Annotationen zu den Zeugen Jehovas
Körperschaft des öffentlichen Rechts

Prolog

(Zitat aus der Schweizer Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 5. 1933)

Die Presse berichtet:

"Der deutsche Vizekanzler von Papen hatte eine lange Unterredung mit Kardinal Staatssekretär Pacelli über die Stellungnahme des Vatikans zum Hitlertum. Der Papst scheint geneigt zu sein, auch dem deutschen Fascismus den Segen zu erteilen, unter der Bedingung, dass die Judenverfolgungen etwas weniger öffentlich durchgeführt werden."

Nicht umsonst wird die Staatskirche die "Prostituierte" des Staates genannt. Darum ist derselben das ,,Konkordat" überaus wichtig, wogegen aber auch der Staat alles Interesse an der Untertänigkeit und Willfährigkeit der von ihm bezahlten Kirche hat. Das Konkordat bildet im biblischen Bilde gesprochen den Ehekontrakt dieses von ihr verurteilten ungöttlichen Verhältnisses.

 

Nun ist der sich seit Anfang der 90-er Jahre hinziehende Streit um die von den Zeugen Jehovas erwünschte Gleichstellung mit anderen Kirchen als "Körperschaft des öffentlichen Rechtes" in eine neue Phase getreten. Eine Pressemeldung über die vom Karlsruher Bundesverfassungsgericht am 19. 12. 2000 vorgenommene Urteilsverkündigung besagt:

"Das Bundesverfassungsgericht hob … ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Juni 1997 auf. Darin war den Zeugen Jehovas die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts verwehrt worden.

Die Karlsruher Richter knüpften den Status allerdings an mehrere Voraussetzungen. Nach dem Urteil darf der Staat einer Religionsgemeinschaft dann nicht den bevorzugten Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts verleihen, wenn er gleichzeitig zum Schutz der Grundrechte gegen die Religionsgemeinschaft einschreiten dürfte oder gar müsste.

Konkret wurden die Rechtstreue als Kriterium genannt und der im Grundgesetz garantierte Schutz der Persönlichkeitsrechte sowie die Anerkennung des Kindeswohls. Mit der Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist unter anderem das Recht auf Erhebung von Kirchensteuern verbunden.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte 1997 den Zeugen Jehovas den Status verweigert, weil sie prinzipiell die Teilnahme an politischen Wahlen ablehnen. Diese Forderung nach Loyalität ließ das Bundesverfassungsgericht nicht gelten.

In einem neuen Verfahren muss nun jedoch geprüft werden, ob die von den Zeugen Jehovas empfohlenen Erziehungspraktiken das Kindeswohl beeinträchtigen und ob austrittswillige Mitglieder zwangsweise in der Gemeinschaft festgehalten werden".

Die Karlsruher Richter haben mit diesem Urteil eines dokumentiert; dass sie insgesamt das Privilegiensystem "Körperschaft des öffentlichen Rechts" nicht in Frage stellen. Es darf davon ausgegangen werden, dass dieses Urteil Signalcharakter besitzt. Schon haben andere Gruppen überdeutlich erklärt, dass auch sie privilegiert werden möchten. Damit kommen auf den Steuerzahler weitere zusätzliche Belastungen zu.

Vielleicht gibt es im Falle der Zeugen Jehovas, wie aus der obigen Mitteilung entnehmbar, noch ein juristisches "Nachgeplänkel". Indes die eigentliche Hauptschlacht dürfte geschlagen sein.

"Sankrosant" sind die Zeugen Jehovas dadurch nicht geworden. Sie werden weiterhin damit leben müssen, dass sich Kritik an ihnen artikuliert. In ihrer eigenen (früheren) Terminologie haben sie sich damit auf dem Weg nach Babylon begeben. Aber das dürften sie ja selbst aufgrund ihrer Bibelkenntnis wissen, dass schon in biblischen Zeiten gewisse Leute murrten, immer nur "Manna" als Speise zu bekommen. Sie wollten unbedingt wieder an die Fleischtöpfe Ägyptens. Dies wiederholt sich jetzt offenbar wieder.

Im Vorfeld jener Karlsruher Entscheidung hatte ich mal kommentiert:
"Eigentlich möchte ich nicht unbedingt ein Urteil im Stile der klassischen Ja oder Nein-Antwort abgeben. Vieles ist möglich. Einiges mehr wahrscheinlich, anderes weniger.... Habe ich Vertrauen zur Justiz? Nicht immer und überall.

Ein geschichtlicher Rückblick (mit dem ich mich im Detail schon beschäftigt habe - in der 'Geschichte der ZJ'). Damals in den dreißiger Jahren gab es in der Schweiz den Fall Boris Toedtli. Der lief eigentlich unter entgegengesetztem Vorzeichen.

Da hatten sich katholische Kirche und Nazis über Schweizer Mittelsmänner auf einer gemeinsamen Interessenlage gesucht und gefunden. Beiden waren die kirchenkritischen Zeugen Jehovas verhasst. Beide setzten alles daran (auch in der Schweiz), sie wenn möglich dauerhaft außer Gefecht zu setzen. Ihr handelnder Akteur diesbezüglich war der vorgenannte Herr Toedtli der eine Gerichtsklage gegen sie wegen 'Herabwürdigung der Religion' in Szene gesetzt hatte. In erster Instanz verlor er zwar. Aber es gab noch eine zweite. Und da siegte er.

Demokratische Kreise in der Schweiz (und die waren zu jener Zeit auch in der Schweiz dünn gesät) kommentierten zu dem zweitem Sieg des Toedtli, dass nunmehr die in der Bibel mit dem 'Fall Pilatus und Barabas' beschriebene Situation eingetreten sei (Lukas 23).

Meine persönliche Meinung zu diesen geschichtlichen Vorgängen habe ich schon mal in dem Satz zusammengefasst: 'Die Progressiven von gestern - die Konservativen von heute'.

Mit anderen Worten. In diesem geschichtlichem Vorgang gehört meine Sympathie keineswegs der katholischen-faschistischen Koalition; sehr wohl aber deren Gegenseite.

Das hindert mich aber nicht daran, dieser Gegenseite in der Gegenwart genauso klar den Satz vorzuhalten: Nichts ist so alt, wie der Ruhm von gestern!

Eines lehren die beiden Prozesse in Sachen Toedtli auch noch. Auch die Justiz ist letztendlich von der jeweiligen politischen 'Großwetterlage' abhängig. Dies ließe sich auch noch an anderen Beispielen festmachen. …

Was lehren diese Beispiele? Sie lehren, das auch handfeste ökonomische und sonstige Interessen damit verbunden sind.
Es ist noch gar nicht allzu lange her, da musste sich selbst die damalige Bundesregierung mit einer außenpolitischen Kontroverse beschäftigen. Die USA-Regierung hatte auf Druck des Scientology-Clans Deutschland bezichtigt, hier werde 'Religionsfreiheit' beeinträchtigt. Allerdings haben die Herrschaften in Clearwater etwas unpräzise formuliert. Hätten sie gesagt, die BRD habe in ihrer Angelegenheit unseriöse Geschäftemacherei behindert; dann hätte es den Nagel getroffen."

Soweit jener Kommentar.

Wie schon ausgeführt hätte man sich auch vorstellen können, dass gerichtlicherseits ein Einstieg in Richtung der Beschneidung von Privilegien vorgenommen worden wäre. Indem dies nicht der Fall ist, ist es ein enttäuschendes Urteil

Ein Rückblick:
In dem Rechtsstreit der Zeugen Jehovas in Sachen "Körperschaft des öffentlichen Rechts", fand schon am 20. 09. 2000 eine mündliche Anhörung seitens des Bundesverfassungsgerichtes statt. Das eigentliche Urteil wurde am 19. 12. 200 verkündet.
In einem Vorfeldkommentar vermerkte "Focus" (Heft 38/2000): "Die mündliche Verhandlung ... soll eine öffentliche Debatte auslösen, wie weit der Staat religiöse Gruppen überhaupt beurteilen darf. Am Ende könnte - nach amerikanischem Vorbild - eine schärfere Trennung zwischen Staat und Religion stehen, hoffen Verfassungsrichter."
Letzteren Satz aufnehmend ist zu konstatieren, dass gerade die "schärfere Trennung" das Gegenteil der KdöR-Tendenz beinhaltet. Jene deutsche Besonderheit, als Überbleibsel des Staatskirchentums aus der Kaiserzeit vor 1919, hat den Kirchen (abgesehen von der Hitlerzeit) einige fette Jahrzehnte beschert. Nun versuchen immer mehr Gruppen von dem knapper werdenden Kuchen zu partizipieren. Wenn jedoch (wie offenbar von interessierter Seite gewünscht), der Staat Geschichte, Theologie und Praxis der Zeugen Jehovas nicht beurteilen soll, beinhaltet dies im Gegenzug aber auch, dass letztere keinen Anspruch auf die begehrten "finanziellen Krücken" des Staates haben. Meine Meinung zu dem Streit ist: Ich kann nur sehr hoffen, dass es zu einer schärferen Trennung zwischen Staat und Kirche (respektive auch Zeugen Jehovas) kommen möge.

Es ist festzustellen, dass diese Hoffnung unter den gegebenen politischen Konstellationen, offenbar nicht durchsetzbar ist..

Zu den vorangegangenen Phasen dieser Entwicklung, seien hier noch zwei frühere Kommentare meinerseits dazu wiedergegeben:


(Auswahl) Kommentare zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
In ihrer durch den Rechtsanwalt Weber formulierten und eingereichten Verfassungsbeschwerde wird als ein Argument auch angeführt, dass bereits in einer 1962 gefällten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bezüglich Jehovas Zeugen, auf die Option als "Körperschaft des öffentlichen Rechtes" seitens dieses höchsten deutschen Gerichtes verwiesen wurde. Damals drehte sich der Streit darum, dass für die von den Zeugen Jehovas in eigener Regie durchgeführte Kongressverpflegung auch anteilige Steuern fällig sind, die aber von letzteren nicht abgeführt wurden. Es stellte sich in diesem Verfahren heraus, wären sie schon damals "Körperschaft des öffentlichen Rechtes" gewesen, hätten sie gute Chancen gehabt, um diese Steuergelder herumzukommen. So aber wurde die noch nachträgliche Zahlung fällig. Dieses Beispiel belegt (als eines von mehreren), dass der angestrebte Körperschaftsstatus durchaus etliche, im Mark oder Euro zu beziffernde Vorteile für denjenigen bringt, der ihn erhält.

Weber geht in seiner Replik aber noch weiter. Er meint schlussfolgern zu können, dass schon der damalige gerichtliche Hinweis auf den Körperschaftsstatus zugleich beinhalte, dass die Zeugen Jehovas allen diesbezüglichen Ansprüchen zu seiner Erlangung entsprechen. Dem wurde schon verschiedentlich widersprochen. Und dieser Widerspruch soll auch mit einem Zitat belegt werden, dass man selbst auf der Webseite der Zeugen Jehovas nachlesen konnte. Unter Bezugnahme der Weber'schen Verfassungsbeschwerde wurde seitens des Senates von Berlin auch eine diesbezügliche Stellungnahme in seinem Auftrag von einer Rechtskanzlei zu Händen des Karlsruher Gerichts verfasst. In dieser Stellungnahme findet sich schon die antwortende Feststellung (gekürzt zitiert, ohne die juristischen Details).

Es sei angemerkt, "dass das Bundesverfassungsgericht keineswegs in der Entscheidung von 1962 'ohne jede Einschränkung auf die Möglichkeit des Erwerbs der Rechtsstellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts' hingewiesen hat.

Hintergrund der damaligen Entscheidung war, dass die damalige Beschwerdeführerin zwar gerade aus ihrer religiösen Überzeugung keine Körperschaftsrechte erlangen, jedoch die damit verbundene Umsatzsteuerfreiheit für sich in Anspruch nehmen wollte. Anlässlich dieses Verfahrens machte die damalige Beschwerdeführerin geltend, 'sie könne die Körperschaftsrechte jederzeit erlangen.'

Im Hinblick darauf führte das Bundesverfassungsgericht aus, der Beschwerdeführerin stünde es 'frei, ob sie die Rechtsstellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erwerben will'."

Die für den Berliner Senat gutachtenden Rechtsanwälte weiter zu diesem Thema:
"Abschließend kann daher den Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Komplex allenfalls entnommen werden, dass der betroffenen Religionsgemeinschaft die Rechtsformenwahl freisteht, soweit sie die jeweils einschlägigen Voraussetzungen erfüllt; mehr aber auch nicht." Genau dieses mehr aber auch nicht ist der springende Punkt. Damals hielt man es aus theologischen Gründen für nicht opportun einen solchen Antrag zu stellen. Heute hat man diese Skrupel nicht mehr. Jedoch erst heute ist im Detail ausdiskutiert, ob die nötigen Voraussetzungen erfüllt würden oder nicht. ....

In Heft 4/1997 der Zeitschrift "Gegenwartskunde" (S. 495-506) kommentierte Heiner Adamski das Urteil des Berliner Bundesverwaltungsgerichts vom 26. 6. 1997, dass in seiner Substanzaussage beinhaltete, dass den Zeugen Jehovas der erstrebte Status als "Körperschaft des öffentlichen Rechts" nicht gewährt wurde. ...

Adamski kommentiert einleitend:
"In Deutschland ist es in diesem Jahrhundert zu einer nachhaltigen Veränderung der religiös-weltanschaulichen und kirchlichen Landschaft gekommen. In Ostdeutschland - in der ehemaligen DDR - sind Kirchenmitglieder mittlerweile eine Minderheit. In freikirchlichen Gemeinschaften mit teilweise unverständlich-realitätsfernen Vorstellungen und exklusiven Ansprüchen sind hingegen Mitgliederzuwächse und gewisse Stabilisierungstendenzen zu erkennen. Die Mitgliederzahlen sind hier freilich insgesamt im Verhältnis zu den großen Kirchen nach wie vor sehr gering."

Im folgenden referiert Adamski das Zeugen Jehovas Urteil vom 26. 6. 97 im Detail. Als Kernsatz kann man sicher die Feststellung ansehen: "Die Klägerin (die Vertreter der Zeugen Jehovas) bringen dem demokratisch verfassten Staat nicht die für eine dauerhafte Zusammenarbeit unerlässliche Loyalität entgegen. … Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, kann ein Zeuge Jehovas, der auf der Teilnahme an staatlichen Wahlen beharrt, nicht in ihrer Gemeinschaft verbleiben. Mit diesem religiös begründeten Verbot der Wahlteilnahme und dem entsprechenden Verhalten ihrer Mitglieder setzt die Klägerin sich in einen verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Widerspruch zu dem für die staatliche Ordnung im Bund und in den Ländern konstitutiven Demokratieprinzip, das zum unantastbaren Kernbestand der Verfassung gehört."

Zu dem Aspekt, dass in der Bundesrepublik keine Wahlpflicht besteht wurde ausgeführt:
"Das Fehlen einer solchen Rechtspflicht besagt nicht, dass der demokratisch verfasste Staat der Beteiligung der Bürger an den Wahlen 'neutral' oder indifferent gegenüberstünde.

Diese Verantwortung wird nicht dadurch geschmälert, dass das Wahlrecht nicht zu einer Wahlpflicht ausgestaltet ist, weil es gute Gründe dafür gibt, von einer solchen Pflicht abzusehen."

Seine Resümee fasst dieses Urteil auch in dem Satz zusammen:
"Entgegen der Annahme der Klägerin ist dieser (erstrebte) Status keine notwendige Folge der Religionsfreiheit, sondern eine staatliche Vergünstigung, auf die die Religionsgemeinschaften zur Ausübung ihrer Freiheit nicht angewiesen sind. Infolgedessen bleibt der Klägerin der durch Art. 4 I und II Grundgesetz gewährleistete Freiheitsraum mit und ohne Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts uneingeschränkt erhalten."

Seinen abschließenden persönlichen Kommentar kleidet Adamski in die Worte:
"In dieser historischen Dimension kann der Körperschaftsstatus als Inkonsequenz gesehen werden. Wenn Religion Privatsache ist - und sie kann es letztlich nicht anders sein: ein 'Glaubensbefehl' ist absurd -, dann wäre es logisch, alles Religiöse einschließlich der Institutionen der Religion ohne einen irgendwie gearteten öffentlich-rechtlichen Status zu organisieren und das Verhältnis des Staates zu den Religionsgesellschaften so zu regeln wie das des Staates zu beliebigen Vereinen."

Mein damaliger Kommentar zu Adamski:
"In der Sache würde bei der Verwirklichung dieses Vorschlages von Adamski es aber auch bedeuten, dass die sogenannten "Großkirchen" in ihrer materiellen Interessenlage gegenüber der jetzigen Situation, erhebliche Einbussen zu gewärtigen hätten. Die Realisierung einer solchen Forderung würde schon ins "Revolutionäre" übergehen. Ob dies angesichts der bestehenden politischen Konstellationen in der Bundesrepublik Deutschland derzeit möglich wäre, darf mit gewichtigen Gründen bezweifelt werden. Dies wäre als Anmerkung zu Adamski hinzuzufügen. Aber offensichtlich ist, dass hier nach wie vor, eine nicht befriedigend gelöste Problemlage besteht."

In der juristischen Zeitschrift: "Die Öffentliche Verwaltung" (Heft 1/1998 S. 25-29) kam Dr. Gregor Thüsing auch auf das gleiche Thema zu sprechen.
Die Redaktion dieser Zeitschrift leitet mit den Worten ein:

"Seit 1919 bestimmt Artikel 137 Absatz 5 W(eimarer) R(eichs) V(erfassung) unverändert das deutsche Staatskirchenrecht. Die Statik, die diese Kontinuität suggerieren mag, stehen tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen gegenüber: Mehr Getaufte als früher wenden sich von den christlichen Großkirchen ab und treten aus, große Teile der nachfolgenden Generation sind nie Mitglieder einer Kirche gewesen: die Situation in den neuen Bundesländern ist wohlbekannt. Die Gesellschaft ist seit 1919 säkularer und pluralistischer geworden. Das Staatskirchenrecht muss sich dieser Entwicklung stellen und die Frage beantworten, wo die Grenze ist, dass der Staat einer Religionsgesellschaft nicht mehr den Körperschaftsstatus verleihen kann."

Auch Thüsing führt in seiner Referierung dann aus: "Damit liegt in der Anerkennung als öffentlich-rechtliche Körperschaft weit mehr als die Verleihung eines 'rätselhaften Ehrentitels'. Sie hat manifeste und wichtige Vorteile für die Kirchen; der bedeutendste und wichtigste aus diesem Privilegienbündel ist wohl das Recht, Steuern zu erheben."

Zum historischen Hintergrund führt der Autor weiter aus, dass der Staat solche öffentlich-rechtlichen "Strukturen bei den großen christlichen Kirchen vorfand, er den öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus also nicht verlieh, sondern anerkannte."

Im folgenden setzt sich Thüsing auch mit dem Aspekt der Rechtstreue auseinander:
"Rechtstreu ist auch der, der dem Staat des Grundgesetzes ablehnend gegenübersteht und dennoch seine Gebote respektiert - in der Hoffnung etwa, ihn einst auf legale Weise zu überwinden. Loyal aber ist nur die Religionsgesellschaft, die den Staat und die grundgesetzliche Ordnung bejaht und deren Legitimität nicht in Frage stellt. Eben diese Loyalität sieht das Bundesverwaltungsgericht bei den Zeugen Jehovas wohl zutreffend nicht als gegeben an."

Als abschließenden Kernsatz formuliert Thüsing:
"Allerdings muss der Staat die verschiedenen Religionsgesellschaften gleich behandeln, aber nur da, wo sie nach den Wertungen der Verfassung wirklich gleich sind."

Seine "salomonisches" oder in anderer Sicht "sibillynisches" Votum lässt vielerlei Ausdeutungen zu. Jedenfalls auch eine, die nicht unbedingt im Interesse der höheren Funktionärsschicht der Zeugen Jehovas zu liegen braucht. Denn nur für die ist die ganze Diskussion auch von materieller (in Mark oder Euro zu beziffender) Bedeutung. ..."

Der Beachtung Wert ist die etwas weiter zurückliegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes in der schon genannten Frage der Kongressverpflegung

Es gilt nochmals festzuhalten: Den Antrag Körperschaft des öffentlichen Rechtes werden zu wollen, hatte jener Zweig des Organisationsimperium der Zeugen Jehovas gestellt, der aus der juristischen Neuanerkennung durch die letzte DDR-Regierung entstanden war. Die damalige "Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in der DDR" bzw. ihr Rechtsnachfolger die "Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland" war und ist Antragsteller. Bezeichnenderweise jedoch nicht der Teil ihres Organisationsspektrums, der für die alte Bundesrepublik zuständig war..

Jener Organisationsteil, landläufig auch als Wachtturmgesellschaft bekannt, hatte allerdings schon einmal nähere Bekanntschaft mit dem Bundesverfassungsgericht gemacht. Nach internen Angaben, kostete dies jener Organisation die runde Summe von 2, 5 Millionen DM - zahlbar an den staatlichen Fiskus.

Raymond Franz, der selbst einmal zur Leitungsoligarchie der Zeugen Jehovas in den USA und von dort aus für die gesamte übrige Welt gehörte, kommt in einer seiner Schriften auch auf diesen Fakt mit zu sprechen. In seinen Erinnerungen kramend merkte er beiläufig an:

"Ich erinnere mich, dass in den 1970-er Jahren (als ich der leitenden Körperschaft angehörte) die Behörden in Westdeutschland den dortigen Wachtturmzweig mit einer hohen Steuerforderung belegten, da die Cafeterias eindeutig gewinnerzielende Wirtschaftsbetriebe seien. Die deutschen Zeugen mussten zur Begleichung der Steuer einen siebenstelligen DM-Betrag aufbringen." ...

Im Prinzip hatte der Bundesfinanzhof bereits in seinem Urteil vom 12. Juli 1962 eine klare Entscheidung, gegen die WTG gefällt.Es kam zu einer Revisionsverhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht.
Dessen Erster Senat entschied am 4. 10. 1965 erneut und diesmal endgültig, gegen die WTG.

Der Vorgang wurde auch in der Publikationsreihe "Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts" veröffentlicht (in dessen 19. Band, 1966 erschienen). Ich zitiere daraus mal nachstehend einige Passagen:

"Die Beschwerdeführerin ist der deutsche Zweig der Watch Tower Bible and Tract Society … Sie hat bei ihren Kongressen, Bezirks- und Kreisversammlungen … in eigener Regie Speisen, Getränke usw., sowie Unterkünfte an alle Teilnehmer gegen Entgelt abgegeben. Die zu Großhandelspreisen eingekauften Waren wurden mit entsprechenden Aufschlägen zur Deckung von Unkosten verkauft.

Die vereinnahmten Entgelte hat die Beschwerdeführerin in ihren Umsatzsteuererklärungen weder angegeben noch versteuert. Das Finanzamt hat die in den Jahren 1948-1955 vereinnahmten Entgelte zur Umsatzsteuer mit dem allgemeinen Steuersatz von 3 bzw. 4 % herangezogen. Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 12. Juli 1962 … die Heranziehung für rechtmäßig erklärt. In seinem Urteil, dass der Beschwerdeführerin am 11. August 1962 zugestellt worden ist, ausgeführt, Religionsgemeinschaften könnten Umsatzsteuerfreiheit … nur in Anspruch nehmen, wenn sie den Status von Körperschaften des öffentlichen Rechts besäßen. … Der Bundesminister der Finanzen hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. … Diese finanzielle Belastung hat nämlich nicht die Religionsausübung als solche zum Gegenstand, sondern knüpft nur an einen religiös neutralen Vorgang an. Der Verkauf von Speisen und Getränken sowie die Vermietung von Unterkünften sind nicht selbst Gegenstand der Religionsausübung, mögen sie ihr auch mittelbar dienen. …

Im Gegensatz zu ihrem Vorbringen in der Verfassungsbeschwerde, ihre Glaubensauffassung lasse es nicht zu, dass sie 'bei einer weltlichen Instanz um die Verleihung eines Status nachsucht, der ihr Rechte gewährt, die die christliche Versammlung seit ihrem Beginn von Gott verliehen erhielt', hat die Beschwerdeführerin sich im Jahre 1921 vom Reichsrat den Status eines eingetragenen Vereins ausdrücklich anerkennen lassen.

Die angegriffene Regelung verletzt die Beschwerdeführerin auch nicht in ihrem Recht auf Gleichbehandlung. Das Grundgesetz gebietet nicht, dass der Staat alle Religionsgemeinschaften schematisch gleich behandelt."

Man hat zu registrieren, dass vorstehendes inzwischen der "Schnee von gestern" ist. Dennoch sei es als Hintergrundinfornmation nochmals genannt.

Sollten sich weitere Konstellationen aus dem eingangs genannten letzten Urteil des Bundesverfassungsgerichtes noch ergeben, so wird darüber zur gegebenen Zeit noch zu reden sein.

Wenn es um Money geht, sind Jehovas Zeugen offenbar gewillt, ihre eigene kirchenkritische Vergangenheit dem Vergessen zu überantworten. Nachfolgende Karikaturen sind aus den Rutherford-Büchern "Rechtfertigung" und "Licht" entnommen:

 

 

Und sie verbrennen sie mit Feuer

Religion, Finanz und Politik

 

Sie wittem Morgenluft

Entnommen aus: MIZ Nr. 2/96 S. 57-60

In den zwanziger Jahren wurde der Satz geprägt: "Zerfällt die Zwangskirche ganz, bleibt als Bodensatz eine um so buntere Schar fanatischer Heiligenklubs übrig." [1] Derselbe Autor meinte im gleichen Zusammenhang auch, der Unterschied zwischen den Großkirchen und den Sekten bestehe darin, daß letztere "ehrlicher" seien. Er begründet seine These mit dem Satz: "Während die Kirchen zwangsmäßig durch oft terroristisch angewandte eigene Machtmittel oder die des Staates, Christen um jeden Preis machen, tun es die Sekten durch die Suggestion. Eben wegen der großen Zahl der Mußchristen in ihr ist die Kirche immer auch verpflichtet, der Vernunft und dem gesunden Menschenverstand gewisse Konzessionen zu machen". In den Sekten hingegen könnten solche Verweltlichungstendenzen nicht diese Bedeutung erlangen.[2]

In den dreißiger Jahren folgte die politische Machtergreifung des Nationalsozialismus. Sekten und Kirchen sahen sich der gleichen Bedrohung ausgesetzt, die ein Nazi-Chefideologe in die Worte kleidete: "Wir erkennen heute, daß die zentralen Höchstwerte der römischen und protestantischen Kirche als negatives Christentum unserer Seele nicht entsprechen, daß sie ... Platz zu machen haben."[3]

Mit dem Untergang des Nationalsozialismus war dieser Streit vorerst einmal entschieden. Die Kirchen hatten überlebt. Die Nationalismus-Religion des Nationalsozialismus war verpönt. Das Wohlwollen der westlichen Siegermächte gehörte den Kirchen und Sekten, die sich wieder direkter oder indirekter Förderung erfreuen konnten. Ja man kann sagen, daß dies partiell auch für die sowjetisch besetzte Zone zutraf, wo eine Kirchenpolitik betrieben wurde, die sich von der rigiden Kirchenpolitik in der Sowjetunion in etlichen Punkten absetzte. Sie war jedenfalls relativ "liberaler" als im führenden Bundesstaat.

Inzwischen sind neue Generationen herangewachsen, und es zeigte sich, daß die Bindekraft der Religion auch in der alten Bundesrepublik Deutschland nachgelassen hat. Die Situation der Großkirchen ist allgemein bekannt. Neben ihnen gibt es die sogenannten "Sekten". Eine der wichtigsten ist die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas. Ihre Geschichte ist von Konflikten geprägt, speziell in totalitären Staaten. So verwundert es eigentlich nicht sonderlich, daß sie sich Ende der 40er Jahre auch in der DDR Verbotsmaßnahmen gegenüber sah.

Bezogen auf das NS-Regime kam Michael H. Kater zu der Einschätzung: "Der tiefere Grund für diese Todfeindschaft zwischen Nationalsozialismus und Bibelforschertum lag in der strukturellen Ähnlichkeit der beiden Ideologien. Wie die Weltanschauung des Nationalsozialismus, so war auch die Doktrin der Zeugen Jehovas nicht demokratisch, sondern autoritär geprägt. Beide Systeme waren totalitär insofern, als sie Volksgenossen wie Glaubensbrüder streng in die jeweilige Herrschaftshierarchie eingliederten und sie in jeder Situation aufforderten, sich für die Zwecke des Systems von ihrer Eigenpersönlichkeit zu lösen. Während Nationalsozialisten sich zum 'Führerstaat' bekannten, beriefen Ernste Bibelforscher sich auf die 'Theokratie', in der nicht der Führer, sondern Jehova Gott diktatorisch regiere. Da beide Richtungen also den Anspruch auf Ausschließlichkeit vertraten, mußte es unweigerlich zum Konflikt kommen." [4]

Spiegelbildlich wiederholte dies sich in der DDR. Mit dem politischen Ende des ostzonalen Staates kam die Situation der Zeugen Jehovas wieder auf die Tagesordnung der DDR-Kirchenpolitik. Sie waren zwar schon früher verboten. Aber in den 80er Jahren vermochten die Stasi-Hardliner sie noch abzublocken - 1990 konnten sie es nicht mehr. So bekamen die Zeugen Jehovas von der Modrow-Regierung am 14. März 1990 schriftlich mitgeteilt: "Die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas ... ist staatlich anerkannt. Mit der staatlichen Anerkennung ist die Religionsgemeinschaft rechtsfähig ..." [5]

Die Tage der Modrow-Regierung waren gezählt. Die kulturpolitische Erbschaft in diesem speziellen Punkt ging auf das Land Berlin über, vertreten durch seine Landesregierung, den Senat. Schon bald zeigte sich, daß die Gesetzgebung der DDR und die der Bundesrepublik auch in der Kirchenpolitik nicht übereinstimmte.

So kannte die DDR-Kirchenpolitik z.B. nicht den Begriff der Körperschaft des öffentlichen Rechts. In der alten Bundesrepublik beinhaltete dieser Status z.B. die Möglichkeit zur staatlichen Einziehung der Kirchensteuer, diverse Steuererleichterungen, Einflußnahme auf öffentlich-rechtliche Medien, staatlich bezahlten Religionsunterricht usw. Vieles davon war den DDR-Kirchen fremd.

Im Einigungvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR fand sich auch ein Passus, daß Kirchen etc. die in der alten Bundesrepublik den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts bereits besitzen, analog ihren "Schwesterkirchen" im Beitrittsgebiet die gleichen Rechte zu gewähren seien. Diese Voraussetzung war im Falle der Zeugen Jehovas jedoch nicht erfüllt. Im Gegenteil, ihre langjährige Rechtsvertretung in der BRD, die Wachtturmgesellschaft, hatte diesen Status zu keinem Zeitpunkt formal beantragt. Anläßlich einer finanzgerichtlichen Auseinandersetzung in den 60er Jahren hatte sie sogar die Meinung vertreten: "ihre Glaubensauffassung lasse es nicht zu, daß sie bei einer weltlichen Instanz um die Verleihung eines Status nachsucht"[6].

Nun hatten die Zeugenstrategen also das Papier der Modrow-Regierung in der Hand und schlußfolgerten: Die beabsichtigte Ostexpansion kostet viel Geld, auch im Immobilienbereich. Und da auch die Zeugen Geld "niemals genug" haben können, schlußfolgerten sie weiter, die Kosten könnten etwas gedrückt werden, z.B. durch Befreiung von der Grunderwerbssteuer. Sie stellten fest, daß dies nach bundesrepublikanischer Gesetzgebung möglich wäre, wenn sie den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR) besäßen. Daher kam die Entscheidung, ebenfalls KdöR zu werden. Frühere Positionen wurden ad acta gelegt.

Da jedoch der Berliner Senat als Rechtsnachfolger für Entscheidungen der Modrow-Regierung, keinerlei Anstalten machte, sie als KdöR zu akzeptieren, sahen sie sich gezwungen, vor Gericht zu ziehen. Das Berliner Verwaltungsgericht entschied, daß die Zeugen Jehovas nach DDR-Recht keine KdöR seien. Es erlegte allerdings dem Berliner Senat auf, sie als solche anzuerkennen, ausgehend von dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller und dem Prinzip, inhaltliche Bewertungen der Antragsteller nicht vorzunehmen.

Dem Berliner Senat wurde klar, daß hier ein Präzedenzfall geschaffen war. Würden die Zeugen Jehovas auf KdöR-Basis Subventionen und Steuervergünstigungen kassieren, könne man sie auch anderen nicht vorenthalten, seien es nun islamische Gruppen oder auch der Humanistische Verband. Es würden mit Sicherheit noch weitere "Trittbrettfahrer" folgen. In dieser Situation zog der Senat die Notbremse und rief das Berliner Oberverwaltungsgericht an, das in der Sache jedoch ähnlich entschied.[7] Damit befindet sich der Berliner Senat nun in der Zwickmühle. Letzten Meldungen zufolge soll dieser Streit nun vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe weiter ausgetragen werden.

Der Berliner Senat trug in der Auseinandersetzung auch vor, daß die Binnenstruktur der Zeugen Jehovas durchaus auch totalitäre Tendenzen enthalte, zudem bemängelte er auch, die "systematische Mißachtung der Fundamente des Staates", was sich z.B. beim Zeugen Jehovas-Grundsatz der politischen Abstinenz offenbart. Jedoch hatte er mit dieser Argumentation in den Ohren der Richter keine besonders "guten Karten".

Zu frisch noch sind die Erinnerungen an die politisch-totalitären Regime der DDR und des Nationalsozialismus, wo auf gleicher Argumentationsbasis "Tabula rasa" mit den Zeugen Jehovas gemacht wurde. Indes gibt es totalitäre Strukturelemente nicht nur im politischen Bereich. Die Memoiren etlicher ehemaliger Zeugen Jehovas werfen auch dieser Organisation diese Tendenz vor. Synonym für Totalitarismus ist z.B. George Orwells Roman 1984. Eingedenk dessen ist ein Buchtitel wie z.B. The Orwellian World Of Jehovah's Witnesses eigentlich eine deutliche Aussage.[8] Liest man Orwells Roman, so fallen einem Begriffe wie "Wahrheitsministerium" auf, die in der Tendenz mit dem Stasi-Mielke-Imperium identisch sein können. Oder auch Begriffe wie "Gedankenpolizei" oder "Gedankenverbrecher" deuten in diese Richtung. Ein Satz wie "im Prinzip hatte ein Parteimitglied keine Freizeit und war außer im Bett niemals allein"[9], könnte ebensogut aus dem Tagebuch eines Zeugen Jehovas stammen.[10]

In der Literatur wurde auch auf die durch Jehovas Zeugen verursachten Probleme (außerhalb des streng politischen Bereiches) hingewiesen. Am bekanntesten - und auch umstrittensten - ist die Weigerung der Zeugen Jehovas, in Notsituationen Bluttransfusionen zu akzeptieren. Aber das ist bei weitem nicht das "einzigste" Problem. So beschäftigten sich z.B. juristische Zeitschriften mit den Ehescheidungsursachen, die ihre tiefere Ursache in der militanten Ideologie der Zeugen Jehovas haben und die den Partner, sofern er Nicht-Zeuge Jehovas bleibt, mitunter vor unüberwindliche Schwierigkeiten stellen.[11] Es sind Fälle bekannt, wo Zeugen Jehovas ihre berufliche Stellung in unzulässiger Weise ausnutzten, um solche Untergebenen zu diskriminieren, die ihren Ideologiewerbeversuchen ablehnend gegenüberstehen.[12]

Auch die taz nahm sich dieses Themas an, indem sie z.B. titelte: Erzwungener Kirchgang [13]. Auch ihre Artikelüberschrift Leistungsfrohe Endzeit-Stalinisten [14] wird man wohl kaum als "Kompliment" bewerten können. Der Spiegel griff dieses Faktum auf, als er einem Artikel über die Zeugen Jehovas [15] den Titel gab Gott züchtigt seine Söhne. Zitat daraus:

"Das Amtsgericht Passau entschied (...) eine Mutter habe 'grob gegen die Erziehungspflicht verstoßen', weil sie ihren ( ... ) Sohn eingedenk der Sektenmaximen ('Gott züchtigt seine Söhne') 'wiederholt schwer mißhandelt' und durch Zwangsunterricht mit Zeugen-Ideologie malträtiert habe. Dem Jungen, befanden die Richter, drohe 'lebenslanger Dauerschaden' wenn er unter der Fuchtel seiner Mutter bleibe."

Der Berliner Senat sieht sich mit der Tatsache konfrontiert, daß der Grundsatz der Gleichbehandlung auch für die Zeugen Jehovas finanzielle Folgen haben kann, die er aufgrund seiner angespannten Haushaltslage fürchten muß, zumal Weiterungen nicht ausschließbar sind.

Es bewahrheitet sich hier, um einen Bibelspruch zu bemühen, daß die Väter saure Trauben aßen - und die Söhne stumpfe Zähne bekamen.[16] Das System der Privilegierung von Religionsgemeinschaften, läßt sich eben nicht immer gliedern in solche, die "genehm", und solche, die weniger genehm sind.

Letztendlich zeigt hier wieder einmal die nichtvollzogene Trennung von Staat und Kirche ihr wahres Gesicht.

Diese Liaison zwingt den demokratischen Staat Bundesrepublik Deutschland, auch solche Gemeinschaften zu subventionieren, die zwar Nutznießer der Demokratie, ideologisch aber ihre Totengräber sind.

Theokratie - Gottesherrschaft - haben die Zeugen Jehovas auf ihre Fahnen geschrieben. Lediglich ihre numerische Unterrepräsentanz gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen verhindert, offenbar zu machen, was dieser Grundsatz letztlich bedeutet: Gottes- bzw. Priester- oder Funktionärsherrschaft ohne demokratische Legitimation. Die Kommentare, die sie ihren Abtrünnigen zuteil werden lassen, und nicht nur Kommentare, sprechen eine beredte Sprache!

Sollte sich das Bundesverfassungsgericht weiterhin auf der Basis, daß keine inhaltliche Bewertungen einer Religion vorgenommen werden, mit den Zeugen Jehovas befassen, so ist wohl davon auszugehen, daß kaum andere Ergebnisse als bei den Erstinstanzen zu erwarten sind. In den kirchlichen Kommentaren zu diesem Vorgang wird jedoch peinlichst vermieden, das System der nicht vollzogenen Trennung von Staat und Kirche in Frage zu stellen - getreu dem Grundsatz: "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß!"

Anmerkungen:

1 Vgl. Hugo Efferoth: Die Ketzerbibel S. 275.

2 Ebenda.

3 Alfred Rosenberg: Der Mythus des 20. Jahrhunderts. München 1934, S. 215.

4 Vgl. Michael H. Kater: Ernste Bibelforscher in Dritten Reich in Vierteljahreshefte für Zeitgeschchte 17. Jg. 1969, S. 187f.

5 Bundesarchiv Sammlungen Potsdam D04 - 1546.

6 Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen, Band 19 (1966), S. 129f.

7 Vgl. Berliner Morgenpost, 15. 12. 1995 und 16. 2. 1996.

8 Vgl. Heather & Gary Botting: The Orwellian World of Jehovah's Witnesses. Toronto 1984. Ein Exemplar befindet sich im Bestand der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin.

9 Vgl. George Orwell: 1984. Darmstadt 1968, S. 88.

10 Orwell's Roman fand übrigens auch schon seine Ausdeutung auf eine andere umstrittene Organisation, die sogenannte "Scientology-Kirche". Vgl. dazu: Joachim Riecker. Die ganze Welt 'befreien'... in Berliner Morgenpost, 28. 1. 1996.

11 Vgl. Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht. 1. Jg. 1954, S. 145f. und 2. Jg. 1955, S. 256f. Plastische Beispiele dafür finden sich auch in anderen Blättern z. B. in Rheinischer Merkur 17.2.1989.

12 Vgl. Ehe und Familie im privaten und offentlichen Recht. 4. Jg. 1957, S. 98f.

13 taz 23. 8. 1989.

14 taz 5. 8. 1989.

15 Der Spiegel 7. 11. 1994, S. 79 f.

16 Die Bibel, Hesekiel 18,2.

 

Sie wollen es immer "noch wissen"
Der Kampf der Zeugen Jehovas um den KdöR-Status
(entnommen aus: MIZ Heft 1/2001 S. 33-36 [MIZ = Materialien und Informationen zur Zeit]

Hartnäckigkeit wird man ihnen bestimmt bescheinigen können. Bereits 1996 wurde in MIZ [1] berichtet, dass die Zeugen Jehovas nunmehr mit aller Macht versuchen, auch "Körperschaft des öffentlichen Rechts" in diesem Lande zu werden. Nachfolgend gab es noch weitere Gerichtsentscheide bezüglich dieses Anliegens. So versagte das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheid vom 26. 6. 1997 den Zeugen Jehovas den ersehnten Status. Unter Hinweis auf die Wahlverweigerungspraxis der Zeugen Jehovas hatte es dies als "verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Widerspruch zu dem für die staatliche Ordnung in Bund und in den Ländern konstitutiven Demokratieprinzip, das zum unantastbaren Kernbestand der Verfassung gehört", bewertet.

Dem wird man entgegenhalten können, dass es auch andere Religionsgemeinschaften gibt, die den ersehnten Status bereits seit längerem besitzen, die auch mit der Demokratie auf Kriegsfuß stehen. Und das keineswegs nur im Bereich sogenannt "kleinerer Religionsgemeinschaften". In der Folge dieses Entscheides reichten die Zeugen Jehovas beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde ein, die nach einer mündlichen Anhörung vom 20. 9. 2000 dann am 19. 12. 2000 endgültig entschieden wurde. Das Bundesverfassungsgericht hob das Urteil der Vorinstanz auf und verwies den Fall zur erneuten Entscheidung zurück. Im Kernsatz seiner Entscheidung betonte es, dass eine über allgemeine Rechtstreue hinausgehende "Loyalität zum Staat vom Grundgesetz nicht verlangt" werde.

Dennoch wurde mit diesem Entscheid noch nicht automatisch der erstrebte KdöR-Status festgemacht. Dies zu prüfen ist die Aufgabe eines erneuten Verfahrens. Ein wesentliches Element für die Rückverweisung lautet nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes:

"Insbesondere ist im fachgerichtlichen Verfahren offen geblieben, ob die Beschwerdeführerin - wie das Land Berlin behauptet - durch die von ihr empfohlene Erziehungspraktiken das Wohl der Kinder beeinträchtigt oder austrittswillige Mitglieder zwangsweise oder mit vom Grundgesetz missbilligten Mitteln in der Gemeinschaft festhält und damit dem staatlichen Schutz anvertraute Grundrechte beeinträchtigt ..."

In der Praxis hat sich erwiesen, dass insbesondere die Erziehungsmethoden der Zeugen Jehovas vielfachen Widerspruch finden. Bereits in einem 1996 erschienenen Buch [2] hatte Kurt-Helmuth Eimuth dies mit thematisiert. Auch in der sich zu den Zeugen Jehovas kritisch äußernden Internetszene, läßt sich diesbezüglich etliches nachweisen.

Durchforstet man das einschlägige Schrifttum der Zeugen Jehovas nach diesem Aspekt, so wird man insbesondere auf eine 1983 von ihnen veröffentlichte Broschüre stoßen. [3] Ist doch in dieser Broschüre zu ungeschützt das eigentliche Gesicht der Zeugen Jehovas gezeigt worden. Inwieweit diese Fakten gerichtsrelevant sein können, muss die Zukunft zeigen. Jedoch sei zur eigenen Urteilsbildung mal einiges aus dieser Broschüre zitiert, die seinerzeit besonders dazu bestimmt war, in Lehrerkreisen Verbreitung zu finden um diesen die Andersartigkeit der Zeugen Jehovas-Kinder "verständlich" zu machen.

Einleitend wird schon in dieser Broschüre festgestellt [4]:
"Einige Lehrer mögen jedoch den Eindruck haben, Kinder von Zeugen Jehovas seien nicht kooperativ, weil sie sich an manchen Schulprogrammen und -funktionen nicht beteiligen.".Ein Knackpunkt, dass universitäre Ausbildung bei den Zeugen Jehovas verpönt ist, wird beispielsweise mit den Worten umschrieben: "Obwohl jugendliche Zeugen Jehovas an einer guten Schulbildung interessiert sind, streben sie nicht nach Prestige oder einer angesehenen Stellung. Ihr wichtigstes Lebensziel ist, Gott auf wirkungsvolle Weise zu dienen. … In Ländern, in denen sie Unterrichtskurse wählen können, entscheiden sie sich daher im allgemeinen für Fächer, die sie darauf vorbereiten, sich in dieser modernen Welt ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Viele … gehen in eine Lehre. Wenn sie ihre Ausbildung abgeschlossen haben, möchten sie eine Arbeit aufnehmen, die es ihnen gestattet, sich auf ihren Hauptberuf, den christlichen Dienst, zu konzentrieren." [5]

Hier wurde es ausgesprochen: Der Dienst für die Zeugen Jehovas soll der "Hauptberuf" sein. Da reicht es also unter ungünstigen Umständen - in ihrer Lesart - auch aus, nur ein Hilfsarbeiterdasein zu fristen, oder verkürzt zu arbeiten. Versteht sich, dass dies mit entsprechenden finanziellen Einbussen verbunden ist. Aber das ist für die Autoren offenbar kein Thema.

Auch in dieser Broschüre wird kräftig auf der Endzeitklaviatur gespielt. Etwa mit der Bemerkung: "Da wir davon überzeugt sind, daß diese Umwälzung sehr nahe ist, halten es unsere jungen Leute für realistisch, sich auf eine Lebenslaufbahn vorzubereiten, die in Übereinstimmung mit unserem Glauben an die Realität des Königreiches Gottes ist. Unser Hauptziel besteht darin, den Menschen von der vor uns liegenden glänzenden Zukunft zu erzählen." [6] In diesem Kontext meint man auch auf die akuten Endzeiterwartungen im Urchristentum verweisen zu sollen, denen man sich gleichfalls verpflichtet fühle. Etwa mit der Ausführung:
"Wie man sich vorstellen kann, wirkten sich diese Zukunftserwartungen bereits auf das Leben der ersten Christen spürbar aus. Sie waren deswegen ein ganz besonderes Volk, getrennt von der Welt. Über sie schrieb der Historiker Adolf Harnack in seinem Buch Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten (1902): 'Die Christen (empfinden sich) hier auf Erden als Pilger und Paröken (Fremdlinge); sie wandeln im Glauben und nicht im Schauen, und ihre ganze Lebensweise ist weltflüchtig und allein durch das jenseitige Reich, dem sie zueilen, bestimmt' ... Jesus sagte deutlich, daß das Getrenntsein von der Welt ein auffallendes Merkmal seiner Jünger sein werde. 'Sie sind kein Teil der Welt', sagte er (Johannes 17:16; 15:19). In Übereinstimmung mit diesem Grundsatz bemühen sich Jehovas Zeugen, 'kein Teil der Welt' zu sein." [7]

Präzisiert wird das noch durch die weitere Anmerkung: "Gleichzeitig glauben wir aber, daß - wie die Bibel deutlich zeigt - 'die ganze Welt in der Macht dessen liegt, der böse ist' (...). Daher sind wir über die nachteiligen Auswirkungen besorgt, die der Einfluß der Welt auf unsere Kinder haben kann. Die Welt verherrlicht oft einen Lebensstil, den wir für schädlich halten. Auch die Schulen sind davon betroffen. Daher wünschen Jehovas Zeugen, daß ihre Kinder soweit wie möglich solchen Einflüssen fernbleiben."

Im weiteren Verlauf dieser Broschüre wird die Sexualmoral der Zeugen Jehovas hervorgehoben, die unter anderem bewirke, dass das Problem lediger Mütter und ähnliches, bei ihnen nicht so verbreitet sei wie andernorts. Folgt man dieser Argumentation, dann dürfte wohl das Zölibat katholischer Priester eine "noch höhere Moralstufe" darstellen. Wer das so sehen will, der mag es tun. Indes dürfte nicht unbekannt sein, dass es auch dazu kritische Stimmen gibt. Analoges gilt auch für die entsprechenden Moralvorstellungen der Zeugen Jehovas. Solange sie auf freiwilliger Einsicht beruhen - nun gut. Indes die Praxis beweist, dass sie auch mit ziemlich rigiden Methoden durchgesetzt werden. Unter anderem auch mittels ihrer berüchtigten Ausschlußpraxis. Aber dazu hüllen sich die Schreiber in dieser Broschüre lieber in Schweigen.

Der nächste relevante Abschnitt dieser Broschüre bezieht sich auf ihre vermeintliche politische "Neutralität", die zugleich beinhaltet, sich gewissen staatsbürgerlichen Auflagen prinzipiell zu entziehen. Da wir in Deutschland im letzten Jahrhundert bereits mit zwei Diktaturen "gesegnet" waren, die diesbezüglich keinen Spaß verstanden, sei jetzt hier nicht weiter auf diesem Aspekt eingegangen. Zumal das freiheitliche System der gegenwärtigen Bundesrepublik Deutschland es den Zeugen Jehovas ermöglicht, relativ ungeschoren diesbezüglich über die Runden zu kommen.
 

Nicht nur auf die "große Politik" schlägt diese Haltung der Zeugen Jehovas durch, sondern auch auf jegliche Bereiche, in diesem Fall, die "Schulpolitik". Dazu folgender Absatz aus genannter Broschüre: "An vielen Schulen werden Schüler in Gremien oder in Positionen wie die des Klassensprechers gewählt. ... Die Schüler sollen dadurch nicht nur an schulischen Entscheidungsprozessen beteiligt werden, sondern sollen auch lernen, wie man sich politisch betätigt. Jugendliche Zeugen Jehovas mischen sich aber nicht in die Schulpolitik ein; weder lassen sie sich in ein Amt wählen, noch wählen sie andere in ein Amt."[8] Aber um die Sache nicht zu sehr ins Extreme ausufern zu lassen, versucht man eine Art "goldene Brücke" zu bauen. Wobei man darüber streiten kann, ob es denn überhaupt solch eine sei; oder nicht vielmehr nur ein "verfaulter Steg". Jedenfalls findet sich in dieser Broschüre auch der Satz: "Die Ernennung durch den Lehrer betrachten sie jedoch als etwas anderes. Wenn daher jugendliche Zeugen Jehovas eingesetzt werden, irgendwelche Aufgaben in Verbindung mit der Schule zu erfüllen, zum Beispiel für Ordnung zu sorgen oder den Verkehr zu regeln, so werden sie ermuntert, mitzuwirken, soweit dies möglich ist. Natürlich ist unseren Jugendlichen klar, daß nicht jede Abstimmung politischer Natur ist."

Auch ansonsten sollen Schülerinnen und Schüler an gemeinschaftlichen Veranstaltungen nicht teilnehmen: "Die Tatsache, daß sich Jehovas Zeugen an den meisten Festen und Feiern nicht beteiligen, kann für einen Lehrer etwas befremdend sein."[9]

Wie wahr. Da gibt es nicht viel hinzuzufügen. Insoweit es einen vermeintlichen "religiösen Hintergrund" bestimmter Feste anbelangt, sei jetzt darauf nicht näher eingegangen. Über religiöse Thesen streiten sich bekanntlich auch andere. Auch selbstredend betrifft dieser Zeugen Jehovas-Grundsatz auch dass feiern oder Nichtfeiern von Geburtstagen. Auch hierbei die Argumentation der Zeugen Jehovas dazu: Dogmatik pur! Etwa wenn sie schreiben:

"Doch bei den einzigen beiden in der Bibel erwähnten Geburtstagen wurden Personen gefeiert, die keine echten Gläubigen waren. In dem einen Fall war es ein ägyptischer Pharao und in dem anderen Fall der von den Römern eingesetzte Antipas. Bei beiden Geburtstagsfeiern wurde jemand umgebracht (...). Es überrascht daher nicht, die folgenden geschichtlichen Hinweise in bezug auf die Einstellung der ersten Christen zu Geburtstagsfeiern zu lesen: 'Die Idee einer Geburtstagsfeier lag den Christen dieser Periode überhaupt fern' (...) Von keiner der heiligen Personen, die in den Schriften erwähnt werden, wird gesagt, sie habe an einem Geburtstag ein Fest gefeiert oder ein großes Essen veranstaltet. Nur Sünder (wie Pharao und Herodes) feiern den Tag, an dem sie in diese Welt hineingeboren sind.'(...) Außerdem besteht bei Geburtstagsfeiern die Neigung, dem Betreffenden übermäßige Bedeutung beizumessen. Das ist zweifellos einer der Gründe, weshalb die ersten Christen keinen Geburtstag feierten (...) Sie werden daher feststellen, daß Jehovas Zeugen an Geburtstagsfeiern (an den Partys, am Singen, am Geschenkegeben usw.) nicht teilnehmen." [10]

Lang und breit werden im Anschluß daran eine Reihe von Feiertagen genannt, die Jehovas Zeugen nicht feiern wollen, wie: Weihnachten, Ostern, Neujahrstag, Maifeiertag, Muttertag, Nationale Danksagungstage und anderes mehr. Angesichts solchen Rigorismus, verwundert es schon gar nicht mehr auch zu vernehmen, dass man außerschulische Aktivitäten, wie zum Beispiel Sport, nicht sonderlich gern sehe und als "Ersatz" Wert darauf lege, dass die Zeugen Jehovas-Kinder von ihrer Eltern und der WTG-Organisation reichlich beschäftigt gehalten werden, mit Dingen, die man als wichtiger als denn Sport ansehe.

Wohl kaum ein Konfliktpunkt wird in dieser Broschüre ausgelassen. So beispielsweise etwa auch die Bemerkung: "Aber Eltern, die Zeugen Jehovas sind, werden eine Anzahl Faktoren berücksichtigen, bevor sie ihren Kindern erlauben, bei einem Theaterstück in der Schule mitzuwirken, zum Beispiel: Ist das, was in dem Stück dargestellt wird, in Übereinstimmung mit biblischen Grundsätzen? (…) In manchen Gegenden werden an Schulen von Zeit zu Zeit Spendenaktionen für irgendwelche Zwecke durchgeführt. Es gibt sogar Länder, in denen Schüler zu Blutspenden aufgerufen werden. Aus Gewissensgründen können wir daher weder Blut annehmen noch spenden." [11]

Die derzeitige Zeugenführung hat sich ja schon ziemlich gut eintrainiert im "Kreide fressen", auf dass ihre Stimme den Außenstehenden doch nicht gar zu rauh erscheine. Möchte man doch auch von diesem Staat belohnt werden, als Körperschaft des öffentlichen Rechtes. Wenn dass nicht bitterer Ernst wäre, könnte man fast darüber lachen. Demnächst soll also das Berliner Bundesverwaltungsgericht in dieser "endlosen Geschichte" erneut befinden.

Ein letztes Zitat mag als Beleg dafür dienen, dass tatsächlich jedoch sogar Einfluss auf Unterrichtsinhalte genommen werden soll: "Wenn daher Eltern von Zeugen Jehovas den Eindruck haben, daß ihre Kinder mit Ansichten und Anschauungsmaterial indoktriniert werden, durch die die Grundsätze, die sie zu Hause gelehrt werden, offenkundig untergraben werden, werden sie darum bitten, daß ihre Kinder vom Sexualkundeunterricht befreit werden, oder ihre gesetzlichen Rechte in Anspruch nehmen und darum bitten, daß ihre eigenen Vorstellungen den Schülern ebenfalls vermittelt werden. Aber nicht alles, was als wissenschaftlich bezeichnet wird, beruht notwendigerweise auf Tatsachen. Es gibt auch Theorien, wie die Evolutionstheorie (auch Abstammungslehre genannt), die oft als wissenschaftliche Tatsache hingestellt werden. (…) Was die Mitwirkung in einem Schulorchester betrifft, werden Eltern und Jugendliche einige Faktoren berücksichtigen. Zum Beispiel werden sie in Betracht ziehen, wo und unter welchen Umständen der Unterricht erteilt und was für Musik gespielt wird. Wenn erwartet wird, daß das Schulorchester bei religiösen oder politischen Anlässen spielt, könnte sich ein Zeuge Jehovas nicht daran beteiligen. Selbst wenn im Unterricht nur geübt wird, würden Schüler, die Zeugen Jehovas sind, nicht die Nationalhymne oder Lieder spielen, die mit religiösen oder nationalen Feiertagen verbunden sind."[12]

Anmerkungen:
[1] Sie wittern Morgenluft, MIZ 2/96, S. 57-60.
[2] Kurt-Helmuth Eimuth: Die Sekten-Kinder, Freiburg/Br. 1996.
[3] Jehovas Zeugen und die Schule, Hrsg. von der Wachtturm Bibel & Traktatgesellschaft, Wiesbaden (jetzt Selters) 1983. Sie wird zwar von letzteren derzeit nicht mehr verbreitet. Sie ist aber nach wie vor auf einer von den Zeugen Jehovas veranstalteten Sammlung ihres Schritfttums auf CD-ROM mit enthalten. Der Öffentlichkeit gegenüber versucht man indes diese Broschüre und auch die CD-ROM soweit wie möglich vorzuenthalten.
[4] Ebenda, S. 3.
[5] Ebenda, S. 5.
[6] Ebenda, S. 6.
[7] Ebenda, S. 7.
[8] Ebenda, S. 16.
[9] Ebenda, S. 17.
[10] Ebenda.
[11]Ebenda, S. 24.
[12] Ebenda, S. 28f.

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Im Mai 2001 gab es einen weiteren Meilenstein in der "unendlichen Geschichte" zu regristrieren. Das Bundesverwaltungsgericht verhandelte erneut in Sachen Zeugen Jehovas. Deutlich wurde dabei, dass letztere durchaus noch nicht an ihr Ziel angelangt sind. Aus der Fülle der diesbezüglichen Veröffentlichungen seien zwei zitiert. Einmal die diesbezügliche Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts und zum zweiten ein Kommentar vom 19. 05. 2001

Pressemitteilung

Nr. 18/2001 vom 17. Mai 2001 des Bundesverwaltungsgerichtes
Antrag der Zeugen Jehovas auf Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts

Die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas hat beim Land Berlin erfolglos ihre Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts nach den staatskirchenrechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes beantragt. Mit dem Körperschaftsstatus werden einer Religionsgemeinschaft besondere Rechte verliehen, z.B. zur Erhebung von Steuern bei den Mitgliedern und zur Begründung von öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen, für die das Arbeits- und Sozialversicherungsrecht gilt; der Körperschaftsstatus verschafft der Religionsgemeinschaft zudem in der Wahrnehmung der Gesellschaft eine hervorgehobene Stellung.

Nachdem die Klage der Zeugen Jehovas auf Anerkennung der Körperschaftsrechte beim Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht Erfolg hatte, lehnte das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 15. Mai 1997 - BVerwG 7 C 11.96 - einen derartigen Anspruch mit der Begründung ab, die Religionsgemeinschaft sehe sich mit ihrem religiös begründeten Verbot der Teilnahme an Wahlen und dem entsprechenden Verhalten ihrer Mitglieder in Widerspruch zu dem für die staatliche Ordnung konstitutiven Demokratieprinzip. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Entscheidung mit Urteil vom 19. Dezember 2000 - 2 BvR 1500/97 - aufgehoben, weil das Verbot der Teilnahme an Wahlen die Verweigerung der Körperschaftsrechte allein nicht rechtfertige, und die Sache an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen. Danach ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor allem zu klären, ob die Religionsgemeinschaft die Gewähr dafür bietet, dass ihr künftiges Verhalten die dem staatlichen Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter nicht gefährdet. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Punkte weiteren Aufklärungsbedarf gesehen. Die hierzu bislang vom Oberverwaltungsgericht Berlin getroffenen Feststellungen seien nicht ausreichend. Insbesondere sei offen geblieben, ob die klagende Religionsgemeinschaft das Verbot von Bluttransfusionen gegenüber den Eltern minderjähriger Kinder mit Mitteln durchzusetzen versuche, die auf eine Erschwerung oder gar Verhinderung der für solche Fälle vorgesehenen staatlichen Schutzmaßnahme hinausliefen. Zu prüfen sei des Weiteren, ob die Klägerin aktiv darauf hinarbeite, dass ausgetretene Mitglieder von ihren bei der Religionsgemeinschaft verbleibenden Familienangehörigen in einer den nach Art. 6 des Grundgesetzes geschützten Bestand von Familie oder Ehe gefährdenden Weise ausgegrenzt werden. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht in einem heute verkündeten Urteil den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das Oberverwaltungsgericht Berlin zurückverwiesen.

´Der Kommentar  vom 19. 05. 2001 notiert

Jehovas Zeugen auf dem Prüfstand

Das Berliner Oberverwaltungsgericht soll eine typisierende Gesamtbetrachtung anfertigen / von Heike Schmoll

Der Streit um die Anerkennung der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas als Körperschaft öffentlichen Rechts geht weiter. Am Donnerstag hat das Bundesverwaltungsgericht in Berlin das Verfahren an das dortige Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Das Oberverwaltungsgericht soll prüfen, ob die Zeugen Jehovas durch das Verbot von Bluttransfusionen, vor allem gegenüber Eltern minderjähriger Kinder, die Rechte Dritter verletzen. Untersucht werden soll auch, ob die Religionsgemeinschaft darauf hinarbeitet, ausgetretene Mitglieder bei ihren Familienangehörigen in einer Weise auszugrenzen, die nach Artikel 6 des Grundgesetzes den geschützten Bestand von Familie und Ehe gefährdet.

Allein in Deutschland sind etwa 165 000 Verkündiger für die Zeugen Jehovas tätig. Das sind 2,5mal so viele, wie die evangelisch-methodistische Kirche Mitglieder zählt. Die sogenannte Wachtturmgesellschaft, die Dachorganisation der Zeugen Jehovas, gehört zu den größten christlichen Sekten überhaupt; nach eigenen Angaben sind mehr als 5,9 Millionen Verkündiger in 234 Ländern aktiv. Für die Heilsarmee arbeiten nur halb so viele. Die beiden von der Wachtturmgesellschaft vertriebenen Zeitschriften "Der Wachtturm" (22 Millionen Auflage in 132 Sprachen) und "Erwachet" (19 Millionen in 83 Sprachen) gehören zu den auflagenstärksten religiösen Zeitungen überhaupt. Allerdings verlassen auch Tausende Zeugen Jehovas jährlich die Organisation, die ihre Mitglieder fest im Griff hat. Die geschätzte Zahl ehemaliger Zeugen Jehovas liegt in Deutschland bei 15 000 bis 20 000.

Wie die "Abtrünnigen" von der Sekte behandelt werden, muß das Berliner Oberverwaltungsgericht nun untersuchen. Aussteiger haben übereinstimmend berichtet, daß sie nach ihrem Abschied vom Endzeitglauben der Zeugen nicht nur aus deren Gemeinschaft, sondern auch aus der eigenen Familie ausgegrenzt wurden.

In den Veröffentlichungen der Zeugen gibt es dafür durchaus Anhaltspunkte: "Abtrünnigkeit ist in Wahrheit Rebellion gegen Jehova. (... ) Wahre Christen teilen Jehovas Empfindungen gegenüber Abtrünnigen; sie möchten gar nicht wissen, was für Vorstellungen diese vertreten. Im Gegenteil, sie „empfinden Ekel" gegenüber denjenigen, die sich zu Gottes Feinden gemacht haben, aber sie überlassen es Jehova, Rache zu üben." (Wachtturm, 1993.)

Der Gründer der Sekte, Charles Taze Russell (1852 bis 1916), wollte eigentlich überkonfessionell wirken und keine eigene Sekte gründen. Durch seine Schriften und Predigten beabsichtigte er, möglichst viele Menschen mit der bevorstehenden Endzeit vertraut zu machen, die zum vorhergesagten Zeitpunkt freilich nicht eingetreten ist. Sein Nachfolger, der Jurist Joseph Franklin Rutherford, beseitigte die demokratischen Strukturen der Traktatgesellschaft und machte sie zu einer theokratischen Organisation, die Nation Gottes zu sein beansprucht, während die übrigen Nationen unter der Herrschaft des Satans stehen.

Aus dieser Weltsicht haben sich zwangsläufig Konflikte mit dem Staat ergeben. Die ersten tauchten 1917 auf, als junge Bibelforscher den Wehrdienst verweigerten, dann im Dritten Reich, als Zeugen Jehovas den Fahnengruß verwehrten. Jetzt wollen, die Zeugen wie 30 andere Religionsgemeinschaften in den Genuß einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft gelangen, die ihnen etwa die Befreiung von Steuern, Kosten und Gebühren brächte. Die mit dem Körperschaftsstatus, verbundenen Vergünstigungen sind mit erhöhten Einflußmöglichkeiten und besonderen Machtmitteln in Staat und Gesellschaft verbunden, die auch die erhöhte Gefahr eines Mißbrauchs bergen. Deshalb muß der Staat dafür Sorge tragen, daß durch das Handeln öffentlich-rechtlicher Körperschaften die Rechte Dritter nicht verletzt werden.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte den Zeugen Jehovas diesen Status in einem Urteil vom 26.Juni1997 verwehrt und unter Aufhebung zweier vorinstanzlicher Urteile eine Entscheidung der Berliner Senatsverwaltung für kulturelle Angelegenheiten aus dem Jahr 1993 bestätigt, die ihnen die Rechte der öffentlichen Körperschaft nicht gewähren wollte. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts steht die Verpflichtung der Mitglieder der Zeugen Jehovas, sich nicht an staatlichen Wahlen zu beteiligen, in einem verfassungsrechtlich, nicht hinnehmbaren Widerspruch zu dem für die staatliche Ordnung im Bund und in den Ländern konstitutiven Demokratieprinzip, das zum Krenbestand der Verfassung gehört.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 19. Dezember 2000 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgehoben. Es hat damit einen langen Streit darüber beendet, ob zur Anerkennung als Körperschaft öffentlichen Rechts formale Kriterien genügen oder ob eine besondere Staatsloyalität hinzukommen muß. Da das Grundgesetz die Verleihung der Körperschaftsrechte an keiner Stelle von der Staatsloyalität der antragstellenden Religionsgemeinschaft abhängig macht, wollte das Bundesverfassungsgericht mit dieser Entscheidung offenbar auch möglichem Mißbrauch des Körperschaftsstatus vorbeugen. Der Körperschaftsstatus darf kein politisches Wohlverhalten erzwingen, zumal die Zeugen Jehovas mit ihrem Wahlverbot kaum politische Ziele verfolgen dürften, auch das Demokratieprinzip nicht schwächen wollten, sondern einen apolitischen Lebensentwurf, der "sich nicht gegen die freiheitliche Verfassungsordnung, sondern auf ein Leben jenseits des politischen Gemeinwesens" richtet.

Die Zeugen Jehovas lesen aus den biblischen Evangelien die Aufforderung, sich aus der Politik herauszuhalten, und wollen statt dessen "die gute Botschaft von Gottes Königreich als einzige Hoffnung der Menschheit" verkündigen. Ausschlaggebend bei der Verleihung des Körperschaftsstatus sind nicht Lehre und Glauben einer Religionsgemeinschaft, die zu beurteilen dem weltanschaulich neutralen Staat ohnehin verwehrt ist, sondern allein ihr tatsächliches Verhalten. "Das hindert freilich nicht daran, das tatsächliche Verhalten einer Religionsgemeinschaft oder ihrer Mitglieder nach weltlichen Kriterien zu beurteilen, auch wenn dieses Verhalten letztlich religiös motiviert ist", heißt es in der Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts.

Was soll das Berliner Oberverwaltungsgericht jetzt tun? Durch den Rückverweis des Bundesverwaltungsgerichts ist ihm eine "typisierende Gesamtbetrachtung und Gesamtwürdigung aller derjenigen Umstände aufgegeben, die für die Entscheidung über den Körperschaftsstatus von Bedeutung sind". Es muß sich also umfassend mit dem tatsächlichen Verhalten der Zeugen Jehovas befassen und Tatsachen zusammentragen, wie sie ihre Kinder erziehen und mit den Rechten Dritter, umgehen. Die Abgrenzungsbemühungen der Glaubensgemeinschaft gegenüber nicht Dazugehörigen ist unübersehbar.

Die Mitglieder sollen sich "vor vermehrtem Umgang mit Weltmenschen hüten" und im Umgang mit "Ungläubigen und gewöhnlichen Menschen vorsichtig" sein. Lehrer, die Zeugen Jehovas Schüler unterrichten, berichten auffallend oft von Konflikten bei Geburtstags- und Weihnachtsfeiern (beide Anlässe werden von den Zeugen Jehovas ignoriert), Theatervorführungen und Tanzveranstaltungen, an denen diese Kinder nicht teilnehmen dürfen, weil die Sekte einen "starken negativen Einfluß auf ihre geistige Gesinnung." befürchtet. Wie angesichts solcher Abschottungstendenzen eine umfassende Beurteilung durch ein Oberverwaltungsgericht möglich sein soll, bleibt abzuwarten.

Für eine wirkliche Durchschaubarkeit ihrer Mitgliederorganisation, ihrer Finanzen und internen Umgangsformen werden die Zeugen Jehovas wohl kaum sorgen.

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http://www.youtube.com/watch?v=3JoGpJLhoIw&feature=mfu_in_order&list=UL

"Erwachet!" 8. März 1974
Rubrik: "Wir beobachten die Welt" (S. 30)

Kommentar zur Urteilsbegründung vom 17. 05. 2001

Bitte beachten Sie auch: Kindererziehung und Totalitär

Parsimony.3262.

Man vergleiche auch: Gerichtliche Auseinandersetzungen in den USA

Humanistischer Verband und Lebenskunde

Herder Korrespondenz

Maskow Zeugen Jehovas als Körperschaft d, öffentlichen Rechts?

Hoffentlich sehen sich die Richter vor ihrer neuerlichen Entscheidung, als Fallbeispiel, auch mal an: Der Fall Reinhardt

Ein KdöR-Kommentar

Weltmenschen

Steffen Rink

Das Votum von Horst Knaut

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