Schweizer Visite

Der seinerzeitige deutsche WTG-Repräsentant Paul Balzereit, klagte in einem Rückblick einmal, dass er bei den einmal jährlich stattfindenden Visitationen des US-amerikanischen WTG-Präsidenten, er sich hässliche Vorhaltungen anhören musste. Diese Erfahrung sollten nun auch die Schweizer Zeugen Jehovas machen. Der neue WTG-Präsident N. H. Knorr lies bei seiner ersten Visite laut „Wachtturm" (1948 S. 31 ) bemängeln:

„Die Tatsache, dass die Schweizer Geschwister im Jahre durchschnittlich nur etwa sechs gebundene Bücher pro Verkündiger absetzten, hatte schwerlich dazu beigetragen bei den Leuten viele solcher Heimbibelstudien einzuführen. Jahrelang ist nun die Zahl der Verkündiger in der Schweiz - im Gegensatz zu der großen Zunahme der Verkündigerzahlen in andern Ländern - ziemlich gleich geblieben. Nicht fest und unzweideutig genug haben sie in der breiten Öffentlichkeit Stellung bezogen, um sich als wahre Bibelchristen auszuweisen. Das ist offenbar der Fall gewesen in der Frage der Neutralität hinsichtlich der Angelegenheiten und Streitigkeiten dieser Welt; im Gegensatz zum Standpunkt eines pazifistischen Dienstverweigerers aus Gewissensgründen, und auch in der Frage, ob sie die wirklichen von Gott verordneten Diener oder Prediger seines Evangeliums seien oder nicht.

Zum Beispiel nahm es das Schweizer Büro auf sich, in der Ausgabe des Trost vom 1. Oktober 1943 (Schweizer Ausgabe von Consolation), also während der zunehmenden Bedrängnis des letzten Weltkrieges, als die politische Neutralität der Schweiz bedroht zu sein schien, eine Erklärung zu veröffentlichen, in welcher ein Satz wie folgt lautet:

'Hunderte unserer Mitglieder und Glaubensfreunde haben ihre militärischen Pflichten erfüllt und erfüllen sie weiterhin.'

Diese einlullende Erklärung hatte sowohl in der Schweiz als auch in gewissen Teilen Frankreichs Beunruhigung hervorgerufen. Unter herzlichem Beifall legte nun Bruder Knorr als Präsident mutig dar, dass diese Worte der Erklärung abgelehnt werden, weil sie nicht die Stellung der Gesellschaft dartun und nicht in Harmonie sind mit den christlichen Grundsätzen, wie sie in der Bibel deutlich enthalten sind. Jetzt war die Zeit für die Schweizer Geschwister gekommen, vor Gott und seinem Christus ein Bekenntnis abzulegen, und als Antwort auf Bruder Knorrs Einladung, sich zu äußern, erhoben viele Geschwister die Hand, um alle Zuschauenden wissen zu lassen, dass sie ihre stillschweigende Zustimmung zu dieser Erklärung von 1943 zurückzuziehen und diese in keiner Weise mehr zu unterstützen wünschen."

Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen gab Knorr dann noch die Anweisung, denn Literaturverkauf von WTG-Schriften an den Haustüren zu intensivieren und sich auch nicht durch Vorschriften über die Regelung des Hausiergewerbes beeindrucken zu lassen.

Der Wachtturm vermerkt dazu: „Wenn nötig, soll der Kampf bis zum Gericht höchster Instanz geführt werden. ... Ein langer Kampf vor den Schweizer Gerichten mag sich ohne Zweifel entwickeln; aber wir werden die Sache durchführen, so wie dies schon in den Vereinigten Staaten mutig getan wurde." (S. 32)

Diese Ausführungen offenbaren etwas von der damaligen Stimmungslage. Nicht so sehr die Schweiz sollte sich in der Perspektive zum „Kriegsschauplatz" entwickeln. Aber die gleichen Grundsätze wurden auch auf andere Verhältnisse schematisch übertragen. Und siehe da, in Ostdeutschland kam es diesbezüglich zum wirklichen, faktischen Krieg!

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1948er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte