Der vorangegangene Jahrgang   1950

Vor (mehr) als 50 Jahren

Was 1951 Wahrheit war

Höhere Gewalten

Von dem 1950-er DDR-Verbot und den sich daran anschließenden Gerichtsprozessen, war noch nicht einmal die "Tinte trocken", als der "Wachtturm", schon in seiner Ausgabe vom 15. 1. 1951 unter der Überschrift "Untertan den Höheren Gewalten" einen Grundsatzartikel brachte. Im Prinzip beinhalten diese Ausführungen nichts wesentlich Neues. Aber im Kontext des noch keineswegs "vernarbten" DDR-Verbotes, bedeutet die Wiederholung und Bekräftigung der entsprechenden Thesen, durchaus auch ein politisch zu bewertender Tatbestand. Keineswegs nur "religiös", wie die "Sand in die Augen streuen" WTG-Schreiberlinge im fernen Brooklyn und im etwas näheren Wiesbaden, dies gerne interpretieren möchten. Daher sei nachstehend einiges aus diesem Artikel zitiert:

"Die Geistlichkeit führt auch das Schreiben des Apostels in Römer 13:1 an: 'Jede Seele unterwerfe sich den obrigkeitlichen Gewalten; denn es ist keine Obrigkeit, außer von Gott, und diese, welche sind, sind von Gott verordnet.' Dieser Text, so erklärt sie, zeige an, dass der Cäsar und derartige politische Autoritäten die von Gott verordneten 'obrigkeitlichen Gewalten' seien, denen sich christliche Seelen zu unterstellen hätten und denen sie ungeteilten Gehorsam darbringen müssten. Zufolge dieser kirchlichen Auslegung des Textes konnten sogenannte Christen leicht in politische Bewegungen hineingezogen und mitgerissen werden; zu den Nazi, Faschisten, Kommunisten und andern Diktatoren, die einen totalitären Staat aufrichten, die wahren Anbeter Jehovas und die treuen Nachahmer seines Christus brutal verfolgen und sich auf den Weg militärischer Angriffshandlungen begeben, um die Weltherrschaft zu erringen und alle Völker ihrer sozialen und politischen Ideologien zu unterwerfen.

Wohin diese Deutung der Schrift durch Geistliche geführt hat, kann aus zwei Zeitungsberichten ersehen werden. Eine Sondermeldung an die New York Times mit der Datumszeile 'Moskau, 24. April' besagte:

'Die sorgsam durchdachte russische orthodoxe Osterfeier begann gestern Abend mit dem traditionellen Mitternachtsgottesdienst, der vom Patriarchen Alexej in der Kathedrale Yelokhovsky in Moskau geleitet wurde. Die Kathedrale war gepackt voll. Kurz vor Mitternacht sprach Alexej Gebete für das Sowjetvolk sowie für die Bewahrung des Friedens und für die Segnung des Führers des Sowjetstaates, Joseph Stalin.' - New York Times, 25. April 1949.

Die andere Meldung wurde von der Süddeutschen Zeitung am 7. Dezember 1945 veröffentlicht und spricht von dem Bekenntnis des wohlbekannten Pastors Niemöller kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Nach der Datumzeile 'Frankfurt am Main, 6. Dezember (DANA)' besagte dieser Artikel unter der Überschrift 'Kritik an der Evangelischen Kirche'.

'Vor einer tausendköpfigen Menge von Frauen und Männern aus allen Berufs- und Altersklassen predigte Pastor Niemöller hier am ersten Advents-Sonntag. Er verlieh dem Wunsche nach Frieden Ausdruck und warnte vor den, die sagen, dass Frieden unmöglich und undurchführbar sei. Mit scharfen Worten geisselte Pastor Niemöller die Evangelische Kirche, die in vergangenen Jahrhunderten oft KRIEGE GUTGEHEISSEN UND DIE WAFFEN GESEGNET habe. …

Der Friede, den wir erstreben, sagte Niemöller, die Arbeit, die uns bevorsteht, werden nicht durch eine einflussreiche Kirche möglich gemacht werden, sondern einzig und allein dadurch, dass wir zur Bescheidenheit und Nächstenliebe, den Grundlagen des Christentums, zurückkehren.'

Die Meldung lautete dem Inhalt nach, dass 'in Frankfurt innerhalb der Evangelischen Kirche eine starke Bewegung im Gange sei, die auf eine Reform der Kirche auch in theologischer Beziehung abziele. Nichts habe der Evangelischen Kirche in den letzten 12 Jahren so sehr geschadet wie theologische Grundsätze, die da lauten: 'Seid untertan der Obrigkeit, die Gewalt über euch hat', also auch der Hitler-Diktatur und 'Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist', demnach auch dem 'Führer was des Führers ist.' Diese Lehren hätten den Übergang in das Lager des Nationalsozialismus allzu leicht gemacht, auch der Schritt, Kanonen für den Krieg zu segnen, sei sehr leicht gewesen. Lehren dieser Art, die vom Standpunkt Luthers aus verständlich gewesen seien, seien überholt, hier müsse eine Reform einsetzen.'

Wie weit die Evangelische Kirche von Deutschland im Revidieren ihres Verständnisses der eben erwähnten Schrifttexte gegangen ist, können wir hier nicht sagen. Doch hat Pastor Niemöller in seinem Bekenntnis, von dem oben berichtet wird, die Bibelforscher oder Jehovas Zeugen in Deutschland erwähnt und dazu ihr christliches Vorgehen selbst unter dem Druck der Diktatur und des Zweiten Weltkrieges.

Bis zum Jahre 1928 hatten auch sie sich an die kirchliche Auslegung von Römer 13:1-7 hinsichtlich der 'obrigkeitlichen Gewalten' gehalten.

Doch in jenem Jahre wurde dieser Schrifttext einer Neuprüfung unterzogen, besonders angesichts der Tatsache, dass die 'Zeiten der Heiden' im Jahre 1914 n. Chr. geendet hatten und das von Christus regierte Reich Gottes, damals in den Himmeln aufgerichtet worden war, um eine neue Welt einzuführen, die gehorsamen Menschen guten Willens ewige Segnungen bringen wird. Die Schlussfolgerungen, zu denen man gelangte, sind in dem zweiteiligen Artikel, betitelt 'Die höheren Gewalten im Wachtturm vom 1. und 15. Juli 1929 veröffentlicht worden. Dass sich Jehovas Zeugen an diese Folgerungen seither stets hielten, kostete manchen von ihnen ihre persönliche Freiheit, ja selbst ihr Leben.

Statt aber Römer 13: 1-7 als Anweisungen des Apostels anzusehen, wonach dem Cäsar das zu geben ist, was dem Cäsar gehört, ist dieser Text seit 1929 von Jehovas Zeugen vielmehr als Anweisung betrachtet worden, Gott das zu geben, was Gott gehört. Weshalb? Weil man unter dem Ausdruck 'die höheren' oder 'obrigkeitlichen Gewalten' nur in erster Linie Gott, den Höchsten, und seinen regierenden Sohn Jesus Christus versteht. Bestimmt gibt es keine Gewalten und Obrigkeiten, die höher sind als diese. Gemäss der Wiedergabe in der kürzlich herausgegebenen Neue-Welt-Übersetzung der Christlichen Griechischen Schriften lautet Römer 13:1 "Jede Seele sei untertan den höheren Obrigkeiten, denn da ist keine Obrigkeit ausser vor Gott, die bestehenden Obrigkeiten sind durch Gott in ihre bezüglichen Stellungen gesetzt.'

Im Jahre 1914 . Chr. sind die 'bestimmten Zeiten der Nationen', die 607 v. Chr. mit der Vernichtung Jerusalems durch den König Nebukadnezar begonnen hatten, abgelaufen. Seither sind die Nationen in der 'Zeit des Endes' dieser Welt gewesen. Unter dem internationalen Druck dieser kritischen Zeit, und besonders jetzt, angesichts des kalten Krieges zwischen dem Ost- und dem Westblock der Nationen, der in einem dritten Weltkrieg heiss zu werden droht, fühlt sich der politische Staat, dergestalt durch den Cäsar, unter dem Druck, von seinen Bürgern fordern zu sollen, dass sie dem Cäsar alles zahlen und das beständige Wohl und die Rettung seiner Bürger dem Staate zuschreiben. Mehr und mehr ist er geneigt, auf jene von Gott gegebenen Dinge überzugreifen, die echte Christen dem lebendigen wahren Gott zurückzahlen müssen; und er stellt Forderungen, die der Vorschrift widersprechen, welche Jesus Christus niedergelegt hat. Die stolzen, ehrgeizigen, auf sich selbst eingestellten Nationen ziehen nie in Erwägung, dass sie als Nationen Jehova Gott etwas schulden. Dessen ungeachtet sind sie schuldig, Gott das zurückzuzahlen, was ihm gehört, besonders seit 1914.

Extreme Nationalisten, die aufgebracht sind über die Treue, die Jehovas Zeugen gegen ihn bewahren, wollen diese aus Jehovas eigenem Besitztum und Gebiet vertreiben. Sie reden wie gottlose Totalitätsverfechter und fordern laut, dass man Jehovas Zeugen aus dem Lande verbanne, als ob diese Zeugen auf Grund und Boden lebten, auf den sie nicht hingehörten. In der Tat möchten sie sie von der Fläche des Erdbodens vertreiben. SIE ERKENNEN WOHL KAUM, DASS DIE TREUEN KNECHTE JEHOVAS DIE EINZIGEN SIND, DIE JETZT EIN RECHT HABEN, DIE ERDE EINZUNEHMEN (Hervorhebung von mir M. G. ). Gott wird dieses Recht in der Schlacht zwischen dem Lamm und den weltlichen Nationen kundmachen. Dann wird Jehova die Erde von den fanatischen Superpatrioten dieser Welt säubern und wird nur seine treuen Zeugen auf Erden in die neue Welt hinüberleben lassen, wo alle Geschöpfe Gott das zurückzahlen werden, was Gott gehört.

In Anbetracht der Tatsache, dass christliche Zeugen weltliche politische Mächte nicht als die von Gott verordneten 'höheren Obrigkeiten' annehmen, sondern nur Gott und Jesus Christus jetzt als solche anerkennen, stehen sie von einer Teilnahme an der Politik dieser Welt, ja selbst vom Stimmen, gewissenhaft ab …

In Ländern, wo der militärische Aushebungszwang besteht, lassen sich Jehovas Zeugen gleichwie alle andern innerhalb der Altersgrenze eintragen, und sie legen ihr Verhältnis zur Sache schriftlich nieder. Sie erinnern sich daran, wie Joseph und Maria der Verordnung des Cäsars entsprachen und nach Bethlehem-Juda reisten, um sich in ihrer Heimatstadt einschreiben zu lassen (Luk. 2: 1-5 NW) Doch wenn diese Diener des Wortes Jehovas zur Eingliederung in die Armee einberufen werden, ist es an ihnen, sich dann zu stellen und dem Worte Gottes gemäss Stellung zu beziehen und Gott das zu zahlen, was ihm gehört. Dasselbe trifft zu, wo der Cäsar den Bürgern das Stimmen zur Zwangspflicht macht. Nachdem sie sich einschreiben lassen, können sie sich, wenn der Wahltag kommt, zur Abstimmung und zu den Wahlurnen begeben. Hier ist es, wo sie genötigt sind, den Stimmzettel zu bezeichnen oder das hineinzuschreiben, wofür sie eintreten. Die Stimmenden verfahren mit ihren Stimmzettel gemäß ihrem Willen. Somit ist hier, in Gottes Gegenwart, der Ort, wo seine Zeugen im Einklang mit seinen Geboten und in Übereinstimmung mit ihrem Glauben handeln müssen.

Es gehört nicht zu unserer Verantwortung, sie anzuweisen, was sie mit dem Stimmzettel tun sollen. Sie müssen in Übereinstimmung mit ihrem Gewissen handeln, das durch das Studium des Wortes Gottes erleuchtet ist. In Ländern, wo kein Wahlzwang besteht, erinnern sich die Diener des Wortes Jehovas daran, dass sein Volk theokratisch organisiert ist. Gemäss dem göttlichen Gesetz, unter dem sie organisiert sind, werden die Diener nicht auf Grund einer Wahl durch die Mehrheit des Volkes ins Amt eingesetzt, sondern alle Ernennungen in der theokratischen Organisation kommen von Gott und durch jene, denen er in seiner Organisation Autorität verleiht. So nehmen die einzelnen Glieder der Versammlung in seiner sichtbaren Organisation keine demokratische Wahl vor, um durch Stimmenmehrheit geeignete Männer in die Stellungen der Aufseher und Diener im Amte einzusetzen. Nein, sondern die Ernennungen zu allen amtlichen Dienststellungen erfolgen durch den Geist Gottes und durch die leitende Körperschaft gemäss den Erfordernissen der Schrift.

Da sie selbst zur Einsetzung geweihter Diener in ihr Amt, selbst innerhalb der theokratischen Organisation, nicht das beim Volke übliche Stimmrecht ausüben, erachten sie es als unangebracht, das demokratische Wahlrecht zu benutzen, wodurch nichtgeweihte Personen in weltliche, politische Ämter eingesetzt werden. Sie wollen nicht an der Verantwortung für die Sünden solcher Weltlinge in Regierungsämtern teilhaben. Sie wollen sich von dieser Welt rein erhalten. Sie halten sich an Gottes Ernennungen durch seine theokratische Organisation und anerkennen die Einsetzung Jesu Christi in das Königtum der gerechten neuen Welt." Man vergleiche auch: Obrigkeit

Keine Pazifisten

Der "Wachtturm" des Jahres 1951 (15. 3.) glänzt noch durch einen weiteren Grundsatzartikel unter der Überschrift: "Warum Jehovas Zeugen keine Pazifisten sind". Einige Zitate daraus:

"'Jehova ist ein Kriegsmann, Jehova sein Name' - 2 Mose 15:3

'Jehovas Zeugen. Eine Bande von Pazifisten!' so werden viele Leute mit Verachtung ausrufen, und zu diesem Gedanken sind sie verleitet worden durch die Anklagen, die ihre Feinde über sie ausstossen. Sind aber die Zeugen Pazifisten, die unter dem Deckmantel 'Einwände aus Gewissensgründen' Zuflucht suchten, weil sie sich fürchteten, zu kämpfen?

Nach der Definition von Websters 'New International Dictionary' (2. Ausgabe, unverkürzt, von 1943) bedeutet Pazifismus: 'Widerstand gegen Krieg oder den Gebrauch der Militärgewalt zu irgendeinen Zweck; besonders eine Geisteseinstellung, welche gegen jeden Krieg ist, die Mängel militärischer Ausbildung und die Kriegskosten betont und eine Regelung internationaler Dispute auschliesslich durch Schiedsspruch befürwortet.'

Im (Bibel)-Bericht über die ganze Geschichte von fast sechstausend Jahren ist nichts zu finden, wonach Jehovas Zeugen sich des 'Widerstandes gegen Krieg oder den Gebrauch der Militärgewalt zu irgendeinem Zweck' schuldig gemacht hätten, wie die Definition des Pazifismus lautet. Wir können die Liste der Zeugen Jehovas von Abraham an durchgehen, um zu zeigen, dass sie nicht Pazifisten waren.

Manche unserer Leser und öffentliche Beamte mögen fragen: Wenn doch Jehovas Zeugen von heute in ununterbrochener Kette verbunden sind mit jenen Zeugen alter Zeiten, die eine solche Geschichte haben, warum handeln sie denn nicht nach dieser Tradition des militärischen Kampfes? Warum sind sie in den Reihen der Armeen der Christenheit nicht zu finden? warum suchen sie, vom Militärdienst frei zu werden? Warum gehen sie so weit, dass sie es sogar ablehnen, zu öffentlichem Dienst in Lager einzutreten, die in gewissen Ländern für oder durch Pazifisten und Dienstverweigerer aus Gewissensgründen aufrechterhalten werden, oder irgendwie Anteil an der Verteidigung oder an Kriegsbestrebungen zu nehmen? Fraget Jehovas Zeugen um den Grund, und sie werden euch sagen, dass es nicht ist, weil sie Pazifisten geworden wären. Es ist, weil sie aus Gewissensgründen Einwände erheben gegen die Teilnahme an einem solchen Kriege und an Verteidigungsbestrebungen der Christenheit und der übrigen Welt.

Jemand mag aber fragen, wieso sie denn Einwände aus Gewissensgründen haben und dabei doch nicht Pazifisten seien? Sie sind nicht gegen den Krieg zwischen den Nationen, und sie mischen sich nicht in die Kriegsbestrebungen der Nationen ein, noch treten sie irgend jemand in den Weg, der sich, seinem Gewissen gemäss, an solchen Bestrebungen beteiligen kann.

Sie kämpfen nur, wenn Gott ihnen dies zu tun gebietet, weil es dann theokratische Kriegführung ist.

Dies bedeutet nicht, dass sie Pazifisten seien, welche gegen den Krieg sind, Widerstand dagegen leisten und störend dazwischentreten, wenn weltliche Regierungen Angriffs- oder Verteidigungskriege führen. Sie könnten nicht Kriegsbekämpfer sein, da sie sich der Erfüllung der Worte Jesu über die Vollendung dieses Systems der Dinge unterwerfen. wie könnten also die christlichen Zeugen Jehovas Stellung nehmen gegen weltliche Kriege oder sie zu verhindern suchen, da doch Jesus prophezeit hat, dass sie bestimmt ausgefochten würden? Jesus sagte ihnen nicht, dass sie im Kampf mit dabei seien. Sie würden lediglich davon hören, dass Kriege innerhalb ihres Hörbereichs gekämpft würden oder würden sonstwie Berichte über die Kriege hören, die anderswo ausgefochten werden.

Wenn Jehovas Zeugen heute Pazifisten sein sollten, so müssten sie sich logischerweise dem Kriege Jehovas gegen die ganze Welt des Teufels in der Schlachtfront von Harmagedon widersetzen. Sie sahen, wie während des Weltkrieges 1914-1918 die Nationen dieser Welt Gottes sichtbare Organisation seines Volkes angegriffen, das prophetisch als 'Jerusalem' bezeichnet wird, wie Sacharja es vorausgesagt hatte. Nun erwarten sie, dass sich der übrige Teil seiner Prophezeiung binnen kurzem verwirkliche, nämlich: 'Und Jehova wird ausziehen und wider jene Nation streiten, wie an dem Tage, da er streitet, an dem Tage der Schlacht …

Dann wird es ein grosses Schlachten sein, vorgeschattet durch die Schlachtung der vereinten Feinde Gottes, die in den Tagen des Königs Josaphat zum Angriff auf Jerusalem marschierten. … Er erlässt den Befehl: 'Rufet dieses aus unter den Nationen, heiligt einen Krieg, erwecket die Helden; es sollen herankommen und heraufziehen alle Kriegsmänner! Schmiedet eure Pflugmesser zu Schwertern und eure Winzermesser zu Speeren; der Schwache sage: Ich bin ein Held! … Leget die Sichel an, denn die Ernte ist reif; kommt, stampfet, denn die Kelter ist voll, die Kufen fliessen über! Denn gross ist ihre Bosheit. - Getümmel, Getümmel (Menschenmengen, Fussn.) im Tale der Entscheidung; denn nahe ist der Tag Jehovas im Tale der Entscheidung.

Jehovas Zeugen von heute sind jene, denen befohlen ist, diese Proklamation an die Nationen ergehen zu lassen, und dies tun sie. Wie könnten sie es denn tun und zugleich Pazifisten sein?

Mögen all die militärischen Nationen wissen, dass sie alle in jenem universellen Krieg von Harmagedon eine bleibende Niederlage erleiden, und dann wird das Wettrüsten endlich für alle Zeit zum Stillstand gebracht werden.

Gesandte sind befreit vom Militärdienst in der Nation, in die ihre Regierung sie sendet, besonders in einer feindlichen Nation. Man behalte im Sinn, dass in biblischen Zeiten Gesandte nicht zu Freundesnationen geschickt wurden, sondern zu Nationen, mit denen man im Kriege stand oder von denen Krieg drohte. Gottes Gesandte an Christi Statt, werden nicht zu Freundesnationen geschickt, sondern zu feindlichen Nationen. Alle Nationen dieser Welt Satans sind Gott feind. … Wie könnten denn diese Gesandten gemäss der Heiligen Schrift in den militärischen Streitkräften solcher Nationen dienen oder gemäss der Heiligen Schrift einwilligen, dies zu tun, wenn das nationale Gesetz dies erfordert? Aus den Reihen der Diener Gottes zu desertieren und so das Predigen aufzugeben, würde Kampf gegen Gott bedeuten. … Sie bewahren gegenüber diesen Nationen in ihrem tödlichen Kämpfen strikte Neutralität. Sie bleiben der göttlichen Regierung treu, die sie als Gesandte aussendet … Sie haben nicht für die unversöhnten Systeme gekämpft, die Gott in Harmagedon vernichten wird."

Siehe zum Thema auch: Eine Bilanz in Sachen Wehrdienstverweigerung

Polnisches Verbot

Nicht nur in der DDR, auch in anderen Ostblockländern kam es zu einem Verbot der Zeugen Jehovas. Unter ihnen ragt besonders Polen hervor, weil dort wohl nach der DDR, die numerisch größte Zahl von Zeugen Jehovas vorhanden war. In der "Erwachet!"-Ausgabe vom 22. 12. 1951 wurde über Polen berichtet. Nachstehend eine Zusammenfassung einiges des dort gesagten.

Bereits am 22. April 1950, wurde von der polnischen Geheimpolizei die Verhaftung von sechs WTG-Funktionären, aus ihrem dortigen Zweigbüro in Lodz vorgenommen. Zwei Monate später sei ein Gesamtpolnisches Verbot der Zeugen Jehovas ausgesprochen worden.

Unter der Überschrift: "Polnische Kommunisten sitzen über Christen zu Gericht", in der "Erwachet!"-Ausgabe vom 22. 12. 1951, erfährt man einiges über die Situation in Polen.
Danach erfolgte bereits am 22. 4. 1950 die Verhaftung von sechs führenden WTG-Funktionären aus der WTG-Zentrale in Lodz. Zwei Monate später wurde ein landesweites Verbot ausgesprochen.
Im März 1951 (mit Urteilsverkündigung am 21. 3. 1951) wurde dann ein diesbezüglicher Schauprozess in Szene gesetzt. Das Urteil für den Hauptangeklagten lebenslänglich. Für die übrigen Strafen zwischen 5 bis 15 Jahren Gefängnis.

In ihrer Berichterstattung arbeitet die WTG heraus, dass dieser Prozess keineswegs rechtsstaatlichen Kriterien entspricht, wie sie in etlichen Staaten westlicher Prägung vorherrschend sind. Da wird man zustimmen müssen. Charakteristisch dafür auch ein Satz wie dieser

"Dann wurde den vier Verteidigern Gelegenheit gegeben, ihre Argumente zur Entlastung der bereits als 'schuldig' erachteten Angeklagten vorzubringen. Da das Gericht diesen vier Rechtsanwälten die offizielle Verteidigung erst kurz vor Prozessbeginn übertragen hatte, war ihnen keine Zeit mehr geblieben, sich mit dem Aktenmaterial, das 14 dicke Bände umfasste, vertraut zu machen. Daher war die Verteidigung schwach und wirkungslos und das musste sie gemäss dem kommunistischen Gerichtsverfahren auch sein."

Die WTG arbeitet weiter heraus, dass die eigentliche Zielstellung: Ein Schauprozess mit "zerknirschten" Angeklagten, nicht erreicht wurde. Jenes Gericht sah sich denn genötigt; scharfe Einzel-Kreuzverhöre durchzuführen, bei der nur jeweils der gerade Vernommene im Gerichtssaal verbleiben dufte. Nicht jedoch die übrigen Angeklagten. Auch diese Praxis offenbart denn wohl markant, die Schwäche der kommunistischen Justiz. "Zerbrochene" Angeklagte hat sie sicherlich nicht fabriziert, obwohl das ihre eigentliche Zielstellung war. Dennoch bietet auch dieser WTG-Bericht (zwischen den Zeilen gelesen) einige interessante Einblicke.
So werden als Anklagepunkte genannt:

"Diversionstätigkeit mit Bezug auf die Regierungspolitik.
Nichtunterstützung des Aufbaus und Ausbaus des Staates.
Verweigerung der Steuerzahlung.
Propaganda für einen dritten Weltkrieg.
Aufforderung zum Boykott des Stockholmer Friedensappells.
Feindliche Tätigkeit gegenüber der UdSSR.
Illegale Untergrundtätigkeit.
Spionagetätigkeit betreffend Politik, Wirtschaft und Militär zugunsten der amerikanischen Imperialisten.
Zusammenarbeit mit Hitler-Faschisten.
Illegaler Grenzübertritt.
Illegale Valutamanipulationen."

Wie schon vermerkt, entsprach die diesbezügliche "Beweislage" keineswegs westlich-bürgerlichen Standards. Man dürfte wohl nicht fehleinschätzen, sieht man die Passivität der Zeugen Jehovas gegenüber den staatsbürgerlichen Ansprüchen, auch dieses Regimes, als den eigentlichen Kern-Konfliktpunkt, um den dann einiges andere noch angereiht wurde.

Zu den "Nebenanklagepunkten" gehörte wohl auch der:

"Der Staatsanwalt machte Scheider, der sich während des zweiten Weltkrieges in einem Nazikonzentrationslager befand, dafür verantwortlich, während jener Zeit den Tod von 560 Sowjetsoldaten, 10 Sowjetpartisanen und einer Majorin der Roten Armee veranlasst zu haben."

Da keine weiteren Details dazu genannt werden, muss man das wohl eher in den Bereich der "Kapo-Problematik" einordnen. Bekanntlich hatte die SS gewisse Häftlinge als Funktionshäftlinge (Blockälteste und ähnliches) eingesetzt. Die mussten in der Tat oftmals einsame Entscheidungen treffen. Das lässt sich auch im Falle kommunistischer Kapos nachweisen. Einsame Entscheidungen dergestalt, den Tod einiger billigend in Kauf zu nehmen, um andere vielleicht dafür retten zu können. Das (ohne Reflexion der konkreten Situation) im Nachhinein zum Anklagepunkt zu stilisieren, erweist sich in der Tat, mehr als problematisch.

Was diese Nebenanklagepunkte anbelangt, ist vielleicht auch noch die WTG-Einlassung charakteristisch:

"gab (der Angeklagte) Scheider ohne weiteres zu, dass er nach der Tschechoslowakei gegangen sei, aber nicht, ohne sich einen Grenzpassierschein beschafft zu haben, von dem er annahm, er entspreche den behördlichen Erfordernissen. Wie konnte er wissen, dass der Grenzpassierschein den totalitären roten Amtsschimmel nicht befriedigte? Auf die Anschuldigung hin, er habe sich gegen Devisenbestimmungen vergangen, sagte Scheider ohne Zögern, welche Schritte er unternommen habe, um die Beiträge zu sichern, die dem Büro zur Förderung der Verkündigung der Königreichsbotschaft ... eingesandt worden waren. Auf einer polnischen Bank hatte er diese Beiträge in gesetzliche Zahlungsmittel, die von der Entwertung nicht betroffen wurden, umgetauscht. Da dies keine geschäftliche Transaktion gewesen war und auch keinen Gewinn eingetragen hatte, betrachtete er sie nicht als eine Verletzung der Devisenbestimmungen."

Besonders den letzten Teilsatz, sollte man noch einmal wiederholen:

"Betrachte er sie nicht als eine Verletzung (von) ... Bestimmungen."

Da dürfte dann wohl "der Pudel begraben sein". Die Interpretation welche "Rechte" man habe, differiert offensichtlich erheblich zwischen der WTG und ihren Anklägern.

Die Ankläger dürfte auch die weitere WTG-Einlassung kaum befriedigt haben, wenn es da heißt:

"Was die Teilnahme am Militärdienst betrifft, so ist dies die persönliche Angelegenheit jedes einzelnen, in der er selbst die Entscheidung zu treffen hat."

Sicherlich war es den polnischen Richtern verwehrt, einen "Hellseherblick" in das Jahr 1996 zu tun. Hätten sie das tun können, wäre ihnen nämlich bewusst geworden dass solche angeblich "persönliche Angelegenheiten des Einzelnen", sich auf wunderbare Weise auch kollektiv, quasi über Nacht, wieder zu wandeln vermögen. Wenn auch den polnischen Richtern dieser Hellseherblick verwehrt war, so hatten sie aber schon damals - im Unterbewusstsein - ein entsprechendes Gefühl dafür, dass die WTG-Aussagen nicht das Papier wert sind, auf dem sie denn verzeichnet sind.

Charakteristisch auch der Satz:

"Als einer gefragt wurde, warum er den von den Kommunisten lancierten Friedensappell nicht unterzeichnet habe, antwortete er, dass er auf einen Frieden warte, den Jehova Gott bringen werde. Ein anderer Angeklagter wurde gefragt, warum er sich nicht an politischen Wahlen beteiligt habe. Er erklärte, er könne nicht zwei Stimmen abgeben. Er habe einmal für Gottes durch Christus Jesus ausgeübte theokratische Regierung gestimmt und darüber hinaus könne er keine Geschöpfe begünstigen und für sie anstatt für Christus stimmen."

Das dürfte denn wohl auch der de facto Hauptkonfliktpunkt sein, um den sich dann noch einiges anderes rankte.

Etwas "Salz in der Siegessuppe" der WTG wurde offenbar auch durch den nachfolgenden Vorgang hineingestreut. "Erwachet!" schreibt:

"Einer dieser Schurken mit Namen Pasturzak Michal verstand es, das Vertrauen zu gewinnen, ein Vollzeitverkündiger zu werden, und da es den Anschein machte, als ob er dem Herrn mit grossem Eifer diene, wurde er als Kreisdiener ernannt ...
Im Gerichtssaal zeigte dieser Wolf im Schafspelz sein wahres Gesicht, als er eine ungeheuerliche Lüge nach der andern auftischte. Er sagte, er sei vom Zweigbüro angewiesen worden, Spionageberichte zu sammeln und sie einzusenden, und die Watch-Tower-Organisation lehre, dass das Wissen am Ende der Welt zunehmen werde und dass, um beweisen zu können, dass wir diese Zeit erreicht haben, sie viele geheime Informationen brauche. Ihm sei auch gesagt worden, dass er im Falle einer Verhaftung die Wahrheit nicht zu sagen brauche.
Dieser Unheilstifter bestand darauf, dass er diese Anweisungen in Gegenwart von 14 andern Kreisdienern erhalten habe."

Auch im Falle Polen wurden speziell die Karthographierungsarbeiten der Zeugen Jehovas für ihren sogenannten "Felddienst" angeprangert und als Spionage interpretiert.

Die WTG drückt nun ihr übergroßes Bedauern darüber aus, dass nicht die 14 Kreisdiener vernommen, sondern lediglich die Aussage dieses Michal in die gerichtliche Wertung einfloß.
Schon 1956 unter der Regierung Gomulka, änderte sich die polnische Politik gegenüber den Zeugen Jehovas. Das "schon" ist deshalb hervorhebenswert, dieweil das von anderen Ostblockstaaten - mit Ausnahme Jugoslawiens welches "schon" 1953 liberalisierte, nicht berichtet werden kann.
Der nächste relevante Liberalisierungsschritt der polnischen Zeugen Jehovas-Politik ist etwa dem Jahre 1983 zuzuordnen. Schon 1977 seien offizielle Vertreter der Zeugen Jehovas von den polnischen Behörden empfangen worden. Der entscheidende Quantensprung erfolgte allerdings erst mit Aufkommen der polnischen "Solidarnosc". Als politischer Preis (Belohnung der Streikbrecherdienste durch Jehovas Zeugen, anlässlich der Streikaktionen der polnischen "Solidarnosc") entdeckten nunmehr auch die polnischen Behörden, wie weiland vier Jahrzehnte zuvor ein Heinrich Himmler, "unerhört positive Eigenschaften" der Zeugen Jehovas, die sich im Falle Polen auf den Grundsatz reduzierten "Trenne und herrsche", das gälte instrumentalisiert für die eigene Politik nutzbar zu machen. Aber schon KZ-Kommandant Rudolf Hoess hatte ja gejubelt,

"eigenartigerweise waren sie alle davon überzeugt, daß die Juden nun gerechterweise zu leiden und zu sterben hätten, weil ihre Vorväter einst Jehovah verrieten."

[Rudolf Höss "Kommandant in Auschwitz"
Auflage Stuttgart 1958 S. 113; Taschenbuchauflage dtv 1998, S. 175]
Detail-Exkurs.
Auf den Seiten 459, 460 kommt Detlef Garbe in seinem Buch "Zwischen Widerstand und Martyrium" auch auf die Ausführungen des Höss zu sprechen, welche eben auch den religiösen Anitsemitismus-Aspekt mit streifen.
Garbe zitiert den Kontext dergestalt richtig, als er Höss mit positiven Aussagen über im Haushalt von Höss eingesetzten Zeuginnen Jehovas zitiert.
Indes die von Höss damit gekoppelte Antisemismus-Passage erwähnt Garbe seinerseits nicht. Dies verwundert insoweit nicht, als namentlich Garbe "als Sturm im Wasserglas" sich dagegen verwahrt, dass herausgearbeitet wird. Zeitgenössische Zeugen Jehovas waren sehr wohl religiöse Antisemiten. Keine Rassen-Antisemiten im Stile der Nazis, wohl aber religiöse Antisemiten.
Das eben will Garbe in dieser Deutlichkeit nicht gelten lassen, wobei ihm allerdings widersprochen werden muss.
Zu dem Aspekt, Zeugen Jehovas als religiöse Antisemiten im Zeitraum der Nazidiktatur,
siehe unter anderem auch:
Kuhn
Dort am Textende, weitere thematische Links]
Analog fiel die Meinung der Zeugen Jehovas zur religiösen Konkurrenz der Katholiken auch nicht "besser" aus. Hinzu kam, dass Katholiken in Polen, gegenüber den Zeugen Jehovas, auch nicht gerade ein von "Vornehmheit" zeugendes Verhalten offenbart hatten - eher das Gegenteil. Nun gab es also via "Soldarnosc" eine Art "Gegenabrechnung".
Das mit den Juden war nun nicht mehr aktuell, das mit den Katholiken, die dem kommunistischen polnischen Regime arg zu schaffen machten, sehr wohl.
Auch da wiederum bemerkenswert. Das polnische Regime rang sich zu einer entgegenkommenden Politik durch (grosse öffentliche Zeugen Jehovas Kongresse in Polen), die zeitgleich etwa in Ostdeutschland, nicht möglich waren.

Siehe zu Polen unter anderem auch noch:

Polen

19572Polen

19502Polen

19592Polen

Mysnip.7155

Gerichtliche Auseinandersetzungen in den USA

Es wäre ein Trugschluss zu meinen, dass die Zeugen Jehovas nur in den kommunistischen Diktaturstaaten ernsthafte Probleme gehabt haben. Auch in den USA sah die Situation zeitweilig nicht viel anders aus. Der wesentliche Unterschied mag dort darin bestanden haben, dass sich dies auf der Justizebene abspielte. Dies kann man für die Ostblockstaaten so nicht sagen. Die dortigen Gerichtsverhandlungen waren in der Regel eine Farce, in der lediglich das umgesetzt wurde, was die Herrschenden angesichts der Herausforderung durch die Zeugen Jehovas, als Antwort realisiert wissen wollten.

In den USA hingegen konnten Rechtsanwälte alle Facetten in den anstehenden Auseinandersetzungen versuchen aufzublättern. Und auch die eigentlichen Richter waren nicht von vornherein einem staatlichen Diktat unterworfen. Diesen Unterschied gilt es klar zu sehen und auch auszusprechen.

Dennoch war auch in den USA die "Luft konfliktgeschwängert". Etliche dieser Konflikte gelangten dort bis vors Oberste Bundesgericht.

Im Jahre 1951 wurde im Berliner Duncker & Humblot-Verlag eine Studie von Charles P. Curtis jr. veröffentlicht. Sie trug den Titel: "Löwen unter dem Thron. Eine Studie über das Oberste Bundesgericht". In ihr wurde relativ breit auch der Fall der Zeugen Jehovas mit angesprochen. Curtis hat in erster Linie die Juristen als Leser im Auge. Dies beinhaltet, dass manches nicht unbedingt so formuliert ist, dass auch "Otto Normalverbraucher" ohne Schwierigkeiten zu folgen vermag. Wer sich mit diesem Text beschäftigen möchte, der sollte es schon in konzentrierter Weise tun. Für oberflächliche Überschriftenüberflieger ist er eher wenig geeignet. Dennoch ist diese Studie so ziemlich die einzigste auch in Deutsch zugängliche, die umfassend die Problematik der Zeugen Jehovas in den USA thematisiert. Die entsprechenden Passagen seien nachstehend einmal zitiert, wobei ich das vorhergesagte zu beachten bitte. Einige Passagen (erkenntlich an der Großschreibung) wurden meinerseits hervorgehoben:

Es gibt verschiedene Wege zum Himmel, und Menschen können in ihrer Ansicht über die freie Wahl des Weges so eng sein wie der Weg.

Die Zeugen Jehovas hatten dem Bundesgericht einen Fall aufgedrängt und das Bundesgericht war immer wieder darüber hinweggegangen. Dreimal in drei aufeinanderfolgenden Jahren hatte es die Frage zurückgewiesen, ob man nach der Verfassung von einem Zeugen Jehovas verlangen könne, daß er entgegen seiner religiösen Überzeugung, die Flagge grüßen müsse. Der Fall hatte weittragende Möglichkeiten wie alles Symbolische. Seine Bedeutung fiel dem Bundesgericht plötzlich 1940 im Fall Gobitis auf.

Lilian Gobitis war 13 und ihr Bruder Walter 12 Jahre alt, als der Lehrer der öffentlichen Schule, die sich besuchten, ihnen befahl, mit den anderen Schülern am Gruß an die Flagge teilzunehmen, mit dem der Unterricht jeden Morgen eröffnet wurde. Sie sollten sagen: 'Ich schwöre Treue meiner Flagge und der Republik, für die sie steht. Eine unteilbare Nation mit Freiheit und Gerechtigkeit für alle.'

Aber sie waren Zeugen Jehovas und dazu erzogen, das für Götzendienst und einen Bruch der beiden ersten Gebote zu halten. … So verweigerten Lilian und Walter den Flaggengruß und ihr Vater unterstützte sie darin. Trotzdem sandte er sie zur Schule. Es war eine öffentliche Schule und der Besuch war obligatorisch, wenn er sie nicht privat erziehen ließ. Er bestand auf ihrem Recht, die Schule zu besuchen, ohne den Dekalog zu brechen. Die Schule bestand auf dem Flaggengruß.

PATRIOTISMUS UND RELIGION SIND NUN MEHR ODER WENIGER AUS DEMSELBEN STOFF GEBILDET UND WERDEN AUF DIESELBE WEISE GELEHRT. ES MUß UNRUHE ENTSTEHEN, WENN DAS EINE AUF DAS GEBIET DES ANDEREN ÜBERGREIFT. Das gerade geschah im Falle Gobitis.

Man versetze sich an die Stelle der Schulleitung, die es für ihre Pflicht hält, den Gruß von allen Schülern zu verlangen. Nicht nur von denen, die es gern, willig oder ohne Einwand tun. Man versetze sich an die Stelle der Eltern, für die der Flaggengruß die Verdammung ihres Kindes bedeutet, da es nur Jehova grüßen darf. Ihre Angst und ihre Gewissensbisse müssen sie nun mit einer Privaterziehung bezahlen.

Oder denken Sie an das Kind, das von Hause aus sich nicht erheben und dem Vaterland Treue schwören soll, das aber vom Lehrer heimgeschickt wird, wenn es gehorcht. Stellen sie sich seine Gefühle und die der anderen Kinder vor. … Die Verfassung sollte also jetzt zwischen Cäsar und Jehova entscheiden oder zwischen den Kindern Gobitis und ihren Mitschülern?

Am 3. Juni 1940 schrieb (Richter) Frankfurter die Begründung des Bundesgerichtes nur gegen die Stimme Stones. Das Bundesgericht lehnte es ab, die Regelung für verfassungswidrig zu halten. Frankfurter sagte: 'Eine schwere Verantwortung liegt auf diesem Gerichtshof, wenn er in einem Streitfall die widerstrebenden Ansprüche der Freiheit und der Autorität zu versöhnen hat.

Die schwerste Prüfung für das Gewissen des Richters ist es, wenn es sich auf der einen Seite um Gewissensfreiheit und auf der anderen Seite um die Autorität der nationalen Gemeinschaft handelt. Der vorliegende Streitfall ist dieser Natur.' Er schildert den Tatbestand und fuhr dann fort:

"Wir haben darüber zu entscheiden: Wird die von der 14. Ergänzung garantierte Freiheit ohne ordentliches Verfahren gekürzt, wenn man ein Kind, das aus ehrlichen religiösen Gründen sich weigert, zur Teilnahme an einer solchen religiösen Zeremonie zwingen will." Bemerken Sie wohl die 14. Ergänzung (amendment).

Frankfurter fuhr mit der Frage fort: "Wann befreit die Verfassungsgarantie von dem, was die Gesellschaft zur Erreichung eines großen Zieles für notwendig hält? Wann befreit sie von der Strafe für eine Haltung, die gefährlich für das allgemeine Wohl erscheint? Bei diesem Problem muß man sich an die Wahrheit erinnern, daß ein Prinzip niemals den verschlungenen Wegen des Lebens gerecht werden kann. Das Recht auf Religionsfreiheit, auch wenn es den Überzeugungen anderer widerspricht und schadet ,- sogar wenn diese anderen die Mehrheit sind, - ist an sich schon der Verzicht auf das Absolute.

Man kann nicht behaupten, daß die Gewissensfreiheit keine Grenzen in dem Leben einer Gesellschaft haben. Sonst würde man jene Vielfältigkeit der Prinzipien leugnen, denen der Schutz der religiösen Toleranz zu verdanken ist. Unsere Aufgabe ist es also wie so oft, zwei Rechte zu versöhnen, indem man das eine an der Zerstörung des anderen hindert."

Aber für (Richter) Stone war der Glaube etwas Absolutes; nicht seine Verneinung. Es gab allerdings Grenzen, sogar für die Religionsfreiheit. Zu manchem konnte ein Mann gezwungen werden, trotz seiner Gewissensbisse. Er konnte eingezogen und zum Kampf geführt werden. So gab es auch Dinge, die man ihm verbieten konnte. Er konnte an der Störung des Friedens und an der Verletzung der öffentlichen Moral verhindert werden, wenn ihn auch sein Gewissen dazu getrieben hatte. Aber das waren äußere Dinge.

Waffendienst oder Störung des Friedens wurden vom Staat um ihrer selbst willen oder verboten. Ihre Vorteile konnten gegenüber der Gewissensfrage abgewogen werden. Aber irgendwo gab es etwas Absolutes und Stone fand es in den 'höchsten Geboten Gottes'. Gerade die Bill of Rights verhindere hier jede Versöhnung.

Frankfurter und Stone und später die anderen behandelten alle die Rechtsfrage, als ob sie sich mit der Beziehung des Staates zu der Religionsfreiheit einer der Kirchen befassen müsse. Wenn der Flaggengruß das religiöse Gewissen der Zeugen beleidigt, so wird es wenigstens für sie eine religiöse Handlung, zu der sie der Staat gezwungen hat. Die Zeremonie, die für uns politisch ist, betrachten sie als religiös. Ist der Gruß nichts Religiöses, dann ist er nach der Konstitution nicht verboten. Wenn er religiös ist, dann bildet er den ersten Schritt - obsta principiis - zur Einrichtung einer Staatsreligion. Obwohl das Bundesgericht sich nicht auf die erste Ergänzung bezog, so verbietet gerade diese die Einrichtung einer Staatsreligion ebenso deutlich, wie es die freie Religionsausübung durch eine Kirche oder Sekte schützt.

Als das Interesse am Seelenheil nachließ, als viele oder die meisten Kirchen soziale Gruppen wurden, wandte sich der religiöse Trieb im Menschen der Vergottung des Staates zu. Der Nationalismus wurde zur Religion und die Nation zur Kirche. Der Flaggengruß erschien den Zeugen als Akt des Gehorsams gegen eine neue Gottheit, als das Bild dieser Gottheit selbst. So handelte es sich nicht so sehr um die Einmischung in die Religionsfreiheit, sondern um den beginnenden Vormarsch des Nationalismus zu einer Staatsreligion.

Kehren wir zu Frankfurters Begründung zurück:
"Für uns ist die eigentliche Frage, ob die Gesetzgebung der verschiedenen Staaten und die Autorität in Tausenden von Schulbezirken dieses Landes entscheiden dürfen über die Wahl ihrer Mittel, durch die sie jenes einigende Gefühl erwecken wollen, ohne welches es letzten Endes weder bürgerliche noch religiöse Freiheit gibt. Die Wege zu diesem gemeinsamen Vaterlandsgefühl sind mannigfaltig. Manche mögen rauh erscheinen, manche sind ohne Zweifel unsinnig. Trotzdem ist das Ziel sicher berechtigt.

Die Wirksamkeit der Mittel ist noch so unsicher und so unerforscht, daß wir den vielfach gebrauchten Flaggengruß nicht für außerhalb der Gesetze stehend erklären können. Es ist unvernünftig und geschichtswidrig, indem bei passenden Gelegenheiten geforderten Flaggengruß den Anfang zur Sanktion eines Führers zu sehen.

"Sogar wenn wir überzeugt sind von der Unsinnigkeit einer solchen Maßnahme, dann wäre das noch kein Beweis ihrer Verfassungswidrigkeit. Wir unsererseits möchten glauben, daß der ehrlichste Patriotismus da wachse, wo auch den absonderlichsten Überzeugungen freier Spielraum gegeben wird. Vielleicht wäre es am Klügsten, im Interesse der hier verfolgten Zwecke auch der kleinsten Sekte die hier behandelten Formalitäten zu erlassen.

Aber der Gerichtssaal ist nicht der Platz für eine Debatte über politische Erziehung. Nicht wir haben zu wählen in dem Wettstreit zwischen der schwierigen Erziehung zur Loyalität für die traditionellen Ideale der Demokratie, und der Achtung vor den Eigenheiten eines Volkes, das nach Rasse und Religion so verschiedenartig zusammengesetzt ist. Wäre das der Fall, so würden wir ja zum Unterrichtsministerium für das Land. Diese Autorität ist dem Bundesgericht nicht übertragen und wir wollen sie uns nicht anmaßen. Außer, wo die Überschreitung der Verfassungsfreiheit auf der Hand liegt, bleibt die persönliche Freiheit am besten gewahrt - solange die Hilfskanäle der Demokratie offen und unzerstört sind - wenn sie mit den Gewohnheiten eines Volkes verwachsen und nicht durch Gesetzeszwang aufgedrängt ist."

Und er schloß: "Die richterliche Überprüfung, an sich schon eine Einschränkung der Regierung, ist eine Grundlage unseres Verfassungssystems. Aber nicht weniger als den Gerichtshöfen ist der Schutz teurer Freiheiten der Gesetzgebung übertragen. Wo die Mittel zur Herbeiführung politischer Änderungen unbehindert sind, da ist die Entkräftung törichter Gesetze an sich schon ein Unterricht in der Freiheit. Es dient dem Selbstvertrauen eines freien Volkes, wenn der weise Gebrauch der Gesetzgebung in der öffentlichen Meinung und von den gesetzgebenden Körperschaften ausgefochten wird, und nicht in der richterlichen Arena."

(Richter) Black hatte sich bekanntlich im Falle Gobitis der Meinung Frankfurters angeschlossen. Das war ungefähr 1 ½ Jahre vor dem Urteil Bridges, sechs Monate nachher, im Dezember 1941, widerrief er.

Unter den Fällen der Zeugen Jehovas befand sich einer, in dem das Bundesgericht eine kleine Steuer auf das Hausieren mit Büchern und Schriften in Opalika, Alabama, billigte, Black aber widersprach. Mit Douglas und Murphy, denen er im Fall Gobitis gefolgt war, arbeitete er ein kurzes abweichendes Votum zur Erklärung ihrer Haltung aus:

"Da wir uns dem Urteil im Falle Gobitis angeschlossen haben, halten wir dies für eine Gelegenheit, festzustellen, daß wir jetzt darin ein Fehlurteil sehen. Unsere demokratische Regierungsform hat sicherlich unter der historischen Bill of Rights die unbedingte Verantwortung, den religiösen Anschauungen der Minderheit gerecht zu werden, wie sehr diese auch gegen die öffentliche Meinung und die Orthodoxie verstoßen mögen. Die 1. Ergänzung stellt das Recht der freien Religionsausübung nicht an eine untergeordnete Stelle. Wir fürchten jedoch, daß dies bei dem Falle Gobitis der Fall ist."

Immer wieder die 1. Ergänzung. Dadurch blieb das Gesetz in einem Zustand der Unsicherheit. Vier Richter hielten den Flaggengruß für verfassungswidrig, nur drei sprachen sich für ihn aus, Frankfurter, Roberts und Reed. Hughes und Mc Reynolds waren abgegangen und zwei neue Richter, Jackson und Rutledge, waren nicht verpflichtet. Was sollte ein niederer Gerichtshof tun?

Als der nächste Flaggengruß in West-Virginia vor Gericht kam, befolgte Richter Parker mit Erfolg dieses Rezept. Er zählte ab und sagte: "Unter diesen Umständen glauben wir, daß der Flaggengruß die Religionsfreiheit verletzt, wenn er Personen mit der religiösen Ansicht der Kläger aufgezwungen wird. Wir würden unsere Pflicht als Richter mißachten, wenn wir dem Urteil des Obersten Bundesgericht blind folgen und den Schutz von Rechten verweigern würden, die wir zu den heiligsten von der Verfassung garantierten Rechten zählen."

Richter Parker drang durch. Das Bundesgericht beseitigte die Entscheidung Gobitis bei einer Berufung im Falle Barnette, denn die beiden neuen Richter schlossen sich Black, Douglas und Murphy an, 6 zu 3. Nur Frankfurter, Roberts und Reed hielten am bisherigen fest.

Von der Verschwommenheit der Klausel vom ordentlichen, gerichtlichen Verfahren wird vieles deutlicher, wenn die ausdrücklichen Verbote der ersten Ergänzung als Maßstab genommen werden. Zum Beispiel kann das Recht eines Staates auf Regelung eines öffentlichen Unternehmens nach der Klausel das Recht zu allen vernünftigen Einschränkungen durch die Gesetzgebung enthalten. Aber die Freiheit der Rede, der Presse, der Versammlung und der Religion kann nicht nur auf so schwacher Grundlage beeinträchtigt werden. Das kann nur geschehen, wenn ernste und unmittelbare Gefahr für die vom Staate zu schützenden Interessen besteht. Während die 14. Ergänzung direkt auf den Staat zielt, haben wir es in diesem Falle mit den besonderen Einschränkungsprinzipien der 1. Ergänzung zu tun. Wieder die erste Ergänzung.

In einer Hinsicht haben wir diese Rechtsfrage falsch aufgefaßt und behandelt. Wie das Bundesgericht und alle Richter haben wir sie als eine Angelegenheit zwischen Lilian, ihren Eltern und der Schulleitung angesehen. ALS DEM BUNDESGERICHT IMMER MEHR VON DIESEN FÄLLEN DER ZEUGEN JEHOVAS AUFGEDRÄNGT WURDEN, ERKANNTEN DIE RICHTER, DAß SIE UND DER STAAT ES WENIGER MIT EINZELNEN ZEUGEN ALS MIT EINER ORGANISATION ZU TUN HATTEN. JE MEHR FÄLLE ANKAMEN, DESTO DEUTLICHER ENTHÜLLTE SICH EIN MUSTER.

Jackson schilderte es in seinem abweichendem Votum über einen Fall aus Jeanette, Pennsylvania.
1939 führten die Zeugen Jehovas einen "Wachtturmfeldzug" in Jeanette, Pennsylvania, einer Industriestadt von ungefähr 16 000 Einwohnern. Die Zeugen besuchten jedes Haus, klingelten oder klopften an jeder Tür und teilten den Wohnungsinhabern mit, daß sie eine wichtige Nachricht brächten. Wenn sie angehört wurden, dann spielten sie immer dieselbe Platte ab:

Die Religion ist falsch und eine Falle, weil sie Leute betrügt. Das bedeutet nicht, daß alle Anhänger mit Absicht schlecht sind. Die Religion ist ein unsauberes Gewerbe, weil sie früher und jetzt dazu benützt wird, Geld aus den Leuten zu ziehen mit dem Versprechen, daß die Abgabe von Geld an einen Priester von der Strafe nach dem Tod befreit und die ewige Rettung sicherstellt. Diese Angriffslinie nahmen die Zeugen im allgemeinen gegen alle Bekenntnisse ein, aber besonders gegen den katholischen Glauben.

Der Wohnungsinhaber wurde gebeten, verschiedene Literatur für einen Preis oder Beitrag zu kaufen. 25 Cents für die Bücher und kleinere Summen für die Schriften. Wenn er nicht kaufen wollte, wurde Buch oder Schrift kostenlos abgegeben. Zu Beginn dieses Feldzuges gingen viele Klagen aus Haushalten ein und drei oder vier Zeugen wurden verhaftet. Hierauf hatte der Zeuge, der den Feldzug leitete, eine Besprechung mit dem Bürgermeister. Er vertrat die Meinung, daß sie das Recht dazu hätten und zeigte als Beweis eine Entscheidung des Obersten Bundesgerichtes.

Der Bürgermeister entgegnete, daß sie ihre Literatur in den Straßen der Stadt verteilen könnten und daß er nichts gegen eine kostenlose Abgabe in den Häusern habe, aber daß die Bevölkerung sich gegen den erzwungenen Verkauf wehre, besonders am Sonntag. Der Bürgermeister fragte, ob sie nicht einen anderen Tag wählen und die Literatur kostenlos verteilen können. Die Zeugen erwiderten, dass sei gegen ihre Methode, und lehnten ab. Sie drohten, genug Zeugen in die Stadt zu bringen, um ihr Vorhaben auch gegen den Bürgermeister durchzusetzen.

Am Palmsonntag 1939 hielten sie Wort. Über 100 Zeugen erschienen. Sie kamen von auswärts in über 25 Automobilen an. Die Automobile blieben außerhalb der Stadtgrenze und das Hauptquartier wurde in einer Tankstelle aufgeschlagen, um den Leiter des Feldzuges telephonisch zu benachrichtigen, falls irgend etwas vorkommen sollte. Er leistete Bürgschaft für die verhafteten Zeugen. Von 9 Uhr ab, als sie mit ihrer Arbeit anfingen, begannen die Anrufe beim Polizeirevier und die Klagen hielten den ganzen Tag an. Die Polizei konnte kaum fertig werden und wandte sich an die Feuerwehr um Hilfe. die Zeugen kamen einzeln und in Gruppen in die Häuser, in einige sogar mehrmals.

21 Zeugen wurden verhaftet. Nur solche, die bewiesenermaßen die Literatur gegen einen bestimmten Preis angeboten und verkauft hatten. Drei wurden später freigesprochen, weil der Beweis nicht genügte und 18 wurden verurteilt. An der Spitze der Zeugen Jehovas steht die Wachtturmgesellschaft. Einige sind ständig, andere zeitweise beauftragt. Die ständigen Zeugen erhalten ihre Literatur zu einem Preis, der einen Gewinn abwirft. Einige Bücher wurden für 5 Cents gekauft und für einen Beitrag von 25 Cents weitergegeben. Bei anderen ist die Gewinnspanne kleiner. Auf Zeit eingesetzte Zeugen zahlen 20 Cents und verlangen 25 Cents für das Buch. Viele der Zeugen gaben auch bedeutende Mengen kostenlos ab.

AUS ALLEM GEHT HERVOR, DAß DIE ZEUGEN GUT ORGANISIERT SIND, EINEN GEWISSEN LEBENSUNTERHALT VERDIENEN UND DARAUF AUS SIND, SICH ZU MÄRTYRERN ZU MACHEN. VIELLEICHT KANN DAS MÄRTYRERTUM SCHON AN SICH ALS RELIGION BETRACHTET WERDEN. DIE ZEUGEN SAHEN GANZ DANACH AUS, ALS OB SIE ENTTÄUSCHT WÄREN, WENN SIE NICHT ZUM FLAGGENGRUß HERANGEZOGEN UND NICHT VERHAFTET WÜRDEN. Sie waren mit anderen Worten eine organisierte Gruppe, die ihre Streitfälle auf Gott gründete. Jedenfalls stießen sie die Richter immer tiefer in einen transzendentalen Graben. Es gibt nun einmal Gräben auf beiden Seiten der Straße.

Die Verordnung, nach welcher die Zeugen verurteilt wurden, untersagte allen Personen das Hausieren oder die Beitragssammlung ohne Lizenz, die 1,50 Dollar im Tag und 7 Dollar in der Woche kostete. Eine Mehrheit des Bundesgerichtes, Douglas, Black, Murphy, Rutlegde und Präsident Stone hielten das nicht für anwendbar auf die Zeugen, selbstverständlich nach der 1. Ergänzung.

Zur Rechtfertigung dieser Lizenzsteuer, so sagte die Mehrheit, wird angegeben, daß die Verteilung der religiösen Literatur mit einer Beitragserhebung verknüpft wird. Aber die bloße Tatsache, daß die religiöse Literatur durch die Wanderprediger "verkauft" und nicht "geschenkt" wird, verwandelt das Evangelium nicht in ein Handelsunternehmen. Wenn das so wäre, dann würde auch der Klingelbeutel in der Kirche aus dem Gottesdienst ein geschäftliches Projekt machen. Es liegt auf der Hand, daß eine religiöse Organisation zu ihrem Bestand Gelder braucht.

Aber ein Wanderprediger, mag es noch so irregeleitet oder intolerant sein, wird nicht ein einfacher Buchverkäufer, indem er zur Deckung seiner Unkosten oder seines Unterhaltes die Bibel oder religiöse Schriften verkauft. Freiheit der Rede, der Presse und der Religion müssen auf alle angewendet werden, nicht nur auf die Zahlungskräftigen.

Das stimmt, aber haben wir zu entscheiden, ob es sich um Verbreitung des Evangeliums oder um Hausieren handelt? Die Linie mag schwer zu ziehen sein, aber haben wir sie überhaupt zu ziehen, wenn die Zeugen ihre Evangeliumsverbreitung, ihre Werbung und ihr Missionswerk so aufziehen, daß es in Wirklichkeit dem Hausierhandel mit Büchern gleichkommt. Wenn ja, müssen sie dann nicht dieselbe Steuer zahlen wie andere Leute?

Die Mentalität der Richter ist für uns interessanter als der Fall. Ein weiterer Beweis für ihre Auffassung: Wenn man die Ausübung eines Privilegiums besteuert, so kann man es damit kontrollieren oder unterdrücken. Wer die Religionsausübung besteuern kann, kann sie kostspielig gestalten, daß ihr die Mittel ausgehen. Wer diese Missionstätigkeit besteuern kann, kann die Türe vor allen Minderbemittelten zuschließen. Die Verbreitung von Glaubensdingen in dieser alten und angesehenen Form würde damit den Armen entzogen. Wer religiöse Gruppen ihrer Werber berauben kann, kann ihnen die aus der Reformationszeit stammende Werbungsmacht teilweise entziehen.

Exkurs:

Die Zeugen Jehovas-Zeitschrift "Trost" berichtete in ihrer Ausgabe vom 1. 4. 1941  beispielsweise:

Ort der Handlung Rawlins im Staate Wyoming, im Westen der USA. "Trost" notiert:

"Ein Ehepaar fuhr auf dem Wege zum großen Kongreß der Zeugen Jehovas Mitte 1940 durch diese Stadt, war dort fremd und wollte dort nichts tun als eben nach kurzer Rast weiterfahren."

Die Berichterstatter auf die "Trost" sich beruft, führen dann aus:

"Wir fuhren also eines Abends in Rawlins, Wyoming ein und erkundigten uns nach dem Weg zum Gruppendiener, Bruder Cläre. Die Leute blickten uns finster an, wir wußten nicht warum. Überall hingen Flaggen; wir dachten, es wäre wohl ein Festtag.

An unserm Auto befanden sich zu beiden Seiten, wie immer, die Schilder "Lest den WACHTTURM" und "Lest TROST".

(Über Bruder Cläre fiel man gerade her, während wir uns nach ihm erkundigten.) Wir fuhren ruhig durch die Stadt, als wir von Autos umstellt wurden, ein paar Männer bei uns aufs Trittbrett sprangen und uns anhalten hießen. Im Nu waren wir von einer großen Menge umringt. Man richtete an Dick eine ganze Reihe Fragen, und er erwiderte:

"Ich werde euch die Antwort geben, wenn wir im Rathaus sind." -
"Hör mal,
Buddy, bis dorthin wirst du niemals kommen."

Sie zwangen Dick, in der von ihnen angegebenen Richtung zu fahren, und in ein paar Minuten waren wir doch beim. Rathaus. Dort stand ein Polizist und sagte grinsend zu dem Koloß von Rädelsführer:

"Was gibt's wieder für Spaß, Al?"

Vor dem Gebäude war eine große Menschenmenge mit Flaggen in den Händen. Unser Auto und der Wohnwagen waren sofort von ihnen umschwärmt, und sie schrieen auf uns ein. Ich war zu erstaunt um zu hören, was sie sagten. Man forderte uns auf, den Wagen zu verlassen, und wir wurden durch die Menschenmenge buchstäblich hindurchgeschubst Schließlich langten der Rädelsführer, Dick und ich im Kellergeschoß des Gebäudes an, wo sich noch mehr Männer befanden, die auf uns einschrieen und sich weigerten, Platz zu machen. Wir konnten uns kaum bewegen, kamen aber schließlich bis zu einer Mauer, wo zwei Stühle standen, auf die wir beiden absackten. Jetzt erst beobachtete ich die Gesichter der Männer. Sie sahen bleich und zu allem entschlossen aus. Einige blickten wild drein. ...
Man brachte unsere Bücher und Grammophone und die Privatpapiere herein und stöberte alles durch, auf der Suche nach irgend etwas.

Während der ganzen Zeit schauten sie uns finster an und drohten mit dem Lynchen. Gerade jetzt sei ein Mann gestorben, sagten sie, weil er die amerikanische Flagge nicht gegrüßt habe; und ferner erzählten sie, ihre Frauen hätten eben jetzt zwei Frauen verprügelt.
Ich glaubte ihnen nicht und dachte, sie wollten uns nur einschüchtern. Nachdem alles vorüber war, erfuhr ich jedoch, daß ich mich da geirrt hatte; nur daß jener Bruder nicht gestorben war. Nach einer Weile hörten sie auf damit, auf uns einzureden; sie brachen unsere Grammophone in Stücke und schleuderten unsere Bücher verächtlich auf den Boden. ...

Plötzlich wandte sich die Horde uns zu und schrie:

"Wollen sehen, ob sie die Flagge salutieren!"

Der Anführer sagte zu uns:

"Salutiert lieber die amerikanische Flagge; ich meine es ernst!"

Er war geisterhaft bleich und redete selten. Dann hörte ich:

"Bei uns werden Verräter gehängt; wir haben den Strick. In Deutschland erschießt man sie, wir hängen sie auf." ...

Sie redeten vom Strick und davon, daß Männer für unsere Freiheit stürben, und von ihrer Liebe für Amerika und die Flagge. ...
Jetzt ging es zu wie im Tollhaus. Sie hatten mich beobachtet und schrieen und heulten:

"Verräter!", "Nazi!", "Hängt sie auf; hier ist der Strick!", "Führt sie hinaus!"

Einige von ihnen sagten jedoch: "Halt, wartet!"

Sie begannen über die Flagge und das Land und über meine Freiheiten zu reden. ...
Dafür aber sagte der Rädelsführer, ein echter Bangemacher:

"Führt sie hinaus und übergebt sie den Frauen, die werden es ihr schon geben!"

Alles setzte sich in Bewegung, und wieder hörte man rufen:

"Hängt sie auf!",
"Her mit dem Strick!"

Wir gingen alle hinaus ins Freie, und als unser Auto und der Wohnwagen sichtbar wurden, umschwärmte man diese .
Im Dunkeln setzten wir unsern Weg fort, bis wir ein andres Gebäude erreichten. Ich fühlte eine Hand auf meiner Schulter. Es war der Beamte, der ganz sanft zu mir sagte:
"Gehen Sie!"

Ich ging die Stiegen hinauf; er ging schnell nach vorn und stieß eine Tür auf. Dort sah ich neun oder zehn Beamte, wohl eine Patrouille der Staatspolizei.
Der Offizier gab hastig die Anweisung:

"Sperrt diese Frau ein, ehe der Pöbel sie erwischt."

Damit war über mich für die nächsten drei Nächte und drei Tage entschieden. Ich kam in Einzelhaft, hatte keine Seife, kein Handtuch, keinen Kamm und nicht einmal eine Zahnbürste. Täglich zweimal ging die Zellentür auf, nur gerade weit genug, um vorsichtig einen Napf miserablen Essens hereinschieben zu können. ...

Drei Nächte hindurch lärmte und schrie der Pöbel vor dem Gefängnis, immer bis zum Tagesgrauen. In der Nachbarzelle waren zwei Männer, die sich immerzu unterhielten, gerade laut genug, daß ich es hören konnte. Gewöhnlich diskutierten sie die Frage "Erschießen oder Hängen" und kamen zu dem Schluß, Erschießen sei wahrscheinlicher. Dann hörte ich sie sagen:
"Man hat schon nach den G-Männern geschickt.
[G-Männer sind mit automatischen Waffen ausgerüstete Spezialpolizisten, die besonders gegen Verbrecher oder in sonstigen gefährlichen Situationen eingesetzt werden.] Diese Unterhaltung ging so lange, bis ich meinte, den Verstand zu verlieren. ...

Sowohl der G-Mann als auch ein andrer Beamter (ein Katholik) waren nun im Besitz des Buches RETTUNG. ...
Er schien etwas durcheinander zu sein, zeigte sich aber sehr gefällig und auch glücklich. Dann gaben wir etwa eine Stunde lang dem Polizeichef Zeugnis, der von der Stadt abwesend gewesen war, und er nahm eine ganze Buchserie, ferner etwa 20 RETTUNG und eine Menge Broschüren. ...

Kurz darauf befand er sich im Gefängnis, von jenem blassen Polizeioffizier zur Tür einer Zelle hineingeschoben, in der sich noch drei andre Männer befanden, die alle einen Kampf hinter sich zu haben schienen, denn alle bluteten, waren verbunden, hatten die Augen blau geschlagen und Rippen gebrochen.
Warum er im Gefängnis sei, wollten sie von ihm wissen. Ihm tat der Mund weh, und er antwortete:

"Ach, das ist eine lange Geschichte, die ihr doch nicht verstehen würdet."

Sie ließen ihm aber keine Ruhe, so daß er schließlich sagte:

"Also gut, ich bin hier, weil ich die Flagge nicht salutieren kann."

Sie zeigten sich erstaunt und drängten ihn, doch zu erklären, warum er das nicht könne.
Dick dachte, sie wollten Händel suchen, aber da er keinen Ausweg sah, fing er an, ihnen auseinanderzusetzen, warum er keine Flagge salutieren könne. Plötzlich lächelten sie alle, ergriffen seine Hand und sagten:

"Recht so, Bruder, auch wir können das nicht."

Sie waren ebenfalls Zeugen Jehovas und waren von der dämonisierten Horde zerschlagen worden. Bruder Cläre hatte man zusammen mit ihnen eingesperrt. Auch er und seine Frau waren schrecklich geschlagen worden, ebenso die Frau des einen der Brüder, die mit dort im Gefängnis saßen. Dem einen hatte man seinen Wohnwagen und das Auto verbrannt.

Bruder Cläre traf ich auf dem Kongreß in Detroit, und er sagte mir, die beiden Anführer der Horde hätten seither ihre Arbeitsstelle verloren, und einer von ihnen, der dicke Haupträdelsführer, den ich schon erwähnte, habe jetzt auf dem Rücken eine Messer-Schlitzwunde von oben bis unten, die er sich bei einem politischen Streit geholt habe, wie die Zeitungen schreiben.

So gut wie alles, was wir in unserm Wohnwagen hatten, wurde vom Pöbel gestohlen ...
Bei der Abfahrt zum Kongreß war mein Haar hellblond, zurückgekommen bin ich mit ergrautem Haar. ...

Die Zeitung "Republican-Bulletin" von Rawlins gab am 17. September 1940 zu, daß sich im Juni an den Ausschreitungen gegen Jehovas Zeugen mehrere hundert Einwohner der Stadt beteiligten. Gegen 35 von ihnen laufen Klagen über 71 900 Dollar Schadenersatz. Die Zeitung ersuchte die Einwohner um Beiträge für die etwa 1200 Dollar Anwalts- und Gerichtskosten zur Durchführung der Prozesse. ..."

Ergänzend sei noch aus "Trost" vom 1. 5. 1941 zitiert:

"Gelegentlich liest man in den Tageszeitungen etwas von der "American Legion" als einem starken Faktor im politischen Leben der Vereinigten Staaten. Diese "Legion" war als Frontkämpfer-Vereinigung gedacht, ist jedoch freiheitsfeindlichen Einflüssen erlegen und läßt sich heute als Werkzeug zur Verfolgung der Zeugen Jehovas mißbrauchen.
In der amerikanischen Stadt Richwood, Westvirginien, wurden am 28. Juni 1940 eine Anzahl Zeugen Jehovas gemäß der Rizinusöl-Methode mißhandelt. Sie sammelten Unterschriften für eine Petition um Versammlungs-, Gottesdienst- und Preßfreiheit, wurden von Polizeibeamten einem Legionär-Pöbelhaufen übergeben; hernach band man neun Zeugen Jehovas mit Stricken aneinander, wie Vieh, ließ ihnen von einem Doktor den Magen auspumpen, hatte auch schon neun Viertelliterflaschen Rizinusöl zur Hand und zwang vier der Zeugen, das Öl zu trinken. Hernach trieb man sie durch den Ort, belog die Ortseinwohner in einer Ansprache über die Gesinnung der Zeugen Jehovas und drohte - auch das ist mit der Original-Rizinusölmethode verbunden! -, wer irgend aus der versammelten Menge Sympathie für diese mißhandelten Christen zu erkennen gebe, werde mit ihnen zusammengebunden werden."

Die "Wachtturm"-Ausgabe vom 15. 4. 1951 berichtet über die Sprengung einer Zeugen Jehovas Veranstaltung durch Pöbelrotten in Missouri (USA) im September 1950.
"Ein Terrorist mit dem Namen Coy Bannister geht von einer Kneipe in die andere, um Alkohol zu tanken, und versucht gleichzeitig eine Pöbelrotte zu organisieren. Ihm schliessen sich zwei andere Strolche an, Paul Patton und 'Buck' Estes, und die drei bilden den Kern einer Rotte, die anschwillt, bis sie 100 bis 150 Leute zählt. Sie streifen durch die Strassen, reissen Plakate vom Rücken hilfloser Zeugen Jehovas, machen sich an Zeugen heran, die allein sind, und schlagen jene, die sie zu überwältigen vermögen. … Während der Versammlung wird ein Versuch gemacht, die Lichtkabel durchzuschneiden, und einmal versucht die Rotte, sich durch die Hintertüre Eingang zu erzwingen. Die dort stationierte Staatspolizei macht das Gewehr bereit und hält sie fern.
Es ist nun 9 Uhr abends; die Versammlung ist vorüber, und die Nationalgarde ist vorbereitet, die Zeugen zu evakuieren. Das Kriegsrecht wird erklärt. Die Menge draußen, die jetzt gegen 2000 zählt, wird angewiesen, sich auf die entgegengesetzte Seite der Strasse zu begeben. Die eiserne Tür zum Saal wird geöffnet, und herab kommen die Zeugen. Gardisten mit Stahlhelmen und aufgepflanzten Bajonetten patrouillieren nun auf den Trottoirs und halten Gesetz und Ordnung aufrecht. Wahrlich, es ist ein befremdender Anblick, denn jetzt sieht man unter den Gardisten solche, die sich noch vor kurzem unter der Pöbelrotte befunden haben.

Da fragt man sich schon, was für einen Unterschied besteht denn da noch zwischen den Hitler'schen KZs und diesen USA-Pöbelrotten? Kaum ein Unterschied, muss man wohl antworten. Abgesehen von dem einen. In Hitlerdeutschland war das alles staatlich organisiert. In den USA herrschte vielfach Selbstjustiz. Nach 1945 waren den Selbstjustizlern in den USA auch die Flügel beschnitten. Sie konnten nicht mehr so wie sie denn gerne wollten. Die McCartysche Kommunistenhatz war der willkommene Anlass, um flugs gleich noch ein paar mehr USA-Bürger, betitelt als Zeugen Jehovas, zu Kommunisten zu erklären. Das waren die Rahmenbedingungen. Da waren die Geschehnisse in der DDR, für die WTG in den USA eine tatsächliche Entlastung. Auch darüber gilt es zu reflektieren

Thematisch wäre auch auf das Agieren der USA zur McCarthy-Zeit hinzuweisen, und ihre Auswirkungen auf die Zeugen Jehovas.

Die McCarthy Zeit in den USA

Kommentarserie 1951 zusammengefaßt

Der nächste Jahrgang   1952

Notizen aus "Informator" 1951

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