Polen

Vorab zwei Pressemeldungen.

Nach der Berichterstattung in Sachen Zeugen Jehovas des Jahres 1950, wurde es zumindest auf der publizistischen Ebene, in der weitgehend Gleichgeschalten Ostpresse still um sie.

Eine Ausnahme von dieser Regel war im Jahre 1955 zu registrieren.

Die in Trägerschaft der Ost-CDU in Ostberlin erscheinende Tageszeitung „Neue Zeit" meldete in ihrer Ausgabe vom 25. 3. 1955 unter der Überschrift „Glaubensfreiheit mißbraucht":

Warschau (ADN).

Zu hohen Gefängnisstrafen hat das Bezirksgericht von Lodz fünf Angehörige der illegalen Führung der „Zeugen Jehovas" in der Volksrepublik Polen verurteilt. Die Verurteilten, die in enger Verbindung mit den Zentren der Sekte im Ausland, vor allem in den USA standen, haben die Religions- und Glaubensfreiheit zu feindlichen Zwecken gegen die Volksrepublik mißbraucht."

Nach dieser Meldung war es dann wieder einige Zeit thematisch still. Die nächste Polen bezügliche Meldung war dann dem Westdeutschen „Evangelischen Pressedienst" entnehmbar. EPD meldete in seiner Nummer 245 vom 27. 10. 1959:

„Neuer Prozeß gegen die 'Zeugen Jehovas' in Polen.

In Warschau begann vor dem Wojwodschaftsgericht ein Prozeß gegen 17 Mitglieder der in Polen verbotenen Sekte 'Zeugen Jehovas' berichtet das Parteiblatt 'Trybuna Luda'. In dem voraussichtlich zwei Wochen dauernden Prozeß wird den Angeklagten neben der Mitgliedschaft bei der Sekte vor allem die Herstellung und Verbreitung von Broschüren und Flugblättern sowie in einem Fall Wehrdienstverweigerung vorgeworfen. Es handelte sich dabei um den zweiten großen derartigen Prozeß dieses Jahres.

Bereits im Juni waren 15 Angehörige der Sekte in Opeln zu Zuchthausstrafen bis zu dreieinhalb Jahren verurteilt worden. Außerdem fanden zahlreiche Einzelprozesse statt.."

Wenn nicht alles täuscht, dann stand insbesondere die letztere Meldung, in einem größeren Kontext, der sich zwar erst ein Jahr später abspielte, der aber durchaus notierenswert ist, und zwar in dem:

Herr Knorr meinte auf dem 1958er ZJ-Kongress in New York, einen besonderen Grund zum Jubeln zu haben. Laut „Wachtturm" vom 1. 1. 1958 sei Polen das Land welches die „drittgrößte Zahl" von predigenden Zeugen Jehovas aufweise (zumindest zu damaliger Zeit).

Der „Wachtturm" vom 15. 7. 1959 jubelt weiter:

„In einem vor kurzem aus Polen eingetroffenen Brief sagte der für das Werk Verantwortliche:

'Nachdem die Brüder, welche leitende Stellungen bekleidet hatten, nun aus dem Gefängnis entlassen und wieder in Freiheit waren, gaben sie den Brüdern zu bedenken, ob es jetzt, da der Druck nachgelassen und das Werk weiter gehen könne, nicht gut wäre, daß sich jeder so eifrig ans Werk mache, als ob Harmagedon schon morgen käme.'

Die Brüder stellten sich tatsächlich so ein. Und nun ist Polen von allen Ländern der Welt eines der wenigen, die eine Verkündigerzunahme von über 30 Prozent erzielt haben."

Laut „Erwachet!" vom 8. 10. 1959 sei im vorangegangenen Jahre (1958) in den Ländern „Hinter dem Eisernen Vorhang" eine Mehrung von insgesamt 20 % eingetreten, wobei wiederum unter diesen Ländern Polen offenbar die Spitzenposition einnahm. Diese genannte Zuwachsrate lag aber über den weltweiten Wert zur gleicher Zeit.

Solcherlei Meldungen waren dann wohl eine besondere Stimulanz für die WTG-Führung, ihre Strategie an der Seite der politischen kalten Krieger, konsequent fortzusetzen.

Nichts da etwa mit einem „Einlenken" seitens der WTG.

Beleg dafür auch der gleichfalls im 1959er „Erwachet!"-Jahrgang abgedruckte politische Artikel „Berlin ein Bärenfell" (22. 7. 1959).

An dessen Diktion dürften die westlichen kalten Krieger garantiert nichts auszusetzen gehabt haben. Im Umkehrschluß kann man dann auch sagen, die im Osten dafür um so mehr.

Das auch der Osten durch solcherlei „hochgeschreckt" wurde, dafür gibt es noch einen anderen Beleg. Just im Jahre 1959 startete dann Ostdeutschland seine sogenannten „Müller-Briefe", aus der dann (1965) nach vorangegangener weiterer Verschärfung der WTG-Doktrinen. Namentlich der WTG-These in Verpackung ihrer „Bibelauslegungen"; der Kommunismus gleiche dem „Blut eines Toten", etwas was man nie berühren würde.

Nachdem die östlichen Apparatschicks also auch diese WTG-These schwarz auf weiss zu lesen bekamen, entschlossen sie sich, nicht mehr länger zu „kleckern", sondern mehr zu „klotzen".

Die da seit 1959 versandten „Müller-Briefe", denen man kaum einen sonderlichen Radius zusprechen konnten, wurden nunmehr in eine Zeitschrift („Christliche Verantwortung") umgewandelt, welche die weitere WTG-Geschichte bis zum Ende der DDR noch begleiten sollte.

In einem Rückblick (CV 240), wird der kalte Krieger auf Seiten der WTG, Willi Pohl mit der Aussage zitiert, die er wohl beim auftauchen der ersten „Müller-Briefe" getan haben soll:

„Diese Schrift besteht höchstens 2 Jahre, länger lässt Jehova das nicht zu."

Es sollte sich dann noch zeigen, dass dieses Pohl'sche Kalkül nicht aufgegangen ist.

Die WTG, und namentlich auch Herr Hirch, pflegen sich heutzutage damit zu trösten, dass die „Erfolge" der CV sich mal auf sehr bescheidenem Level bewegten, was ja nicht zu bestreiten ist.

Indes darf solch alles auch in einem größeren Rahmen gesehen werden.

Wie vernommen, konnten die Zeugen, namentlich in Polen, zeitweilig rasante Zuwachsraten verzeichnen.

Und wie sieht die Ostdeutsche Bilanz im Rückblick aus? Eine Bestandswahrung des Bestandes um 1950 gab es numerisch in der Tat.

Dann aber war auch schon das Ende der „Fahnenstange" erreicht. Im Gegensatz zu Polen, gab es in Ostdeutschland eben keine weiteren rasanten Zuwachsraten.

Suchen Hirch und WTG heutzutage die CV herunterzuspielen, täten sie gut daran, die nicht erfolgten Ostdeutschen „Zuwachsraten" auch zumindest teilweise, der CV zuzuschreiben, wenn sie denn objektiv sein wollten. Wenn ...

Mögen auch die Sektgläser in Brooklyn geklirrt haben, ob der berauschenden Nachrichten aus Polen.

An anderer Stelle indes scheint wohl etwas Essig in diesen Sekt hinein gegossen worden zu sein.

So erfährt man etwa, dass die Östlichen Staatssicherheitsbehörden ob solcher Meldungen nicht erfreut waren, und es dabei nicht bewenden ließen.

So sei es ihnen beispielsweise gelungen, dass von den Zeugen Jehovas genutzte System toter Briefkästen auf einer internationalen Eisenbahnstrecke, zu enttarnen. Dergestalt „mitlesend" war man also über alle Schachzüge des WTG-Ostbüros bestens informiert.

Und man bekam auch mit, dass es mit der „Einheit" innerhalb der WTG-Organisation in Polen, nicht zum besten bestellt war.

Die Stasi, egal ob in Ostdeutschland oder Polen, wäre nicht die Stasi gewesen, hätte sie nicht just jenen Aspekt zu nutzen und weiter auszubauen gesucht.

Und so jammert denn Herr Waldemar Hirch „kunstvoll" darüber, wie solch ein Ostdeutscher Stasiagent mit dem IM Namen „Wilhelm" nach Polen gesandt wurde. Dort sei es seine Aufgabe gewesen den Eindruck zu erwecken, er sei ein offiziell Gesandter des Westdeutschen Ostbüros der WTG. Ein „Gesandter" war er in der Tat. Nur halt nicht von der WTG.

In der Studie von Andre Gursky kann man diesen Aspekt betreffend lesen:

„1960 kam es in Polen zu einer Reihe von Veränderungen in der Organisation der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas. Ein in Russisch abgefasster Bericht, der im Rahmen der operativen Arbeit des MfS übersetzt wurde, informierte im Sommer 1960 nicht nur über Verhaftungen von Zeugen Jehovas in Polen, sondern auch über dort aufgekommene Spannungen und Kontroversen zwischen einzelnen Zeugen sowie Gruppenbildung unter den ZJ selbst. Grundlegend zeigten die international agierenden Geheimdienste der Sowjetunion, Polens und der DDR Interesse an einer sogenannten Gruppe der „Unzufriedenen" in Polen, Zeugen Jehovas, die auch Kritik übten an der Leitungsstruktur und in Berichten aus Polen an die Brooklyner Zentrale in den USA.

Auf Grund der Lage der Dinge, so der KGB-Bericht, könne selbst das bereits bekannte Material der Gruppe der „Unzufriedenen" durch die Organe nicht ausgewertet werden, da eine Dekonspiration der Verbindung befürchtet wird. Dies deutet darauf hin, dass die WTG vom sowjetischen oder / und polnischen Geheimdienst unterwandert war und dass über wichtige Unterlagen zumindest Informationen vorlagen.

Von den „unzufriedenen" Beschwerdeführern gingen Briefe direkt nach Brooklyn, um nach Einschätzung der Lage von einem Schlichter die strittigen Probleme lösen zu lassen. Harald Abt, Zeuge Jehovas in Polen, habe sogar Knorr gegenüber die Notwendigkeit [begründet], einen Vertreter des Zentrums zu schicken, ohne vorher den Leiter der Organisation in Polen in Kenntnis zu setzen. Das MfS unterbreitete den Vorschlag, in dieser Angelegenheit in der Form zu helfen, daß nach Polen ein GM mit Decknamen „Wilhelm" geschickt wird, der in der Rolle eines Emissärs aus Wiesbaden auftreten wird. ...

Tatsächlich gelangte Dieter Pape alias Erich Mager überraschend ohne große Komplikationen in die Dienstabteilung der Zeugen Jehovas in Polen unter der Leitung von Harald Abt. Die Legenden, die von den Geheimdiensten zuvor festgelegt und auch praxiswirksam koordiniert worden waren, verfehlten ihre Wirkung nicht. ...

Über den Erfolg der koordinierten Geheimdienstoperation notierte der IM eine Übersetzung des Dolmetschers eines polnischen Geheimdienstlers: Es war ein guter Fang gewesen. Abt sei jetzt schon ein toter Mann unter seinen Funktionären. Das andere wird der falsche Wachtturm erledigen"

Und den von ihm in dem Kontext auch Interviewten früheren Leiter des WTG-Ostbüros, Willi Pohl, zitiert Gursky mit der Aussage:

„Die vom polnischen Geheimdienst beobachteten Meinungsverschiedenheiten waren nicht so schwerwiegend wie von ihm angenommen wurde."; was man dann ja wohl als herunterspielen der Sachlage deuten kann.

Und seinerseits kommentiert Gursky zur Aussage von Pohl:

„Auf der Grundlage von MfS-Akten zu vorhandenen Berichten vom Wirken des „Ostbüros" der Zeugen Jehovas ist die Unwissenheit des langjährigen Leiters des Büros kaum nachvollziehbar. Dem widerspricht allerdings auch ein Hinweis aus Polen, wonach Harald Abt unmittelbar nach der Geheimdienstoperation einen umfassenden Bericht hierüber an die Zentrale nach Wiesbaden geschickt habe."

Einen Polnischen WTG-Funktionär, den Gursky in der Angelegenheit auch noch Interviewte zitiert er mit der Aussage:

Ich denke ja. Ohne das Wissen um diese Hintergründe ist meines Erachtens das Vorgehen von Erich Mager (Dieter Pape) kaum nachvollziehbar. Nicht so sehr das Auftauchen des Stasi-Mitarbeiters Dieter Pape, der als Wiesbadener Abgesandter Erich Mager hierher nach Polen kam, brachte den Sicherheitsdiensten das Gewünschte, sondern – um es mal so zu formulieren – der Judas in den eigenen Reihen."

Und dazu werden dann noch andeutungsweise die Namen solcher vermuteten (oder auch tatsächlichen) „Judasse" genannt.

Also offenbar gelang es wohl dem „Wilhelm" seinen Part im Sinne seiner Auftraggeber zufriedenstellend, oder zumindest „halb zufriedendstellend" zu lösen.

Denn wenn Herr Hirch heutzutage jedes Zweite Wort das seinem Munde entfährt, als „Zersetzung" betitelt, dann muss wohl etwas daran gewesen sein.

Worüber Herr Hirch allerdings nicht zu reflektieren pflegt ist, dass die unrühmliche WTG-Geschichte selbst, dass allerbeste „Zersetzungsmaterial" ist.

Hirch und Co träumen ihren Traum der Kulturchristen. Hirch selbst ist ja diesem Milieu zuzuordnen. Noch besitzen, auch innerhalb der deutschen WTG-Organisation, „Kulturchristen" einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert. Noch.

Mag der „Kulturchrist" Hirch auch persönlich nie etwa den einschlägigen WTG-Endzeitthesen extensiv „nachgejapst" haben. Die Klaviatur des verstimmten „Endzeitklaviers" hingegen wird von dieser Organisation weiter strapaziert. Und als internationale Organisation haben derlei Thesen, etwa in der Dritten Welt, ein weitaus gewichtigeren Stellenwert als hierzulande.

Bei Hirch etwa liest man die bedauernden Sätze:

Die vom MfS gefälschten westdeutschen Ausweispapiere für Dieter Pape lauteten auf den Namen Erich Mager. Um Westkleidung kaufen zu können, erhielt er 800,00 DM ausgezahlt. ... Sein Polenaufenthalt sollte zwei Wochen betragen, beginnend mit dem 17. August 1960, wenige Tage nach Abschluss des Bezirkskongresses der Zeugen Jehovas in Westberlin.

Die Aufgabe für Pape wurde durch den Umstand erleichtert, dass sein Gesprächspartner in Polen, Harald Abt, von seiner Herkunft Deutscher war und daher die deutsche Sprache beherrschte. So konnte Abt auch als Dolmetscher für Gespräche Papes mit weiteren Verantwortlichen fungieren und allein schon durch seine Anwesenheit eine vertraute Atmosphäre vermitteln. Abt erhielt vom MfS eine gefälschte Mitteilung aus der westdeutschen Zentrale in Wiesbaden mit der strikten Aufforderung, über das geplante Treffen mit dem Gesandten der Gesellschaft Stillschweigen gegenüber dem Gebietskomitee zu wahren, da man sich zuerst bei ihm informieren wolle, ohne unnötige Unruhe zu erzeugen. Er solle sich auf ein baldiges Gespräch einstellen. "

Im "Wachtturm" vom 15. 7. 1980, tönt dann Herr Abt in seinem dort veröffentlichten Lebensbericht:

"Nach der Befreiung von deutscher Besetzung wurde Polen eine Volksrepublik. Elsa und ich bewarben uns sofort um Arbeit im Zweigbüro der Wachtturm-Gesellschaft in Lodz. Wir arbeiteten dort fünf Jahre lang und erlebten die Freude, die Zahl der Zeugen Jehovas von ungefähr 2 000 im Jahre 1945 auf etwa 18 000 im Jahre 1950 ansteigen zu sehen. In den Jahren nach 1950 haben wir weiterhin in verschiedenen Zuteilungen gearbeitet, die wir von Jehovas Organisation erhielten."

Wie wohl kaum vom "Wachtturm" anders zu erwarten, weis er in diesem Bericht nichts über seine Episode mit dem Herrn "Erich Mager" zu berichten.

Das allerdings war dann wohl der „Essig" im Jubelsekt des Herrn Knorr, über den er dann lieber nicht in seinem Jubelbericht mit sprach.

Nun mag man zu solchen Geheimdienstaktionen in der Tat ein distanziertes Verhältnis haben. Ich für meine Person halte es daher lieber mit der grundsätzlichen Aussage Alan Rogersons, dass der WTG-Religion eher durch freiheitliche Rahmenbedingungen, denn durch das Gegenteil davon, Abbruch getan wird.

Jene Stasiisten verkennen die grundsätzliche Erkenntnis, dass Religion zugleich wesentliche soziale Wurzeln hat. Wenn sie also mit ihren berüchtigten Holzhammermethoden arbeiten, ist das letztendlich die Arbeit des Sisyphus.

Immer wenn sie denn wähnen, den schweren Stein Bergauf gerollt zu haben, rollt er wieder den Berg herunter.

Diese Polnische Episode sei daher hier auch nur deshalb erwähnt, da sie ja Herr Knorr in seinem Jubelbericht nicht mit anklingen lies.

Und für die genannte Rogerson-These spricht auch die WTG-eigene Angabe im „Wachtturm" vom 15. 1. 1959:

„Wer nun die Tabelle ... über die Tätigkeit studiert, wird sehen, daß jene Zeugen Jehovas, die hinter dem Eisernen Vorhang wirken, ebenso schwer arbeiten, wenn nicht noch schwerer, und sie erzielen bessere Ergebnisse beim Einsammeln ... als die Christen, die im Westblock der Nationen oder in neutralen Ländern leben ... Für die acht Länder hinter dem Eisernen Vorhang ist eine Zunahme von 21 Prozent in der Zahl derer zu verzeichnen ... während der Durchschnitt für die ganze Welt 9,9 Prozent beträgt."

Die Studie von Andre Gusky

Exkurs:

"CV" Made in Polen

Polen hatte schon immer eine "Außenseiterrolle" innerhalb des kommunistischen Staatenblocks gespielt. Man muß da keineswegs auf den vormaligen Polenpapst Woityla hinweisen. Grundsatz kommunistischer Kirchenpolitik war es, dass die Partei bestimmte wieviel "Lebensraum" denn den Kirchen gerade mal noch eingeräumt würde. Abschreckende Beispiele dabei: Albanien und die Sowjetunion. Da bestand der "Lebensraum" in einer fast fest zugezogenen Schlinge um den Hals, die zwar gerade noch (in der Sowjetunion) etwas Luft zum weiterleben holen gestattete. In Albanien auch noch nicht einmal das.

Gemessen an sowjetischen Verhältnissen lebten die Christen in Ungarn und der DDR geradezu komfortabel, während man selbst spartanisch dahinvegetierte. Aber geradezu im "Paradies" lebten in diesem Vergleich die Christen in Polen. (auch wenn die Betroffenen es so selbst nicht gesehen haben. Man muss zu dem Urteil im Vergleich bewertet, kommen).

Eine eigene Universität in Lublin nennt die katholische Kirche ihr Eigentum. Etwas was in keinem der anderen kommunistischen Staaten auch nur denkbar gewesen wäre. Umfangreiche Zeitschriften mit kirchlicher Trägerschaft, gab es in Polen auch. Sogar Illustrierte befanden sich darunter. Kennt man die Szene der kirchlichen Zeitschriften in der DDR (nicht selten 8 Seiten Blätter (Umfang) und kein Blatt mehr, von den Auflagenhöhe-Beschränkungen erst gar nicht zu reden, dann wirken dagegen die kirchlichen Zeitschriften in Polen fast vom Format so wie etwa heutige Politik-Journale von der Sparte "Spiegel" und Co.

Schon Ende der fünfziger Jahre partizipierten auch aus der Russell-Bewegung abstammende Splittergruppen (vergleichbar dem deutschen "Tagesanbruch" und der "Christlichen Warte") davon. Sie gaben in Polen auch ihre umfänglichem Journale heraus. Egal ob es sich nun um "Swit", die "Terazsniegsza Prawda" oder "Na Strazy" handelte.

 

Eine Auseinandersetzung mit den Zeugen sucht man in diesen Blättern aber in der Regel vergebens. Das ist auch beim deutschen "Tagesanbruch" und Co auch nicht anders.

Relativ spät, etwa um 1977 begann ein sich selbst als Journalist bezeichnender Herr, namens Josef Wereski, die deutsche CV nachzuahmen. Im Gegensatz zu Herrn Hirch, der auch bei Wereski einen "Geheimdienstlichen Hintergrund" unterstellt, teile ich diese Meinung nicht. Wereski hat sich meines Wissens auch nie auf das Gebiet verirrt, angeblichen "religiösen Antikommunismus" zu brandmarken, was ja das zweifelhafte "Markenzeichen" der CV war. Es ist also etwas zu billig, die Schrift des Wereski pauschal mit der CV gleichzusetzen. Außerdem ist er ein paar Nummern kleiner gestrickt als die CV.

Bei seinem 'Brief an Christen' oder 'List do Chrzescijan' handelt sich jeweils um einen doppelseitig in Maschinenschrift geschriebenen DIN A 4-Bogen mit einer Auflage von 2 000

hektographierten Exemplaren. Diese doch relativ niedrige technische Niveau, hatte die CV schon lange nicht mehr nötig.

Gleichwohl ist jegliche sich artikulierende Opposition zum Alleinvertretungsanspruch der WTG, für letztere ein Ärgernis. Daher trifft der Hirch'sche Bannstrahl auch den Herrn Wereski und seine Periodikum "Brief an Christen".

Auch Wereski beobachte aufmerksam die Geschehnisse die sich da in Brooklyn um Raymond Franz abspielten. Und man muss hinzufügen. Auch er publizierte darüber schon zu einem Zeitpunkt, wo die deutsche Übersetzung des Raymond Franz-Buches aus dem Claudius-Verlag, noch n i c h t erschienen war.

Sehr zum Ärger der WTG-Apartschicks und besonders dessen Apologeten Herrn Hirch, standen sowohl die CV als auch Wereski im gegenseitigem Kontakt.

In der CV 198 nun druckt die CV einen Eigenbericht des Wereski nach, den letzteren offenbar über seine auch vorhandenen Kontakte in den USA, erreichte.

Nachstehend der diesbezügliche Text:

Schwester Marie schreibt aus dem Bethel Brooklyn:

Über die Atmosphäre der Falschheit, Lüge und Verdächtigung im Bethel.

Jeder verdächtigt den anderen, jeder hat Furcht vor dem anderen. Während der Abwesenheit sind die Zimmer durchsucht von Ältesten und vertraulichen Personen, die von der LK ausgewählt wurden. In unserem Zimmer im Bethel wurden geheime Abhörgeräte installiert und unsere Gespräche sind auf Band aufgenommen. Letztens hat man auch Kameras versteckt, nicht nur im Zimmer, sondern auch in Bad und Toilette, um uns auf jedem Schritt zu beobachten.

Alle unsere Notizhefte, Privatbriefe sind geheim kontrolliert worden und kopiert worden. Wir wurden zu Verhören gerufen, die oft viele Stunden dauerten. Dort dienen als letzte endgültige Beweise Kassetten von Abhörgeräten und die Bilder versteckter Kameras und die Kopien von Privatbriefen. Furchtbar ist das alles. Um irgendwo anzurufen, braucht man eine spezielle Genehmigung, und um diese spezielle Genehmigung zu bekommen, muß man genau sagen, zu wem man anruft usw. Das Gespräch ist auf Tonband aufgenommen. Genehmigung ist sehr schwer zu bekommen. Jeder ist verdächtig, geheime Verbindung mit Brüdern zu haben, die zusammen mit dem Neffen von Präsident Franz, Raymond Franz, das Bethel verlassen haben.

Sie haben erkannt, daß die Zentrale der ZJ in Brooklyn ein Sitz ist für Schimpf auf Jehova und die Leitung besteht aus Karrieristen. Wir sind alle geistig mit diesen Brüdern und mit allen, die zusammen mit ihnen Brooklyn verlassen haben. Sie haben recht, alle Lehren der LK, die sie questioniert haben, sind falsch und in Widerspruch mit der Bibel und mit der Vernunft.

Wir sind in Geist und Glaube zusammen mit diesen Brüdern und wir würden auch weggehen, aber materielle Verhältnisse, Alter, kein Haus, keine Familie, das zwingt uns hierzubleiben, in Widerspruch zu unserem Gewissen.

Wir glauben nicht den WT-Lehren.

Nach eigener Methode beten wir geheim zu Gott und nur er weiß, daß wir ihn ehrlich loben und das, was wir hier machen für den WT und die Zentrale der Zeugen Jehovas, tun wir durch den Zwang der Umstände und nicht aus eigenem Willen.

Jehova sieht das alles und er weiß, wie es mit uns im Bethel ist.

Wir arbeiten hier am WT. Wir arbeiten, weil wir müssen, weil uns ein solches Schicksal getroffen hat. Wir arbeiten, um zu leben, um miserable Speise zu bekommen. Euch zwingt nicht solche Notwendigkeit. Ihr habt Freiheit, macht richtigen Gebrauch davon und wählt die Lehre der Bibel, nicht die widerspruchsvollen und tendenziösen und immer sich verändernden Lehren des WT.

Glaubt uns, Brüder und Schwestern, der WT hat nichts gemeinsam mit der Bibel.

Wir grüßen Euch, Brüder und Schwestern und wir verbleiben mit besten Gottessegen und Wünschen.

Veröffentlicht in "Brief an Christen"

Nr. 130 Lublin/VR Polen.

1959er Rückblick zur Zeugen Jehovas Geschichte

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