Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Michael H. Kater

Die Ernsten Bibelforscher im Dritten Reich

Anlässlich ihres Kongresses im Jahre 1971, der unter dem Motto stand "Göttlicher Name", betrieb die WTG auch eine intensive Pressearbeit, um sich so möglichst positiv in der Presse widergespiegelt zu finden. Eigens zu diesem Zweck richtete man damals einen eigenen "Jehovas Zeugen Nachrichtendienst (JZN)" ein, dessen damalige Anschrift war: 7600 Offenburg-Albersbösch, Jägerpfad 3. Auch die Westberliner Anschrift der WTG (damals: Berlin 19, Bayernallee 49/50) war in den Materialien dieses Pressedienstes vermerkt. Bekanntlich residiert in letzterer Immobilie heute ein privat geführtes Seniorenheim, für das die WTG entsprechenden, ortsüblichen Mietzins zu kassieren pflegt.

In dieser Pressemitteilung pflegte man auch gewisse vermeintlich beeindruckende Fakten zu zitieren. So unter anderem, dass die Berliner Zeugen Jehovas vor dem Hitlerverbot im Ärzte-Haus in der Luisenstr. ihre Versammlungsstätte gehabt hätten. Die Erwähnung dieser Immobilie geschah nicht ohne Hintersinn. Der wird dann deutlich wenn man dann weiter liest, dass just dort, zu DDR-Zeiten die Volkskammer der DDR ihren Sitz hatte.

Weiter meinte man die Journalisten auch noch mit der Auflagenhöhe der WTG-Literatur beeindrucken zu können. Genannt wird das WTG-Buch "Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt" mit der Angabe 40 Millionen Exemplare in beinahe 70 Sprachen. Mit stolzgeschwellter Brust reklamiert man dann weiter, dass demzufolge, statistisch gesehen "auf je 100 Personen der Weltbevölkerung je 1 Exemplar dieses Buches kämen." Man meint zu wissen, dass es demzufolge nach der Bibel, das weitverbreiteste Buch sei.

Da man schon dabei ist in Superlativen zu schwelgen, kann man es sich nicht verkneifen, den Journalisten noch ein Highlight mitzuteilen. Das liest sich dann so:

"In dem 'Vierteljahresheft für Zeitgeschichte' (17. Jahrgang 1969/2. April-Heft), herausgegeben von Hans Rothfels und Theodor Eschenburg, beschreibt ein Artikel, 'Die Ernsten Bibelforscher im Dritten Reich von Michael H. Kater, die Verfolgung der Zeugen Jehovas." Ende der Durchsage.

Schon die gewählte Formulierung offenbart einiges. Zum ersten, dass die JZ-Pressedienst von Leuten gestaltet wurde, die eine wissenschaftliche Bibliothek in der Regel noch nie von innen gesehen haben. Dies macht schon die Titelangabe deutlich. "Vierteljahresheft" anstelle von "Vierteljahreshefte". Ein kleiner Lapsus. Sicherlich. Nicht wert an die große Glocke gehängt zu werden. Auch richtig. Dennoch sagt er durchaus etwas aus, über das Niveau jener, die da diesen Pressedienst gestalteten. Auch bezeichnend. Auf eine Detailreferierung dieses Aufsatzes verzichtet man. Man nennt ihn bloß. Und setzt damit voraus. Der Durchschnittsjournalist muss selbst in Bibliotheken diesbezüglich recherchieren. Oder es auch sein lassen.

Noch etwas ist anzumerken. Der Titel dieses Aufsatzes dürfte ja wohl für die Befindlichkeit der Zeugen Jehovas interessant sein. Informierte man daher auch die eigene Anhängerschaft in den eigenen Zeitschriften näher darüber? Auch dies muss man verneinen. Nirgends in der WTG-Literatur wird Kater im Detail referiert.

Wie anders doch die Situation, nachdem das G.-Buch auf dem Markt war. Nach einer gewissen "Verdauuungsfrist" reagierte die WTG sehr wohl. Man kann es plastisch an ihrem "Standhaft"-Video erkennen. Böse Zungen sagen gar, Detlef G. ist in diesem WTG-Video der unausgesprochen heimliche Hauptdarsteller! Sicherlich, Zeitzeugen sind vormal die Hauptdarsteller darin. Jedoch wenn es um die Wiedergabe wertender Urteile geht, dann ist G. der "King" dieses Videos!

Wie so anders erging es doch Michael H. Kater. Wer seinen Aufsatz liest, kommt zu dem Resultat. Kater ist G. ebenbürtig. Kater hat schon vor G. die wesentlichen Punkte auf den Punkt gebracht. Jetzt kommt aber der feine aber entscheidende Unterschied. Der betrifft die "Laufbahn" beider Autoren. Sie ist bei Kater eindeutig. Er wurde Geschichtsprofessor und hat noch einige weitere Veröffentlichungen die Zeit 33-45 betreffend vorgelegt.

Und was ist mit G.? Als seine Dissertation angenommen wurde, da war es durchaus noch nicht ausgemacht, wohin der Weg von G. endgültig hinführen würde. Sicherlich. Gewisse Weichenstellungen waren schon vorhanden. Kater hat meines Wissens nie zusätzlich evangelische Theologie studiert. G. sehr wohl. Und das ist denn auch das Kriterium.

Sicherlich G. hat es geschafft Pionierdienste für die Errichtung der Gedenkstätte Neuengamme zu leisten. Vor G. gab es dieses ehemalige KZ nicht als Gedenkstätte. Sein diesbezügliches Engagement hat sich für ihn auch dahingehend ausgezahlt, dass er heute Leiter dieser Gedenkstätte ist. Wer bezahlt G.'s und das Gehalt seiner Mitarbeiter, dass sie allmonatlich kassieren? Bezahlen tut es der Steuerzahler. Sicherlich, auch beim anderen genannten Beispiel (Kater) ist festzustellen, dass er aus staatlichen Steuermitteln sein Gehalt bezieht. Um nicht mißverstanden zu werden: "Geschenkt" bekommen beide nichts. Sie müssen dafür auch eine entsprechende Leistung erbringen.

Der Punkt ist doch wohl der. Das die geschichtlichen Zeugen Jehovas den Staat in besonderem Maße herausforderten. Tritt da jemand heute in Erscheinung, der diese Herausforderung in glatten Worten bagatellisiert oder gar schönredet, muss er damit rechnen, dass es sehr wohl Gründe gibt, dieses schönreden nicht hinzunehmen und dies dem Betreffenden auch deutlich zu sagen.

Man weiß: Öffentliche Kassen pflegen ziemlich oft leer zu sein. Jede Institution, die sich aus öffentlichen Geldern speist und der es gelingt sich neu zu etablieren, muss in der Regel erst einmal einen harten Existenzkampf führen, bevor sie sich durchgesetzt hat. Es ist dabei durchaus nicht immer gegeben, dass dieser Kampf positiv ausgeht. Es kann, finanziell bedingt, auch anders ausgehen! Was wäre hätte G. den eingeschlagenen Weg nicht positiv abschließen können. Wäre er dann vielleicht als Dozent für Geschichte an einer Universität gelandet? Die Frage ist zwar spekulativ. Zugegeben. Dennoch wage ich zu behaupten. Es spricht einiges dafür. Er hätte es nicht geschafft. Viel eher würde dann sein Weg in eine andere Richtung geführt haben. Vielleicht gäbe es dann gar einen "Pfarrer Dr. G."!

Damit möchte ich zum Ausdruck bringen. Ich habe Vorbehalte gegen G. Vorbehalte nicht geringer Art. Sie lassen sich kurz zusammengefasst mit einer Vokabel veranschaulichen. Eine Vokabel von G. selbst geprägt und verschiedentlich auch verwandt. Er verwendet für die Zeugen Jehovas in der NS-Zeit die Vokabel "Glaubensgehorsam". Das hört sich zwar schon fromm an. Ist in der Sache aber eine Provokation sondergleichen wenn man die kritisch zu bewertende Geschichte der Zeugen Jehovas in das Urteil mit einbezieht. Wenn der "verhinderte Pfarrer" von Glaubensgehorsam spricht, dann kommt mir mit Verlaub, der auch ich diesen Glaubensgehorsam am eigenen Leibe austesten durfte. Dann kommt mir mit Verlaub gesagt "das kotzen an". Diesen Punkt verzeihe ich G. nicht. In diesem Punkt ist er für mich "der" Gegner dem kein Pardon gewährt wird. Es sei denn er revidiert sich. Danach sieht es aber durchaus nicht aus.

Grundsätzlich ist festzuhalten. Die Opfer dieses "Glaubensgehorsam" erfolgten für eine nachweisbar, weltanschauliche Illusion. Und der Preis der dabei gezahlt wurde ist zu hoch. Diese Feststellung schmeckt den Herrn Pfarrern nicht. Und Ergo auch G. nicht. Belieben sie doch heutzutage auch die wenigen "Widerständler" der evangelischen Kirche im Dritten Reich groß zu verkaufen. Ihre weit größere zeitgenössische Anpassung an das NS-Regime landet dann im "Kleingedruckten". Die Zeugen Jehovas sind in der Tat eine Ausnahme von dieser Regel, nach 1934 (1933 waren auch sie es noch nicht). Es ist verständlich, dass dieser Sachverhalt dazu animiert in detaillierter auszuführen. Entscheidend ist letztendlich die damit verbundene Wertung. Eugen Kogon sprach es schon zeitgenössisch aus, dass es sich dabei um "scharfkantige Diamanten" handelt, an denen man sich kräftigst schneiden kann. G. hingegen ist bemüht diese scharfen Schnittstellen nicht gebührend deutlich werden zu lassen.

Wie steht G. selbst zu Kater? In der Einleitung seines "Widerstands"-Buches zollt er auch ihm dergestalt Respekt, wegweisendes geleistet zu haben. Er meint weiter gewisse Unkorrektheiten wahrzunehmen bzw. Aspekte, wo weiter detailliert geforscht werden müsste. Akzeptiert. Nicht akzeptiert meinerseits sind die nachfolgenden G.'schen Wertungen. Er wirft ihm eine "Betrachtung von außen" vor. Ich kann nicht erkennen, werter verhinderter Pfarrer G., inwieweit dieses Argument stichhaltig sein kann. Richtig. Kater beschreibt aus der Sicht des Außenstehenden Beobachters. Man merkt Kater ohne Zweifel an, nie wäre er selbst je Zeuge Jehovas geworden. Diese Distanziertheit ist auch für die WTG nicht sonderlich angenehm. Das ändert meines Erachtens nichts daran, dass ein Außenstehender mitunter jene Punkte deutlicher beim Namen nennt, die "Insider" in ihrer "Betriebsblindheit" so nicht mitzubekommen pflegen. Dieser G.-Einwand ist damit zurückgewiesen. Im übrigen. Meines Wissens ist der "verhinderte Pfarrer G." auch selbst nie Zeuge Jehovas geworden. Es muss demzufolge doch auch Dinge geben, die auch ihm nicht zusagen.

Noch so eine nebulöse Formulierung von G.: "Die mangelnde Vertrautheit mit den religiösen Ausdrucksformen." So, so. Hätte also Kater über das WTG-Datum 607 v. u. Z., über "1914" usw. usf. referieren sollen? Dies im Geleise der Zeugen Jehovas? Er hätte sich seine Mühe dann sparen können. Und bei der Vorabbewertung der eingereichten Beiträge, wäre ein solcherart anders gestalteter Aufsatz mit Sicherheit bei der Redaktion der renommierten Historiker-Zeitschrift durchgefallen.

Es ist offensichtlich. G. muss sich von Kater absetzen, um sein eigenes Projekt begründbar zu machen. Insoweit er zusätzliche Quellen erschlossen hat, pflichte auch ich ihm bei. Nicht jedoch in seinem vorstehend genannten Pauschalurteil, dass sachlich nicht haltbar ist.

Weiter ist G. offensichtlich über den Kater'schen Vergleich nicht glücklich, der da Gemeinsamkeiten zwischen den totalitären Nationalsozialismus und den autoritären Zeugen Jehovas wahrnimmt. G.'s diesbezüglichen Kritikpunkt formuliert er dahingehend (G., 3. Aufl. S. 529) dass dies letztendlich auf eine "Schuldzuweisung an die Adresse der Opfer" hinauslaufen könne.

Hier werfe ich G. vor. Er differenziert nicht ausreichend. Schuldzuweisung. An wessen Adresse? An die Adresse des kleinen Zeugen Jehovas, der möglicherweise gar mit seinem eigenen Leben bezahlt hat? Doch wohl nicht in erster Linie. Die Schuldzuweisung geht an die im trockenen Hort Sitzenden. An die in Brooklyn und an ihre Schleppenträger, die die Brooklyner Schuld bagatellisieren!

Kehren wir zu Kater zurück. Wie schon bemerkt, ist wohl auch die WTG zu der Einschätzung gelangt, dass Kater sich nicht so sonderlich für ihre Propagandaambitionen eignet. Ein Grund mehr, sich für ihn zu interessieren!

Sein in den "Vierteljahresheften für Zeitgeschichte" (17. Jg. 1969 Heft 2 S. 181f.) veröffentlichter Aufsatz; "Die ernsten Bibelforscher im Dritten Reich", kann man durchaus das Prädikat "wegweisend" zu sein zuerkennen. Der Autor, mittlerweile auf einer Professur in Kanada tätig, hatte es so ziemlich mit als erster unternommen, den Komplex Jehovas Zeugen und das NS-Regime im Detail zu untersuchen. In seiner einleitenden Bestandsaufnahme stellt auch er fest, dass außer einer 1965 von Friedrich Zipfel veröffentlichten Studie über den "Kirchenkampf in Deutschland", sogut wie keine zeitgenössischen ernstzunehmenden Darstellungen und Bewertungen vorlägen. Abgesehen von der "KZ-Literatur" unmittelbar nach 1945 erschienen, wo man in diesbezüglichen Büchern den Bibelforschern auch begegnen konnte. Dann war aber erst mal mehr oder weniger Schluss. Erst Zipfel und Kater öffneten dann wieder diesen "kordischen Knoten".

Kater selbst kommentiert diesen Sachverhalt mit den Worten:

"Eine Erklärung dafür, warum die Ernsten Bibelforscher in der Widerstandsliteratur bisher so stiefmütterlich behandelt worden sind, mag man darin sehen, daß sie im Gegensatz zu den bekannten, großen Persönlichkeiten des deutschen Widerstandes, meist sehr einfache, den untersten Schichten des Volkes entstammende Menschen waren, die sich statt auf formale geistige Bindung auf einen einfältigen, aber unerschütterlichen religiösen Glauben als Fundament ihrer Opposition gegen das nationalsozialistische Regime verließen. Ihr Widerstand war die Opposition gesellschaftlich und wirtschaftlich unterprivilegierter Kreise" (S. 182).

Den Ursachen der Gegnerschaft des Nationalsozialismus nachgehend, bringt er den Sachverhalt mit einem Zitat auf den Punkt. Religiöse Sekten, so Kater "waren lediglich dann harmlos für den NS-Staat, wenn, wie es in einem Schreiben der Gestapo vom Juni 1938 heißt, ihre Veranstaltungen sich 'streng im Rahmen der Pflege des kirchlichen Lebens' bewegten und keinerlei 'politische oder kirchenpolitische Polemik' enthielten. Diese Kriterien trafen nach Meinung der NS-Ideologen auf die Ernsten Bibelforscher nicht zu" (S. 184).

Die nationalsozialistische (respektive auch die ihrer Vorläufer) Polemik gegen die Bibelforscher aufnehmend, berichtet auch Kater, wie in dieser vereinfachenden, undifferenzierten Sicht, Bibelforscher, Juden, Freimaurer, teilweise auch Kommunisten auf eine Stufe gestellt wurden. Zurecht bemerkt auch Kater, dass dies im Prinzip einer "Milchmädchenlogik" gleichkommt. Diesen Gedankengang weiterführend merkt er an:

"Reichsführer-SS Himmler gab 1944 sogar vor zu wissen, die Zeugen Jehovas seien 'schärfstens gegen die Juden eingestellt, und auch Rudolf Höß will in Auschwitz beobachtet haben, daß Ernste Bibelforscher die Juden leiden und sterben ließen, 'weil ihre Vorväter einst Jehova verrieten" (S. 186).

Dazu kommentiert Kater:

"Tatsächlich kommt die Bemerkung Höß' der Wahrheit ziemlich nahe: die Zeugen Jehovas waren niemals Antisemiten aus rassischen Gründen, doch haben sie einen religiös motivierten Antisemitismus stets vertreten, wie aus ihren Schriften klar hervorgeht. Intoleranz gegenüber Juden vertrug sich durchaus mit dem totalitären Weltbild der Bibelforscher."

An dieser Stelle muß Widerspruch eingelegt werden. Genauer, Wert auf Differenzierung gelegt werden. Kater hat für sein Statement ganz offensichtlich nur die Zeugen Jehovas-Literatur der 1930-er Jahre ausgewertet. Was er bezogen auf diesen Zeitraum kommentierend anmerkt, ist sachlich richtig. Zur vollen Wahrheit gehört aber auch, dass die Bibelforscher der 1920-er Jahre und davor, in der Judenfrage eine grundsätzlich andere Auffassung hatten. Den von Rutherford diesbezüglich eingeleiteten "Purzelbaum" hat Kater offenbar nicht mitbekommen. Er setzt die Position der 30-er Jahre als statisch "schon immer bestehend" gleich. Das ist falsch.

Ein weiterer durchaus grundsätzlicher, Kommentar von Kater sei noch zitiert:

"Der tiefere Grund für die Todfeindschaft zwischen Nationalsozialismus und Bibelforschertum lag in der strukturellen Ähnlichkeit der beiden Ideologien. Wie die Weltanschauung des Nationalsozialismus, so war auch die Doktrin der Zeugen Jehovas nicht demokratisch, sondern autoritär geprägt. Beide Systeme waren totalitär insofern, als sie Volksgenossen wie Glaubensbrüder streng in die jeweilige Herrschaftshierarchie eingliederten und sie in jeder Situation aufforderten, sich für die Zwecke des Systems von ihrer Eigenpersönlichkeit zu lösen. Während Nationalsozialisten sich zum 'Führerstaat' bekannten, beriefen Ernste Bibelforscher sich auf die 'Theokratie', in der nicht der Führer, sondern Jehova Gott diktatorisch regiere. Da beide Richtungen also den Anspruch auf Ausschließlichkeit vertraten, mußte es unweigerlich zum Konflikt kommen" (S. 187).

Diesen Gedankengang weiter ausbreitend merkt Kater dann auch noch an:

"Diese Lehre enthält schon in ihren Grundbegriffen genügend staatsfeindliche Gedanken, die dem Charakter der 'Neutralität', den die Sekte von jeher beanspruchte, eindeutig widersprechen" (S. 188).

Dieser Einschätzung von Kater ist voll zuzustimmen! In den nachfolgenden Ausführungen untermauert Kater diesen Fakt dann noch weiter mit Details.

In einem zweiten Abschnitt referiert der Autor dann Details der Verbotsentwicklung. Er bringt darin schon alle wesentlichen Aspekte mit zum Ausdruck. Wenn etliche Jahre später ein Detlef G. ein ganzes Buch zum Thema vorlegte, dann kann man dazu kommentierend nur sagen: "Es gibt nichts Neues unter der Sonne". Was G. ausführt hat davor schon Kater gesagt. Letzterer vielleicht sogar in etwas griffigerer und lesbarerer Form!

Der dritte Abschnitt seiner Ausführungen behandelt die "Spätphase" im NS-Regime. Ein charakteristisches Zitat dazu:

"So ergab sich oft das Paradox, daß dieselben Zeugen Jehovas, die von der SS im Übermaße mißhandelt wurden, sich gerade dieser SS im täglichen Betrieb des Konzentrationslager unentbehrlich machten. SS-Führer nutzten den Charakter der Zeugen Jehovas aus; sie setzten die Bibelforscher als Kalfaktoren, Köchinnen und Kinderfrauen ein, weil sie als 'ruhige, fleißige und umgängliche, stets hilfsbereite Menschen' bekannt waren, wie der ehemalige SS-Obersturmbannführer Rudolf Höß sich noch nach dem Kriege erinnerte. Von Bibelforschern ließ sich die SS rasieren, denn sie wußte, daß ein Zeuge Jehovas niemals einen Menschen töten würde, auch nicht seinen ärgsten Feind" (S. 216, 217).

Seine Studie beschließt er mit dem Satz:

"Als im Frühjahr 1945 die Stunde der Befreiung für die Zeugen Jehovas in den deutschen Konzentrationslagern schlug, waren sie, die in ihrem naiven Glauben so lange ausgeharrt hatten, felsenfest davon überzeugt, daß ihre Ideologie sich der nationalsozialistischen gegenüber schließlich als die überlegenere erwiesen hat" (S. 218).

Eine Detailauseinandersetzung mit der "Theologie" der Zeugen Jehovas wird von Kater nicht vorgenommen. Sie ist nicht das, was ihm im besonderen interessieren würde. Gleichwohl, auch die "Theologie" verdient es, mit ins Blickfeld genommen zu werden. Nicht "nur", aber auch. Und zur Theologie der Zeugen Jehovas gehört auch, wie Rutherford in den zwanziger Jahren es mal plastisch formulierte, daß "Millionen jetzt Lebender nie sterben" würden. Im Gegensatz zu anderen Kirchen ist die diesbezügliche Erwartung nicht auf den "Himmel" gerichtet, sondern irdisch, auf dieser Erde. Von jener Rutherford-Generation lebt heute fast keiner mehr. Auch nur noch sehr wenige von den KZ-Überlebenden. In diesem Kontext kann man die Vokabel von Kater, dass es sich bei den Zeugen Jehovas um einen "naiven Glauben" handele, nur zusätzlich unterstreichen!

Ein die Studie von Kater würdigender "Spiegel"-Artikel (23/1970)

http://wissen.spiegel.de/wissen/image/show.html?did=45317691&aref=image036/2006/01/11/PPM-SP197002300620063.pdf&thumb=false

Der eigentliche Aufsatz von Kater ist auch Online zugänglich:

http://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1969_2.pdf

Im verlinkten Heft etwa ab der zweiten Hefthälfte S. 181f

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