"Sonst telephoniert er immer sofort aus Berlin aus seinem Hotel."
Diesmal jedoch blieb das erwartete Telefonat aus. Statt dessen erhielt die Ehefrau zwei anders geartete Meldungen. Die erste davon wird so beschrieben:
„Ein Unbekannter klingelte bei
Frau Wittig an: "Kann ich Herrn Wittig sprechen?"
Frau Wittig: "Mein Mann ist verreist."
Der Anrufer: "Da können Sie lange warten, bis er wiederkommt."
Über die zweite Meldung heisst es dann:
„Im September vergangenen Jahres
(1963) erhielt Frau Wittig einen Brief: "Ich bin ... hier im Februar in
Untersuchungshaft genommen worden und inzwischen wegen Spionage zu einer
Zuchthausstrafe verurteilt worden, die ich jetzt verbüße. Es kann sehr
lange dauern, bis wir uns wiedersehen."
Auf dem Briefumschlag stand der Absender: "Karl Wittig, Berlin-Lichtenberg
4, Postfach 11a".
Im Ostberliner Lichtenberg steht ein Zuchthaus."
Indes nicht der bereits genannte Karl R. A. Wittig war die Hauptperson der
zeitgenössischen Publizistik. Die hörte auf einen anderen Namen, den Namen
Otto John, seines Zeichens erster Präsident des westdeutschen Geheimdienstes
mit dem eher verharmlosenden Titel „Verfassungsschutz".
Nun konnten die Ostdeutschen Schlapphüte aber den Triumph vermelden, besagter
Herr Otto John sei zu ihnen „übergelaufen". „Freiwillig" oder auch
unfreiwillig, sei einstweilen dahingestellt.
Fest steht aber, sie versäumten nicht, ihren so geangelten „Fisch" auch
Mediengerecht zu vermarkten.
http://www.youtube.com/watch?v=uUbvglArkV0
http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_John
Und Herr John tat, in seiner Ostberliner Zeit, wie von seinen Gastgebern
erwartet, und trompete jene Thesen in die Welt hinaus, die selbige gerne hören
wollten.
Sieht man sich die einschlägigen Berichte dazu näher an, etwa auch den:
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/287373/,
www.spiegel.de/spiegel/print/d-45138992.html
kann man wohl sagen, zumindest in materieller Hinsicht, meinten die
Ostberliner Gastgeber, ihrem Gast ein Standesgemäßes Leben in materieller
Beziehung zu kredenzen. Allerdings mit einem „Schönheitsfehler". Auf Schritt
und Tritt wurde John von der Stasi observiert. Ein wirklich „freies" Leben,
sieht garantiert anders aus.
Diese Umstände bewirkten wohl dann, dass Herr John alsbald danach trachtete,
die „Gastfreundschaft" seiner Ostberliner Gastgeber wieder zu beenden.
„Mit Hilfe eines dänischen Journalisten trickst John seine Bewacher am 12. Dezember 1955 aus, lässt sich nach Westberlin fahren und von dort sofort in die Bundesrepublik ausfliegen."
Damit war dann sein am 20. Juli 1954 begonnenes Ostberlin-Abenteuer erst
mal beendet.
Nun wieder im Westen zurückgekehrt, befanden die dortigen Herrschaften, in
Nachwirkung des Schockes, den ihnen John in der Tat bereitet hatte, für seinen
Ostberlin-Trip habe er sich aber noch gerichtlich zu verantworten. Und das
dann folgende Gerichtsurteil vom 22. 12. 1956, betrachtete eine
Zuchthausstrafe von vier Jahren als angemessen. Allerdings, auf dem
Gnadenwege, konnte John bereits am 25. 7. 1958, die Gefängnismauern wieder
verlassen.
Ärgerlich für John indes war der Umstand, sein Fall wurde als Landesverrat
eingestuft. Und sind ansonsten bei Justizia, im Falle der Fälle durchaus noch
Revisionsverhandlungen, bei der nächsthöheren Instanz möglich. So gab es in
seinem Falle diese Option nicht. Er war schon von der zuständigen höchsten
Instanz des Bundesgerichtshofes verurteilt worden. Eine darüber stehende
Revisionsinstanz, war prinzipiell nicht vorgesehen.
In dem eigentlichen Gerichtsverfahren wurden auch Zeugen vernommen. Unter
ihnen auch der Karl Richard Albert Wittig, welcher als Hauptbelastungszeuge
des John bezeichnet wird.
„Da kam Wittigs große Stunde: Im
Mai 1955, so bekundete er im Karlsruher Zeugenstand, habe John ihm bei der
Schillerfeier in Weimar "starkes Vertrauen entgegengebracht" und "sein
Herz ausgeschüttet".
Nach derlei Freundlichkeiten nahm der Zeuge es auf seinen Eid, in Weimar
aus John's Mund gehört und mit den eigenen Augen gesehen zu haben, daß der
Angeklagte
- als freier Mann gen Osten gefahren war,
- sich dort überall frei bewegen konnte
und
- jederzeit in den Westen zurück durfte.
In den Urteilsgründen steht zu lesen: Ganz vornan - "in erster Linie" -
sei Wittigs Zeugnis über seinen Weimarer Treff mit John ein Beweis dafür,
daß der Angeklagte "nicht entführt worden ist".
John indes bestritt diese Interpretation des Wittig und bestand auf seine
Interpretation, entführt worden zu sein. Um zu „überleben" und um eine Chance
zur Flucht zu haben, seien im Osten dann seine Äußerungen gefallen, die ihm
nun vorgehalten wurden. Allerdings beeindruckte John's Erklärung der Sachlage
das Gericht nicht sonderlich. Die hielten sich da eher an Wittig, zumal der
die entscheidende Aussage sogar beeidigt hatte.
Nun sahen sich Journalisten diesen Wittig mal näher an.
Dabei fallen dann auch die Sätze:
„Der Nachrichtenhändler Karl Richard Albert Wittig aus Frankfurt am Main firmierte als "Publizist" und rühmte sich oft, alle Welt zu kennen. Aber kaum jemand kannte ihn."
Oder auch dieser:
„Zeuge Karl Gerold, Herausgeber
und Chefredakteur der "Frankfurter Rundschau", hielt dagegen, Wittig habe
ihm schon vor der Weimar-Reise jene Begegnung angekündigt und ein
Interview mit John angeboten.
Außerdem: "Ich hatte ein ernsthaftes Mißtrauen gegen Herrn Wittig, er ist
in Journalistenkreisen unbekannt." Der Zeuge Wittig hatte sich den
Richtern John's als Herausgeber der "Frankfurter Informationen"
präsentiert eines Pressedienstes, der nicht zuletzt Prominenz zu seiner
Kundschaft zähle."
Oder auch dieses Votum:
„Das Schöffengericht Berlin
hatte Wittig im Jahre 1939 wegen fortgesetzten Betruges für zehn Monate
ins Gefängnis gesteckt.
Dazu Zeuge Wittig in Karlsruhe: Der Berliner Richter ... habe das Urteil
ohne jederlei Straftat und nur deshalb verhängt, weil er ihn im Gefängnis
vor dem Konzentrationslager bewahren wollte. Aus den Akten des
Schöffengerichts Berlin geht indessen hervor, daß Wittig damals
regelrechte Betrügereien angestellt und sich dabei auf gute Beziehungen zu
Hitler und NS-Innenminister Frick berufen hat."
Auch diese Episode gibt es noch zu vermelden:
„Otto John konnte sich in
Karlsruhe immerhin daran erinnern, daß Wittig einst bei ihm im Kölner
Bundesamt für Verfassungsschutz um Beschäftigung nachgesucht habe.
Zeuge Wittig dagegen: "Ich habe mich noch nie um eine Stellung bei
deutschen Behörden beworben, insbesondere nie in Ihrem Amt, Herr Dr. John.
Sie müssen mich verwechseln."
Auch diese Aussage gibt es noch:
„Im Kölner Bundesamt (für
Verfassungsschutz) existierten photokopierte Quittungen, die Wittig für
gelieferte Informationen mit seinem V-Mann-Decknamen "Kranz" abgezeichnet
habe.
In Karlsruhe hatte der Zeuge Wittig rundweg beschworen, er habe
- niemals für irgendeinen, wie immer auch gearteten Nachrichtendienst
gearbeitet und sich auch
- niemals einschlägig beworben."
Auch ein anderer Zeuge indes meinte aussagen zu können:
„Vor dem Frankfurter Untersuchungsrichter bekundete ein Zeuge Wuttke,
ebenfalls unter Eid, er habe Wittig im Spätsommer 1945 in Frankfurt
getroffen: "Er (Wittig) machte laufend Berichte für den amerikanischen
Geheimdienst."
Wittig habe ihm, Wuttke, anvertraut, daß er sowohl für den tschechischen
Geheimdienst als auch im Auftrage des amerikanischen Geheimdienstes tätig
sei; darüber hinaus unterhalte er Kontakt zu führenden Kommunisten in
Berlin."
Mit einer der ersten Schritte des John, nachdem er auf dem Gnadenwege die
Freiheit wieder erlangt hatte, bestand darin Anzeige (am 16. 3. 1959) gegen
Wittig wegen Meineides, in seinem Gerichtsverfahren, zu erstatten.
Justizias Mühlen pflegen langsam sich zu drehen, so auch in diesem Fall.
Die Ermittlungen des damit befassten Untersuchungsrichters waren dann
schließlich am 12. 2. 1962 beendet, und sollten in der Folge dann noch einer
gerichtlichen Bewertung zugeführt werden. Indes war nun besagter Herr Wittig
für die westdeutsche Justiz nicht mehr auffindbar, weshalb dann das Verfahren
gegen Wittig am 5. 8. 1963, von selbiger „vorerst" für eingestellt erklärt
wurde.
Was aus dem Wittig nach dessen "Verschwinden" dann noch so wurde, kann man aus
der Publizistik etwa des „Spiegels" schon nicht mehr entnehmen. Wie bereits
ausgeführt, sind die damit befasst gewesenen Journalisten, in erster Linie auf
den Otto John fixiert gewesen. Weitaus weniger indes auf den Karl R. A. Wittig.
In einer sehr knapp gehaltenen Fußnote eines Aufsatzes in den
"Vierteljahresheften für Zeitgeschichte", gibt es die Detailangabe:
Wittig wurde in den sechziger
Jahren selbst wegen Spionage für den Westen in der DDR verurteilt und 1969
von der Bundesrepublik freigekauft. John hat kurz danach einen
Meineidsprozeß gegen Wittig angestrengt, in dem es darum ging, daß Wittig
abgestritten hatte, für den Verfassungsschutz und für ausländische
Geheimdienste als Agent gearbeitet zu haben. Vgl. SAPMOBA,
Ordner: Prozeß Otto John, Ost- und Westpresse, o. Pag., Der Tagesspiegel,
9. 6. 1971.
http://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1999_1.pdf
Dort Seite 110, Fußnote 31.
Aber auch dieser Aufsatz in den VfZ ist auf den eigentlichen Fall Otto John
fixiert, und macht außer der zitierten Fußnote keinerlei weitere Detailangaben
zu Wittig.
Man vergleiche auch das Snippet Detail der Google-Buchsuche, in einem wohl
östlich inspirierten Buch.
Gleichwohl ist die Detailangabe
"Im Dienste des CIC" sicherlich bemerkenswert.
Dortige Namensschreibweise, wie auch in einem Buch des John selbst ("Zweimal
kam ich heim") ist Carl Wittig
http://books.google.de/books?id=BbUqAQAAMAAJ&q=Carl+Wittig&dq=Carl+Wittig&hl=de&sa=X&ei=CcSUUODSIcnKsgbQrYHYBA&ved=0CGQQ6AEwEg
Die Tendenz des Wittig als Wichtigtuer mag noch ein anderes Beispiel
veranschaulichen.
In der Nr. 36/1960 eines Hamburger Politikmagazins gab es auch einen Bericht
über den Fall Herschel Grünspan, welcher von den Nazis postwendend für ihre
berüchtigte sogenannte „Reichskristallnacht" ausgenutzt wurde. Auch hierbei
wiederum der Umstand zu beobachten, an Trittbrettfahrern aus dem
Weltverschwörungs-Theoretikern-Feld bestand kein Mangel.
www.spiegel.de/spiegel/print/d-43066693.html
Was da an einschlägigen Verschwörungstheorien kredenzt wird war dem
Wichtigtuer Wittig offenbar noch nicht genug. Und so schrieb er denn in der
Folge einen Leserbrief an den „Spiegel", welchen letzterer in seiner Ausgabe
vom 5. 10. 1960 abdruckte (Printausgabe).
Darin tönt Herr Wittig:
„Mitte März 1941 bis Anfang
Oktober des gleichen Jahres war ich fast täglich mit Grünspan in
Sachsenhausen zusammen.
Grünspan sollte sein ursprüngliches Geständnis jedoch dahingehend
"berichtigen", daß er vom Rath nicht aus eigenem Entschluß, sondern im
Auftrage des Admirals Canaris ermordete. Für diesen Fall wurde ihm seiten
der Gestapo zugesichert, daß er nicht wegen Mordes zur Verantwortung
gezogen, sondern mit einem blauen Auge davonkommen würde. Das SS-Personal
hatte die Anweisung, ihn gut zu behandeln und ihm jeden Wunsch zu
erfüllen."
Auf diese „Ergänzung" des Wittig „hat dann wohl die Welt gewartet". Ob sie
seriöse Historiker auch so teilen, mag dann dahingestellt sein.
Nun allerdings, muss diese Replik in den entscheidenden Punkten noch etwas
verändert werden. Nimmt man ein von Hans Frederik verfassten Buch zur Hand,
kommt man zu dem Ergebnis, dem Herrn Wittig hat dann wohl auch der Ostdeutsche
Staat arg böse noch mitgespielt. Dagegen sind die noch nicht mal voll
abgesessenen vier Jahre des John wohl nur ein Klacks.
Davon soll in dem nachfolgenden Exkurs noch die Rede sein.
Hans Frederik
„Das Ende einer Legende
Die abenteuerlichen Erlebnisse des Towarischtsch Alexander Busch".
So der Titel eines 1971 im Verlag politisches Archiv, München erschienenen
Buches.
Sein Hauptthema ist der Fall Otto John. Der Autor hatte selbigen auch als
Journalist persönlich noch kontaktiert. Jene Kontakte endeten allerdings
damit, dass John seine Interessen durch Frederick nicht gewahrt sah.
Und auf den hier besonders interessierenden Herrn Wittig kommt er im Rahmen
seiner Ausführungen auch mit zu sprechen.
Zuerst wäre mal das Rätsel zu lösen, wieso redet der Autor im Buchtitel von
einem Herrn Busch, wenn doch von John die Rede sein soll.
Dieses Rätsel löst sich dergestalt. Nachdem John spektakulärer Weise in
Ostdeutschland aufgetaucht war, befanden russische Geheimdienstkreise, sie
möchten die „Zitrone" John auch noch auspressen, also nicht bloß
Ostdeutschland wollte das.
Nachdem sich also der erste Staub in der Sache John etwas gelegt hatte,
„durfte" selbiger dann eine Reise in die Sowjetunion antreten, wo er dann vom
24. 8. 1954 bis 7. 12. 1954 anwesend war.
John bestreitet es, aber Frederick weist es per Faksimilie nach, dass die
Sowjets ihm während der Zeit ihrer „Gastfreundschaft" Ausweispapiere auf den
Namen Busch ausstellten (S. 538, 539).
Damit wäre dieses Rätsel erst mal gelöst.
Nun mag wieder der Fall Wittig etwas in den Vordergrund treten.
Offenbar hatte Wittig (geb. 1900) sich schon frühzeitig für Bundesdeutsche
CDU-Kreise „verdient" gemacht. Folgt man den Ausführungen von Frederick (S.
132f.) fanden die CDU-Granden, der Wittig hat da einen Wirtschaftsskandal
aufgedeckt, der sich als Wahlkampfmunition gegen die SPD nutzen ließe. Derart
hochgestimmt, sorgten hochrangige CDU-Kreise dafür, dass Wittig nun Kontakt zu
dem damaligen Verfassungsschützer John bekam. Kalkül der CDU-Granden,
vielleicht ließe sich Wittigs Recherche zu lasten der SPD, mit Hilfe des John,
noch ein bisschen weiter ausbauen.
„An der Affäre der Michelstädter Käsefabrik war der SPD-Bundestagsabgeordnete Heinrich Ritzel irgendwie beteiligt, denn durch seine Intervention sollte der längst fällige Konkurs dieses Unternehmens verhindert worden sein. Die Strafakten gegen die Inhaber der Käsefabrik Michelstadt soll wiederum aufgrund eines Hinweises Heinrich Ritzels Georg August Zinn, der auch Justizminister war, an sich gebracht haben. Trotz den Anschuldigungen, fortgesetzt verdorbenen Käse in betrügerischer Absicht an die HO-Organisation der DDR geliefert zu haben, kam es zu keiner Verhandlung. Diese Vorgänge sollten nun der Wahlschlager der CDU werden. Wittig sollte nun noch weiteres Material beschaffen."
Eine gewisse Bedeutung für Geheimdienstkreisen gleich welches Firmenschild sie den tragen, hatte Wittig sich schon frühzeitig, durch Kontakte zu hochrangigen Tschechoslowakischen Regierungskreisen erworben. Dazu sei aus der Wertung von Frederick (ohne Bewertung ob das nun zutreffend war oder nicht) der Satz zitiert:
„Als nun Schellenberg die Idee mit den gefälschten Dokumenten ausbrütete, mit denen bewiesen werden sollte, daß Marschall Tuchatschewsky mit der Bendlerstraße konspirierte, wurde von manchen Kreisen die Meinung vertreten, Wittig wäre dazu verwendet worden, diese Fälschungen über die tschechische Gesandtschaft Berlin Eduard Benesch zuzuleiten, der dann dieses Material an Stalin weitergegeben habe."
www.spiegel.de/spiegel/print/d-46415156.html
In seinem Abschnitt „Carl Wittig im Dienste des CIC" (amerikanischer
Geheimdienst
http://de.wikipedia.org/wiki/Counter_Intelligence_Corps) führt der Autor
dann noch an:
„Nach kurzen Vernehmungen durch die CIC stellte sich Wittig der US-Militärregierung zur Verfügung und war nach seiner eigenen Darstellung bis 1955 als „Berater" in allen Deutschlandangelegenheiten tätig. Sein Haupteinsatz war: Feststellung nationalsozialistischer Verbrechen, Aufdeckung der getarnten NS-führenden Persönlichkeiten wie kommunistischer Untergrundorganisationen. Er rühmt sich, an dem Verbot der KPD maßgeblich mitgewirkt zu haben."
Auch diese Details vernimmt man unter anderem noch:
„Auch bei einem typisch amerikanischen „Riesenkorruptionsfall" hatte Wittig die Nase stecken. Es handelte sich um die Verschiebung von 3000 fabrikneuen Sherman-Panzern an den Fiat-Automobil-Konzern. Die Panzer kamen nicht mehr zum Einsatz und wurden von zwei Beamten der US-Militärregierung Frankfurt zum Preis von 75 Dollar pro Tonne als Schrott verkauft. Das war das größte Geschäft, das Fiat damals gemacht hat, denn die Panzer wurden mit eigener Kraft über die Alpen nach Turin gefahren und sind von dort nach Jugoslawien geliefert worden. Wittig wurde dann zurückgepfiffen, da die Fäden dieser Korruption bis ins Weiße Haus verfolgt werden konnten."
Dergestalt seine „Bedeutung" von anderen bestätigt bekommen habend, war
Wittig nun auf „den Geschmack" gekommen. Und da las er wie auch andere in der
Tagespresse, über den spektakulären Übertritt des John nach Ostdeutschland.
Jetzt roch Wittig wieder seine Chance.
Seinen nächsten diesbezüglichen Coup beschreibt Frederick wir folgt:
„Nachfolgendes Schreiben ging am
12. August 1954 an das Ministerium des Innern der DDR nach Ostberlin:
An das
Ministerium des Innern
der Deutschen Demokratischen Republik,
BERLIN
12. August 1954
Da mir die jetzige Anschrift des früheren Präsidenten des Bundesamts für
Verfassungsschutz, Herrn Dr. Otto John nicht bekannt ist, möchte ich Sie
ergebenst bitten, das einliegende Schreiben an Herrn Dr. John
weiterreichen zu wollen. Indem ich Ihnen für Ihre Bemühungen verbindlichst
danke, zeichne ich
mit vorzüglicher Hochachtung!
Carl Wittig
Lieber Herr Dr. John!
12. August 1954
Obwohl unsere persönliche Bekanntschaft nur kurzen Datums ist, möchte ich
Ihnen in Ihrer jetzigen Lage einige wenige Zeilen schreiben. Ich möchte es
auch dahingestellt sein lassen, ob Ihnen meine persönliche Meinung wichtig
ist, aber vielleicht erfüllt es Sie doch bei der Unmenge von Dreck, mit
dem man Sie beworfen hat, mit einiger Genugtuung, wenn ich Ihnen mitteile,
daß ich die Motive, die Sie zu Ihrem Schritt veranlaßt haben, billige und
Ihre gestrigen Ausführungen in Ihrer Pressekonferenz begrüße. Ich schreibe
Ihnen dies nicht nur aus dem Gefühl unserer kameradschaftlichen
Verbundenheit als Widerstandskämpfer gegen das nationalsozialistische
Untermenschentum, sondern auch deswegen, weil ich aus eigener sehr
gründlicher Kenntnis um jene Dinge, die uns in unserem nationalen
Verantwortungsgefühl so tief bewegen, das, was Sie gestern der
internationalen Presse mitzuteilen für richtig hielten, nur bestätigen
kann. Gestatten Sie mir den Ausdruck meiner ausgezeichneten Hochachtung in
einer ernsten Stunde unseres gemeinsamen Vaterlandes, in der jeder
verantwortungsbewußte Deutsche auf Grund Ihres Handelns kraft eigenen
Rechts Stellung beziehen muß: nicht für oder gegen Sie, sondern für oder
gegen den wiederaufkommenden Nationalsozialismus und seine gewissenlosen
Förderer im demokratischen Gewände.
Ihr
Carl Wittig
Carl Wittig brauchte nicht lange auf Antwort zu warten. Noch ehe Otto John
sich auf die Reise nach der Sowjetunion begab, nahm er sich Zeit, das
Schreiben zu beantworten."
Weiter Frederick: „Doch dieses Schreiben sollte nicht das einzige bleiben ..."
Weiter in der Schilderung von Frederick:
„Carl Wittig, der in den Fünfziger Jahren als Spitzenfunktionär des Schriftstellerverbandes bereits ausgezeichnete Kontakte zu Ostberliner Behörden hatte, besaß eine offizielle Einladung zu den Schillerfestlichkeiten, die im Mai in Weimar stattfanden."
Und just dort trafen sich die beiden Herren John und Wittig wieder.
Die Berichte, welche Wittig schon zeitgenössisch darüber in der Presse
erscheinen lies, waren dann im späteren Bundesdeutschen Gerichtsverfahren
gegen John, der Hauptbeweis-Gegenstand gegen letzteren. Man kaufte ihm
aufgrund dieser Berichte es einfach nicht ab, dass John, wie er nun
behauptete, vom Osten entführt worden sei.
Die Gerichtliche Verurteilung des John basierte also im wesentlichen
Parametern auf dem, was Wittig über seine Kontakte mit John in Weimar
geschrieben hatte.
Nun sann aber John, wie bereits vernommen, auf Rache, nach seiner Freilassung.
Ergo war ihm vor allem daran gelegen, den Wittig für unglaubwürdig erklären zu
lassen. Dazu dann auch der Vorhalt an die Adresse von Wittig, Meineidig
geworden zu sein.
Meineidig in wie fern?
Dazu Frederick: „Mit Hilfe des Doppelagenten
Schmeißer sollte Carl Wittig des Meineides überführt werden."
Nun mag man es mir nachsehen, wenn ich erkläre, in den Fall Schmeißer möchte ich mich nicht auch noch verzetteln. Ich muss es also allein Frederick überbürden, wenn er über diesen dann noch äußert:
„Jener Monsieur Schmeißer, der
einstens als französischer Nachrichtenagent sich dem SPIEGEL gegen Konrad
Adenauer als Zeuge und Informant zur Verfügung gestellt und durch die „Schmeißer-Affäre"
selbst eine zwielichtige Berühmtheit erlangt hatte.
Schmeißer sollte, ebenfalls als Nachrichtendienstler aus früheren Zeiten
mit Otto John bekannt, seinem ehemaligen Freund Carl Wittig ein Bein
stellen. Schmeißer war nämlich vor Jahren einmal Kolonnenführer des
L(andesamt)f(ür)V(erfassungsschutz) Hessen und hatte mit Wittig zu tun.
Wittig wiederum hatte vor den Bundesrichtern erklärt, er habe niemals
einem Nachrichtendienst angehört. Der Widerspruch war anscheinend
offensichtlich."
http://www.deutschlandarchiv.info/download/article/401
Also bestand der Meineid des Wittig in seiner Bestreitung eigener
Geheimdienstlicher Aktivitäten.
Wie bereits vernommen, führte diese Sachlage dann dazu, dass Wittig sich in
einer Art Kurzschlußreaktion nach Ostberlin absetzte, was ihm wiederum alles
andere als „gut" bekommen ist.
Er wurde vom Ostdeutschen Terrorregime zu fünfzehn Jahre Zuchthaus verurteilt,
und sollte erst durch seinen Freikauf durch die Bundesrepublik wieder die
Freiheit wieder erlangen (im Jahre 1969).
Nochmals Frederick:
„Wittig hatte jedoch - auf
entsprechenden Vorbehalt — auch auf seinen Eid genommen, nie für einen
Nachrichtendienst, insbesondere ausländischen Couleurs, tätig gewesen zu
sein. Otto John war nämlich darauf verfallen, die Zeugenaussage „als von
einem östlichen Geheimdienst gesteuert" zu interpretieren.
John wußte noch von Amts wegen über Wittig Bescheid. Er wußte aus
Unterlagen des Verfassungsschutzes, daß Wittig - im gängigen Jargon
gesprochen - an einer westlichen Strippe hing. Also hätte bei einer
derartigen Auslegung Wittig tatsächlich falsch ausgesagt. Zwar nicht
falsch im Sinne der an ihn gerichteten diesbezüglichen Fragen, die für
alle Prozeßbeobachter auf den Umstand einer östlichen Abhängigkeit gemünzt
schienen. Falsch jedoch den Buchstaben nach und insoweit ein „formaler
Meineid"
... Otto John war es also mit dem technischen Kunstgriff, Wittigs
Unglaubwürdigkeit in einer Nebenaussage nachzuweisen, die den
Wahrheitsgehalt der Belastung überhaupt nicht tangierte, offensichtlich
gelungen, einen weitverbreiteten öffentlichen Meinungsumschwung zu seinen
Gunsten auch in der Hauptsache zu stimulieren."
Weiter im Bericht von Frederick:
„Als Wittig im Juli 1969, aus
dem Zuchthaus in Bautzen kommend, nach Gießen kam, wurde er aufgrund des
vorliegenden Haftbefehls festgenommen, jedoch sofort wieder enthaftet.
Doch der Prozeß blieb dem in der DDR wegen Spionage zu 15 Jahren Zuchthaus
verurteilten Carl Wittig nicht erspart. Im Mai 1971 wurden die Termine zur
Hauptverhandlung angesetzt."
Jedenfalls ist in diesem 1971er Verfahren dann, der Wittig von der Anklage
des Meineides freigesprochen worden, und John hat seine krampfhaft
angestrengte Rehabilitation, weiterhin nicht erreicht.
Ab Seite 615f. gibt es im Frederick-Buch dann noch in Faksimilie einige
Presseberichte die Frederick offenbar minutiös gesammelt hat, zum 1971er
Wittig-Verfahren.
Sonderlich „geholfen" hat diese Entwicklung dem Wittig dann wohl nicht mehr,
vernimmt man in einem dieser Presseberichte auch die Detailangabe, Wohnsitz
des Wittig, nunmehr ein Bundesdeutsches Altersheim.
Beispiele der Presse-Berichterstattung zum 1971er Wittig-Verfahren. Im
eigentlichen Buch von Frederick gibt es noch mehr davon!
Auch die Zeugen Jehovas haben bekanntermaßen, den in diesem Agenthriller
vorkommenden Karl R. A. Wittig als Kronzeugen entdeckt. Laut Wittig in der
Referierung der Zeugen Jehovas, soll Hitler den martialischen Spruch von der
auszurottenden Brut getan haben.
Nun wäre ein solcher Wutausbruch dem Hitler durchaus zuzutrauen. Wenn indes
dafür ein Wittig als Kronzeuge bemüht wird, ist man eher geneigt zu
kommentieren. Man täte wohl besser daran jene Hitler-Passage nicht zu
vermarkten. Es sei denn man könne für sie eine andere authentische Quelle
benennen, die nicht auf dem Namen Wittig hört.
In Gesamtbewertung ist festzustellen.
Das Ostdeutsche Regime bestrafte Herrn Wittig mit 15 Jahren Zuchthaus. Jenes
Regime hielt den Tatbestand der Spionage, aus seiner Sicht, für erwiesen.
Herr Frederick der im Rahmen seiner langjährigen Recherchen, letztendlich auch
auf Zuarbeiten Ostdeutscher und russischer Geheimdienstkreise zurückgreifen
konnte. Er selbst sagt in seinem Bericht, wie er sich im Ostberliner Hotel
„Johannishof" mit dafür abgestellten Vertretern, der russischen
Geheimdienst-Bürokratie traf, die ihm einschlägige Materialien übergaben, etwa
die genannten russischen Ausweispapiere auf den Namen „Busch", nebst Fotos und
einigem mehr.
Ergo steht fest, Frederick konnte auf das einschlägige, dem Osten zur
Verfügung stehende Material zurückgreifen, nebst eigenen Recherchen.
Die Vorhalte an die Adresse Wittigs, schon zu Nazizeiten mit Aufträgen in
Berührung gekommen zu sein, etwa seine Kontakte zur Tschechoslowakischen
Benesch-Regierung, seine ziemlich nahtlose Übernahme nach 1945 durch den
amerikanischen Geheimdienst CIC, sprechen eine deutliche Sprache.
Zu dem Zeitpunkt wo er die von der WTG bemühte Eidesstaatliche Erklärung in
Sachen von Hitlers Wutausbruch abgab, war er erwiesenermaßen CIC-Agent.
Wenn man seinen bürgerlichen Status zu der Zeit, mit in Betracht zieht, so
kann man ihn sicherlich in die Rubrik Journalist/Publizist einordnen. Betrieb
Herr Wittig auch in anderen Fällen seiner Publizistik, etwa den Fall der
„stinkenden Käsefabrik", auch den Aufwand, diese Recherche-Ergebnisse dann
notariell beglaubigen zu lassen? Sicherlich nicht, jedenfalls ist in der
Richtung nichts bekannt. Wird also der Schritt eingeleitet, bestimmte
Aussagen, eigens notariell beglaubigen zu lassen, ist damit schon ein höherer
Aufwand, einschließlich damit verbundener Kosten verbunden.
Siehe „Jehovas Zeugen in Gottes Vorhaben" S. 142.
Wer hatte ein Interesse daran, diesen höheren Aufwand- einschließlich Kosten,
in Kauf zu nehmen? Ein „kleiner Journalist" wohl kaum. Da standen andere
Kreise Pate, die es für opportun hielten, es so ablaufen zu lassen.
Ein CIC-Agent avancierte also für die WTG zum Kronzeugen.
Ein wesentlicher Schritt in der WTG-Geschichte des Jahres 1947 war auch die
Kreierung der Zeugen Jehovas-Zeitschrift „Erwachet!" als Nachfolgeorgan des
eher lendenlahmen „Trost". Das war nicht nur eine namentliche, es war vor
allem auch eine inhaltliche Zäsur. Gerade diese frühen „Erwachet!"-Ausgaben
strotzen förmlich von Politik-Elementen, wenn auch in der etwas verbrämten
Form.
In Kommentierung der „Erwachet!"-Ausgabe vom 8. 8. 1947 wurde beispielhaft
festgestellt:
„Der „kalte Krieg" formiert sich, mag man nur als Kommentar zu jenem Politik-Überblick sagen, den zu offerieren sich auch die angebliche „neutrale" Zeugen Jehovas-Organisation in ihrer Zeitschrift „Erwachet!" Ausgabe vom 8. 8. 1947 berufen fühlt."
Sowohl kirchliche Kreise, als auch die von diesen nicht mehr erreichbaren Kreise zu Nazizeiten, pflegten mit den Zeugen Jehovas nichts sonderlich am Hut zu haben. Politik der amerikanischen Militärregierung in Deutschland war es indes, - auch - die Zeugen Jehovas vielfältig zu protegieren. Immer den alten Kolonisatorenspruch beherzigend. Früher hatten wir das Land und ihr die Bibel. Jetzt haben wir die Bibel und ihr das Land".
Die Dampfwalzenartige Propaganda der Zeugen Jehovas, etwa mit der
WTG-Forderung Sechzig Stunden Predigtdienst als Quote für die einfachen
Versammlungsverkündiger zu der Zeit („Pioniere" entsprechend mehr),
unmittelbar nach 1945 einsetzend, war durchaus nicht überall gut gelitten. Da
gab es auch Widerstände zu überwinden. Als eines von mehreren Instrumentarien
dieser Widerstandsüberwindung, ist da auch besagte Eidesstaatliche Erklärung
des Wittig zu bewerten. Das nunmehr umzuerziehende - vorher nazistisch
verseuchte - jetzt US-Kapitalismus zugewandte Deutschland -, in seinen
westlichen Zonen, wurde dann auch durch solche Statements wie die des Wittig
gefügig gemacht. Da die östliche Zone dieses Spiel so nicht mitspielte, ergab
sich daraus. Um so schriller haben die Töne im Westen Deutschands, dann
auszufallen. Die Vermarktung des Wittig lag also im prinzipiellen Interesse der
USA-Deutschlandpolitik.
Das Ostdeutsche Zeugen Jehovas-Verbot fiel sicherlich „nicht vom Himmel". Es
hatte einen zeitlichen Vorlauf. Dahin gehört dann wohl auch, die
„Gegensteuerung" des CIC mittels ihres Agenten Wittig.
Damit ist die WTG letztendlich mitten im Geheimdienstmilieu gelandet. Sie war
diesbezüglich nicht „treibende" Kraft wohl aber Werkzeug, so auch Wittig „nur"
Werkzeug war.
www.spiegel.de/spiegel/print/d-43019077.html