Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Wie immer man darüber denken mag

Zitat aus dem abschließenden Kapitel ("Es ist etliches faul") der "Geschichte der Zeugen Jehovas":

Um es auf einen kurzen Nenner zu bringen. Auch bei den Zeugen Jehovas gilt. Sie sind als die „Progressiven von gestern" - zugleich die Konservativen von heute!

Eine Betrachtungsweise, die sich auf die Zeit 1933-45 beschränkt, ergibt notwendigerweise ein Zerrbild, da der geistesgeschichtliche Rahmen der damaligen Verhaltensweise nicht ausreichend reflektiert wird. Zudem wird dieser geschichtliche Aspekt gleichzeitig dazu benutzt, um das gegenwärtige Tun und lassen der Zeugen Jehovas als rechtens darzustellen. Dies kann in dieser Verallgemeinerung nicht akzeptiert werden.

Es ist feststellbar, dass etliche Autoren, die über die Zeugen Jehovas publiziert haben, die aber selbst nie Zeugen Jehovas gewesen sind, an einem bestimmten Punkt eine unbestimmte "Wischi-Waschi"-Formulierung zu benutzen belieben. Wenn sie auf die Zeit 33-45 zu sprechen kommen, dann bringen sie ihre Hochachtung, beispielsweise den damaligen Wehrdienstverweigerern unter den Zeugen Jehovas gegenüber zum Ausdruck.

In beiläufigen Nebensätzen koppeln sie das dann mit der sinngemäßen Anmerkung; „wie man auch sonst immer zu Lehre und Praxis der Zeugen Jehovas stehen mag." Dies ist der springende Punkt. Der Verfasser dieser Studie sieht den kardinalen Unterschied darin, dass er nicht nur eine unbestimmte „wie auch immer Meinung" vertritt, sondern auch in diesem „schwammigem" Bereich, möglichst „Ross und Reiter" ggf. beim Namen benennt.

Genau diesem Faktum einer "Wisch-waschi-Wertung", dem ausweichen einer klaren Stellungnahnme zu den Zeugen Jehovas kann man jetzt wieder in einem neueren Buch begegnen. Etwa wennn man auch dort die Sätze in der Einleitung liest:

"Wie auch immer man die stark missionarische Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas, ihre Glaubenslehre und ihre Binnenstruktur beurteilen mag, so gilt es in jedem Fall, das Schicksal jener Opfer mit Respekt zur Kenntnis zu nehmen, die um ihres Glaubens willen in beiden totalitären Weltanschauungsdiktaturen verfolgt wurden."

Im November 2000 gab es unter den Auspizien des damaligen Theologieprofessors B. in Heidelberg (jetzt "Totalitarismusforscher" in Dresden) eine Tagung zum Thema Zeugen Jehovas. Unter den dort versammelten Referenten fand sich die überwiegende Mehrheit jener ein, die für die WTG "Rang und Namen" haben. Lediglich Frau Y... gehörte wohl nicht zu den Mit-Eingeladenen. Vielleicht wollte man sich dort wohl nicht wegen ihrer Scientology und Moonkontakte mit ihr in einem Namenszug genannt wissen. Das könnte wohl auch für Herrn B. nicht sonderlich "reputationsfördernd" sein. Denn seriös wollte man schon sein, bei dieser Tagung.

Ein weiterer dort nicht vertretener Name der des Hubert Roser. Aber der liegt in der Tat etwas anders als der von Frau Y.. Hatte doch Roser gar auf einer Zeugen Jehovas-"Standhaft"-Veranstaltung aus den Gestapo-Akten des Konrad Franke zitiert. Und seine Zitate machten deutlich. Auch Roser lässt Franke nicht im "Heldenlicht" erscheinen. Die einzige Verbeugung, die er seinen Gastgebern gegenüber machte war die, eine Pseudonym für den Klarnamen Franke zu verwenden. Das war aber so durchsichtig, dass jeder halbwegs mit der Materie vertraute, sehr wohl erkannte. Er meint Franke!

Vielleicht passte daher auch Roser nicht so recht in den "erlauchten" Kreis, den Gastgeber B. da um sich zu versammeln beliebte.

Es wurde schon damals vorangekündigt, dass die dort gehaltenen Referate auch später noch in der Form eines über den Buchhandel erhältlichen Tagungsbandes veröffentlicht werden sollten. Es hat bis zum Jahre 2003 gedauert. Jetzt liegt dieser Band vor, herausgegeben von den Herren Gerhard B. und Clemens Vollnhals unter dem Titel:

"Repression und Selbstbehauptung. Die Zeugen Jehovas unter der NS- und der SED-Diktatur".

Beginnen möchte ich da gleich als erstes mit dem dort abgedruckten Beitrag von Detlef G., der mir von allen, die sich dort artikulierten, wie mir scheint, noch die gehaltvollsten Ausführungen machte.

Detlef G.; den Namen kann ich nicht in den Mund nehmen, ohne gleichzeitig "hin und hergerissen zu sein". Einerseits ist unbestritten, dass G. mit seinem "Zwischen Widerstand und Martyrium" ein Standardwerk zum Thema vorgelegt hat, um das keiner (der ernst genommen werden möchte) herumkommt. Die Details daraus sollen hier jetzt nicht im Vordergrund stehen. Nur soviel. Mir erschien eines evident zu sein. G. versucht sich darin auch von den Vorgängerstudien von Friedrich Zipfel und Michael Kater "abzusetzen". Unterschreibe ich vieles aus "Zwischen Widerstand und Martyrium" auch, so jedoch nicht das G.'sche Selbstverständnis, als hätte er G.; sowohl Zipfel und Kater "überflüssig" gemacht, auf das man ihrer nicht mehr gedenken möge und nur noch singe: "Hosianna - G."

Das was G. Zipfel und Kater meint als "Schwächen" glaubt vorhalten zu können, hat mich - in der Sache - (von unbedeutenden Kleinigkeiten abgesehen) in keinem einzigen Falle überzeugt!

Grundtenor der G.'schen Kritik an den Vorgenannten ist doch wohl der, dass die Genannten in der Sicht G.'s zu "distanziert" zu ihrem Untersuchungsgegenstand ständen. Und hier ist in der Tat ein wesentlicher Unterschied zu sehen.

Weder Zipfel noch Kater, haben sich je als de facto Hauptdarsteller für ein von der WTG gedrehtes und vertriebenes Video zur Verfügung gestellt. G. sehr wohl. G. (und noch einige andere) haben es auch genossen, auf diversen WTG-Veranstaltungen weiter "herumgereicht" zu werden. Er, G., hat somit auch sein ganz persönliches "Geschäftchen" mit der WTG abgewickelt.

Das ist, was ich G. ankreide und wo ich mir Zipfel und Kater lobe, die sowohl relativ sachgerecht den von ihnen behandelten Gegenstand dargestellt haben; zugleich sich aber nicht von der WTG für deren Interessen haben vereinnahmen lassen.

G.'s Buch erschien vor rund einem Jahrzehnt, und wird von minimalen Korrekturen abgesehen, im Prinzip heute noch unverändert, mit vorgenannten "Macken" vertrieben. Sein genanntes Buch repräsentiert somit mehr oder weniger den "frühen" G. Nun soll man niemandem die Fähigkeit absprechen, auch noch dazu zu lernen. Auch G. nicht.

Ein Dokument des "späten" G. indes erscheint mir auch schon sein Referat auf der Heidelberger Tagung vom November 2000 zu sein, aus der jetzt mal einige Sätze zitiert werden sollen. Sätze, denen ich in der Sache nur beipflichten kann.

So erwähnt er bezugnehmend auf die KZ's:

Zum Beispiel lehnten Bibelforscherinnen im KZ Ravensbrück den Einsatz in der Angora-Kaninchenzucht trotz schwerster Strafen ab (da das Fell für die Fütterung von Fliegerjacken genutzt wurde, sahen sie darin biblisch verbotene "Kriegsarbeit"), während im Männer-KZ Neuengamme drei Jahre lang 15 bis 20 Zeugen Jehovas im dortigen "Angora-Kommando" arbeiteten, wo sie die relativ guten Bedingungen für die Beschaffung lebensnotwendiger Zusatzverpflegung, für heimliche Zusammenkünfte und für das Verstecken biblischer Schriften zu nutzen verstanden.

Weiter konstatiert er:

Zugleich gab es unter den Bibelforscher-Häftlingen aber auch Zerwürfnisse, die so heftig sein konnten, daß sie zu Spaltungen und Ausschlüssen, dem sog. Gemeinschaftsentzug, führten. Ein Konfliktpunkt war z. B. die Frage, wo die Grenzziehung bei der Ablehnung von "Kriegsdiensten" jeweils genau zu verlaufen habe. Für die "Gemäßigteren" galt nur die direkte Mitwirkung an der Herstellung von zur Tötung bestimmten Kriegsgerät als Arbeit für den Krieg, während die "Radikaleren" neben der Waffenproduktion etwa auch die Herstellung von Uniformjacken in der Ravensbrücker Schneiderei oder die Produktion von Wehrmachtskiern in der Buchenwalder Tischlerei als Verstoß gegen die biblischen Gebote galt.

Kritisieren tut er auch:

In den Veröffentlichungen der letzten Jahre bleiben diejenigen Gruppen der Bibelforscherbewegung, die sich in den zwanziger und dreißiger Jahren von der Watch Tower Society getrennt hatten, nahezu gänzlich ausgespart, obgleich auch die "Freie Bibelforscher-Vereinigung" und die "Menschenfreundliche Versammlung (Engel Jehovas)" im November 1933 bzw. im Januar 1934 verboten wurden und auch Angehörige dieser Gruppen in den Konzentrationslagern unter dem "lilaWinkel" der Bibelforscher geführt wurden.

Die Politik der WTG in der "Vor-G.-Zeit" kommentiert er mit den Worten:

Dabei haben die Zeugen Jehovas lange Zeit selbst dazu beigetragen, daß eine Aufarbeitung ihres Verfolgungsschicksals unterblieb. Der exklusive Anspruch dieser umstrittenen Glaubensgemeinschaft, deren "Leitende Körperschaft" alleinige Wahrheit beansprucht und sich als einzig wahre und authentische Vertreterin des göttlichen Willens sieht, und ihre - insbesondere für Bibelunkundige - in rationalen Kategorien nur schwer faßbare Glaubenslehre dürften ebenso zu dem langanhaltenden Desinteresse der Geschichtswissenschaft beigetragen haben wie die Abschließung der Gruppe nach außen. Forschungsbemühungen - so es sie denn gab - trafen lange Zeit bei der Wachtturm-Gesellschaft auf Vorbehalte. Zu ihren Archiven erlangten Außenstehende keinen Zugang. Ängste und schlechte Erfahrungen, insbesondere mit Journalisten, denen in erster Linie an zweifelhaften "Enthüllungsstories" gelegen war, aber auch der Wunsch nach einem Deutungsmonopol in Fragen der eigenen Geschichte werden die nichtkooperative Haltung bestimmt haben.

Auch beachtlich seine Anmerkung:

Für das Engagement der Zeugen Jehovas in Sachen Geschichtsaufarbeitung ist noch auf einen weiteren Gesichtspunkt zu verweisen, nämlich eine 1995 im "Wachtturm" verkündete Modifikation in der Glaubenslehre bezüglich der Naherwartung.

Vgl. die Veränderung im Impressum der Halbmonatsschrift Erwachet!; die alte Fassung mit dem Verweis auf die Generation von 1914 wurde letztmalig in der Ausgabe vom 22. 10. 1995 abgedruckt (vgl. auch die flankierenden Artikel im Wachtturm vom 1. 11. 1995).

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Man vergleiche (vorstehend) auch dazu die Ausführungen von Kaiser/Rausch in ihrem Buch "Die Zeugen Jehovas. Ein Sektenreport")

Voll unterstreichen kann ich auch seine Einschätzung:

Bedauerlicherweise hat sich die Wachtturm-Gesellschaft trotz ihrer Öffnung in Fragen der Geschichtsaufarbeitung bislang noch nicht zu einer Distanzierung von dem Anpassungskurs des Jahres 1933 entschließen können. Zwar wird die Erklärung vom 25. Juni 1933 heute nicht mehr als "vehementer Protest gegen die Hitler-Regierung" verklärt, aber die Tatsache, daß in Zeiten der Bedrängnis 1933 gewisse Zugeständnisse erfolgten, wird weiterhin nicht eingestanden. Allerdings wurde 1998 in einer "Erwachet!"-Ausgabe der auch innerhalb der Glaubensgemeinschaft geäußerte Wunsch nach einer Passage zu den "Handelsjuden des Britisch-Amerikanischen Weltreiches" als Ausdruck einer vermeintlichen Judenfeindschaft "mißverstanden worden" sei und deshalb "Anstoß erregt" habe. Aber zu dem Eingeständnis, daß die "sichtbare Organisation Jehovas" - wie andere auch - in den Anfangsmonaten des "Dritten Reiches" zur Existenzwahrung einen Weg der Anpassung und Verständigung suchte, zeitweilig die Gläubigen zur Einstellung aller Missionsaktivitäten aufrief und somit anfangs nicht mit der Entschiedenheit agierte, die später das Handeln der Zeugen Jehovas unter der nationalsozialistischen Herrschaft auszeichnete, kann sich die Wachtturm-Geellschaft nicht entschließen, wohl weil hier die Autorität der Leitenden Körperschaft in Brooklyn und ihr Anspruch "unter der Eingebung und mit der Vollmacht des Höchsten" zu handeln, zur Diskussion steht.

Und in einer Fußnote merkt er dazu noch an:

In der Frage der von den Gläubigen geforderten Gehorsamspflicht sind noch keine Anzeichen einer Öffnung erkennbar. Die Zeugen Jehovas werden immer noch auf eine unbedingte und unhinterfragte Loyalität gegenüber der Leitenden Körperschaft verpflichtet. Dies gilt auch für Fälle, in denen etwas im Augenblick nicht verständlich erscheint oder in denen man nicht mit der Leitung übereinstimmt. Für diese Fälle empfiehlt der Wachtturm: 'Loyalität schließt somit ein, die Veröffentlichungen von weiterem Verständnis durch den treuen und verständigen Sklaven geduldig abzuwarten.' Wachtturm vom 15. 3. 1996, 15f.)

Meine Unterstützung findet er auch für die Aussage:

Für jene, die an einer Aufklärung über die und einer Diskussion mit den Zeugen Jehovas interessiert sind, sind meines Erachtens im Blick auf die Jahre 1933 bis 1945 vielmehr Erörterungen darüber weiterführend, weshalb die Zeugen Jehovas in Konflikt mit dem Nationalsozialismus gerieten und wofür sie stritten. Hier sind das Verhältnis der Zeugen Jehovas zur Welt, ihr Staatsverständnis, die Zuschreibung der eigenen Organisation zu den theokratischen Autoritäten, die unbedingte Loyalitäts- und Gehorsamspflicht der Gläubigen gegenüber der Wachtturm-Gesellschaft und andere Fragen zu thematisieren, die durchaus einer kritischen Erörterung bedürfen.

Wer das opferreiche Martyrium der Zeugen Jehovas im "Dritten Reich" aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive betrachtet, kommt deshalb nicht an der Feststellung vorbei: Widerstand gegen die Diktatur leisteten Jehovas Zeugen nicht. Sie stritten im Konflikt mit dem Regime für ihre (eigene) Organisations- und Glaubensfreiheit, nicht aber für die Freiheit (aller) in einem umfassenderen und politischen Sinne. In diesem Zusammenhang gilt es auch, darauf hinzuweisen, daß die Zeugen Jehovas sich nicht nur gegenüber der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verweigerten.

Bravo, für diese Aussage aus dem Munde auch von G.!

Unterstrichen sei auch noch abschließend seine Einschätzung:

Die couragierte Haltung der Zeugen Jehovas im "Dritten Reich" kann zwar Respekt und Würdigung für sich beanspruchen, als Leitbild in einer demokratisch verfaßten Gesellschaft eignet sie sich jedoch nur bedingt. Ihr Handlungsmotiv war die Loyalität zur Theokratie, nicht die Wiedererlangung von Freiheit und Demokratie. Eine Vorbildfunktion im pädagogischen Sinne kommt ihnen deshalb nicht zu. Dieser Platz sollte Dietrich Bonhoeffer, Mildred und Arvid Harnack, Helmuth Hübener, Julius Leber, Max Josef Metzger, Carl von Ossietzky, Sophie und Hans Scholl und ähnlichen Persönlichkeiten vorbehalten bleiben.

Bei einem in diesem Band mit enthaltenen Beitrag des Schweizer WTG-Mitarbeiters Max W., fallen besonders zwei Aspekte ins Auge.

So vermerkt er in seiner ersten Fußnote schon:

Zum ersten Mal sollen spezifisch schweizerische Forschungsergebnisse in ansehnlicher Breite vorgelegt werden in: Hubert Roser (Hg.), "Vergessene Opfer" - Jehovas Zeugen, der Nationalsozialismus und die Schweiz (in Vorbereitung für 2002).

Dazu ist festzustellen. Genanntes wurde in der Tat schon einmal im Verzeichnis "lieferbarer" Bücher vorangekündigt. Eine ISBN dafür existierte auch schon. Ebenfalls das Titelbild-Cover und die Verlagsangabe. Dann wurde es "still" um dieses Buch. Aus dem "Verzeichnis lieferbarer Bücher" verschwand es wieder und auch keine wissenschaftliche Bibliothek die Pflichtexemplarberechtigt ist, weist es nach.

Eine gezielte Nachfrage bei dem mal vorgesehenen Verlag ergab. Das Projekt ist dort "gestorben". Mit Sicherheit ist es jedenfalls nicht im Jahre 2002 erschienen. Ob es denn überhaupt noch mal erscheinen wird, steht (ausgehend vom gegenwärtigen Stand) "in den Sternen".

Der Verweis auf ein nie erschienenes Buch noch im Jahre 2003, erweist sich somit als unseriös.

Zweite Anmerkung zu W..

"Gekonnt" umschifft er eine Klippe durch Nichterwähnen. Und zwar die Schweizer Wehrdiensterklärung von 1943. Da liegt einiger "Zündstoff" drin. Das ist wohl auch W. klar. Jedoch muss man ihm das als nicht "verzeihlich" ankreiden. Das von B./Vollnhals herausgegebene Buch tritt ja gerade mit dem Anspruch auf, beide deutsche Totalitarismen im Blickfeld zu haben. Man weiss, dass Thema Wehrdienst ist eines, was darin, keinesfalls an "letzter" Stelle mit hineinspielt. Umso mehr ist das W.'sche Schweigen dazu (da er ja von der Sache berufen wäre, sich dazu zu äußern), zu verurteilen.

Zu den mit in diesem Sammelband vertretenen Autoren gehört auch der Waldemar H. H. offeriert nur das, was er an anderer Stelle bereits früher ausgeführt hatte; und nach wie vor ist festzustellen. Nicht immer ist seine Argumentation besonders "schlüssig".

Das soll an einem Einzelbeispiel einmal verdeutlicht werden.

H. entrüstet sich in seinen Ausführungen auch über die "Sektenkundlichen Mitteilungen". Dabei handelte es sich um eine Publikation der Evangelischen Kirche in der DDR, die im Verfielfältigungsverfahren hergestellt wurde. Also "Marke Caro Billig". Das soll jetzt nicht abwertend verstanden werden, sondern lediglich zur Veranschaulichung dienen.

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Ein Beispiel der "Sektenkundlichen Mitteilungen", die später in "Religiöse Sondergemeinschaften" umbenannt wurde. Wenn der Text dabei nur äußerst schlecht lesbar ist, muss dies der damals unbefriedigend zu bewertenden Kopiertechnik zugeschrieben werden

Heutige Kopiertechnik stand der Kirche damals offenbar noch nicht zur Verfügung. Und so sind denn die einzelnen Blätter im Schreibmaschinenpapierformat auch lediglich durch eine simple Heftklammer zusammengehalten gewesen pro Ausgabe.

Auch fand sich in jedem Impressumsvermerk noch die Angabe "Nur zum kirchlichen Dienstgebrauch".

Über diese seit 1968 etwa alle 4 Monate erscheinende Publikation (drei Ausgaben pro Jahr) entrüstet sich nun H. mit den Worten:

Zu dieser kirchlichen Stelle nahm Willy Müller als Herausgeber der CV Kontakt auf.

Bereits in der zweiten Ausgabe der Sektenkundlichen Mitteilungen wurde die Zeitschrift CV als aufklärendes Informationsblatt über Jehovas Zeugen vorgestellt. In annähernd jeder weiteren Ausgabe wurden die über Jehovas Zeugen enthaltenen Berichte einfach aus der CV entnommen. Ohne Überprüfung des Wahrheitsgehaltes, lediglich mit Nennung von CV als Quelle

In den Sektenkundlichen Mitteilungen waren etwa 85 bis 90 Prozent der enthaltenen Aussagen über Jehovas Zeugen der Zeitschrift CV entnommen. Ein tatsächlicher Skandal, denn es ist nur zu offensichtlich, daß Dr. Pietz … zumindest ahnen mußte, wer hinter CV stand.

Was ist dazu zu sagen? Zum einen. Wer kann es dem CV-Herausgeber Müller verargen, dass es Kontakte aufnahm? Was machten denn die Zeugen Jehovas mit ihren "Standhaft"-Veranstaltungen? Da wurden doch auch Kontakte zu Außenstehenden gepflegt. Nicht mehr und nicht weniger tat auch Müller. Und wer das als "Straftatbestand" werten will, dem muss man schon mal auf den Kopf zu die Frage stellen; ob er sich sicher ist, wirklich noch "richtig zu ticken?"

Weiter. Pietz zitierte via Sektenkundliche Miteilungen in der Regel kommentarlos. Ist das ein Verbrechen? Oder noch anders gesagt. Er tat gleiches auch bezüglich der Siebenten-Tags-Adventisten, der Neuapostolischen Kirche, der Evangelisch-Johannischen Kirche und noch einiger anderer; sofern ihm diesbezüglich zitierenswertes vorlag. Die Zeugen Jehovas-Thematik war dabei den gleichen Kriterien ausgeliefert. Über keine Gruppe finden sich irgendwelche echte "Kommentierungen". Über alle nur "Zitierungen".

Natürlich nahm Dr. Pietz dergestalt Einfluss, dass er auswählte. Er allein entschied; was er als zitierenswert ansah und was er "unter den Tisch fallen ließ".

Wenn H. Dr. Pietz einen echten Vorwurf machen wollte, dann hätte er ausführen müssen. "Diesen Text hat Pietz zitiert". Dann müsste er den inkriminierten Text näher vorstellen und hinzufügen was er an ihm zu beanstanden habe und aus welchen Gründen. Genau diesen Weg hat aber H. nicht beschritten. Er bietet nur eine billige Stimmungsmache.

Siehe auch: Sektenkundliche Mitteilungen

"Würdig" dem Herrn H. zur Seite steht in diesem Band auch der "kalte Krieger" Gerhard B.. Er abhandelt insbesondere das Thema "Christliche Verantwortung". Das der zu acht Jahren Zuchthaus vom DDR-Staat verurteilte Dieter Pape, davon "nur" vier Jahre absitzen musste und eine DDR-konforme Entwicklung einschlug, ist für die kalten Krieger Made B. die es immer noch nicht verkraften können, dass sie es nicht schon zu Adenauers Zeiten geschafft haben, dass die DDR aufhörte zu bestehen, ein "Sakrileg", für das sie aus ihrer Interessenlage keine "Verständnis" haben.

Seine Antipathien bringt er denn mehr als reichlich auch in seinen Ausführungen immer wieder mit ein.

Wie sehr B. parteiisch ist, macht er meines Erachtens auch deutlich, wenn er der Meinung ist bezüglich des Uraniabuches, es sei von dem Dr. Pietz in den Sektenkundlichen Mitteilungen "sehr günstig besprochen" worden.

Dieser Auffassung vermag ich nicht zu folgen. Daher mal ein paar Sätze aus dieser "günstigen" Besprechung via meiner Ausführungen dazu aus der "Geschichte der Zeugen Jehovas" S. 499f.

1970 erschien dann in der DDR im Uraniaverlag Leipzig [71] ein Buch über die Zeugen Jehovas. Als Herausgeber wurde darin genannt Manfred Gebhard. [72] Im „Materialdienst der evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen" kennzeichnete Reimer dieses Buch 1972 als eine Propagandaschrift. Als die Antwort der DDR auf die „Wühlarbeit" der Zeugen Jehovas. [73]

Der seinerzeitige Präsident der EKU-Kirchenkanzlei in der DDR wählte dazu die Vokabel vom „Steckbrief einer Religionsgemeinschaft" und das diese „Dokumentation", sofern sie denn eine solche sei, wachsam zu benutzen sei. [74]

Demgegenüber wirkt es doch etwas merkwürdig, wenn die in Freiburg/Br. erscheinende katholische Zeitschrift „Lebendige Seelsorge" im Jahre 1971 nur relativ moderate Vokabeln über diese Buch verwandte. Pietz lebte in der DDR und musste darauf achten, dass bei dem was er sagte, ihm das DDR-Regime nicht daraus einen Strick drehte. [75] Die „Lebendige Seelsorge" hingegen erschien in der freiheitlichen Bundesrepublik Deutschland. Es hätte durchaus in ihrer redaktionellen Freiheit gelegen, einen totalen Zerriss dazu zu publizieren. Statt dessen schrieb man nur:

Die 'Zeugen Jehovas' wecken immer wieder durch die Kompromisslosigkeit, mit der sie diktatorischen Regimen gegenübertreten, Bewunderung; dennoch fällt es schwer, an dieser Sekte sympathische Züge zu entdecken."

Das Uraniabuch enthält dann für die „Lebendige Seelsorge" „unvergleichlich mehr Material als bisher irgendwo über diese Sekte zu finden war." Die Kritik an der Gesamtkonzeption erschöpft sich in der Feststellung: „Man muss den Leser aber darauf aufmerksam machen, dass es sich nicht um eine tendenzfreie Darstellung handelt. Auch steht nicht so sehr die religiöse Seite im Blickpunkt. … Nicht gerecht wird vermutlich der Herausgeber den Zeugen Jehovas bei der Darstellung ihres Verhältnisses zum Hitlerfaschismus." [76]

Noch eine Anmerkung zu B.:

Schließlich hat "sich das Präsidium unserer Gesellschaft in den letzten Monaten (1. Halbjahr 1933) nicht nur geweigert, an der Greuelpropaganda gegen Deutschland teilzunehmen, sondern hat sogar dagegen Stellung genommen, wie dies auch in der beigefügten Erklärung unterstrichen wird durch den Hinweis, daß die Kreise, welche diese Greuelpropaganda in Amerika leiten (Geschäftsjuden und Katholiken) dort auch die rigorosesten Verfolger der Arbeit unserer Gesellschaft und ihres Präsidiums sind." -

An diesen Text muss man sich wohl noch mal erinnern, wenn man auch bei Herrn B. dem Begriff "Greuelmeldungen" begegnet. (Also anstatt Propaganda etwas abgemildert nur "Meldungen"). Derjenige, dem er eine solche anlastet heißt Reinhard Henkys, seinerzeitiger Chefredakteur der (im Westen) erscheinenden Zeitschrift "Kirche im Sozialismus".

Bei B. liest man (S. 150):

"Die in West-Berlin erscheinende Zeitschrift "Kirche im Sozialismus" (KiS), ein evangelisches Presseerzeugnis, gab der CV immer wieder die Möglichkeit zur Selbstdarstellung und druckte von der Stasi lancierte Greuelmeldungen über die ZJ ab."

Die WTG-Apologeten können sich auch heute noch nicht genug vor Wut darüber auslassen, dass die CV auch Außenkontakte pflegte. Wer in westlichen Gefilden von der Existenz der CV etwas mitbekommen, und selbige anschrieb, hatte durchaus reale Chancen mit in deren Verteilerliste aufgenommen zu werden. Einiges spricht dafür, dass dies auch im Fall Henkys der Fall war. Die WTG-Apologeten hätten sich nun gewünscht, dass Henkys schon zeitgenössisch einen Totalzerriß der CV publizierte hätte. Genau das aber ist nicht der Fall gewesen. Und das verzeihen sie auch nie. Andereseits kann man aber nicht sagen; dass Henkys nun übermäßig "viel" Gebrauch von dem machte, was er da in der CV las. Das ist eher weniger der Fall. Man muss schon tatsächlich mit der Lupe suchen, wo er denn in "Kirche im Sozialismus" tatsächlich mal die CV zitierte. Nebst dem umfassenden Artikel von Christian Pietsch, läßt sich da eher nur eine marginale Nachricht nachweisen, die aber wie bereits notiert, von Herrn B. prompt als "Greuelmeldung" klassifiziert wird. Indes vorstellen tut Herr B. den von ihm so bezeichneten Text nicht!

Er verweist in einer Fußnote lediglich auf zwei Hefte der "Kirche im Sozialismus". Einmal das Heft 3/1985. Und zum zweiten das Heft 4/1985. Danach war (mehr Belege vermag B. schon nicht zu nennen) schon Schluss mit der vermeintlichen "CV-Rezeption" in "Kirche im Sozialismus"

A ja, da gibt es noch einen "Joker", offenbar dem Herrn B. entgangen. Der heißt Robert Schmidt und nennt in seiner Dissertation (S. 97 Fn 337) noch einen weiteren Beleg aus der KiS, der auch hier nicht vorenthalten sei. Schmidt dessen "Eigenständigkeit" seine Zeugen Jehovas-Thesen betreffend verdächtig die Assoziation an einen Papagei erweckt, der getreulich nachplappert was er beispielsweise von H., W., Y. und anderen dieses Kalibers "aufgeschnappt" und lediglich in eigener Wortwahl wiedergibt. Besagter Herr Schmidt teilt mit:

"In einer nicht gerade für die ZJ sicherheitsfördernden Meldung der KiS heißt es beispielsweise: 'Ferienpioniere Jehovas, Trotz des Verbotes der Zeugen Jehovas in der DDR seit 1950 entsenden diese 'Ferienpioniere' in Urlaubsgebiete. Mitgliedern der Sekte wird aufgetragen (...) zu missionieren und andere Urlauber vom nahenden Ende der Welt zu überzeugen, Dazu besuchen sie auch ortsansässige Familien in ihren Häusern. Gelegentlich werden siolche aufdringlichen Besucher der Polizei übergeben, die sie dann nach Hause schickt. (...) Kritisch mit dem Wirken der Zeugen Jehovas setzt sich die Organisation 'Christliche Verantwortung' in der DDR auseinander (Kirche im Sozialismus, KiS 4/84, S. 6)"

Durfte diese "Binsenweisheit" als "Top secret" nicht zu den Augen des westlichen Lesers gelangen, wäre rückzufragen? Mehr als eine Binsenweisheit wird da doch wohl nicht mitgeteilt. Oder will man gar behaupten, aufgrund dieser Meldung sei eine neue Verhaftungswelle gestartet worden? Das ist dann doch wohl selbst dem Herrn Schmidt zu abenteuerlich; und folgerichtig wagt er auch solch eine Behauptung nicht. Summa summarum. Hier wird der "Sturm im Wasserglas" zum "Orkan" erklärt.

Noch deutlicher wird, sieht man sich genannte Hefte selbst einmal an. In Heft 3/1985 ist auf den Seiten 110 - 124 der umfängliche Artikel von Christian Pietsch "Verbotene Missionare. Jehovas Zeugen in der DDR" abgedruckt und sonst nichts weiter Zeugen Jehovas-bezügliches. Sollte Herr B. im Ernst die Ausführungen von Pietsch in Gesamtheit als "Greuelmeldung" klassifizieren wollen, würde ich ihm postwendend antworten. Dann sind auch Sie höchstpersönlich, solch ein Verbreiter von "Greuelmeldungen". Nur eben unter anderen, entgegengesetzten Vorzeichen!

Schon eher kann man über das noch genannte Heft 4/85 der KiS reden. Da ist in der Tat einmalig, ein Zitat aus der CV entnommen worden.

Auf der Seite 139 liest man in der genannten KiS:

"Die Mißhandlung von Kindern soll unter Anhängern der Zeugen Jehovas (ZJ) in 'erschreckendem Maß' zunehmen berichtet die 'Studiengruppe Christliche Verantwortung', ein Zusammenschluß ehemaliger Zeugen Jehovas in der DDR (vgl. KiS 3/85, S. 118). In der Monatsschrift 'Christliche Verantwortung' wird das Beispiel einer Kindermißhandlung geschildert, wonach ein Mitglied der Wachtturmgesellschaft seinen Stiefsohn laufend geschlagen haben soll. Die Redaktion teilte mit, ihr lägen immer wieder Fälle vor, daß Kinder von Zeugen geschlagen und mißhandelt werden, weil sie ein bißchen mehr Freiheit und Freude wollten.

'Nur Bibelstudium, Versammlungen, Felddienst, keine Feuern, keine Freude außerhalb der ZJ-Gemeinschaft u. v. m. ist für Kinder und Jugendliche nicht 'ihre Vorstellung vom Leben', betonte dazu die Redaktion. Aber die Wünsche der Kinder zählen nicht, und die biblische 'Wahrheit' würde häufig in sie hineingeprügelt werden."

Das nun will Lobbyist B. nicht gelten lassen und verwendet dafür die Vokabel "Greuelmeldung". Das ich dazu eine grundsätzlich andere Meinung habe, bedarf wohl keiner besonderen Erläuterung. Für weiteres dazu, verweise ich nur auf die Linksammlung:

Kindererziehung und Totalitär

Aus einem Aufsatz des WTG-Funktionärs Slupina in diesem Band, kann man auch einige statistische Zahlen über das Wachstum der Zeugen Jehovas in Deutschland in den Jahren 1946 - 1950 entnehmen.

Danach gab es per 1. 5. 1946 in Ostdeutschland 3328 Bericht abgebende Zeugen Jehovas.

Westdeutschland registrierte zur gleichen Zeit 5237.

Bis zum 1950er DDR-Verbot wuchs die Zahl der ostdeutschen Zeugen Jehovas auf 23.000 an.

Zur gleichen Zeit gab es in Westdeutschland rund 30.000 Zeugen Jehovas.

Zu diesen "abstrakten" Zahlen muss man noch das jeweilige Bevölkerungspotential in die Betrachtung mit einbeziehen. Und das ostdeutsche wurde wohl um die 17 Millionen beziffert. Westdeutschland war aber zur gleichen Zeit auch bevölkerungspolitisch erheblich größer.

Dies in die Betrachtung mit einbeziehend, kann man ohne Zweifel sagen. Das Wachstum der Zeugen Jehovas in Ostdeutschland vor 1950, war ohne Zweifel erheblich größer als zur gleichen Zeit in Westdeutschland.

Ein Symptom dafür, dass in trostlosen Zeiten "Heilsverkünder" einen fruchtbaren Boden vorfinden. Je mehr sich diese Verhältnisse zum besseren ändern, um so weniger fruchtbarer wird es für die (Un)"Heilsverkünder".

Aus dem in diesem Band noch mit enthaltenen Beitrag von Bernd Schäfer sei noch zitiert; und damit soll die Betrachtung ihr Ende finden:

Schäfer kommt auf Polen zu sprechen. Jenes Land aus dem Ostblock, wo die Zeugen Jehovas schon ab den 1980er Jahren eigene Kongresse öffentlich abhalten durften; bzw. in westliche Länder zu deren Besuch ausreisen durften. Dazu Schäfer:

Bemerkenswert ist auch die Rolle der Zeugen Jehovas in Polen in den achtziger Jahren, als die regierende Polnische Vereinigte Arbeiterpartei auf der Suche nach kirchlichen Gegengewichten zur übermächtigen katholischen Kirche nicht nur bei den staatsloyalen Protestanten fündig wurde, sondern bei den teillegalisierten ZJ, die als anti-katholische (und damit als gegen die Massenbewegung "Solidarnosc" und Streiks) eingestellt wahrgenommen wurden. Das MfS der DDR war über solche Politik gegenüber den ZJ wenig erbaut und warnte entsprechend die polnischen Kollegen von der aus Brooklyn und Selters gesteuerten "Infiltration", konnte sie allerdings nicht von ihrer Strategie abbringen.

Und seine Ausführungen kommentiert er dann noch mit dem Satz:

So haben sich letztere (die Zeugen Jehovas) beispielsweise durch offenkundig falsifizierte Weltuntergangsprognosen für das Jahr 1975 vorübergehend mehr geschadet als es die Zersetzungsarbeit der Staatssicherheit vermochte.

Friedrich Zipfel Kirchenkampf in Deutschland 1933-1945

Michael H. Kater Bibelforscher

Es ist etliches faul

Max Woernhard

Gerhard B...

Andre Gursky

Christian Pietsch

Repression und Selbstbehauptung

Detailkommentar zu B...

Hitlerzeit

Ostdeutschland

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