N. H. Knorr


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 23. April 2005 02:55:44:

Da sich am heutigen Tage der 100. Geburtstag des früheren WTG-Präsidenten N. H. Knorr jährt, sei wenn auch theoretisch die Zeugen Jehovas keine Geburtstage mehr feiern (zur Zeiten Russells war das noch anders), darauf einmal in Stichpunkten eingegangen.

Systematisch hatte Knorr schon zu Rutherford's Zeiten, die entscheidenden Machstellungen inne. Zollte er seinem Chef auch Unterstützung auf Kongressen mit Stöcken bewaffnet, so war das eher doch eine Formalie. Während Rutherford, „weit weg vom Schuss" am Kamin von Beth Sarim saß, und sich unterstützt von Schottischen Whisky dazu inspirieren ließ, zu verkünden mit dem Heiraten bis „nach" Harmagedon zu warten, war Knorr der faktischer Statthalter in Brooklyn. Formal die Funktion des Direktors des Druckereibetriebes der WTG wahrnehmend, in Nachfolger des Herrn Martin. Jener Martin, der so die beschönigende Lesart der WTG, für Rutherford den Beth Sarim Deal eingefädelt hatte. Da verwundert es nicht sonderlich, dass er die Nachfolge von Rutherford, ohne Komplikationen, antreten konnte.

In der englischen Ausgabe des Watchtower vom 1. 2. 1942 liest man im Impressum erstmals den Namen N. H. Knorr als neuer WTG-Präsident. In der Ausgabe vom 15. 1. 42 war an derselben Stelle noch der Name Rutherford's genannt. In einem knappen Nachruf in genannter Februar-Ausgabe des „Watchtower" wird betont, dass Rutherford sozusagen „in den Stiefeln" verstorben sei, indem es ihm vergönnt gewesen war noch den Bericht für das aktuelle Jahrbuch der Zeugen Jehovas fertigzustellen. Sozusagen als „Ruhmesgesang" auf Rutherford findet sich darin auch die Angabe, dass von Rutherford eine Gesamtsumme von 36.030.595 Exemplaren von Bücher und Broschüren verbreitet wurden. Wieviele davon, ungelesen, in irgendwelchen Ecken der Bücherschränke verstaubten; darüber gab sich der WT lieber keine Rechenschaft.

Immerhin verdeutlicht diese Millionenzahl wohl auch, welches enormes Treppenterrierdasein der Zeugen Jehovas, zu deren Absetzung, erforderlich war. Indem in diesem Nachruf, diese wirtschaftliche Komponente auch einen gebührenden Platz fand, wird deutlich worum es der WTG-Führungsspitze letztendlich geht. Jedenfalls wird man wohl kaum sagen können; sie sei „Verächter" ökonomischer Überlegungen.

Über den neuen Mann Knorr liest man so gut wie nichts in dieser WT-Ausgabe, (das folgt erst i n der Ausgabe vom 15. 2. 1942), womit auch deutlich wird, dass der Führungswechsel (diesmal) relativ reibungslos vonstatten ging.

Alle Schlüsselstellungen hatte er schon in der Hand. Wie Rutherford, sich noch mit einer Opposition herumschlagen; das blieb ihm erspart. Alles kuschte, und Knorr, der Kronprinz, ward nun neuer WTG-Präsident.

Sicherlich setzte er neue Akzente. Nunmehr nach Beth Sarim umzuziehen, das behagte ihm nicht. Er zog es schon vor, weiter an den Schaltstellen der Macht, direkt präsent zu sein.
Durch den (auch) Zeugen Jehovas Marley Cole lässt er sich denn bescheinigen: Seine Mitarbeiter sprechen von ihm nicht als von einem Antreibertyp, sondern als von einem Mann „der Tüchtigkeit zu schätzen weiss". Was diese geschraubte Redeweise indes in der Praxis bedeutete, kann man allein schon an dem Umstand ablesen, dass es mit zu den ersten, von Knorr zu verantworteten Handlungen gehörte, zu verlangen: Der einfache Zeuge Jehovas möge monatlich 60 Stunden Predigtdienst absolvieren (Pioniere entsprechend noch mehr). Konnte diese Forderung auf Dauer nicht durchgehalten werden; so ist allein schon ausschlaggebend, dass sie überhaupt einmal erhoben wurde.

Für Knorr und Nachfolger galt also: Die Zitrone wird ausgepresst bis zum letzten Tropfen, bis zum allerletzten Tropfen. Das ist dann das in die Praxis umgesetzte „schätzen von Tüchtigkeit".

Insofern repräsentiert auch Knorr den Managertyp amerikanisch-Yankee'scher Prägung. Vieles von Rutherford bereits eingeführtes, wurde von ihm weiter ausgebaut. So insbesondere der Komplex Predigtdienst, die Schaffung der "Gilead"-Missionarschule, die „Theokratische Predigtdienstschule" auch für die einfachen Zeugen Jehovas, und anderes mehr.

Sagt man in bezug auf den vormaligen Polenpapst Woityla, im inneren fuhr er eine äußerst restriktive Linie, so gilt wohl auch für Knorr ähnliches. Kann man Rutherford in gewisser Hinsicht noch als Theoretiker ansprechen, wovon sein immenses Schrifttum Zeugnis ablegt, so Knorr eher weniger. Der diesbezügliche „Elias-Mantel" ging auf den Fred Franz über, belohnt durch den späteren WTG-Vizepräsidenten-Posten. Nach einer zeitweiligen Episode des Covington, auch Rechtsanwalt, wie Rutherford, auf diesem Posten.

Dieweil Knorr in erster Linie Manager war, und erst in zweiter Linie „inspirierende" Gedanken zu verkünden wusste, war es durchaus konsequent, dass die Namensnennung im WTG-Schrifttum, nunmehr von ihm eingestellt wurde. Alles veröffentlichte nunmehr nur noch anonym die „Society".

Gemessen an den „Charisma" der ersten drei WTG-Präsidenten, Russell, Rutherford, Knorr, erwies sich alles andere, was danach noch die Spitzenposten innehatte, als relativ farblos.
„Farblos" ist mittlerweile auch - mehr oder weniger - die gesamte WTG-Literatur geworden. "Inspirierende" Bücher, wie seinerzeit etwa Russell's „Schriftstudien" oder Rutherford's „Licht", sucht man, allen Druckereitechnischen Fortschritt zum trotz (Illustrationen, Bilder usw.) in neueren WTG-Publikationen vergebens. Zu dieser relativen „Farblosigkeit" gehört mittlerweile auch, die Anpassung an die übrigen Gepflogenheiten von „Babylon der Grossen" (KdöR und anderes mehr), wovon inzwischen auch die Zeugen Jehovas ein Teil geworden sind.

Siehe auch:
19272Furchtsamen

19432Heiraten

CV 97

ForumsarchivA21

19422Zaesur

19482Visite

Ueberlebenskuenstler

Weltfriede


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