihrer Arbeit, in einem Interview mit der der Geschäftsfüherinnen des Schweizer Vereines „InfoSekta" besteht. Da werden vorformulierte Fragen, etwa Abschnitt 3.3 „Problemlagen im Bereich 'Nahrung'" gestellt, die zumindest für den Zeugen Jehovas-Bereich einen deplatzierten Eindruck hinterlassen. Auch sonst lassen sich im Zeugen Jehovas-Bereich (es gibt noch den Scientology betreffenden auch in dieser Arbeit) diverse Banalitäten nachweisen. Nun soll man wohl die Messlatte für Diplomarbeiten nicht sonderlich hoch anlegen. Ein Veranschaulichungsbeispiel für diese Feststellung, kann man auch dieser Arbeit entnehmen.

2005

Michael Lorenzen

Drei Fallbeispiele (unterschiedlicher Art) interessierten den Autor Michael Lorenzen besonders für seine juristische Diplomarbeit aus dem Jahre 2005.

Eingereicht beim Fachbereich Polizei der Fachhochschule für Dienstleistung und Verwaltung Schleswig - Holstein.

Nun ist es offenkundig: Werden ein Historiker, ein Theologe, ein Mediziner oder ein Jurist, ein und dasselbe Thema angehen, kommen durchaus unterschiedlich zu nennende Resultate zustande. Das wird man wohl auch in diesem Fall so konstatieren können.

Das Thema der Arbeit von Lorenzen lautet:

„Glaubensfreiheit gem Art. 4 GG

- Ein Freibrief wider deutsches Rechts? -

Insbesondere am Beispiel der katholischen Kirche und deren Auftrag zum Exorzismus

sowie am Beispiel der Zeugen Jehovas und deren Haltung zur Bluttransfusion"

Wie schon das mit enthaltene Fragezeichen im Titel verdeutlicht, verneint Lorenzen bezüglich der Zeugen Jehovas einen „Freibrief wider deutsches Recht".

Nun war man auf ein solches Ergebnis im voraus gefasst, was nicht das geringste an dem Umstand ändert, trotzdem vorhandenes Unbehagen nicht losgeworden zu sein. Es ist eines, ob die Optionen einer Rechtsordnung, gegebenenfalls maximal ausgenutzt werden, ohne diese Rechtsordnung expressis verbi zu übertreten. Und ein anderes ist es, ob dieses maximale ausnutzen auch „moralisch" sei. Hier scheiden sich dann die Geister. Lorenzen bescheinigt auch nur, keine direkten Gesetzesübertritte zu registrieren. Eine moralische Bewertung des Themas war und ist nicht seine Intention.

Der dem Thema Blut gewidmete Abschnitt seiner Arbeit beschränkt sich auf die Seiten 15 - 27. Er hält sich also in überschaubaren Grenzen. Er ist zudem noch zweigeteilt, indem jener Fall aus der „Brüderbewegung" mit tödlichem Ausgang, auch angesprochen wurde, wo eine Bluttransfusion verweigert wurde, weil man irrtümlicherweise glaubte, mit Gebeten, die Situation beherrschen zu können.

Im Literaturverzeichnis findet man unter anderem den Hinweis auf einen Zeitschriftenartikel des Herrn Dirksen. Ohne den selber gelesen zu haben, kann ich auch so erahnen, wie er da als im Dienste der WTG tätiger Jurist, alle Klippen mit „glatten Worten" wohl versucht zu umschiffen.

Und so findet man denn auch in den Ausführungen von Lorenzen solche Sätze wie:

Dort, wo Rechte Dritter tangiert werden, etwa bei der Verweigerung einer Bluttransfusion bei Kindern, kann die glaubensmotivierte Verweigerungshaltung im Einzelfall vom Staat mit den Mitteln der Rechtsordnung durchbrochen werden

Der behandelnde Arzt befindet sich damit seinerseits in einem Gewissenskonflikt zwischen Respektierung der Glaubensvorstellung des Patienten und der Bindung an seinen geleisteten Hippokratischen Eid. Mithin steht er zwischen fahrlässiger Tötung bei Nichteingreifen und einer Körperverletzung bei einer Hilfeleistung

Es wird auch von ZJ die Rechtsposition akzeptiert, dass auch gegen den Willen der Eltern dem Kind eine Transfusion verabreicht wird".

Weniger die eigentlichen textlichen Ausführungen erwecken besonderes Interesse. Das dürfte sich doch mehr dem unkommentierten Dokumentenanhang zuwenden.

Dort bietet Lorenzen - im Volltext - auch jenen Artikel aus „Unser Königreichsdienst" Nr. 12/1990 (S. 3-6) mit der Artikelüberschrift: „Bist du auf eine Glaubensprüfung in Form einer medizinischen Notsituation vorbereitet?"

Wer da „lesen" kann, der wird in jenem Artikel auch jene Advoktentricks lesen, wie z. B. den Satz:

32. Du mußt wissen, daß es einige Fragen gibt, die Ärzte und andere nicht unbedingt aus guten Beweggründen heraus an uns richten. Die Frage, die von Ärzten (und einigen Richtern) am häufigsten gestellt wird, lautet:

„Möchten Sie lieber sterben (oder Ihr Kind sterben lassen), als eine 'lebensrettende Bluttransfusion' anzunehmen?"

33. Wenn du sie mit Ja beantwortest, hättest du in r e l i g i ö s e r Hinsicht recht. Aber diese Antwort wird oft mißverstanden und führt manchmal sogar zu abschlägigen Gerichtsentscheiden. Du mußt bedenken, daß du in dieser Situation nicht im Predigtdienst bist. Du sprichst vielmehr über eine nötige medizinische Behandlung. Daher mußt du dich deinen Zuhörern, seien es Mediziner oder Richter, anpassen."

Bemerkenswert im Dokumentenanhang auch die von der WTG vorgedruckten Patientenverfügungen. Namentlich bezüglich ihres „Hickhacks", welche Blutbestandteile denn zulässig und welche nicht. So mancher Zeuge mag da im stillen vor sich hinschluchsen:

„Da stehe ich nun, ich armer Tor. Und bin genauso 'schlau' wie zuvor."

Aus dem breiten Spektrum von Internettexten, die im übrigen nicht sonderlich reflektiert werden, druckt Lorenzen einen im Anhang im vollen Wortlaut ab. Entnommen der Confessio-Webseite:

www.confessio.de/gemeinschaften/zj/blutfrage.htm

Dieser Text ist in der Tat dahingehend beachtlich, als er das Wunschdenken einiger widerlegt, als wäre die WTG in der Blutfrage „liberaler" geworden. Was da einige als „Liberalität" fehlinterpretierten, ist in Wahrheit nur die Neuverpackung eines harten Boxhandschuhes in äußerliches „Samt".

Hann, Markus Michael

Dissertation, separat abgespeichert

Parsimony.14396

Tröger, Christina

Verfolgung und Widerstand der Zeugen Jehovas im Dritten Reich bis 1939 unter Berücksichtigung der Verfolgung durch die deutsche Polizei

Hamburg 2005, Hausarbeit

Hadler, Birgit

Zeugen Jehovas als Beamte in M-V. Rückschlüsse und Auswirkungen des Verfahrens über die Anerkennung der Zeugen Jehovas als Körperschaft des öffentlichen Rechts

Güstrow 2005, Doplomarbeit

2004

Neitz, Ursula

Im Rahmen einer Diplomarbeit für das Pädagogikstudium, beschreibt die Autorin, Ursula Neitz, unter dem Titel "Weltenwechsel", aufgrund von Texteditionen, vorher auf Band aufgenmmener Interwiews, den Entwicklungsweg zweier vormaliger Zeuginnen Jehovas näher. Wie schon der Titel "Weltenwechsel" andeutet, sind diese Biographien letztendlich nicht "bruchlos" verlaufen. Die Autorin, selbst eine ZJ-Sozialisation hinter sich habend, empfand offenbar das darstellen von Fällen, außerhalb der eigenen Biographie, als geeignet, entsprechende Konfliktsituationen deutlich zu machen. Inwieweit ihre gewählten Fälle typisch sind, mag man mit einem Fragezeichen versehen. Aber als generell untypisch kann man sie sicher nicht bezeichnen.

Ihr zweites Fallbeispiel, von ihr "Anja" genannt, unterscheidet sich schon mal dadurch, dass ihre Eltern der ansonsten Zeugentypischen Mißachtung höherer Bildungsstufen für ihre Kinder, so nicht stattgaben. Immerhin brachte es auch dann die "Anja" zum Pionier für die Zeugen Jehovas. Zusammen mit ihrem Mann zogen sie gar in ein Gebiet, wo die Zeugen noch nicht so präsent waren, um den dortigen Versammlungsaufbau zu stärken. Hier allerdings mussten sie alsbald erfahren, dass ihr zusehends immer liberaler verstandenes Zeugen Jehovassein (grob gesprochen den lieben Gott eine guten Mann sein lassen und mehr der Gemeindesoziologischen Seite zugetan. Das "Brüder und Schwestersein" also allzu wörtlich verstanden). Das diese Tendenz durchaus nicht im Sinne der WTG liegt und entsprechende Maßregelungen nach sich zog.

Diese Ernüchterung, die sich in Trippelschritten der Entfernung von der WTG fortsetzt, sollte noch andere Ernüchterungen nach sich ziehen. Beispielsweise die, dass bisher als Grundlage auch der eigenen Ehe gesehene Zeugen Jehovassein, nach dessen Wegfall die Frage verschärft auf die Tagesordnung setzte: Welche Grundlage gibt es denn für die weitere Ehe noch? Offenbar gab es auf diese Frage keine Antwort im Sinne eines Happyend. Insofern hier ein Fall vorliegt, der nicht von prinzipieller Bildungsfeindlichkeit geprägt ist, konnte "Anja" durch Forcierung ihrer Bildungsanstrengungen, etwa durch die Aufnahme eines Studiums, sich einen gewissen Ausgleich verschaffen.

Das andere Fallbeispiel, von der Autorin "Clara" genannt, hingegen hatte Eltern die auf dem Bildungsfeindlichen Kurs der WTG mitschwammen. Auch hier blieb eine Ernüchterung letztendlich nicht aus. Diese Ernüchterung äußert sich beispielsweise in solchen Passagen wie:

"Es war da auch wieder so, dass ich viele Sachen gar nicht mitmachten durfte - damals war ich ja erst 15 als ich mein Lehre anfing. Und zu den Weihnachtsessen der Firma da durfte ich immer nicht mitgehen , das hat den Chef schon geärgert und ich musst mir dann seinen Ärger anhören. Ich würde das Betriebsklima verderben, wenn ich nicht mitmachen würde. Dabei konnte ich doch gar nichts machen, mein Vater hätte mich nie gehen lassen."

Auch sie fühlt sich durch die raue Wirklichkeit in der vergleichsweisen Situation einer Nichtschwimmerin, die von einem 5 Meter Sprungturm ins kalte Wasser gestoßen wurde. Den "Sprung" hat sie zwar überstanden, aber "Blessuren", auch dauerhafter Art, die blieben. Auch davon kann man in diesem Buch lesen.

Erschienen auch im Buchhandel, im IKS Garamond Verlag, Jena, in der Reihe "Religio". ISBN 3-934601-81-2

Vogt, Michaela

"Leidenschaft des Glaubens": eine Untersuchung zu Veränderungen innerhalb der Religionsgemeinschaft der "Zeugen Jehovas" nach der politischen Wende 1990, dargestellt an Fallbeispielen aus einer Dresdner Gemeinde

Mittweida 2004, Diplomarbeit

2003

Hunger, Doreen

In ihrer Studienarbeit aus dem Jahre 2003 an der Berufsakademie Breitenbrunn, mit dem Titel:

„Wenn Zeugen Jehovas die Bluttransfusion verweigern - Ethische Standpunkte", verwendet die Autorin einleitend ein ziemlich scharfes Zitat. Sie zitiert von Siegmund Freud:

„Die religiösen Lehren sind sämtliche Illusion, unbeweisbar, niemand darf gezwungen werden, sie für wahr zu halten, an sie zu glauben. Einige von ihnen sind so unwahrscheinlich, so sehr in Widerspruch zu allen, was wir mühselig über die Realität der Welt erfahren haben, dass man sie - mit entsprechender Berücksichtigung der psychologischen Unterschiede – mit Wahnideen vergleichen kann."

Dennoch ist ihr dieses Votum wohl selbst nicht geheuerlich, dann anschließend, in ihrer Stellungnahme dazu, betont sie, dass sie sich dieses Zitat nicht zu eigen mache.

Schon dieses Beispiel belegt die „innere Zerrissenheit", denn in der Wertung, ob solche Bluttransfusionsverweigerungen zulässig seien, ringt sie sich dazu durch zu sagen: Ja.

Nicht unbedingt ein jubilierendes Ja; aber doch ein Ja in der Sache.

Vielleicht ist diese innere Zerrissenheit sogar symptomatisch. Da wird von einer Religionsgemeinschaft der nicht zu ihr gehörenden Umwelt eine Doktrin aufgenötigt, die lediglich aus Gründen rechtsstaatlicher Liberalität akzeptiert wird; aber nicht aus Überzeugung!

Ingerfeld, Catrin

Ihre Hausarbeit an der Universität Hamburg im Jahre 2003 widmete Catrin Ingerfeld dem Thema:

Die Verweigerung der Zeugen Jehovas im "Dritten Reich"

Insbesondere der Frage sucht sie nachzugehen, wie diese Verweigerung zu bewerten ist. Aus der Sicht der Nazis als politischer Akt; aus der Sicht der Zeugen Jehovas indes anders motiviert: „denn der nicht politisch begründete Widerstand der Zeugen Jehovas zeigte durchaus eine politische Wirkung."

Und weiter: „Da die Zeugen Jehovas dem Hitlerregime und der Gesellschaft den baldigen Weltuntergang proklamierten, kann nicht von Widerstand im eigentlichen Sinne gesprochen werden, dessen Kennzeichen zusammenfassend gesagt schließlich der Sturz des Regimes sowie die Vorbereitungen auf die Zeit nach der nationalsozialistischen Herrschaft sind."

Konfliktpunkte von Anfang an: Die Wahlenthaltung, der Hitlergruß. Im weiteren Verlauf dann auch solche Details, wie: „Die offene Ablehnung der Betätigung im Luftschutzbund und in anderen Massenorganisationen der Ernsten Bibelforscher ist begründet, da Jehova der einzige Schutz für den Menschen sei und sie sämtliche Organisationen als militärische Einrichtungen werteten; es sei paradox, von diesen Heil und Rettung zu erwarten." Also die ideologische Endzeiterwartung wirkte maßgeblich mit hinein.

Griebel, Thomas

Seine Hausarbeit aus dem Jahr 2003 im Fach Geschichte am Christian Weise Gymnasium in Zittau, widmet Thomas Griebel den Christlichen Religionsgemeinschaften in Zittau 1933-1945".

In diesem Zusammenhang finden auch die Zeugen Jehovas mit Erwähnung. Einleitend äußert er, um einen aktuelleren Bezug herzustellen:

„1963 löste die Uraufführung des Dramas "Der Stellvertreter" einen Skandal nicht nur in der Theaterwelt aus: In dem "umstrittensten Schauspiel des 20. Jahrhunderts" (Hilde Spiel) beschuldigte der Schriftsteller Rolf Hochhuth Papst Pius XII., zum Holocaust geschwiegen zu haben und so mitschuldig an der Judenvernichtung zu sein. Hochhuths radikale Schuldzuweisung an den Papst hat bis heute an Brisanz nicht verloren. Noch 1986 entschuldigte sich der deutsche Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl "im Namen des deutschen Volkes" bei Papst Johannes Paul II., dass dessen "frommen Vorgänger [...] durch einen Schriftsteller deutscher Zunge Unrecht widerfahren" sei. Nun, fast vierzig Jahre nach Uraufführung des Stückes, veröffentlicht der US-Politologe Daniel Jonah Goldhagen, Autor des umstrittenen Werkes "Hitlers willige Vollstrecker", das heftig kritisierte Buch "Die katholische Kirche und der Holocaust. Eine Untersuchung über Schuld und Sühne". Goldhagen versucht nicht nur die Mitschuld der katholischen Kirche am Holocaust zu beweisen, sondern behauptet auch, dass heute eine "gelassene und freimütige Diskussion über die Haltungen der Kirche und ihrer Geistlichen gegenüber Juden vor allem in der NS-Zeit" nicht möglich sei.
Beide Veröffentlichungen und der Umgang mit ihnen zeigen die Problematik des Themas.."

Diesen Faden aufnehmend äußert er dann noch Zeugen Jehovas-spezifisch:

„In der letzten Zeit nehmen auch die Forschungen zum Verhalten der kleineren christlichen Religionsgemeinschaften im Nationalsozialismus, die vorher stark vernachlässigt wurden, zu. Vor allem die Geschichte der Zeugen Jehovas im Dritten Reich wurde in den letzten Jahren durch von der Wachtturm-Organisation und von unabhängigen Historikern erarbeiteten Videos und Ausstellungen der Öffentlichkeit näher gebracht, die ein durchweg positives Bild der Religionsgemeinschaft zeichnen. Gleichzeitig wächst die Kritik am Verhalten der Wachtturm-Organisation gegenüber dem Nationalsozialismus - man spricht von anfänglicher Anbiederung und Anpassung -, was zeigt, dass nicht nur die Rolle der Kirchen, sondern auch die der kleinen Religionsgemeinschaften eine Streitfrage darstellt."

Ergänzt wird der Zeugen Jehovas bezügliche Teil dieser Arbeit noch durch eine summarische Zusammenfassung von regionalen Einzelschicksalen, soweit sie sich aus Aktenstudium bzw. Veröffentlichungen ermitteln lassen. Insgesamt kann man der Arbeit ein beachtliches Niveau bescheinigen.

Beachtlich auch Griebel’s Aufsatz aus dem Jahre 2002:

„Kirchen und kleine christliche Glaubensgemeinschaften im Dritten Reich - Vortrag Geschichte Klasse 12"

Darin nun wiederum mit enthalten der obligate Hinweis auf das WTG-"Standhaft"-Video, deren Publizierung auch an Schulen, sich die WTG ja vielfältig angelegen sein lässt.

Griebel seinerseits kommentiert dazu:

Der Film darf auf keinen Fall unkommentiert gezeigt werden, da er sehr subjektiv ist und einiges verschweigt ..."

Dann kommt er auf die diesbezügliche Kritik an der Berlin-Wilmersdorfer Veranstaltung der WTG zu sprechen. Mag man dieser Kritik vielleicht entgegenhalten. Die WTG befand sich eben schon in einer Zwangslage, und dabei einige Augen (einschließlich „Hühneraugen") zudrücken; so macht er dennoch den Aspekt Kritik an der WTG, dann noch an einem anderen Beispiel fest. Dazu zitiert er:

„In einem anderen Buch ist folgendes zu lesen: "Es war wieder einmal 20. April, Führers Geburtstag. Aus diesem festlichen Anlass besserte die SS die äußerst knappe Verpflegung etwas auf. Für jeden ein Stück Blutwurst! Die Zeugen Jehovas verweigerten gegenüber der SS wegen Hitlers Geburtstag und, weil es Blutwurst war, die Annahme dieses Festessens (für Lagerverhältnisse). Die SS-Bewacher gerieten in Wut. Das ganze Essen wurde dem ganzen Kommando, also nicht nur den Zeugen Jehovas mehrere Tage lang weggenommen und Schweinen verfüttert. Es litten unter dieser Glaubensentscheidung auch die vielen, die diese Glaubens- und Gewissensentscheidung gar nicht teilten. War das weise, war das christlich, war das Nächstenliebe? - fragten sich die politischen und kriminellen Häftlinge. Wenn man Blutwurst nicht essen will, hätte man sie doch uns, den Mithäftlingen, geben können. Wo bleibt die Nächstenliebe? Hier werden andere Häftlinge - ohnehin am Rande des Hungertodes - ohne jede Rücksicht in noch größere Not gebracht!"

Sehe ich es richtig, wird letzteres Zitat bei Griebel aber nicht weiter Seitenmäßig verifiziert. Dann sei das hier mal nachgeholt. Enthalten in dem Ailibi-Beitrag von Dietrich Hellmund im Hesse.Buch „Am Mutigsten ..." S. 400, 401.

Hingewiesen sei auch auf die Arbeit aus dem Jahre 2007 von Thomas Griebel mit dem Titel

„Psychische Krankheit" als metaphernbasiertes Konzept. Metapherntheoretische Überlegungen zu einem medizinethischen Problem"

In ihr zitiert er einen 1937 in der „Deutschen Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin" enthaltenen Aufsatz über die Ernsten Bibelforscher.

Dem Naziregime waren selbige unbequem, darüber kann es keinen Zweifel geben. Ergo bestand für selbiges auch die Versuchung, diese eben „als nicht ganz dicht" abzuqualifizieren. Ein psychiatrisches Gutachten der Art, hätte allerdings möglicherweise die „Nebenwirkung", die Strafrechtliche Verantwortung einzuschränken. Das wiederum wollten die Nazis ja generell nicht zugestehen. Sie fanden dann ja mit ihrer berüchtigten „Schutzhaft" ohnehin einen Weg, das zu tun, was sie ohnehin nicht sein lassen konnten.

Immerhin gab es wohl Fälle, wo in der Vorläufersituation zur „Schutzhaft", eben auch pschiatrische „Gutachten" angeordnet wurden.

Nach der Lektüre des betreffenden Artikels bescheinigt Griebel aber deren Autoren:

„So scheint es sich bei diesem Aufsatz, liest man ihn heute, um eine politische Hetzschrift zu handeln, die nicht unbedingt vom medizinischen Fachwissen des Verfassers, so doch zumindest von seiner politischen Einstellung Zeugnis gibt."

Auch in einer weiteren Arbeit aus dem Jahre 2005 kam Griebel schon auf vorgenannten Zeitschriftenaufsatz mit zu sprechen.

Schmidt, Robert
Eigentlich sollen Dissertationen im Rahmen der Berichterstattung über Diplomarbeiten zum Thema Zeugen Jehovas, keine Berücksichtigung finden. Der dem zugrunde liegende Gedanke ist der, dass sie besser in einem selbständigen Artikel zu besprechen sind. Es wird jetzt einmal eine Ausnahme von der Regel gemacht. Wer darin eine inhaltliche Abwertung der betreffenden Arbeit durch meine Person sehen will, mag sogar recht haben. Ich werde ihm diesbezüglich nicht widersprechen.

Die Rede ist jetzt von einer an der Fakultät Kulturwissenschaften der Universität Tübingen angenommenen Dissertation, die im Jahre 2003 auch in einer Buchhandelsausgabe erschien.

Titel der Arbeit von Robert Schmidt: "Religiöse Selbstbehauptung und staatliche Repression

Eine Untersuchung über das religiös-vermittelte, alltägliche und konspirative Handeln der Zeugen Jehovas unter den Bedingungen von Verbot und Verfolgung in der SBZ/DDR 1945-1989

Fallstudien aus der Stadt Leipzig und der Region Zittau/Oberlausitz". Was sich da als vielleicht verheißungsvoll anhört, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als banal.

Ein Schlüsselsatz der Schmidt'schen Arbeit erscheint mit der zu sein (S. 158):

"Die Auswahl der Gesprächspartner lag zu Beginn unserer Studie noch nicht fest, ein anfängliches Rundschreiben mit dargelegtem Forschungsinteresse an einzelne verantwortliche Gläubige der Gemeinden in Zittau hat zunächst nur Unsicherheit verbreitet, was dazu führte, dass niemand reagierte und das Schreiben umgehend an höhere Stellen weitergeleitet wurde. Es hat sich bald herausgestellt, dass die Kontaktaufnahme mit dem Geschichtsarchiv und der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit im Zweigbüro der Religionsgemeinschaft in Selters/Taunus eine notwendige Voraussetzung war, um das Vertrauen der einzelnen Gemeinden in den Regionen zu gewinnen und somit eine Perspektive für eine konstruktive Zusammenarbeit zu eröffnen. Hierzu benannten wir jeweils vier Gemeinden in Zittau und Leipzig, deren verantwortliche "Älteste" im Vorfeld telefonisch durch das Zweigbüro der ZJ von unserem Forschungsvorhaben informiert wurde. Nachdem wir so den "organisatorischen" Weg eingeschlagen hatten, war es uns möglich, vor Ort die Gemeinden in ihren Gottesdiensten zu besuchen und uns nach interessanten Gesprächspartnern umzuschauen."

Es mag für Schmidt, gebürtiger Alt-Bundesrepublikaner (der nie eine Verbotsituation analog ZJ in der DDR zuvor hautnah erlebt hat) der Reiz des "Exotischen" gewesen sein, da Interwiews zu führen. Wie aus vorstehenden Ausführungen ersichtlich, wurden die aber gezielt geleitet; sodass unterm Strich mehr oder weniger nur eine Publicity-Aktion für die WTG herausgekommen ist. Wirklich kritisch, den "Nerv angehende" Fragen hat Schmidt dabei nicht gestellt

Wenn ich nicht aus Prinzip alle relevanten Neuerscheinungen in Sachen Zeugen Jehovas mir ansehen würde; könnte ich zu dem Schluss kommen. Schade um die 40,50 Euro die dafür aufzuwenden waren. Rausgeschmissenes Geld! Über weite Strecken ein müder Abklatsch von D..., H..., Y... und ähnliche Herrschaften. Findet man bei Dirksen und Hacke wenigstens noch partiell neue und auch interessante Gesichtspunkte; ergreift ein bei Schmidt eher das Gefühl gähnender Langeweile. Ein Beispiel. Da zitiert er aus seinen Interviews auch einen ZJ namens Rolf S. Der sich wie folgt verbreitet (S. 260):

" Wenn ich bedenke, ich war 8 Jahre alt, als das Verbot kam, ich bin praktisch in das Verbot hineingewachsen, 40 Jahre haben wir uns darin befunden, wir kannten nichts anderes, und wir wussten das aus der Heiligen Schrift, das Christen verfolgt werden würden ..."

Dann kann ich nur nochmals sagen. Um solche und ähnliche Plattheiten als "Dissertation" serviert zu bekommen. Da waren ja noch die wenigen Wachtturmartikel in Sachen Zeugen Jehovas in der DDR weit anregender. Da gab es auch einen Wachtturmartikel von dem "Hans Voss" (im Wachtturm unter seinem Klarnamen schreibend). Der wohnte "zufällig" auch in Zwickau. Wie las man in der Titelüberschrift von Schmidt. Er berichtet auch über Zwickau. Hätte es sich da nicht angeboten; gerade jenes "Hans Voss" mit näher ins Blickfeld dieser Arbeit einzubeziehen. Eine einzige große Fehlanzeige bei Schmidt!

Jeitler, Gudrun

Gewissensfreiheit und Schutz Minderjähriger in Zeugen Jehovas Familien

Graz, Univ., Dipl.-Arb., 2003, 70 Bl.

Lexer, Bianca

"Jehova gibt uns geistigen Schutz. Eine suizidale Jugendliche zwischen Medizin und Religion"

Innsbruck 2003, Diplomarbeit, 208 Bl.

2002

Klein, Ralph

Diplomarbeit. Separat abgespeichert: Das Buch von Ralph Klein

Maskow, Boris
Der wertende Schlusssatz einer juristischen Hausarbeit von Boris Maskow aus dem Jahre 2002 mit dem Titel: "Zeugen Jehovas als Körperschaft öffentlichen Rechts?" lautet:

"Auch wenn also die geschriebenen Verleihungsvoraussetzungen sämtlich erfüllt werden, muß die Zulassung am Kriterium der mangelnden Rechtstreue scheitern."

Nun ist dies eine Meinungsäußerung. Man weiß, es gibt auch andere Meinungen. Etwa in dem Gutachten im WTG-Auftrag von Hermann Weber. Letzteres hat sich aber auch Maskow angesehen, nebst auch dem Gutachten von Christoph Link. Mit der Zitierung von Gutachten und Gegengutachten, ist noch lange keine Entscheidung gefallen. Es gehört zu den Grundsätzen rechtsstaatlicher Justiz, dass die damit befassten Richter sich ihre eigene Meinung zu bilden pflegen.

Man weiß, fast die gesamte Webseite der Zeugen Jehovas in Deutschland, ist vorrangig nur dem Körperschafts-Anspruch gewidmet. Und dokumentiert wird dort dass, was vermeintlicherweise diesem Zweck dient. Kritische Voten indes, findet man dort kaum.

So sei denn an dieser Stelle skizziert, wie sich aus der Sicht von Maskow das Problem darstellt.

Auch er sieht sich genötigt einzuräumen, dass Formalien - etwa die Gewähr der Dauer und ähnliches - seitens der Zeugen Jehovas erfüllt werden, fügt aber zugleich hinzu:

"Ungeschriebene Verfassungsvoraussetzungen könnten dem Anspruch entgegenstehen".

Und als Detail zu dieser Meinung führt er dann aus:

"In der Literatur wird die Anerkennungswürdigkeit als ungeschriebenes Kriterium gefordert. Der Bestand an Werten solle nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden, sondern dem Staatszweck dienen. Der Staat habe deshalb ein Auswahlrecht, bezüglich der Ziele einer Gemeinschaft. Diese müssen im Rahmen des Wertekonsens von den Körperschaften des öffentlichen Rechts gefördert werden. Die religiös dualistische Sicht der Zeugen Jehovas zielt auf den Abbruch sozialer Kontakte aus dem als schlecht empfunden Vorleben. Bei Kindern soll es nach Möglichkeit gar nicht erst zum Aufbau solcher Kontakte außerhalb der Glaubensgemeinschaft kommen. Das gesamte soziale Leben spielt sich innerhalb der Gemeinde ab. Diese bezieht auch ihre Informationen wesentlich aus den gesellschaftseigenen Publikationsorganen.

Wichtigster und weitestgreifender Sanktionsmechanismus der Zeugen Jehovas ist deshalb der totale Gemeinschaftsentzug. Diese Kontaktsperre dringt selbst in den familiären Nähebereich und zielt auf Strafisolation. Link hält ihn für weiterreichend, als den großen Kirchenbann des Mittelalters. Er begründet dies mit der umfassenden Strafwirkung: das Mittel der Kontaktsperre wird schon bei vergleichsweise geringfügigen Verstößen auferlegt."

Und nach der Meinung von Maskow wird "der Umgang mit Minderjährigen das Hauptinteresse der Prüfung auf sich ziehen."

Und zu diesem Aspekt äußert er dann weiter:

"Das Problem der Isolation als Strafe für Erwachsene ist bereits besprochen worden. Darüber hinaus ist aber das auch für Kinder geltende große Maß an Verboten zu berücksichtigen: die zahlreichen Warnungen vor den weltlichen Veranstaltungen führen bei den Kindern von kleinauf dazu, daß sie außerhalb der Religionsgemeinschaft wenig bis gar keine Sozialisierung erfahren. Zwar wird die Entscheidung über die Teilnahme in das Ermessen des Kindes gestellt; mit dem Argument der Zeitverschwendung und Gefährdung wird aber die Entscheidung tendenziell antizipiert, zumal Rücksprache mit den Eltern empfohlen wird. Auch hier zieht dann ein Verstoß gegen Verhaltensmaßstäbe schwere Folgen bis hin zur körperlichen Züchtigung auch von Kleinstkindern nach sichSchon auf die Kinder wird das religiöse Überwachungssystem ausgedehnt, wenn schwere Verfehlungen der Kinder zu melden sind und das elterliche Züchtigungsrecht gleichsam an die Gesellschaft abgetreten wird. Die strikte, religionskonforme Einhaltung der Grundsätze führt aber in eine Ghettoisierung des Kindes

Mit Blick auf die elterliche Pflicht aus § 1631a I BGB ist noch zu bemerken, daß der treue und verständige Sklave auf dem Empfehlungswege die Eltern vor einer universitären Ausbildung der Kinder warnt, die Unterwürfigkeit unter die theokratische Herrschaft gehe dem Kindeswohl vor. Das führt letztlich zur Unmöglichkeit der Einübung demokratischer Verhaltensweisen, die in der streng hierarchischen Religionsgemeinschaft ebenfalls nicht erlernt werden. Darin ist ein eklatanter Widerspruch zum eigenverantwortlichen Persönlichkeitsbild des Grundgesetzes zu erblicken.

Der Umgang der Zeugen Jehovas mit grundrechtlich verbürgten Garantien läßt auf ein mangelndes Verantwortungsbewußtsein schließen, das namentlich eine jenseitige Heilserwartung pflegt und sich dem gegenwärtigen Staatsbetrieb nicht verpflichtet fühlt. Die daraus resultierenden zahlreichen zwar nur punktuellen Verstöße gegen einfaches Recht mögen für sich genommen läßlich sein und vom Grundrecht der Religionsfreiheit verdrängt werden, in der Gesamtschau stellte sich eine Verleihung der Korporationsrechte an eine Organisation, die in keiner Weise den demokratischen Konsens zu tragen bereit ist, als unverantwortbar dar."

Pohnke, Benedikt

Seine "Jugendliche bei den Zeugen Jehovas - Schwierigkeiten bei der Identitätsbildung und Ablösung vom Elternhaus" überschriebene Hausarbeit aus dem Jahre 2002 im Fach Soziologie, lässt der Autor Benedikt Pohnke mit den Worten ausklingen;

"Die Frage über das staatliche Eingreifen in die Religionsfreiheit eines Menschen oder einer Gemeinschaft ist aufgrund der deutschen Geschichte eine sehr heikle. Jedoch ist der Artikel 4 des G(rund) G(esetz) meiner Auffassung nach nicht unantastbar und stößt irgendwann an seine Grenzen. Spätestens dann, wenn andere Grundrechte - wie etwa die freie Entfaltung der Persönlichkeit, körperliche Unversehrtheit, Menschenwürde - verletzt werden, muß der Staat eingreifen. Und dann können sich weder Richter noch Sekten in (Sorgerechts-) Prozessen im Schutz dieses 4. Artikels wiegen, wenn es um die Urteilsverkündigung bzw. um die Legitimation der ideologisch bedingten Erziehungsvorstellung geht.

Wer denkt hierbei schließlich noch daran, daß Kindern und Jugendlichen dieses Recht auf  Glaubens- und Gewissensfreiheit ebenfalls zusteht?"

Vor diesem Urteil hatte er die Erziehungspraxis der Zeugen Jehovas analysiert und dabei auch festgestellt, dass zwar in einigen "Hochglanzbroschüren" der WTG ein geschöntes Bild gezeichnet wird. Das aber diese Erziehungspraxis keineswegs einer gesunden Entwicklung zum reifen Erwachsenen förderlich ist. Seitens der Zeugen Jehovas findet nur eine "Zweck-Erziehung" statt. Sie umreißt Pohnke etwa mit den Worten:

"Nach der intensiven Beschäftigung mit dieser Sekte und der Auswertung von sowohl Sekundär- als auch Primärliteratur, konnte ich den Inhalt dieser Norm bei den ZJ in der Erziehung und „Förderung" ihrer Jugendlichen nicht verwirklicht finden. Ferner mußte ich feststellen, daß die WTG mit den von ihr propagierten - physische wie psychische Gewalt beinhaltenden - Erziehungsvorstellungen einen klaren Verstoß gegen (das) Gesetz begeht, daß Kinder und Jugendliche schützen soll und muß"

Und: "in der weltlichen Schule (wird das Zeugen Jehovas-Kind) zwangsläufig in eine Außenseiterposition gedrängt, in der er permanent sein „Anderssein" erlebt. Zudem verspürt er eine ständige Zerrissenheit zwischen zwei Welten. Zumal es ja durchaus sein kann, daß er trotz aller Strenge und psychischer Einschüchterung der ZJ Gefallen findet am Kontakt mit den Weltmenschen und deren „schädlichen" Einflüssen. Und gerade das soll mit dem Mittel der Isolierung vermieden werden. Diese beeinträchtigt massiv die Entwicklung zu einer autonomen Persönlichkeit. Vielmehr wird dabei Abhängigkeit geschaffen, welche die völlige Identifikation mit der WTG bewirken soll- und damit die komplette Lebensausführung auf die Organisation als Ziel beinhaltet. Dieser beschriebene Sachverhalt soll meiner Meinung nach ganz bewußt eine Integration in die Gesellschaft verhindern."

..."Die normale, und für die Persönlichkeitsentwicklung wichtige, Außenorientierung während der Pubertät kann der Jugendliche nur schwer realisieren - sowohl vom quantitativen Umfang, als auch von der qualitativen Intensität. ... Daraus ergibt sich, daß die Eltern lediglich den Erziehungsauftrag der WTG erfüllen, der da lautet: „Eifrige Eltern erziehen ihre Kinder zu Missionaren". ... Das Ziel der Erziehung wird folglich nicht von der einzelnen Familie, sondern von der Glaubensgemeinschaft und deren Ansprüche an ihre Mitglieder definiert. Angesichts der Tragweite des bevorstehenden Endgerichtes müssen solche individuellen Bedürfnisse wie das Recht des Kindes zu angemessener Entwicklung zurückstehen" Und gerade dieser Endzeitdruck kann auch u.U. als psychisch belastendes Sanktionsmittel in der Erziehungsmethodik der Eltern und der gesamten WTG angewandt werden."

Rauchfleisch, Stefanie; Rüf, Franziska Weibel

Der Berner Verlag Edition Soziothek legte im Jahre 2002 auch eine über den Buchhandel (mit Einschränkungen) beziehbare Dissertation vor. Optisch nach wie vor im DIN A 4 Format.

Verfasserinnen sind Stefanie Rauchfleisch und Franziska Weibel Rüf. Gemäß der in Psychologiestudentenkreisen besonders beliebten Methode der Befragung, befassen sie sich darin mit "Kindheit in religiösen Gruppierungen - zwischen Abgrenzung und Ausgrenzung". So der Titel der Arbeit. 13 Probanden aus unterschiedlichen Gruppierungen standen da Rede und Antwort. Unter ihnen auch zwei (ehemalige) Zeugen Jehovas. Das Projekt dazu startete wohl schon im Jahre 1997. Abgesehen vom Adressenanhang ist aber zu konstatieren. Erkenntnisse die etwa via Internet ermittelbar, kommen in dieser Arbeit nicht vor. Jedenfalls scheinen die Autorinnen zum Zeitpunkt der Abfassung ihrer Arbeit, keine Internetnutzer gewesen zu sein.

Dem spezifischen Charakter dieser Webseite entsprechend, soll hier nur das die Zeugen Jehovas bezügliche interessieren. Schon bemerkenswert wie es mit deren Werdegang nach ihrem Ausstieg so weiter ging. In einem Fall brachte eine anstehende Ehescheidung (die Frau war ebenfalls Zeugin) den einen Befragten dazu, lang aufgestautes zu verarbeiten. In dem anderen Fall bewirkte wohl die Wiederaufnahme (eines unter Zeugeneinfluss abgebrochenen) Studiums eine ähnliche Katalysatorfunktion. Versteht man die Texte richtig, versuchte sich der eine Aussteiger gar in der Nach-Zeugenzeit, eine Zeitlang als buddhistischer Mönch; während der andere sich heute als Agnostiker bezeichnet. So unterschiedlich können sich die Wege gestalten.

Die Rede ist auch davon, dass beide Probanden (wohl in der Schweiz wohnhaft), sich im nachhinein auch noch intensiv, dem vernehmen nach auch "wissenschaftlich" damit befasst haben sollen. Es ist aber auch davon die Rede, dass dies wohl auch zeitlich begrenzt war und die Kontakte und Hilfestellungen ihnen wieder "zu viel" wurden. Das sei jetzt nicht im Sinne des "erhobenen Zeigefingers" zitiert; sondern lediglich im Sinne der Sachdarstellung.

Rauchfleisch-Rüf interviewten ausführlich. Als ihre Grundthese kann man vielleicht die nachfolgende ansehen (S. 38):

Meistens ist es für Familien, in welchen ein streng religiöses Klima herrscht, schwierig, mit Konflikten umzugehen, denn die Familienmitglieder haben oft nur wenig Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner außerhalb der Familie. Damit ein unbeschädigtes Familienbild gewahrt werden kann, dürfen Probleme nicht an die Öffentlichkeit gelangen, da nicht nur die Familie, sondern auch die Kirchgemeinde geschont werden muss. Dies hat zur Folge, dass alltägliche Konflikte nicht offen ausgetragen werden können, da sie immer in diesem Rahmen eingepasst werden. "Religion und Gott stehen auf der Seite der Eltern gegen die Kinder, deren Bedürfnisse und Wünsche." Diese Kinder haben oft auch eine abweisende Haltung gegenüber der Sexualität, denn sämtliche Triebe müssen unterdrückt werden, sind böse und werden verurteilt.

Einige bemerkenswerte Passagen aus den Interviews noch nachstehend:

"Das ganze Zeugen Jehovas-Leben war eine Regel", meinte einer der beiden ehemaligen Zeugen Jehovas rückblickend. Er habe "keine Erziehung erlebt, sondern nur Regeln befolgt. Bei den Zeugen Jehovas wird das natürlich schon grundsätzlich propagiert". "Die Regeln der Gemeinschaft (sind) klar und an die hast du dich zu halten, fertig. Das ist auch das, was ich gelebt habe, nach innen, also in der Versammlung, in der Struktur, aber draußen habe ich meine eigenen Regeln angewandt", sagte er. "Das alles ist halt ein Wust von Regeln und dort drin sollst du funktionieren", meinte er zum Leben nach gruppenspezifischen Geboten und Verboten.

Er wies mehrfach darauf hin, dass er sich durch die gruppenspezifischen Vorgaben in seiner persönlichen Wahl- und Entscheidungsfreiheit eingeschränkt gefühlt habe und die einzuhaltenden Gebote auch "in das Privateste vom Privaten" hineingereicht hätten. So wurde ihm als Jugendlicher nahegelegt, dass Selbstbefriedigung "Gott nicht wohlgefällig " sei. Begründet wurde dies damit, dass bei Mose schon geschrieben stehe, "du sollst dein Bett nicht beflecken usw., und dann wird das interpretiert, also, mach das nicht". Ferner berichtete er, dass er immer wieder von Gruppenmitgliedern gemaßregelt wurde, wenn er sich seine Haare schulterlang wachsen ließ. Laut Bestimmungen war dies männlichen Mitgliedern untersagt. Sein Bruder hätte das Gleiche mit seinem Schnurrbart erlebt, den er sich hätte abrasieren sollen.

Der Befragte hatte im Alltag auch eine Vielzahl an Geboten und Verboten einzuhalten, die mit der starken Abgrenzung vom Umfeld außerhalb der Gemeinschaft verbunden waren. Außer zu Missionszwecken sollten die Mitglieder keine näheren Kontakte zu Außenstehenden pflegen und nach Möglichkeit Aktivitäten unterlassen, die eine Verbindung zu Nichtmitgliedern herstellen könnte. Diese Grundhaltung zeigte sich deutlich in den Geboten und Verboten zum Freizeitbereich. Zu den Freizeitanlässen, die verboten waren und den Kontakt zu Nichtmitgliedern fördern könnten, gehörten die Betätigung in Vereinen, der Besuch diverser Tanzanlässe, aber auch die Teilnahme an Schullagern. Zudem durften Geburtstage und christliche Feiertage wie z. B. Weihnachten nicht gefeiert werden, da sie als heidnische Gebräuche abgelehnt wurden. Demzufolge war es dem Befragten auch nicht erlaubt, in der Schule an Aktivitäten teilzunehmen, die mit diesen Anlässen zu tun hatten.

Wie der Befragte außerdem schilderte, wurde den Mitgliedern in Erwartung der Endzeit jeweils nahegelegt, dass sie sich in ihrer Freizeit "vor allem natürlich dem christlichen Werk widmen sollen. Entsprechend galt beispielsweise das intensive Treiben von Sport als etwas, das die Mitglieder von dieser Aufgabe abhält. "Gegen Sport kann man ja nichts haben, auch bei den Zeugen Jehovas nicht. Nur zu viel Leibesübung ist auch nicht mehr gut, die haben ihre Sprüche für alles, meinte er. Sportliche Betätigung wurde lediglich toleriert, wenn es sich dabei um den Sportunterricht in der Schule oder damit verbundene Anlässe handelte.

Trotzdem trieb er auch in seiner Freizeit viel Sport und trat entgegen den Bestimmungen der Gemeinschaft und ohne das Wissen seiner Alleinerziehenden Mutter einem Sportverein bei. "Das musste ich alles hintenrum machen oder so wie absegnen lassen und sagen, es sei von der Schule aus, dabei war es ein Verein, bei dem ich dabei gewesen bin", wie er berichtete. Zu den Einschränkungen im Freizeitbereich meinte er: "Ich habe nie Alternativen bekommen, für nichts, und das war ein wenig ein Manko, generell, glaube ich, bei den Zeugen Jehovas. Verbieten ja, aber etwas bieten dafür, nein. Das, was geboten wird, ist dermaßen lauwarm".

Einschränkend erlebte er auch die Bestimmungen zur beruflichen Ausbildung, die darin bestanden, all diejenigen Lehrgänge zu meiden, die eine intensive Auseinandersetzung mit anderen Lebensentwürfen und Sinnsystemen mit sich bringen.

Noch ein bemerkenswertes Zitat:

Einer der beiden ehemaligen Zeugen Jehovas bekam vermittelt, "liebe deinen Nächsten und lebe das auch". Wie er berichtete, war dieser Lebensgrundsatz mit der Erwartungshaltung verknüpft, dass die Mitglieder ungeachtet ihrer persönlichen Sympathien und Antipathien einen äußerst harmonischen Umgang untereinander pflegen sollten. Innerhalb der Gemeinschaft wurde ihm dies auch stets vorgelebt. Außerdem versuchte er selbst im Kindes- und Jugendalter diesen Idealen nachzukommen. Schließlich habe er aber feststellen müssen, dass es unmöglich gewesen sei, permanent lieb und nett zueinander zu sein und sich mit allen gleichermaßen verbrüdert zu fühlen. "Dann ist es halt so, dass man obendurch immer lieb miteinander ist, immer schön lacht, ja, Bruder und Schwester, und alles ist schön und toll, und untendurch spürt man genau, die verachten dich", erzählte er. "Wenn das Lebensmotto ist und man sich gleichzeitig nicht eingestehen kann, dass man den und die nicht so mag, weil es nicht 'menscheln' darf, dann wird es schwierig in jeder Gemeinschaft", meinte er. "Und bei den Zeugen Jehovas zum Beispiel darf es nicht menscheln, es klingt zwar extrem, aber es darf nicht sein. Und das führt zu völliger Falschheit im Umgang und das spürt man".

Außerdem erlebte dieser Befragte, dass das anzustrebende Persönlichkeitsideal stark von einem "Leistungsprinzip" geprägt war. "Du bist, was du leistest", bekam er vermittelt. Die zu erbringende Leistung bestand darin, streng nach den Geboten der Gruppierung zu leben …

Und:

Entsprechend schwierig war es, sich dem Konformitätsdruck zu entziehen, der unter den Mitgliedern herrschte. So meinte er: "Du bist irgendwo in einem Netz eingebunden, du passt dich irgendwann einmal an, denn du wirst müde und kannst nicht immer kämpfen, du wirst dann auch nicht akzeptiert". Er habe beispielsweise gemerkt, dass die Unterstützung von anderen Mitgliedern ausblieb, wenn er innerhalb der Gemeinschaft Aktivitäten durchführte, die nicht der Gruppennorm entsprachen. "Das hat mir auch weh getan, weil ich gemerkt habe, da stimmt doch etwas nicht, ich gebe mir solche Mühe und es wird nicht honoriert", wie er erzählte. Schwierig sei für ihn auch gewesen, dass ihm die anderen Mitglieder nicht gesagt hätten, warum sie ihn in seinen Aktivitäten nicht unterstützen würden. Dieser Befragte hob hervor, dass die Einhaltung der geforderten Gruppenkonformität primär am Verhalten gemessen wurde. Dies förderte seiner Erfahrung nach bei den Einzelnen einerseits ein Funktionieren nach gruppenspezifischen Normen und Regeln ohne innere Überzeugung oder entsprechende Übereinstimmung im Denken. Andererseits mussten durch den hohen Stellenwert, der gruppenkonformen Verhalten beigemessen wurde, individuelle Bedürfnisse vermehrt unterdrückt werden.

Wichtig ist, dass du nach außen hin funktionierst. Nach außen, das heißt, nach außen in der Gruppe, dass du richtig funktionierst, linientreu bist, deinen Einsatz zeigst. Was du im Endeffekt denkst, ist egal. Du könntest von mir aus denken, Jehova gibt es nicht und Jesus war schwul und was weiß ich. Das interessiert eigentlich niemanden, du musst einfach funktionieren als Zombie. Zombie sage ich dem heute, weil mit der Zeit die Seele mit allen Bedürfnissen ausgeschaltet wird.

Steffensky, Anne

Die Zeugen Jehovas

Fachwissenschaftliche Darstellung und Überlegungen zur Behandlung der Thematik im Religionsunterricht

Freiburg, Paed. Hochsch., Wiss. Hausarb., Grund- und Hauptschule, Katholische Theologie, 2002

34 Bl.

Auzinger, Petra

Verlorene Jahre? Dimensionen der Bindung und Ablösung in religiösen Sondergemeinschaften am Beispiel der Zeugen Jehovas.

Innsbruck, Univ., Dipl.-Arb., 2002, 140 Bl.

Turchetto, Kay

Widerstand der Verfolgten: Die Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus" ist die Studienarbeit aus dem Jahre 2002 von Kay Turchetto am Institut für Politikwissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen, überschrieben,

In seinen Ausführungen stützt sich der Autor im wesentlichen auf die vorangegegangenen Studien von Garbe, Kater, Zipfel und wohl auch von Hesse, die er zusammenfassend referiert. Wer vorgenannte Studien bereits kennt, der wird allerdings bei Turchetto schwerlich Dinge vorfinden, die darüber hinausgingen.

Wie genannte Autoren äußert auch Turchetto: „dass die Zeugen Jehovas weder in das Bild der politisch Verfolgten, noch in das der rassistisch Verfolgten passen, dass sie im Allgemeinen zu den unteren Schichten der Bevölkerung gehörten und von keiner herausragenden Persönlichkeit geleitet wurden und dass das Fundament ihres Widerstandes der tiefe, unerschütterliche, religiöse Glaube an Gott war und nicht der geistige politische Kampf gegen die Nationalsozialisten."

Und weiter:

„Der Glaube der Zeugen Jehovas verlangte es aber die unwissende Bevölkerung über die bevorstehende Entscheidungsschlacht zu informieren und die Mächte des Bösen öffentlich zu machen. Ihre Interessen gerieten so mit denen der Nationalsozialisten in Konflikt. … Aus der Sicht der Nationalsozialisten war der Widerstand der Zeugen Jehovas freilich ein politischer. Die Glaubenslehre der Zeugen Jehovas stand ihrem Totalitätsanspruch im Wege und musste deshalb verfolgt werden. Die Nationalsozialisten wären auch gegen die Zeugen Jehovas vorgegangen, wenn sie keine hierarchisch gegliederte Organisation gewesen wäre…. Beide Weltanschauungen versuchten auf die gleiche Zielgruppe einzuwirken, das schlecht gebildete Kleinbürgertum und die Arbeiterschaft….Die Zeugen Jehovas verstanden sich als Märtyrer des christlichen Glaubens, stießen auf den weltanschaulichen Totalitätsanspruch der Nationalsozialisten. So kamen die Zeugen Jehovas durch die Vereinnahmung des alltäglichen gesellschaftlichen Lebens durch die Nationalsozialisten in schwere Bedrängnis."

Wie auch Garbe und Co beschränkt er sich auf das Beschreiben dessen, was geschehen. Eine tiefergehende Analyse, die insbesondere auch die Haltung der Wachtturmgesellschaft, als massgeblichen Inspirator, einer kritischen Würdigung unterzieht, sucht man auch bei ihm vergebens.

2001

Lena Hennings

In ihrem „Glaube und Lebenseinstellung der Zeugen Jehovas" überschriebenen Schulaufsatz berichtet Lena Hennings:

Den Anstoß, mich selbst mit diesem Thema zu beschäftigen, gaben mir die regelmäßigen Besuche eines Zeugen an meiner Haustür.
Anfangs habe ich die Zeitschriften nur aus Höflichkeit angenommen. Nimmt man diese jedoch auch nur einmal an, bekommt man sie, scheinbar automatisch, monatlich frei Haus geliefert. Jedes Mal, wenn der besagte Zeuge bei mir seine Schriften abgab, hielt er mir einen kleinen Vortrag über die Themen, die man in der jeweiligen Ausgabe finden konnte." Näher sich damit beschäftigend wird ihr die Endzeit-Datenspekulerei und ihre anschließende Verharmlosung nach dem Motto: „Es sei alles so nicht gemeint gewesen"
deutlich.

Nachdem sie auch die Rolle, die den Frauen in der Zeugen Jehovas-Versammlung zugedacht ist, näher beleuchtet hat, kommt die Autorin zu dem Schlussergebnis:

„Ich bin der Meinung, auch wenn es darüber verschiedene Ansichten gibt, dass die Zeugen Jehovas den Sekten zuzuordnen sind. Ich halte sie sogar für eine besonders gefährliche Sekte, da sie sich unter dem Mantel der Harmlosigkeit tarnt."

Hermann, Sahra

In einem Schulaufsatz über „Jehovas Zeugen" schreibt Sahra Hermann

„1999 gab es in Deutschland etwa 270958, weltweit etwa 6 Millionen aktive Mitglieder, doch vor 4 Jahren waren es nur 166.000 Deutsche und 4,7 Millionen auf der ganzen Welt."

So entstehen Legenden, kann man dazu wohl nur sagen. Hier liegt eine Vermengung von Zahlen vor. Die Zahl 270.958 beinhaltet Abendmahlbesucher; jedoch nicht Mitglieder im engeren Sinne.

„Ersatzdienst war verboten und ist erst seit 1994 erlaubt.." Auch darin ist die Autorin ungenau. Richtig ist, seit Mai 1996.

„Sexualität ist auf Fortpflanzung beschränkt". Auch so ein „Bauchschmerzen" verursachende, nicht sachgenäße Unterstellung.

„Das Finanzkonzept ist schlichtweg genial, denn alle Mitglieder sind ehrenamtlich tätig ... Das mit der Kostenfreiheit, allerdings wird jedes Mitglied der Zeugen Jehovas gebeten, eine Spende in Höhe des Wertes der Literatur zu geben... Damit sind zwei Dinge gesichert : nach wie vor ist jedes bedruckte Papier bezahlt (das heisst jetzt Spende); damit hat die Staatskasse garantiert keinen Zugriff auf die Eingänge, denn merke: Spenden sind steuerfrei..."

Eichler. Katja

Die im Dezember 1977 geborene Katja Eichler, aus Gera, besuchte nach eigenen Angaben am 8. 4. 2001 erstmals in ihrem Leben eine Veranstaltung der Zeugen Jehovas (das an diesem Tag stattfindende "Gedächtnismahl"). Sie ist gemäß der auch von den Zeugen Jehovas verwandten "Lovebombing"-Methodik angenehm von diesem Besuch berührt. Insbesondere von der zuvorkommenden Aufmerksamkeit, die ihr als Außenstehende anlässlich dieses Besuches zuteil wird.

Nur relativ wenige Monate danach, schon am 18. 12. 2001, lieferte sie in der Universität Jena ihre "Wissenschaftliche Hausarbeit Zur Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien im Fach: Evangelische Religionslehre" ab. In der Zwischenzeit zwischen diesen beiden Daten erfolgte unter anderem ein Besuch in der Zeugen Jehovas-Zentrale Selters, mit gleichfalls zuvorkommender Behandlung ihrer Person durch den dortigen Herrn Wrobel (Geschichtsarchiv der WTG). Letzterer weiss, was er seiner "Kundschaft" schuldig ist, wenn es für ihn darum geht für die WTG geschönte Berichte zu erhalten.

Die Arbeit von Frau Eichler hat den Titel: "Die Zeugen Jehovas in Gera - Eine Dokumentation."

Frau Y... die in der Eichler'schen Arbeit übrigens auch mit vorkommt, was nicht verwundert, prägte für Gera einmal im Zusammenhang mit Jehovas Zeugen den Begriff, es sei "das Auge des Taifuns" gewesen. Diese Einschätzung kann man als durchaus sachgemäß einschätzen; dieweil sich gerade in Gera mit die bedeutendsten Stasiaktivitäten in Sachen Zeugen Jehovas bündelten. So findet man bei ihr, beiläufig, auch den Namen des Stasifunktionärs Hauptmann Heinz Bergner, von der Stasi-Dienststelle Gera. Gerade jener Bergner ist ja kein "unbeschriebenes Blatt", indem er an der Juristischen Fachschule der Stasi mit einer speziellen Arbeit über die Zeugen Jehovas "glänzte", die von seinen Vorgesetzten überaus positiv bewertet wurde. Bergner rühmt sich darin, dass es der Stasi vielfach gelungen sei, ihre Zersetzungasmaßnahmen so zu organisieren, dass vordergründig der Verdacht nicht auf sie fällt.

Nun hätte ja Frau Eichler die Möglichkeit gehabt, via Internet, sich mal eine Referierung dieser Arbeit des Bergner anzusehen, zumal auf der Webseite als "Stasi-Studientext" mit dokumentiert. Nichts von alledem. Wenn ihr diese Internetexte nicht zusagen, hätte sie eine Referierung der Bergner'schen Auslassungen auch in einer Veröffentlichung des Herrn Hirch vorfinden können. Ebenfalls Fehlanzeige. Total ignoriert, wie sie auch noch einige andere, meiner Meinung nach relevante Veröffentlichungen zum Thema, sei es in Buchform, sei es via Internet, offenbar grundsätzlich ignoriert. Herr Wrobel wird es ihr danken, denn das was letzterer als empfehlenswert ansieht, ist natürlich nicht ignoriert.

Da eben der Name des Herrn Hirch genannt wurde, gilt es vielleicht noch weiter zu ergänzen.

Frau Eichler, erwähnt in Wiedergabe eine Bemerkung von Frau Y..., dass über die "Christliche Verantwortung" eine Dissertation in Vorbereitung sei. Und sie gibt der Meinung Ausdruck, dass würde, müsste ja spannend werden. Nur hat sich Frau Y... diesbezüglich etwas nebulös verbreitet.Die beabsichtigte "Dissertation" ist tatsächlich an einer Universität, der von Stuttgart, eingereicht worden von besagtem Herrn Hirch.

Noch immer ist es aber so, dass Dissertationstexte angenommen und mit der Verleihung des Doktorgrades beschieden werden können, oder auch nicht. Ein "Automatismus" besteht da keineswegs. Und bis heute ist es so, dass Herr Hirch den von ihm begehrten Titel, mittels dieser Arbeit eben nicht bekommen hat. Das "vergaß'" Frau Y... und ihre Kolporteurin allerdings hinzuzufügen.

Es bestände für Frau Eichler auch die Möglichkeit, sich diverse kommentierte CV-Ausgaben via Internet anzusehen. Offenbar ebenfalls Fehlanzeige.

Es sei nicht nur kritisiert. Interessant empfand ich besonders jenen Passus, wo davon die Rede ist, dass Frau Eichler noch am 3. 9. 2001 mit dem letzten Herausgeber der CV, dem Herrn Henry Werner Struck, ein persönliches Interview führte.

Diesbezüglich liest man bei ihr, dass darin sich Herr Struck wie folgt verbreitete:

"Es hatten sich dann mehrere ehemalige Zeugen Jehovas um Herrn Müller versammelt. Die Mitgliedszahl wechselte, es waren so zwischen 20 und 40 Personen. Es war ja kein Verein oder Organisation. […] Es gab einen Stamm von maximal 20 Personen, die an dieser Zeitschrift gearbeitet haben. Die Zeitschrift gab es ja nicht nur in Gera, sondern sie ging von Gera aus in die gesamte DDR, dann nach ganz Europa, einschließlich später Übersee, Asien usw. Sie war an sich eine reine Aufklärungszeitschrift. Die Autoren haben die Wachttürme gelesen und die Schriften, die Bücher gelesen, die von der Wachtturmgesellschaft herausgegeben worden waren und haben da ihren Kommentar dazu gegeben, wenn sie etwas entdeckten, was nicht der Bibel entspricht. […] Ich habe ja dann die Zeitschrift auch bis 1993 herausgegeben. Als dann die Wende war, dachte nämlich die Wachtturmgesellschaft, dass die Zeitschrift nicht weitergeführt wird, weil sie der Stasi entspringt. So war es aber nicht. Fakt ist natürlich, dass wir unsere Genehmigung vom Ministerium für Kultur in Berlin für die Veröffentlichung der Zeitschrift brauchten. Die wollten natürlich immer erst mal die neue Ausgabe sehen, bevor sie die Genehmigung erteilten, manchmal haben sie uns etwas gestrichen. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass die Staatsicherheit auch uns überwacht hat und alles gelesen hat. Es gab ja nichts, was die Stasi nicht wusste, keine Veröffentlichung, die nicht gelesen wurde. Im Laufe der Jahre wurde vom Ministerium und vom Staatssekretariat für Kirchenwesen festgestellt, dass wir etwas tun, was im Sinne des Staates ist, nämlich die Leute dazu zu bewegen zur Wahl zu gehen oder in Betrieben Ehrenämter anzunehmen. Daraufhin hat man uns dann etwas in Ruhe gelassen. […] Wir haben auch viele Verbote bekommen, von Polizeikreisämtern, weil Zeugen Jehovas sich beschwert haben. […] Wir haben in einer öffentlichen Druckerei gedruckt in Greiz."

Wie gesagt, dies ist die vielleicht doch etwas geschönte Darstellung von Herrn Struck.

Gera "Auge des Taifuns". Das nochmals aufnehmend. Der Fall Bergner wurde schon genannt.

Noch einen anderen dieser Dienststelle zuzuordnenden Fall gilt es zu nennen. Den Fall des Messerlieferers unter den Zeugen Jehovas, des Herrn Wolfgang Kirchhoff. Aus den Veröffentlichungen von Y... als auch von D..., wusste man bereits, dass er vom DDR-Staat im Jahre 1977 mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Bronze ausgezeichnet wurde. Es kommt aber noch "besser" und das haben weder Y... noch Dirksen in ihren Publikationen erwähnt. Noch einmal zeichnete der DDR-Staat diesen Herrn für seine "Verdienste" aus und zwar im April 1987. Diesmal zwei Stufen höher. Vaterländischer Verdienstorden in Gold ist jetzt angesagt.

Eichler zitiert auch dazu den von Honecker unterzeichneten Auszeichnungstext (1977) in dem zu lesen ist: „[…]Diese Auszeichnung anlässlich des 28. Jahrestages der DDR ist eine Würdigung der besonderen Verdienste eines Patrioten, der seit über 20 Jahren aufs engste mit dem Ministerium für Staatssicherheit verbunden ist und einen entscheidenden Anteil an der Lösung spezifischer Aufgaben hat. Diese Auszeichnung ist eine Würdigung und Anerkennung für die stets disziplinierte, zuverlässige und treue Pflichterfüllung im Dienste unseres sozialistischen Staates. Diese Auszeichnung ist eine Würdigung der großen Opferbereitschaft bei der Lösung der übertragenen operativen Aufgaben. Werter Genosse! Sie haben in den über 2 Jahrzehnten als Patriot in den Reihen des Ministeriums für Staatssicherheit jederzeit Ihr gesamtes persönliches Leben der Lösung der operativen Aufgaben untergeordnet. Mit Ihrem festen Willen, durch tschekistische Höchstleistungen die Feinde unserer sozialistischen Gesellschaftsordnung in Gestalt der feindlichen Organisation ‚Zeugen Jehovas' und ihrer subversiven Zentren in Wiesbaden und Brooklyn aufzuklären, unter Kontrolle zu halten bzw. zu liquidieren, haben Sie einen entscheidenden Anteil an der Stärkung unserer DDR. Unter ständigen persönlichen Entbehrungen und Opfern im persönlichen, familiären und beruflichen Leben haben Sie eine entscheidende Grundlage für das kontinuierliche Eindringen in die feindliche Konspiration geschaffen. So gelang es Ihnen, das uneingeschränkte Vertrauen der Zentralen in Wiesbaden und in den USA zu erzielen.[…] Durch Ihren Einsatz war eine ständige Kontrolle der Aktivitäten innerhalb des ZJ - Bezirkes und darüber hinaus gewährleistet und feindliche Aktionen konnten unterbunden bzw. eingeschränkt werden. Sie leisteten einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung der nachrichtendienstlichen Verbindungen zwischen der Leitung des Ostbüros in Wiesbaden und den Leitungen in der DDR.[…]"

Dieser Kirchhoff war in der Tat einer der größten "MfS-Fische" auf dem Sektor Zeugen Jehovas. Demgegenüber wirken die vordergründigen, auch bei Eichler vorhandenen Vorhaltungen gegenüber dem Willy Müller (erster CV-Herausgeber) irgendwie kleinkariert.

Sicher, ohne Frage, Müller wurde von der Stasi "umgedreht". Indes ist er in meinen Augen eher eine tragische Figur. Mitnichten jedenfalls hatte er jenes "Kaliber" wie der Herr Kirchhoff.

Über Müller liest man bei Eichler, dass er am 19. Juni 1953 bereits zusammen mit anderen Zeugen Jehovas von den DDR-Gerichten verurteilt wurde. Dann geht es weiter mit der Angabe:

"Am 11. März 1959 wurde er erneut verhaftet. (66jährig). Fritz Seyfarth, der am gleichen Tag verhaftet wurde, erinnert sich:

„ […] um den Kübel auszulehren, die Waschschüssel und den Rasierapparat hinzustellen, durfte ich meine Zelle kurz verlassen. Dann habe ich gemerkt, dass Willy Müller möglicherweise krank war, denn er hatte Durchfall. Eines Tages musste ich seine Zelle sauber machen und den Kübel ausleeren. Weil ich auch das Essen hingestellt habe, wusste ich, in welcher Zelle er war. Wir essen ja keine Blutwurst, die kam bei uns immer wieder zurück, und als ich dann das Essen ausgegeben habe, da war eben auf dem Teller keine Blutwurst und ich wusste, wo der Bruder Müller war. Am 29. Mai 1959 hat er für die Stasi unterschrieben."

Am 3. Juni 1959 stellte die Staatsanwaltschaft Gera das Verfahren gegen Willy Müller ein, mit der Begründung, dass davon auszugehen sei, „dass der Beschuldigte ein Verhalten an den Tag legte, dass ohne weiteres erwarten lässt, dass er zukünftig die sozialistischen Gesetzlichkeiten beachten wird. Auf Einzelheiten braucht hierbei nicht eingegangen zu werden." Als Gründe für diese „Umdrehung" zählen das hohe Alter Müllers und sein physischer Zustand."

Jedenfalls hat Müller es keinesfalls, wie Kirchhoff, zu gar zwei "Vaterländischen Verdienstorden" gebracht. Seine erst viel später, im Jahre 1965 einsetzende eigentliche CV-Tätigkeit, betrieb er bereits im hohen Rentneralter. Nicht die Rede ist bei Eichler davon, dass der DDR-Staat ihm im Zusammenhang mit den Verhaftungen, auch sein eigenes Haus enteignet hatte. Von alledem ist bei Kirchhoff, der da den supertreuen Zeugen Jehovas spielte, nie die Rede.

Roth, Christine Katrin
Kindererziehung in Erwartung des Weltuntergangs am Beispiel der Neuapostolischen Kirche und der Zeugen Jehovas
Wissenschaftliche Prüfungsarbeit ... für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen
Universität Koblenz-Landau, Abteilung Landau Fach: Psychologie; Mai 2001
106 Seiten + Anhang (nicht nummeriert)
Wieder liegt eine vergleichende Studie zwischen der Neuapostolischen Kirche und den Zeugen Jehovas vor. "Die beiden Gemeinschaften weisen hinsichtlich Entstehung, Lehre, Organisation und Glaubensleben gravierende Unterschiede auf. Die wesentlichen Gemeinsamkeiten besteht im starken Endzeitgedanken, dem in beiden Fällen extremen Elitebewusstsein und einer strikten Ausgrenzung zur Außenwelt. Vielleicht gerade aufgrund dieser beiden Gemeinsamkeiten zeigten sich im Bereich der Kindererziehung sehr viele Ähnlichkeiten." (S. 97)
Einleitend fragt Frau Roth: "Wie steht es um die Kindererziehung in autoritären Gemeinschaften, die dem Zeitgeist nicht nachlaufen und ein festes Menschen- und Gottesbild haben?" (S. 5)
Wer nun mutmaßt, hier würde ein Schwarz-in-schwarz-Gemälde dargeboten, wird bei der Lektüre eines besseren belehrt. Auch Frau Roth meint "positive Aspekte" entdecken zu können. Sie fasst diese dahingehend zusammen:
"Es gibt durchaus Vorteile einer totalitären Gemeinschaft, die auch für die Kinder von Bedeutung sind
Das Kind wächst in einem Milieu auf, in dem es Sicherheit, Zugehörigkeit und Anerkennung erleben kann.
Die Kinder werden vor Einflüssen unserer heutigen Gesellschaft bewahrt, von denen wir mit Sicherheit wissen, dass sie schädlich sind.
Sie bekommen eindeutige Antworten auf Fragen und wachsen in einem beständigen Wertesystem auf."
(S. 101)
Allerdings, auch das fügt sie im gleichen Zusammenhang noch an:
"Das größte Problem sehe ich hingegen darin, dass die Kinder keine Wahl haben, ob sie sich dem System anschließen wollen oder nicht. Sie müssen das Leben als Zeuge Jehovas oder als neuapostolischer Christ leben, mit all seinen Zwängen und Regeln."
Mit Unterstützung einer Selbsthilfegruppe, namentlich im Neuapostolischen Bereich, führte die Verfasserin entsprechende Fragegbogenaktionen durch. Die Resultate, die verallgemeinbar auch auf die Zeugen Jehovas übertragbar sind, fasst sie in die Worte zusammen:
"Das Leben der Neuapostolischen Christen ist sehr stark reglementiert. Es wird erwartet, dass sie ihren Lebensstil nach den Glaubensvorstellungen der NAK ausrichten. Es gibt zwar keine konkreten Vorschriften und es wird immer wieder betont, dass alle Richtlinien nur als Empfehlungen und Ratschläge anzusehen sind, jedoch werden sie von den meisten Mitgliedern streng befolgt.
Zusammenfassend lässt sich folgendes sagen: Die Entwicklung einer eigenen Identität ist in der NAK äußerst schwierig. Durch das Fernhalten von allen weltlichen Stätten und Andersgläubigen werden den Kindern wichtige Sozialisationsinstanzen ... und andere informelle Gruppen (z. B. Sportverein) vorenthalten.
Versuche, das eigene Unbehagen über die massive Bevormundung und Einengung durch das religiöse System zu äußern, werden mit Phrasen, Plattitüden, Belehrungen und subtilen Drohungen erstickt.
Kritik ist für die Führung der NAK ein rotes Tuch.
Das Ziel der NAK ist die Erziehung zu einem kritikunfähigen, angepassten, unterwürfigen, abhängigen und systemkonformen Menschen.
(S. 54, 55)
Zusammenfassend lässt es sich mit den Worten von Eimuth sagen: "Sekten-Kinder dürfen sich nicht zu autonomen Persönlichkeiten entwickeln. Sie werden behindert, manipuliert und kontrolliert. Dieses System ist als 'Psychische Kindesmisshandlung' zu bezeichnen." (S. 99)
In ihrem Literaturverzeichnis wird auch auf die Webseite von InfoLink hingewiesen.
 

Malle, Gerti

Kärntens vergessene Opfer der NS-Zeit : Widerstand und Verfolgung der Zeugen Jehovas

Klagenfurt, Univ., Dipl.-Arb., 2001 ,157 Bl.

Schrottner, David

Zwischen Öffnen und Abgrenzen : zur Soziologie der Außenbeziehungen der Zeugen Jehovas

Wien, Univ., Dipl.-Arb., 2001, 106 Bl.

2000

Hacke, Gerald

Diplomarbeit. Separat abgespeichert. Gerald Hacke

Torsten Graef
Die Sozialisation von Kindern und Jugendlichen in totalitären Sekten aus entwicklungspsychologischer Sicht, am Beispiel der Neuapostolischen Kirche und der Zeugen Jehovas
Diplomarbeit Fachbereich Sozialarbeit, Koblenz 2000
Einleitend kommt der Autor auf den Sektenbegriff zu sprechen und meint dazu:
„der Sektenbegriff (ist) im heutigen umgangssprachlichen Sinne ganz anders definiert. So beruht unsere Kultur nicht mehr auf einem religiösen, sondern ethisch begründeten Humanismus, d.h. auf starken Überzeugungen, die festlegen, wie menschlich mit anderen Menschen umzugehen ist und wie ein „gutes Leben" für einen Menschen aussehen sollte. Begriffe wie Menschenwürde, Freiheit, Toleranz, Selbstentfaltung, Selbstverwirklichung bezeichnen die Orientierungspunkte, an denen menschliches Handeln gemessen wird. Aus diesem Grund bezieht sich der Begriff „Sekte" in der Umgangssprache immer mehr auf die Gruppen, die gegen diese ethischen Vorstellungen verstoßen, die Abhängigkeiten statt freie Entscheidungsmöglichkeit hervorrufen, die Menschen entwürdigen und zur Intoleranz anleiten usw."
Neben einigen Büchern, die eher auf „Publikumswirksamkeit" hinzielen, als auf tiefschürende Untersuchung, etwa die von Hugo Stamm, oder auch die des Kurt-Helmuth Eimuth, bildet insbesondere das Buch von Olaf Stoffel: „Angeklagt. Die Neuapostolische Kirche" sein Hauptargumentationsreservoir. Dessen Thesen werden von ihm im breiten Umfang übernommen. Formal räumt er zwar ein, dass Stoffel als „gebrandtes Kind" dieser Religionsgemeinschaft, vielleicht nicht immer objektiv sein könnte. Dieses „könnte" hat aber in der Praxis keinen tieferen Stellenwert für ihn. Und weitgehend kann man wohl sagen: Stoffel hat sehr wohl den „Nerv" erfasst, worum es denn im diesbezüglichen Diskurs zu gehen habe. Das genannte „könnte" ist denn wohl eher einer verbalen Verbeugung jenen gegenüber zu sehen, die auf der Gegnerseite von Stoffel stehen.
Hat der Autor Stoffel durchaus zutreffend erfasst, bedeutet das nicht unbedingt, vor Entgleisungen grundsätzlich gewappnet gewesen zu sein. Wie schon angedeutet, gehörte auch eher dem Bereich Trivalliteratur zuzuordnendes mit zu seiner Lektüre. Wenn er auch solches liest, dann ist dagegen erst mal nichts einzuwenden. Bedenklich wird das aber dann, wenn er auch Thesen aus diesem Bereich mit übernimmt. So kann man bei ihm den wahrlich trivalen Satz auch lesen:
„Die Sektenmitglieder haben kein Privateigentum und/oder Geld und sind somit materiell von der Sekte abhängig. Sie bekommen meist keine Bezahlung für ihre Tätigkeit und sind weder unfall-, kranken oder rentenversichert. Oftmals werden Paß und Führerschein von der Sektenführung gemeinsam aufbewahrt."
Es sei jetzt nicht darüber gestritten; ob es denn Religionsgemeinschaften gegeben hat, die das mal so praktiziert hatten oder noch praktzieren. Liest aber einer mit Neuapostolischer oder Zeugen Jehovas-Sozialisation diese Arbeit, dann drängt sich dem doch unwillkürlich der Fragesatz auf:
„Wann bitte schön, wurde je mein Paß oder Führerschein von der Sektenführung in Verwahrung genommen?"
Ein solcher Lapsus hätte im Kontext dieser Arbeit nicht stehen bleiben dürfen. Es hätte bei Vorwürfen dieser Art, schon erheblich differenzierter argumentiert werden müssen. Diesen Vorhalt muss der Autor sich gefallen lassen.
Überhaupt ist diese Arbeit nicht „wertfrei". Dem Autor schwebt durchaus ein gewisser „Idealzustand" vor Augen; gleichzeitig erkennend, dass die tatsächliche Wirklichkeit in der Bundesrepublik Deutschland, Lichtjahre davon entfernt ist. So beklagt er etwa zutreffend:
„Die Ironie des Schicksals ist aber, daß genau diejenigen Gruppen, die die Menschenrechte mit Füßen treten, sich erfolgreich auf diese berufen und praktisch weltweit nicht belangt werden können. Die gleichen Verfassungen und Gesetze, die zum Schutz der Menschen erlassen worden sind, ermöglichen es den Sekten, ihre Anhänger zu indoktrinieren und ihnen die Freiheit zu rauben."
Er lässt es nicht bei dieser Klage bewenden. Er klagt weiter:
„Gegenwärtig gibt es in der Bundesrepublik Deutschland nur drei offizielle Sektenbeauftragte von Städten. Viele andere staatlichen Mitarbeiter, haben ihre Planstelle im Jugendamt und machen ihre Sektenarbeit nebenbei. Die betroffenen Familien werden allein gelassen. Der Staat hält sich bisher weitgehend, unter Berufung seiner Neutralitätspflicht gegenüber religiösen Gruppen, aus diesem Bereich zurück. Es existiert bis heute keine gesicherte Professionalisierung auf dem Gebiet der Beratung oder der Ausstiegshilfen für Betroffene. Es wäre eine gesetzliche Regelung wünschenswert, welche es dem Staat erlaubt, Sektenberatungsstellen finanziell zu unterstützen, damit es diesen ermöglicht wird, professionell zu arbeiten und hochwertige Aufklärungsarbeit über destruktive Sekten zu leisten."
Wie wahr, mag man dazu nur sagen. Indes in den Zeiten von „Hartz IV" fragt man sich weiter, wie „hilfreich" eine solche Forderung wohl ist? Ich weiß zwar nicht (will es auch gar nicht wissen), welche Partei am Wahltag, wohl die Stimme des geschätzten Autors bekommt. Ich weiss nur, dass sowohl „C"-Parteien aber auch noch einige andere, von Religions-Lobbyisten durchsetzt sind. In Zeiten wo dieses Land Deutschland, vor allem eines exportiert, nämlich die eigenen vormaligen Arbeitsplätze ins Ausland; sind die Chancen für Forderungen vorstehender Art nicht gerade „berauschend". Dem Autor muss daher vorgehalten werden. Er täte gut daran, erst einmal „kleinere Brötchen" zu backen. Ein solch „kleineres Brötchen" wäre beispielsweise die Zurückdrängung staatlicher Alimentierung der Religion, etwa als KdöR und noch einiges andere in dieser Richtung.
Erst wenn dieser Forderungskatalog im vielen späteren Jahrzehnten mal abgearbeitet sein sollte (hoffentlich). Erst dann wäre der Zeitpunkt herangereift, des Autors Forderung auf die Tagesordnung zu setzen. Sicherlich gibt es schon heute, indirekte Förderungen. Die aber sind dann in der Regel „großkirchlich" dominiert. Das Konkurrenz die Konkurrenz scharf analysieren vermag, sei nicht in Abrede gestellt. Ein fader Beigeschmack bleibt dennoch zurück, wenn diese staatliche Förderung sich in Natura als weitere Alimentierung der „Großkirchen" entpuppt.
Als einen der Kernsätze der Stoffel-Rezeption des Autors kann man auch den Satz ansehen:
„Somit kommt Stoffel zu dem Schluß, daß die Auswirkungen einer solchen Sozialisation verheerend sind. Die Kinder werden abgeschottet von wichtigen Erfahrungen mit der Außenwelt. Kindergärten, Schulen und später Ausbildung und Beruf werden nicht als Orte für Integration in die Gesellschaft betrachtet, sondern als feindliche Inseln einer von bösen Mächten beherrschten Welt angesehen. Oder sie dienen als Missionsgebiete um die letzten Auserwählten zu finden
Die NAK hat in der Öffentlichkeit meist den Status einer harmlosen, christlichen Sondergemeinschaft. Ihre Anhänger verhalten sich unauffällig, freundlich und geben bei oberflächlicher Betrachtung keinen Anlaß zur Kritik. Doch verbirgt sich hinter dieser freundlichen Fassade eine Ämterhierarchie, die gezielt mit pädagogischen und psychischen Methoden versucht, Einfluß auf ihre Mitglieder auszuüben. In dieser manipulativen und angstbesetzten Welt werden Kinder schon vom Säuglingsalter darauf „gedrillt" sich dieser „Heilslehre" unterzuordnen und sich dem restriktiven System der NAK widerstandslos und unkritisch anzupassen.
Mit ihrer Endzeitlehre übt die NAK einen solch massiven Druck auf Kinder und Erwachsene aus, welche in Angst mündet und ständige Versagensängste „nicht von Gott mitgenommen zu werden" zur Folge hat. Unter solchen Umständen ist es fast unmöglich eine autonome Identität aufzubauen, welche fähig ist, eigene Wert- und Moralvorstellungen zu entwickeln und die die Chance hat, sich selbst eine gewünschte Lebensorientierung und Sinnfindung zu geben."

Diesen wahrlichen Kernsatz stellt der Autor auch bei den Zeugen Jehovas fest, denen er dann unter Hinweis auf ihre Blutdoktrin beiläufig noch mit vorhält, dass die „Einstellung der Zeugen, Lebensgefahr oder auch den Tod des eigenen Kindes in Kauf zu nehmen und die eigene religiöse Überzeugung über das Leben des eigenen Kindes und des Kindeswohles zu stellen" offenbart.
Zusammenfassend urteilt er:
„Bei der Erziehung und Sozialisation von Kindern in der NAK und bei den Zeugen Jehovas, lassen sich viele Parallelen zwischen den beiden Sekten feststellen. Beide Sekten sehen die Form der Züchtigung als legitimes Mittel an, um konformes Verhalten bei ihren Kindern zu erzwingen. Durch ihre apokalyptische Weltanschauung manifestieren sie bei ihren Mitgliedern schon vom frühen Kindesalter irrationale Ängste vor einem strafenden, alles sehenden Gott."

Westphal, Kathrin

"Ursachen des Ausstieges aus religiös-fundamentalistischen Gruppierungen"

Diplomarbeit: Institut für Soziologie der Martin-Luther-Universität
Fachbereich Geschichte, Philosophie und Sozialwissenschaften
Halle/S. 2000

In der Form von Interviews führt die Autorin einige religiöse Gruppierungen vor. Unter anderem auch die Zeugen Jehovas. Aber auch solche, für die Totalitarismus gleichfalls kein Fremdwort ist, wie z. B. die "Boston Church of Christ". Hier interessieren im besonderen die Zeugen Jehovas. Der Bericht über die diesbezügliche Gesprächspartnerin wurde auch mit der Überschrift versehen: "Wir saßen zwischen zwei Stühlen".

Einleitend werden einige Informationen über das familiäre Umfeld vermittelt. Der Vater, von Beruf Musiker, hatte bereits Eltern, die beide Zeugen Jehovas sind. Die Uroma mütterlicherseits ebenfalls. Jedoch die Oma mütterlicherseits hat sich dann von den Zeugen Jehovas distanziert.

Die 30-jährige Gesprächspartnerin, in diesem Interview "Johanna" genannt, berichtet, dass ihre Eltern die bereits bestehende Zeugen Jehovas Tradition fortsetzen und auch ihre Kinder in diesem Sinne erzogen. Geographisch, und das ist nicht unwichtig, spielte sich das ganze auf dem Gebiet der vormaligen DDR ab.

Über eine bemerkenswerte Konfliktlage wird in diesem Bericht informiert:
"In der Familie spielt Religion zwar eine Rolle, aber die Handlungen des Vaters gegenüber der fundamentalistischen Gruppierung und deren Glauben waren widersprüchlich. Johanna erinnert sich, daß ihre Eltern wählen gegangen sind, was von Seiten der Zeugen Jehova verboten ist. Dieser Verstoß gegen die Regel am weltlichen Geschehen n i c h t teilnehmen zu dürfen, führte zu einem heftigen Konflikt zumal die Handlung zur Wahl zu gehen, heimlich, also ohne Wissen der Gruppierung, begangen wurde. Im Zuge des Bibelstudiums wurde ihre Schwester von anderen Mitgliedern ausgehorcht. Daraufhin 'verriet' sie, daß ihre Eltern zur Wahl gegangen waren sind. Der Konflikt zwischen der Gruppe und dem Vater ging soweit, daß ihr Vater daran dachte die Zeugen Jehova zu verlassen.

'Mein Vater wurde vorgeladen und der hat dann so richtig ein Faß aufgemacht und dann hat er gesagt, 'ihr wollt Christen sein und ihr spioniert, integriert und verfolgt euch', also, er hat ihnen allerhand vorgeworfen, diesen oberen Brüdern, weil es ist ja so ein Hierarchiesystem. Diese leitenden Brüder sind immer Männer gewesen, Frauen haben eben nichts zu sagen. Ja vor diesen Männern hat er sich da eben, wie vor einem hohen Gericht, gerechtfertigt. Ich war ja nicht dabei, er hat es uns nur erzählt und er war auch sehr zornig und er wollte da auch kurz nichts damit zu tun haben. Das hat uns ja auch geprägt. Irgendwie hatten wir dann den Eindruck, daß das alles verlogen ist irgendwie oder, daß da irgendwas nicht stimmt."

Aber auch die Kinder sollten alsbald erfahren, dass solche Konfliktlagen, wie sie im Falle ihrer Eltern hier schon geschildert wurden, auch nicht an ihnen "vorüberziehen" würden. Ganz im Gegenteil! Auch dazu ein Zitat aus dieser Studie:

"Der Tatsache geschuldet, daß Johannas Schwester älter ist, machte sie bestimmte Erfahrungen schon früher. Zum einen ist hier die soziale Isolation in der Schule zu nennen, die beide durchlitten, weil sie beispielsweise nicht bei den Pionieren waren. Ständig kamen Anfragen von den Kindern wie auch den Lehrern. Johannas Schwester trat daraufhin heimlich bei den Pionieren ein, um ein stückweit dazuzugehören. Als Johanna in die Schule kam durchlebte sie ebenfalls ein Außenseiterdasein und trat aus diesem Grunde, wie auch auf Bitten ihrer Schwester es ihr gleich zu tun, den Pionieren bei. Später traten Johanna wie auch ihre Schwester der FDJ (Freie Deutsche Jugend) bei.

'Wir wollten, wir hatten einfach nur Lust dazu zugehören, weil man durfte ja so schon nichts. Wir haben eben kein Geburtstag gefeiert, kein Weihnachten, durften nicht mit, wenn Fasching war, wir durften eigentlich nirgendwo mit, wir hatten eigentlich keine Freunde, wir waren immer zu Hause angebunden und dadurch waren wir sowieso schon Außenseiter und da hatten wir wenigstens durch die Pioniere und die FDJ, wenigstens da, da hatten wir wenigstens unsere Ruhe, so und waren eben ein bißchen dazugehörig."

Ihre Eltern erfuhren diese Mitgliedschaft durch den Besuch eines Lehrers im Elternhaus. Zutiefst bestürzte und auch wütende Reaktionen waren das Ergebnis, aber ein Verbot bzw. eine Aufforderung wieder auszutreten folgte nicht. Diese Teilnahme am Weltlichen wurde zu einem Geheimnis der Familie gegenüber den Zeugen. Besonders dann, wenn Verwandte zu Besuch waren."

Auch im Falle dieser Familie offenbart sich der durchaus verallgemeinerungswürdige Fakt, dass ein wesentlicher Faktor, der etliche Zeugen Jehovas veranlasst, bei "der Stange zu bleiben", ihr ebenfalls durch die Zeugen Jehovas geprägtes familiäres Umfeld ist. Man ist sich durchaus im klaren, dass ein Bruch mit der Zeugendoktrin vielfach einem familiären "Spießßrutenlaufen" gleichkommt. Also schluckt man einiges herunter, und spielt - je nach Veranlagung- so gut oder schlecht wie möglich, das gewünschte Theater mit.

Dies zeigt sich auch im vorliegenden Fall. Auch dazu ein entsprechendes Zitat:
"Wir haben Westverwandte gehabt, die eben ganz fanatische Zeugen Jehova sind, das ist die Cousine von meinem Vater. Wenn die gekommen sind, dann war immer das reinste Theaterstück abgelaufen. Da waren wir schon ein bißchen größer, da wußten ja unsere Eltern, wir sind in der FDJ, da haben sie uns immer bevor die kamen instruiert, und ja nicht verraten, daß ihr in der FDJ seid und dann wurde alles, die Zügel noch straffer gezogen und noch einmal Bibelstudium gemacht, praktisch noch einmal richtig gedrillt auf den Besuch, das ist wie so ein Staatsbesuch gewesen und dann haben wir Rollen gespielt und da haben wir auch nichts verraten und dann haben wir auch viel mehr vor dem Essen gebetet als die da waren als wir es sonst machten, … Aber wie gesagt, wenn die da waren, da war den ganzen Tag von nichts anderem die Rede als von Zeugen Jehova und dieser Thematik und oh oh, das war so öde."

Zur Geschichte unserer Titelheldin "Johanna" wäre noch anzumerken, dass dieses "Hin- und Hergerissen sein" auch in ihrem Fall noch Konsequenzen haben sollte. Es trat auch bei ihr noch eine Phase ein, wo sie sich selbst fragte, ja wie soll es denn nun mit mir weiter gehen? In dieser Phase raffte sie sich dazu auf, verstärkt auf den Zeugen Jehovas-Kurs einzuschwenken. Ja sie fasste sogar den Entschluss, wieder aus der FDJ auszutreten. Und trotz elterlichem Abraten (und die Eltern sahen da durchaus klar, welche Folgen dies für sie, namentlich in der demnächst bevorstehenden beruflichen Ausbildungsphase haben könnte). Trotz diesem elterlichen Bremsversuch, setzte sie diesen ZJ-Rigorismus in die Tat um.

Allerdings, dies hat man auch zu registrieren, erwies sich das ganze als eine Art "Schuss in den eigenen Ofen". Nachdem Johanna sich anschickte, ihren Vorsatz aus der FDJ austreten zu wollen, in die Praxis umzusetzen, kam es diesbezüglich zu einem langen, sehr langen Gespräch zwischen ihr und einem Vertreter der Schule. Letzterem muss es offenbar wohl doch gelungen sein, Johanna in gewisser Hinsicht "die Augen zu öffnen". Jedenfalls endete die Sache dergestalt, dass de facto, sich Johanna von den Zeugen Jehovas trennte. Noch lebte sie im Elternhaus. Jedoch bereits mit 18 Jahren nutzte sie die Chance das Elternhaus zu verlassen um so nicht mehr dem akuten Zeugen Jehovas-Druck ausgesetzt zu sein.

Noch ein Abschlußzitat aus diesem interessantem Bericht:
"Mit dem Verlassen des Elternhauses wurde Johanna immer mehr klar, daß sie weder zu den Zeugen Jehova noch zur Familie zurückkehren wollte. Schnell fand sie Anschluß in einer jungen Gemeinde, wo ihr die soziale Einbindung gelang. Auf Grund der Wendebewegung waren dort nicht nur Christen. Zum Zeitpunkt des Interviews gehörte sie keiner religiösen Gemeinschaft an.

'In die Kirche gehe ich auch nicht. Ich weiß nicht, daß ich durch und durch Atheistin geworden bin, das würde ich gar nicht mal sagen. Ich glaube zwar an keinen Gott, aber ich bin vom Wesen her jetzt nicht so realistisch oder atheistisch oder so, aber ich würde mich nirgendwo mehr anschließen. Nein.'

Johanna machte das Abitur auf der Abendschule nach und begann ein Studium, welches sie als Befreiung empfindet."

Behrens, Haiko
"Sekte als Ursache von Familienkrisen am Beispiel der Zeugen Jehovas"
Wissenschaftliche Hausarbeit zur Erlangung des Fakultätsexamens der Evangelischen Theologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel im Fach Praktische Theologie
Kiel 2000, 50 + 5 Seiten.

Der Verfasser leitet ein mit der Feststellung, dass Jehovas Zeugen "sich in ihrer Mitgliederwerbung nicht auf 'religiöse Träumer' spezialisiert, sondern auf Menschen in Krisensituationen. Solche Krisensituationen sind häufig im familiären Umfeld zu finden."
Zur Veranschaulichung dient ihm ein Fallbeispiel:

Ein Ehepaar leidet darunter, dass der Berufsalltag auch Schattenseiten mit sich bringt. Der Mann kommt häufig erschöpft von der Arbeit und ist in dieser Situation kaum noch zu einem intensiven Gedankenaustausch fähig. Seine Frau sucht Ausgleich in einem starken kirchlichen Engagement. Dieses ist aber auch an den Wochenenden, so dass auch diese Chance gemeinsam etwas zur Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühles tun zu können, vertan wird. Ihr Sohn empfindet die familiäre Situation auch nicht als besonders förderlich. Sein begonnenes Universitätsstudium schleppt sich mehr schlecht als recht dahin. Also auch er ist frustriert. Eines Tages lernt er eine Zeugin Jehovas kennen und deren bekannte Werbestrategien führen zum Erfolg. Seine Eltern fallen ob der Mitteilung, er sei nun auch getaufter Zeuge Jehovas symbolisch "aus allen Wolken". Vorher hatten sie sich kaum mit dem Komplex Zeugen Jehovas befasst. Ihr diesbezüglicher Wissensstand ist gering. Sie registrieren aber, dass sich durch den Einfluss der Zeugen Jehovas, das Studienverhalten ihres Sohnes rapide weiter verschlechtert hat.

In dieser Situation suchen sie nach Hilfe mit der Zielstellung "Ausstiegsberatung".

Begrüßenswert ist, dass der Verfasser obiger Studie aber als Quintessenz seines Fallbeispieles zu dem Schluss kommt:
"Ausstiegsberatung ist meines Erachtens daher stets auch Familienberatung".

Dieser Erkenntnis kann man beipflichten. Ein nur isoliertes Eingehen auf die elterlichen Wünsche ohne Berücksichtigung des geschilderten Backgroundes ist in der Tat fragwürdig!

Koiner, Karl Heinz

"extra ecclesiam nulla salus" : historische Aspekte der Wachtturmgesellschaft und Kommunikationsstrukturen "geschlossener" Systeme

Wien, Univ., Dipl.-Arb., 2001, 158 Bl.

1999

Meyer, Markus

Bindungseffekte in 'gierigen Organisationen':
Inklusionsverhältnisse bei den Zeugen Jehovas

Diplomarbeit im Fachgebiet Organisationssoziologie
Gerhard-Mercator-Universität-GH-Duisburg; 135 Seiten
Duisburg, 1999

Die Themenstellung, der Meyer sich aus soziologischer Sicht widmet bringt er einleitend in der These zum Ausdruck: "Tatsächlich ist für alle sogenannten Sekten charakteristisch, dass es ihnen trotz zumeist hoher organisatorischer Anforderungen an die Mitglieder gelingt, diese fest an sich zu binden. Dabei darf nicht vergessen werden, dass ungeachtet der Bestrebungen, die Mitglieder von der Umwelt zu separieren, diese zumeist weiterhin mit konkurrierenden Einflüssen aus der Umwelt, beispielsweise in Form von alternativen Weltanschauungen konfrontiert werden. Dies macht auf die Techniken und Mechanismen neugierig, die die 'Sektenorganisation' entwickeln muß, um längerfristige Mitgliedsbindungen sicherstellen zu können."

Der Autor differenziert in diesem Kontext zwischen "gierigen Organisationen" und "totalen Institutionen". Die Zeugen Jehovas bewertet er mit der ersteren Vokabel; während er den Begriff "totale Institutionen" auf "Gefängnisse, Arbeitslager, Psychiatrien und Waiserhäuser" angewendet wissen will.

Bei dem Versuch eine Antwort auf seine Fragestellung zu gewinnen, stützte er sich dabei auch auf einige Interviews mit aktiven, aber auch mit ehemaligen Zeugen Jehovas. Darüber hinausgehend referiert er im Abschnitt "Was macht eine 'Sekte' zur 'Sekte'?" auch einige prinzipiellere Feststellungen die er in sechs Punkten zusammenfasst. Nach Meyer sind dies.

1. Freiwillige Mitgliedschaft. Mit der Einschränkung: "Es besteht allerdings die Tendenz, dass Kinder unter Einfluss der Eltern durch Sozialisierungsprozesse in die Denkweisen der 'Sekte' eingeführt werden. Doch verhält es sich oft so, dass eine Sekte von ihrem Nachwuchs ein ebenso großes Maß von ausdrücklicher Einwilligung in ihre Grundsätze verlangt wie von den Eltern.
2. Elitäres Selbstverständnis. Die 'Sekte' geht davon aus, dass nur sie allein die Wahrheit besitzt, während alle anderen sich auf einem Irrweg befinden. Dies geht einher mit einer starken Vereinfachung der Welt, denn diese wird zweigeteilt in einen wahren und einen falschen Bereich bzw. in einen guten und einen bösen. Eine weitergehende Differenzierung der Welt findet nicht statt.
3. Würdigkeit. Nicht jeder kann der 'Sekte' beitreten, es gibt Aufnahmebedingungen. Die 'Sekte' will "ein Verein der religiös voll Qualifizierten" sein.
4. Exklusivität der Bindung. Die Anhänger dürfen keine anderweitige Bindung zu einer anderen religiösen, oft auch politischen Organisation eingehen.
5. Ausschluss der 'Unwürdigen'. Nicht-konforme Mitglieder werden als Unwürdige aus der 'Sekte' ausgestoßen.
6. Abschottung nach außen. Die Gruppe ist ein geschlossenes System mit starren Außengrenzen. Die Mitglieder kontrollieren und bestrafen sich gegenseitig.

In zwei Hauptthesen fasst er dass Ergebnis seiner Untersuchung zusammen. Als einen Bindungsmechanismus nennt er die soziale Anerkennung als Belohnung. Sie kann nur derjenige erhalten, der sich nachhaltig für die Zeugenorganisation aufopfert. Je höher der Grad dieser "sozialen Anerkennung" innerhalb der Organisation ist, um so weniger "Frei"zeit hat der Betreffende in der Regel noch. Er befindet sich in einer Tretmühle, die ein inne werden des eigenen Tun und Lassens kaum noch zulässt.

Die zweite These von Meyer ist, dass die Zeugen Jehovas-Organisation hochgradig mit offenen und unterschwelligen Angstmechanismen arbeitet und so ihren Bestand wahrt. Dazu äußert er:

"So genügt allein die Wahrnehmung des angeblich gefährlichen Gefühls, um diese Angst auszulösen und einen Verdrängungsmechanismus in Gang zu bringen und konformitätsförderndes Verhalten zu stimulieren. Nur der, der diese Angst bewältigen und psychisch verarbeiten kann, kann die Organisation unbeschädigt verlassen. D. h. derjenige, der die Organisation verlassen möchte, muss bildlich gesprochen durch ein von der Organisation gespeistes Meer von Angst schwimmen um ans andere Ufer zu gelangen, wobei nicht zu vergessen ist, dass die Organisation auch den direkten Zwang einsetzt um das Mitglied an die Organisation zu binden, denn die Organisation behält sich ja die Option vor, nicht konforme Mitglieder durch den sogenannten 'Gemeinschaftsentzug' aus der Organisation auszuschließen. Nochmals: die Angst wird erst durch die Organisationsstruktur im Wechselverhältnis mit den Glaubenslehren als Bindungsmechanismus erzeugt, d. h. sie ist in diesem Sinne nicht 'naturgegeben'."

Hinckers, Anne
"Einfluss der Zugehörigkeit zu Endzeitgemeinschaften auf die psychische Gesundheit".
Landau 1999, Diplomarbeit, Universität Koblenz-Landau, Fachbereich Psychologie 152 Seiten.

Als einen Kernsatz zitiert Hinckers aus einer 1975 im "British Journal of Psychatrie" veröffentlichten Studie die aussagte, dass bei Mitgliedern der fraglichen Religionsgemeinschaften festzustellen sei, das bei ihnen "dreimal häufiger" Schizophrenie bzw. viermal häufiger paranoide Schizophrenie diagnostiziert würde als bei dem Rest der übrigen Bevölkerung. Diese Aussage würde ich nicht überbewerten wollen, aber auch nicht abstreiten. Wichtiger erscheint mir ein anderer Aspekt der Arbeit von Hinckers. Sie kommt auch auf die sogenannte Theorie der kognitiven Dissonanz zu sprechen.

Dazu führt sie aus:
"Obwohl von neun ehemaligen Zeugen Jehovas vier das Datum 1975, also den letzten offiziell genannten Zeitpunkt für den erwarteten Weltuntergang miterlebten, war es für keinen konkret ein Anlass die Gruppe zu verlassen. … Auch wenn Freundschaften innerhalb der Gruppe sich nicht als so belastbar herausstellten, wie erwartet, so verblieben die Befragten durchschnittlich 20 Jahre in dieser Gruppierung. Auch hier könnte eine Erklärung der kognitiven Dissonanztheorie greifen. Je mehr der Einzelne investiert hat, je mehr Anstrengung er aufgewendet hat, um dazu zu gehören - und die Befragten haben sich ja in der Gruppe stark engagiert - desto schwerer fällt es, aus eben dieser auszutreten.

Zum Ende der Mitgliedschaft wird in der Regel erkannt, dass in der Gruppe keine wahren Freunde existieren und Informationen aus Büchern, Broschüren etc. über die Gruppe gesucht werden."

Wenderoth, Anette
"Arbeit an Moral"
Oldenburg 1999, Dissertation

Es ist zur Zeit noch eine relativ kleine Gruppe, die Publikation von Dissertationen über das Internet. Aber man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass diese elektronischen Dissertationen in der Zukunft größere Bedeutung erlangen werden. Eigentlich sollen Dissertationen in dieser Serie nicht sonderlich berücksichtigt werden. Namentlich solche, die in der konventionellen gedruckten Form vorliegen. In diesem Fall soll mal eine Ausnahme gemacht werden, weil hier beiläufig in Kapitel 9 und 10 auf die Zeugen Jehovas eingegangen wird.

In Kapitel 9 wird auf die Talkshow-Fernsehsendung "Die Unverbesserlichen-Zeugen Jehovas" der Serie "Hans Meiser" des Senders RTL vom 21. 1. 1997 Bezug genommen. Die Redaktion bekam zu dieser Sendung 26 Leserbriefe. Meine persönliche Meinung zu solchen Talshows ist, dass sie in der Regel ziemlich seicht sind. Subjektive Meinungen, können in dieser Gesprächsform nicht bis ins letzte Detail hieb- und stichfest dargestellt werden. Darauf wiederum basieren die Leserbriefe, zum überwiegenden Teil von Zeugen Jehovas verfasst.

Das 10. Kapitel behandelt die Pro 7 Sendung "Arabella" vom 13. 2. 97 mit dem Titel "Ich entkam der Sekte". War die Meiser-Sendung konzeptionell allein auf die Zeugen Jehovas ausgerichtet, so besteht bei der Arabella-Sendung eine andere Sachlage. In ihr sind die Zeugen Jehovas nur eine von mehreren besprochenen Gruppen. Auch zu dieser Sendung gab es 31 Leserbriefe.

Diese seichten Fernsehsendungen repräsentieren in der Regel säkulare Kritik (auch) an den Zeugen Jehovas. Sie sprechen ein säkulares Publikum an, das im Bildzeitungsstil "informiert" werden möchte. Es ist mir durchaus verständlich, dass daraufhin aus Zeugenkreisen Protestbriefe eingehen. Bekanntlich ist die "Bildzeitung" nicht gerade "berühmt" für tiefschürfende Analysen - eher für das Gegenteil. Dies gilt auch für die genannten Fernsehsendungen. Der Wert der erwähnten Kapitel der Arbeit von Anette Wenderoth liegt also primär in der textlichen Dokumentation dieser Sendungen, die ja ohne Zweifel einen größeren Zuschauerkreis erreicht haben.

Die Arbeit von Wenderoth ist im Internet erreichbar unter der Adresse:

http://oops.uni-oldenburg.de/423/

Siehe auch: Detailauszug, Wenderoth, Arbeit an Moral

Caporale, Clarita
Steinemann-Uithoven, Emmy
"Aufwachsen in einer Sektenfamilie: aufgezeigt am Beispiel der Zeugen Jehovas."
Diplomarbeit, Zürich Schule für Soziale Arbeit, Lehrgang Teilzeitausbildung; 62 Bl.
Zürich 1999.

Dem Vernehmen nach, soll diese Arbeit jetzt auch über den Buchhandel beschaffbar sein (ISBN 3-905596-27-X, Verlag "Soziothek (Zürich, Schweiz)). Hier wird jedoch noch auf das eigentliche Diplomarbeits-Exemplar bezug genommen. Die Autorinnen sagen von sich, dass sie selbst Mütter seien. Sie vermerken dazu:

"Durch die Auseinandersetzung mit dem Thema Sozialisation und Pubertät sind wir heute froh darüber … auch wenn es öfters Nerven kostet bzw. gekostet hat, sie durch die Pubertät zu lotsen, sind wir doch auch als Mütter mit dem Ergebnis unserer Erziehung einigermaßen zufrieden."

Im scharfen Kontrast dazu sehen sie die Erziehungspraxis der Zeugen Jehovas. Ihr diesbezügliches Befremdetsein, bringen sie an verschiedenen Stellen ihrer Arbeit immer wieder neu zum Ausdruck. So etwa in ihrer Bemerkung:

"Obwohl viele Kinder heutzutage mit audiovisuellen Medien aufwachsen und demzufolge mit Gewalt verschiedenster Art konfrontiert werden und auch in herkömmlichen Familien Kinder körperlicher Gewalt ausgesetzt sind, meinen wir doch, dass die Jehova Erziehung bezüglich Harmagedon und Züchtigung in einer anderen Dimension gesehen werden muss. Die Zeugen Jehova-Kinder beziehen die Harmagedon-Geschichte auf sich selber und leben dauernd in Angst und Schuldgefühlen. Bei jedem Vergehen wird mit der Vernichtung in Harmagedon gedroht. Die Züchtigung findet im Namen Gottes statt, somit werden die Zeugen Jehova-Kinder doppelt bestraft, steht doch über den Eltern noch der omnipräsente rachsüchtige Gott Jehova.

Wir stellen fest, dass Angst in der Erziehung der Zeugen Jehova-Kinder eine grosse Rolle spielt. Die Kinder werden unserer Meinung nach regelrecht auf Angst konditioniert."

Oder etwa in ihrem Ausruf:
"Ein normaler Ablösungsprozeß und die dafür notwendige Unabhängigkeit von den Eltern ist auf Grund dieser Bedingungen nicht möglich. Sie können "nur" eine Identität übernehmen, was soviel bedeutet, dass sie die Erwartungen der Erwachenen erfüllen und nicht rebellieren. Die Erfahrung einer Identitätskrise fehlt ihnen und somit auch die Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühles und einer Unabhängigkeit ohne Schuldgefühle. Sie müssen sich entweder total anpassen oder es erfolgt der totale Bruch mit Religion und Elternhaus. …

Jugendliche, die de Probleme ihrer Adoleszenzeit nicht lösen können, werden weiterhin Intoleranz, Cliquenbewusstsein, Gewalt gegen Andere, Überidentifikation mit Idolen oder FührerInnen-Figuren an den Tag legen."

Auch diese Arbeit stellt in ihrer Gesamtheit, ein vernichtendes Urteil über die Erziehungspraxis der Zeugen Jehovas dar!

Köhler, Rolf

»Das Gottesverständnis der Zeugen Jehovas«

Diplomarbeit, Fachbereich Katholische Theologie der

Johannes Gutenberg-Universität, Mainz 1999

Unter anderem bietet Köhler einen knappen Abriss, geschichichtlicher Daten bezüglich der Entwicklung der Zeugen Jehovas. Da wird zwar auch nichts grundlegend neues gesagt, aber auch nichts falsches. So beziffert er etwa die Zahl der Zeugen Jehovas-Versammlungen in Deutschland auf 2083 Versammlungen. Interessant dabei auch das Detail, dass man 1998 in Deutschland allein schon 371 fremdsprachige Versammlungen hatte. Das bedeutet in Prozentzahlen umgerechnet, rund jede 5,62 Zeugen Jehovas-Versammlung ist eine fremdsprachige. Und offenbar ist der fremdsprachige Anteil bei den Zeugen Jehovas in Deutschland, nach wie vor im wachsen begriffen. Was man von den eigentlich deutschen Zeugen Jehovas nicht mehr sagen kann. Ihre Jahrbuchzahlen nehmen diese Differenzierung nicht vor. Immerhin steht fest; ohne diesen fremdsprachigen Anteil sähen die deutschen Zeugen Jehovas-Jahrbuchzahlen weit ungünstiger aus.

Dies alles findet nicht das besondere Interesse von Köhler. Es wurde hier auch nur am Rande mit vermerkt, weil es sich von seinen beiden oben genannten Zahlen her so ergab.

Wie schon der Titel seiner Arbeit verkündet, will er über das "Gottesverständnis der Zeugen Jehovas" reflektieren. Da findet man dann bei ihm dazu beispielsweise auch Sätze wie dieser:

Die von den Zeugen Jehovas vertretene »Loskaufsopfer-Theorie« hat gewisse Gemeinsamkeiten mit, aber auch wesentliche Unterschiede zur »Satisfaktionstheorie« des Anselm von Canterbury.

So, "danke" für die Belehrung, ist man dazu geneigt nur zu antworten. Dies mag die Autraggeber, die sich ja bekanntlich Fachbereich katholische Theologie der Universität Mainz nennen, möglicherweise befriedigen. Herr Köhler stellte seine Diplomarbeit aber auch via Internet auf der Webseite von Infolink zur Verfügung. Das ist eine Webseite, die bekanntermaßen besonders von denjenigen frequentiert wird, die passive oder aktive persönliche Beziehung zu den Zeugen Jehovas haben. Wenn die da auch die Ausführungen des Herrn Köhler lesen, bleibt bei denen nur ein Eindruck zurück. Da versucht einer "böhmische Dörfer" denjenigen "verständlich" zu machen, die kein Böhmisch verstehen. 

Berg, Sandra
Die Verfolgung der Zeugen Jehovas in Köln von 1933 bis 1945. Ein museumsdidaktisches Konzept. Schriftliche Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt Sekundarstufe II,
Bonn 1999

1998

Littkemann, Esther Gabriel
"Probleme und pädagogische Möglichkeiten beim Ausstieg aus Sekten: am Beispiel Zeugen Jehovas".
Kiel 1998, Diplomarbeit Fachhochschule, Fachbereich Sozialwesen, 184 Seiten.
Zentralbibliothek der Fachhochschule Kiel (Ki 95).

Wie auch andere, stellt auch die Autorin fest: "Ein Sektenausstieg stellt einen großen emotionalen Kraftakt dar" (S. 130). An anderer Stelle vermerkt sie gleichfalls richtig:
Es "wurde am Beispiel der Zeugen Jehovas deutlich, mit welchen Mitteln die Sektenanhänger zu immer höheren Leistungen angetrieben werden. Dieser hohen, vor allem psychischen, aber auch körperlichen Belastung halten viele Sektenmitglieder nicht auf Dauer stand. Gleichzeitig nehmen sie die Doppelbödigkeit der Sekte wahr, die sich nach außen hin als homogene Gruppe verkauft, sich unter Ausschluß der Öffentlichkeit aber in ganz anderem Licht präsentiert" (S. 124).

Im Kontext dieser Aussagen nimmt man mit besonderem Interesse die persönliche Biographie der Autorin zur Kenntnis, macht diese doch deutlich, dass für sie Zeugen Jehovas keinesfalls ein "Fremdbegriff" ist. 1971 geboren, als drittes von vier Kindern, bekommt sie schon im zarten Kinderalter von sieben Jahren mit, dass ihrem Vater von der örtlichen Versammlung der Zeugen Jehovas, durch das sogenannte Rechtskomitee die Gemeinschaft entzogen wird. Über ihre Mutter vermerkt sie, sie habe sich ebenfalls zurückgezogen, wurde aber nicht ausgeschlossen. "Ab diesem Zeitpunkt wuchsen meine Geschwister und ich in einem vergleichsweise liberalen Zeugen Jehovas-Haushalt auf. Wir durften an nahezu allen schulischen Aktivitäten teilnehmen und Freundschaften zu Nicht-Zeugen Jehovas-Kindern eingehen. An weltlichen Festivitäten, wie Weihnachten und Ostern, nahmen wir jedoch nicht teil."

Bis zu ihrem siebten Lebensjahr wahr auch sie im strengen Sinne im Sinne der Zeugen Jehovas erzogen worden. Dann trat vorbeschriebene Änderung ein. Die Zeugen Jehovas ließen auch in ihrem Falle nicht locker und konnten erreichen (da die Eltern das nicht mehr taten), dass mit ihr ein sogenanntes Familienbuchstudium durchgeführt wurde, eben nur mit dem "Schönheitsfehler", nicht durch die Eltern. Die permanente Beeinflussung zeitigte Früchte. Unsere Autorin ließ sich mit siebzehn Jahren, im Jahre 1988 taufen. Und sogar ihr einst ausgeschlossener Vater, kehrte nach zehn Jahren zu den Zeugen Jehovas zurück. Die örtlichen Zeugenfunktionäre konnten wohl, ob dieser Entwicklung, relativ zufrieden sein.

Die nächste Phase ihres Lebensweges beschreibt die Autorin mit den Worten:
"Nach dem Abklingen der euphorischen Phase kurz nach der Taufe wurde die Teilnahme an sämtlichen Versammlungsaktivitäten mehr und mehr zur Belastung. Da ich mich zu dieser Zeit in der Berufsausbildung befand und trotzdem allen Verpflichtungen als Zeugin Jehovas nachkommen wollte, blieb mir kaum noch Freizeit für eigene Interessen. Wenn ich dennoch Freizeit hatte, hatte ich sofort ein schlechtes Gewissen, sie nicht für die 'Königreichsinteressen' einzusetzen."

Die ZJ-Wirklichkeit hatte auch sie eingeholt!
Die nächste Phase ihres Lebensweges beschreibt sie als die zunehmende Entwicklung eines "Doppellebens". Einerseits die rigoristischen Anforderungen der WTG-Organisation; andererseits ein gewisses bremsendes Moment durch noch vorhandene Kontakte zu Außenstehenden. Nach beiden Seiten versuchte sie sich äußerlich angepasst zu zeigen. Es versteht sich, dass die diesbezüglichen Kontroversen sich in ihrem inneren abspielten. Ihre damalige Befindlichkeit kleidet sie in die Worte:

"Wünschte ich mir mehr und mehr, die Zeugen Jehovas verlassen zu können, um frei und ohne ein ständig aufkommendes schlechtes Gewissen leben zu können. Doch beim gedanklichen Durchspielen dieses Wunsches mußte ich mir eingestehen, daß ich es allein ohne Hilfe von außen nicht schaffen würde."

Sie berichtet weiter, dass die Aufnahme einer engeren Beziehung im Jahre 1990 zu einem sogenannten "Weltmenschen" in ihrem Fall die latent unterschwellig vorhandene Konfliktsituation noch weiter verschärfte. Einerseits fielen ihr die WTG-Vorgaben noch schwerer, als wie ohnehin schon vordem. Andererseits fand sie aber noch immer nicht die Kraft einen klaren Schlussstrich zu ziehen.

Eine Episode aus dieser Phase sei noch zitiert:
"Zweimal startete ich den Versuch, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, doch beide Male hatte ich das Gefühl, daß mein Problem weder ernstgenommen noch verstanden wurde. Im ersten Gespräch wurde mir geraten, mich nochmals mit meinem Vater auszusprechen, er würde mich dann bestimmt verstehen (Ratschlag eines Sozialarbeiters). Im zweiten Gespräch wurde ich zur Teilnahme an einer Bibelgruppe eingeladen (Ratschlag eines Beauftragten für Weltanschauungsfragen). Nach diesen beiden Gesprächen war mein Bedarf an professioneller Hilfe gedeckt und ich entschloß mich, die Sektenmitgliedschaft allein zu verarbeiten."

Wesentliche Hilfe bot der Autorin die wiederbelebte Bekanntschaft zu einer anderen (inzwischen auch ehemaligen) Zeugin Jehovas aus ihrer ursprünglichen Versammlung. Erst diese Kontakte gaben ihr die nötige Kraft um die noch fälligen Zäsuren in ihrem Leben durchzusetzen und auch durchzuhalten.

Grönlund, Marita
"Die Komplexität kritischer Lebensereignisse am Beispiel des Sektenausstieges".
Landau 1998, Diplomarbeit. Fachbereich Psychologie der Universität Koblenz-Landau, Abteilung Landau. 77 Seiten.

In der Arbeit von Grönlund erscheint mir besonders jener Aspekt bedenkenswert, indem sie hervorhebt, dass bei den von ihr interviewten Aussteigern sich ein hoher Anteil jener befand, die von Kindheit in den entsprechenden Glauben hineingewachsen waren. Sie schreibt:

"Diese Erfahrung machte ich auch bei meinen Interviews: von 15 Betroffenen waren 12 von Kindheit an, in einer Sekte aufgewachsen. Die Kinder trafen also nicht selbst die Entscheidung, einer Sekte beizutreten, sondern waren in diesen Fällen ihren Eltern 'ausgeliefert'. …

Die Tatsache, dass die Kinder durch Verhaltensvorschriften an vielen Aktivitäten der Schule oder des Kindergartens nicht teilnehmen dürfen, könnte dazu führen, dass sie als Außenseiter behandelt werden und/oder sich als solche fühlen. … Die Alternative zum Außenseiterdasein wäre das Verstoßen gegen diese Verhaltensvorschriften, was zu größeren inneren Konflikten der Kinder führen oder sie zu einem Doppelleben zwingen könnte. Ein weiteres Problem, dass die Sektenkinder haben, ist die Tatsache, dass sie sich, wenn sie sich von der Glaubensgemeinschaft lösen möchten, komplett von ihrem sozialen Umfeld, oft die Eltern mit eingeschlossen, distanzieren müssen. Sie stehen in dieser Situation in einer, für sie, fremden Gesellschaft, da sie bis zu diesem Zeitpunkt in einem geschlossenen System jahrelang gelebt haben."

Fötsch, Johann
"Sekten - die Zeugen Jehovas. Brennpunkt: Lehre und gesellschaftliche Herausforderung anhand von Staatsverständnis und Bluttransfusion".
Graz 1998, Diplomarbeit 87 Seiten
Universitätsbibliothek Graz II 605941

Hug, Egon
"Die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften im Lichte des Erkenntnisses des VfGH -"Jehovas Zeugen".
Innsbruck 1998, Diplomarbeit, 67 + 5 Blatt.
Österreichische Nationalbibliothek Wien: 1538159-C

Pöckl, Christian
"Die Wehrpflicht und die Rechtsproblematik der Totalverweigerung durch Angehörige der Zeugen Jehovas".
Salzburg 1998, Diplomarbeit, 100 + 4 Blatt.
Österreichische Nationalbibliothek Wien: 1537204-C

Schuster, Jan
"Die Geschichte und Entwicklung der Zeugen Jehovas in Österreich mit besonderer Berücksichtigung ihrer Einflussnahme auf die Grazer Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts".
Graz 1998, Diplomarbeit, 115 Blatt.
Universitätsbibliothek Graz
Österreichische Nationalbibliothek Wien: 1537338-C

Zu ihr vermerkt Franz Graf-Stuhlhofer:

"In wissenschaftlicher Hinsicht völlig unbefriedigend ist die Diplomarbeit von Jan Schuster ... Bereits am Beginn sagt Schuster, der selbst Zeuge ist: "Da es sich um eine Art Selbstdarstellung der Zeugen Jehovas handelt, verwende ich ausschließlich von der Wachtturm-, Bibel- und Traktatgesellschaft herausgegebene Literatur." Somit werden jene Bücher, die nachweisen, wie tendenziös diese verwendete Literatur ist, einfach irgonriert. Diese Vorgangsweise mag dem Umgang einer Sekte mit Kritik entsprechen, sollte aber auf universitärem Boden nicht akzeptiert werden.

Hirch, Waldemar
"Das Sondergericht Darmstadt und die Zeugen Jehovas in der NS-Zeit".
o. O. 1998.

Hermanny, Christian
"Die Zeugen Jehovas im Spiegel der Printmedien - Eine Untersuchung zur Selbstdarstellung einer religiösen Sondergruppe im Vergleich mit ihrem Bild in der Tagespresse und Nachrichtenmagazinen
Bochum1998, Magisterarbeit

Lex, Matthias

"Was nicht im 'Wachtturm' steht. Eine kritische Betrachtung der 'Zeugen Jehovas und der 'Wachtturmgesellschaft'"

Diplomarbeit im Fachbereich Sozialarbeit

Fachhochschule Frankfurt am Main 1988, 112 Blatt.

Die Arbeit von Lex zerfällt meines Erachtens in "zwei Teile". In einen Darstellenden und einen Wertenden. Letzterer hat es dann besonders "in sich". Kann man schon aus der gewählten Überschrift entnehmen, dass der Autor sehr wohl der Wachtturmgesellschaft kritisch gegenübersteht, wird dieser Eindruck im wertenden Teil noch um ein vielfaches "verstärkt". Mir drängt sich dabei allerdings ein Vergleich auf. Geschichtlich gesehen gab es in der alten Bundesrepublik mal ein "studentisches Aufbegehren", dass als die "68-er Studentenunruhen" in die Analen einging. Da gab es dann tatsächlich buchstäbliche Tote. Der Name Rudi Dutschke ist dafür Beleg. Andere "68-er" (zum Beispiel der derzeitige (im Jahre 2002) Bundeskanzler, aber auch sein Außenminister, haben danach noch eine bemerkenswerte "Verwandlung" durchgemacht. Ihre einstmals revolutionären Sprüche, gehören für sie heute zur Vergangenheit.

Dies sei jetzt Schröder und Fischer nicht besonders angekreidet. Sie befinden sich da durchaus im Kontext mit der breiten Bevölkerungsmehrheit, die da ebenfalls nichts von revolutionären Sprüchen hält. Wäre es anders, würde die bei Wahlen doch wohl auch ziemlich oft mit kandidierende DKP oder PDS in der alten Bundesrepublik nicht auf einem kaum in Prozentzahlen zu beziffernden Niedrigstniveau vegetieren. Damit ist ausgesagt. Man kann, wenn man sich als symbolischer "68-er" versteht, auch den Zeugen Jehovas "kräftigst die Leviten lesen". Auch Lex tut dies. Dennoch bleibt es sehr die Frage, ob eine solche Position überhaupt "hilfreich" ist, da wie gesagt der breite Bevölkerungskonsens sie in keiner Weise stützt. Aber vielleicht tut man Lex mit diesem Votum unrecht. Vielleicht ist auch aus ihm, wie aus etlichen anderen vormals "68-er" inzwischen auch ein zahmer "Papiertiger" geworden.

Auch muss man in Rechnung setzen, dass seine Diplomarbeit noch vor dem weltgeschichtlichen "Crash" der "DDR" zum Abschluss gekommen ist. Dieses Votum nimmt deshalb nur auf seine seinerzeitige, zeitbedingte Stellungnahme Bezug. Die aber durchaus nichts über den "Lex der Gegenwart" auszusagen vermag.

Es ist Lex erspart geblieben, dass seine Arbeit auch von dem Journalisten Horst Knaut, Verfasser eines auf die Zeugen Jehovas bezüglichen Buches ("Propheten der Angst" 1975 erschienen) bewertet wurde. Hätte Knaut sich zu Lex geäußert. Mit Sicherheit hätte er ein ähnliches Maß an Prügel bezogen, die Knaut in jenem Buche auch mit verteilte.

Knaut meinte damals (gekürzt zitiert) "Politdümmeleien" wahrzunehmen, "die den Gossenreden gegen den Westen aus zurückliegenden Zeiten noch immer ähnelt."

Als besonders kritikwürdig bewertete Knaut die Aussage:

"Ein Nutznießer der Wachtturm-Gesellschaft ist die bürgerliche Gesellschaftsordnung, für die sich die Zeugen Jehovas in etlichen entscheidenden Bereichen als systemerhaltende Stützen erweisen, indem sie Menschen, die von ihrer sozialen Struktur normalerweise in überwältigender Mehrheit zur Arbeiterklasse gehören, durch ihre Lehren faktisch dahingehend beeinflußt, daß die Privilegierten der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaftsordnung ihre Vorrechte uneingeschränkt weiter ausbauen können. Die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaftsordnung weiß, was sie an der Wachtturm-Gesellschaft hat."

Mit Sicherheit wäre der dieserart auf das finden von "roten Tüchern", die ihn so recht in Wut versetzen können. Mit Sicherheit wäre besagter Herr Knaut, auch bei Herrn Lex fündig geworden. In den Vokabeln vielleicht geringfügig anders formuliert, aber in der Sache doch wohl ähnlich, liest man bei Lex z. B.:

"Daher ist es auch kein Wunder, daß jegliche außerparlamentarische Oppositionsbewegung in den Publikationen der 'WTG' ein negatives Image erhält, die denen der Springerpresse in nichts nachstehen. Hier wird ganz klar die Kausalität zwischen Kapitalismus und dessen Form von ökologischen Katastrophen und Wettrüsten erkannt.

Aber die 'Wachtturmgesellschaft' leitet den Protest in andere Bahnen.

Nach verbalem Protest ändert der 'Zeuge Jehovas' die Welt durch Beten und Predigen. Über solche Bürger reibt sich jedes System die Hände, von ihnen ist kein ernsthafter Widerstand gegen Raketen Atomkraftwerke und die Macht des Kapitals zu erwarten.

So ähnlich müssen sich die Arbeitsvorschriften der Frühkapitalisten für ihre Arbeiter angehört haben. 'Laßt euch ausbeuten und schweigt'. Eigentlich hätte jeder Kapitalist allen Grund dazu, eine weitere Verbreitung dieses Glaubens tatkräftig, bzw. finanziell zu unterstützen.

Eine solche Religion ist wahrlich Opium für das Volk. Vorgefundene Mißstände werden zwar verbal attackiert, aber der nötige Widerstand findet zwecks Vertröstung bis zum Paradies nie statt. Diese politische Einstellung zementiert die vorgefundenen politischen Verhältnisse und dient daher nur einer Klasse, den Herrschenden."

Ich bin mir sicher. Die Kritik des Herrn Knaut, wäre auch einem Matthias Lex in seiner Zeit vor 1989 garantiert.

Lex geht aber noch einen Schritt weiter. Da muss man dann doch wohl auf die berühmt-berüchtigte "Enquete-Kommission" des Deutschen Bundestages verweisen und auf ihr Endergebnis, dass dank der Kirchenlobby wie das "Hornberger Schießen" ausging. Viel Rauch und Nebel. Und Endergebnis. Fast null Komma nichts.

Das fand zwar erst ein paar Jahre nach der Diplomarbeit von Matthias Lex statt. Dennoch drängt sich dieser Vergleich auch auf, wenn man bei unserem Autor beispielsweise liest:

"Da es offensichtlich ist, daß hier ein Konzern eine Reihe gutgläubiger Menschen ausnutzt, stellt sich für mich die Frage des Verbots der WTG in der BRD.

Das vielbeschwörte Argument der Religionsfreiheit sollte in diesem Fall nicht zutreffen.

Welches Interesse verbirgt sich dann in einem kapitalistischen Staat an solchen Gruppen?

Um diese Frage für mich schlüssig zu beantworten schrieb ich daraufhin die großen gesellschaftlichen Gruppen an und bat sie um eine Stellungnahme zu den 'Zeugen Jehovas' und der 'Wachtturmgesellschaft'. Außer den beiden großen Kirchen war niemand in der Lage seine Position zu dieser Frage darzustellen, weder die CDU, FDP, SPD noch die Gewerkschaften. Die Grünen und die DKP reagierten bis heute nicht auf meine Anfrage.

Ich interpretiere diese Passivität dahingehend, daß keine politische Partei der BRD ein Interesse am Verbot der 'WTG' hat, da diese:

- eine staatserhaltende Ideologie vermittelt,

- vorhandene Systemkritik in ungefährliche Bahnen lenkt und das Protestpotential entpolitisiert.

In diesem Fall ist die Religion tatsächlich Opium für das Volk, denn die vorgefundenen Mißstände werden zwar verbal attackiert, aber anstatt Widerstand zu fordern, erfolgt die Vertröstung ins Paradies,

- die arbeitende Klasse in viele widersprüchliche Kleingruppen zersplittert, die alleine kein Interesse oder keine Macht haben herrschende Verhältnisse zu ändern."

Hier stellt sich wiederum die Frage nach der "Konsensfähigkeit" einer solchen These.

Wir haben in Deutschland schon zweimal ein Verbot der Zeugen Jehovas erlebt. In Hitlerdeutschland und der "DDR". Ich sage es klar heraus. Verbote sind das ungeeignetste von allen ungeeigneten Schritten. Sie werden meine Billigung

n i c h t finden. Eine ganz andere Frage ist, wie bewertet man die auch ohne KdöR nach wie vor gegebene Privilegierung der Zeugen Jehovas in steuerlicher Hinsicht z. B. Ist ihre Lehre wirklich staatserhaltend und damit von diesem als Bezuschußfähig bewertet?

Nur fürchte ich, diese Frage führt unter den obwaltenden Umständen nicht viel weiter. "Große Brötchen zu backen" - dies gehört doch wohl auf diesem Gebiet, in diesem Lande zu den unrealistischen Fata Morganas. Es wäre schon viel mehr erreicht, gelänge es wenigstens "kleine Brötchen" in Angriff zu nehmen.

Angesichts solcher Voten des Verfassers fragt man sich: Wie kommt er dazu? Hat er auch eine persönliche Betroffenheit, die ihn derartiges fordern lässt? Nun, man muss sagen: Er gehört nicht zu denjenigen, die von Kindheit an in den Zeugen Jehovas-Glauben hineinwuchsen. Gleichwohl spielten letztere in einer bestimmten Phase seines Lebens auch eine Rolle. In seinen eigenen Worten:

"Aufgrund ihrer eigenen Definition erheben 'Jehovas Zeugen' den Anspruch die 'wahren' Christen zu sein, sein Volk, das sich von der 'Welt' distanziert, unter 'Welt' verstehen sie hierbei alles, was nicht zu ihrer Organisation gehört.

Ich durfte die Bedeutung dieser Worte selbst schmerzlich erfahren. In meinem Freundeskreis schloß sich nach und nach eine ganze Gruppe 'Jehovas Zeugen' an.

Im Laufe der Zeit konnte ich Verhaltensänderungen, ein mir bis dato unbekanntes Geschichts- und Weltbild und eine veränderte Ausdrucksweise feststellen. Mit einem Wort, sie waren nicht mehr dieselben. Diese Distanzierung schloß auch unsere Freundschaft mit ein."

Ich erspare mir das jetzt weiter zu kommentieren. Der einzige Kommentar dazu, den ich mir dennoch nicht "verkneifen" kann, besteht in der Feststellung. Sofern die Verantwortlichen WTG-Apparatschiks noch die Spur von Gewissen haben sollten (was man bei diesen Herren allerdings mehr als bezweifeln kann), müssten ihnen vorzitierte Äußerungen eigentlich äußerst schrill in den Ohren klingen. Dann gibt es nur zwei Möglichkeiten als Folge dessen. Endgültig taub zu sein; oder in "Sack und Asche" Buße zu tun!
 

1997

Zscheile, Birgit
"Der Einfluss von Sekten - insbesondere auf Kinder und Jugendliche - am Beispiel 'Zeugen Jehovas' in den neuen Bundesländern".
Kiel 1997 Diplomarbeit, 80 + 7 Seiten.
Zentralbibliothek der Fachhochschule Kiel (Ki 95) Dip 1226a

Mit Birgit Zscheile meldet sich erstmals (in der Form einer Diplomarbeit) eine AutorIn zum Thema Zeugen Jehovas zu Wort, die in ihrer eigenen Biographie auch in den neuen Bundesländern angesiedelt ist. Die Entwicklung nach 1990 brachte auch in den neuen Bundesländern einen Umbruch im Schulwesen mit sich. Den diesbezüglich relevanten Aspekt beschreibt sie mit den Worten: "Das Gemeinschaftsgefühl der Schüler und Schülerinnen war sehr ausgeprägt, bedingt durch das überwiegend gemeinsame Durchlaufen aller zehn Klassenstufen der P(olytechnischen) O(ber) S(chule). Gab es im Leistungsvermögen schwächere Schüler, so wurden Gruppen organisiert, die den jeweiligen Schülern Nachhilfe gaben. Der Lehrstoff war (exakt) vorgegeben, der Leistungsdruck in der Schule moderat."
Mit der Übernahme der westlichen Schulstrukturen änderte sich auch dies. Der Leistungsdruck und die Tendenz zum Einzelkämpfertum wurden stärker. Auch an den Elternhäusern gingen die Veränderungen nach 1990 nicht "spurlos" vorüber. Der wirtschaftliche Existenzkampf, besonders im Zeichen einer keineswegs überwundenen hohen Arbeitslosenrate, forderte auch auf diesem Wege seinen Tribut. Hinzu kommt das massive Wegbrechen von seit DDR-Zeiten bestehender Freizeiteinrichtungen für Jugendliche aus Gründen ökonomischer Zwänge, der sie tragenden Kommunen.
"Die Familiensituation hat sich ebenso wie das übrige Umfeld der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den neuen Bundesländern verändert. Das Zusammenleben der Familienmitglieder ist heute größeren Belastungen ausgesetzt, die als innerfamiliäre Spannungen und Kontaktarmut sichtbar werden. Ursachen sind u. a. Arbeitslosigkeit, Unsicherheit des Arbeitsplatzes, Umstieg in die Selbständigkeit, soziale Zwänge (wie z. B. Steigende Mietpreise, Kostenerhöhungen im Bereich Werbungskosten), Geldmangel, Zukunftsangst, andererseits erweiterte Konsumtion, Statusdenken. Häufig kommt es nur noch zu funktionalen Gesprächen."
War zu DDR-Zeiten zu registrieren, dass jugendliche Zeugen Jehovas in nahezu allen Fällen ihre Sozialisation durch ein Elternhaus erfuhren, welches ebenfalls bereits den Zeugen Jehovas angehörte, so trat auch hier nunmehr ein Wechsel ein. Durch die bekannten Werbestrategien der Zeugen Jehovas, gelang es ihnen nunmehr auch Einbrüche in Schichten zu erreichen, die bislang von ihnen nicht erreicht wurden.
Zscheile formuliert: "Da die Zeugen Jehovas immer auf dem Gebiet der DDR vertreten waren, konnten sie ihre Erfahrungen nutzen und gezielt missionieren. Sie kannten die Bedürfnisse und Probleme, mit denen die Menschen jetzt lebten. Verstärkt … machten sie Hausbesuche bei noch nicht Bekehrten. Dabei zeigten die Zeugen Jehovas ein neues Verhalten. Sie umwarben nicht mehr nur Leute ab Ende zwanzig, sondern versuchten auch Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene anzusprechen, nach eigenem Angaben mit Erfolg. In Berlin gingen die Zeugen Jehovas in Schulen und Aussiedlerheime, um gezielt Mitglieder im Kinder- und Jugendalter anzuwerben."
Die AutorIn meint, bis etwa 1995 einen relativen Erfolg diesbezüglich wahrzunehmen, wenn sie etwa diesbezüglich notiert: "In den neuen Bundesländern war bis zum Jahre 1995 der Anteil der Zeugen Jehovas an der Bevölkerung höher, als in den alten Bundesländern. Seit Ende 1996 ist diesbezüglich eine Änderung eingetreten."

Auch Zscheile registriert aufmerksam die Schattenseiten der Zeugen Jehovas. Etwa wenn sie schreibt: "Sekten arbeiten oft mit Schwarz-Weiß-Denkweisen, wie Freund-Feind, Gut-Böse.
Sekten isolieren sich häufig vom gesellschaftlichen Umfeld (z. B. Ausbindung von Kindern aus bestimmten schulischen Veranstaltungen, Verweigerung staatsbürgerlicher Pflichten, die mit ihren Glaubensgrundsätzen konfrontieren; Widerstand gegen medizinische Eingriffe; Verweigerung von Kommunikation und Dialog mit Gruppen oder Einzelpersonen anderer gesellschaftlicher, weltanschaulicher und religiöser Richtungen, was u. a. auch in der Abweisung jeglicher Beantwortung von Fragen in Zusammenhang mit meiner Diplomarbeit zum Ausdruck kam; Verbot von Gesprächen der Mitglieder mit Außenstehenden, (sofern sie nicht mit Mitgliederwerbung beauftragt sind bzw. mit vorgegebener Wortwahl geführt werden).
Im Ergebnis stehen Dialogunfähigkeit und Isolation der Mitglieder gegenüber der Außenwelt.
Internes Wissen und interne Schriften unterliegen dem Verbot der Weitergabe an Außenstehende. Die Verteilung von Literatur, gezielte Gesprächsführungen u. ä. erfolgen nur mit konkretem Auftrag.
Jugendlichen wird von einem Studium abgeraten, ebenso von solchen Berufsrichtungen, die unmittelbar den Organisationen Satans dienen.
Die Zeugen Jehovas reden von Nächstenliebe und Heilung der Kranken, zeigen dabei aber keinerlei soziales Engagement, da sie nur um ihr Seelenheil Sorge tragen und die Heilung des Unheils in der Welt ihrer Meinung nach durch Jehova erfolgt."

Das daher die skizzierten Erfolge der Zeugen Jehovas unter vormaligen DDR-Jugendlichen auf einem durchaus morastigen Untergrund wurzeln, registriert auch Zscheile. In ihren Worten: "Bei den Zeugen Jehovas kann so ein auslösendes Moment das Verbot der außergemeinschaftlichen Kontakte sein, die für einen Jugendlichen und jungen Erwachsenen sehr wichtig sind. Diese Zweifel können auch nach einer langen Mitgliedschaft bei den Zeugen Jehovas aufkommen."
Um in der Literatur bereits veröffentlichte Veranschaulichungsbeispiele zu liefern, für ihre These; dass es unter den so von den Zeugen Jehovas angeworbenen Jugendlichen in den neuen Bundesländern, es eine nicht zu unterschätzende Fluktuation gebe, verweist sie auf die Fälle Hirlinger Wald und Marko Martin (auch auf dieser Webseite dokumentiert).
Insgesamt kann man sagen: Eine durchaus inhaltlich anregende Studie. Kritisch angemerkt sei noch, dass ihre beiläufige Streifung auch der Fragen "Körperschaft des öffentlichen Rechts" und Wehrersatzdienst einige Unkorrektheiten in ihrer diesbezüglichen Darstellung offenbaren. Der Bericht über ihre Arbeit sei mit der Wiedergabe jenes Absatz abgeschlossen, den sie selbst mit "Schlussfolgerung überschrieb:
"Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene erleben in der Sekte der Zeugen Jehovas, aufgrund der strikten Auslegung der Lehre, eine starke soziale Ausgrenzung. Schon im frühesten Kindesalter werden sie durch die Sekten überdimensional charakterlich geformt. Die in der Kinder- und Jugendzeit erforderliche Entwicklungsphase des Ausprobierens und Kennenlernens der Grenzen bleibt ihnen durch die strenge Erziehung und die damit von der Lehre geforderte Anpassung an die Gemeinschaft verwehrt. Durch die starke Unterordnung ist ihnen das Erwachsenwerden im psychischen Sinne nicht erlaubt. Eine Selbstbestimmung über ihren Körper und ihr Tun wird ihnen nicht ermöglicht. Das kommt nicht nur im Verbot der Bluttransfusion, was ebenso eine physische Gefährdung darstellt, sondern auch in der Reglementierung in Kindergarten, Schule und Freizeit zum Ausdruck.
Durch die starke Bindung an die Gemeinschaft (insbesondere wenn die Eltern der Sekte angehören) wird ein Austritt aus den Zeugen Jehovas erschwert.
Der Bruch mit den Zeugen Jehovas kann nur schwer vollzogen werden, da soziale Kontakte außerhalb der Gemeinschaft (meist) nicht mehr bestehen.

Die demokratische Willens- und Meinungsbildung ist den Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen der Zeugen Jehovas aufgrund der festgeschriebenen Haltung gegenüber Staat und Gesellschaft verboten. Damit verstoßen die Zeugen Jehovas gegen die Verfassung.
Die Zeugen Jehovas konnten im Zuge der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene (Kinder hauptsächlich mit der Werbung, Bekehrung und dem Verbleib der Eltern in der Gemeinschaft) für die Sekte anwerben Hierbei nutzten sie ihre Kenntnisse aus der DDR-Zeit und den, mit der Wiedervereinigung, der beiden deutschen Staaten, auftretenden Problemen und Lebenssituationen der Jugend in den neuen Bundesländern. Trotz des starken Zulaufs, den die Zeugen Jehovas insbesondere durch die Missionierung in den Kreisen der Jugendlichen verzeichnen konnten, blieb das Gros derselben nicht in der Sekte, sondern stieg, aufgrund der fehlenden dauerhaften Lösungsmöglichkeiten für die sie betreffenden Probleme und der kritischen Hinterfragung, (wieder) aus."

Sauer, Manuela
"Die Zeugen Jehovas".
Bayreuth 1997, Diplomarbeit.
Universitätsbibliothek Bayreuth 109 + 38 S,

Apfelthaler, Virpi
"Zeugen Jehovas und die Bibel.
Textvergleich zwischen der Neuen-Welt-Übersetzung der Wachtturmgesellschaft und zwei protestantischen Bibelübersetzungen zwecks Ermittlung des Einflusses dieser Sonderbibelübersetzung auf die Lehren der Zeugen Jehovas und zwecks der Ermittlung ihrer Art der Auslegung".

Graz 1997, Diplomarbeit. 84 + 8 Blatt.

Noffke, Detlef
"Veränderungen in der Endzeiterwartung der Zeugen Jehovas und ihre Auswirkungen auf Lehre und Leben".
Halle/S. 1997. Theolog. Diplomarbeit.

Harder, Jürgen
"Widerstand und Verfolgung von Bibelforscherinnen im Frauen-KZ Moringen".
Göttingen 1997. Universität Göttingen, Magisterarbeit. 181 Seiten.
(Bibliothekssiegel 3054, Philosophische Fakultät Göttingen).

Hermann, Reiner
"Jehovas Zeugen in Celle 1922-1997".
Celle 1997; 63 Seiten.

1996

Möller, Reinhild; Schirm Jutta
"Bedeutung und Auswirkungen einer Sektenzugehörigkeit am Beispiel ehemaliger Angehöriger der Neuapostolischen Kirche und der Zeugen Jehovas".
Hamburg 1996, Diplomarbeit, 206 Seiten.
Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg

In vergleichender Analogie zwischen der Neuapostolischen Kirche und den Zeugen Jehovas, kommen die AutorInnen Möller/Schirm auch besonders auf jene zu sprechen, die sich von den Zeugen Jehovas wieder getrennt haben. Ihre Einschätzung zu diesem Komplex ist:

"Der Ausschluss (Gemeinschaftsentzug) ist total und führt dazu, dass keine Kontakte weder zu Familienmitgliedern noch zu Freunden und Bekannten mehr erlaubt sind. Ganze Familien werden auf diese Weise auseinandergerissen. Dieses Kontaktverbot bedeutet für viele Menschen eine unglaubliche Härte und soziale Isolierung, da sie außerhalb der Zeugen Jehovas keine Beziehungen haben dürfen und nun auf einmal völlig allein dastehen. Das ist auch der Grund, weshalb viele Zeugen Jehovas trotz erheblicher Zweifel der Gemeinschaft noch länger angehören und den Ausstieg immer wieder verschieben oder überhaupt nicht schaffen."

Unter Bezugnahme auf andere Untersuchungen zum Thema rekapitulieren die AutorInnen:

"Die Auswertung ergab zunächst, dass eine psychische Ablösung von den Zeugen Jehovas bei fast 80% der Befragten erst nach ein oder mehreren Jahren nach dem Bruch mit der Religionsgemeinschaft stattfinden konnte. Darüber hinaus gaben über dreiviertel aller Personen an, dass sie mehr oder weniger große Schwierigkeiten während des Ablösungsprozesses hatten. Zu den häufigsten Begleiterscheinungen zählen Orientierungslosigkeit und Depressionen. Bei etwa jeder fünften Person traten neurotische bzw. Psychotische Störungen sowie psychosomatische Symptome auf."

Gallinger, Simone
"Jehovas Zeugen".
Passau 1996, 86 Blatt.
Universität Passau, Schriftliche Hausarbeit zur Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Grundschulen in Bayern.
Staatsbibliothek Passau: S nv/a Mlk 274

1995

Dorfner, Edith
Die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas
Universität Passau 1995
Zulassungsarbeit zur Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Grundschulen in Bayern. 100 Blatt.

1994

Rettberg, Esther
Erziehung im Umfeld einer Religionsgemeinschaft
Eine empirische Untersuchung zur Erziehung in der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas

Bochum 1994, Ruhruniversität

Als Abschluss ihres Studienganges am Institut für Pädagogik der Ruhr-Universität Bochum, fasste Esther Rettberg ihre Erkenntnisse in ihrer Staatsexamensarbeit vom Juli 1994 zusammen. "Erziehung im Umfeld einer Religionsgemeinschaft" wählte sie als Thema. Laut Untertitel: "Eine empirische Untersuchung zur Erziehung in der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas". Eine ihrer Kernthesen besteht in der Feststellung (S. 37):

Es "wird deutlich, daß sich ein Zeuge Jehovas nicht nur innerhalb der Gemeinschaft zu seinem Glauben bekennen muß, sondern gerade auch außerhalb der Gemeinschaft seine vollständige Identifikation mit der 'Wachtturm'-Organisation unter Beweis stellen muß. Individuelle Entscheidungen oder die Entwicklung einer individuellen Persönlichkeit müssen zugunsten der Gemeinschaft zurückgestellt werden."

Dies manifestiert sich auch auf dem Bildungssektor, zudem die Autorin ausführt:
"Die in der Stichprobe am häufigsten realisierte Verhaltensvorschrift ist die Anweisung der WTG, die Schulbildung auf ein Minimum zu reduzieren und insbesondere auf gymnasiale bzw. universitäre Bildungsabschlüsse zu verzichten. Insgesamt absolvierten nur 21 % der befragten Personen die gymnasiale Oberstufe und 9,9% einen universitären Studiengang. Auf dem Hintergrund, daß in der vorliegenden Erhebung der Bildungsstand zum Untersuchungszeitpunkt erfragt wurde, ist zu berücksichtigen, daß die befragten Personen möglicherweise erst nach ihrer Ablösung von den Zeugen Jehovas höhere Bildungsabschlüsse erreicht haben. Der Anteil von Personen mit Abitur und akademischen Abschluß wäre vermutlich noch geringer ausgefallen, wenn nur der Schulabschluß, der noch innerhalb der Zeit der Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas erreicht worden ist, erfragt worden wäre."

Unter Bezugnahme auf eine Studie von Eimuth zitiert sie ihn mit den Worten S. 43):
"Eimuth betrachtet die Erziehung in der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas als eine Form der 'psychischen Kindesmißhandlung.' Anhand der von der WTG herausgegebenen Broschüre 'Jehovas Zeugen und die Schule' skizziert Eimuth die Forderungen der WTG an die in ihrer Gemeinschaft aufwachsenden Kinder und kommt zu dem Schluß, 'daß eine normale Entwicklung', eine Kindheit und Adoleszenz, die sich mit der Entwicklung anderer Kinder vergleichen läßt, unter diesen Rahmenbedingungen nicht möglich ist."

Bezugnehmend auf den von ihr befragten Klientenkreis vermerkt Frau Rettberg, dass nach ihrer Einschätzung der Kreis jener, die sich ganz ohne Hilfestellung von der WTG wieder zu lösen vermochten "auffallend gering erscheint … Nach den vorliegenden Ergebnissen fanden die meisten Personen Hilfsangebote auf privater Ebene."

Weiter vermerkt sie (S. 150): "Die Gruppe von Personen, die angaben, keine Schwierigkeiten während ihrer Ablösung von der Zeugen-Gemeinschaft gehabt zu haben … umfaßt lediglich ein Viertel der gesamten Stichprobe. … Die hohe Anzahl von Personen, die innerhalb dieser Religionsgemeinschaft erzogen wurde, (hatte) relativ schwerwiegende Begleiterscheinungen."

In einer Liste gliedert sie diese Begleiterscheinungen auf. Im einzelnen nennt sie als Schwierigkeiten der von ihr Befragten:
Orientierungslosgigkeit 43,2%
Depressionen 42,0 %
soziale Isolation 35,8%
Angstträume 27,2%
Selbstmordgedanken 25,9%
Schlafstörungen 23,5%
körperliche Beschwerden 21,0%
neurotische/psychotische Störungen 18,5 %
berufliche Probleme 17,3%
Wahnvorstellungen 6,2%
Abhängigkeit von Alkohol, Tabletten etc. 6,2%
Selbstmordversuch 2,5%

Anzumerken wäre noch, das Frau Rettberg sich auch auf die diesbezügliche Studie von Bergman stützt (aber nicht nur). Sie verwendet dabei noch die englischsprachige Ausgabe. Das die mittlerweile auch in deutscher Übersetzung zugänglich ist, hat sich offenbar noch nicht bis zu ihr rumgesprochen.

Kroder, Ute Anne
"Apokalyptik in religiösen Sondergemeinschaften: Die Eschatologie der Siebenten-Tags-Adventisten, Zeugen Jehovas und der Neuapostolischen Kirche."
Abschlußarbeit zur Erlangung des Magister Artium im Fachbereich Katholische Theologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt.
Frankfurt/M. 1994, 326 Seiten.

Der Vergleich der drei genannten Religionsgemeinschaften zeigt Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede. Es lässt sich jedoch ein wesentlicher Hauptkritikpunkt herauskristallisieren. Ausgehend von der prinzipiellen Bereitschaft der AutorIn den entsprechenden biblischen Aussagen Rechnung zu tragen, gelangt sie dennoch zu der Einschränkung:

"Die Möglichkeit eines zukünftigen kollektiven Weltendes, wie die Gemeinschaften es aufzeichnen, muss auch in kirchlichen eschatologischen Entwürfen gedacht und bedacht werden. Trotzdem muss Eschatologie nichtsdestoweniger gemessen werden an ihrer Einstellung zur Wirklichkeit und an ihrem Tun. Es kann nicht darum gehen, Werte im 'Jenseits' und in 'Himmel' absolut zu setzen und die jetzige Wirklichkeit herabzusetzen."

Diese Prämisse auf die drei Religionsgemeinschaften übertragen zeitigt unterschiedliche Ergebnisse. Bezüglich der Adventisten stellt sie fest:

"Es wäre absolut verfehlt, trotz all dieser Aspekte, der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten einen Eskapismus auf allen Gebieten zu unterstellen. Durch ihre caritative Arbeit erlangte die Gemeinschaft internationale Anerkennung. Weltweit besitzen die Adventisten 154 eigene Krankenhäuser und Sanatorien, 322 Kliniken und Sanitätsstationen, 85 Kinder-, Waisen- und Altenwohnheime und 5836 Schulen (davon 46 Ausbildungsstätten für Krankenpflege.)

Allein diese Zahlen belegen, dass die Gemeinschaft trotz allem ihren Platz innerhalb der Gesellschaft einnimmt, und sich aktiv auch um eine Besserung des Elends in der Welt bemüht."

Anders schon wieder die Situation in der Neuapostolischen Kirche. Auch in ihr dominieren gewisse endzeitliche Erwartungen. Jedoch haben sie dort nicht dazu geführt, politisches Handeln prinzipiell abzulehnen. Es wird im Einzelfall nicht unbedingt gefördert, aber auch nicht blockiert. So sind in Neuapostolischen Kreisen auch politisch aktiv Handelnde nachweisbar. Die Frage ist allerdings in welche Richtung ihr religiöses Weltbild dieses Handeln beeinflusst. Den von Kroder auch angesprochenen Aspekt des Verhaltens der Neuapostolischen Kirche in der NS-Zeit einmal beiseite legend, erscheint mir auch das von ihr nachstehend wiedergegebene Zitatenbeispiel zu verdeutlichen welche Affinität damit gefördert wird. Sie vermerkt: "Für Furore sorgte das politische Engagement des Dr. Karl Krause. Er sitzt als neuapostolischer Christ, nachdem er wegen rechtsradikalen Äußerungen im April 1993 aus der CDU ausgeschlossen wurde, als Republikaner im Deutschen Bundestag."

War schon eine Abstufung des Gegenwartsbezuges zwischen Adventisten und Neuapostolischer Kirche feststellbar, so treppt sich die Situation bei den Zeugen Jehovas noch weiter ab. Caritatives Engagement im Umfang der Adventisten? Fehlanzeige. Bestenfalls auf individueller Ebene findet Hilfe statt jedoch nicht in organisierter Form durch die Leitung der Religionsgemeinschaft. Die paar Ausnahmefälle anlässlich von Erdbenkatastrophen und ähnliches machen hierbei "den Kohl nicht fett". Kroder formuliert dazu: "So muss die Gemeinschaft sich den berechtigten Vorwurf gefallen lassen, dass sie ein deutlich verbogenes Verständnis der Nächstenliebe besitzt."

1993

Janssen, Elga

"Schulden aus 'Liebe'"
Freie wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des Grades einer Diplom-Soziologin
Freie Universität Berlin 1993

http://www.ejanssen.de/diplom/index.html

Man liest den Text mit Betroffenheit. Solche Schicksale, die die Schattenseiten des Lebens offenbaren, machen auch vor den Zeugen Jehovas nicht halt. Unter den verschiedenen Fallbeispielen ist auch der einer Frau, die zu den Zeugen Jehovas gehört, deren Ehemann jedoch krankhaft trunksüchtig ist. Und zwar so hochgradig, dass der soziale Abstieg ins Asozialenmilieu unvermeidlich wird. Die Frau sieht für sich und ihre vier Kinder letztendlich keine andere Möglichkeit als die Trennung.

Die bezüglich der Zeugen Jehovas relevanteste Passage kann man vielleicht in dem folgenden Absatz sehen:
"Nach der Trennung renovierte sie alleine die Wohnung und fuhr mit den Kindern zum ersten Mal in Urlaub. Sie erhielt Unterstützung durch die Zeugen Jehovas, die sie als starke Gemeinschaft schildert, und die ihr unter anderem ihre Wohnzimmereinrichtung schenkten, da ihr Mann diese bei der Trennung bekommen hatte. Sie meint, sie habe alles, was sie brauche, und sei damit glücklich und zufrieden.

Wenn die Witwen und Halbwaisenrente ausreicht, möchte sie auch nicht wieder anfangen zu arbeiten, sondern etwas tun, was für sie persönlich wichtiger sei, als zu arbeiten, womit sie auf ihre Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas anspielt."

An anderer Stelle äußert die Autorin über ihr Fallbeispiel noch:
"Sie ist glücklich mit ihrem bescheidenen Leben und macht aus ihrer Not eine Tugend, indem sie ihr Leben in Armut als Herausforderung betrachtet, und materiellen Wohlstand ablehnt, da er auch nicht glücklicher macht."

Ansonsten geht die Autorin auf den Zeugen Jehovas-Hintergrund in diesem Fall nicht weiter ein. So gilt es denn dazu folgende Anmerkungen noch zu machen.

Erstens, die geschilderte Hilfe der Zeugen Jehovas in diesem Fall ist eine Individualhilfe von Einzelnen Gliedern der örtlichen Versammlung, die sich durch diesen Fall herausgefordert sahen. Sie hat jedoch keinen gesamtorganisatorischen Hintergrund.
Zweitens. Diese Hilfe ist nicht "selbstlos", sondern erwartet als auch erbrachte Gegenleistung, die Bereitschaft eines hohen Zeiteinsatzes für die Sache der Zeugen Jehovas. Es war eine Momenthilfe. Sie bietet aber keinen darüber hinausgehenden Ansatz, um das soziale Niveau dieser Frau mit ihren vier Kindern wieder zu heben. Im Gegenteil, faktisch wird jener Zustand konserviert, indem man in diesen buchstäblich Armen, auch und nicht zuletzt auch die Kinder betreffend, die zukünftige Klientel für den eigenen Gemeindezuwachs sieht.

Mir fällt als Kommentar dazu nur ein Satz ein:
"Religion ist das Opium des Volkes …" Es wäre zynisch, wollte man die Trostbedürftigkeit in diesem Fall verkennen. Die Frage bleibt aber offen, von welcher "Qualität" dieser "Trost" ist!

Rossi, Claudia
"Destruktiver Gehorsam in Organisationen".
Wien 1993, Diplomarbeit, 102 Blatt
Österreichische Nationalbibliothek Wien 1406101-C


1992

Jung, Regina
"Ursachen, Erscheinungsformen und Bedeutung fundamentalistischer Einflüsse
Diplomarbeit 104 Seiten
Fachbereich Sozialarbeit der Fachhochschule Dortmund
Dortmund 1992

In ihrer Einleitung vermerkt die Autorin: "Erkannte ich eine Ähnlichkeit zu fundamentalistischen Erscheinungsformen, die sich auf alle Lebensbereiche beziehen können. Fundamentalismus setzt eine ebenso fanatische Einstellung und Ausgrenzung voraus, wie sie auch in Sekten zu finden ist. Beiden gemeinsam ist die alleinige Anerkennung der eigenen Weltanschauung."

Als Beispiel für Fundamentalismus verweist sie auf den Islam über den sie ausführt:
"Heutzutage spielt der islamische Fundamentalismus eine immer bedeutendere Rolle. Das angestrebte Ziel ist eine vormoderne Einheit zwischen Staat und Religion. Als Ursprung dieser Bewegung kann der Protest gegen den übermächtigen Einfluss des Westens gesehen werden. Hier dient der Fundamentalismus zur Kompensation von Minderwertigkeitsgefühlen dem Westen gegenüber."

Diese Bezugnahmen sind jedoch mehr nebensächlicher Art. Der Hauptschwerpunkt ihrer Arbeit nimmt auf zwei Religiongemeinschaften Bezug. Einmal die Scientology und zum anderen die Zeugen Jehovas. Erschien diese Diplomarbeit zwar schon im Jahre 1992, so kann man ihr eine gewisse Aktualität nicht aberkennen. Dergestalt, dass es da beispielsweise eine publizistische Lobsängerin der Zeugen Jehovas gibt, die in ihrem Wirken sich auch gleichfalls für Scientology und Zeugen Jehovas verwendet. Die da vollmundig in der ehemaligen DDR lebenden Zeugen Jehovas-Kritikern unterstellt, sie wären einem totalitären Regime "willfährig" gewesen, zugleich aber die auch vorhandenen Konflikte eines dieser Kritiker mit dem DDR-Regime dezent unter den Tisch fallen lässt. An die Adresse jener Lobsängerin die Gegenfrage. Was ist denn Ihr Engagement in Sachen Scientology? Es ist das Engagement für eine totalitäre Organisation!

Über Scientology berichtet Regina Jung:
"Von den Scientology-Anhängern wird die totale Unterwerfung unter die Organisation verlangt. Indem die angebotenen Kurse belegt werden, können immer höhere Grade innerhalb der Hierarchie erreicht werden. Das Auditieren und die Gehorsamsübungen bewirken eine Verwischung zwischen Phantasie und Wirklichkeit bei den Betroffenen, die zu einer Persönlichkeitsspaltung führt. Nach und nach wird eine Art Abhängigkeit erzeugt, die den Einzelnen dazu veranlasst, immer mehr der immer teurer werdenden Kurse zu belegen. Es wird ihm das Angebot gemacht, als Mitarbeiter in einer der zahlreichen Organisationen tätig zu werden um die entstehenden Kosten tilgen zu können. Diese Mitarbeit bedeutet eine 6-Tage-Woche mit einem 13-Stunden-Tag und wird sehr schlecht bezahlt.

Der Aufbau in den sekteneigenen Firmen ist streng abgestuft; er stützt sich auf Druckausübung und Disziplinierungsmaßnahmen. Es existiert ein sogenannter 'Ethik-Offizier', der Akten über die Mitarbeiter anlegt und die Denunziationen untereinander fördert um bei den geringsten Vergehen Strafpunkte zu verteilen. Die Ungehorsamen werden äußerlich gekennzeichnet, ihnen wird Kommunikationsverbot erteilt, und sie werden zu Mehrarbeit gezwungen. Außerdem gibt es noch die 'Projektgruppe Rehabilitation', die eine Art Strafanstalt für Abtrünnige darstellt. Diejenigen, die sich dort befinden, werden streng bewacht, müssen schwere Arbeit leisten und viele Auditing-Sitzungen abhalten. Der psychische Druck, der dort entsteht, wird zum Teil durch Isolationshaft noch verstärkt. …

Ein wichtiger Punkt, der zur Aufrechterhaltung der Disziplin und der inneren Struktur dient, ist das Elitebewußtsein, das den Teilnehmern in den verschiedenen Kursen vermittelt wird. Dazu zählt auch die ideologische Rechtfertigung, mit der gegen Außenstehende Kritiker vorgegangen wird. Es existieren sekteninterne Anweisungen, wie man Gegnern gegenüber vorzugehen hat, indem Rufmordkampagnen und Verleumdungen initiiert werden. Die Vermutung besteht, dass den Absolventen der höheren Kurse suggeriert wird, die sogenannten 'Unterdrücker' (Kritiker) seien von dämonischen 'Thetanen' beherrscht, um so eine moralische Rechtfertigung für kriminelle Handlungen zu bieten."

Vergleicht man dazu die (zu bestätigenden) Ausführungen von Frau Jung über die Zeugen Jehovas, so kommt man nicht umhin gewisse weitläufige Parallelen zur Scientology zu erkennen. Über die Zeugen Jehovas führt sie unter anderem aus:
"Die Einhaltung all dieser Regeln hat zur Folge, dass die Zeugen sich von der Außenwelt abkapseln und sich ihr Denken und Handeln nur um die Gemeinschaft dreht. Durch das enge und ausschließliche Zusammensein mit anderen Zeugen ergibt sich die Möglichkeit einer guten Kontrolle untereinander. Dies steigert die Angst vor Denunziationen und sorgt dafür, dass niemand sich dem anderen anvertraut. Es werden drei verschiedene Ebenen der Kontrolle unterschieden.

1. Die durch die Ideologie verinnerlichten Wertungen und Verhaltensmuster.
2. Die überwachten Leistungen im Predigtdienst (Missionstätigkeit);
3. Die moralische Überwachung durch die Gemeinschaft.

Ein besonderes Problem stellt die Drohung mit Gemeinschaftsentzug dar. Allen Zeugen ist der Kontakt mit denen, die aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wurden, strengstens verboten. Personen, die gegen bestimmte Normen verstoßen haben oder Kritik an der Gemeinschaft üben und somit eine Gefährdung darstellen, werden zu sogenannten 'Komiteeverhandlungen' zitiert, bei denen eine angemessene Strafe durch die Ältesten erteilt wird. Dabei kann es sich um einen Abstieg in der sozialen Hierarchie oder aber auch um einen Ausschluss aus der Gemeinschaft handeln. Wenn der Gemeinde der Ausschluss eines Mitgliedes bekanntgegeben wird, muss diese Person gemieden werden, oder es droht eine Bestrafung derjenigen, die sich über dieses Verbot hinwegsetzen. Es trifft häufig Familien, die auseinandergerissen werden und Einzelne, deren Lebensinhalt die Existenz in der Gemeinschaft war. Die Wachtturmgesellschaft bedient sich dieses Druckmittels sowohl als Drohung als auch, um sich Kritiker und Problemfälle zu entledigen."

Kruse, Sandra
Soziale Vorurteile in Sekten, untersucht am Beispiel der Zeugen Jehovas
Hausarbeit zur Prüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen an der Universität Hildesheim
Hildesheim 1992, 94 Seiten

Die Autorin geht von der These aus:
"Sektenangehörige bauen soziale Vorurteile auf, die das Bild von der großen Gruppe Außenstehender konstituieren. Dieser Prozess wird unterstützt durch ein Weltbild, das den Sektenangehörigen von einer einzelnen Person oder einer kleinen Anzahl von Menschen, die von den Mitgliedern als dazu befugt angesehen wird bzw. werden, anhand der spezifischen Lehre vermittelt wird. Gleichzeitig verstärken die sozialen Vorurteile die Annahme der Richtigkeit der Lehre und funktionieren demnach als Mittel der Festigung des Individuums in der Sekte."

Aufbauend auf dieser Erkenntnis resümiert sie weiter, dass bei den Kontakten zwischen Jehovas Zeugen und Außenstehende (beispielsweise beim ZJ-Predigtdienst), ein echter Dialog überhaupt nicht stattfindet. Das im Gegenteil die Zeugen Jehovas (außerhalb der rhetorischen Ebene) als dialogunfähig angesehen werden müssen. Im weiteren bietet die Autorin einen knappen Überblick über die geschichtliche Entwicklung der Zeugen Jehovas.

Sie schließt ihre Studie mit der Forderung:
"Es könnte sich als sinnvoll erweisen, in der Forschung der Frage Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, wie soziale Vorurteile bei Sektenangehörigen abgebaut werden können, um die Basis für einen nachfolgenden Austausch zu schaffen." Detaillierte Vorschläge dazu unterbreitet sie nicht. Aber immerhin vermerkt sie in ihrer geschichtlichen Darstellung auch sinngemäß, wie die Zeugenleitung, durch Unterdrückung missliebiger Informationen über ihre tatsächliche Geschichte, Kadavergehorsam zu kultivieren versucht. Gerade das offenlegen aller diesbezüglichen Fakten ist es, was den (allerdings wenigen) "Nichtrobotern" unter den Zeugen Jehovas Anstoß zu selbständigen Denken zu vermitteln vermag.
  John, Kirsten
"Häftlinge im Konzentrationslager Wewelsburg unter besonderer Berücksichtigung der Ernsten Bibelforscher".
Münster 1992, Universität Münster, Magisterarbeit.

Kunath, Christian
"Die 'Ernsten Bibelforscher' in Westfalen 1933 bis 1945".
Paderborn 1992
Magisterarbeit Philosophische Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, 161 Seiten.

1991

Gross, Lucia
"Die 'Zeugen Jehovas': Religionsethnologische Darstellung einer Sekte."
Abschlußarbeit zur Erlangung des Magister Artium im Fachbereich Kulturanthropologie/ Europäische Ethnologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Franfurt am Main.
Franfurt/M. 1991. 123 Seiten.

Wie auch andere AutorInnen stützt sich Lucia Gross, neben der geschichtlichen Darstellung auch besonders auf Erkenntnisse, die sie aus den Befragungen von Aussteigern gewonnen hat. Soweit es ihre geschichtliche Darstellung betrifft, fällt der hohe Anteil von Zitaten aus der englischsprachigen Literatur besonders auf. Aber eben auch nur als englische Zitate wiedergegeben, was für diesbezüglich nicht so versierte, die Sache nicht unbedingt leichter macht.

Als Kernsatz ihrer Studie (außerhalb der geschichtlichen Darstellung) kann man die Feststellung ansehen: "Die prägende soziale Erfahrung der Zeugen Jehovas ist der auf das Individuum ausgeübte Gruppendruck." Sie benennt dafür auch Beispiele von den zwei als Veranschaulichung zitiert werden sollen.

Über ihr Interview mit Heike W., einer Ex-Zeugin Jehovas, 49 Jahre alt zum Zeitpunkt der Befragung berichtet sie:

"Sie selbst hat als Kind unter der rigorosen Strenge der Mutter gelitten. Deren Forderungen, in den Predigtdienst zu gehen und den Wachtturm zu studieren, hat sie als Schikane betrachtet. Entsprechend sensibel reagierte sie schließlich auf die Bedürfnisse ihrer eigenen Kinder. Es begann ihr unerträglich zu werden, zuzusehen wie die Zeugen ihre kleinen Kinder zu den zweistündigen Versammlungen mitnehmen und von ihnen verlangen, still und bewegungslos dazusitzen und dem Redner zuzuhören: 'Und da sitzt so'n kleines Mädchen auf'm Stuhl, kriegt noch nicht mal die Füßchen nach unten, hier diesen Knick, wo alles abgeklemmt wird! Wo ich mal gelesen habe, dass das bei einem Kind viermal so lange ist wie bei einem Erwachsenen! Ich hab geglaubt, so, dann ist das für sie dann acht Stunden dasitzen! Und das Blut wird ihr abgeklemmt und die darf nicht mal irgendwie sich umdrehen! … Dann hatte ich mal meiner Tochter was zum Malen mitgebracht, dann guckten sie alle so ganz demonstrativ. Von da an gesehen war ich dann schon eine schwache Schwester.'"

Als zweites Veranschaulichungsbeispiel für diesen Gruppendruck zitiert die Autorin den Fall von Manuela E. Genauer, das Schicksal ihrer Mutter betreffend:

"Im Alter von 48 Jahren erkrankte sie an Krebs und starb an den Folgen der Transfusionsverweigerung. Die Ältesten hatten der Familie die Entscheidung über die medizinische Behandlung der Mutter aus den Händen genommen, indem sie sich ständig am Krankenbett zeigten und die Schwerkranke drängten, ihre Interessen als treue Zeugin Jehovas durchzusetzen. Auf Wunsch der Familie sollte über die Umstände ihres Todes Stillschweigen bewahrt werden. Auch diesmal wurde sie von der Ältestenschaft übergangen, denn der versammelten Gemeinde sollte die Beispielhaftigkeit von Frau E. demonstriert werden: 'Der erzählte dann auf einmal während der Ansprache, dass sie ja Märtyrerin wäre und dass sie ja standgehalten hätte und Blut verweigert hätte …'"

Mertens, Claudia
"Sozialarbeiterische Hilfsmöglichkeiten mit ausgestiegenen oder aussteigungswilligen Zeugen Jehovas".
Schriftliche Hausarbeit für die staatliche Abschlußprüfung der Sozialarbeiter.
Anna-Zillken-Schule, Höhere Fachschule für Sozialarbeit.
Dortmund 1991, 103 Seiten.

Die Ausführungen von Claudia Mertens erinnern in etlicher Beziehung an die von Sylvia Kranefeld, die in ihrem 1994 im Wormser Verlag "The World of Books" erschienenen Buch Sekten. Aufklärung statt Therapie" vehement dafür plädierte: "der Aspekt einer verantwortungsvollen Aufklärung auch durch den Staat liegt mir besonders am Herzen". An anderer Stelle der gleichen Schrift schrieb Kranefeld noch: "Medienwirksame Ereignisse werden an die Öffentlichkeit getragen. Also doch nach dem Motto, dass immer erst etwas passieren muss, ehe der Staat seine Verantwortlichkeit erkennt und sich dieser stellt." Im Prinzip vertritt auch Claudia Mertens eine ähnliche Position. Sie geht davon aus, dass eine Sozialarbeiterische Grundausbildung, gepaart mit spezifischen Kenntnissen, in diesem Fall über die Zeugen Jehovas, durchaus einen sinnvollen Beitrag zur Integration von in ihren Sozialkontakten Geschädigten aus entsprechenden militanten Religionsgruppierungen zu leisten vermag. So löblich dieser Ansatz auch ist, man sollte die politische Wirklichkeit nicht verkennen. Angesichts leerer Kassen der örtlichen Kommunen sind denn in der Praxis nur wenige Fälle nachweisbar, wo entsprechende Beratungs- und Hilfsstellen auf staatliche Mittel zurückgreifen können. Man mag dies bedauern - die Wirklichkeit ist so.

Unter der Überschrift: "Angebote" besonderer Art, führt Mertens auch noch das folgende Beispiel an: "Fast wöchentlich sind in diversen Zeitungen Anzeigen zu lesen, in denen ehemaligen ZJ und Neuapostolen das Angebot unterbreitet wird, man würde gerne mit ihnen über ihre religiösen Probleme sprechen. Hinter diesen Anzeigen stehen in der Regel Anhänger christlicher Freikirchen oder Denominationen. Die den ehemaligen ZJ hier angebotene Hilfe ist jedoch ein neuer Weg 'zur einer wahren, reinen Lehre'. Da ich mich mehrmals auf solche 'Hilfsangebote' aufgrund Anzeigen in der örtlichen Presse meldete und hier intensive Gespräche zumeist mit Baptisten oder Adventistenverkündigern führte, würde ich ehemaligen ZJ von der Inanspruchnahme solcher Angebote nur abraten."

Da es also mit "staatlichen Angeboten" äußerst schlecht bestellt ist, bleibt in Einzelfall nur der Hinweis auf örtliche Selbsthilfegruppen, auch mit Vorbehalt, auch auf von kirchlichen Kreisen dominierten Hilfsgruppen, die aber oftmals nicht spezifisch auf die Zeugen Jehovas, sondern mehr "quer Beet" zugeschnitten sind.

Eine Variante erwähnte Claudia Mertens noch nicht. Das wären dann faktische Selbsthilfegruppen, wie sie auch mittels des Internets gezielt ermittelbar sind.

Aber es ist richtig und darin ist Mertens zuzustimmen, dass der persönliche Kontakt zwischen potentiellen Aussteigern und Hilfe gewährenden und Befähigten, einen besonders hohen Stellenwert hat. Aus ihrem eigenen Erfahrungsbereich schildert sie einen Fall, wo sie helfend wirken konnte, indem sie beispielsweise sich dafür verwandte, unterbrochene Eltern/Kinder Kontakte neu zu knüpfen und so zu einer wesentlichen psychischen Stabilisierung der Aussteigerin beizutragen, die ohne diese Hilfestellung nicht gegeben wäre. Sie erwähnt auch das Beispiel der sogenannten Vollzeitverkündiger, die ja besonders hart getroffen sind, da es als Beispiel um ihre Rentenanwartschaften und ähnliches äußerst schlecht bestellt ist, die vielleicht gar keine eigene Wohnung oder Ersparnisse mehr haben und auch in dieser Beziehung bei Null von neuem anfangen müssen. Hier kann sachkompetente Hilfestellung durchaus unabdingbar sein.

Die Anfrage von Sylvia Kranefeld und Claudia Mertens an den Staat Bundesrepublik Deutschland bleibt also unverändert bestehen! 


Kaufhold, Bernd; de; Witt, Jan:
Die Verfolgung der Bibelforscher und Kommunisten in Löhne und Hiddenhausen von 1933-1945 und die Widergutmachung nach 1945.
Hausarbeit im interdisziplinären Seminar Geschichtswissenschaft, Rechtswissenschaft, Universität Münster 1991.

1990

Albrecht, Gary L.
"Die Zeugen Jehovas - Die Physiognomie einer Sekte und ihr Schriftverständnis. Versuch einer fundamentaltheologischen Analyse unter besonderer Berücksichtigung exegetischer Einzelfragen".
Bochum 1990, Wissenschaftliche Hausarbeit zur Erlangung der kirchlichen Abschlussprüfung in katholischer Theologie. 166 Seiten.

Aus der Arbeit von Albrecht sei als erstes zitiert, wie er den Übergang von Rutherford zu Knorr einschätzt:
"Während sich Rutherfords Lehre eher an enttäuschte und entwurzelte Menschen, die keine Lobby hatten, wandte, änderte Knorr dies gründlich. Unter seiner Leitung wurden die Zeugen Jehovas zu Strategen, Operateuren und gewieften Taktikern; er schuf den Typ des Managers, des Diplomaten. Aufgrund der guten Schulung der Zeugen Jehovas wuchs die WTG, so dass sie heute in der ganzen Welt ihre Zweigbüros hat. Hatte man sich zu Rutherfords Zeiten noch damit gebrüstet, dass gerade die einfachen Menschen berufen seien, die Königreichsbotschaft zu verkündigen, und schaute man auf Intellektuelle als Weltweise herab, so verlangte Knorr, dass jetzt auch jeder Zeuge ein 'Studierter' werden sollte. Nicht zuletzt durch diese neue Einstellung Knorrs ist der weltweite Erfolg der WTG zu erklären. (Allerdings darf sich das 'Studium' nur auf Inhalte der WTG-Literatur stützen).

Zu der Methodik des "Wachtturmstudiums" führt er an:
"Man fühlt sich in die eigene Schulzeit zurückversetzt, wo der Lehrer auch immer eine ganz bestimmte Antwort hören wollte. Der Älteste, der ein solches WT-Studium leitet, möchte auch keine persönlichen Interpretationen haben, sondern 'die Antwort der Gesellschaft' hören; unter Umständen ruft er so viele Zeugen auf, bis die ihm genehme Antwort kommt. Mag dieses 'Studium' für Nicht-Zeugen auch absurd anmuten, so hat es doch einen gezielten Effekt. Auf die Dauer kann der Zeuge gar nicht mehr anders, als 'Systemimmanent' zu denken; die Terminologie und Sichtweise des theokratischen Kanals Jehovas wird so bald seine eigene."

Weiter schätzt Albrecht ein: "Durch diese Erziehung zum Kadavergehorsam gelingt es der Leitenden Körperschaft immer wieder, Unmenschliches von ihren Verkündigern zu verlangen. … Neben dem hierachischen Prinzip ist auf vielerlei Kontrollmechanismen zu verweisen, die zur perfekten Überwachung der Predigttätigkeit und des moralischen Lebenswandels der Zeugen gedacht sind.

Es gibt wohl keine sich 'christlich' nennende Denomination oder Kirche, die ein perfekteres Sanktions- und Ausschlusssystem hätte als die Zeugen Jehovas. Dieses perfekte System, dass von ersten Mahnungen bis zum Ausschluss von Zeugen reicht, hat die Funktion, Schismen zu verhindern, Kritiker der WT-Doktrin mundtot zu machen, die Versammlung moralisch reinzuhalten; die ZJ sollen sich also bedingungslos der WTG unterordnen. Es muss hier festgestellt werden, dass das Ausmaß normativer Kontrolle, wie es in der WTG geübt wird, zu den tragischsten Kapiteln dieser Sekte gehört und schon viel Leid über die betroffenen Zeugen und deren Angehörige gebracht hat, wie aus der einschlägigen Literatur zu ersehen ist. Jeder Zeuge ist verpflichtet, sich um den rechten Lebenswandel seines Glaubensbruders, seiner Glaubensschwester zu kümmern und Verfehlungen den Ältesten, als den Versammlungsleitern zu melden. Die Palette der Verfehlungen reicht vom verbotenen Nikotingenuss über Glaubenszweifel bis zum Verdacht des Ehebruchs, auch 'Hurerei' genannt. Sogar der Kontakt mit 'Ausgeschlossenen' kann zum Gemeinschaftsentzug führen, da nach der WT-Lehre der ZJ Anteil an den Sünden des Ausgestoßenen hat, wenn er mit diesem weiterhin Umgang pflegt. Ausgeschlossene ZJ bzw. solche, die die WTG freiwillig verlassen haben, gelten als 'geistig tot'. Die Bekanntmachung eines solchen Gemeinschaftsentzuges erfolgt öffentlich vor der Versammlung durch einen Ältesten, so das die Verbleibenden ZJ wissen, dass sie mit der betreffenden Person keinen Umgang mehr pflegen dürfen. Der 'konsequente Ausschluss abweichender Mitglieder' führt zu einer erhöhten Ähnlichkeit der verbleibenden Gläubigen und verstärkt den Zusammenhalt der Gruppe, die sich nun um so mehr als die 'wahre' Elite fühlen kann."

Unter Bezugnahme auf eine andere Publikation zitiert er aus ihr auch jenen Absatz, wo ausgeführt wird:
"Was wäre geschehen, hätten die verantwortlichen Politiker auf die von der WTG seit 1874 (dem Jahr, in welchem Russell das Ende der bisherigen Welt datierte) in die Welt gesetzten Weltende-Theorien gehört und es unterlassen, das gesellschaftliche und soziale Leben zu gestalten, zu verändern oder zu verbessern? Der Mensch ist seiner Natur nach ein soziales und damit ein politisches Wesen. … Die sozialen Bedürfnisse - Nahrung, Kleidung, Obdach … lassen es einfach nicht zu die Hände in den Schoß zu legen und auf ein Weltende oder göttliches Eingreifen zu warten. Täten das alle, würde jegliches gesellschaftliches Leben … Zusammenbrechen und in Anarchie versinken."

Gehbauer-Nürnberg, Sünje
"Textanalytische Untersuchungen an Schriften der Zeugen Jehovas".
Hamburg 1990, Diplomarbeit.
Staats und Universitätsbibliothek Hamburg, 157 Blatt.

Gebhart, Adelheid
"Erziehung nach den Glaubensgeboten der Zeugen Jehovas unter Berücksichtigung des Verbotes von Bluttransfusionen; (Entscheidungsbesprechung zu OGH 3. 9. 1986 SZ 59/144 = EFSlg 51.338 = EvBl 1989/80 = JBI 1988, 238 = 1987, 170)."
Graz 1990 Diplomarbeit, 50 + 3 Seiten.
Östereichische Nationalbibliothek Wien: 1320163-C

1989

Tide, Renate
"Problematik und Folgewirkungen der Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas und der Ablösung von ihnen (dargestellt mit Hilfe von Fallbeispielen)".
Frankfurt/M. 1989, Diplomarbeit im Fachbereich Sozialpädagogik der Fachhochschule Frankfurt/M. 118 + 8 Seiten.

Aus der Arbeit von Renate Tide seien die folgenden Sätze zitiert:
"Bis zu meinem 23. Lebensjahr stand auch ich mit diesen Heften auf der Straße und ging 'von Haus zu Haus' predigen.
Das Verlassen dieser Gemeinschaft war damals für mich mit Problemen verbunden.

Andererseits wird im gesellschaftlichem Kontext durch das Bestehen von Sekten auch deutlich, dass es eine Unzufriedenheit mit den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen und den Wunsch nach Veränderungen in der Bevölkerung gibt.
Wie inhuman dieser Glaube ist, wird deutlich an den rigiden Vorgehensweisen gegenüber Menschen, die gegen die strengen Regeln verstoßen und die Gemeinschaft der ZJ verlassen müssen. Bei den Betroffenen können entstandene Schuldgefühle zur Depression und sogar Selbstmord führen. Die ZJ entziehen sich der sozialen Verantwortung gegenüber Kranken und Menschen mit auffälligem Verhalten. Solche, die ganz offensichtlich Probleme haben (z. B. Alkohol und Drogen) werden aus diesem Grund ausgegrenzt. Nur leistungsfähige und angepasste Menschen haben Platz in der 'reinen Organisation Gottes.' Wer aufgrund eigener Entscheidung den Glauben der ZJ aufgibt, wird geächtet, seine familiären Beziehungen und sozialen Kontakte werden eingeschränkt oder zerstört.

Dagegen erwarten die ZJ von anderen Menschen Toleranz. Bei der Durchsetzung ihrer eigenen Interessen berufen sie sich oft auf Verfassungen, die eine Benachteiligung aus Glaubens- oder Gewissensgründen verbieten.

Dieser autoritäre Führungsstil ist für mich ein besonderer Kritikpunkt, weil er zwangsläufig dazu führt, unmündige Menschen und in besonderer Weise unmündige Frauen zu schaffen.
Die Beeinflussung ist so stark, dass Frauen sich selbst gar nicht als diskriminiert betrachten. Sie verdrängen die Existenz der Unterordnung oder sie akzeptieren sie bewusst. Unmündige Menschen kommen mit der heutigen Lebensrealität nur eingeschränkt zurecht und sind gesellschaftlich gesehen für jeden autoritären Zugriff besonders gefährdet.

Der Prozess der Ablösung aus der Sektengemeinschaft der ZJ ist verbunden mit Gefühlen wie Wut, Trauer und Enttäuschung. Die Betroffenen tragen diese zum Teil durch aktive Handlungen (öffentlicher Protest durch Zeitungsartikel und Flugblätter), aber auch in Form von psychischen und physischen Krankheiten aus. Gleichzeitig ist bei einigen ein Gefühl der Stärke und gewonnener Eigenständigkeit vorhanden. Der Rückzug ins Privatleben … und die Suche nach einem neuen Rahmen für den Glauben gehören ebenfalls zu den Reaktionen der von mir befragten Personen.

Es ist auffällig, dass eine Ablösung meist durch Schwierigkeiten mit der Gruppe beginnt. Erst in späteren Verlauf oder erst nach vollzogener Ablösung werden die Lehrinhalte überprüft, oft auch nur variiert. Folgerichtig werden als Grund für die Ablösung die Lehren der Gemeinschaft angegeben und die persönlichen Schwierigkeiten treten in den Hintergrund."

Witt, Jan de

"Die Verfolgung der Bibelforscher und Kommunisten in Löhne und Hiddenhausen von 1933-1945 und die Wiedergutmachung nach 1945"

Hausarbeit im Seminar "Politische Strafjustiz in Ostwestfalen-Lippe von 1933-1945 und ihre Verarbeitung nach 1945" Universität Bielefeld 1989

1988

Müller, Werner:

Das Ende der Zeit : Formen christlicher Apokalyptik heute (Siebenten-Tags-Adventisten u. Jehovas Zeugen) als Herausforderung für d. gegenwärtige kirchliche Verkündigung / von Werner Müller. - s.l. : 1988. - [5], 154, IX : Ill. Literaturverz. S. I-IX. - Eichstätt, Univ., Dipl.-Arb., 1988 Theologische Hochschule Friedensau theol D 4392 /29

1987

Gasser, Herbert
"Die Zeugen Jehovas aus katholisch-pastoraler Sicht".
Salzburg 1987, Diplomarbeit zur Erlangung des Magistergrades der Theologie der fachtheologischen Fakultät der Universität Salzburg.
Universitätsbibliothek Salzburg: 263.644 II

Aus der Studie von Gasser seien die nachfolgenden Sätze zitiert:
"Die Zeugen Jehovas sind vor allem nicht das, was sie vorgeben zu sein. Sie nennen sich zwar die einzig wahren Christen, haben aber bei genauer Betrachtung mit dem Christentum nichts zu tun. Man könnte die Wachtturm-Gesellschaft als eine Buchfirma bezeichnen, die ihre Mitglieder mit religiösen Themen einfängt und sie zu willenlosen sehr stark abhängigen Sklaven ihrer pseudoreligiösen Gesellschaft macht.

In verschiedenen Gesprächen werfen die Zeugen Jehovas den Katholiken immer wieder vor, dass sie von Rom aus, also vom Papst gelenkt werden und sich keine eigene Meinung bilden dürften. Ihr Vorwurf gilt der Hierarchie in der Kirche, die nicht im Sinne Gottes wäre. Dabei bezeichnen sie die Kirche und Rom als die 'Hure Babylon', die bald vernichtet werden wird.

Wenn ich diese Vorwürfe höre oder betrachte, stellt sich automatisch die Frage ein, wie es hinsichtlich der Hierarchie bei den Zeugen Jehovas, die diese Vorwürfe erheben, aussieht. Die Antwort darauf stellt sich ohne Schwierigkeiten ein; denn jeder, der die Wachtturm-Gesellschaft nur etwas näher kennt, weiß, dass die Zeugen Jehovas von etwas sprechen, was sie eigentlich selbst betrifft.

Das Sektenzentrum der Zeugen Jehovas befindet sich in New York, Brooklyn, und wird allgemein 'Bethel' genannt. Hier haben die Präsidenten - absolute Herrscher über ein Verkündigerheer - ein Imperium aufgebaut, an das in seiner Absolutheit keine andere Kirche heranreicht. Allein am Ufer des East-River besitzt die Wachtturm-Gesellschaft elf Fabriken, Büro und Wohngebäude. Keine Hierarchie in einer anderen Kirche - auch nicht die katholische - ist mit der Hörigkeit der Zeugen Jehovas gegenüber ihren Leitern und dem Präsidenten zu vergleichen."

Auch auf die Bildungspolitik der Zeugen Jehovas kommt Gasser zu sprechen. Dazu seine Ausführungen: "Es sieht die Gesellschaft der Zeugen Jehovas ohnehin nicht gern, wenn ihre Mitglieder eine höhere Bildung anstreben. Wer die Matura ablegen und vielleicht gar ein Hochschulstudium absolvieren will, ist der Gesellschaft schon verdächtig, denn wozu soll man noch eine höhere Bildung anstreben, wenn sie doch nicht zu Jehova führt? Außerdem steht die Welt nicht mehr lange und das Tausendjährige Reich wird bald seinen Anfang nehmen, dann aber werden Handwerker gebraucht und keine Akademiker.

Tatsächlich kann man das auch als eine Form von Absicherung von Seiten der Leitung der Sekte bezeichnen, denn je mehr Bildung ein Mitglied aufweist, desto leichter könnte es die Widersprüche innerhalb der Sekte erkennen. Daher wird strikte gefordert, sich ganz auf die Lehre des Wachtturm zu konzentrieren."

Von Gasser sei ferner noch zitiert:
"Satan und die Dämonen spielen also in den Glaubensvorstellungen der Zeugen Jehovas eine sehr große Rolle. Glaubensschwierigkeiten oder andere Probleme, die den Plänen der Gesellschaft hinderlich sind, werden immer auf Satan und die Dämonen zurückgeführt.

Die Dämonenfurcht wird also bewusst gefördert, um die Mitglieder der Sekte gegenüber den Anforderungen der Führung der Gesellschaft abhängig und gefügig zu machen.

Das hat vielfache Auswirkungen auf die Kinder der Zeugen Jehovas. Sie werden nicht nur vom Kleinkinderalter an von anderen Kindern abgesondert, sondern auch vom gemeinschaftlichen Umgang mit anderen Kindern in der Schule abgehalten und entwickeln dadurch einen gestörten Kontakt zu ihrer Umwelt, zumal die anderen Kinder in Unverständnis der Situation ihrer Mitschüler diese verspotten.

Der psychische Druck, dem solch ein 'Ausgestoßener' ausgesetzt ist, ist für Außenstehende unvorstellbar."

(um) 1985

Gräßer, Claus
"Akzente und Wandlungen in der kirchlich-theologischen und pastoral-seelsorgerlichen Auseinandersetzung mit den Zeugen Jehovas (anhand der deutschsprachigen Publikationen seit der Jahrhundertwende)"
Wissenschaftliche Hausarbeit zur Zweiten Theologischen Prüfung
(Halle/S.) (um) 1985, 97 Seiten.

Der Inhalt dieser Ausführungen ergibt meines Erachtens eindeutig, dass sie noch zu DDR-Zeiten verfasst wurden und dass auch dieser Autor (zum Zeitpunkt der Abfassung seiner Studie) nicht ahnen konnte, dass die DDR dereinst mal nicht mehr existieren würde.

Eine Nebensächliches Symptom: So redet er beispielsweise davon, dass er von der 1975-Verkündigung der Zeugen Jehovas zuerst durch eine (innerkirchliche) Veröffentlichung der Evangelischen Kirche in der DDR erfahren habe. Vertreter der heutigen Zeugen Jehovas (respektive ihre gekauften Sprachrohre in anderen Lagern), belieben den Vorwurf zu erheben, auch die DDR-Kirchen hätten sich für die Stasifirma "Christliche Verantwortung" einspannen lassen. Auch anhand der Studie von Gräßer kann diese Unterstellung definitiv zurück gewiesen werden. Er erwähnt in einer beiläufigen Anmerkungsnummer zwar diesbezügliche DDR-Publikationen, fügt aber hinzu, er lasse sie in seine Wertung nicht mit einfließen. Zur "Christlichen Verantwortung" merkt er überdies noch an, dass sie in der kirchlichen Presse keine Erwähnung fände. Mag man als Ausnahmefall dem die Ena-Meldung und ihre Kolportierung in einer thüringischen evangelischen Kirchenzeitung entgegenhalten, wo das "25jährige Bestehen der Studiengruppe Christliche Verantwortung" publiziert wurde, so steht dennoch eindeutig fest, dass dies ein einsamer Ausnahmefall ohne Wiederholungscharakter war. Und was die gelegentlichen Referierungen von Dr. Pietz in einer innerkirchlichen Periodika (ohne Außenwirkung) anbelangt, wird man ihr eher kritische Akzente bescheinigen können, durch das was er erwähnte und das was er wegließ.

Gräßer klagt einleitend schon, angesichts der Fülle des zu verarbeitenden Stoffes, dass ihm die dafür zur Verfügung stehende Zeit "vorne und hinten nicht gereicht habe". Ich kann dieses Bedenken durchaus nachvollziehen, erging es mir doch im Prinzip ähnlich. Nur das ich mich nebenberuflich damit beschäftigt habe und letztendlich Jahrzehnte gebraucht habe um ohne Zeitdruck das aussagen zu können, was mir der Aussage wert erschien.

Gräßer versucht einen Überblick über die seit der Jahrhundertwende erschienene Sekundärliteratur zu geben. Er merkt aber auch an, dass er zu solch problematischen Autoren wie etwa Fetz, Miksch, Braeunlich, Gerecke nichts sagen möchte. Es sei ihm konzediert, dass in seiner Zeitdrucksituation er auch diesbezüglich überfordert worden gewesen sein würde, hätte er diesen Versuch dennoch gemacht.

Zwei Autoren erwähnt auch Gräßer, die als Ausnahmen, aus dem Gros der sonst eher kritisch einzuschätzenden kirchlichen Autoren herausragen. Das wäre einmal Friedrich Loofs, den auch Dietrich Hellmund im Vergleich zu anderen positiv einschätzt und eben auch Hellmund selbst. Man kann dieser Einschätzung sicher beipflichten und auch noch hinzufügen, dass sich die diesbezügliche Situation nach 1945 merklich gebessert hat. Aber Fakt ist, und in diesem Punkt stimme ich Garbe, Hellmund, Gräßer zu, dass es vor 1945 diesbezüglich trübe aussah. Hat sich die kirchliche Publizistik über die Zeugen Jehovas nach 1945 auch nachhaltig gebessert, so steht es andererseits aber auch als Faktum fest, dass eine umfassende (und die müsste dann von der Sache her dann auch selbstkritisch sein) Aufarbeitung der kirchlichen Publizistik vor 1945 über die Bibelforscher/Zeugen Jehovas bis zum heutigen Tage nicht geleistet wurde. Auch Gräßer hat diese Leistung nicht erbracht. Aber es ist ihm zu konzedieren, dass er durchaus Ansätze in dieser Richtung aufweist. Etwa, wenn er beispielsweise äußert: "Die Kirchen müssen sich allerdings fragen, in welchem Maße ihre vorangegangene Auseinandersetzung mit den Bibelforschern dazu beigetragen hat, eine allgemeine Stimmung gegen die Bibelforscher/Zeugen Jehovas zu erzeugen, die dann die neuen politischen Machthaber nur aufzunehmen brauchten. Zu nennen sind da vor allem die zahlreichen Stimmen, die in ihrem Urteil die Bibelforscher mit Juden und Kommunisten in eine Reihe gestellt haben."

1985

Vollbaum, Heike
"Portrait der Bibelforscherin Martha Vollbaum unter besonderer Berücksichtigung ihrer Erfahrungen im Konzentrationslager Ravensbrück. Versuch einer Rekonstruktion der Genese von Erfahrungsmodi und individuellen Sinnstrukturen mit Hilfe pädagogischer Biographieforschung".
Hildesheim 1985. Diplomarbeit im Studiengang Kulturpädagogik Studienrichtung Polyästhetische Erziehung. Letztere Arbeit ist in ihren wesentlichen Passagen jetzt zugänglich in: Hesse/Harder "Und wenn ich lebenslang in einem KZ bleiben müsste" S. 303-321.

Zitiert aus ihr sei mal jener Passus, wo von den Spannungen zwischen den Extremen und den Gemäßigten, unter KZ-Bedingungen die Rede ist. Dazu wird vermerkt: "Die 'Extremen' lehnen den Genuß von Blutwurst konsequent ab. Die 'Gemäßigten', darunter auch Martha, berücksichtigen die extreme Notlage im Konzentrationslager. 'Ich habe, solange ich hier im Lager war, Blutw´urst gegesessen ... Die Bibel sagt: Das was in den Mund geht sündigt nicht, sondern das, was herausgeht."

Über sich selbst vermerkt die Autorin: "Wir Enkelkinder hatten die nötige zeitliche Distanz. Gelegentlich ließen wir uns 'Wachttürme' mitgeben, als lustige Klolektüre für die Wohngemeinschaft. So stolz ich immer auf meine Oma war; ich bin dankbar dafür, daß wir nicht als Zeugen Jehovas erzogen wurden und religiös unabhängig sind."

Bucher, Susanne

Das Bibelverständnis der Zeugen Jehovas. Diplomarbeit zur Erlangung des Magistergrades an der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck 1985

Die Autorin schätzt nach einer Definition des Fundamentalismus ein:

" ...Die Überzeugung, daß nur Menschen, die den fundamentalistischen Standpunkt teilen, wahre Christen sind. In dieser Tradition stehen auch die zeugen Jehovas. Obwohl sie sich in ihren Lehren weit von den orthodoxen Fundamentalisten entfernen, findet sich bei ihnen eine fundamentalistische Einstellung zur Bibel.

Besonders bezüglich der Frage nach der Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift und der Inspiration weisen sie große Gemeinsamkeiten auf."

An Detailkritik zur "Neuen Welt Übersetzung" der Bibel der Zeugen Jehovas führt sie u. a. aus:

"Der Begriff 'Heiden' wird durch Nationen ersetzt. An all jenen Stellen, an denen sich das griechische Wort Kyrios nicht zwingend auf Jesus bezieht, fügten die Zeugen Jehovas den Namen Jehova ein. Diese Änderung des Gottesnamen von Jahwe zu Jehova, ist eine der auffallendsten Änderungen.

Um die Lehre von der Hölle gänzlich aus der Bibel zu verbannen, nimmt die Neue Welt Übersetzung der Heiligen Schrift auch dazu Änderungen vor. Die Gehenna gilt den Zeugen Jehovas als 'passendes Sinnbild für die ewige Vernichtung', nicht aber für Bestrafung. Diese Bedeutung ist allen Zeugen Jehovas bekannt, deshalb wird das Wort Gehenna auch nicht übersetzt."

Die Zeugentypische Erziehung zum Außenseitertum kommentiert sie mit den Worten:

"Auffallend ist noch, daß die Wachtturm-Gesellschaft ihren Mitgliedern für diesen verlorenen Bereich innerhalb ihrer Organisation keinen Ersatz bietet. Sie hat 'kein Gemeindeleben im christlichen Sinn aufzuweisen. Sie ist vielmehr eine missionarische Dienstkörperschaft, die eine indoktrinierte Schulung bietet und die missionarische Leistung fördert."

Sie meint weiter:

"Die Zeugen Jehovas sind soziologisch gesehen, eine Bewegung der unteren Schichten. Darauf ist auch die Argumentationsweise der Wachtturm-Gesellschaft eingestellt."

Und was die Kirchen anbelangt, die sich doch gerne in der Rolle von "Alternativen" sehen würden, muss sie konstatieren:

"Davon zeugen die Berichte ehemaliger Zeugen Jehovas, die noch lange nach ihrem Austritt aus der Wachtturm-Organisation 'von dem totalitären Herrschaftsanspruch und den Denkmustern der Wachtturm-Gesellschaft gezeichnet waren. Vor allem hat sich das Mißtrauen gegenüber gesellschaftlichen und kirchlichen Institutionen bei ihnen tief eingegraben."

1984

Bleib, Birgit:
Die Bluttransfusion bei den Zeugen Jehovas / vorgel. von Birgit Bleil. - Darmstadt, 1984. - 48 S. Literaturverz. S. 46-48 - Darmstadt, Seminar Marienhöhe, Dipl.-arb., 1984 Theologische Hochschule Friedensau

1983

Burmeister, Andreas; Karschulin, Torsten; Schultze, Dörtlis, Spinger, Cerstin; Triebwasser, Sabine
"Verfolgung der Zeugen Jehovas in Kiel und Umgebung (1933-1945)".
Kiel o. J. (1983). Beitrag zum Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten 1982/83
Archiv der Körber-Stiftung (Hamburg) NS II/0584.

  1982

Ziebold, Irmi und andere
"Das Schicksal der Freiburger Zeugen Jehovas während der NS-Zeit".
Freiburg im Breisgau o. J. ; Beitrag zum Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten 1981/82.
Archiv der Körber Stiftung (Hamburg) NS I/1186

1980

Zeilinger, Albert: Die Zeugen Jehovas - eine pastorale Herausforderung / eingereicht ... von Albert Zeilinger. - Reichersberg, 1980. - 125 Bl. : Ill. Linz, Kath.-Theol. Hochschule, Dipl.-Arb., 1980 Katholisch-Theologische Hochschule Linz s01'303 211

1977

Baehre, Eva
"Eine kritische Auseinandersetzung mit der Schrift 'Hat sich der Mensch entwickelt oder ist er erschaffen worden?' (Wachtturm-Gesellschaft)."
Hannover 1977. Schriftliche Hausarbeit für das Lehramt an Gymnasien, 85 Blatt.
Niedersächsische Staats-und Universitätsbibliothek Göttingen: Diss 93 B EXE 01

1976

Voit, H.
"Religiöse Sozialisation bei den Zeugen Jehovas - Eine empirische Untersuchung zum Sozialverhalten der Zeugen Jehovas in Selb."
Bayreuth 1976. Fachbereich Erziehungswissenschaften der Universität Bayreuth.

1972

Sahnwaldt, Albert
"Die Botschaft vom nahen Weltende. Methoden und Tendenzen in der Lehr- und Verkündigungsliteratur der Zeugen Jehovas".
Hüttental-Weidenau 1972. Arbeit zur Ersten Staatsprüfung an der Pädagogischen Hochschule Westfalen-Lippe Abt. Siegerland.

Sahnwaldt vertritt in seiner Studie die Auffassung, dass er als für sein Thema von Bedeutung, gewisse prinzipielle Vereinfachungstendenzen in der Zeugen Jehovas-Literatur wahrnimmt. Als Beispiel führt er an: "Im Laufe der Menschheitsgeschichte ist viel Böses geschehen. Und wenn man sich heute in der Welt umsieht, bietet sich überall das gleiche Bild: Blutvergießen, Verbrechen, Hass, Sittenlosigkeit." ("Die Wahrheit die zu ewigem Leben führt" S. 65).

Sein Kommentar dazu: "Die Eingangsthese in diesem Beispiel ist kaum zu bezweifeln. Das die Welt 'heute … überall' das von den Zeugen beschriebene Bild bietet, ist mehr eine Frage der verengten Blickrichtung und stimmt nur unter starker nichtssagender Vereinfachung. Die Intention ist auch hier deutlich."

Weiter kommentiert er zu den in diesem Zusammenhang verwendeten Bibelhinweisen:
"Für einen bibelkundlich wenig gebildeten Menschen ist das unter Umständen bestechend. Nur wenige Überlieferungsgeschichtliche Kenntnisse würden ihm allerdings zeigen, dass die Bibel solche Ableitungen nicht zulässt. Aber diese Kenntnisse haben viele nicht und es ist auch nicht einfach zu vermitteln. Die Zeugen können daher leicht mit ihrer Inspirationsprämisse an die landläufig-einfache Vorstellung anknüpfen, die Bibel ist Gottes Wort. Sie verfängt erst recht, wenn sie auf Anhänger der Kirchen trifft, die eben jene vereinfachte Gotteswortvorstellung in ihren Kirchen vermissen und sie als einzig mögliche Vorstellung zur Bibel betrachten."

"Als Anknüpfungspunkt zeigte sich immer wieder das latente Vorurteil, dass wir in schlimmen Zeiten leben. Die Zeugen pflegen und konditionieren es. Es ist jenes Vorurteil, dass in Wendungen wie 'Wo soll das noch hinführen?' Und 'So kann es nicht mehr weitergehen, sonst gibt es ein böses Ende' zum Ausdruck kommt. Jehovas Zeugen zeigen in ihrem Schrifttum nicht nur großes Verständnis für solche Empfindungen der Zeitgenossen. Sie legen ihnen solche Fragen und Anmutungen geradezu in den Mund und bieten ihnen ihre Erklärung vom Untergang des 'verderbten Systems' an. Von hier aus versuchen sie den Leser in Katastrophenstimmung zu versetzen und ihn zur Entscheidung zu drängen. Er soll das Gefühl bekommen, dass die Zeit reif ist - überreif - und das schnell gehandelt werden muss."

Als weiteren gewichtigen Punkt seiner Einschätzung betont er:
"Die Zentrale oder die leitende Körperschaft bleibt über lange Zeiträume anonym und für das Mitglied in weite Ferne gerückt. Dieses Phänomen wird durch das andere verstärkt. Es besteht darin, dass die Kommunikation weitgehend in einer Richtung, nämlich von oben nach unten verläuft."

"Die Legitimation der leitenden Körperschaft schließt die Befugnis ein, 'die geistigen Bedürfnisse der Brüder zu befriedigen', also die ideologischen Ziele zu setzen. Die 'Gesellschaft' gibt anonym (theokratisch) die 'Wahrheiten' aus, verantwortlich zeichnet die Watchtower Society. Damit sind diese 'Wahrheiten' auch kaum anfechtbar. Es kann sich wohl ein einzelner irren, die 'Gesellschaft' bleibt darüber erhaben. Der Legitimationsanspruch der leitenden Körperschaft ist also auch gegen inhaltliche Kritiker abgesichert.

Die Zentrale liefert dazu in hohen Auflagen einheitliches Grundlagenmaterial und aktuelle Interpretationen der Lehre. Wie die 'Prawda' für die KPdSU ist der 'Wachtturm' für die Zeugen ihr 'offizielles Organ' … Dem 'Wachtturm' vom 15. 3. 72 ist zu entnehmen, dass spätestens seit 1938 die als Theokratie kaschierte straffe Durchorganisation im Sinne einer autoritären Einheitsorganisation zum Abschluss gebracht wurde.

'Fortgesetzt Erkenntnis in sich aufnehmen' heißt: permanente Schulung, permanente Indoktrinierung, permanente Aktivierung in einer Richtung und permanente Kontrolle aus der gleichen Richtung. Die Indoktrination ist gekoppelt mit dem vermittelten Exklusivitätsbewußtsein (die 'wahre' und erwählte Kirche zu sein) und der Erziehung zur Parteilichkeit gegen Andersdenkende."
 

Ohne Jahr

Kalous, Erika
"Widerstand der Ernsten Bibelforscher im Dritten Reich".
Heidelberg o. J., Zulassungsarbeit.
Institut für Zeitgeschichte (München).

In Buchform bisher bekannt gewordene Diplomarbeiten oder Verwandtes

(Hinweis: Auf den Nachweis von Dissertationen wird hier vielfach verzichtet, da diese in der Regel schon von den Nationalbibliotheken bibliographisch nachgewiesen werden. Auch stellt sich die Frage "wo anfangen - und wo aufhören". Das greift dann schon in das Gebiet der sonstigen Veröffentlichungen zum Thema über, die der Buchhandel anbot bzw. noch anbietet. Eine analoge Ausgrenzung gilt auch für entsprechende Beiträge in wissenschaftlichen Zeitschriften).
 
1983

Struckmeier, Ingo
"Verfolgung von Jehovas Zeugen aus Eickhorst und Umgebung. Eine Dokumentation über Einzelschicksale der Verfolgung von Jehovas Zeugen aus Eickhorst und Umgebung während der NS-Zeit".
Eickhorst 1983 (Beitrag zum Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten 1982/83)
Archiv der Körber-Stiftung (Hamburg) NS II/0215.

Im Jahre 1985 wurde unter dem Titel "Die Kriegsjahre in Deutschland 1939 bis 1945" ein Sammelband herausgegeben (von Dieter Galinski und Wolf Schmidt).
In ihm ist der Struckmeier-Beitrag in gekürzter Form enthalten (S. 159f.)
Überschrift des dortigen Artikels: "Die Verfolgung der Zeugen Jehovas. Martin Heinel aus Eichhorst".

2000

Nattland, Sandra; Geist, Andere
"Die 'Ernsten Bibelforscher' im Nationalsozialismus.
Motivation und Formen des Widerstehens".

Auch dieser Beitrag entstand im Rahmen des Schülerwettbewerbes Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten (Körber-Stiftung).
Er wurde im Jahre 2000 als Buch in Bielefeld veröffentlicht.

Ohne Jahr (nach 1990)

Westphal, Göran
"Die Verfolgung der Zeugen Jehovas in Weimar von 1945-1990."
Wissenschaftliche Hausarbeit zur ersten Staatsprüfung für das Lehramt an der Theologischen Fakultät im Fach Religionswissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Gekürzte Fassung als Abdruck in Hesse "Am mutigsten waren immer wider die Zeugen Jehovas", Bremen 1998 S. 277f.
 
Arbeiten (ohne näher ermittelbare Einzelheiten)

Kloos, Eva-Maria Tanja
"Widerstand der Zeugen Jehovas im 'Dritten Reich'. Mit Hinweisen zur methodischen Möglichkeiten und praktischen Anwendungen im Geschichtsunterricht."
Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Realschule; Pädagogische Hochschule Ludwigsburg.

Reichel, Robert
"Jehovas Zeugen in der DDR - Verbot einer Glaubensgemeinschaft am Beispiel Chemnitz/Erzgebirge".
Wissenschaftliche Prüfung Geschichte, Universität Freiburg.

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