Re: Fritz Adler

Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 11. August 2004 07:21:25:

Als Antwort auf: Re: Vor rund fünf Jahren auf der Webseite geschrieben von D. am 11. August 2004 07:17:31:

Nachstehender der CV 170 entnommener Bericht ist im weiteren Sinne vielleicht auch dem "Schweizer Sonderweg" (Wehrdiensterklärung von 1943) zuzuordnen. Bekanntlich gab es in der Hitlerzeit in den KZ auch tödliche Auseinandersetzungen darüber, welche Arbeit denn Militärbegünstigend sei, und wie man sich ihr gegenüber zu verhalten habe. Zu einer einheitlichen Haltung kam es dabei nicht.

Fritz Adler, einer jener WTG-Funktionäre, die in der DDR zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt wurde, meinte zwar dem Gericht gegenüber bei der Entgegennahme seines Urteiles: "Meine Herren, Sie meinen wohl ein Jahr". Er musste erfahren, dass mit dem "einen" Jahr wurde so nichts. Der nachfolgende Bericht sei nicht im Sinne des erhobenen Zeigefingers zitiert; sondern lediglich als geschichtliche Dokumentation.
In der genannten CV ist zu lesen:

"Im Sommer 1948 fand in Leipzig eine Kreisversammlung statt. Den Hauptvortrag am Sonntag hielt Fritz Adler als damaliger Bezirksdiener. Hinter ihm auf der Bühne stand ein Chor junger Brüder und Schwestern. Als Fritz Adler in seinem Vortrag auf den eben vergangenen Krieg zu sprechen kam, wies er auf die jungen Leute und sagte unter donnerndem Beifall, daß 'keiner von diesen hier jemals auch nur einen Knopf an einen Uniformrock nähen' würde. Dies war seine und unser aller feste Überzeugung.
Fünf Jahre später:
Fritz Adler und einer der jungen Brüder aus dem Chor im Zuchthaus Brandenburg. Drei Jahre Haft ohne Arbeit waren bereits vergangen. Endlich wurden auch aus den Reihen der Zeugen Jehovas Arbeitskommandos zusammengestellt, darunter in die Schneiderei.
Aufgabe unter anderem: Herstellung von Uniformen für die N(ationale) V(olks)A(rmee).
Was nun?
Die Entscheidung wurde nach langen, heftiger Diskussionen, (das gab's damals noch) unserem alten Fritz als ranghöchster Bruder. anheimgestellt. Alle anderen Größen waren ja rechtzeitig nach dem Westen abgehauen. Wie würde er, unter verschärften Bedingungen in Einzelhaft und ohne eigenes Interesse am Arbeitseinsatz, wohl entscheiden?
Sein Wort:
"Brüder, näht Uniformen!", kam uns wie eine Erlösung.
Mit Eifer erfüllten wir nun unseren Arbeitsauftrag und hatten viele Erleichterungen dadurch. Hochachtung vor dem Mut, eine eigene Entscheidung aus Vernunft zu treffen! Es erinnert sich der Chorknabe und Mitgefangene von damals."

Das mag die eine Facette im Leben Adlers sein. Die andere wäre die: Doppelverfolgter; sowohl im Naziregime als in der DDR. Schon vor dem Verbot schrieb er scharfe Briefe an die DDR-Regierung. Die ihrerseits reagierte damit, dass sie ihn noch vor dem offiziellen DDR-Verbot verhaftete. Er „verschwand" plötzlich, und kein Lebenszeichen von ihm ließ sich ermitteln. „Aufgetaucht" ist er dann erst wieder im 1950er Schauprozess gegen die Zeugen Jehovas.
Nicht nur der Dieter Pape, der wohl als Autor obigen Berichtes anzusehen ist, lernte Adler im DDR-Gefängnis kennen; noch ein paar mehr. So der Horst Kühn, der in seiner Haftzeit nach 1955 Adler als herrschsüchtig beschreibt. Kühn meinte
„Adler wear stets bemüht den 'Boß' zu spielen. Nicht etwa, um etwas Erleichterung für die Brüder zu organisieren, nein um auf dumme Art seine Herrschsucht zu befriedigen …"

Mitte der 60er Jahre wurde Adler dann in die alte BRD entlassen. Sein Unterkommen war fortan in der WTG-Zentrale. Die ihn dort kennenlernten beschreiben das so:
„Fritz Adler, der ein Trauma aus seiner 25-jährigen Haftzeit (NS + DDR) hatte und sich in seinem Zimmer im Bethel verbarrikadierte und nur eine einzige Schwester, die ihn versorgte ins Zimmer ließ, bis er starb."

Es gab noch andere, die ihn dort begegneten. Ein solcher Zeuge Jehovas, auch in der DDR inhaftiert, auch im Gefängnis in Kontakt mit Adler, konnte nach seiner eigenen Haftentlassung, und späteren Invalidisierung, schon zu DDR-Zeiten Besuchsreisen in den Westen machten. Eine solcher Reisen führte ihn auch ins Bethel. Als dortiger Gast durch die Anlagen herumgeführt, trifft er Adler an einer Schredermaschine in Tätigkeit. (faktisch eine Maschine die alte WTG-Literatur vernichtet, die man aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr absetzen konnte oder wollte). Das war also sein „glorreicher" Lebensabend.

Über etliche andere Personen der WTG-Zeitgeschichte, liegen Berichte vor, nicht selten im „Wachttum" publiziert. Wer unter diesem Gesichtspunkt einmal die Indexe der WTG durchgeht, muss registrieren. Fehlanzeige. In ihrer Literatur hält die WTG Adler nicht für sonderlich erwähnenswert. Auch D. beschränkt sich in seinem Buch auf das Unumgängliche. Vorstehende Details wird man auch bei ihm nicht finden.


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