Adventisten in der Nazizeit

Siehe thematisch auch: Mysnip.131905

geschrieben von:  Drahbeck 
Datum: 19. Januar 2012 06:27

Ein Veranschaulichungsbeispiel
Dr. Daniel Heinz in einem Aufsatz in der adventistischen Zeitschrift „Adventecho", den er den Titel gab:

„Schmerzliche Erinnerungen:
Adventisten und Juden im Dritten Reich"

(Hinweis: Seitens des Adventverlages (nicht unbedingt „billig" aber immerhin, ist auch eine CD-ROM adventistischer Literatur im Angebot. Darin unter anderem auch der vorgenannte Aufsatz mit enthalten). 
Einleitend notiert Heinz:

„Warum haben Adventisten zur nationalsozialistischen Judenverfolgung geschwiegen? Warum waren sie nicht bereit, ihre Stimme zum Protest zu erheben? Bis heute hat die adventistische Weltkirchenleitung kein Schuldbekenntnis zur Judenverfolgung und Judenvernichtung abgelegt."

Weiter derselbe Autor:

„Auch wenn die adventistische Gemeindeführung im Deutschen Reich über das Ausmaß des millionenfachen Mordes an den Juden nicht im Bilde war, schwieg sie nicht nur zu den Judenverfolgungen, sondern war auch bereit, im Sinne einer bewusst verfolgten Strategie der Anpassung in den offiziellen Publikationen der Gemeinschaft antisemitisches Gedankengut zu verbreiten. Man folgte den gängigen Stereotypen ..."

Als Beleg zitiert er aus „(Gegenwarts-Fragen, Nr.7/8, 1943, 35f.)" einige besonders aggressive antisemitische Aussagen, zwar nicht von den Adventisten selber erstmals kreiert, aber von ihnen kolportiert und in ihrer zusammenfassenden inhaltlichen Referierung in der Sache verschärft, das man bald geneigt ist zu kommentieren.
Schlimmere Aussagen über das vermeintliche „Ungeziefer" findet man kaum in nazistischen Publikationen. Die hielten sich auf der publizistischen Ebene „noch eher zurück", überließen das Handeln ihren Terrororganen.
Denke ich an einen Aufsatz von Jonak v. Freyenwald im Jahrgang 1944 der „Nationalsozialistischen Monatshefte", in dem er das Buch eines seiner antisemitischen Kollegen über vermeintliche „Jüdische Ritualmorde" einem Totalzerriss unterwarf, wundert man sich, weshalb das aus nazistischer Feder zu beobachten war. Die wollten eben in ihrer „Argumentation" als eher „vornehm" gelten.
Kirchliche Kreise hingegen, einschließlich der Adventisten, hatten keine Skrupel, dieserhalb eher die Pöbel-Argumentation zu präsentieren. Und das wie vernommen noch im Jahre 1943.

Am 20. Januar 1942 hingegen fand jene berüchtige Nazikonferenz über die Endlösung der Judenfrage unter den Auspizien von Heydrich in Berlin Wannsee statt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Wannseekonferenz

Die Nazi-Herrschaften (die Schreibtischtäter) bedienten sich da auch eher einer „ausgewählten Wortwahl".
Diese Wortwahl „übersetzten" dann kirchliche Kreise eher in die vulgäre Alltagssprache

Heinz sucht zu relativieren. Der von ihm bemühte adventistische Aufsatz, wertet er als „nicht generalisierend" einschätzbar. Andererseits muss auch er einräumen:

„Dieser Artikel war kein "Ausrutscher", wie andere Quellen belegen."

Zu seinen wertenden Sätzen gehört dann auch der:

„Dort, wo widersetzliches Verhalten von Adventisten im Dritten Reich (allgemeine ideologische Verweigerungsgesinnung, Ablehnung des Hitler-Grußes, Arbeitsverweigerung am Sabbat, Vorzug des Sanitätsdienstes und Ablehnung des Tötens im Krieg, in seltenen Fällen Verweigerung des Kriegsdienstes) beobachtet werden konnte, blieb die Verfolgung und Vernichtung der Juden erstaunlicherweise nahezu ausgeblendet."

Ein Votum, das sich garantiert auch die von der WTG geführten Zeugen Jehovas „hinter den Spiegel klemmen können".
Als Einzelbeispiel erwähnt Heinz:

„Die Jüdin und Adventistin Sarah Frieda Nagelberg stammte aus Galizien und war 1898 nach Österreich eingewandert. 1930 hatte sich die Stickerin und Tuchhändlerin in Dornbirn der Adventgemeinde angeschlossen. 1935 erkrankte Schwester Nagelberg schwer und wurde erwerbsunfähig. Völlig mittellos, fand sie in einem katholischen Fürsorgeheim in Hohenems Aufnahme. 1940 nahm die Gestapo ihre Ermittlungen auf. Nagelberg gab zu Protokoll, sie wisse nicht, ob sie noch als Mitglied der Adventgemeinde geführt werde.
Offensichtlich hatten die Adventisten den Kontakt zu ihr abgebrochen. 1942 wurde die kranke, hilflose und vereinsamte jüdische Glaubensschwester von Hohenems über Wien in ein Vernichtungslager deportiert und dürfte dort den Tod gefunden haben."

Oder auch dieses:

„Der jüdische Glaubensbruder Wilhelm Jokel aus Wien bekannte 1938:
"Wie eingeschüchtertes Wild suchen wir Unterschlupf". Jokel, der damals bereits seit 33 Jahren der Adventgemeinde angehörte, bat die Gemeinschaftsleitung in Wien um Hilfe, wurde aber mit der Begründung, dass die jüdische Kultusgemeinde für ihn zu sorgen habe.
Über sein weiteres Schicksal ist nichts Näheres bekannt."

Auch dieses Beispiel noch:

„Der adventistische Pastor und Theologe Hermann Kobs wurde von seinem Dienst in Leipzig suspendiert, weil er einem jüdischen Glaubensbruder, der aufgrund seiner Herkunft aus der Adventgemeinde ausgeschlossen worden war, den Gottesdienstbesuch ermöglichte. Die Entlassung wurde von der Gemeindeleitung veranlasst und - so die offizielle Begründung - als "Vorsichtsmaßnahme" deklariert.
Tatsächlich wurde Kobs 1942 wegen seiner judenfreundlichen Haltung inhaftiert. Nach mehr als einem Jahr Zwangsarbeit kam er frei. 
Es kam übrigens öfter vor, dass sich adventistische Verantwortungsträger von judenfreundlichen Gemeindegliedern oder Aktionen öffentlich distanzierten oder Adventisten jüdischer Abstammung direkt abwiesen, weil sie Angst hatten, im Falle der Sympathie oder Hilfeleistung von den Nazi-Behörden als "Volksfeinde" gebrandmarkt zu werden."

Damit sind die von Heinz genannten Beispiele noch nicht erschöpft:
Auch dieses noch:

„Ein anderes erschütterndes Beispiel: 1939 verhörte die Gestapo in Brünn den adventistischen Verlagsleiter Franz A. Ludwig, dessen Ehefrau Frieda Jüdin war. Die Gemeinschaftsleitung in Prag distanzierte sich daraufhin von ihrem bewährten Mitarbeiter, indem sie ihn zunächst entließ. Zwei Jahre später folgte der Beschluss, alle jüdischen und "jüdisch versippten" Mitglieder aus der Adventgemeinde auszuschließen. Der Ausschuss der Adventgemeinde Brünn widersetzte sich dieser Aufforderung. So wurde der Ausschluss von neun Gemeindegliedern ohne deren Kenntnis und ohne Zustimmung der örtlichen Gemeinde von Prag aus durchgesetzt. An den Türen der adventistischen Versammlungsräume in Brünn, Prag und Olmütz wurde zweisprachig der Vermerk angebracht: "Für Juden verboten".

Weiter geht das eben zitierte Beispiel mit der Aussage:

„Kurz nach dem Ausschluss jener neun Gemeindeglieder wurde die jüdische Glaubensschwester Frieda Redlich in ein polnisches KZ verschleppt. Keiner der adventistischen Prediger oder Gemeindeleiter besuchte sie nach ihrer Verhaftung, um ihr Trost zuzusprechen. Der Kontakt zu Gemeindegliedern jüdischer Herkunft wurde von der Gemeinschaftsleitung völlig abgebrochen. So enthielt die adventistische Gemeindezeitschrift "Hlasatel Pravdy" 1942 unter der Überschrift "Zur Beachtung" die Nachricht, dass der Versandt dieses Blattes und der "Bibellektionen" an Juden und "jüdische Mischlinge" eingestellt wurde."

Im nazistisch besetzten Lettland hingegen (auch Ungarn und Belgien nennt er analog), so Heinz weiter, habe es - im Kontrast zu Hitlerdeutschland - tatsächliche Hilfeleistungen für bedrängte gegeben, eben auch für Juden, ungeachtet daraus resultierender eigener Gefährdung. Das wiederum muss wohl auch so gesehen werden, dass breite Bevölkerungskreise Lettlands der faschistischen Okkupation ihres Landes, gegenüber kritisch eingestellt gewesen sein dürften. In dieser Gemengelage kamen halt andere Entscheidungen zustande, als in jenen Gegenden, wo die Anbiederung an die Mächtigen, die Motivation der verantwortlichen Adventisten war.

Es ist meines Erachtens anerkennenswert, dass heutige Adventisten sich ihrer auch traurigen Geschichte stellen.
Betrachtet man hingegen das Verhalten der Zeugen Jehovas, namentlich den Aspekt der von der Gestapo „Umgedrehten" betreffend. Auch solche Fälle gab es, die da weiter den treuen Zeugen Jehovas mimten, faktisch aber nun für die Gestapo arbeiteten, ist festzustellen, dass bei den Zeugen Jehovas, ihre Geschichtsaufarbeitung betreffend, einiges mehr im Argen liegt, und ihre gestylten Thesen zu vielerlei Widerspruch herausfordern.
Nachtrag:
Zum Thema Antisemitismus und Zeugen Jehovas gibt es morgen (Serie im Zeitspiegel) noch einen weiteren Beitrag.

Siehe thematisch auch:
http://27093.foren.mysnip.de/read.php?27094,105403,105403#msg-105403

Re: Adventisten in der Nazizeit
geschrieben von:  Gerd B. 
Datum: 19. Januar 2012 07:18
Ein Aussteiger bei den Adventisten berichtet, Auszug:

Hans Georg S ...

Mein Zeugnis als ehemaliger Adventistenprediger 

"Habe acht auf dich selbst und auf die Lehre" 1. Tim. 4,16 

Als ehemaliger Prediger der Siebenten‑Tags‑Adven­tisten (STA) kann ich heute ohne Bitterkeit und Nachgeschmack erklären, daß die STA dieses Bibelwort nicht begriffen haben. Meine Erkenntnis über viele Jahre ist, daß die Lehre der STA nicht so biblisch und richtig ist, wie sie selbst das meinen...

Mehr: www.horst-koch.de/joomla_new/content/view/158/164/
Rutherford
geschrieben von:  Drahbeck 
Datum: 08. Januar 2012 00:38
Hinweis:
Im Zeitspiegel
J. F. Rutherford, am 8. 1. 1942 verstorben, war auch Anlass für Presseorgane in der Schweiz, in kommentierter Form darüber zu berichten.
Nur, diese Kommentare fielen nicht nach dem Geschmack der WTG aus, was sie dann ja auch in ihrer Zeitschrift „Trost" kundtat. 
Weinerlich meinte sie sich darauf berufen zu sollen, man möge über Tote doch nichts schlechtes reden, und suchte mit eher geringem Erfolg, „Berichtigungen" in den entsprechenden Presseorganen durchzusetzen.
Im Rahmen der Serie „Zeitgeschichte vor siebzig Jahren" wird auf diese Kontroversen noch einzugehen sein. Da die in Rede stehenden Presseberichte aber zeitlich verzögert berichteten, wird in dieser Serie auch im März erst darüber berichtet werden.

Davor aber schon wird noch auf Rutherfords Coup mit dem Buch „Kinder" zu sprechen sein. Jenes Buch, das da unter anderem mit der These „glänzte" mit dem Heiraten bis „nach" Harmagedon zu warten 

Und in dieser Kontinuität ist sich dann ja ein neuzeitlicherer Rutherford-Verschnitt bei den Zeugen Jehovas, namens Lösch,
nicht zu schade, jungen Menschen ihre Zukunftschancen im Hier und Heute, zu vermasseln.
Hier und heute, soll daher Herrn Rutherford keinesfalls „Ehre" angetan werden, die er ohnehin nicht verdient!

Siehe zum thematischen Weiterlesen unter anderem auch:

http://27093.foren.mysnip.de/read.php?27094,969,4972#msg-4972
31. Mai 2008 01:12

http://27093.foren.mysnip.de/read.php?27094,106955,109586#msg-109586
26. August 2011 05:35

http://27093.foren.mysnip.de/read.php?27094,99793,105184#msg-105184
24. Juni 2011 06:35

http://27093.foren.mysnip.de/read.php?27094,43959,64200#msg-64200
03. Juni 2010 03:59

http://27093.foren.mysnip.de/read.php?27094,19618,19623#msg-19623
08. Januar 2009 05:06

http://27093.foren.mysnip.de/read.php?27094,17804,17934#msg-17934
04. Dezember 2008 23:25

http://27093.foren.mysnip.de/read.php?27094,1535,1599#msg-1599
20. März 2008 20:34

Bericht von 
Hazel O. Burford im "Wachtturm" vom 1. 1. 1956
Kommentarserie1956

Exkurs
Das englischsprachige „Consolation" vom 27. 5. 1942 bot dann noch eine eher müde Verteidigung des Rutherford, namentlich bezogen auf sein agieren in Sachen „Beth Sarim"
Da diese Ausgabe im Internet zugänglich ist, sei ausdrücklich auf sie hingewiesen.
Siehe (unter anderem)

http://www.archive.org/details/1942ConsolationOnBethSarim

Jener famose Text berichtet davon, man habe den Plan gehabt, Rutherford auf dem Grundstück zu beerdigen, wo auch sein „Beth Sarim" (inklusive standesgemäßen Kaminzimmer) sich befindet. 
Nur die Behörden, die dazu fallweise „Ja und Amen" zu sagen hätten, spielten das Spiel nicht mit. Große Erregung dieserhalb in WTG-Kreisen.
Sogar eine von vielen unterzeichnete „Bittpetion" habe man den Behörden eingereicht. Die ließen sich trotzdem nicht erweichen.
Es gab aber auch Gegenpetitionen.
Die Gegner meint man indes mit dem Hinweis schachmatt setzen zu können, die hätten aber nur 1070 Unterschriften eingesammelt. Selbst hingegen habe man es auf 14.693 Unterschriften gebracht.
Und weil die Behörden nicht so spurten, wie die WTG es gerne gehabt hätte, wurden sie noch zusätzlich mit 3500 Protestbriefen eingedeckt.
Noch Ende Januar, dann wieder im März, berichteten örtliche Presseorgane über den nicht enden wollenden Disput. Und Rutherford war immer noch nicht beerdigt. 
Kommentar von „Consolation", man fühle sich an die Zeiten des Papstes Martin V. erinnert der befohlen habe, die Überreste des Bibelübersetzer John Wycliff auszugraben, 44 Jahre nach seinem Tod und die verbrannte Asche dann in den Fluss zu werfen.

Eine eigene Friedhofsgesellschaft habe man gegründet (Mitglieder unter anderem Mister Knorr, der schon damals die WTG-Fäden in der Hand hatte, und Mister Heath (seinerzeitiger persönlicher Sekretär Rutherford), und auch ein passendes Grundstück nur 300 Meter von der Beth Sarim-Residenz habe man sich ausgeguckt.

Was nun Beth Sarim anbelangt, und den Spott den man sich damit einhandelte, tröstet man sich in dem Artikel; Noah sei ja auch beim Bau seiner Arche verspottet worden, und man erwarte weiterhin, die „Rückkehr der erwarteten Fürsten" (Abraham und Co).
Und damit die dann bei ihrem "Wiederauferwecken" den Herrn Rutherford nicht vergessen mögen, den vielleicht mit als erstem, wäre schon eine Beerdigung auf jenem Grundstück angezeigt, da besagte "Fürsten" ja "Beth Sarim" übernehmen sollten.

Noch das 1942er WTG-Jahrbuch habe Rutherford in Beth Sarim vorbereiten können, auch das berüchtigte „Kinder"-Buch habe er dort ausgebrütet. Und das meint man dem geneigten Publikum auch noch mitteilen zu dürfen. Der darin enthaltene Tagestext für den 8. Januar 1942 (dem Todestag Rutherfords) rede davon:
"Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt, in einem Moment ...,"
Na wenn das mal kein „Zeichen und Wunder" ist, zumindest in der Sicht der WTG-Betörten.

www.tagesspiegel.de/zeitung/chronik-welt-davon-geht-die-nicht-unter/6027900.html

Rutherford
geschrieben von:  Drahbeck 
Datum: 08. Februar 2012 04:11
Heute vor siebzig Jahren verstarb in San Diego ein gewisser Herr Rutherford.
Im Rahmen dieser Serie „Im Zeitspiegel" wird als nächster Termin, am 13. 3. nochmals darauf zurückzukommen sein. 
Leider nur Englischsprachig im Internet erreichbar, die „The Golden Age"-Ausgabe vom 19. März 1930.
In ihr auch ein WTG-seitiger Bericht über den Coup, der dem Herrn Rutherford, dann noch sein viel kommentiertes „Beth Sarim" verschaffte.
Aufschlußreich auch die Details.
Danach war der „Wohltäter" Robert J. Martin, laut „Jehovas Zeugen in Gottes Vorhaben" (S. 113) zugleich Direktor des Brooklyner Druckerei-Betriebes und Büros.
Quasi Rutherford's Statthalten in Brooklyn (New York). Ein Amt das nach Martin's Tod (23. 9. 1932; siehe auch „Verkündiger"-Buch S.91) dann auch noch N.H.Knorr wahrnahm, der ja auch kein „Unbekannter" ist.
Damit ist belegt, dass der Beth Sarim Coup alle Kriterien einer zünftigen „Vetternwirtschaft" erfüllte!

http://www.archive.org/details/March191930GoldenAgeBethSarimDeed

Siehe ergänzend auch:

Beth Sarim

Hier und jetzt als Exkurs: Weiteres thematisches (etwas gekürzt) aus
Rutherford.pdf

In dem zitierten Buch wird im Anschluss an das Rutherford-Kapitel in einem weiteren, auf die von Rutherford zu verantwortende Kampagne „Anklage gegen die Geistlichkeit" eingangen, die sich dem thematisch anschließt, ohne das jetzt auch noch zu zitieren.
Fallweise sei auf die Print-Ausgabe verwiesen.
Ohne Zweifel ist es J. F. Rutherford gewesen, der im besonderem Maße zur Prägung der Bibelforscher in dem Zeitraum zwischen den beiden Weltkriegen beigetragen hat. Wer die Geschichte der Zeugen Jehovas wirklich verstehen will, der kommt um eine Einschätzung seines Wirkens nicht herum. 

Rutherford [1], baptistisch erzogen, schlug den Berufsweg eines Juristen ein. Zunächst begann sein Berufsweg damit, dass sein Vater, Farmer in Missouri, die Einwilligung zum Jura-Studium seines Sohnes davon abhängig machte, dass er ihm eine Hilfskraft für sein Ausscheiden aus der elterlichen Farm bezahlte. Dem mittellosen Rutherford gelang es, durch Aufnahme eines Kredites, diese Hürde zu übersteigen. Seinen Lebensunterhalt während seines Studiums bestritt er als Gerichtsstenograph. Schon dieser berufliche Start verdeutlicht, dass man es bei Rutherford mit einer willensstarken Persönlichkeit zu tun hatte. Eine Eigenschaft, die seine Gegner - innerhalb und außerhalb der Bibelforscherorganisation - noch fürchten lernen sollten. 
Seine weitere Biographie wurde mit den Worten umrissen: 

"Mit zweiundzwanzig wurde er als Advokat im Staate Missouri zugelassen, und er begann seine Praxis in Booneville, Missouri, wo er Prozeßanwalt der Firma Draffen und Wright wurde. Später diente er vier Jahre als Staatsanwalt für Booneville und noch später als Sonderrichter in demselben … Gerichtsdistrikt in Missouri. In dieser Eigenschaft wurde Rutherford berufen, als stellvertretender Richter zu amtieren, wenn der reguläre Richter krank war oder nicht im Gerichtssaal erscheinen konnte." [2] 

Der spätere Rutherford beliebte dann, sich medienwirksam als "Richter" feiern zu lassen. Seine zeitweilige Aushilfstätigkeit als Ersatzrichter diente ihm als Alibi dazu. Immerhin gilt es auch festzuhalten, dass jemand der in seiner beruflichen Laufbahn auch einige Jahre als Staatsanwalt tätig war, sich besonders aufs Anklagen verstehen würde. Die Praxis hat denn auch im Falle Rutherford gezeigt, dass dies wirklich so war. 

Seit 1907 war Rutherford dann von Russell als Rechtsberater engagiert worden. Eine seiner ersten Entscheidungen war die Eröffnung eines neuen Hauptbüros in Brooklyn, New York, gegen dass das bisherige in Pittsburgh, Pennsylvanien zusehends an Bedeutung verlor. Im weiteren Verlauf verstand er es, sich in harten Machtkämpfen, ab Januar 1917 als Nachfolger des inzwischen verstorbenen Russell durchzusetzen. 

Rutherfords ungeahnte Nachfolge, wurde durch das Russellsche Testament begünstigt, dass sich in der Praxis als undurchführbar erwies. Russell hatte darin seine bisher alleinige Macht, auf eine Vielzahl von relativ unprofilierten Personen aufgeteilt. Letztlich begünstigt durch diese Sachlage wurde Rutherford, der auf Grund seiner Stellung alle entscheidenden Fäden in der Hand hatte und sich selbst so ins Rennen brachte. [3]

Zunächst nach Russells Tod, wurde für die Monate November, Dezember 1916 eine dreiköpfige vorläufige Geschäftsleitung, bestehend aus dem bisherigen Vizepräsidenten Ritchie, dem Sekretär-Kassierer van Amburgh und dem Rechtsberater Rutherford gebildet. Für den 6. Januar 1917 waren dann Wahlen zur Neubesetzung des Präsidentenamtes angesetzt. 

Allerdings nicht nur Rutherford, auch andere Personen hatten sich noch Ambitionen auf die Nachfolge Russells gemacht. Unter ihnen ragt besonders P. S. L. Johnson hervor, vormals lutherischer Geistlicher jüdischer Abkunft. Er beklagte aus seiner Interessenlage, dass durch Rutherfords Vorbereitungen 
"die Nominierungen so beschränkt waren, dass außer ihm - für den Tausende von stimmberechtigten Anteilen im voraus festgelegt wurden - keine anderen Kandidaten aufgestellt werden konnten." [4] 
Johnson führt weiter aus: 

"Eine Woche vor der Wahl übergab J. F. R(utherford) einem Bruder einen Bericht über die Versammlung der Stimmberechtigten, der in der Presse veröffentlicht werden sollte. In diesem Bericht wurde der Verlauf der Wahl, sowie das einstimmige Ergebnis geschildert; außerdem enthielt er einen Ausschnitt aus Rutherfords Rede nach Annahme der Wahl. Der Herausgeber des 'New York Herald' machte eine Bemerkung über die prophetische Gabe dieser Bethel-Leute, die genau vorhersagen konnten, was während einer Wahl geschehen würde. … Es ist ganz sicher, dass die Bemerkung, die er mir gegenüber im Juli anlässlich der Wahl R. H. Hirsch in den Ausschuss machte, auch für die Versammlung am 6. Januar zutrifft. Er sagte bei dieser Gelegenheit: 'Bruder Johnson, natürlich werden alle Dinge dieser Art im voraus arrangiert, genau wir bei einer politischen Versammlung.'" [5] 

Diesen Sachverhalt zusammenfassend referiert Cole: 
"Knapp vor seinem Tode hatte Mr. Russell Vorkehrungen zur Umgestaltung des Personals im Hauptquartier oder Bethel getroffen. Zu seinem Plan gehörte die Absetzung einiger der höchsten Beamten mit Einschluss des Vizepräsidenten, sowie der Aufstieg anderer aus den unteren Rängen. Die abgesetzten Mitglieder hätten wohl ihren verletzten Stolz hinabgewürgt, wenn der Pastor noch zu seinen Lebzeiten den Wechsel vorgenommen hätte. Als Rutherford diese Veränderungen durchführte, konnten sie sich nicht damit abfinden. Fünf Monate, nachdem er die Präsidentschaft angetreten hatte, lehnten vier von sieben Direktoren es ab, seine Machtbefugnisse anzuerkennen. … Die Vorstandsmitglieder wünschten eine Neueinteilung. Vor allem wollten sie, dass alles was Rutherford tat, von der Zustimmung des Vorstandes abhängig gemacht werde. Dieses Direktorium, behaupteten sie, sei die höchste Autorität und der Präsident sei nur eine Repräsentationsfigur. Wie die Dinge standen, handhabt der Präsident selbst die Verwaltung ohne die Vorstandsmitglieder zu befragen. Er ließ sie erst wissen, was er tat, nachdem es bereits geschehen war. Er setzte sie in den Stand von bloßen Beratern in … Angelegenheiten der Körperschaft. Rutherford kümmerte sich nicht um den Widerstand. Vor ihm hatte es der Pastor ebenso gehalten. Den Pastor hatten sie nicht abgelehnt, aber Rutherford war nicht Pastor Russell." [6] 

Rutherford erwies sich seinen Gegnern, mittels juristischer Schachzüge, denen sie nichts vergleichbares entgegenzusetzen in der Lage waren, als überlegen. Die organisatorische Vielgliedrigkeit mit den zwei Büros, in Pittsburgh und New York ausnutzend, erklärte er seine Rivalen einfach als "nicht rechtmäßig gewählt." "Klassisch" geworden ist sein dazu geäußerter Ausspruch: 
"Wollt ihr nun streng sachlich werden, dann sage ich euch streng sachlich, dass ihr vor allem keine legalen Mitglieder der Körperschaft seid", mit der er sie abfertigte. 31 Mitglieder des Bibelforscherbüros die sich gegen Rutherford gewandt hatten, wurden von ihm so hinausgedrängt. [7] 

Zankapfel wurde dabei ein von Rutherford, ohne Rücksprache mit den übrigen "Direktoren" in Auftrag gegebener sogenannter Siebenter Band der "Schriftstudien", betitelt "Das Vollendete Geheimnis." Dabei handelte es sich um eine Art Anthologie des Russellschen Schrifttums in der Lesart von Rutherford. Faktisch wurden in ihm aber auch neue Akzente gesetzt, insbesondere eine verstärkte Kirchen- und Gesellschaftskritik. [8] 

Ein zeitgenössisches Urteil dazu aus den frühen Bibelforscherkreisen liegt dazu auch in deutscher Sprache vor. Die Schweizer Zeitschrift "Die Aussicht" schrieb dazu: 
"Dieser famose 'siebente Band' hat im Vergleich zu den vorangegangenen echten den gleichen Wert wie die Apokryphen der Bibel zu den kanonischen Schriften. Er bedeutet, wie die Apokryphen für die Bibel nicht eine Krönung, sondern vielmehr eine Verunstaltung des ganzen. 'Tages-Anbruch' hat seiner Zeit unsere Herzen brennend gemacht und in denselben den Wunsch ausgelöst: 'Komme Herr Jesu.' Dieser Wunsch lebt auch heute noch in uns; er ist es, der uns treibt, Zeugnis abzulegen. … 
Im 'siebten Band' aber kräht ab und zu die heisere Stimme Isebels von Thyatina, der Prophetin der Nikolaiten. … Wessen Sinn durch fleißiges Forschen in der Schrift geübt worden, der wird in dieser Stimme das ungereimte bald herausfühlen. Er braucht sich nicht wie der Irrfahrer Odysseus der homerischen Sage, die Ohren mit Wachs zu verkleben um dem Sange dieser Sirenen nicht zu erliegen; im Gegenteil: Er wird diesem Gesang mit hörenden Ohren lauschen, damit er in demselben das Krähen der 'Tagesabruch'-Fälscher deutlich heraushöre und vom übrigen säuberlich unterscheide."
 [9] 

Nachdem Rutherford seine innerorganisatorische Position gefestigt hatte, begann am 30. 12. 1917 seine Organisation mit der Massenverbreitung eines Traktates, genannt "Der Schriftforscher" mit der Überschrift "Der Fall Babylons". Es enthielt "Auszüge mit einigen der schärfsten Hinweise auf die Geistlichkeit aus dem Buche 'Das vollendete Geheimnis', den sogenannten 7. Band der 'Schriftstudien'". Letzterer war seit Juli 1917 verbreitet worden. [10] 
Einen Eindruck vom Inhalt, dieses mit zeitlicher Verzögerung ab 1919 auch in Deutschland verbreiteten Traktates gibt der Bericht von Scheurlen: "Es trägt als Überschrift: 'Der Fall Babylons. Das alte Babylon ein Vorbild - Mystisch-Babylon das Gegenbild.' Da heißt es: 'Die protestantischen Sekten stellen wirklich die Töchter jenes gesunkenen Systems der nominellen Christenheit dar, nämlich des Papsttums, auf welches die Offenbarung mit der Bezeichnung 'Mutter der Huren' Bezug nimmt (Offb. 17,5). … Die großen menschlichen Systeme, Kirchen genannt … gehören zu einem System, welches die wahre Kirche vor der Welt nachahmt, falsch darstellt und verbirgt. Nun in der 'Erntezeit' wurde die 'Weizenklasse' vom 'Scheinweizen' getrennt. 'Die Geistlichkeit ist verantwortlich, der weitaus größte Teil ist ungläubig, untreu, ungerecht gewesen.' … 
Die eben erwähnte Nummer des Schriftforschers bringt auf der 1. Seite ein Bild, dass einen Redner der IVEB zeigt, wie er das Mene Tekel (Daniel 5,5.25-38) deutet, während daneben nichts ahnend und nichts achtend Geistliche eifrig debattieren. Die letzte Seite zeigt ein Bild, dessen schauriger Inhalt dem Betrachter geradezu ein Lächeln abnötigt: Da stürzen in Flammen und Wasserfluten die Mauern des Kirchentums durcheinander. Auf den geborstenen Quadern liest man die Worte: 'Katholizismus, Päpste, Kardinäle, Stellvertreter des Sohnes Gottes, Ablaßhandel, Lehre von der Messe, Unfehlbarkeit der Päpste, Lehre vom Fegefeuer, Kindertaufe.' usw. (Ferner): 'Protestantismus, Glaubensbekenntnisse, Geistlichkeit, Lehre von der Dreieinigkeit (3 x 1 = 1), Ewige- Qual-Lehre, Unsterblichkeit der Seele' usw."
 [11] 

Wolz setzt sich ebenfalls mit diesem Flugblatt auseinander. Charakteristisch ist seine Einschätzung, dass eine Verrenkung auf die andere stößt. "Insofern allerdings nicht mehr lächerlich, viel mehr traurig belehrend, wie weit religiöser Flackergeist gelangen könne. Nämlich bis zur Symptomatik der unmöglichen Behauptung: 'Die protestantischen Sekten machen jetzt alle Anstrengungen(!) sich mit der Kirche Roms zu versöhnen.'" Der Kommentar von Wolz dazu: "Wer so sieht, sollte mit eigenen Augen lieber nicht mehr sehen wollen." [12] 

Auch Schlegel nahm in besonders signifikanter Weise zu diesem Flugblatt Stellung. Die darin schon von Scheurlen beschriebenen Karikaturen betitelt er als eine von "Herausforderung und Gemeinheit triefendes Bild." Als Proben von Gemeinheiten zitiert Schlegel unter anderem dann: "Auch dieses große Religionssystem, welches stets bereit war, unseren unheiligen Kriegen eine religiöse Färbung zu geben, deren Ergebnis darin bestand, dass unsere besten Männer und Jünglinge in Massen hingeschlachtet, unser Reichtum verloren und Millionen Herzen gebrochen wurden!" 

Zitierenswert hält Schlegel auch jene Stellen in denen von den "fetten Gehältern" der Geistlichkeit die Rede ist. Sein Kommentar dazu: "Die Gehälter der Geistlichen und ihre Gebühren waren in den letzten Jahren so fett, dass viele ohne irgendwelchen Nebenverdienst überhaupt nicht mehr leben konnten. Hierfür kann ich, wenn nötig mit Beweisen aufwarten." 
Schlegel ist einer jener Autoren der 20-er Jahre, bei dem sich die damalige Einschätzung der Bibelforscher am besten festmachen lässt. Schlegel unterstellt, dass die Bibelforscher nichts mit Religion zu tun hätten, sondern nur die erbittertsten Religionsfeinde seien. [13] Zur Begründung seiner Auffassung führt er an, dass es die Bibelforscher vorzüglich verstünden mit der Sozialdemokratie und den Kommunisten zu liebäugeln. "Also auch Russell stellt sich als der Befreier der arbeitenden Klassen hin um sie für seine Pläne zu ködern und ihnen nachher, wenn die Pläne verwirklicht sind, einen Tritt zum Entgelt zu versetzen." [14] 

Weiter meint Schlegel: "Daher konnte man auch ferner die Erfahrung machen, dass in Versammlungen, die gegen die Bibelforscher abgehalten werden, Kommunisten in der Diskussion das Wort für die 'Heiligen' ergreifen. Eigenartig! Sonst sind die Kommunisten nicht gerade diejenigen, welche die Religion in Schutz nehmen, aber bei den Bibelforscherversammlungen fühlen sie sich doch 'verpflichtet', die 'religiöse' Sekte zu verteidigen. … 
Wir finden auf jeden Fall die auffallende Erscheinung, dass die Kommunisten nach derselben 'Wahrheit' suchen, wie die Bibelforscher, dass beide nach dem nämlichen Endziel streben. Ob der eine dieses Endziel mit Schelten und Fluchen, der andere mit Augenverdrehen und dem Stoßseufzer 'Herr Jesus' zu erreichen sucht, ist gleichgültig. Jedenfalls wünschen und erstreben beide 'den baldigen Sturz der gegenwärtigen heidnischen Regierungen, der gegenwärtigen Ordnung.'" 
[15]

Ein besonders sarkastischer Kommentar von Schlegel sei noch wiedergegeben: "Während eine Menge von Priestern draußen im Feld Seelsorgedienste verrichtete, Theologiestudenten mit der Waffe in der Hand für das Vaterland kämpften, litten und starben, verteilten die Religionsfeinde Flugblätter um den Ruf der Geistlichkeit zu untergraben." [16] 

Es ist offenbar, dass Schlegel mit letzterer Bemerkung die Bibelforscher meint. Wenn Kurt Tucholsky, einige Jahre später, bezugnehmend auf latente politische Spannungen innerhalb der Weimarer Republik den Bonmot prägte: "Schließen wir einen kleinen Kompromiss - und durch Deutschland geht ein tiefer Riss", dann wollte er damit sagen, dass für ihn kein "Kompromiss" denkbar sei mit jenen die danach fragten. [17] 

Auch im Falle Bibelforscher - Kirchen offenbarte sich das gleiche Dilemma. Die Kirchen hätten es gerne gesehen, wenn die Bibelforscher sich in ihrer Kritik "zurückgehalten" hätten. Für die Klientel der Bibelforscher war indes dieser "Kompromiss" auch nicht akzeptabel. Letztendlich offenbaren sich die auf säkularer Ebene feststellbaren Spannungen, auch auf diesem Felde. 
Hinzu kam noch eine grundsätzliche Verständigungsschwierigkeit, die Niebuhr mal mit den Worten umriss: 

"Die Anpassung der Kirche an die Staatsautorität und die Unterstützung, die der Staat sich von der Kirche erwartet und die er der Kirche leiht, ein Gegenseitigkeitsverhältnis, für das in deutschen Landen 'Thron und Altar' lange Zeit das Losungswort war, sind dem Amerikaner seit dem Unabhängigkeitskrieg so gut wie unbekannt. … Als Leitmotiv, dass der Theologie selbst zu entnehmen ist, kann, darüber dürfte wohl kein Zweifel bestehen, lediglich der Glaube an das im Evangelium verheißene Gottesreich in Frage kommen. In der Tat ist es, wie Niebuhr nachweist, dieser Glaube gewesen, der im amerikanischen Christentum von jeher vorherrschend gewesen war. Indes sei unter dem Gottesreich keineswegs immer ein und dasselbe verstanden worden." [18] 

Ein Charakteristikum jenes "siebenten Bandes" der "Schriftstudien" war es auch, dass er in seiner Erstfassung auch antimilitaristische Passagen enthielt. In dieser Kriegszeit war es offensichtlich, dass sobald staatliche Behörden davon Wind bekamen, sie dagegen einschreiten würden. Ein solcher Fall trat in dem sich seit 1914 im Kriegszustand befindlichen Kanada ein. Dort wurde am 12. 2. 1918 unter Hinweis auf die antimilitaristischen Positionen, ein Verbot der Bibelforscher ausgesprochen. [19] Anders war die Situation (vorerst) noch in den USA. Dort hatte man für die Jahre 1914-16 offiziell die Position der "Neutralität" in diesem Kriegsgeschehen verkündet. In der Praxis wurde diese jedoch zunehmend unterlaufen, insbesondere durch umfangreiche Kredite und Waffenlieferungen an England und Frankreich. 

Am 6. April 1917 war es dann, so weit, die "Neutralitäts"these wurde durch den Eintritt auch der USA in den Weltkrieg, offiziell zu Grabe getragen. Insbesondere in Wirtschaftskreisen gab es einige, die daran interessiert waren, auch mit Deutschland weiter Geschäftsverbindungen zu pflegen, obwohl Deutschland zwischenzeitlich eine der Hauptmächte war, die im Ersten Weltkrieg involviert waren. 
Immerhin unterhielten die USA nach wie vor bis dato, diplomatische Beziehungen mit Deutschland. Dessen europäische Kriegsgegner waren natürlich nicht sonderlich daran "interessiert" das über im Atlantik verlegte Telefonkabel, Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Deutschland und den USA (noch) bestanden. Diese Möglichkeit fiel zusehends immer mehr aus. 

Man vergegenwärtige sich. Für uns heutige sind Radio und Fernsehen selbstverständliche Begriffe. Das war nicht "immer" so. Der Siegeszug des Radios datiert eigentlich erst seit den 1920-er Jahren. Die davor liegenden Anfänge des Funkverkehrs sind mehr oder weniger vom Entstehungszeitraum, auf die Zeit des Ersten Weltkrieges zu lokalisieren. Zu diesem Aspekt wurde einmal in näherer Erläuterung ausgeführt: "Die einzige Möglichkeit von den Mittelmächten (Deutschland) Nachrichten zu erhalten, die nicht der Zensur unterlagen, bestand in der Weiterentwicklung der beiden drahtlosen Stationen in Sayville, Long Island und in Tuckerton, New Yersey. … Um eine völlige Neutralität sicherzustellen, übernahm die amerikanische Regierung die Aufsicht über beide Stationen. … Am 5. Oktober 1916 schrieb (der Botschafter) Graf Bernstorff. … Es ist einer der wichtigsten Beschwerdepunkte meiner Regierung, dass die drahtlose Nachrichtenübermittlung anders behandelt wird als Kabeltelegramme. Das wirkt sich sehr zum Vorteil unserer Gegner aus. Zugleich ist es ein Hemmschuh für Amerikaner, die mit Deutschland in Geschäftsverbindungen stehen." [20] 

Es ist offensichtlich, dass die derart Gehandicapten bemüht waren Auswege zu finden. Nun trat ein Faktor ein, mit dem eigentlich so niemand recht gerechnet hatte. Offenbar auf Grund eines entsprechenden "Tipps", wurde im Februar 1918 von einer amerikanischen Geheimdienstorganisation, genannt US-Armee-Nachrichtendienst, eine Durchsuchung der Bibelforscher Bürogebäude veranlasst. Und was kein Außenstehender für möglich gehalten hätte, trat ein. Es wurde in diesen Räumlichkeiten ein Funkempfangsgerät beschlagnahmt! 
Die Bibelforscher versuchten diesen Fall herunterzuspielen, indem sie betonten, dass mit diesem Gerät keine Nachrichten ausgesandt wurden. [21] Faktisch gleicht dies einem Sand in die Augen streuen. Es ging den daran interessierten Kreisen auch um das Empfangen von Funknachrichten, zumal die anderen dafür vorgesehenen Möglichkeiten zur Wirkungslosigkeit verurteilt waren. 
In diesem Kontext bekommt die von Rutherford später einmal so ostentativ betonte "Deutschfreundlichkeit" auch noch einen tieferen Hintergrund! 

Seit dem Kriegseintritt der USA bis zu jenem Vorfall war mal gerade ein Dreiviertel Jahr vergangen. Es handelte sich also um einen relativ kurzen Zeitraum. Möglicherweise hatte sich für jene Kreise mit dem USA-Kriegseintritt, auch der Wert dieser Funkanlage zur Nutzlosigkeit verflüchtigt, da seit dem Kriegseintritt der USA sich offizielle Handelsbeziehungen mit Deutschland erübrigt haben dürften. Dies alles ist einzuräumen. 
Aber als Fakt bleibt trotzdem bestehen, dass der Versuch unternommen würde, in den Räumen einer Religionsgemeinschaft eine unkontrollierte Funkverbindungsanlage zu installieren. Ein DDR-Publizist prägte einmal, nicht zuletzt unter Hinweis auf die Zeugen Jehovas, den Satz: "Die CIA macht auch nicht vor der Kirchentüre halt." Dieser frühe Vorfall scheint diese These zumindest zu begünstigen! [22] 

Am 7. Mai 1918 wurden Rutherford und sieben weitere führende Funktionäre der Bibelforscherorganisation verhaftet. Sicherlich haben mehrere Aspekte dafür den Ausschlag gegeben. Bei der Verhaftung der Bibelforscherleitung wurde ein im Juni 1917 erlassenes USA-Spionagegesetz als Grundlage benutzt. Bezeichnend auch jener zeitgenössische Kommentar den die Bibelforscher dazu selbst abgaben: 
"Unsere Brüder waren so sehr beschäftigt mit der Fortsetzung des Werkes … dass sie nicht einmal Notiz nahmen von der Aufstellung des 'Spionagegesetzes'". [23]

Wenn man - wie man selbst zugibt - dieses Gesetz nicht beachtet hat, dann impliziert dies auch das indirekte Eingeständnis, möglicherweise dagegen verstoßen zu haben. 
Auf vier Anklagepunkte hin, wobei die Funkempfangsanlageaffäre einer war, wurden Rutherford und seine Mitangeklagten zu je zwanzig Jahren Zuchtaus verurteilt. Die weiteren Anklagepunkte bezogen sich insbesondere auf den Aspekt der Kriegsdienstverweigerung, wobei insbesondere auf den schon vorgenannten "siebten Band" in der Argumentation abgestellt wurde. [24] 

Um die Situation richtig einzuschätzen, muss man auch die kirchenpolitische Gesamtsituation dabei mit im Blick haben. Naumann definierte sie mal mit den Worten: "Während des Weltkrieges erfolgte … eine radikale Frontschwenkung des weitaus größten Teiles der amerikanischen Kirchen von einem sich christlich gebärdenden Pazifismus zu einem hysterischen aggressiven Militarismus. Im Namen der christlich heilig gesprochenen Demokratie wurde zum 'Heiligen Krieg' gegen die den Frieden und Fortschritt der Welt zerstörenden 'autokratischen Staaten' aufgerufen." [25] 
Es ist feststellbar, dass die Bibelforscherbewegung an dieser "Frontschwenkung" nicht mit beteiligt war. Vor dem Ersten Weltkrieg gab es in den USA keine allgemeine Wehrpflicht. Deren Einführung im Weltkrieg zwang nun auch die Kirchen "Farbe" zu bekennen. Für jene Kräfte, die sich zu patriotischen Kundgebungen bewegen ließen, war die Situation geklärt. Nicht jedoch für die Bibelforscherorganisation, die grundsätzlich mit weltlichem Patriotismus nichts anzufangen weiß. 

Inzwischen näherte sich der Erste Weltkrieg seinem Ende. Nachdem er dann tatsächlich zu Ende war, stellte sich auch für die US-Politik die Frage einer Neubewertung ihrer Ziele und Absichten. Im Rahmen dieser Neuorientierung stellt man fest, dass man nicht daran interessiert sein konnte, Deutschland "auf ewig" in die Steinzeit zurückgebombt zu wissen, sondern das man im Gegenteil daran interessiert war, amerikanisches Kapital renditeträchtig in Deutschland zu investieren. 

Politische Tageszeitungen, pflegen bei ihrer Meinungsbildung, alle Vorgänge in der Regel unter politischen Gesichtspunkten zu durchleuchten und zu bewerten. Die seinerzeitige Verhaftung und Verurteilung der Bibelforscherleitung war Pressethema gewesen. Jetzt wurde es einigen Journalisten klar, dass es in ihrer neuen Interessenlage wenig Sinn und Nutzen ergibt, ein unter Kriegsverhältnissen ausgesprochenes Urteil weiter aufrecht zu erhalten. Im Gegenteil, bei der Analyse der Komponenten der seinerzeitigen Verurteilung kam man zu der Erkenntnis, dass im Gegenteil die Bibelforscherführung sich für die neue Interessenlage der USA sogar gut instrumentalisieren lassen würde. 

Nicht so sehr der katholischen (Konkurrenz)Kirche näherstehende Journalisten haben diese neue Erkenntnis beflügelt. Aber in einer pluralen Gesellschaft wie es die USA sind, fanden sich noch genügend Beobachter der Szene die klar erkannten, was ihren Interessen am dienlichsten ist. Und so trat denn das beachtliche Faktum ein, dass es die säkulare Presse gewesen ist, die Alarm schlug und eine Aufhebung des Bibelforscherurteils in aller Öffentlichkeit verlangte. In einem zeitgenössischen Bericht der Bibelforscher wurde das mit den Worten beschrieben: 

"Einige Zeit nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes, begann eine Reihe von Zeitungen mit einer Agitation für Befreiung aller Gefangenen, die unter dem Spionagegesetz verurteilt worden waren. Zu den Zeitungen, welche besonders für die Befreiung unserer Brüder eintraten, gehört die 'National Larbour Tribüne' (Nationale Arbeiter-Tribüne) von Pittsburgh. Freiwillig und ohne Selbstinteresse machten die Herausgeber dieser Zeitung eine entschlossene Anstrengung, um die Aufmerksamkeit des Volkes auf die Einkerkerung unserer Brüder zu lenken, und die Beamten aufzufordern, sie aus dem Gefängnis zu befreien, entweder durch Amnestie oder durch Abweisung des Verfahrens oder gegen Bürgschaft, bis ihr Fall voll entschieden sein würde." [26] 

Weiter wird in dem gleichen Bericht darauf hingewiesen, dass es nicht bei dieser einzelnen Vorreiterposition der genannten Zeitung blieb, sondern das auch andere Presseorgane in diesem Chor mit einstimmten und sich die gleiche Forderung zu eigen machten. 

Wenn es darum geht, Justizurteile zu revidieren, dann erweist sich die Justiz (und das offensichtlich nicht "nur" in den USA) als schwerfällig. Es bedarf in der Regel schon eines erheblichen öffentlichen Druckes um hier etwas zu bewirken. Das sollte sich auch in diesem Falle zeigen. Aber als Endergebnis ist jedoch noch zu registrieren, dass am 21. 3. 1919 dann die Urteile "vorerst" nur gegen Stellung einer Kaution, außer Kraft gesetzt wurden. Die Bibelforscherleitung befand sich wieder auf freien Fuß. [27] 

Rutherfords Antikirchenpropaganda hatte auch innerorganisatorische Gründe. Cole räumt ein: 
"Interesse und Begeisterung waren im Abkühlen, als Rutherford das Steuer übernahm." [28] In der Tat, der Schock der nicht erfüllten 1914-Erwartungen begann seine Kreise zuziehen. Der Bibelforscherfunktionär Macmillan brachte dies in seinen Erinnerungen mit den Worten auf den Punkt: "Wenn nach dem 1. Weltkrieg ein Höhepunkt eingetreten wäre, wenn Harmagedon wirklich damals begonnen hätte, wären wir alle zufrieden gewesen und hätten gesagt: 'Dies ist das Ende.' Aber der Krieg war vorbei. Die Nationen hatten einen Waffenstillstand geschlossen und es sah so aus, als ob wir bald Frieden haben würden. Was sollten wir jetzt tun?" [29] 

Diese Frage wurde zugleich existenziell für diese Organisation, denn die Anzahl derjenigen die weiter zu ihr hielten, reduzierte sich auf circa 4.000.[30] Es war Rutherford klar, dass er einen neuen ideologischen Anreiz schaffen musste, sollte die Organisation nicht auf die Selbstauflösung zusteuern. 

Bereits am 24. Februar 1918 begann er daher mit einer neuen Vortragsserie unter dem Titel: "Die Welt ist am Ende - Millionen jetzt lebender werden nie sterben!" [31] Die Verhaftung der Bibelforscherleitung unterbrach diese Verkündigung. Aber nach ihrer Freilassung wurde sie in Form einer Broschüre "Millionen jetzt lebender werden nie sterben" erneut aktiviert. 1925 hieß jetzt das magische Datum. 

William Schnell, der nach dem Ersten Weltkrieg als 16-jähriger zu den Bibelforschern gestoßen war, berichtet als Zeitzeuge: "Während der folgenden Jahre legte die Wachtturmgesellschaft besonders in dem Flugblatt 'Der Fall Babylons' und der Broschüre 'Millionen jetzt lebender werden nie sterben' - einfach den Termin auf das Jahr 1925. In ihm würde das Königreich kommen - mit dem Wiedererscheinen der ehrwürdigen Gestalten und Herrscher des Alten Testamentes auf Erden inmitten der Bibelforscher. Diese Erwartung wurde in jener Zeit durch jede Veröffentlichung der Organisation aufs neue geschürt. Sie beeindruckte uns so stark, dass vielen von uns vollkommen der Kopf verdreht wurde." [32] 

Immerhin hatte diese Verkündigung den Erfolg, dass die dezimierte Organisation zahlenmäßig wieder Fuß fasste. 1922 konnte man schon wieder auf circa 32.000 Mitgliedern verweisen, 1923 dann 46.000 und 1924 circa 65.000. Im Jahre 1925 erreichte man dann eine neue Höchstzahl von 90.434. Das war dann aber vorerst das "Ende der Fahnenstange". 

1926 musste anstatt der bisher beachtlichen Zuwachsraten ein Rückgang um 1.156 auf 89.278 registrieren. Vielleicht hat es in jenem Jahre auch noch Zuwächse gegeben, aber offensichtlich wurden sie durch die Zahl derjenigen, die sich von der Wachtturmgesellschaft wieder lösten reduziert. Schnell meinte als Zeitzeuge zu dem summarischen Urteil gelangen zu dürfen: "Im laufe des Jahrzehnts von 1921 bis 1931 sagten sich fast drei Viertel der ursprünglich lose angeschlossenen Bibelforscher von der Wachtturmgesellschaft los." [33] 

Im pluralistischen Spektrum der USA waren die Bibelforscher zu jener Zeit eine Gruppe die unter "ferner liefen" eingeordnet wurde. Werdermann etwa formulierte 1926: "Auffällig war mir, dass ich andere Sekten, die in Europa so viel Wesens von sich machen, überhaupt nicht antraf, wie z. B. die sog. Ernsten Bibelforscher, hier als 'Russelliten' geführt. Ich habe nie etwas von ihrer Tätigkeit gespürt; nur einmal fand ich in einem früheren Katalog eine Gegenschrift gegen sie unter einem sehr geschickten Titel angeführt. Gegenüber ihrer Behauptung: 'Millionen lebender werden nicht sterben', trug diese Schrift den Titel: 'Millionen lebender sind bereits tot.'" [34] 

Es ist offensichtlich, dass die Bibelforscher - zur damaligen Zeit - ihre größten Zuwächse in dem vom Krieg und der Inflation gebeutelten Deutschland fanden. Im Jahre 1918 gab es in Deutschland 3 868 Bibelforscher, deren Zahl bis 1928 auf 9.755 Aktive anstieg. [35] Im Bibelforscher-Jahrbuch 1930 wurde für das Dienstjahr 1929 berichtet, dass einige von der Organisation abgefallen seien und die Zahl der "Arbeiter" gegenüber 1928 geringer geworden sei. Daran anschließend wird vermerkt: "Die Zahl der in Deutschland organisierten Versammlungen beträgt 450 mit 9.000 Versammlungsarbeitern und 50 Missionsarbeitern." [36] 
Dennoch: Gemessen an der Gesamtbevölkerungsstärke, waren die Bibelforscher zur damaligen Zeit in Deutschland relativ stärker, als in den USA vertreten. 

Bei seiner 1925-Verkündigung agierte Rutherford - analog zu Russell - wieder mit großer Willkür. Er stellte einfach die Behauptung in den Raum, dass 1575 v. u. Z. angeblich Israel das "verheißene Land Kanaan" betreten habe und das nach "50 Jubeljahren zu 70 Jahren" eine neuzeitliches "großes Jubeljahr" stattfände. Reflexionen ob Historiker die Daten seiner Zwecktheorien "bestätigen" würden oder nicht, stellte er nicht an. 
Dies wäre auch vergebliche Liebesmüh gewesen. Für seine Anhängerschaft war ohnehin nur das Enddatum interessant. Die Erwartungen der Anhängerschaft kommen in etwa in jenem Artikel ihrer Zeitschrift "Das Goldene Zeitalter" zum Ausdruck in dem man lesen konnte: 

"Wir erwarten mit voller Gewissheit, dass die jetzige große Drangsal (Daniel 12; Math. 24; Luk. 21: 5-36) im Jahre 1925; etwa im Herbst, ihren furchtbaren Höhepunkt erreicht und als dann zum endgültigen Abschluss kommen wird, damit das Werk der Wiederherstellung aller Dinge (Apg. 3:19-20) unter der gerechten Regierung des Christus und seiner Getreuen (Off. 20: 4-6) beginnen kann. Wir erwarten mit absoluter Zuverlässigkeit die nach der Drangsal beginnende Auferstehung der gesamten Menschheit, die allmählich innerhalb eines Zeitraumes von 1000 Jahren aus dem Todesschlaf zurückkommen werden mit einem neuen gesunden Körper, und zwar so, dass die zuletzt Gestorbenen zuerst und die vor Jahrtausenden Gestorbenen, wie Adam z. B., zuletzt auferstehen werden, um durch die Gnade Gottes ewiges Leben unter vollkommenen Verhältnissen auf einer neu gestalteten Erde empfangen zu können. 

Ferner dürfen wir verkündigen, dass vielen Menschen, die jetzt leben, die Möglichkeit werden kann, überhaupt nicht erst sterben zu brauchen, weil die Schrift sagt, dass es solche geben wird, die in dieser Drangsalszeit am Leben bleiben werden. Zwar werden sie durch großes Leiden in der Drangsal heimgesucht, aber dennoch lebend in das goldene Zeitalter nach 1925 hinüberkommen, um dann mit den Auferstandenen der Menschheit an der Segnung ewigen Lebens auf Erden teilzuhaben. (Matth. 24:22)." 
[37] 

Trotz der reichlichen Spickung mit Bibelstellen, blieben - wie nicht anders zu erwarten - die Hoffnungen dieser religiösen Einfaltspinsel unerfüllt. Es ist auch sehr die Frage, ob der Urheber dieser Verkündigung je auch nur eine Sekunde, selbst an seine Zweckthesen geglaubt hat. So ließ er denn auch im "Wachtturm" schon vor dem dubiosen Jahre verkünden: 

"Es macht nichts aus, ob dies Werk um 1925 vollendet ist oder etwas später. Die einzige Frage für die rechte Erwägung des Christen ist, diese Botschaft in der ganzen Welt zu einem Zeugnis zu geben, ehe das Ende kommt," [38] womit des Pudels Kern beschrieben ist. Es ging und geht lediglich darum, die diese Thesen verkündende Organisation, als Organisation am leben zu erhalten. 

Als das fieberhaft erwartete Jahr 1925 dann endlich da war, wurden die Einfaltspinsel von dieser Organisation mit den Worten gerügt: 
"Es scheint eine Schwäche vieler Bibelforscher zu sein, dass, wenn sie einen zukünftigen Zeitpunkt in der Bibel entdeckten, sie sofort soviele Prophezeiungen wie möglich auf dieses Datum konzentrierten. Das ist die Ursache vieler Sichtungen in der Vergangenheit gewesen. … Die Schwierigkeit war die, dass die Geschwister ihrer Einbildungskraft über jede vernünftige Grenze hinaus freien Spielraum gaben und das, wenn ihr phantastisches Gebilde zerplatzte, sie geneigt waren, alles und jedes fortzuwerfen." [39] 

Aber es war offensichtlich, das jene Erwartungen einen soziologischen Hintergrund hatten. Wer mit seinen individuellen Lebensumständen in allen Facetten "restlos zufrieden" ist, der wird sich kaum an solche Strohhalme klammern. Für wen das aber nicht zutreffend ist, für den stellt sich die Sachlage durchaus anders dar. Man wird Rutherford bestätigen können, dass er durchaus den Nerv seiner Anhängerschaft getroffen hat, wenn er ein Jahr später verkündete: "Mit dem Worte 'bald' meinen wir natürlich nicht nächstes Jahr, aber wir hoffen zuversichtlich, dass kein weiteres Jahrhundert dahin gehen wird." [40] 

Nein, das hofften auch jene nicht, die sich beispielsweise in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland in politischen Revolutionen engagierten. Sie versuchten ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Die Bibelforscher / Zeugen Jehovas hingegen, lassen ihr Schicksal ostentativ fremdbestimmt sein. 

Im Falle der Bibelforscher wiederholte sich die alte Erfahrung der Kirchengeschichte: Statt des erwarteten "göttlichen Eingreifens", kam nur eine neue Organisation oder Institution. Mag sie sich nun "Kirche" oder "Gemeinschaft" oder "Neue Welt Gesellschaft der Zeugen Jehovas" oder "Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland" oder wie auch immer nennen! [41] 

Adventistische Gegenargumentation
Die 1925-Verkündigung wäre nicht ausreichend dargestellt, wenn man nicht noch auf eine spezielle Gegenschrift dazu, zu sprechen kommen würde ...

Das Jahr 1925 stellt insofern auch eine Zäsur dar, dass ab jenem Zeitpunkt das eintrat, was man landläufig mit dem Spruch bezeichnet: "Schluss mit lustig!" Wer nach jenem Jahre noch zu den Bibelforschern hielt, der sah sich einem rasch zunehmendem Leistungsdruck ausgesetzt, als faktischer Bücherverkäufer zu wirken. Seit 1920 hatte der Verlag begonnen, die Literatur selbst zu drucken. Zuerst nur die Zeitschriften, ab 1922 aber dann auch die Bücher. Dem Personal in den Druckereien wurde neben Kost und Logis nur ein äußerst gering bemessenes Taschengeld zugebilligt, dessen "Höhe" jede Gewerkschaft in Verzweiflungs-Ohnmachtsanfälle stürzen würde. Pech nur für die Gewerkschaften, das keiner von dem Druckpersonal ihnen angehört. 

Schnell, der diese Anfangsphase mitgemacht hat, vermerkt: "Wir lernten (in Magdeburg) die Wichtigkeit einer Unkostenkalkulation. Das Schlußergebnis war, dass wir ein für eine Mark verkauftes Buch für nur 12 Pfennig Unkosten herstellten. Das war ein noch besseres Verhältnis als das von Brooklyn, wo ein 35-Cents-Buch 4 Cents kostete." [52] 
Begünstigend kommt noch hinzu, dass der Vertrieb über die ehrenamtlich agierende Anhängerschaft erfolgt, sodass auch keinerlei Vertriebskosten anfallen. Die erreichte Zielstellung dabei war, die in Millionenauflagen gedruckte Literatur, zugleich in weiten Bevölkerungsschichten mit abzusetzen, wobei der geringe Abgabepreis wirkte, der aber wie Schnell ausgeführt hat, dennoch satte Gewinne abwarf. 

Da man den Druckereibeschäftigten kein normales Gehalt zahlt, da der Vertrieb gleichfalls auf nichtkommerzieller Basis organisiert ist, konnte man es durchsetzen, für diese Literatur auch keinerlei staatliche Steuern abführen zu müssen, was auch noch vorteilhaft fürs Geschäft war und ist. Der einzige Schwachpunkt in dieser Kette war, dass nicht jeder Bibelforscher sich dazu "berufen" fühlte, in seiner Freizeit nunmehr als permanenter Buchverkäufer zu wirken. 

Rutherfords Anstrengungen nach 1925 waren daher vorrangig darauf abgestimmt, die Anhängerschaft zu Buchverkäufern [53] zu trimmen. Noch aus der Russell-Ära bestand die Situation, dass die örtlichen Bibelforscherversammlungen von gleichfalls ehrenamtlich wirkenden sogenannten "Ältesten" geleitet wurden. Die hatten sich zwischenzeitlich zu durchaus eigenständigen Persönlichkeiten entwickelt. Sie waren in der Regel schon zu Russells Zeiten mit dieser Organisation verbunden und hatten in vielen Fällen kein sonderliches Interesse daran, ihren neuen Lebensinhalt im Bücherverkaufen zu sehen. 

Rutherford setzte daher in seiner Strategie auf die Jugend. Neu eingeführt von ihm wurde dazu das Amt eines "Erntewerksvorsteher", dessen vorrangige Aufgabe der Literaturabsatz war. Innerhalb weniger Jahre wurden diesen immer mehr Kompetenzen übertragen und die traditionellen "Ältesten" zunehmend kaltgestellt. 

Als Zeitzeuge vermerkt Schnell dazu: "Jetzt rückte der Erntewerksleiter, der die Gesellschaft vertrat, an den ersten Platz. Das war schon deshalb nötig, weil die Flut der von der Gesellschaft erteilten Instruktionen immer mehr anwuchs. Die Ältesten, die sich nur noch mit geistlichen Dingen zu befassen hatten, verloren nach und nach sogar dieses Betätigungsfeld, da jetzt die Gesellschaft - durch ihr Organ die Wachtturm-Zeitschrift - zum Lehrer der Klassen wurde, bis man schließlich mit einem Federstrich die Einrichtung der Ältesten beseitigte." [54] 

Immerhin ist auch noch festzuhalten, dass von Rutherford kein Widerruf seiner 1925-Verkündigung erfolgte. Die Jahreszahl als solche betonte er zwar nicht mehr, aber die Erwartungen als solche - nunmehr ohne Jahreszahl - lies er weiter im Raum stehen. Er tat noch ein zusätzliches, um seine Anhängerschaft in dem Glauben zu wiegen; es bleibt alles wie gehabt. 
Im Jahre 1930 wurde im klimatisch günstig gelegenen Kalifornien eine Villa errichtet die "Beth Sarim" (Haus der Fürsten) betitelt wurde. Es wurde vorgegeben, dass sie zu dem Zweck errichtet wurde, um den "altestamentlichen Überwindern", deren "Auferstehung" man erwarte, eine würdige Heimstatt anbieten zu können. Faktischer Nutzer dieser Villa war Rutherford selbst. So existieren Fotos, die ihn beispielsweise mit einem Auto in Positur vor dieser Villa zeigen - Fürst Rutherford! [55] 

Erst 1948, nachdem die "alttestamentlichen Fürsten" es offenbar vorzogen nun doch nicht zu "erscheinen", wurde diese Villa sang- und klanglos verkauft. "Fürst Rutherford" weilte zwischenzeitlich auch nicht mehr unter den Lebenden und seine Nachfolger wollten auch nicht mehr gerne an jene Episode erinnert werden. 

Nicht all und jedem war jener Kurs der Rutherford-Administration genehm. So ist den besonders in den Jahren zwischen 1926-1931 feststellbar, das etliche, die seit den Anfangstagen mit den Bibelforschern verbunden waren, es vorzogen, sich von Rutherford zu trennen. In der Regel verstanden sich diese Kreise aber weiter als Bibelforscher. So entstand denn ein heilloses Durcheinander von Gruppen, wo Außenstehende nicht immer auf den ersten Blick erkennen konnten, wert hält zur Rutherford-Administration und wer hat sich separiert. 
Daher beschloss Rutherford im Jahre 1931 einen Schnitt vorzunehmen, indem er nun von sich aus den Namen Bibelforscher aufgab und seine Anhängerschaft in "Zeugen Jehovas" umbenannte. 

Das Radio
Der klassische Literaturvertrieb über Bücher und Zeitschriften, gehörte zu den traditionellen Kommunikationsmöglichkeiten. In den zwanziger Jahren eröffnete sich jedoch eine neue Kommunikationsmöglichkeit, und zwar das Radio. Es ist offensichtlich, dass die Begierde von Rutherford auch dahin ging, auch hier einen "Fuß in die Türe" zu bekommen. 

Sowjetische Autoren warfen mal den Zeugen Jehovas vor (ob zu Recht oder nicht sei jetzt mal dahingestellt), dass amerikanische Multimillionäre, wie beispielsweise Rockefeller, gerade im Hinblick auf die von den Bibelforschern auch betriebene Radioverkündigung, namhafte Spenden gewährten. Man mag dieser These skeptisch gegenüberstehen. Fakt ist aber, dass, wer in den USA Zugang zum Radio haben wollte, nicht zuletzt staatliche Geldbeträge locker machen musste. 

Verdächtig ist auch die extreme Euphorie, mit der gerade Rutherford das Radio kommentierte. So etwa bei seinem 1927 veröffentlichten Vortrag "Freiheit für die Völker". Ihn lies er mit den Worten einleiten: "Dieser Vortrag Richter Rutherfords wurde in Toronto (Kanada) gehalten und durch mehr als 50 Radiostationen über ganz Kanada, Amerika, Australien usw. verbreitet." [56] 
Weiter äußert er in der gleichen Verlautbarung: "Sicher aber ist, dass Gott das Radio bereitgehalten hat, weil er es in seinem, vor vielen Jahrhunderten durch seinen Propheten aufgezeichneten Worte vorausgesagt hat. … Daher musste auch im Verlauf der Entfaltung seines Planes die bestimmte Zeit kommen, dass Radio zu gebrauchen. Diese Zeit ist nun herbeigekommen, und Gott will es zum Segen der Menschheit benützen." [57] 

Beachtlich auch sein Kommentar aus dem Jahre 1929: "Das Radio ist Jehovas Erfindung. Der Mensch hat lediglich herausgefunden, wie es zu gebrauchen ist. Die Zeit wird noch kommen, da Jehova Gott es seinen treuen Vertretern ermöglichen wird, von Jerusalem aus klar und deutlich vernehmbar zu allen Völkern der Erde zu reden. … Daher ist es nur passend und zeitgemäß, dass Jehova Gott den größten jemals auf der Erde über ein Netz vereinigter Radiostationen gehörten Rundspruch zum Ruhme seines Namens gebrauchen ließ. Das geschah in Detroit, Michigan, am Sonntag den 5. August 1928." 

In der gleichen Verlautbarung äußert er noch: "Radionetz von 100 Stationen stellt neuen Rekord auf. … 'Ich habe ein Telegramm von einer der New Yorker Tageszeitungen erhalten', erwähnte Richter Rutherford im Laufe seines Vortrages, worin gefragt wird, wieviel dieser Vortrag koste und wer ihn bezahle. 'Meine Antwort ist, dass er 50 000 Dollars kostet und von einer Anzahl Christen in den Vereinigten Staaten bezahlt wird, die froh sind, es tun zu können.'" [58] 

Rutherford vergaß dabei lediglich noch hinzuzufügen, dass der Multimillionär Rockefeller beispielsweise, auch beliebte als "Christ" zu firmieren. Oder dass es auch etliche finanzkräftige amerikanische Freimaurer gab, die Doppelmitgliedschaften praktizierten. Das heißt, neben der Freimaurerei auch noch einer Kirche angehörten. In diesem Kontext, wird man diese "Christen" schon etwas näher lokalisieren können! 

Allerdings gilt es auch zu registrieren, dass Rutherford's Blütenträume bezüglich des Radios, alsbald gestutzt wurden. In Ländern wie Deutschland, gelang es ihm erst gar nicht, per Radio publizistisch wirksam zu werden zu. Aber auch in den USA, machte sich namentlich die katholische Kirche stark, um Rutherford aus dem Radio zu vertreiben. Sie setzte alle ihre Lobby-Verbindungen in Aktion und hatte, langfristig gesehen, auch damit Erfolg. 

Nun musste Rutherford registrieren, dass jenes von ihm "als von Gott bereit gehaltene Radio", ihm zusehends entzogen wurde. Wieder einmal stand er vor einem "Gesichtsverlust". Hatte er seine 1925-Verkündigung mit seinem "Haus der Fürsten" ("Beth Sarim") kaschiert, so wurde auch in diesem Falle Ersatz geschaffen. 

Das Grammophon erschien ihm als der gerufene Notanker. Konnte er sich dem Volke auch nicht mehr per Radio präsentieren, so sollte es doch nicht auf dem anhören seiner Stimme verzichten müssen. Und so lies er denn in den 30-er Jahren eine Reihe von Schallplattenaufnahmen veranstalten. 
Nicht nur das. Er motivierte seine Bibelforscher, dass etliche sich, mit tragbaren Grammophonapparaten ausstatteten. Teilweise in eigenen Werkstätten sogar produziert. 

Und so bekam, speziell die amerikanische Öffentlichkeit das makabre Schauspiel serviert, dass beispielsweise an Sonntagen, die Bibelforscher wie "Heuschreckenschwärme" an den Türen der Amerikaner auftauchten, um dort die Rutherford'schen Platten abzuspielen! Ein groteskes Schauspiel! 

Mag der eine oder andere im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten", dass anfänglich noch als skurril empfunden haben, so wurde es für viele zusehends lästig. Man war ja schon einiges von den Bibelforschern gewohnt, aber das überstieg dann doch bei etlichen die Toleranzgrenze. Und so sah man ihnen etwas näher auf die "hurtigen Finger". 

Man registrierte. Die Bibelforscher besitzen in der Regel keine Gewerbeerlaubnis für den Kolportageverkauf von Büchern an der Haustür. Einige Aktivisten unter den Gegnern der Bibelforscher ließen es nicht nur bei dieser Erkenntnis bewenden, sondern benutzten das als Anlass für gerichtliche Maßnahmen. So hatten sich denn in den dreißiger Jahren, nicht nur in Deutschland, sondern eben auch in den USA, Gerichte mit den Bibelforschern zu befassen. 

Dort im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" wurde das zu einem einträglichen Geschäft für den Berufsstand der Rechtsanwälte. Die Zeugen Jehovas stellten sich auf den Standpunkt, dass ihr Literaturverkauf an den Haustüren "nicht kommerziell" sei, sondern lediglich spezifischer Ausdruck ihrer Art des Verständnisses von "Gottesdienst". Und Religionsfreiheit gehört bekanntlich zu den tragenden Säulen der amerikanischen Verfassung. 

Es gab etliches Hin und Her in diesem Rechtsstreit. Am Ende gelang es den Zeugen Jehovas doch, ihre Sicht der Sachlage durchzusetzen. [59] 
Ein zeitgenössischer Bericht referiert diesbezüglich: 1939 führten die Zeugen Jehovas einen 'Wachtturmfeldzug' … durch. Die Zeugen besuchten jedes Haus, klingelten oder klopften an jeder Tür und teilten den Wohnungsinhabern mit, dass sie eine wichtige Nachricht brächten. Wenn sie angehört wurden, dann spielten sie immer dieselbe Platte ab: 'Die Religion ist falsch und eine Falle, weil sie Leute betrügt. Das bedeutet nicht, dass alle Anhänger mit Absicht schlecht sind. 

Die Religion ist ein unsauberes Gewerbe, weil sie früher und jetzt dazu benützt wird, Geld aus den Leuten zu ziehen mit dem Versprechen, dass die Abgabe von Geld an
einen Priester von der Strafe nach dem Tod befreit und die ewige Rettung sicherstellt.' Diese Angriffslinie nahmen die Zeugen im allgemeinen gegen alle Bekenntnisse ein, aber besonders gegen den katholischen Glauben."
 [60] 

Schon 1937 hatte Rutherford seine Angriffe gegen die Konkurrenzkirchen erheblich verschärft. Schwer im Magen lag ihm die Entwicklung in Deutschland. Er registrierte auch aufmerksam, dass namentlich katholische Kreise (Fall Jonak) ihren Teil zur Verschärfung der Situation beitrugen. So schlug er entsprechend agitatorisch zurück. 

In seinem Buch "Feinde" (schon der Titel spricht für sich!) verkündete er denn auch alsbald: "Der größte jemals erfundene Racket (Gimpelfang) geschieht unter Ausnützung der Religion. … Aber das raffinierteste, betrügerischste und für die Menschheit schädlichste ist das System, dass allgemein unter der Flagge 'christlicher' Religion segelt." [61] 

Als Zeitzeuge berichtet Schnell dazu: "Bald zogen Jehovas Zeugen mit Plakaten vor der Brust durch die Straßen, auf denen groß zu lesen stand: 'Religion ist Gimpelfang und Erpressung.' Die Organisation behauptete, dass sie einen angemessenen Gegenwert für das Geld gebe, während die Religion für das gegebene Geld überhaupt nichts liefere. Der Judge ("Richter" Rutherford) fasste das in die Worte: 'Religion bietet nur leere Schalen.'" [62] 

Es war offensichtlich, dass eine solche Verkündigung, von vielen Amerikanern als provokativ empfunden wurde. Es wirkt in der Tat skurril zu sehen, wie die Zeugen Jehovas das Finanzgebaren anderer Konkurrenzkirchen attackierten. Jene Zeugen Jehovas, die einige Jahre später selbst Broschüren darüber veröffentlichten, in denen lang und breit ausgeführt wird, wie man beispielsweise durch Erbschaften und ähnliches ihre Organisation bereichern könne. Und wie man es anstelle, dass der weltliche Staat dabei am wenigsten davon profitiere. 

Die Argumentation der Zeugen Jehovas in Finanzangelegenheiten ist in der Tat durch und durch verlogen! Ihre Funktionäre erweisen sich in Bezug auf Raffertum nicht einen Zoll "besser". 
Aber diese Art provokativer Verkündigung muss auch in einen gewissen geistesgeschichtlichen Rahmen eingeordnet werden. Ihn hat Herbert Stroup in seiner 1945 erschienen Dissertation mit den Worten umschrieben: "Die Zeugen haben immer gefühlt, dass ein positives Zeichen für das kommende Ende die Auflegung des Banns auf ihre Bewegung durch alle Nationen sei. Die Vernichtung der Zeugen Jehovas in Deutschland mit Adolf Hitlers Machtübernahme hatte eine elektrisierende Wirkung auf die Moral der dortigen Anhänger. … Sie erwarteten mit eifriger Vorfreude ähnliche Aktionen in anderen Ländern. Als Australien und Kanada die Organisation verbot, hofften die Zeugen in diesen Ländern verstärkt, dass das Zeitalter schnell zu Ende ginge. Nun erwarten sie beinahe jubelnd die Unterdrückung die Unterdrückung ihrer Bewegung durch die Regierung der Vereinigten Staaten. Angesichts solcher Möglichkeit glauben die Zeugen, dass das Reich Gottes sehr nahe sei." [63] 

Um solche Positionen in der Anhängerschaft durchsetzen zu können, bedurfte es eines straffen Zentralismus. Individualität war nicht gefragt. Dazu wurde von Rutherford verstärkt ab 1938 das Schlagwort der "Theokratie" ausgegeben. Für die Anhängerschaft hörte sich eine solche Vokabel "schon religiös" an - faktisch war sie die Bemäntelung der offenen Diktatur. 

Mensching definierte mal den Begriff der Theokratie wie folgt: "Verselbstständigung des Priestertums, die zugleich die Bedingung der Möglichkeit des Konfliktes zwischen Religion bzw. Religionsbeamten und dem Staat und seinen Vertretern ist. In der Theokratie siegte das Priestertum über das weltliche Königtum. … Das Urbild einer theokratischen Volksverfassung lag in Israel vor. Schon Mose, der nach der ältesten Tradition ein Levit war, übte eine Theokratie über sein Volk aus, denn es gehört zum Wesen der Theokratie, nicht nur, dass Priester herrschen, sondern dass sie diese Herrschaft als Gottesherrschaft (= Theokratie) ausüben."[64] 

Fahnengruß
Ein weiterer Knackpunkt war der Fahnengruß, der 1936 auch in den USA-Schulen eingeführt wurde. Er wurde von den Kindern der Zeugen Jehovas vielfach verweigert. Man ging einen Schritt weiter und verwies in einigen Fällen verweigernde Kinder von den Schulen. Der Berufsstand der Rechtsanwälte wurde wieder reichlich mit Arbeit versorgt. Liberale Richter (es gab auch andere) kamen dabei zu der Einschätzung: 

"Patriotismus und Religion sind nun mehr oder weniger aus demselben Stoff gebildet und werden auf dieselbe Weise gelebt. Es muss Unruhe entstehen, wenn das eine auf das Gebiet des anderen übergreift." [65] 
Zusammengefasst wurde in einer US-amerikanischen Studie festgestellt: "Aus allem geht hervor, dass die Zeugen gut organisiert … und darauf aus sind, Märtyrer zu machen. Vielleicht kann das Märtyrertum schon an sich als Religion betrachtet werden." [66] Auch die Fahnengrussproblematik ist in diesem Kontext einzuordnen 

Das Oberste Bundesgericht der Vereinigten Staaten entschied im Juni 1940 gegen die Zeugen Jehovas. Letztere ließen sich dadurch nicht beeindrucken und hielten an ihrer Linie fest. Die Tragödie der von den Schulen verwiesenen Kinder setzte sich fort. 
Dies war ein Vorgang der auch die Öffentlichkeit in hohem Maße polarisierte. Viele fühlten sich berufen, Pro oder Contra ihre Meinung dazu zum Ausdruck zu bringen. Dies nahm für die Zeugen Jehovas gefährliche Formen an. 

In ihrer Selbstdarstellung äußern sie dazu: "Seit der Verfolgung der Mormonen, die nun Jahre zurückliegt, ist es nie mehr vorgekommen, dass eine religiöse Minderheit so heftig und allgemein angegriffen wurde wie die Mitglieder der Zeugen Jehovas, besonders im Frühjahr und Sommer 1940. Die Feindseligkeit … erreichten in diesen Angriffen ihren Höhepunkt. Die Akten, die dem Justizdepartment von den Anwälten der Zeugen Jehovas und der American Civil Liberties Union zur Verfügung gestellt worden sind, behandeln über 335 Fälle von Pöbelgewalttaten, die im Jahre 1940 in 44 Staaten begangen wurden und von denen 1488 Männer, Frauen und Kinder betroffen wurden." [67] 

Selbst in den Akten des federführend mit der Verfolgung der Zeugen Jehovas in Deutschland befassten (S(icherheits) D(ienst) des Reichsführers SS fand die Fahnengrussproblematik in den USA in der Form einer Aktennotiz ihren Niederschlag. Unter dem Datum vom 24. 4. 1939 ist folgende Notiz überliefert: 
"Das amerikanische Bundesgericht gegen die Bibelforscher. 
Der Bundesgerichtshof in Boston hat entschieden, dass der Gruß an die amerikanische Flagge in keiner Weise in die religiösen Überzeugungen eines Menschen eingreift. Dieser Entscheid richtet sich, wie Kipa vom 27. 1. meldet, gegen das Verhalten der Zeugen Jehovas, denen es verboten sein soll, die Flagge irgendeiner Nation zu grüßen. Der schließlich vor das Bundesgericht gezogene Rechtsstreit hatte seinen Ursprung im Beschluss einer Schulbehörde, die die Kinder eines Bibelforschers von der Schule verwiesen hatte, weil der Vater seinen Kindern das Grüßen der Flagge verboten hatte."
 [68] 

Wenn schon in den USA das Verhältnis der Zeugen Jehovas zu patriotischen Symbolen Anlass für Auseinandersetzungen war; dann ist es evident, dass dies auch in Hitlerdeutschland der Fall sein würde. So hatten sich denn auch die Nazigerichte mit analogen Fällen zu befassen, die dann in der Regel Sorgerechtsentzüge für die Betroffenen aussprachen, nebst ärgerem. 

Symptomatisch dafür ist ein von der Nazijustiz als Paradebeispiel angeführter Fall zu dem gesagt wurde: "Ein elfjähriges Mädchen fällt in der Schule dadurch auf, das es fortgesetzt den Deutschen Gruß verweigert. Es begründet alles mit seiner religiösen Überzeugung. … Bei Fragen, die den Führer betreffen zeigt es sich in der Schule völlig uninteressiert … Sie besitzen keine Hakenkreuzfahne. Sie haben ihr Kind nicht zur HJ angemeldet… dennoch bestreiten sie, Gegner der Bewegung zu sein." [69] 
Kurz vor seinem Tode setzte sich Rutherford noch einen zweifelhaften "Gedenkstein" in der Form seines Buches "Kinder." Darin wurde der Anhängerschaft allen Ernstes angeraten, mit einer beabsichtigten Eheschließung, doch möglichst bis "nach Harmagedon" zu warten. 
Zur Begründung wurde ausgeführt: "Von der Zeit an, da die 'andern Schafe' zum Herrn hin versammelt werden bis Harmagedon verfließen nur einige wenige Jahre."[70] 
Gewürzt wurde das noch doch den fiktiven, reichlich schmalzig formulierten Bericht eines potentiellen Ehepaares, dass ob dieser neuen "Wahrheitserleuchtung" erklärte: "Es ist unsere Hoffnung, dass in wenigen Jahren unserer Ehebund vollzogen werden kann. … Jetzt dürfen wir unserer Bürde nichts hinzufügen, sondern müssen frei für den Dienst des Herrn gewappnet sein. … Unsere gegenwärtige Pflicht ist klar: Wir müssen jetzt Zeugen für den Namen Jehovas und sein Königreich sein." [71] 

Die Rutherfordadministration mit ihren latent kultivierten Endzeiterwartungen war zu Ende. Diesbezüglich wusste sein Nachfolger Knorr, nur die die Anhängerschaft verhöhnenden Worte zu verkünden: "Dauert es jemand zu lange, dann sei daran erinnert, dass Zeit niemals zu lang wird, wenn man alle Hände voll zu tun hat. … Die Errichtung der Theokratie ist etwas so Wunderbares, dass man ein ganzes Leben darauf warten kann." [72] 
Ein ganzes Leben darauf warten? Sicherlich, auch die Christen in anderen Kirchen "warten" ein ganzes Leben darauf, dass Gott dereinst als der "große Weltenlenker" wieder in Erscheinung treten möge. Jedenfalls ist die Eschatologie als "Randthema" auch in ihrer Theologie noch vorhanden und nicht grundsätzlich aussortiert. Aber eben doch vielfach - nur Randthema. Sicherlich - auch die anderen Kirchen stellen ihre Anforderungen. Und sei es nur - dass die regelmäßigen Kirchenbesucher permanent den "Klingelbeutel" unter die Nase gehalten bekommen. Heute wird für dies - morgen für jenes gesammelt. Hinter vorgehaltener Hand stöhnt auch dort mancher darüber. 

Allerdings empfinden etliche Zeugen Jehovas, die Anforderungen, die faktisch von ihrer "Kirchenleitung" an den Einzelnen gerichtet werden, als extrem krasser. Nicht unbedingt in erster Linie in finanzieller Hinsicht - aber auch das. Sondern in dem permanenten Gehetztsein, möglichst viel Klinkenputzertätigkeit auszuüben. Die Zeugenleitung übt diesbezüglich sehr wohl einen subtilen Druck aus. Offiziell ist alles "freiwillig". Faktisch ist es jedoch freiwilliger Zwang. Wer sich diesbezüglich ausklinkt sieht sich scheel angesehen. Den diesbezüglichen Gruppendruck empfinden viele als enorm. ...
Re: Rutherford
geschrieben von:  . + 
Datum: 08. Februar 2012 08:21
Danke für den hoch interessanten Artikel.

Ich erinnere mich das du mal in einem Nebensatz erwähnt hast das User nur kurz (anscheinend zu kurz um ihn zu lesen) eine Seite Aufrufen.
Ich habe die ganze Seite markiert, in ein Word Dokument kopiert und lese ihn dort Zeile für Zeile.
Insoweit kann man nicht nur aus der Aufrufdauer auf die Wirkung des Artikels rückschließen. 
Dies nur mal so nebenher angemerkt...
;-)
„Die Nation" über Rutherford
geschrieben von:  Drahbeck 
Datum: 13. Februar 2012 02:10
Im Zeitspiegel
„Die Nation" über Rutherford
Vor wenigen Tagen vor nunmehr 70 Jahren (am 8. 2. 1942), verstarb ein nicht unbekannter Herr namens Rutherford. Seine Nachfolge war in Rekordverdächtiger Zeit geregelt. Ein "Vakuum" wie etwa anlässlich des Todes von Russell gab es nicht.
Die in der Schweiz erscheinende Tageszeitung "Die Nation" kam schon am 12. 2. 1942 auf jenes Geschehnis kommentierend zu sprechen. Deren Ausführungen waren allerdings, nicht so recht nach dem Geschmack der WTG. Ergo wurde sie alsbald auch mit entsprechenden "Berichtigungen" "beehrt".
Auf diese Vorgänge wurde schon näher eingegangen in
19422Zaesur

Das was die WTG an den Ausführungen der "Die Nation" zum Thema zu bemängeln hat, wurde im genannten Link schon erwähnt.
In Kommentierung der "Trost"-Ausgabe vom 03.01 1942 wird auf den gesamten Vorgang nochmals zurückzukommen sein.
Hier und heute im Vorgriff darauf, sei nur der Weg beschritten, die seinerzeitigen Ausführungen der "Die Nation" kommentarlos vorzustellen:

Köpfe der Zeit
Prophet J. F. Rutherford
Der Vater der Ernsten Bibelforscher
Aus den Vereinigten Staaten kommt die Nachricht, dass am 11. Januar dieses Jahres

[Redaktionelle Einfügung: Richtig wäre die Datumsangabe 8. Januar]

Richter J. F. Rutherford in San Diego (Kalifornien) gestorben sei. 
Dieser "Richter" war seit 1916 das Oberhaupt, der an die 2 Millionen zählenden und auf dem ganzen Erdenrund verbreiteten christlichen Sekte "Die Zeugen Jehovas."

Die "Zeugen Jehovas" zählen auch einige Gemeinden in unserem Lande und sind unter dem Namen, die "Ernsten Bibelforscher", den sie bis 1931 führten, besser bekannt.
Die Namensänderungen, die von dieser Sekte mehrmals vorgenommen wurde, hatten zum Zweck, mancherlei Spaltungen und falsche Prophezeiungen vergessen zu machen.
J. F. Rutherford war seinerzeit auch in der Schweiz ein bekannter Mann, und da über die Sekte, die er während 26 Jahren präsidierte alle Unarten sektiererischer religiöser Organisationen in sich vereinigt, lohnt es sich bei dieser Gelegenheit, die "Zeugen Jehovas" etwas näher zu betrachten.

Die "Internationale Vereinigung Ernster Bibelforscher" - so hiess die Sekte anfänglich - wurde 1881 von Ch. Taze Russell, einem geschäftstüchtigen Amerikaner gegründet. Von seinen Anhängern wurde er "Redakteur" und "Pastor" genannt und in phrasenhaften Übertreibungen gepriesen. Er war der "Freund aller Menschen", der "furchtloseste und einflußreichste Schriftsteller über religiöse Dinge", der "große Reformator des 20. Jahrhunderts", der grösste religiöse Lehre seit Apostel Paulus. usw. In seinem 17. Lebensjahr, da er schon "seit einigen Jahren ein geweihtes Kind Gottes" war, geriet er in Zweifel an der Wahrheit der Lehre der reformierten Kirche. Er trat aus dieser aus und durch eifriges Bibellesen, das er auf seine Art betrieb, kam er auf den "Plan Gottes mit der Menschheit", den er in der Bibel entdeckte und 1874 unter dem Titel "Der Zweck und die Art der Wiederkunft unseres Herrn" veröffentlicht hat. Russell hat im weitern eine Unmenge Bücher geschrieben, die dem gläubigen Volke Zutritt zu den "letzten Geheimnissen" erteilten.
Nach seiner kindlichen Behauptung hatte er "den langverlorenen Schlüssel zur Schrifterkenntnis wiedergefunden.

Als Russell starb, wurde J. F. Rutherford, der sich den Titel "Richter" zulegte, Präsident der Vereinigung. Von Rutherford stammt besonders das Glaubensbuch "Die Harfe Gottes", das Russells Gedanken wiedergibt, und der Traktat, mit dem eine beispiellose Reklame gemacht worden ist. "Millionen jetzt lebender Menschen werden niemals sterben." Richter Rutherford richtete seine Blicke nach Europa, das unter den Folgen des Weltkrieges daniederlag. Im Herbst 1920 kam er herüber und gab von Bern aus "Anordnungen und Ratschläge für das Werk in Europa, speziell Deutschland und die Schweiz betreffend."

Er richtete ein Mittel-Europäisches Büro in unserem Bundesstaat ein, und die Bearbeitung Europas mit den Heilsbotschaften der Bibelforscher setzte alsbald ein. Auf der ganzen Welt unterhalten die "Zeugen Jehovas" 40 Zweigbüros, deren Zentrale in Brooklyn (USA) ist.
Nach ihren eigenen Angaben wurden in einem einzigen Jahre 22.213.639 Druckschriften verteilt; ihre Zeitung, die "Frohe Botschaft"

[Redaktionelle Einfügung. Falsche Zeitschriftenbezeichnung. Eine solche mit diesem Titel gibt es bei der WTG nicht] 

wird in 57 verschiedenen Sprachen und in allen Ländern verbreitet. Wöchentlich werden die Vorträge des eben verstorbenen Richter Rutherford durch Schallplatten über mehr als 340 Radiosender verbreitet.

Die Frage, woher die Zeugen Jehovas zu einem solchen Wolkenkratzerbetrieb, zu einem solchen Reklamechristentum ihr Geld beziehen, will nie zur Ruhe kommen. Alljährlich schweben darüber Dutzende von Prozessen, die sie selbst anstrengen oder in die sie verwickelt werden.

Das Kernstück der Lehre der "Ernsten Bibelforscher" ist, wie oben angedeutet, der "Plan Gottes mit der Menschheit", den Pastor Russell entdeckt haben will. Die Bibel ist demzufolge, von der ersten bis zur letzten Seite, ein geordneter Weltplan. Diese Erkenntnis gehe freilich nur den Bibelforschern auf.
"Während die grosse Masse der Menschheit, in der Finsternis der Unwissenheit einhertappend, auf die tatsächliche Enthüllung des Planes Gottes warten muss. Dieser Plan schreibt der Welt ein 7000jähriges Bestehen zu. Adam sei im Jahre 4128 v. Chr. geschaffen. 6000 Jahre, d. h. bis zum Jahre 1874 dauerte die Herrschaft der Sünde. Dazu kommt eine 40jährige Erntezeit. 1914 war also der Anbruch des tausendjährigen Reiches von Jesu Christus fällig. 

Nach Pastor Russell gibt es folgende drei grossen Zeitabschnitte.
1. Die damalige Welt ("von der Schöpfung bis zur Sintflut, war unter der Herrschaft der Engel").
2. Diese gegenwärtige Welt ("von der Sintflut bis zur Aufrichtung des Reiches Gottes, ist unter der begrenzten Gewalt des Satans.")
3. Die zukünftige Welt ("Welt ohne Ende", werde durch das tausendjährige Regiment Christi eingeleitet.

Enthält schon dieses Zauberkunststück und diese Zeiteinteilung starke Zumutungen an die Gläubigen, so nicht weniger die Phantasien, in denen sich die Bibelforscher als die in Gottes Plan allein Eingeweihten ergehen. Aus ihrer Literatur erfahren wir, der Sitz der himmlischen Regierung sei im Sternbild der Plejaden, wo sich der "Mitternachtsstern" befinde, zu suchen, wo sich auch "Generalfeldmarschall" Jesu aufhalte, der die "Zentralgewalt der Organisation Gottes" ausübe. Zu dieser "Organisation Gottes" gehören vor allem 144.000 Kronträger. Längst waren alle Kronen vergeben, wenn nicht "etwa 20.000 bis 30.000" untreu geworden wären.
Für die "Zeugen Jehovas" ist es eine abgemachte Sache, dass Jesus die Kronträger unter den Anhängern von Richter Rutherford aussuchen wird.
Ist einmal die Zahl 144.000 erfüllt, bricht das tausendjährige Reich an, über das Rutherford genau Aufschluss erteilte.
"Was für eine wunderbare Versammlung wird das sein, 144.000 glorreiche Wesen, vereint mit ihrem glorreichen Haupt Jesus Christus!"
Dann wird die "wünschenswerte Regierung" in Tätigkeit treten.

"Abraham, Isaak, Jakob und die andern alttestamentlichen Ueberwinder werden vom Berge Zion aus mit vollkommenen Radio-Funkstationen die Angelegenheiten der ganzen Erde leiten."

Dann wird diese Erde in ein Paradies von fabelhafter Schönheit verwandelt. Inmitten einer unermesslichen Blüte und Fruchtbarkeit leben lauter gesunde, glückliche Menschen. Alleen und Verkehrsstrassen für "Meter Lastwagen" und "Luxusautomobile" ziehen sich von Meer zu Meer. Die Alten werden jung. Millionen sterben nicht mehr. Die "Leichenbegräbnisse hören auf, die Leichenbestatter werden sich nach einem mehr aufheiterndem Geschäft umsehen, und die düstern Leichenwagen werden statt schwarzen Trauerfahrzeugen hell angestrichene Vergnügungskutschen werden müssen."
So wird nach den Prophezeiungen von Richter Rutherford das tausendjährige Reich aussehen.
Vor der Verwirklichung dieser paradiesischen Zustände auf Erden soll nach den Bibelforschern die Schlacht von Harmagedon und die vollständige Niederwerfung Satans erfolgen.
"Millionen Menschen werden in dieser Schlacht umkommen. 
Während Russell das Blutbad durch "einen wütenden Pöbelhaufen" durch "Sozialdemokraten, Nihilisten und Anarchisten" sich vollziehen sieht, denkt Rutherford an einen Vollzug des göttlichen Gerichtes ohne "die Körperkraft des Menschen." 

Der göttliche Vollstrecker des Gerichts bedient sich dabei auch der "treuen Zeugen auf Erden" ("Zeugen Jehovas"), die das "schon geschärfte Schwert der Wahrheit" führen.
Dies ist ein kleiner Überblick der Lehren, wie sie von Russell und Rutherford gepredigt wurden, wie sie von den "Zeugen Jehovas" kolportiert werden.

Doch kommen wir zum Abschluss unserer Betrachtungen nochmals auf die Prophezeiung von Russell zurück, wonach das tausendjährige Reich 1914 hätte beginnen sollen. Als im besagten Jahre Christus nicht aus den Wolken herniederkam, überprüfte Rutherford die Rechnung seiner Vorfahren, fand heraus, dass sie falsch war und nahm sofort die notwendige Korrektur vor. Mit gleichen phantastischen Rechenkünsten errechnete er "mit mathematischer Genauigkeit" das Jahr 1925.

Als entgegen seinen Behauptungen, "wir können vertrauensvoll erwarten, dass mit 1925 die Rückkehr Abrahams, Isaaks, Jakobs und der glaubenstreuen Propheten des alten Bundes eintreten wird", die Erzväter beharrlich ausblieben, half sich der Prophet Rutherford mit dem harmlosen Wörtlein "bald" über die Blamage hinweg und erklärte tröstend, dass er hoffe, "dass kein weiteres Jahrhundert dahingehen wird."

Das wichtigste am ganzen Prophezeiungsschwindel ist aber folgendes: Um die Quartierfrage der aus dem Himmel niedersteigenden Regierung Jesu zu lösen, veranstalteten die "Zeugen Jehovas" in der ganzen Welt riesige Geldsammlungen, mit denen sie ein Regierungsgebäude "Haus der Fürsten", in San Diego erbauten.

[Redaktionelle Einfügung: in dieser "Vollmundigkeit" wurde vorgenannte These dann auch prompt von der WTG angefochten]. 

Da die himmlischen Regenten ausblieben und folglich der Palast leer blieb, zog bis zur "Erfüllung der Zeit" Richter J. F. Rutherford mit seinen Freunden in den Palast, in dem er zu Beginn dieses Monats gestorben ist. Wir können gewiß sein, daß Prophet Rutherford im "Haus der Fürsten" einen fürstlichen Lebensabend genießen konnte.

Am Beispiel dieser einen großen Sekte der Gegenwart ist zu ersehen, welche Schindluderei gerissene Sektenprediger mit dem Christentum zu ihrem eigenen persönlichen Vorteil und zum Unheil Hunderttausender von Menschen treiben, denen sie durch ihre Irrlehren die Köpfe verdrehen und das Geld aus der Tasche locken. Die Sekten haben in unserer Zeit wie noch nie zuvor eine Ausbreitung erfahren, und haben auch in unserm Land eine nicht zu unterschätzende Anhängerschaft, vornehmlich unter den ärmeren Bevölkerungsschichten. Gesellschaftliche Katastrophen, wie wir sie gegenwärtig und in der Vergangenheit durchleben mussten, lassen die Zahl der Weltflüchtigen beängstigend noch steigen.
Not und Verzweiflung treiben den falschen Propheten und Sektenheiligen die Schäfchen in die Arme, wo sie auf ein besseres Jenseits vertröstet werden, um desto schonungsloser im Diesseits geschoren werden zu können."
Ch.B.

Nachtrag:
An dem vorzitierten Artikel entzündeten sich Kontroversen, über die im Rahmen der Serie „Zeitgeschichte vor siebzig Jahren" noch näher einzugehen sein wird (voraussichtlich am 25. März).
Was Rutherford's Beth-Sarim-Coup anbelangt, so kann man als zeitgenössisches WTG-Dokument dazu, auch die Ausgabe des
Goldenen Zeitalter 15. 9. 1930 (Schweizer Ausgabe) vergleichen.
Hinweis:
Ursprünglich enthalten in der „Golden Age" Ausgabe vom 19. 3. 1930.
http://www.archive.org/details/March191930GoldenAgeBethSarimDeed
Die deutsche Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" (Magdeburg) hingegen übernahm jenen Artikel nicht (aus welchen Gründen auch immer).

Rutherford's Tod im Spiegel der Presse
geschrieben von:  Drahbeck 
Datum: 25. März 2012 23:22
Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
Rutherford's Tod im Spiegel der Presse
Siehe auch:
http://27093.foren.mysnip.de/read.php?27094,121948,121950#msg-121950
08. Januar 2012 00:38

Mister Rutherford in seinen jüngeren Tagen (1889)


Und Mister Rutherford in seinen späteren Tagen


Ein „Kostverächter" war er dann wohl nicht, wie seine posieren für diese Aufnahme auch verdeutlicht.
Hat man was, kann man es auch zeigen, so offenbar sein Motto!
Im 1931 (15. Juli) WTG-seitig publizierten Kongressbericht „The Messenger" gibt es noch ein paar mehr Bilder von der Güte. Wenn auch dort nur schwarz-weiss gedruckt, ist deren Tendenz dennoch klar.

http://www.archive.org/details/1931MessengerBethSarim
Alternativ auch:
http://wtarchive.svhelden.info/archive/en/publications/1931_XX_The_Messenger.pdf

Das, was Rutherford für seine Broschüre „Wohlfahrt sicher" als Titelbild auswählte, hatte sich zumindest für ihn, schon erfüllt.

Nachdem „Trost" bereits in seiner Ausgabe vom 15. 2. 1942 meinte Grund zu haben, mit der in Bern erscheinenden Zeitung „Die Nation" polemisieren zu sollen, setzt sich das offenbar auch in der „Trost"-Ausgabe vom 1. 3. 1942 fort. Wieder wird von „Trost" namentlich „Die Nation" attackiert. Diesmal meint man dieses Blatt auch mit den Sätzen belehren zu sollen:

„Es scheint, daß die "Nation" und ihr Mitarbeiter Ch. B. keine Kenntnis haben von der allgemeinen journalistischen Anstandslehre, welche schon heidnischen Völkern als Grundprinzip
galt: "De mortuis nil nisi bene", zu deutsch:
"Von den Toten [rede] nur Gutes".

Da hatte also „Die Nation" „ihr Fett weg". Der Oberlehrer, die WTG, zeigte ihr, „wo es lang zu gehen habe."

Da mag es ja angebracht sein, sich den Stein des Anstosses etwas näher anzusehen. Dass da ein aktueller Anlass für den inkriminierten journalistischen Bericht vorhanden war, konnte auch „Trost" schwerlich bestreiten.

Jener Bericht führte aus („Die Nation", 12. 2. 1942):

„Prophet J. F. Rutherford
Der Vater der Ernsten Bibelforscher
Aus den Vereinigten Staaten kommt die Nachricht, daß am 11. Januar dieses Jahres Richter J. F. Rutherford in San Diego (Kalifornien) gestorben sei. Dieser „Richter" war seit 1916 das Oberhaupt, der an die 2 Millionen zählenden und auf dem ganzen Erdenrund verbreiteten christlichen Sekte „Die Zeugen Jehovas."

Die „Zeugen Jehovas" zählen auch einige Gemeinden in unserem Lande und sind unter dem Namen, die „Ernsten Bibelforscher", den sie bis 1931 führten, besser bekannt.
Die Namensänderungen, die von dieser Sekte mehrmals vorgenommen wurde, hatten zum Zweck, mancherlei Spaltungen und falsche Prophezeiungen vergessen zu machen.
J. F. Rutherford war seinerzeit auch in der Schweiz ein bekannter Mann, und da über die Sekte, die er während 26 Jahren präsidierte alle Unarten sektiererischer religiöser Organisationen in sich vereinigt, lohnt es sich bei dieser Gelegenheit, die „Zeugen Jehovas" etwas näher zu betrachten.

Die „Internationale Vereinigung Ernster Bibelforscher" - so hiess die Sekte anfänglich - wurde 1881 von Ch. Taze Russell, einem geschäftstüchtigen Amerikaner gegründet. Von seinen Anhängern wurde er „Redakteur" und „Pastor" genannt und in phrasenhaften Übertreibungen gepriesen. Er war der „Freund aller Menschen", der „furchtloseste und einflußreichste Schriftsteller über religiöse Dinge", der „große Reformator des 20. Jahrhunderts", der grösste religiöse Lehre seit Apostel Paulus usw. In seinem 17. Lebensjahr, da er schon „seit einigen Jahren ein geweihtes Kind Gottes" war, geriet er in Zweifel an der Wahrheit der Lehre der reformierten Kirche. Er trat aus dieser aus und durch eifriges Bibellesen, das er auf seine Art betrieb, kam er auf den „Plan Gottes mit der Menschheit", den er in der Bibel entdeckte und 1874 unter dem Titel „Der Zweck und die Art der Wiederkunft unseres Herrn" veröffentlicht hat. Russell hat im weitern eine Unmenge Bücher geschrieben, die dem gläubigen Volke Zutritt zu den „letzten Geheimnissen" erteilten.
Nach seiner kindlichen Behauptung hatte er "den langverlorenen Schlüssel zur Schrifterkenntnis wiedergefunden".

Als Russell starb, wurde J. F. Rutherford, der sich den Titel „Richter" zulegte, Präsident der Vereinigung. Von Rutherford stammt besonders das Glaubensbuch „Die Harfe Gottes", das Russells Gedanken wiedergibt, und der Traktat, mit dem eine beispielslose Reklame gemacht worden ist. „Millionen jetzt lebender Menschen werden niemals sterben." Richter Rutherford richtete seine Blicke nach Europa, das unter den Folgen des Weltkrieges daniederlag. Im Herbst 1920 kam er herüber und gab von Bern aus „Anordnungen und Ratschläge für das Werk in Europa, speziell Deutschland und die Schweiz betreffend."

Er richtete ein Mittel-Europäisches Büro in unserem Bundesstaat ein, und die Bearbeitung Europas mit den Heilsbotschaften der Bibelforscher setzte alsbald ein. Auf der ganzen Welt unterhalten die „Zeugen Jehovas" 40 Zweigbüros, deren Zentrale in Brooklyn (USA) ist.
Nach ihren eigenen Angaben wurden in einem einzigen Jahre 22.213.639 Druckschriften verteilt; ihre Zeitung, die „Frohe Botschaft"

[Einfügung. Diese Falschnennung des Zeitschriftentitels lässt sich die WTG nicht entgehen um diesergestalt dem Verfasser „Inkompetenz" zu bescheinigen. Ende der Einfügung]

wird in 57 verschiedenen Sprachen und in allen Ländern verbreitet. Wöchentlich werden die Vorträge des eben verstorbenen Richter Rutherford durch Schallplatten über mehr als 340 Radiosender verbreitet.

Die Frage, woher die Zeugen Jehovas zu einem solchen Wolkenkratzerbetrieb, zu einem solchen Reklamechristentum ihr Geld beziehen, will nie zur Ruhe kommen. Alljährlich schweben darüber Dutzende von Prozessen, die sie selbst anstrengen oder in die sie verwickelt werden.

Das Kernstück der Lehre der „Ernsten Bibelforscher" ist, wie oben angedeutet, der „Plan Gottes mit der Menschheit", den Pastor Russell entdeckt haben will. Die Bibel ist demzufolge, von der ersten bis zur letzten Seite, ein geordneter Weltplan. Diese Erkenntnis gehe freilich nur den Bibelforschern auf.
„Während die grosse Masse der Menschheit, in der Finsternis der Unwissenheit einhertappend, auf die tatsächliche Enthüllung des Planes Gottes warten muss. Dieser Plan schreibt der Welt ein 7000jähriges Bestehen zu. Adam sei im Jahre 4128 v. Chr. Geschaffen. 6000 Jahre, d. h. bis zum Jahre 1874 dauerte die Herrschaft der Sünde. Dazu kommt eine 40jährige Erntezeit. 1914 war also der Anbruch des tausendjährigen Reiches von Jesu Christus fällig. 

Nach Pastor Russell gibt es folgende drei grossen Zeitabschnitte.
1. Die damalige Welt („von der Schöpfung bis zur Sintflut, war unter der Herrschaft der Engel").
2. Diese gegenwärtige Welt („von der Sintflut bis zur Aufrichtung des Reiches Gottes, ist unter der begrenzten Gewalt des Satans.")
3. Die zukünftige Welt („Welt ohne Ende", werde durch das tausendjährige Regiment Christi eingeleitet.

Enthält schon dieses Zauberkunststück und diese Zeiteinteilung starke Zumutungen an die Gläubigen, so nicht weniger die Phantasien, in denen sich die Bibelforscher als die in Gottes Plan allein Eingeweihten ergehen. Aus ihrer Literatur erfahren wir, der Sitz der himmlischen Regierung sei im Sternbild der Plejaden, wo sich der „Mitternachtsstern" befinde, zu suchen, wo sich auch „Generalfeldmarschall" Jesu aufhalte, der die „Zentralgewalt der Organisation Gottes" ausübe. Zu dieser „Organisation Gottes" gehören vor allem 144000 Kronträger. Längst waren alle Kronen vergeben, wenn nicht „etwa 20.000 bis 30.000" untreu geworden wären.
Für die „Zeugen Jehovas" ist es eine abgemachte Sache, dass Jesus die Kronträger unter den Anhängern von Richter Rutherford aussuchen wird.
Ist einmal die Zahl 144000 erfüllt, bricht das tausendjährige Reich an, über das Rutherford genau Aufschluss erteilte.
„Was für eine wunderbare Versammlung wird das sein, 144000 glorreiche Wesen, vereint mit ihrem glorreichen Haupt Jesus Christus!"
Dann wird die „wünschenswerte Regierung" in Tätigkeit treten.
„Abraham, Isaak, Jakob und die andern alttestamentlichen Ueberwinder werden vom Berge Zion aus mit vollkommenen Radio-Funkstationen die Angelegenheiten der ganzen Erde leiten."
Dann wird diese Erde in ein Paradies von fabelhafter Schönheit verwandelt. Inmitten einer unermesslichen Blüte und Fruchtbarkeit leben lauter gesunde, glückliche Menschen. Alleen und Verkehrsstrassen für „Meter Lastwagen" und „Luxusautomobile" ziehen sich von Meer zu Meer. Die Alten werden jung. Millionen sterben nicht mehr. Die „Leichenbegräbnisse hören auf, die Leichenbestatter werden sich nach einem mehr aufheiterndem Geschäft umsehen, und die düstern Leichenwagen werden statt schwarzen Trauerfahrzeugen hell angestrichene Vergnügungskutschen werden müssen."
So wird nach den Prophezeiungen von Richter Rutherford das tausendjährige Reich aussehen.
Vor der Verwirklichung dieser paradiesischen Zustände auf Erden soll nach den Bibelforschern die Schlacht von Harmagedon und die vollständige Niederwerfung Satans erfolgen.
„Millionen Menschen werden in dieser Schlacht umkommen. 
Während Russell das Blutbad durch „einen wütenden Pöbelhaufen" durch „Sozialdemokraten, Nihilisten und Anarchisten" sich vollziehen sieht, denkt Rutherford an einen Vollzug des göttlichen Gerichtes ohne „die Körperkraft des Menschen." 

Der göttliche Vollstrecker des Gerichts bedient sich dabei auch der "treuen Zeugen auf Erden" ("Zeugen Jehovas", die das „schon geschärfte Schwert der Wahrheit" führen.
Dies ist ein kleiner Überblick der Lehren, wie sie von Russell und Rutherford gepredigt wurden, wie sie von den „Zeugen Jehovas" kolportiert werden.

Doch kommen wir zum Abschluss unserer Betrachtungen nochmals auf die Prophezeiung von Russell zurück, wonach das tausendjährige Reich 1914 hätte beginnen sollen. Als im besagten Jahre Christus nicht aus den Wolken herniederkam, überprüfte Rutherford die Rechnung seiner Vorfahren, fand heraus, dass sie falsch war und nahm sofort die Notwendige Korrektur vor. Mit gleichen phantastischen Rechenkünsten errechnete er „mit mathematischer Genauigkeit" das Jahr 1925.

Als entgegen seinen Behauptungen, „wir können vertrauensvoll erwarten, dass mit 1925 die Rückkehr Abrahams, Isaaks, Jakobs und der glaubenstreuen Propheten des alten Bundes eintreten wird", die Erzväter beharrlich ausblieben, half sich der Prophet Rutherford mit dem harmlosen Wörtlein „bald" über die Blamage hinweg und erklärte tröstend, dass er hoffe, „dass kein weiteres Jahrhundert dahingehen wird."

Das wichtigste am ganzen Prophezeiungsschwindel ist aber folgendes: Um die Quartierfrage der aus dem Himmel niedersteigenden Regierung Jesu zu lösen, veranstalteten die „Zeugen Jehovas" in der ganzen Welt riesige Geldsammlungen, mit denen sie ein Regierungsgebäude "Haus der Fürsten", in San Diego erbauten. Da die himmlischen
Regenten ausblieben und folglich der Palast leer blieb, zog bis zur „Erfüllung der Zeit" Richter J. F. Rutherford mit seinen Freunden in den Palast, in dem er zu Beginn dieses Monats gestorben ist. Wir können gewiß sein, daß Prophet Rutherford im „Haus der Fürsten" einen fürstlichen Lebensabend genießen konnte.

Am Beispiel dieser einen großen Sekte der Gegenwart ist zu ersehen, welche Schindluderei gerissene Sektenprediger mit dem Christentum zu ihrem eigenen persönlichen Vorteil und zum Unheil Hunderttausender von Menschen treiben, denen sie durch ihre Irrlehren die Köpfe verdrehen und das Geld aus der Tasche locken. Die Sekten haben in unserer Zeit wie noch nie zuvor eine Ausbreitung erfahren, und haben auch in unserm Land eine nicht zu unterschätzende Anhängerschaft, vornehmlich unter den ärmeren Bevölkerungsschichten. Gesellschaftliche Katastrophen, wie wir sie gegenwärtig und in der Vergangenheit durchleben mussten, lassen die Zahl der Weltflüchtigen beängstigend noch steigen.
Not und Verzweiflung treiben den falschen Propheten und Sektenheiligen die Schäfchen in die Arme, wo sie auf ein besseres Jenseits vertröstet werden, um desto schonungsloser im Diesseits geschoren werden zu können."

Nun muss man wohl die Sache so sehen. Auch dieser Journalist wurde von der Todesnachricht des Rutherford, mehr oder weniger „überrascht". Das er sich wohl speziell und gezielt mit dem Thema Zeugen Jehovas beschäftigt hätte, und auch entsprechend sachkundig gemacht hat, wird man wohl kaum unterstellen können. Das was er denn da so im Laufe der Zeit an Allgemeinplätzen mit „aufgeschnappt" hatte, lässt er auch in diesen Artikel einfliessen. Wenn ihm also „Trost" einige Ungenauigkeiten nachweist, wird man dem wohl schwerlich widersprechen können.

Aber es ist sicherlich eine Verkennung der Sachlage, wenn man nun unterstellt, er wolle eine „hochwissenschaftliche Abhandlung" offerieren. Er bringt mehr oder weniger nur eine Meinung zum Ausdruck, und der Tenor dieser Meinung kommt auch treffend in seinem Schlusssatz zum Ausdruck:

„Not und Verzweiflung treiben den falschen Propheten und Sektenheiligen die Schäfchen in die Arme, wo sie auf ein besseres Jenseits vertröstet werden, um desto schonungsloser im Diesseits geschoren werden zu können."

Genau auf diesen Satz, geht nun „Trost" nicht im Detail ein. Und dieses Schweigen ist durchaus beredt. Hatte der Journalist damit den Nagel auf den Kopf getroffen; was immer man ihm auch sonst an Ungenauigkeiten meint nachweisen zu können.

Vorstehender Artikel erschien auch in der Januar-Ausgabe 1942 des „Freidenker. Organ der Freigeistigen Vereinigung der Schweiz". Der „Freidenker" war aber eine Monats-Zeitschrift. Das frühe Erscheinen jenes Artikels genau auch dort, verdeutlicht auch, wo sein Verfasser „anzusiedeln" ist.

Mit reichlicher Verspätung, sich berufend auf den „Freidenker" übernahm auch noch die „Berner Tagwacht" in ihrer Ausgabe vom 6. 8. 1942 jenen Artikel. Letztere stellte diesem Beitrag allerdings noch ein eigenes redaktionelles Vorwort voran, indem auch zu lesen war:

„Wir sind mit der sachlichen Darstellung und der Schlußfolgerung einverstanden. Man würde aber der Geschichte der Sektenbenbewegung nicht gerecht, wenn man den Bibelforschern nicht ungewöhnliche Hingabe, Aufopferung und Begeisterung für ihre Mission, oder wie sie es nennen, für ihre neue Bibelauslegung zubilligen würde. Wir kennen durch und durch saubere Anhänger, die bei magerm Verdienst freudig große Opfer bringen und im persönlichen Leben die hilfsbereitesten Helfer sind. Bibelforscher haben bei Verfolgungen und Unterdrückungen bewiesen, sich weder von Drohungen, Gefängnisstrafen, Schlägen, noch selbst Todesgefahren einschüchtern zu lasssen. Sie sind auch keineswegs muckerisch, haben ihrer Lehre im letzten Jahrzehnt einen sozialen Inhalt gegeben, der ihnen nicht zuletzt seriöse Elemente aus den ärmeren Volksklassen zuführte. Sie waren in neue Zeit wohl am stärksten angefeindete Sekte, nicht zuletzt auch von seiten der katholischen Kirche, die das Eindringen der Bibelforscher in die katholischen Kantone um des, man möchte sagen, des Glaubenseifers und des christlichsozialen Inhalts der Lehre wegen scharf verfolgte."

Jenes eben zitierte Vorwort, zitiert auch „Trost" in seiner Ausgabe vom 1. 9. 1942, welches auf diesen Nachdruck in der „Berner Tagwacht" zu sprechen kommt. Wie unschwer zu erraten, ist man über den eigentlichen Artikel, erneut alles andere als „erfreut". Besonders die Vokabel „Schindluder" auf sich bezogen, sticht da „Trost" unangenehm ins Auge. Und prompt zitiert man zur Entlastung aus einigen zugegangenen „Jubelschreiben". Wie dieser Ch. B. anzusiedeln ist, wurde ja schon charakterisiert (Freidenkerkreise). Und letztere haben ja mit Religion insgesamt nicht allzuviel „am Hut". Die Aufgeregtheit, welche da „Trost" verbreitet, und nach 1945, im Jahre 1948 wurde ja jener Artikel von einer anderen Schweizer Zeitung („Wochen-Zeitung") erneut mit dem Brustton der Entrüstung bemüht, verkennt wohl den grundätzlichen Dissenz. Eine „Übereinstimmung" zwischen WTG-Religion und Freidenkertum, gab es nicht und wird es nicht geben. Das weis man auch so. Künstliche Aufgeblasenheit, angesichts dieses Umstandes, kann man sich auch ersparen. Zumindest ist sie unnütze Zeitverschwendung.

Zu dem Vorwort der „Berner Tagwacht" meinerseits noch die Anmerkung. Die „Berner Tagwacht", laut Untertitel „Offizielles Publikationsorgan der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz", ist mir auch schon bei anderen Zeugen Jehovas bezüglichen Anlässen, mit ihrer partiellen „Betriebsblindheit" aufgefallen. Es geht nicht darum das Alltagsverhalten der Zeugen zu der Zeit, nennenswert zu kritisieren. Es ist auch richtig festgestellt. Auch die Zeugen „grasen" im selbigem Millieu, dem sich auch die „Berner Tagwacht" zugehörig weis. Der Unterschied zwischen beiden besteht in der Hauptsache darin. Für die von den Zeugen Angesprochenen ist eine religiöse Sozialisation weiterhin relevant. Während in weiten SP-Kreisen man beobachten kann. Religiöse Sozialisation wird zwar fallweise toleriert. Aber nicht selten „hinter vorgehaltener Hand" dazu kommentiert;
Auf den „Firlefanz" könne man ebensogut verzichten. Wer es eben nicht kann, der mag es eben so halten. Militanten Antiklerikalismus kann man diesen SP-Kreisen sicherlich nicht unterstellen. Aber doch eine „Parteilosigkeit" bis hin zur Interessenlosigkeit. Von dieser Warte aus gewertet, ist es aber als ausgesprochene Schönfärberei, mehr noch, als ausgesprochenes Wunschdenken zu bezeichnen, wenn diesen SP-Kreisen bezogen auf die Zeugen, auch die Vokabel „christlichsoziale Inhalte" rausrutscht. Die Alltagspraxis der Zeugen offenbart vieles, nur eben jenes nicht in generalisierender Form.
Anzumerken wäre noch ausdrücklich.
Der Vorhalt „Betriebsblindheit" ist noch heute analogen Kreisen zu machen „Quer durch die Landschaft". Angefangen von solchen WTG-Speichelleckern wie der Dame Gabriele Y. und Co, über Betriebsblinde in der politischen Parteienlandschaft, bis zu Betriebsblinden in höchsten Richterkreisen.

Anzumerken wäre noch, dass der eingangs genannten „Die Nation" seitens der Zeugen, auch ein Entgegnungs-Artikel zugestellt wurde und in deren Ausgabe Nr. 11/1942 lesbar ist. Er sei auch noch nachfolgend vorgestellt:

„In unserer Ausgabe vom 12. Februar erschien ein Artikel über den verstorbenen Führer der „Ernsten Bibelforscher" Richter J. F. Rutherford.
Die „Vereinigung Jehovas Zeugen der Schweiz" bittet uns dazu folgende Entgegnung zu publizieren.

Es ist nicht richtig, dass Jehovas Zeugen in der ganzen Welt riesige Geldsammlungen für ein Regierungsgebäude in San Diego veranstaltet haben. Jener „Palast", in dem Richter Rutherford einen „fürstlichen Lebensabend" genossen haben soll, ist in Wirklichkeit ein in Spanisch-Kalifornischem Stil erbautes geräumiges Haus, das noch von einer Familie mit Kindern bewohnt wird. Nirgendwo wurde dafür Geld gesammelt. Ein paar Freunde wollten es J. F. Rutherford schenken, der es jedoch nicht für sich annahm, sondern im Grundbuch als Eigentum der Watch Tower Bible Society eintragen liess, zur Benutzung seitens des jeweiligen Präsidenten der Gesellschaft und seiner Mitarbeiter für ihren Dienst bestimmt.

Im Grundbuch wurde als Name des Hauses „Beth Sarim", d. h „Haus der Fürsten" registriert und wie J. F. Rutherford im Buche „Die Rettung", Seite 326 schreibt, wurde damit bezweckt, einen greifbaren Beweis zu schaffen, dass es heute Menschen auf Erden gibt, die völlig an Gott, an Christus Jesus, und an sein Königreich glauben und auch glauben, dass der Herr die treuen Männer alter Zeiten bald auferwecken wird.

Seinen juristischen Titel hat er sich nicht angemaßt, sondern trug ihn mit Recht. Er fungierte jahrzehntelang als Anwalt, eine kürzere Zeit als Richter, und dieses Amt hätte er bis an sein Lebensende ausüben können, wenn er sich nicht freiwillig einer höheren Aufgabe gewidmet hätte. Bis zuletzt war er Mitglied der Anwaltskammer von Newyork und plädierte noch im vorigen Jahr persönlich vor dem United States Supreme Court, dem höchsten Gericht seines Landes."

Was die müde Verteidigung in Sachen Beth Sarim anbelangt, so wird man wohl auch darauf hinweisen dürfen, dass der maßgeblichste dieser „Freunde" in der Sache (Martin) zu der Zeit, Personengleich auch Direktor des WTG-Druckereibetriebes war. Das er bei Europa-Reisen Rutherford's mit zu dessen Begleitung gehörte. Insofern ist der Vorhalt, einer gewissen Art von Fetternwirtschaft, keineswegs ausgeräumt. Und dann setze man mal die eher spartanischen Lebensverhältnisse der WTG-Druckereiarbeiter im Kontext dazu. Insbesondere über das Berner WTG-Büro gab es in den zwanziger Jahren einen Bildband. Er zeigt auch Schlafsäle für die dort Arbeitenden. Der kleine Druckereiarbeiter war fast wie in einer Kaserne untergebracht. Diese Relation gilt es auch zu sehen, zu den Konditionen, welche sich Rutherford und „Zubehör" bewilligten.

Allerdings, „zufrieden" war die WTG mit der von der „Nation" abgedruckten Gegendarstellung nicht. Hatte man da doch ganz andere Forderungen, worüber auch „Trost" vom 15. 4. 1942 noch berichtete. Danach wurde die Redaktion der „Nation" mit dem Ansinnen traktiert, die Gegendarstellung der WTG:

„ungeschmälert abzudrucken in gleicher
Schriftgröße wie ihren Angriff."

Wohl druckte die „Nation" jene Gegendarstellung ab, behielt sich dabei allerdings das Recht vor, Kürzungen vorzunehmen. Auch wenn es der WTG nicht „schmeckte". Das musste sie hinnehmen. Das mit der Einschüchterung klappte also nur bedingt.
Zu den von der „Nation" nicht mit abgedruckten Passagen gehörte auch die. Die WTG beschwert sich. Der Autor zitiere ja ältere WTG-Schriften „Millionen jetzt lebender werden nie sterben" und „Die Harfe Gottes". An den Schrott „von gestern" wollte man aber nicht mehr erinnert werden, und deshalb gebraucht man dazu den sophistische Satz:

„Unterscheidet sich die neueste Literatur der Zeugen Jehovas denn von der vor Jahrzehnten erschienenen? Nicht eigentlich im Grundton, aber gerade in den Einzelheiten, auf die Ch. B. das Hauptgewicht legt."

Pech nun für die WTG, dass die „Nation" solcherlei Belehrungen als nicht abdruckenswert ansah.

Nachklang zu Rutherford
geschrieben von:  Drahbeck 
Datum: 27. März 2012 02:40
Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
Nachklang zu Rutherford

"Spötter in den letzten Tagen", die die Heilige Schrift nicht kennen und auch Richter Rutherfords Beweisführung nie studiert haben, welche darlegt, warum Millionen nicht mehr sterben werden, bildeten sich ein, daß "natürlich" Richter Rutherford selbst einer von denen sein wollte, die nicht sterben. Es entspricht durchaus ihrer Oberflächlichkeit, daß sie mit dem Tod J. F. Rutherfords auch seine Botschaft für erledigt halten."

Mit diesen einleitenden Sätzen, belehrt „Trost" in seiner Ausgabe vom 15. 3. 1942, seine Leserschaft.
Nun mag man ja nicht unbedingt widersprechen wollen, wenn da konstatiert wird. Die WTG-Religion, wenn sie denn mal von Außenstehenden bewertet wird, so ist deren Einschätzung nicht selten oberfächlich.
Das darin auch zum Ausdruck kommende Desinteresse an den Brooklyner Ergüssen, wiederum spricht aber nicht für die WTG-Religion an sich.

Nun werden Außenstehende wohl eher weniger, vorgenannte „Trost"-Ausgabe gelesen haben. Und die zitierte Äußerung ist denn auch mehr auf die „Binnenwirkung" hin konzipiert. Indes das Rutherford's Tod, jenes Rutherford der da einst lauthals trompete: 

„Millionen jetzt Lebender werden nie sterben".

Das ausgerechnet der Tod dieses selbsternannten Propheten auch die Frage provoziert.
Wie war das denn nochmal mit dem Arzt? Dem Arzt wurde auch gesagt: „Arzt heile dich doch erstmal selbst". 

Also dass die Versuchung nicht gering ist, Rutherford's Tod mit dem Scheitern jener Ideologie gleichzusetzen. Diese Sachlage liegt doch ziemlich offenkundig. Jedenfalls für die, welche sehen wollen. Letzteres das „wollen" erweist sich dabei wohl als „der" Knackpunkt.

Das die Anhängerschaft des Rutherford jenes eben nicht wollte, ist auch offenkundig. Und das sie sich eben an jeden Strohhalm klammert, der sie in ihrer Auffassung zu bestätigen schien.

Und dann noch das Todesjahr. 1942, mitten im zweiten Weltkrieg. Alles andere als „rosige" Zeiten. Das da so mancher nach Strohhalmen sucht, unter Aufbietung seiner letzten Kräfte, ist auch offenkundig.

Nur was nutzt es, findet man eine geballte Rauschgiftladung, namens WTG-Religion. Rauschgifte, gleich welcher Art, haben eben auch die Eigenschaft zerstörerisch zu wirken. So zerstörerisch, dass Kulturstaaten für physische Rauschgifte einen ganzen Katalog von Strafandrohungen parat haben.

Und, das wäre noch zu fragen. Und, was ist mit den geistigen Rauschgiften? ...

„Sogenannte Kirchen und ihre Theologen haben aus der frohen Botschaft der Bibel eine ausgesprochene Jenseitsreligion gemacht. Danach beginnt das "ewige Leben" im "bessern Jenseits" und das Diesseits wird als gewisse Vorbereitung aufgefaßt, wo man sich durch tugendhaften Wandel und den Beistand der betreffenden "Kirche" die zukünftige "ewige Ruhe" zu erwerben oder verdienen sucht",

belehrt „Trost" dann weiter.

„Wenn er (Rutherford) auch damals erwartete, daß im Jahre 1925 die "70 Jubeljahre" erfüllt sind (welche im Gesetz Gottes vorgezeichnet sind) und daß es darum wahrscheinlich sei, daß die alten Propheten dann auferstehen werden, bleibt immer noch im Wesentlichen die Gültigkeit jener Botschaft bestehen",

liest man in diesem Artikel weiter. 

Hier also wieder das klassische Fündlein eines Strohhalms. 
Und wenn sie denn nicht gestorben sind, dann warten sie und ihre Kinder und Enkelkinder noch heut, hätte man schon als Kommentar im Jahre 1942 sagen können. Kann diesen Kommentar auch in der Gegenwart sagen, und auch in weiteren hundert Jahren (als willkürlicher Zahl).
Man vergleiche als Kontrast auch Russell's Aussage im „Wachtturm" vom März 1914

Robert Voigt
geschrieben von:  Drahbeck 
Datum: 21. März 2012 01:05
Im Zeitspiegel
Robert Voigt

Nun also kam auch „Die Aussicht" in ihrer Februar-Ausgabe 1912 nicht darum herum, ein paar "deutliche" Worte zum Fall des Publizisten Robert Voigt aus Einbeck (Süd-Niedersachsen) zu äußern. Die Wikipedia etwa notiert auch:

"1351 werden die ersten Exporte des Einbecker Bieres belegt."

Noch einen besonderes Export-Event hatte jene Stadt (zumindest zeitweilig vorm ersten Weltkrieg) und das war eben besagter Herr Voigt. Zwar kein Schuster dem Berufe nach, wie das für einem Wilhelm Voigt als Namensvetter galt. Gleichwohl ein Ideologie-Schuster, der wie gesagt, selbst der "Aussicht" es verunmöglichte, ihn mit Schweigen zu übergehen, was denn ja wohl die eleganteste Antwort auf ihn gewesen wäre.

Ideologie-Schuster, diese Vokabel erscheint mir auch deshalb angebracht, dieweil es mit der geistigen "Selbständigkeit" des Herrn Voigt wohl nicht nicht allzuweit her war.
Was seinen Mentor einem gewissen "Johannes Walther" (Pseudonym für Walter Küppers, ein Pfarrer im Dienst der altkatholischen Kirche in Ostpreußen anbelangt, der seine kümmerlichen Reste an Gemeindegliedern, durch Übertritt zur evangelischen Kirche im Jahre 1925 dann dort mit einbrachte), so war besagter Küppers dem Voigt in der Tat um Längen voraus. Voigt teilte auch keine wesentliche These mit, die man nicht auch schon bei Küppers extrahieren konnte.
Der gewaltige Unterschied zwischen beiden Herren ist dann wohl der.
Küppers im Besitze eines Doktortitels, hatte sicherlich einen größeren Wissensradius, und auch erheblich mehr publiziert. Bei Küppers verschwinden die anfechtbaren Thesen eher im Meere des Wortgeklingels.

Man kennt dass ja auch von einem Herrn Russell. Nur mit einer Broschüre oder einem Zeitschriftenaufsatz etwa mit dem Titel "Von 1874 nach 1914" gab der sich auch nicht ab. Auch der kredenzte sein Gewäsch letztendlich auch verteilt in sechs voluminösen Bänden.
Ähnlich auch Küpppers. Wer alles von Küppers lesen will (einschließlich seiner Aufsätze in Zeitschriften), der muss viel, sehr viel Zeit investieren. Von den technischen Problem der "Erreichbarkeit" dabei erst gar nicht zu reden. Nun hat die Stadt Berlin mit ihrer Staatsbibliothek vielleicht gegenüber anderen Städten, den Vorteil. Man kann dort noch einiges (wenn auch nicht alles) von Küppers sichten.

Küppers bediente mit seinen anfechtbaren Thesen, insbesondere eine Klientel. Die Klientel der religiösen Narren. Die aber waren schon mal angesichts der Weitläufigkeit von Küppers, sowohl materiell wie geistig überfordert.
In diese sich da nun auftuende Marktlücke, trat besonders Voigt ein. Er sorgte dafür, dass die Narren, auch Narrengerecht das serviert bekamen, was bei Küppers eher zerredet daher kam.

Wenn man so will, kann man zum Vergleich auch eine Detailaussage aus dem berühmt-berüchtigten 1975-Vortrag des Konrad Franke mit heranziehen. In selbigen meinte Franke ja auch mit einflechten zu sollen:

"Und als ich einmal mit einigen jungen Brüdern darüber sprach, da sagte der eine zu mir: Ach, weißt du, Bruder Franke, ich weiß nicht, ob man das so deutlich sagen kann, wie Du das sagst. Denn stell dir mal vor, die alte Schwester sowieso, die geht jetzt von Haus zu Haus, und die wird das nicht so ausdrücken, wie du das sagst, und die wird nun sagen 75, 75, 75 und 75! Und was das unter Umständen für die Organisation für eine Schmach bringen könnte!"

In zwei speziellen Schriften widmete sich Voigt vorsätzlich dieser Aufgabe sich Schmach einzuhandeln.
Die eine mit dem Titel:

"Sturm-Signale der nahenden Weltereignisse"

1911 erschienen, und die andere betitelt:

"Letzter Warnungsruf zu den im März 1912 hereinbrechenden Großen Weltereignissen"

eben im Jahre 1912 "zeitgerecht" erschienen.
Sein Mentor Küppers indes musste nach dem verstreichen der angekündigten "großen Weltereignisse" allerdings einräumen:

"Königsberg, den 26. März 1912
Teure Geschwister im Herrn!
Seit Donnerstag den 21. (März) kommen wir uns vor wie die Jünglinge im Feuerofen.
Von allen Seiten erfahren wir, daß unsere Freunde, ebenso wie Voigt und wir, ganz unerschüttert stehen in ihrer Hoffnung auf den Herrn."

Unerschüttert meinte also Herr Kueppers zu sein, und diese Aussage muss man ihm sogar abnehmen. Dann abnehmen, berücksichtigt man seinen weiteren Werdegang. 
Nach dem 21. 3. 1912 Datum hatten zwar beide Herren erst mal eine Durststrecke der Häme zu überstehen. Die geistige "Kapazität" des Voigt dürfte auch nicht ausgereicht haben, um sich von der wieder zu erholen. Anders Küppers. Zwar nicht 1912, dann aber eben 1914, brach ein tatsächlicher Weltkrieg aus. Der wiederum ermöglichte es Küppers eine neue Saite anzuschlagen.
Was die Alldeutschen mit ihrer "nur ein Siegfrieden ist möglich" These, in säkularisierter Form verkündeten. Das offeriert nun Küppers in einem theologischen Kleide von größter Demagogie. Wer auf dem Alldeutschen Zug zu der Zeit mit aufsprang, und das tat Küppers, der konnte durchaus sich an der Geschäfts-Oberfläche wieder finden.
Und so sind denn die "Altkatholischen" Zeitschriften jener Jahre voll von der Küpper'schen Ergüssen. Nach seinen 1912-Thesen fragte zu der Zeit kein Hahn, "der etwas zu sagen hatte" mehr; warum eigentlich?
Siehe dazu:
Kriegsprediger Küppers

Aber kehren wir mehr zu Voigt zurück. Sein Fall wurde schon mal wie folgt zusammengefasst:

Küppers hatte auch einen speziellen Jünger namens Robert Voigt gefunden. Dieser Voigt war von den Küpper'schen Thesen so angetan, dass er im Selbstverlag dazu auch eine einschlägige Schrift verbreitete. [43] In einem Brief an Küppers berichtet er über die Resonanz darauf:
"Ich habe Ihre sämtlichen Bücher und Schriften gelesen und habe dieselben auch viel verkauft und verbreitet und dadurch viel Verkennung und Kampf geerntet. Man warnt jetzt viel vor mir; denn, sagt man, was wird das für ein Fiasko, wenn es sich nicht erfüllt!
Denn wird das Wort Gottes noch mehr ignoriert werden. So und so ähnlich klingt es. Ich darf deshalb in unserer Gemeinde auch keine Versammlungen mehr halten, damit ich nicht die Lehre noch mehr verbreite und noch mehr Menschen verführe. ... Es wurde mir gesagt und zwar von lieben Brüdern, die einen Evangelisten haben und die ich sehr schätze, das Buch sei gut, nur hätte ich den Walther nicht darin reden lassen sollen. Nun, mein lieber Bruder im Herrn, das darf uns nicht irre machen. Wir werden es stets erfahren, dass die Wahrheit verkannt und bekämpft wird. Die Zeit ist da; das wurde mir schon seit Jahren klar. Mir und meiner Familie ist es eine wirkliche Herzensfreude, dass er bald kommt. Was diese Freude und Sehnsucht in sich schließt, dass weiß nur der, der Ihn wirklich erwartet." [44]

In seinen Buch "Sturmsignale der nahenden Wiederkunft" hatte dieser R.
Voigt in der Tat den Küppers zitiert und auch den entscheidenden Satz hinzugefügt:
"Und darum dürfen wir 1912 entscheidende Daten erwarten, d. h. die
'Entrückung', soweit (sagt) Johannes Walther." [45]

Damit hatte sich auch Voigt auf ein abschüssiges Gleis begeben. Er hatte sich zum Sprachrohr des Küppers degradiert. Die Schrift "Sturmsignale" war in dieser Hinsicht noch relativ harmlos. Aber ein Jahr später verbreitete er dann einen "letzten Warnungsruf zu den im März 1912 hereinbrechenden großen Weltereignissen", der an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig ließ.

In ihm konnte man lesen:
"Nur wenige Wochen noch! Am 21. März 1912 wird es dem Herrn über Leben und Tod gefallen, die durch seinen Opfertod Erkauften, Geretteten und auf Ihn Wartenden heimzuholen in seine Herrlichkeit, um nach Verlauf der großen Schreckenszeit im Jahre 1915 mit ihnen zu erscheinen und zu regieren über alle Völker tausend Jahre." [46]

Voigt setzt dann noch folgendes drauf:
"Lieber Leser! Du wirst den Kopf schütteln über das ... was ich dir in diesem Schriftchen als ganz bestimmte Tatsachen vor Augen stelle. Du wirst nach den Regeln der modernen Menschen, auch des modernen Christenmenschen, die Tatsache, dass unser hochgelobter Heiland die wahren Gläubigen am 21. März 1912 zu sich in seine Herrlichkeit hinrücken wird, als eine Utopie und den, der dies geschrieben hat, als einen Narren betrachten. 
Viele, vielleicht die meisten der Schriftgelehrten und Pharisäer, werden dich mit überlegener Miene warnen, wie sie es früher je und je getan haben und dich bestärken in deiner vorgefassten Meinung, man könne und dürfe das nicht wissen. Doch im Auftrag meines Gottes habe ich dies zu schreiben, ob du es annimmst oder nicht, ist Deine, nicht meine Sache. Was auch der Haufe gegen mich reden wird, ich habe, ähnlich wie einst Gideon, eine klare, bestimmte dreifache Antwort von Gott erhalten, nicht durch Visionen oder Träume, sondern durch Zeichen, die ich von Gott mir erbeten habe, und die mir Gott zu Tatsachen hat werden lassen. " [47]

Er schließt mit dem Ausruf: "Ich bin mir vollkommen bewusst, was es bedeutet, diesen letzten Posaunenstoss zu tun. Indes für mich gibt's keine bange Frage, auch nicht das Wort "Fiasko" mehr. Ich stehe und falle mit dem 21. März 1912." [48]

Wie bereits angemerkt, hatte Voigt seine Schrift "Sturmsignale" im Selbstverlag herausgegeben und finanziert. Ihm lag naturgemäß daran, dass er seine verauslagten Druckkosten wieder hereinbekam und nicht auf diesen Büchern sitzenblieb. Wenn Voigt auch davon redet, dass er sich von Gott Zeichen erbeten habe und diese auch bekommen habe, dann ist es nicht uninteressant sich diese "Zeichen" einmal näher anzusehen.

In seinen eigenen Worten: 
"Ich bin gewiss kein Gelehrter; doch als ich durch die wiederholte Lektüre der Schriften von Joh. Walther allmählich aus der alten Schule herausgekommen war, da sagte ich eines Abends zu meinem Gott: 'Herr, wenn es wirklich wahr ist, dass Du am 21. März kommen willst und wenn Du willst, dass ich auch das noch öffentlich vertrete, dann will ich das daran erkennen, wenn morgen ein Paket und drei kleine Sendungen von meinen 'Sturmsignalen' nach Norden abzuschicken sind.'
Zwei Tage waren überhaupt keine Bestellungen gekommen, doch gerade am nächsten Tage war gerade das, was ich erbeten hatte, und zwar in der Richtung nach Norden, abzuschicken!

Dann sagte ich: 'Lieber Herr, ich bin noch nicht ganz sicher. Es hätte Zufall sein können. Wenn morgen drei Sendungen nun nach Süden gehen, dann bin ich sicherer.'
Und wirklich, den anderen Tag waren nur drei Sendungen nach Süden zu schicken, sonst weiter nichts den ganzen Tag, auch keine Sendung nach einer anderen Richtung. Dann war ich soweit sicher, dass Gott mir nun in seiner Gnade das Siegel nur noch einmal aufdrücken sollte. Ich bat ihn, es mir nicht als Versuchung anzurechnen und nochmals Antwort zu geben, und zwar innerhalb vierzehn Tagen eine Seele zu schenken, die durch mein Zeugnis zu Gott geführt, sich ihres Heils in Christo freut und mir das sagt. Auch dieses dritte Zeugnis gab Gott in Gnaden, und zwar nicht nur die erbetene Seele, sondern gleich sieben oder acht. Da hielt ich es für meine Pflicht, dies Schriftchen zu schreiben. Schweigen und Zagen wäre jetzt Sünde gewesen." [49]

Nun kam also wie bereits notiert, auch die "Aussicht" nicht darum herum, eine paar Worte zu diesem Herrn Robert Voigt zu verlieren. Diese für die "Aussicht" eher delikate Aufgabe, übernahm der dortige Mitarbeiter K. J. Lüthi-Tschanz, auch so eine "schillernde Figur".
Lüthi-Tschanz, nach eigenem Bekunden wollte er mal Missionar werden. Die große Armut im Elternhaus ließ eine Realisierung dieser Pläne nicht zu. Und so wurde er Buchdrucker. Aber Ehrgeiz genug hatte er, dass dies nicht die Endstation seines beruflichen Weges war. Namentlich gelang es ihm eine Stellung in der Schweizerischen Landesbibliothek zu Bern zu erhalten. Und dort ist er geschichtlich gesehen, besonders für das von ihm geleitete Gutenberg-Museum aktiv geworden. In den Jahren des ersten Weltkrieges, gelang es ihm, namentlich in Deutschland, eine umfängliche Bibelsammlung, für vergleichsweise wenig Geld, zusammen zu kaufen. Letztendlich wurde diese Sammlung dann der Schweizerischen Landesbibliothek vermacht.
Aber 1912 war es noch nicht ganz so weit. Jedoch darf man diesen Hintergrund bei Lüthi-Tschanz keineswegs ausblenden. Um 1912 war er halt noch mit dem "Aussichts"-Kreis liiert.
Und daher nahm er in der Aussicht" auch zu dem Robert Voigt Stellung. In seinem Votum konnte man auch lesen:

"Warnung vor falscher Prophetie.
In jüngster Zeit schwirrt ein schwarzumrandeter "Letzter Warnungsruf" in gläubigen Kreisen umher, worinnen ihnen zu beweisen versucht wird, daß am 21. März 1912 "es dem Herrn über Leben und Tod gefallen wird, die durch Seinen Opfertod Erkauften, Geretteten und auf Ihn Wartenden heimzuholen in Seine Herrlichkeit, um nach Verlauf der großen Schreckenszeit im Jahre 1915 mit ihnen zu erscheinen und zu regieren über alle Völker tausend Jahre." 
Verfaßt ist dieses sonderbare Schriftchen von R. Voigt, dem Verfasser der "Sturmsignale" und anderer Schriften. Ich habe es soeben gelesen und bedaure lebhaft, daß es erstens: einen bestimmten Tag nennt, zweitens, daß der Verfasser drei Zeichen gefordert hat darüber und drittens, daß der Mensch Joh. Walther so stark in den Vordergrund gerückt worden ist."

Lüthi meint weiter: 

"Das ist sehr schade bei dem an sich nur zu berechtigten Warnungsrufe, der so manches enthält, das wir Geschwister in der Schweiz und anderswo ohne weiteres unterschreiben, d. H. ähnliche Gedanken haben betreffend der hochernsten Zeit, in welcher wir leben."

Damit bringt er letztendlich zum Ausdruck, dass namentlich seine Kreise, letztendlich von ähnlichen Gedanken bestimmt sind. Nur schmeckt es ihm nicht, sich auf ein festes Datum im Sinne eines 21. 3. 1912 "festnageln" zu lassen.
Er möchte es lieber mit der unverbindlichen "Wisch-waschi-Methode" halten, ähnliches zu sagen, um im Ernstfall sich auf das Hintertürchen zurückziehen zu können. Aber wir haben es so nicht gesagt.

Auch Lüthi kam nicht umhin, eine Gedankenassoziation zu dem Schuster Voigt anzustellen. Bei ihm liest sich dass dann so:

"Der Schuhmacher Voigt hat in der Hauptmann's Uniform den guten Köpenicker weiß gemacht, auf "höhern Befehl" im Rathaus zu Köpenick "Kassensturz" machen zu müssen und nun sein Namensvetter R. Voigt gibt vor in betreff seines Warnungsrufes: "Im Auftrage meines Gottes habe ich dies zu schreiben." 
Das ist eine Ungeheuerlichkeit, an welche die Gläubigen nicht glauben werden, welche den Heilsplan Gottes an der Menschheit im untrüglichen Worte Gottes kennen lernten, nicht aus sich selbst, sondern durch die Gnade und Barmherzigkeit unseres Herrn und Heilandes zu den sich erwählten Kindern des Glaubens.

Am 21. März 1912 nächsthin sollen also nach diesem Prophetenwort die Glieder der Auswahl ihrem hochgelobten Erlöser entgegengerückt werden! Gewiß, das ist eine kurze Zeit und wer freute sich nicht unter den "Geehrten Gottes", aus all dem ausbrechenden Elend auf der Erde sicher geborgen heimkehren zu dürfen in die ewigen Hütten Gottes? An Sehnsucht danach fehlt es den wahrhaft Gläubigen nicht und wer weiß, ob nicht gerade an diesem Tage einer unserer lieben Brüder heimkehren darf. Ja, es wäre eine Freudenbotschaft für ihn, wie es eine Trauerbotschaft würde sein für seine Zurückgelassenen! 

Aber seien wir doch vernünftig auch in diesem Stücke und lassen wir uns durch keine Daten vom nüchternen Glauben abbringen. Gewiß hat Gott seine bestimmte Zeitrechnung und das Ende dieses Zeitalters wird auf Tag und Stunde eintreten! Die Seinen werden es wissen im Momente, wo das Ende kommt, dafür sorgt der in sie ausgegossene Heilige Geist! 
Wann dies geschehen wird, wissen wir aber nicht - vermöge unserer Unvollkommenheit als Menschen - und ich glaube, dazu gehört auch Voigt. 
Es ist auch nicht nötig, daß wir Tag und Stunde wissen, sondern es ist genug, wenn wir durch die Erleuchtung des Geistes Gottes durch Jesum die große Nähe des neuen Zeitalters und damit der Heimkehr der Kinder des Lichtes an den sich häufenden Zeichen erkennen und - wo wir können - darauf mit ganzem Ernst hinweisen! Gebe Gott, daß wir uns alle auf diesen Tag willig vorbereiten lassen durch Heiligung, ohne welche niemand den Herrn sehen wird! Für die Menschen und wohl auch für die Engel gilt heute noch sowohl Markus 13,32, als auch Apostelgesch. 1,7, trotz der gegenteiligen Behauptung Voigts (Seite 13) und ohne in Widerspruch zu geraten mit 1. Thess. 5,4; denn eben der Geist Gottes wird dafür sorgen, daß der Tag die Kinder des Lichtes nicht wie ein Dieb in der Nacht überfallen wird. Er läßt sie die Nähe fühlen und erhält sie umso wachsamer, trotzdem sie weder Tag noch Stunde zum voraus wissen."

Auch das muss Lüthi einräumen:

"Wer den Warnungsruf Voigts gelesen hat, wird peinlich überrascht durch die dreimalige Zeichenforderung zum Beweise für die von Walther vorhergesagten Daten (21. März 1912 und das Jahr 1915). Das machen nüchterne Christen nicht für Dinge, die einen fehlbaren Menschen nicht direkt angehen. Es ist doch gewiß genug, wenn der Heiland selbst nun Tag und Stunde weiß, die Gott festgesetzt hat (Offbg. 1,1). Durch solche läppische Zeichen, deren drittes nicht einmal mit dem Erbetenen stimmte, wie sie Voigt erbeten, wird der Menschheit sicher nicht eine solche Weltumwälzung angezeigt. Solches zu glauben, wäre für mich Aberglauben; denn Gott ist nicht ein Mensch, der allenfalls auf solche Beweismittel greift. ..."

Dann kommt Lüthi aber doch nicht umhin, auch das eigene "Eingemachte" anzusprechen. Er meint diese Klippe wie folgt "meistern" zu können:

"Aber - werden mir liebe, langjährige Leser der "Aussicht" mit Recht erwidern - hat denn nicht selbst die "Aussicht" das Jahr 1914/15 als den Zeitpunkt des Anbruches des Tausendjährigen Reiches genannt auf Grund der Zahlen in der Bibel und daran geknüpften chronologischen Berechnungen von gottesfürchtigen Männern, deren Resultate annähernd übereinstimmen? 
Gewiß ist das des öftern geschehen und ich schätze die Meinungsäußerung jener Brüder, soweit sie aus den genannten Zahlen nicht ein "unfehlbares Dogma" gemacht haben, d. H. bei allem Fleiß zum Studium der in der Schrift vorhandenen und nach der Schrift erlaubten Chronologie die menschliche Unzulänglichkeit im irdischen Zustande zur genauen Feststellung der göttlichen Zeitrechnung nicht außer Acht gelassen haben."

Obwohl das im Prinzip ideologische Brüder sind meint sich Lüthi von den gar zu närrischen Narren wie folgt absetzen zu können:

"Unangenehm muß es schließlich jeden Leser vom "letzten Warnungsruf" berühren, daß Voigt den religiösen Schriftsteller Joh. Walther stärker in den Vordergrund gerückt hat, als die Heilige Schrift selbst."

Küppers seinerseits meint er allen verbalen Verbeugungen zum Trotz, dann vorhalten zu müssen:

"Woher hat er den Beweis, daß die Zahlen von Guiness die richtigen sind? Warum hat er denn nicht konsequent seine Zahlen gebraucht, wenn doch Zahlen aufgeführt sein müssen? Überall in der Broschüre wird der Name Walther uns genannt! Mich dünkt, die Gläubigen haben jetzt besseres zu tun als über jeden neuen Kommentar gierig herzufallen und dabei es am direktem Schriftstudium mangeln zu lassen."

Was seine Guiness betreffende Andeutung mit anbelangt, so kann man zu deren Vertiefung auch vergleichen:
Mysnip.43090

Er fasst sein Urteil mit dem Satz zusammen:

"Ein Schriftchen, das neben vielen lesenswerten Sachen es für nötig findet, spiritistische Urteile über die nächste Zukunft und sonstige Zahlenmanöver (Seiten 14 und 15) aufzutischen, halte ich der Verbreitung nicht wert, und das erst nicht, wenn der Schreiber behauptet (Seite 2):
... Gott steht auf meiner Seite und ich auf seiner Seit"; "... Für mich gibt's keine bange Frage, auch nicht das Wort "Fiasko" mehr". Da möchte man eher verwundert fragen: "Wer bist Du?" und "Was hältst Du von Dir selbst?"

Noch eine Geistesverwandte Zeitschrift, und zwar der in der Schweiz erscheinende "Weissagungsfreund" kam nicht umhin sich mit dieser Küppers-Voigt'schen Hysterie auseinander zu setzen. Und zwar in der März 1912-Ausgabe genannten Blattes.
Auch hier wieder das altbekannte "Strickmuster"; man möchte sich den Pelz waschen, dabei aber nicht nass werden. Man schwimmt auf ähnlicher Wellenlänge, sieht sich nur dann in die Ecke gedrängt, lässt sich diese "Wellenlänge" auch mit konkreten Daten in personifizierter Form belegen. Diese konkreten Daten sind auch dem "Weissagungsfreund" nicht geheuer.
Der Redakteur jenes "Weissagungsfreund", Samuel Limbach, hatte etwa mal eine Schrift mit dem Titel publiziert: "Was hat der gegenwärtige Krieg uns zu sagen?". Dessen Vorwort ist datiert auf Anfang September 1914.

Zwar verneint er darin, einen buchstäblichen Untergang der Erde, und wähnt, sie würde mindestens noch 1000 Jahre existieren.
Andererseits meint er aber auch postulieren zu müssen:

"Dieser europäische Krieg, dessen Charakter in Matth. 24,7 so schlagend gezeichnet ist, ist der Anfang der Endzeit. Wie lange dieser Krieg, dieses Toben der Meereswellen gegeneinander andauert, das wissen wir nicht. Nur das glauben wir, daß sein politisches Resultat die zehn Zehenreiche des Endes sein werden, von denen in Dan. 2 und 7 zu lesen ist.
Ob sie sofort als Folge des jetzigen Krieges klar dastehen werden, oder ob noch weitere Wehen diese politische Geburt vollenden müssen, das wagen wir nicht zu entscheiden."
(S. 64)

Ausgehend von dieser These sieht er wohl seinen "Joker" in der Aussage;

"Wie lange denn die antichristliche Zeit währt, das wissen wir genau, nämlich 3 ½ Jahre, oder 42 Monate, oder 1260 Tage."

Wobei wiederum die Feststellung zu treffen wäre, so weit auseinander sind die genannten Herren dann doch wohl nicht. Er stört sich eben nur daran dass die Küppers und Voigt konkrete Daten nannten. Er selbst sagt dann ähnliches, halt ohne Datumsangabe!
Er meint sich bezüglich Voigt wie folgt aus der Situation herauszuwinden zu sollen:

"Nur wenige Wochen noch!
"Am 21. März 1912 wird es dem Herrn über Leben und Tod gefallen, die durch sein Opfertod erkauften geretteten und auf ihn Wartenden heimzuholen in seine Herrlichkeit. ..."
So steht wörtlich zu lesen auf der zweiten Umschlagseite einer Broschüre die den Titel trägt "Letzter Warnungsruf". Drei Seiten des Umschlag sind schwarz umrandet und mit Grabkreuzen geschmückt. Wenn dieser Nummer des Weissagungsfreund in die Hände der Leser kommt, sind es nur noch etwa drei Wochen bis zum 21. März und dann so versichern uns Joh. Walther wie R. Voigt dann findet die Entrückung der Gläubigen statt. Und was wollt wir lieber als die beiden - und noch manch andern, die sich ihnen anschließen - hätten recht."

Aber auch der "Weissagungsfreund" wähnt in genannter Suppe einige Haare vorzufinden. Selbige beschreibt er aus seiner Sicht so: 

"Mit großen Eifer beschuldigt der Verfasser nebst den großen Kirchenkörpern auch die geschickten Leiter unserer Gemeinschaften und Gemeinden", der Zugehörigkeit zu Laodicäa und der Teilnahme an der Lauheit dieser Gemeinden. Da der Schreiber dieses Zeilen im Büchlein mit Namen genannt ist, unter in den Warnern vor dem Rechnen, und da dieses Warnen vom Verfasser beinah als ein Majetstätsverbrechen angesehen und beurteilt wird, so darf ich wohl noch ein Wort brüderlicher Liebe an ihn und alle Leser seiner Schriften richten. 
Nur noch drei kurze Erdenwochen, dann wird jeder selbst urteilen können, ob wir unrecht haben mit unseren "ich kann nicht anders" oder ob der Verfasser "gefallen" ist mit dem 21. März 1912" wie er selbst so zuversichtlich sagt "Ich stehe und falle mit dem 21. März 1912".

Und weiter S. Limbach, der Herausgeber des "Weissagungsfreund":

"Und nun zunächst ein Wort der Liebe an Bruder Voigt. Lieber Bruder, glauben Sie wirklich, dass ihres Herrn Geschäfte besorgen, wenn sie anfangen zu schlagen ihre Mitknechte. Sie werfen alles in einen Topf, die gleichgültige Welt, die Gottfeindlichen Spötter und die Brüder in Christo, die ihre Rechnung nicht glauben annehmen zu können. Wir sagen nicht: Mein Herr kommt noch lange nicht, sondern wir sagen mit voller Zuversicht: Der Herr ist nahe! 
Wir verachten nicht die prophetischen Zahlen, aber wir nehmen die Zahlenangaben wörtlich, wie sie dastehen und machen nicht aus Tagen Jahre, wie sie, weil wir uns gebunden erachten ans Wort. Wir sprechen nicht irrendenden Brüdern den rechten Glaubensstand ab, wie Sie es uns gegenüber tun, weil wir ihnen nicht nachfolgen können, sondern unseres Herrn Wort festhalten: "Zeit und Stunde weiß niemand" und "Es gebührt euch nicht zu wissen Zeiträume und Zeitpunkte." Wohl aber glauben wir, dass in der letzten Zeit viele großen Verstand finden werden in den Zahlenangaben, in der übrigen Weissagung, und das dann gerade die Zahlenangaben von großen Wert sein werden ..."

Sein vermeintlich salomonisches Urteil lautet dann weiter:

"Und wenn sie uns Inkonsequenz vorwerfen, weil wir sagen: "Der Herr kann heute kommen", und weil wir doch nicht glauben dass er am 21. März kommt, so antworte ich: Wann und wo habe ich gesagt dass der Herr heute kommen könne? Sie sagen doch, ich nicht, denn ich kann nicht glauben an die geheime Entrückung vor der Trübsal, weil ich sie nicht finde in meiner Bibel. ...

Wenn wie sie glauben, Johannes. Walther ein besonders treuer Knecht ist, so wird sein Herr ihn entweder legitimieren am 21 März 1912, oder aber wenn er trotzdem irrt, ihn vom Irrtum seines Weges zurechtbringen. Aber dass wir an seine Rechnungen deshalb nicht glauben, weil wir ihn nicht kennen, oder weil er kein anerkannter Führer unter den Gläubigen ist, das liebe Bruder, ist eine unwahre und ungerechte Beschuldigung. Ebenso ist es nicht brüderlich uns zu charakterisieren als Werkzeuge Satans, der jetzt unter dem Deckmantel der Vorsicht die Kinder Gottes von der Wahrheit behüten will (S. 11).

Es ist unwahr und ungerecht war das sie uns in die Schuhe schieben, wir hätten Walthers Schriften kaum oder gar nicht gelesen "weil wir es nicht wagen, mit ernsten eigenen Prüfen an das Gebiet heranzutreten." 
Lieber Bruder, wir wagen sogar trotz ihrer drei Gideonszeichen, Ihnen zu sagen: Sie irren auch darin. Es ist unwahr und ungerecht, wenn Sie behaupten wir warnen, weil es zum guten Ton gehört, zu warnen (S. 12). 
Sie sagen: Krieg, offene Empörung und dergleichen mehr darf noch nicht sein, das darf erst sein, wenn die Entrückung stattgefunden hat (S. 17). Trotz ihren Unterstrichenem "darf" glauben wir dennoch dem Wort unseres Herrn mehr. ...
Weil das nun unser ganz klarer und gewisser Glaubensgegenstand ist, so bitten wir Sie - in der Liebe, die wir auch zu ihnen haben, um des Herrn willen - besinnen Sie sich noch einmal, ehe sie mit dem 21. März 1912 fallen.
Damit wende ich mich aber nun an die Leser von Voigts Schrift wie an die Leser des Weissagungsfreund. 
Lieber Brüder, wenn wir bestimmt glauben, Johannes Walther und R. Voigt sich dennoch getäuscht und die Gemeinde des Herrn verwirrt haben:
Er kommt doch wieder!
Mögen noch Hunderte von ihnen falsch rechnen Er kommt doch wieder! ..."

Und auch eine politische Spitze verbindet Limbach mit seinem Votum

"Lass uns wachen und ebenso last uns festhalten trotz allem und allem. Er kommt wieder! Er kommt bald!
Die Kirche sofern und soweit sie jetzt mit der gottfeindlichen Sozialdemokratie buhlt und ihren Greueltrank den Massen bringt, statt dem edlen Wein göttlicher Wahrheit wird auch durch die Sozialdemokratie fallen."

Damit dürfte er, obwohl in der Schweiz wohnhaft, auch wiederum mit den deutschen Alldeutschen auf ähnlicher Wellenlänge schwimmen, die ja gleichfalls die Sozialdemokratie als ein zeitgenössisches "Krebsgeschwür" bewerteten.

Eine dritte zeitgenössische geistesverwandte Zeitschrift namens "Das Prophetische Wort" ist noch mit zu benennen. In ihr ist schon mal auffällig, dass der Robert Voigt in ihr nicht genannt wird. Gleichwohl kam diese von E. F. Stroeter herausgegebene Zeitschrift nicht darum herum, auch auf den dubiosen 21. März 1912 zu sprechen zu kommen.
Auffällig, Stroeter hält sich da kurz, sehr kurz, namentlich im Vergleich zu den Voten der "Aussicht" oder des "Weissagungsfreundes". Und diese Wortkargheit hat auch eine ganz spezifische Ursache. Indem es Stroeter war, der dem Küppers in seiner Zeitschrift eine Tribüne bot, wie sie Küppers zu der Zeit andernorts nicht bekam.
Wesentliche Passagen der Küpper'schen Bücher waren bereits als Vorabdruck im "Prophetischen Wort" erschienen.
Nur wie sich das ganze nun auf die Engführung auf den 21. 3. 1912 zuspitzte, da wurde diese Zuspitzung, dann auch dem Stroeter, spät, ziemlich spät, noch unheimlich.
Ströter meint sich nun in der Form einer Fragenbeantwortung aus der Schlinge ziehen zu können. In der Februar-Ausgabe 1912 des "Prophetischen Wortes" liest man dazu:

"Fragekasten
Wie ist Ihre Stellung zu der Bestimmtheit, mit welcher Johannes Walther in seiner neuesten Schrift "Auf Gottes Wunderwegen" sich berufen glaubt zu verkündigen, daß die Entrückung der Gläubigen geschehen wird vom 20. auf den 21. März 1912?
Antwort:
Wir beklagen dieselbe tief als eine sehr bedenkliche Entgleisung des uns so teuren Bruders und Mitarbeiter. Wir lehnen seine "Weissagung" entschieden ab. Aber wir lassen nicht ab, zu bitten, daß dem teuren Bruder eine sehr gefährliche innere Katastrophe erspart bleiben möge, wenn nun der 21. März 1912 vorübergehen sollte ohne die Erfüllung seiner Vorhersagung. Alle, die ihn lieben und schätzen gelernt wegen seiner köstlichen Arbeiten auf dem Gebiet der Schriftdeutung, werden uns darin gewiß unterstützen. Der Bruder steht vor einem Zusammenbruch, wenn er sich täuschen sollte."

Aller "guten Dinge" sind dann in diesem Falle wohl vier. Es gab noch eine weitere bekannte Zeitschrift, welche sich bemüßigt sah, auf vorgenanntes Thema einzugehen. Und zwar die Zeitschrift der deutschen Baptisten, namens "Der Wahrheitsfreund". In deren Jahrgang 1911 (S. 404f.) konnte die dortige geneigte Leserschaft vernehmen:

"Der 21. März 1912.
In er letzten Zeit ist in gläubigen Kreisen außerordentlich viel über die Offenbarung Johannis sowie über das nahe Kommen des Herrn geschrieben worden. Besonderes Aufsehen erregte ein Dr. Küppers, der unter dem Decknamen Johannes Walther schreibt. Er gefällt sich besonders stark in Berechnungen. So hat er herausgefunden, daß der 21. März 1912 der Tag sein werde, an welchem der Herr Jesus wiederkommt, um die Seinen zu sich in die Luft zu entrücken.
Das wird gewiss vielen eine Überraschung sein. Die meisten werden zweifelnd den Kopf schütteln. Andererseits ist es angenehm, daß es einen so kurzen Termin hat, da wird man ja nur noch ein kleines Vierteljahr zu warten brauchen, um zu sehen, ob er recht hat oder nicht."

Dann räumt genannte Zeitschrift ein:

"Wir haben weder seine beiden großen Bücher "Gottes Weltregierung" und "Wie Gott Wort hält ..." noch auch die kleine Broschüre, welches das erstere empfehlen soll, gelesen. Die Zahlen taten es uns von vornherein an. 
Aber mit Interesse haben wir gelesen, wie sich der Evangelist H. Dallmeyer in dem Blatte der Gemeinschaftsbewegung "Auf der Warte" mit einem angehenden Doktor über dies Buch auseinandersetzt. Nachfolgendes wird auch unsere Leser interessieren."

Und dann wird entsprechend zitiert:

"Ich kann Ihnen aber sagen, daß es mir schwer geworden ist, durch die vierzehn Seiten der Broschüre hindurchzukommen. Ich will hier die Anfangssätze der Schrift hersetzen. Sie lauten:
"Trotz aller fehlgeschlagenen Berechnungen und trotz aller Warnungen haben wir den Mut, mit voller Ruhe und Sicherheit im Frühjahr 1912 die Entrückung zu erwarten. Wir sind der Überzeugung, daß bis auf diesen Zeitpunkt noch Friede herrschen wird, daß aber dann, sobald die Entrückung geschehen ist, die große Drangsalszeit beginnen wird, von der im Worte Gottes soviel und mit so ernsten Worten die Rede ist.
Auf Grund des Wortes Gottes sind wir ferner der Überzeugung, daß diese Drangsalszeit im Jahre 1915, d. h. nach einer Dauer von 3 ½ Jahren auf ihren Höhepunkt gelangt sein wird, und daß alsdann der Herr samt allen seinen seit 1912 verklärten Heiligen erscheinen wird, um endlich hier auf dieser Erde das lang verheißene herrliche messianische Reich des Friedens und der Gerechtigkeit aufzurichten."
Sie teilen mir nun in Ihrem Schreiben mit, fährt Dallmeyer fort, daß Johannes Walther in seinem neu erscheinenden Buch "Auf Gottes Wunderwegen" voraussichtlich bekanntgeben wird, daß "wahrscheinlich der 21. März 1912 die Entrückung bringen wird."

Dann wird im folgenden einiges aus dem Küpper'schen Schrifttum rezipiert:

"Als von Ihnen gemeinte Broschüre kann nur die "Das Jahr 1912 und seine Bedeutung für die Gläubigen" in Frage kommen.
1) Auf Seite 2 der Broschüre findet sich eine besondere Annonce, die auf das Buch "Gottes Weltregierung" hinweist.
2) Jeden Punkt in der Broschüre beginnt der Verfasser mit den Worten:
"In unserem Werke über "Gottes Weltregierung" usw.
3) Auf Seite 15 schreibt der Verfasser folgendes:
"Wir möchten ferner noch hingewiesen haben auf ein sehr wunderbares Zeugnis, das wir der großen Pyramide von Gizeh, dem Steindenkmal Gottes in Ägyptenland (Jes. 19, 12) entnehmen können. In einem Buche, das unter dem Titel "Wie Gott Wort hält, Ouvertüren zur Weltgeschichte" aus unserer Feder erschienen ist, ist näheres davon gesagt; hier soll davon nicht weiter die Rede sein, da dieses Zeugnis, so beachtenswert es ist, für sich allein in keiner Weise zwingend ist, vielmehr nur als Ergänzung und Bestätigung für anderweitig schon gesicherte biblische Masse in Frage kommen kann. Dazu kommt noch ein anderes, besonders schwerwiegendes Zeugnis, das wir in einem besonderen Buche besprechen müssen. Das Buch hat unter dem Titel "Die letzten vier Jahrhunderte im Lichte der Bibel" so eben zu erscheinen begonnen, und für den Verfasser ist das, was dort behandelt wird, das festeste unter den äußeren Gründen für seinen Glauben, daß bis zum Jahre 1912 noch Friede herrschen, dann aber alles drunter und drüber gehen wird. Doch alle diese äußern Gründe, so schwer sie ins Gewicht fallen, sie würden nicht genügt haben, uns solche Zuversicht zu geben, daß wir den Mut hätten, vor jedermann für 1912 als Jahr der Entrückung einzutreten; dazu bedurfte es noch eines ganz besonderen Eingreifen Gottes in des Verfassers Lebensweg ..."

Und nach diesen Zitaten fügt dann der "Wahrheitszeuge" seinerseits als redaktionelles Schlusswort an:

"Wir sind doch durch die Zungenbewegung gerade genug angeführt worden, wir möchten nicht noch einmal auf "neue Erfindungen" hineinfallen."

Dennoch muss sich auch die Redaktion des "Der Wahrheitszeuge" sagen lassen, dass ihr Gedächtnis offenbar etwas kurzatmig ausgeprägt ist.
Just im selben Jahrgang des "Wahrheitsfreundes" (S. 280) gab es nämlich davor, ein offenbar auf kommerzieller Basis aufgenommenes Buchinserat. Mag man entschuldigend anerkennen. Genannte Redaktion habe ja jenes Büchlein vorab überhaupt nicht selbst gelesen, welches der Inserent da angepriesen haben will; so ist das zwar anzuerkennen. Gleichwohl kann man durchaus auch die Frage stellen. Warum wurde jenes Büchlein just auch in dieser Zeitschrift inseriert? Weil doch wohl der Inserent sich Hoffnung machte, dort eben die geeignete Zielgruppe vorzufinden!
Und wenn die Redaktion jenes Blattes besagtes Inserat ohne Federlesen durchwinkte, spricht dass nicht unbedingt für deren Kompetenz.
Besagtes Inserat lautete:

"Neu!
Sturmsignale nahender Weltereignisse
Oder: Die immer deutlicher werdenden Zeichen des Kommens Jesu Christi!
Für Gläubige und Ungläubige.
84 Seiten a 60 Pfg. Wiederverkäufer hoher Rabatt
Rob. Voigt, Selbstverlag, Einbeck"

(Reproduzierung des Inserats nach einer Variante der „Freiburger Zeitung")
Man vergleiche thematisch auch, wie ein die Gegend um Freiburg erschütterndes Erdbeben im Jahre 1911, just dazu genutzt wurde die Werbetrommel für die genannte Voigt'sche Narrenschrift zu rühren. Womit die Frage offen bleibt, wer wohl die größeren Narren sind. Der Voigt oder seine geschäftstüchtigen Vermarkter!
„Freiburger Zeitung" vom 18. 11. 1911
Serie Vor Einhundert Jahren
http://forum.mysnip.de/read.php?27094,89649,114819#msg-114819
04. November 2011 00:25
Exkurs: 
Im Gegensatz zu Voigt suchte sich Küppers alias Johannes Walther, bei seinen anfechtbaren Thesen etwas mehr bedeckt zu halten.
Exemplarisch veranschaulichbar auch an seinem 1910 erschienenen Buche „Gottes Weltregierung
Für Gläubige und Ungläubige aus Gottes Wort erklärt" 
(in zwei Teilen erschienen. Teil I und II weisen jeweils separate Seitenzählungen auf). 
In ihm kann man beispielsweise die These lesen:

„Eine gewisse Wahrscheinlichkeit für 1912 als Jahr der Entrückung ergibt sich uns schon da, zumal wenn wir bedenken, daß nach Kap. 11, 9-11 die Zeit der Drangsal 3 ½ Jahre währen soll. Ein solcher Zwischenraum liegt nämlich erstens zwischen Frühjahr 609 v. Chr., der Schlacht bei Megiddo, in der Josia fiel und Israel in Nechas Hände fiel, und der gegen Ende des Jahres 606 v. Chr. Geb. erfolgten Einnahme Jerusalems durch den in diesem Jahre durch Nabopolassar zum Mitregenten ernannten Nebukadnezar. Derselbe Zeitraum liegt aber auch zweitens zwischen dem Siege der Reformation im Frühjahr 1552 und der im Herbst des Jahres 1555 erfolgten Ratifizierung des Augsburger Religionsfriedens Von 609/6 v. Chr. an aber reichen sieben "Zeiten" bis 1912/15 n. Chr., wogegen eine "Zeit" von 1552/55 an auf ganz dieselben Jahre, nämlich auch auf 1912/15 reicht.
Dazu kommt, daß die große Pyramide, das wunderbare "Steindenkmal Gottes in Egypterland" (Jes. 19,19) uns auch auf 1912, und zwar auf März des Jahres als Zeitpunkt der Entrückung weist.
 
(Weltregierung Teil II S. 257).

Auch mit den sattsam bekannten Anzeichenbeweisen hält es Küppers.
Dafür steht zum Beispiel seine Aussage:

„Denn wir sind der Meinung, daß 1912, wenn sieben Zeiten seit der Schlacht bei Megiddo und seit dem Tode Josias vergangen sein werden, die Ruhm und segensreiche Regierung der Wilhelminischen Epoche ein Ende nehmen wird, so wie 609 v. Chr. die letzte Gnadenzeit Jerusalems ein Ende nahm, und ferner, daß von Deutschland aus alsdann ein Weltkrieg und der große revolutionäre Umsturz und alles, was damit zusammenhängt, sich über die Welt verbreiten wird. Denn so wie damals, als seit dem Falle Samarias (720 v. Chr.) 2520 Jahre verflossen waren, von Frankreich aus sich über Europa eine Katastrophe verbreitete, so scheint jetzt, wo bald 2520 Jahre seit dem Gericht an Juda und Jerusalem verflossen sein werden, Deutschland zu jener traurigen Führerrolle berufen zu sein, die damals Frankreich übernahm."

Weiter Küppers in seiner Interpretation: 

„Ist nicht trotz all der ernsten Warnungen und all den liebevollen Mahnungen des Kaisers, der sich, wie einst Josia, dem unheilvollen Strom der Zeit mit aller Macht entgegengestemmt, jetzt grade Deutschland der Mittelpunkt des revolutionären Geistes unserer Zeit. Es ist der Ausgangspunkt und auch der Brennpunkt der modernen Bibelkritik, die heute fast in allen Kirchen der Welt mehr oder weniger zum Siege durchgedrungen ist. Es ist der Ausgangspunkt und auch der Brennpunkt aller sozialdemokratischen Verhetzung unserer Tage. Es ist das Hauptexportland für die pornographische, die antikirchliche und antimonarchistische Literatur der Welt. Ja man kann sagen, in keinem Lande gilt der absolute Unglaube als etwas so selbstverständliches, in keinem Lande ist die Presse und die gesamte Bürgerschaft so über jede Achtung vor dem Glauben an einen persönlichen Gott und seine Offenbarung erhaben, wie grade in Deutschland. Kolporteure, die schon in anderen Ländern christliche Schriften feilgeboten haben, sind vielfach ganz entsetzt, wie sie mit einem Male behandelt werden, wenn sie in eine deutsche Großstadt kommen und ob wohl irgend ein Land sich gegen einen Herrscher wie Kaiser Wilhelm II. so absolut verstecken würde, wie Deutschland es doch tut?" (Weltregierung Teil II S. 201)

Obwohl er einerseits ein aus seiner Sicht Schreckensgemälde aufzeichnet, und wähnt nur die wunderbare angedachte „Entrückung" könne daraus erlösen, so versäumt er es doch nicht, sich die berühmten Hintertürchen einzubauen.
Das liest sich bei ihm dann etwa so:

„Vielleicht ist 1915 das Jahr der Wiederkunft und der Aufrichtung des Reiches in Jerusalem, indes auch 1923 und 1934 kämen dafür immerhin noch in Betracht; denn 598 v. Chr. erfolgte die zweite Einnahme Jerusalems durch Nebukadnazar und die Wegführung Ezechiels und der größten Masse des Volkes, während erst 587 Tempel und Palast in Flammen aufgingen. 
Über 1934 hinaus ist jedenfalls eine Verlängerung der Zeit der Heiden nicht weiter denkbar. Bis dahin muß das Volk der Heiligen im Vollbesitz der Macht und Ehre sein, die ihm verheißen ist."
(Weltregierung Teil I S. 51)

Ein Jahr später in seinem „Auf Gottes Wunderwegen. Die Geschichte meiner Berufung" liest man indes vollmundig:

"Sei getrost und fürchte dich nicht. Ich bin mit dir. Ich habe dich berufen, zu verkünden, daß nun gewiß das Ende kommt, "daß bis zum Jahre 1912 noch Friede herrschen, dann aber, nach erfolgter Entrückung, die Katastrophe kommen wird, vor der ich meine Gläubigen bewahren will. Ja, auch den Tag darfst du verkündigen, es wird geschehen vom 20. zum 21. März."
Das ist in allerkürzester Form der Inhalt dieses Werkes. Die Bürgschaft für die Richtigkeit liegt in der über alle Maßen wunderbaren und ohne Gott nicht zu erklärenden, ganz neuen Art und Weise, durch die Gott dem Verfasser dies alles zur Gewißheit werden ließ. Gott ist ihm nicht erschienen und hat ihm keinen Engel gesandt, doch Er hat Licht auf Licht vor des Verfassers Auge angezündet, und die Gesamtheit aller dieser Lichter ergibt in Flammenschrift die obigen drei Worte.
Tatsache ist, daß wir nicht der Verfasser, sondern nur der Schreiber dessen sind, was hier geschrieben steht."
 
(Wunderwege Band I S. 4)

Auch seine ebenfalls 1911 erschienene Separatschrift mit dem Titel: „Das Jahr 1912 und seine Bedeutung für die Gläubigen" atmet diesem Geist, wenn in ihr schon einleitend ausgeführt wird:

„Trotz aller fehlgeschlagenen Berechnungen und trotz aller Warnungen haben wir den Mut, mit voller Ruhe und Sicherheit im Frühjahr 1912 die Entrückung zu erwarten. Wir sind der Überzeugung, daß bis auf diesen Zeitpunkt noch Friede herrschen wird, daß aber dann, sobald die Entrückung geschehen ist, die große Drangsalszeit beginnen wird, von der im Worte Gottes so viel und mit so ernsten Worten die Rede ist.
Auf Grund des Wortes Gottes sind wir ferner der Überzeugung, daß diese Drangsalszeit im Jahre 1915, d. h. noch einer Dauer von 3 1/2 Jahren auf ihren Höhepunkt gelangt sein wird und daß alsdann der Herr samt allen seinen seit 1912 verklärten Heiligen erscheinen wird, um endlich hier auf dieser Erde das lang verheißene herrliche messianische Reich des Friedens und der Gerechtigkeit aufzurichten."
(S. 3)

Und letztere Vollmundigkeit ist dann namentlich von dem Voigt auch übernommen worden.

Was nun die etwas mehr etablierten theologischen Kreise anbelangt, so ist eine Buchbesprechung im 54. Jg. 1912 der „Pastoralblätter" exemplarisch (S. 579f). Küppers („Walthers") Buch „Gottes Weltregierung, für Gläubige und Ungläubige aus Gottes Wort erklärt" ist dort Gegenstand der Besprechung. Indes einen Hinweis auf die auf 1912 zugespitzten Thesen, werden die Leser jener Zeitschrift dort wohl kaum vorgefunden haben. Man zieht sich dort auf die Linie zurück, etwas mehr allgemein gehalten zu kritisieren.
Etwa in der Form:

„Gegen diese Berechnung läßt sich nun so manches einwenden, z. B. Woher weiß der Verf., daß die Thronbesteigung Nabonassors (als Anfang des babylonischen Reiches und daher auch der Ausgangspunkt der ganzen Berechnung) ausgerechnet am 26. Febr. 747 v. Chr. und die Abdankung des letzten römischen Kaiser Romulus Augustus am 22. Aug. 476 n. Chr. stattgefunden hat?"

Es werden also insbesondere seine historischen Daten der Kritik unterworfen. Diese Kritik wird zwar nebulös erweitert auf die Küpper'sche These in der Endzeit sich zu wähnen. Das aber eher im Sinne den Pelz waschen zu wollen, ohne dabei nass zu werden.
Man hält Küppers im weiteren vor, der Bibelspruch vom Predigen des Reiches Gottes auf der ganzen Welt, habe sich aber so noch nicht erfüllt. Da gäbe es halt noch „Lücken".
Und damit ist für diese Zeitschrift der Fall Küppers „abgefrühstückt" und der Übergang zur Tagesordnung angesagt, auf der dann allerdings, für Küppers kein weiterer Platz mehr vorhanden ist.


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