Der vorangegangene Jahrgang   1939

Vor (mehr als) 50 Jahren
Was 1940 Wahrheit war

"Also doch"

Das "Trost" veröffentlichte in der Ausgabe vom 1. 4. 1940 (Nr. 421 S. 15) eine "Erklärung" in der man lesen konnte:

"In verschiedenen katholisch-konservativen Blättern, wie 'Schwyzer Volksfreund', Einsiedeln, vom 16. 2. 40, 'Aargauer Volksblatt', Baden, vom 13. 2. 40, 'Wiler Boten', Wil, vom 19. 2. 40 sind unter den Überschriften 'Bibelforscher', 'Also doch!', 'Die Ernsten Bibelforscher, die Wegbereiter des Bolschewismus'; 'Die Bibelforscher als Handlanger Moskaus' Artikel erschienen, wonach unsere christliche Glaubensgemeinschaft als Handlanger Moskaus und der Komintern und Wegbereiter des Bolschewismus in den noch religiös denkenden und fühlenden Ländern und ähnlich bezeichnet wird. Es entspricht der Methode der frontistischen Kreise, alles was ihrer Geisteshaltung nicht entspricht, aus rein propagandistischen Gründen als kommunistisch zu bezeichnen.

Die obenstehende, stumpfsinnige Behauptung, die bezeichnenderweise einer Pressekorrespondenz entnommen wurde, deren Beziehungen zu landesverräterischen Kreisen nachweisbar und notorisch sind, gehört ebenfalls in dieses Gebiet. Wir bezeichnen jeden, der derartige Behauptungen aufstellt, öffentlich als einen Lügner und Verleumder.
Vereinigung Jehovas Zeugen der Schweiz.
Bern, den 24. März 1940."

Es sind starke Worte, die diese Erklärung verwendet. Die profaschistische Anbindung der sogenannten "Schweizerischen Presse-Korrespondenz" (SPK), die als eigentlicher Verursacher hier attackiert wird, ist in der Tat nachgewiesen. Nachgewiesen ist auch, dass katholische Kreise sich als willfährige Multiplikatoren betätigten, ja dass sie besonders in der Schweiz, die Speerspitze bildeten, um wenn möglich, dort auch die Zeugen Jehovas "auszurotten". Also die katholisch-faschistische Liaison diesbezüglich, ist für den objektiven Historiker unbestritten. Dennoch gilt es tiefer zu sehen. In diesem Fall beschränkten sich Jehovas Zeugen auf eine postwendende Erklärung. Davor gingen sie weiter und versuchten auch noch die Gerichte einzuspannen. Letzteres ist in diesem Fall nicht nachweisbar. Ergo ist zu schlussfolgern, dass der sachliche Kern, einer Reise ihrer Vertreter nach Moskau, von ihnen nicht bestritten wurde und werden kann. Was sie allerdings vehement bestritten ist die Interpretation, die dieser Reise hier in der Öffentlichkeit gegeben wurde.

Der fragliche Text wurde vom "Aargauer Volksblatt", soweit ich sehe als erstes veröffentlicht unter der Überschrift "Also doch!" So sei er denn noch nachstehend im vollen Wortlaut dokumentiert:

Also doch!

(SPK) Am 20. Mai 1937 veröffentlichte die Schweiz. Pressekorrespondenz einen Brief des Bibelforschers Hope Slipachuk in Winnipeg/Kanada an die Filiale der Bibelforschergesellschaft in Magdeburg, worin zum Ausdruck kam, dass die Bibelforscher 'eine rechtmäßige ehrliche Regierung auf dem Erdball zugunsten der Menschheit unter der Oberaufsicht des großen Messias, unseres Hl. Vaters Joseph Stalin v. Neu-Russland' erwarten. Die Publikation erregte berechtigtes Aufsehen und das europäische Büro der Bibelforscher (Zeugen Jehovas) in Bern versuchte den Eindruck durch eine teure großaufgezogene Inseratenaktion in zahlreichen Schweizer Zeitungen zu verwischen. Die Redaktion der Bibelforscherzeitung 'Trost' suchte darzulegen, dass der Brief, der in dem Beweismaterial eines Prozesses in Düsseldorf eine wichtige Rolle spielte, eine Fälschung sei. Da die SPK jedoch im Besitze von Fotokopien des Couverts und des Originalbriefes war hielt sie an der Echtheit des Dokumentes fest.

Der Brief bildete in der Folge noch Gegenstand einer Strafklage der Vereinigung Jehovas Zeugen in der Schweiz wegen Ehrverletzung durch die Presse gegen eine in Zürich erscheinende Zeitung. Doch erkannte das Bezirksgericht Zürich, Abt. 6, am 24. August 1937 auf Abweisung der Klage unter Tragung der Kosten für die Kläger.

Nun ist eine neue Tatsache bekannt geworden. Wir sind in den Besitz von Berichten gelangt und geben nun vorläufig aus dem Munde einer Persönlichkeit die in den Kreisen der 'Zeugen Jehovas' einen guten Namen hat Folgendes bekannt.

(1936) 'Letzten Sommer ist Herr Direktor Harbeck nach Moskau gereist, aber das darf niemand erfahren. Er ist drei Wochen geblieben und hat mit hohen Persönlichkeiten der Regierung und der Gottlosen-Bewegung Unterhaltungen gehabt. Im Laufe der Verhandlungen hat er versucht klarzustellen, dass die Ziele gemeinschaftlich dieselben wären. Es wurde ihm gesagt, es sei noch zuviel 'religiöses Zeug' in den Wachtturm-Schriften, sie seien aber ausgezeichnet für die Länder, die noch sehr religiös fühlen und denken. Wenn Harbeck seine Mission nicht ganz geglückt war, er wollte in Russland eine Filiale einrichten, so kam er mit einer großen moralischen Hilfe zurück. Die Sowjets hatten seine Bewegung für die religiös denkenden und fühlenden Nationen gutgeheißen.'

Was sagt nun aber die Redaktion des 'Trost' dazu. Wie es scheint, ist die Sache sowieso etwas ruchbar geworden. Die Redaktion schreibt am 1. Oktober 1939 Seite 7:
'Seine einmalige Reise nach Moskau, die er in Begleitung eines amerikanischen Landsmannes ausführte, hatte den Zweck, die bibelfeindliche Einstellung der Sowjetbehörden dokumentieren zu können.' (!!!) Wir meinen nun aber, die Einstellung der bolschewistischen Machthaber sei durch die blutigen Verfolgungen und all das, was sie auf dem Gewissen haben, schon genügend dokumentiert. Wir wissen jetzt nun ganz genau, wer die Anführer der Bibelforscher (Jehovas Zeugen) sind. Sie sind die Handlanger Moskaus und der Komintern, die Wegbereiter des Bolschewismus in den 'noch religiös denkenden und fühlenden Ländern.'

Schweizer Vorzensur

Mitte 1940 hatte sich auch in der Schweiz die Situation zugespitzt. So ist beispielsweise die "Wachtturm"-Ausgabe vom 1. 7. 1940 die letzte, die dort für absehbare Zeit erscheinen konnte. Erst ab Oktober 1944 konnte der "Wachtturm" auch in der Schweiz wieder erscheinen. Die Situation spitzte sich dergestalt zu, dass Anfang Juli 1940 eine staatliche Hausdurchsuchung in den Räumen des Berner WTG-Büros vorgenommen wurde. Zwar versuchte die WTG dagegen juristischen Einspruch zu erheben - indes ohne einen für sie günstigen Ausgang. Die Sachlage spiegelt sich auch in der Antwort auf die entsprechenden WTG-Eingaben wieder. In ihr wird unter anderem ausgeführt:

"Durch Verfügung vom 25. Juni / 1. Juli 1940 hat die Pressekommission sämtliche von der Wachtturm Bibel und Traktat-Gesellschaft und der Vereinigung der Zeugen Jehovas der Schweiz herausgegebenen Schriften auf unbestimmte Zeit unter Vorzensur gestellt mit der Weisung, dass die einzelnen Schriften, sowie Nummern der in Betracht fallenden Zeitschriften erst erscheinen dürfen, nachdem ihr Inhalt von einer durch das Territorialkommando 3 zu bezeichnenden Person geprüft worden ist. Die Maßnahme wird begründet mit Verstößen gegen den Grunderlaß der Abteilung Presse und Funkspruch im Armeestab vom 8. September 1939 und der Grundsätze der Pressekontrolle vom 6. Januar 1940. … Hingegen reiche die Wachtturmgesellschaft gegen die Verfügung Rekurs ein. … Die Stellen aus dem Wachtturm, die die Pressekommission zitiere, seien Artikeln entnommen, in denen die Weltlage anhand prophetischer Worte der Bibel beleuchtet werde. In Bezug auf solche biblische Abhandlungen (Aufklärung über Gottes Vorhaben mit der Menschheit über besondere zu vermeidende Gefahren, über gottfeindliche Ideen und Mächte) könne sie sich keiner Vorzensur unterwerfen." ("Trost" 15. 8. 1940 Nr. 430 S. 4).

Seitens der Behörden wurde weiter dazu ausgeführt:
"Danach haben die zuständigen Behörden einzugreifen, wenn gegen die … Vorschriften verstoßen wird. Darauf, ob der Betroffene die heutige Ordnung der Pressekontrolle billigt und ob die ihm dadurch auferlegten Beschränkungen seiner persönlichen Überzeugung entsprechen, kann es für die mit der Ausführung beauftragten Behörden, zu denen auch die Rekurskommission gehört, nicht ankommen. Sie haben die bestehende Ordnung als für sie maßgebend anzuwenden.

Sie wurde übrigens nicht, wie die Rekurrentin anzunehmen scheint, auf Verlangen einer Diktaturmacht eingeführt, sondern ist eine staatliche Notmaßnahme für außerordentliche Zeiten, dazu bestimmt, die guten Beziehungen eines neutralen Staates im Völkerringen zu den fremden Staaten und Staatsoberhäuptern auch unter den besonderen durch den Kampf der Großmächte bedingten Verhältnissen sicherzustellen.

Es ist offensichtlich, dass die beanstandeten Aufsätze in No. 11 des Wachtturms vom 1. Juni 1940 Äußerungen enthalten, die gegen die Grundsätze der Pressekontrolle vom 6. Januar 1940 verstoßen. … Die Rekurrentin hat denn auch nicht versucht, diese Feststellungen zu widerlegen. … Die maßgebenden Vorschriften über die Haltung der schweizerischen Presse waren der Redaktion des Wachtturms schon vor jener Beanstandung bekannt. Die verantwortlichen Persönlichkeiten waren wiederholt, zuletzt in einer Besprechung vom 20. Mai 1940, auf die Verpflichtung zu genauer Beobachtung der Grundsätze aufmerksam gemacht worden." (Ebenda S. 6).

Der Streit endete damit, dass die WTG die weitere Herausgabe des "Wachtturms" einstellte. Bezüglich ihrer Zeitschrift "Trost" fügte sie sich der angeordneten Vorzensur um dieselbe weiter herausgeben zu können.
Man vergleiche in diesem Kontext auch: Rutherford 's Religion-Buch

"Faschismus oder Freiheit"

Im "Jahrbuch 1940 der Zeugen Jehovas" (S. 258-260) findet sich auch die Meldung über das Verbot einer Zeugen Jehovas-Schrift durch schweizerische Behörden:
"So müssen wir heute … die für ein demokratisches Land beschämende Tatsache erwähnen, dass die Schweizerische Bundesanwaltschaft dem Druck der Hierarchie nachgegeben hat und zum Verbot der Broschüre 'Faschismus oder Freiheit' geschritten ist. Das beweist, dass die Schweiz an einem Scheideweg angelangt ist. Offiziell stützt sich diese Polizeimaßnahme auf einen kürzlichen Bundesratsbeschluß, der alle Angriffe auf fremde Staatsoberhäupter verbietet. Ferner wurde erklärt, die Broschüre übe 'maßlose Kritik an der katholischen Kirche.' Die Broschüre spreche ferner von einer Verschwörung zwischen Faschismus und römisch-katholischer Hierarchie. Damit würden einfach Tatsachen festgestellt. Gerade dieser neuerliche Versuch, die Behörden der Schweiz zur Unterdrückung einer zeitgemäßen biblischen Botschaft mobil zu machen, sei ein weiterer Beweis für diese Verschwörung. Die Nazis und die katholische Hierarchie gingen bei der Verfolgung unserer Geschwister Hand in Hand. Über 100 Zeitungen der Schweiz brachten nun aus Anlass dieses ersten Großangriffes auf unser Werk in den Tagen vom 7. bis 12. August eine Notiz über das Verbot der Broschüre 'Faschismus oder Freiheit'. Der Tatbestand wurde aber besonders von den katholischen Zeitungen sehr verzerrt dargestellt."

Angesichts dieser Information, mag es nun angezeigt sein, sich für die eigentliche Broschüre „Faschismus oder Freiheit" etwas näher zu interessieren. Analysiert man diese Rutherford'sche Schrift, so stellt man fest, dass ein wesentlicher Kern in den Klagen der Zeugen Jehovas bestehen, katholische Kreise hätten es in den USA erreicht, dass ihnen beispielsweise Versammlungsstätten kurzfristig wieder gekündigt wurden oder das Druck auf Radiostationen ausgeübt wurde. Rutherford kommentiert:

"Die Hierarchie hat die öffentliche Presse und die Eigentümer vieler Radiosender eingeschüchtert, ins Bockshorn gejagt und sie durch Drohungen in Furcht versetzt, damit das Volk nicht die Wahrheit höre" (S. 23).

Als Beispiel nennt er: "Am 11. September des vergangenen Jahres hielt ich in London einen Vortrag, der durch Radio nach vielen Ländern übertragen wurde. Mehr als 100 Radiosender in Amerika vermittelten diese Ansprache betitelt 'Schau den Tatsachen ins Auge.' Um die Leute zu hindern, eine Darlegung der Tatsachen anzuhören, ließ die katholische Aktion vielen Radiostationen eine Flut von Drohbriefen zukommen, und aus Furcht gaben einige Sender ihrem Verlangen nach" (S. 19).

Aber auch Rutherford versuchte in gleicher Weise mobil zu machen. Wenn auch, mit weniger Erfolg: "Angesichts dieser Tatsachen und zur Ermutigung der Radiosenderleiter, die diese Rede im Interesse der Allgemeinheit ausstrahlen, dringe ich in alle Zuhörer, Jehovas Zeugen und alle andern die Freiheit und Gerechtigkeit lieben, an die Radiostation, der sie lauschen, sofort brieflich ihren herzlichen Beifall für die Sendung dieser Rede auszudrücken" (S. 30).

Es war offensichtlich, dass ein gewichtiger Abschnitt dieser Rutherford-Rede auch den Verhältnissen in Deutschland gewidmet war. Verständlich, dass er auch dabei eine deutliche Sprache bevorzugte. So wiederholte er etwa wieder sein Lieblingszitat aus der Wochenzeitung "Der Deutsche Weg" vom 29. 5. 1938, ohne hinzuzufügen, dass es sich dabei um die in Lodz (Polen) seinerzeit erschienene Ausgabe handelte. Dieser Hinweis wäre auch aus dem Grunde wichtig gewesen, weil es noch eine andere Zeitschrift gleichen Namens gab, die inhaltlich eine deutsche Exilzeitschrift darstellte und mit der Ausgabe aus Lodz in keiner Weise vergleichbar ist.

Vielleicht mit am deutlichsten ist das folgende Rutherford'sche weltpolitische Resümee:
"Seitdem dieses scheußliche Ungeheuer, die totalitäre Herrschaft erschienen ist, sind die Freiheiten des Volkes jäh geschwunden. Stets wachsendes Elend ist über die Nationen gekommen. Zu diesen Nöten und Verbrechen gehören folgende:
Der Raub Abessiniens; das leichtfertige Morden Unschuldiger in Spanien; die grausame Verfolgung von Juden und Christen in Deutschland und Italien, und nun der ungerechtfertigte Angriff auf die Tschechoslowakei; ferner der heimtückische Versuch, die Bewohner Englands und Amerikas ihrer Freiheiten zu berauben. Wenn der Wahnsinn ausgetobt hat und die Drangsal vorüber ist, wird die wahre Geschichte der Welt unter gesunden Verhältnissen geschrieben. Es wird sich dann völlig herausstellen, dass die Strafbareren, also die, welche an diesen Verbrechen und Nöten die Hauptschuld tragen, jene sind, die die römisch-katholische Hierarchie bilden, unter dem Vorsitz des (inzwischen verstorbenen) Papstes, der die katholische Aktion einführte.

Das Haupt der Hierarchie schien es gut zu verstehen, sich mit seinen politischen Bundesgenossen in eine Linie zu stellen. Eine Stunde nachdem das Schicksal der Tschechoslowakei mit Zustimmung der päpstlichen Bundesgenossen festgesetzt worden war, rief der Papst, zur Betonung der Wichtigkeit des religiösen Elementes in dem Bunde, die treuen Katholiken zum Gebet für den Frieden auf.

Als Italien die Abessinier hinmordete, als Franco, der Rebell, und andere Faschisten Tausende von Unschuldigen in Spanien umbrachte und weiterhin umbringt, und auch als sein Freund Hitler von Österreich Besitz ergriff und wehrlose Juden und Christen vertrieb, da hat es dem Papst nicht für ratsam erschienen, für den Frieden zu beten.
Nun aber betet er um Frieden, und Hitler kann ungestört die Tschechoslowakei einsacken (was inzwischen auch geschehen ist).
Den Christen ist es völlig klar, dass wir in den letzten Tagen und daher in der Zeit großer Gefahr leben" (S. 27, 28).
 

Im Zusammenhang mit dem Verbot der obigen Broschüre, veröffentlichten die Zeugen Jehovas in der Schweiz im Jahre 1939 auch eine „Verteidigungsschrift zur Abwehr der unerhörten Presse-Angriffe gegen Jehovas Zeugen." In ihr, wurde relativ umfänglich, zu dem Verbot der „Faschismus oder Freiheit"-Broschüre, aus der Sicht der Zeugen Jehovas Stellung genommen.

Man konnte darin lesen:
„Man hat also die Bundesanwaltschaft solange bestürmt, bis das Verbot einer Broschüre der Zeugen Jehovas … zustande kam, nachdem die Verbreitung der gesamten Auflage von 12 Millionen - davon 150 000 in der Schweiz - beendet war, ohne dass eine Erschütterung des Friedens und der öffentlichen Sicherheit hervorgerufen worden wäre. Tausende von faschistischen Propagandaschriften kursieren im Schweizerland. Sie zielen ab auf die Beseitigung dessen, was es in der Schweiz zu verteidigen gilt. Aber um das Verbot dieser antidemokratischen Literatur bemühen sich diejenigen, die gegen Jehovas Zeugen wühlen, nicht.

Tausende von Zeugen Jehovas, die auch heute noch in Deutschland - fast als einzige unter 80 Millionen - dem Wüten des abgöttischen Nazi-Faschismus mutig widerstehen, sind Beweise für das eben Gesagte. Ihre Standhaftigkeit entspringt klarer biblischer Erkenntnis von der Art wie sie in der verbotenen Broschüre 'Faschismus oder Freiheit' vermittelt wird.
Schweizerbürger, du bist am Scheideweg!

Wenn heute in einer Demokratie ausgerechnet das unterdrückt wird, was die wirklich christlichen Bürger des Landes gegen die Seuche des Faschismus immun machen könnte, so ist das dem gemeinsamen Druck der Nazis und der römisch-katholischen Hierarchie zuzuschreiben.
Schweizerbürger, nimm zur Kenntnis, dass die Schweiz die einzige Demokratie ist, wo diese Broschüre nunmehr als verboten gilt!

Wie wird nun so etwas begründet?
Zunächst sollen Ausführungen über Hitler als fremdes Staatsoberhaupt der Verbot der Broschüre veranlasst haben… Aus schweizerischen Kantonen, vorab aus dem Kanton Freiburg, beklagt man sich darüber, dass ein paar offene Wahrheiten über Hitler gesagt werden? Sind wir schon so weit? Sitzen schon in allen Teilen der Schweiz, Schweizer, die nach einer Bestrafung derjenigen schreien, die es wagen, über Hitler die Wahrheit zu schreiben und zu sagen? Wer sind die Beschwerdeführer?

Nicht etwa bloß Nazijünger von der Art der Frontisten, sondern auch aktive Mitglieder der Katholischen Aktion!

Natürlich stört an dieser Broschüre nicht am meisten das, was über Diktatoren gesagt, sondern das, was über das Zusammengehen der römisch-katholischen Hierarchie mit den Diktatoren enthüllt wird. … Immerhin nehme man zur Kenntnis, dass sich Leute der Katholischen Aktion mit ihren Protesten an die Bundesanwaltschaft zu Verteidigern des Ansehens Hitlers im Ausland machen! … Obwohl sich in der … Broschüre … Nur ein paar Zeilen mit Hitler befassen - und auch das sind keine persönlichen Angriffe, sondern er wird als Vertreter einer abgöttischen Staatsidee erwähnt -, haken seine katholischen Verteidiger auf diese paar Worte ein …

Der scheinbar am stärksten inkriminierte Satz auf Seite 11 der Broschüre besagt, wie ein Mensch in einem Nachbarland zur Macht erhoben wurde, der in gänzlicher Missachtung der Freiheiten des Volkes vorging. Solche Dinge durften vor kurzem noch gesagt werden ohne polizeiliche Maßnahmen zu gewärtigen, und daher kann man uns nicht mutwillige Bosheit vorwerfen, zumal da dieselben Dinge seit Jahren immer wieder in unserer Literatur gesagt worden sind und auch gesagt werden durften.

Obwohl gerade Jehovas Zeugen in katholischen Presseorganen maßlos beschimpft werden - als 'Sendboten Moskaus' etc. -, erfährt man aus Zeitungen, dass 'maßlose Angriffe auf die katholische Kirche' der weitere Grund für das Verbot dieser Broschüre sein sollen.

In einem Fastenhirtenbrief vom Jahre 1937 erlaubte sich der Bischof von Chur den verleumderischen und beleidigenden Ausspruch: 'Für den Kommunismus arbeiten auch eine ganze Reihe verschiedener Sekten, unter denen ich heute ganz besonders auf die 'Ernsten Bibelforscher' oder 'Zeugen Jehovas' hinweisen möchte.' …

Ergänzt wird diese Stellungnahme noch durch den auszugsweisen Abdruck einer Eingabe an die Schweizer Bundesanwaltschaft vom 21. 7. 1939. Im Prinzip werden die vorgenannten Argumentationselemente wiederholt. Geäußert wird darin auch:

„Die Grenzen einer maßlosen und berechtigten Kritik werden in dieser Broschüre gewiss nicht überschritten. Bei der Übertragung des englischen Originals ins Deutsche ist die besondere Lage der Schweiz durchaus nicht außer acht gelassen worden. Kräftige Ausdrücke, die in Amerika bei der freien Einstellung der Amerikaner kein besonderes Aufsehen erregen, wurden in der deutschen Übersetzung abgeschwächt, eben, weil auch wir durchaus nicht verkennen, dass der Schweiz, einem kleinen Lande in gefährdeter Position, die schwere Aufgabe zufällt, seine Selbstständigkeit zu wahren. …

Die Broschüre enthält allerdings Ausführungen, wobei Hitlers Name genannt ist. Doch warum sollte sie deswegen verboten werden? Wenn z. B. von Hitler gesagt wird, er sei fanatisch, so könnte er das selbst nicht als Schmähung auffassen, weil für ihn Fanatismus ein Ideal ist und nach seinen eigenen Aussagen nur fanatische Menschen etwas Rechtes leisten und alle echten Nazis Fanatiker sein müssten.

Doch selbst, wenn die Beschwerden, die der Bundesanwaltschaft aus verschiedenen Kantonen zugegangen sein sollen, diesen Punkt - fremdes Staatsoberhaupt - nennen sollten, so steht es außer Zweifel, dass dies für die Beschwerdeführer nur als Vorwand dient.

Die Broschüre spricht ferner von einem Bündnis zwischen Faschismus und der katholischen Hierarchie. Damit werden einfach Tatsachen festgestellt. Gerade dieser neuerliche Versuch, die Behörden der Schweiz zur Unterdrückung einer zeitgemäßen biblischen Botschaft mobil zu machen, ist ein weiterer Beweis für diese Verschwörung. Die Nazis und die katholische Hierarchie gehen auch bei diesen Anfeindungen Hand in Hand. …

Das Verbot der obengenannten Broschüre muss den Eindruck erwecken, dass der Bock zum Gärtner gemacht wird, weil es sich zugunsten jener Elemente auswirkt, die nicht im geringsten erkennen lassen, dass ihnen etwas daran liegt, im eidgenössischen Garten die Freiheit, den Frieden und die Gerechtigkeit aufrechtzuerhalten, deren wir uns bisher mit Dankbarkeit erfreuen konnten."

Hinweis: Die Textunterstreichungen wurden von zeitgenössischen Zeugen Jehovas vorgenommen.

Das Ende des Nazismus

Unter den im Jahre 1940 veröffentlichten (englischsprachigen) Veröffentlichungen ragen besonders das Rutherford-Buch "Religion" und die Broschüre "Rutherford enthüllt die fünfte Kolonne" hervor.Siehe: Kommentierendes Nachwort zu Rutherford Religion und Rutherford enthüllt die Fünfte Kolonne Es gibt noch eine dritte erwähnenswerte Publikation aus jenem Jahre; und das ist die Broschüre "Das Ende des Nazismus", die gleichfalls nur englischsprachig erschien. Im wesentlichen wiederholt sie die Thesen der vorgenannten Veröffentlichungen, allerdings ohne so ins Detail zu gehen. Die "Nazismus"-Broschüre will offenbar nur einige Kernthesen darbieten, namentlich für solche Leser, die das umfangreichere "Religion"-Buch nicht selbst lesen wollen, die sich also mit einem (variierten) inhaltlichen Auszug aus ihm zufrieden geben.

Auch in dieser Broschüre rezitiert die WTG:
"Politiker und Geschäftsleute in hohem Ansehen drängen die Nationen auf 'mehr Religion' als Heilmittel. In Amerika sagen diese Männer: 'Wenn wir nicht mehr Religion haben, wird Amerika bestimmt untergehen.'"

Demgegenüber wird die flotte These entgegengestellt:
"
RELIGION bedeutet all das, was dem Willen des allmächtigen Gottes entgegensteht.
CHRISTENTUM bedeutet, freudig das zu tun, was in voller Übereinstimmung mit dem Willen des allmächtigen Gottes ist, 'dessen Name allein Jehova ist.'"
Satan der Teufel führte die Religion beim Menschen ein. Jesus Christus ist der Begründer und das Haupt des Christentums."

Auch in dieser Publikation werden deutliche Worte gegenüber der katholischen Kirche geäußert:
"Unter dieser falschen Bezeichnung (christliche Religion) sind Millionen aufrichtiger Menschen getäuscht worden. Diese Organisation wird von der 'Machthierarchie' beherrscht, deren Sitz der Vatikanstaat in Italien ist. Mehr als sechzehn Jahrhunderte hat diese religiöse Einrichtung auf höchst bösartige Weise, die die Seiten der Geschichte geschwärzt hat, menschliche Geschöpfe verfolgt. Die Inquisition in Spanien, Mexiko und anderen Staaten, die unter dem falschen Mantel der so genannten 'christlichen Religion' durchgeführt wurde, ist eine Geschichte, die zu schrecklich ist, als dass man sie mit menschlichen Worten umschreiben könnte. Diese Geschichte ist der schlüssige Beweis, dass das päpstliche System nicht das Christentum ist, sondern im Widerstreit zu Gott steht, also zur Religion gehört.

Die 'Machthierarchie' hat seit jeher einen totalitären oder korporativen Staat befürwortet und unterstützt. Eine Zeitlang war diese Organisation in ihren Bewegungen, die Welt zu beherrschen, behindert, doch seit dem Weltkrieg ist sie wieder sehr aggressiv geworden, und obwohl sie behauptet, Gott zu dienen, lässt sich die 'Machthierarchie' jetzt zu allen möglichen gottlosen Mitteln herab, die Welt zu erobern. Die Hierarchie handelt in völliger Übereinstimmung mit den grausamen Diktatoren, darunter Stalin, Hitler, Mussolini und andere, die ähnliche politische Ambitionen haben. Das Haupt dieser großen religiösen Organisation ist der Ratgeber und enge Gefährte von Hitler, der gedroht hat, über alle Demokratien der Welt herzufallen. Die Religion hat die Freiheit der Nationen in Europa zerstört und nun ihre üblen Klauen gegen die Republiken der westlichen Welt ausgestreckt."

Auch auf den sich besonders in den USA ausbreitenden Konfliktpunkt des Flaggengrußes geht diese Broschüre mit ein. Man vergleiche dazu auch: Gerichtliche Auseinandersetzungen in den USA

Im einzelnen wird dazu ausgeführt:
"Zwingend vorgeschriebene Flaggengrüße und der Heil-Hitler-Gruß wurden in Deutschland von Religionisten eingeführt, um die Unterordnung des Volkes unter religiöse Diktatoren zu erzwingen und Gott zu schmähen. Die Geheimpolizei oder Gestapo trat zur selben Zeit auf den Plan und greift zu brutaler Gewalt gegen alle, die sich weigern, sich der religiösen Zeremonie hinzugeben, vor dem Hakenkreuz zu salutieren und Heil Hitler zu sagen. Die Hierarchie ist die wahre Triebkraft hinter dem Fahnengruß und der Verehrung von Geschöpfen. Weil die Christen in Deutschland sich weigerten, sich solchen religiösen Zeremonien zu unterziehen, wurden Tausende von ihnen in Gefängnisse eingeliefert und viele davon getötet. Sie zogen es vor, den Tod zu erleiden, statt ihren Bund zu verletzen, dem allmächtigen Gott gehorsam zu sein. In Amerika wurde das zwingend vorgeschriebene Grüßen der Fahne durch Schulkinder auf Betreiben der Hierarchie eingeführt. Es trat in Form von Patriotismus auf, aber es richtet sich gegen alle, die Gott in Geist und Wahrheit anbeten. Die Absicht war es, den Menschen Angst einzuflößen und das Gewissen des einzelnen und die Hingabe an den allmächtigen Gott zu zerstören. In 150 Jahren amerikanischer Geschichte hat nie jemand daran gedacht, einen anderen zu zwingen, die Fahne zu grüßen, und nun werden bloße Schulkinder dazu gezwungen.

Der Supreme Court (Oberstes Bundesgericht) entschied im Fall Gobitis nur, dass Schulkollegien Vorschriften verhängen dürfen, die die Kinder zwingen, die Fahne zu grüßen, und das, obwohl sie es aus Gewissensgründen ablehnen. Das Gericht unternahm keinen Versuch, zu entscheiden, dass Erwachsene die Fahne grüßen müssen. Kein solcher Fall stand vor Gericht. Es gibt in Amerika kein Gesetz, das Erwachsene dazu zwingt, die Fahne zu grüßen. Aber um das Volk einzuschüchtern, versuchten die Hierarchie und ihre Verbündeten, ihrem Gewissen folgende Christen entgegen den Gesetzen des Landes zu zwingen, Gottes Gesetz zu übertreten."

Attackiert wird in dieser Broschüre auch eine in den USA bestehende Organisation, namens "Amerikanische Legion". Zu ihr wird ausgeführt:
"Ihr gegenwärtiger nationaler Führer ist römisch-katholisch und ein Ritter des Kolumbusorden, einer Organisation, die Befehle der Hierarchie des Vatikanstaates entgegennimmt. Die Legion ist gegen die demokratische Regierungsform. Ihr ehemaliger nationaler Führer, Owsley, sagte in aller Öffentlichkeit: "Vergesst nicht, dass die Faschisten für Italien das sind, was die Amerikanische Legion für die Vereinigten Staaten ist." Der augenblickliche nationale Führer prangerte in einer kürzlich gehaltenen Rede öffentlich die Versammlungs- und die Redefreiheit an und forderte eine Änderung der Grundrechte. Überdies trat derselbe Führer in einer Rede vor ein paar Monaten für die Legion als Privatarmee ein. Diese Armee besteht bereits, und ist gut ausgerüstet; und sie wartet auf einen Befehl der Hierarchie, um sich in Bewegung zu setzen. Der gegenwärtige nationale Leiter der Legion, Chaillaux, ermuntert zu Pöbelaktionen und befürwortet sie gegen friedliebende und gesetzestreue Bürger, die aus ihrem Gewissen Gott und Christus dienen. Diese Tatsachen zeigen, dass die Legion gegen die Redefreiheit und die Versammlungsfreiheit eingestellt ist."

Ein evangelischer Theologe prägte einmal den Satz: "Sekten sind die Schuldscheine der Kirche". Auch die katholische Kirche und ihre Apologeten wären gut beraten, dies anzuerkennen. Sollten sie ihr Heil jedoch lediglich darin sehen, auf ohne Zweifel nachweisbare linguistische Ungenauigkeiten in der Rutherford-Publizistik zu verweisen; so beweisen sie damit lediglich eines: Das sie immer noch nicht gelernt haben, worum es eigentlich geht!

Was meine ich mit "linguistischen Ungenauigkeiten" die sich auch bei Rutherford nachweisen ließen? Es sei einmal an einem Beispiel veranschaulicht. Ein Katholik namens Louis Betschart, veröffentlichte im Jahre 1951 ein Buch mit dem Titel: "Wir reden offen". Darin liefert er ein nahezu klassisches Beispiel der Argumentationskette der sich kirchliche Apologeten betreffs unbequemer Tatbestände bedienen. Er nahm sich das Schlagwort "zur Brust", dass Kirchen Waffen gesegnet hätten und versucht dies mit einem fiktiven Dialog zu entkräften. Bei Betschart liest man dazu:

"Die Zeugen Jehovas zeigten neulich in einem Vortrag echte Bilder aus einer Illustrierten, wo Waffen gesegnet wurden. Da man bekanntlich nie die Geduld verlieren soll, atmete ich erst einige Male tief auf … und nahm den Herrn ein wenig auf die Seite." Weiter berichtet Betschart über seinen diesbezüglichen Dialog wie sein Gesprächspartner anmerkte:

"Ich habe auch einer Filmrevue beigewohnt, in der Waffen gesegnet worden sind. …

Was haben sie denn da gesehen?

Endlose Kolonnen von Soldaten sind aufmarschiert. Auf den Schultern trugen sie ihre Waffen. Auch leichte Tanks und Kanonen fuhren vorbei. An der Kirche stand nun ein Geistlicher und segnete von dort aus die Waffen.

Warum sagen Sie, er segnete die Waffen? Hat er die einzelnen Waffen angerührt oder gesagt: Alle diese Waffen, Kanonen und Tanks sollen gesegnet sein?

Das nicht. Aber die Soldaten trugen doch alle Waffen!

Gewiß, Herr Kelm, die Soldaten trugen Waffen. sie trugen aber auch Hosen, Mäntel und Schuhe. Sogar Hemden, Strümpfe und andere Sachen trugen sie. Warum nannten Sie eben nur die Waffen und nicht auch die andern Sachen, die jene Soldaten bei sich hatten?

Sie wollen doch nicht abstreiten, daß der Pfarrer die Soldaten gesegnet hat.

Nein, Herr Kelm, das will ich wirklich nicht. Aber zwischen Soldaten segnen und Waffen segnen besteht doch ein großer Unterschied. Meinen Sie nicht auch?"

Was lehrt diese Apologie? Sie lehrt, dass man auch im Falle Rutherford diverse Unpräzisheiten in seinen Attacken gegen seine kirchlichen Kontrahenten nachweisen kann. Für wenn diese Unpräzisheiten ein Beruhigungsmittel darstellen - der mag es so halten. Indes, dürfte dem derart Beruhigten, vielleicht mal in einer schwachen Stunde, doch noch aufgehen, dass er seinen Dialogpartner damit keineswegs "überzeugt" hat.

Der verlorene Kampf

Im Jahre 1927 war es Rutherford möglich, seine Verkündigung über ein Radionetz von 53 Rundfunkstationen verbreiten zu lassen. Es war gewissermaßen ein erster Höhepunkt seiner Rundfunkpropaganda. Die Gegenreaktion meldete sich zu Wort und setzte alle ihr zur Verfügung stehenden Machtmittel ein um Rutherford endgültig aus dem Rundfunk zu vertreiben. Etliche US-amerikanische Rundfunkstationen, die aus kommerziellen Gründen den Bibelforschern ein Plattform geboten hatten, sahen sich nicht mehr in der Lage, diese Geschäftsbasis weiter aufrecht zu erhalten. Warum? Nun, weil Rutherford in diesen Vorträgen eine Tonlage angeschlagen hatte, die selbst den hartnäckigsten Geschäftemachern, allmählich "kalte Schauer" über den Rücken jagten. Geschäfte machen mit den Bibelforschern, durch Verkauf von Radiosendezeit - gut und schön. Wenn aber der Inhalt dieser Sendungen geradezu eine Protestwelle in Szene setzte, dann überlegte es sich schon mancher derjenigen Geschäftemacher, ob man hier nicht lieber im eigenen Interesse etwas kürzer treten sollte und den Verkauf von Sendezeit an eine so polarisierende Organisation, in der Zukunft lieber unterlassen sollte.

So musste denn Rutherford bekanntgeben, dass mit Wirkung vom 31. 10. 1937 keine neuen kommerziellen Verträge für weitere Rundfunksendungen abgeschlossen würden und bestehende Verträge nicht verlängert würden. Bei der Gelegenheit teilte er auch noch mit, dass für die kommerziellen Rundfunksendungen circa 2 Millionen US-Dollar bisher aufgewandt wurden ("Jahrbuch der Zeugen Jehovas 1938" S. 45).

Als Notnagel wurde nunmehr das Grammophon eingeführt. Das "Jahrbuch 1938" (S. 48) berichtet dazu:
"Am Ende des Berichtsjahres organisierte die Gesellschaft eine Schar 'Sonderpioniere', rüstete sie für den Felddienst aus und sandte sie für ein besonderes Werk aus. Von diesen Pionieren ist jeder mit einem Grammophon und mit Platten versehen, die er täglich im Zeugniswerk benutzt. Diese Sonderpioniere erhalten von der Gesellschaft die notwendige Unterstützung und verwenden ihre ganze Zeit darauf, Menschen aufzusuchen und ihnen mittels Grammophon und Druckschriften persönlich die Königreichsbotschaft vorzulegen. Wir dürfen bestimmt annehmen, dass diese Methode, dass Evangelium zu predigen, wirkungsvoller sein wird als die Sendungen der Radiostationen; und die Beträge, die zur Deckung der handelsüblichen Rundfunk-Sendegebühren verwendet würden, dienen jetzt dazu, die Mittel für das Zeugnis durch Grammophone zu vermehren."

Im Jahre 1940 hielt der "Wachtturm" diesbezüglich einmal Rückschau. Als Anlass wurde jener Radiovortrag von Rutherford aus dem Jahre 1927 und seine Folgen genommen. Zitiert werden darin auch jene Passagen, die Rutherford seinerzeit über das Radio zum besten gab:

"Der heuchlerische und böse Lauf dieser sogenannten 'Christenheit' ist eine Schmähung Gottes und seines Christus. Dieses System ist der Verführer und Unterdrücker des Volkes. Es steht vollständig unter der Herrschaft Satans des Teufels. Bezüglich seiner Unterstützung und seines Unterhaltes hängt es von den Volksmassen ab, während es gleichzeitig fortfährt, das Volk zu täuschen und zu bedrücken. Möchten die Massen des Volkes doch voll und ganz jede moralische, finanzielle und andere Unterstützung von der sogenannten 'Christenheit' oder dem sogenannten 'organisierten Christentum' zurückziehen! Möchten sie die Ergebenheit und Unterwürfigkeit ihrer Herzen gänzlich Gott und Christus, dem Friedefürsten, zuwenden, der jetzt der Erde rechtmäßiger König ist. … Der Tag der völligen Befreiung ist herbeigekommen!

Die Völker sollten daher für immer das 'sogenannte Christentum', 'Christenheit' genannt aufgeben und verlassen und ihre Herzen und Sinne, sowie ihre Ergebenheit gänzlich Gott und seinem Christus zuwenden, und zwar aus folgenden Gründen:"

Es folgt dann ein Sieben Punkte Programm:
"1. Weil die sogenannte 'Christenheit' des Teufels Organisation ist deren er sich bedient um das Volk in Unterwürfigkeit zu halten.
2. Weil sie ein Werkzeug der Bedrückung ist um die Lasten der Menschen unerträglich zu machen.
3. Weil sie falsch, heuchlerisch, verderbt und gegen die Interessen der Volksmassen ist.
4. Weil sie absolut keine Hoffnung auf eine Besserung der Lage der Völker bieten kann.
5. Weil Gottes Zeit zur Vernichtung des unheilvollen und heuchlerischen Systems in einer Zeit der Trübsal dergleichen die Welt nie zuvor erlebt hat, gekommen ist.
6. Weil Gott allen Menschen die ihn lieben, gebietet, dem ungerechten System, welches 'organisiertes Christentum' genannt wird, zu entfliehen, um dadurch der schrecklichen Katastrophe zu entgehen die bald über sie hereinbrechen wird.
7. Weil Gott seinen gesalbten König, Christus Jesus, den Messias, auf seinen Thron erhoben hat und allen Völkern der Erde gebietet, auf ihn zu hören und ihm zu gehorchen…" ("Der Wachtturm" 1. 1. 1940 S. 12).

Jene zitierte Proklamation wurde dann noch mit den Worten verklärt, "dass der Herr durch seine Engel den Inhalt dieser Verkündigung leitete.
Nochmals wird betont, dass die Organisation Satans aus drei Teilen bestehen würde, "nämlich der Hochfinanz, den Staatsmännern und der Geistlichkeit."

Das war also die Verkündigung, mit der Rutherford Furore machte. Und die Gegenreaktion darauf wird mit den Worten beschrieben:
"Wie Feuer und Schwefel 'verletzte' Gottes Botschaft der Wahrheit die 'religiösen Gefühle' der Hauptmogule der 'Christenheit', und ihr Mundstück, die Tageszeitungen und Zeitschriften gaben ihr Geheul wieder. Die nationale Rundfunkgesellschaft (National Broadcasting Company), die so ausgiebig an der Ausstrahlung der Resolution und der sie stützenden Begleitvorträge mitgewirkt hatte, wurde so 'verbrannt' und 'versengt' durch das 'loslassen' jener Botschaft der Wahrheit, dass danach ihre Rundfunkeinrichtung nicht mehr zum Senden der Botschaft von Gottes Königreich gebraucht werden konnte."

"Die New York Times brach ihr Schweigen und kreischte und heulte wegen der Wahrheit, indem sie das Geschrei der Geistlichkeit wiedergab. Die 'National Broadcasting Company', ebenfalls ein Mundstück der unheiligen Allianz, stimmte mit ein in das Geheul und die Schmähung und hat sich seither geweigert, die Radiorundfunk-Einrichtungen für das Aussenden der Wahrheit aus Gottes Wort gebrauchen zu lassen." (Ebenda S. 13, 14).

Exkurs

Radio-Vortrag
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 24. Februar 2013 08:05
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - eine Zeitreise
Sowohl in der Schweizer als auch der deutschen Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 1. 2. 1928 konnte man die nachfolgende Vorankündigung lesen:

„Radio-Vortrag von Radiostation Bern (Wellenlänge 411)
Wir möchten hiermit unseren geschätzten Lesern bekannt geben, daß erstmals am 19. Februar 1928 um 19.30 Uhr abends ein Radio-Vortrag von der Radio-Station Bern über das Thema „Radio als Förderer von Menschlichkeit und Christentum" ausgestrahlt werden wird. Jedes Mitglied des „Radioklubs Goldenes Zeitalter" und überhaupt jeder Leser des Goldenen Zeitalters, der einen Empfangsapparat besitzt, ist hierdurch gebeten, auf diesen Vortrag einzuschalten und den Empfang nebst Anerkennung der Radiostation direkt mitzuteilen."

Zu registrieren ist allerdings, dass die Berner Ausgabe den 25. (nicht den 19.) Februar als Termin nennt.
Das die WTG in der Richtung sowohl in Deutschland als auch der Schweiz, große Anstrengungen unternahm, ist unstrittig. „Anfeuernd" dürfte da ohne Frage ihr eigener Sender WBBR in den USA, und die kommerzielle Nutzung weiterer Radiosender, dort gewirkt haben.
Es ist allerdings eines nach „süßen Früchten" zu gieren, die bekanntlich nicht selten, ziemlich hoch hängen. Ein anderes hingegen ist es, ob man denn diese „Früchte" auch tatsächlich bekommt.

Schon als Vorgriff auf die weitere Entwicklung in der Frage, kann gesagt werden. Es wurde nichts aus dem Radio-Vortrag über den Sender Bern!

In der Schweizer Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 2. 1928 findet man zwar noch eine wörtliche Wiederholung jener Reklame-Vorankündigung. Aber in der parallelen Magdeburger Ausgabe, ebenfalls vom 15. 2. 1928, liest man es schon etwas anders. Die Magdeburger Ausgabe schreibt:

„Der Radio-Vortrag des Leiters des Berner Büros der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung, Herrn Harbeck, wird nicht wie ursprünglich angegeben, am 19., sondern am 25. Februar 19.30 auf Welle 411 von Bern gefunkt. Alle Radio-Empfänger werden gebeten, den interessanten Vortrag zu empfangen, und dem Berner Sender Bericht über den Empfang und Anerkennung für die Sendung auszudrücken. Gleichzeitig teilen wir mit, daß der von der Berliner Funkstunde für Januar in Aussicht gestellte Vortrag des Herrn Balzereit bis zum Mai-Programm verschoben wurde. Wir stellen es den Tausenden unserer Leser, die gleichzeitige Radioempfänger sind, frei, sich beschwerdeführend wegen dieser Verschleppungstaktik an die Deutsche Funkstunde Berlin zu wenden."

In der Schweizer Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 3. 1928 nahm selbiges dann noch wie folgt Stellung:

„Warum fand der angekündigte Radio-Vortrag nicht statt?
Nachdem man uns über ein halbes Jahr durch allerlei Ausflüchte und Entschuldigungen hingehalten hatte, und wurde schließlich am 4. Januar dieses Jahres schriftlich die Erlaubnis erteilt, einen vorher eingereichten Vortrag am 19. Februar halten zu dürfen. Dieses Datum jedoch wurde dann auf den 25. verschoben was man uns ebenfalls schriftlich bestätigte. Unmittelbar vor dem Termin, an dem der Vortrag gehalten werden sollte, wurde das Programm dem Betriebsausschuss der Radiostation vorgelegt und dieser brach in seiner Sitzung in schnöder Weise das uns gegebene Versprechen unter dem Vorwand, dass es aus Gründen der Konsequenz gegenüber anderen privaten Religionsgemeinschaften, deren man im Kanton Bern viele besitze, ratsamer sei, den Vortrag nicht in ihr Programm aufzunehmen.
Wir möchten denn hiermit die geschätzten Leser um Entschuldigung bitten, dass sie durch die Anzeige auf den Vortrag vorbereitet und nachher enttäuscht wurden. Die Verantwortung jedoch trifft die Feinde der Wahrheit und der Gerechtigkeit. Es werden nun andere Schritte unternommen und wir haben die feste Zuversicht, dass die Wahrheit sich auch in diesen Stücke bahnbrechen wird. Gleichzeitig möchten wir alle Leser des „Goldenen Zeitalters" die am Radio ein Interesse haben, bitten, Ihre Reklamation direkt an die Radio-Station, Bern, zu richten."

In der Magdeburger Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 1. 4. 1928, gab es erneut noch einen Bericht in der Sache. Selbiger führte aus:

„Wir erhalten vom Berner Büro der V. E. B. folgende Zuschrift:
„Nachdem man uns über ein halbes Jahr durch allerlei Ausflüchte und Entschuldigungen hingehalten hatte, wurde uns schließlich unter Datum des 4. Januar ... schriftlich Erlaubnis erteilt, einen vorher eingereichten Vortrag am 19. Februar halten zu dürfen. Dieses Datum jedoch wurde dann auf den 25. verschoben, was ebenfalls schriftlich bestätigt wurde.

Unmittelbar vor dem Termin, an dem der Vortrag gehalten werden sollte, wurde das Programm dem Betriebsausschuß der Radio-Station vorgelegt und bei dieser Sitzung wurde dann das uns gegebene Versprechen in schnöder Weise gebrochen unter dem Vorwand, „daß es aus Gründen der Konsequenz gegenüber andern privaten Religionsgemeinschaften, deren wir im Kt. Bern viele besitzen, ratsamer sei, den Vortrag nicht im Programm aufzunehmen."

Wir möchten die verehrlichen Leser um Entschuldigung bitten dafür, daß sie durch die Anzeige auf den Vortrag vorbereitet und dann enttäuscht wurden. Die Verantwortung hierfür ruht auf denen, die in selbstsüchtiger Weise versuchen, die Rechte und Freiheiten ihrer Mitmenschen einzuschränken. Es werden nun andere Schritte unternommen werden, und wir haben die feste Zuversicht, daß die Wahrheit sich doch Bahn brechen wird.

Gleichzeitig möchten wir alle Leser des „Goldenen Zeitalters", die am Radio Interesse haben, bitten, ihre Reklamationen direkt an die Radio-Station Bern einzusenden.

Trotz dieser ablehnenden und treulosen Haltung der Radio-Station Bern wurden wir gebeten, uns finanziell an dem Bau einer neuen Station in Zürich zu beteiligen. Wir werden die Leser über den weiteren Verlauf dieser Angelegenheit unterrichtet halten.
I. B. V. Bern
Diese eigenartige Stellung der Radio-Station Bern dürfte auch unsere deutschen Leser interessieren."

Man geht wohl nicht fehl in der Annahme. Selbst wenn jener beabsichtigte Vortrag gesendet worden wäre, hätte man ihn zusätzlich im „Goldenen Zeitalter" mit abgedruckt vorgefunden.
Es ging in diesem Fall also vor allem um die damit verbundene Imageaufwertung. Weniger um die Inhalte. Man ahnt es schon. Nachdem also die Radio-Publizierung „geplatzt" war, stellt „stolz wie Oskar" das GZ in seiner Ausgabe vom 1. 5. 1928, diesen Vortrag noch im Detail vor.
Da liest man dann folgendes (zitiert nach der Magdeburger Ausgabe):

„Beinahe über Radio gesandt!
Auch die Schweizer Leser des Goldenen Zeitalters erleben ununterbrochen die Enttäuschung, daß das Radio, diese große, wunderbare Erfindung, welche Gemeingut der ganzen Welt, ohne Ansehen des Standes, der Religion, der Partei oder Nationalität ist, einseitig gebraucht wird und beschlagnahmt ist für Parteiinteressen verschiedenster Art. -
Man hatte der Schweizer Zentralstelle der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung fest zugesagt, selbst den Termin angekündigt, den nachfolgenden Vortrag über Radio zu funken. Auf Grund von Treibereien gewisser Konkurrenz-religiös eingestellter Kreise zuckte man dann zurück. Man lese diesen Vortrag und frage sich warum!

Radio als Förderer von Menschlichkeit und Christentum
Motto:
Und sie versprachen
Ihr Wort und brachen
Es, weil's nicht lohnet,
Wahrheit zu künden
Und Spott zu finden.

Es ist nicht meine Absicht, eine philosophische, noch eine theologische Abhandlung zum Besten zu geben. Ich bin nicht gekommen, um eine unbekannte neue Lebensweisheit preiszugeben, noch um für irgendeine religiöse Richtung Propaganda zu machen. Hingegen ist mein Zweck und Vorhaben, meine geschätzte Zuhörerschaft aus allen Kreisen für die hohe Aufgabe zu begeistern, den Radio-Engel nicht nur für Zeitvertreib und bloße Unterhaltung zu verwenden, sondern diese wunderbarste Erfindung der Gegenwart mehr und mehr als Hüter der kostbarsten Güter der Menschheit, nämlich als Förderer von Menschlichkeit und Christentum zu bestellen.

Wenn Sie dann meiner kurzen Ausführung bis zum Ende - nur eine kleine halbe Stunde - mit voller Aufmerksamkeit zugehört haben, werden Sie auch imstande sein, ein Urteil abzugeben, ob und wie weit ich mein Ziel bei Ihnen erreicht habe. Ich wiederhole das Thema: „Radio als Förderer von Menschlichkeit und Christentum."

Jedermann wird ohne weiteres zugeben, daß das Radio sich im Dienste der Menschheit täglich große Verdienste erwirbt. Man denke nur, wie manches Menschenleben gerettet wurde, weil Schiffe in Not auf hoher See Nachbarschiffe mittelst Radio eilendst zu sich rufen konnten. Oder man mache sich ein Bild von einem Flugzeug, das sich im pfadlosen Äther in Nacht und Nebel verirrte; die Mannschaft will schier verzagen und siehe - eine Radiostimme bringt Rettung und führt sie auf rechter Straße zu sicherem Landungsort.

Aber auch in weniger auffallender Weise und doch bedeutsamer Art ist diese wunderbare Erfindung in den edelsten Dienst der Menschheit getreten. Der Radio-Engel bringt Freude und Glück in das Haus der Einsamen und Verlassenen, Trost und Lebenshoffnung an das Bett des Kranken; er schürt nicht nur das Feuer des heimatlichen Herdes, indem er durch gemeinsame Unterhaltung die Familie im traulichen Kreise verbindet, sondern er leuchtet auch dem Fremdling in der Ferne und frißt das heimwehkranke Herz mit süßen Liedern, mit Sang und Klang aus der trauten Heimat.

Wer weiß, ob nicht das Radio in der Zukunft mehr als je mithelfen wird, das Mißtrauen unter den Völkern zu vernichten. Vielleicht spinnt die Radiosee schon jetzt mit Silberfäden - weit erhoben über alle Grenzen gegenwärtigen menschlichen Daseins - an einem Netz der Brüderlichkeit, das einmal die ganze Erde umspannen wird.

Niemand bezweifelt die Verantwortlichkeit der Presse als Trägerin der Zivilisation und Kultur. Aber der Rundfunk ist noch mehr geeignet als jene, die Erkenntnis der Zusammengehörigkeit der menschlichen Familie und die Tatsache, daß die Interessen der Gesamtheit auch die Interessen des einzelnen Menschenbürgers bilden, hinauszustrahlen. Ja, es ist meine aufrichtige Hoffnung und wirkliche Überzeugung, daß das Radio in Übereinstimmung mit göttlicher, wohlwollender Vorsehung in stiller, unbewußter Art eine goldene Himmelsbrücke der Nachbarlichkeit zwischen Mensch und Mensch bauen und einen Kranz der Eintracht und des Friedens unter den Völkern der Erde winden wird.

Ein moderner, deutscher Schriftsteller, Heinrich Lhotzky, schildert uns in seinem Buche „Vom Erleben Gottes", wie die höchsten Güter der Menschheit, nämlich Menschlichkeir und wahrhaft christliche Kultur am erfolgreichsten durch unpersönliches und ungezwungenes und unbewußtes Dafüreintreten vermittelt werden. Wir zitieren Lhotzkys Worte, Seite 10 bis Seite 12.

„Wenn ich das Wort Menschlichkeit höre, ist's mir immer, als sollte man einen Edelstein aus dem Staube aufheben. Es gibt in der Welt einen geheimen Zauber, mit dem die festeten Türen gesprengt, die größten Taten verrichtet und wirkliche Wunder vollbracht werden können. Dieses Zaubermittel gibt's Wer Wunder tun will, kann es, denn das Mittel ist nicht etwa im Besitz weniger Auserwählter, sondern aller ohne Ausnahmen. Nur wissen die Menschen nicht, wie reich sie sind, und lassen ihren Edelstein im Staube liegen, ja häufen selbst noch staub darauf. Dieses köstliche Gut ist die Menschlichkeit.

Im rein Menschlichen liegt unsere beste Kraft und größte Macht. Es ist nur bei vielen tief vergraben unter dem Gebildeten, oder dem Geadelten, oder dem Besitzlichen, oder dem Religiösen, oder dem Politischen, oder irgendwelcher bunten Torheit, mit der wir uns zu behängen lieben. Aber wer irgendeinen Wirkungskreis haben will, wer irgend etwas Weitergehendes leisten will, kann es nur durch seine wahre Menschlichkeit.

Je wahrer, je einfacher und klarer ein Mensch ist, desto nachdrücklicher wird er sich auswirken. Je gekünstelter, geschraubter und absichtlicher jemand sich gibt, desto mehr schrumpft sein Wirkungskreis zusammen. Wer harte Herzen erschließen, Widerspenstige zähmen, Menschen, Tiere und die ganze Natur überwinden will, muß alles Berechnete, Überstiegene, Gewalttätige ablegen und mit einem wahren Kinderherzen voll Vertrauen, voll Freude und Herzlichkeit, voll unverwüstlichen, unverbitterten Frohsinns seine Straße gehen. Er muß mit einem Worte Mensch sein, und soweit er es sein kann, reicht sein Einfluß. Bei dem einen reicht er weiter, bei dem anderen ist er sehr eng begrenzt. Das liegt nicht in einem Tun oder einer Angewöhnung, sondern in einem ganz einfachen Sein, das angeboren oder auch erwachsen sein kann, aber nie angelernt, angewöhnt.

Eigentlich weiß das jeder ohne weiteres. Jeder Künstler, jeder Schriftsteller, jeder Lehrer und Erzieher, jeder Prediger, jeder Redner, jeder Feldherr, ja jeder Fabrikherr, jeder Kaufmann, jeder Vorgesetzte überhaupt weiß, daß sein wahrer Einfluß reicht, soweit seine Menschlichkeit geht. Man kann die Menschen auch anders zwingen, mit Gewalt, mit Wissen, mit Geld, man kann sie mit Polizeimacht Hurra zu schreien nötigen, aber jeder weiß ganz genau, daß er sich mit diesen Mitteln ebenso leicht verhaßt als lächerlich macht. Wunder wird solch einer nicht tun und weiß auch, daß er es nicht kann, und bleibt darum ewig unbefriedigt.

Aber merkwürdig. Obgleich wir alles das wissen, entschuldigen wir unverdrossen jede Schwäche mit unserer Menschlichkeit, erklären unsere Torheiten damit, daß wir Menschen sind, und wenn es in einem Kreise zu recht gröblichen Schwierigkeiten kommt, sagt man: Es menschelt. So häufen wir Staub auf den besten Edelstein dieses Planeten und vergraben unser Bestes in Schutt. Wir verstehen unsere Wahrheit nicht."

Lhotzky führt ferner aus:

„Menschen, die Trostquellen für Unglückliche sind, wirken sich im allgemeinen mehr unbewußt aus. Wohltätige Wirkungen entströmen ihnen wie sonnige Glücksstrahlen. Ihr ganzes Sein vermag zu trösten, nicht ihr Tun und Reden.

Sammle in dir die Strahlen des Friedens, ganz still, ganz unscheinbar, ganz verborgen und mache so wenig Aufhebens wie möglich davon. Es schadet nichts, wenn deine Augen und Mienen noch finster bleiben. Du sollst gewiß keine Friedensgesichter schneiden. Das würde dich nur verunstalten. Du kennst solche ewig freundliche Vollmondsfriedensfratzen. Sie stehen dir übel an.

Nein, sammle die Friedensstrahlen in dir, für dich. Sie werden, ohne daß du es merkst, aus dir herausleuchten und dich verklären. Nur so wird der Friede Wirklichkeit, Geschichte, Beweis für die Welt.

Um versöhnlich zu wirken, dazu bedarf man gar keiner Umstände. Man hat weder eine Partei, noch Religion, noch Konfession, noch irgendeinen anderen Menschen dazu nötig. Nur einen einzigen Menschen hat man nötig. Der ist man selbst. Man hat gar nichts dabei zu tun, nur ganz einfach eine neue, aufrichtige Haltung allen Menschen gegenüber einzunehmen, der nächsten Umgebung zuerst. Wer damit anfängt, zunächst auf weitere Kreise wirken zu wollen, ist ganz gewiß auf falschem Wege. Unser Einfluß liegt überhaupt nicht im Bereiche des persönlichen Lebens, sondern des unpersönlichen. Rechte Wirkungen gehen nur unbewußt und unwillkürlich von uns aus und sind ein Zeichen unserer geistigen Gesundheit.

Es gibt kaum ein deutlicheres Kennzeichen für die Zugehörigkeit zum Reiche Gottes als die Versöhnlichkeit. Kein frommes Gebärdenspiel, keine religiöse Sprechweise gehört zum Reiche Gottes. Nur wer mit leidet, mit trägt, mit glaubt, mit hofft, und zwar unter allen Umständen, der ist Christi, ganz gleichviel, ob er eine Religion hat, oder welcher religiösen Sonderfärbung er zugehört.

Vergeben, wie der Vater vergibt. Das ist nicht eine Kunstfertigkeit, die man erlernen kann, sondern das Natürliche, was das Reich Gottes von selbst bewirkt in dem Maße, als jemand in seinem Lichte steht, und auch der Sündigste und Stumpeste und Ungebildeste weiß ohne weiteres, daß das die Wahrheit ist für die Welt." (Seite 15-16).

Das Radio bildet nun gerade ein solches Mittel zur Überbringung dieser höchsten Güter, weil bei einem Radiovortrag die Persönlichkeit des Redners in den Hintergrund tritt und jede Tendenz einen bestimmten Kreis von Menschen zu erreichen, dahinfällt, weil er ja nicht weiß, wo und von wem seine Stimme gehört wird. In diesem Sinne und ohne dabei irgendeine bestimmte Richtung zu vertreten, möchte ich Ihnen noch eine kurze biblische Begebenheit erzählen, die deshalb für unsere Zeit - so voll von materialistischer Weltanschauung - Bedeutung hat, weil in diesem Wunder der biblischen Geschichte die Hoffnung des Reiches Gottes auf Erden wie der Schatz im Acker verborgen liegt.

„Ein gewisser stadtbekannter Krüppel saß wie gewöhnlich an seinem Platz in der Nähe der schönen Pforte des Tempels auf der Treppenstufe, wohin er Tag für Tag getragen wurde, um von mitleidigen Menschen beachtet zu werden. Er war als Krüppel auf die Welt gekommen und hatte nie die Freude froher Kinderspiele gekannt. Manchmal, wenn er dem bunten Treiben der Menge zuschaute, muß ihm tiefer Schmerz am Herzen genagt haben. Ach, daß er doch einmal sich der jubelnden Menge anschließen könnte, wenn sie hinaufging in den Tempel an den Feiertagen! Mit der Zeit hatte er sich daran gewöhnt, seinen bitteren Schmerz zu verbergen, und er brachte es so weit, daß ein leichtes Lächeln über sein sonst so verschlossenes, bleiches Antlitz huschte, wenn jemand auf der Treppe zögerte und ein Almosen in seinen Schoß warf. Heute aber war die Stadt in großer Aufregung über diese neue Lehre von der Wiederherstellung aller Dinge und über das eigentümliche Auftreten dieser ungelehrten Fischersleute aus Galiläa. Hier kommen jetzt zwei dieser Männer, die so viel Aufsehen erregen - Johannes und Petrus wenden ihre Schritte dem Tempel zu; - ob sie ihn, den Bettler, wohl bemerken werden? Wie sie näher kommen fleht er sie an um eine Gabe. Die Apostel blicken mitleidsvoll auf diesen Armen Menschen. Dann spricht Petrus:
„Gold und Silber habe ich nicht, was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu, des Messias, des Nazaräers. - stehe auf und wandle!" Und er faßt ihn bei der rechten Hand und richtet ihn auf. Da werden plötzlich seine Füße und Köchel fest. Er springt auf, - steht, wandelt und geht mit ihnen hinein in den Tempel, um Gott zu loben." -

Der lahme Mann stellt die Menschheit dar, die gleich am Anfang ihrer Geschichte lahmt und krank wurde dadurch, daß der erste Mensch, Adam, Gottes Gebot übertrat und dadurch eigene Schuld die Strafe des Todes nebst Krankheit und Schmerz auf die ganze Menschheit brachte. Adam und Eva waren als vollkommene Menschen erschaffen und sie wohnten im schönsten Teil der Erde, die nur erst zum Teil als Heimstätte des Königs der irdischen Schöpfung zubereitet war. Diese ersten Eltern kannten weder Sorge noch Tränen, bis die böse Tat das paradiesische Glück zerstörte. Sie wurden aus Eden vertrieben und mußten im Schweiße des Angesichts ihr Brot essen, unter Dornen und Disteln ihr Dasein fristen, bis das ganze furchtbare Urteil „Sterbend sollst du sterben", „Du bist Staub und sollst wieder zu Staub werden", sich an ihnen ausgewirkt hatte. Von der Zeit an haben die Menschen sterben müssen und viele, die auf Erden gelebt haben oder heute noch leben, sitzen in trostloser, stiller Verzweiflung an der schönen Pforte des Tempels, ohne zu wissen, daß die Stunde der Befreiung und die Zeit der Wiederherstellung herbeigekommen ist.

Die schöne Pforte könnte ein Sinnbild sein von dem sich öffnenden Tor eines neuen Zeitalters, von dem Johannes sprach in Offenbarung 21: 2-4:

„Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, aus dem Himmel herniederkommen von Gott bereitet wie eine für ihren Mann geschmückte Braut. Und ich hörte eine laute Stimme aus dem Himmel sagen: Siehe, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott. Und er wird jede Träne von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen."

Ein bekannter Schriftsteller schildert diese goldene Zeit mit folgenden Worten:

„Schließe deine Augen einen Augenblick vor dem Elend und dem Weh, vor der Entartung und den Mühsalen, die jetzt um der Sünde willen herrschen, und male vor dein Geistesauge die Herrlichkeit der vollkommenen Erde! Kein Flecken der Sünde stört mehr die Eintracht und den Frieden eines vollkommenen Gemeinwesens; kein bitterer Gedanke, kein unfreundlicher Blick, kein hartes Wort; Liebe aus allen Herzen quellend begegnet gleicher Erwiderung in allen anderen Herzen; Wohlwollen kennzeichnet jede Tat. Da wird keine Krankheit sein, kein Weh, kein Schmerz, noch irgendein Anzeichen von Verfall, nicht einmal die Befürchtung solcher Dinge.

Denke an alle Bilder verhältnismäßiger Gesundheit und Schönheit der menschlichen Gestalt und Gesichtszüge, die du je gesehen hast, und wisse, daß die vollkommene Menschheit von noch weit überragenderer Liebenswürdigkeit sein wird. Innere Reinheit und geistige und moralische Vollkommenheit wird jedes strahlende Antlitz kennzeichnen und verklären. So werden die Bewohner der Erde sein. Da werden den Weinenden und Trauernden alle Tränen abgetrocknet sein, wenn so das vollständige Werk der Auferstehung vor ihren Augen dasteht,"

Der vorhin zitierte Schriftsteller Lhotzky äußerte die gleiche Hoffnung, indem er schrieb:

„Es wird eine Zeit kommen, da werden die Menschen keine Ketten irgendwelcher Art mehr tragen wollen, keine Sklavenketten und keine Geistesketten. Da wird ein einziger Schrei aus der Menschheit gellen: Freiheit! Die Freiheit im Geiste, die Freiheit der Kinder Gottes ist das Menschheitserbe. Je näher es kommt, desto sehnsüchtiger wird die Menschheit erregt. Sie fühlt das Nahen und versteht es nicht. Darum ist sie so unruhig und unbändig. Ihr Heil kommt."

So hoffe ich denn, daß viele meiner Zuhörer, die die Überzeugung teilen, daß wir uns auf die Schwelle einer neuen Epoche befinden, und daß die wunderbaren Erfindungen der Gegenwart als Vorzeichen einer neuen Weltordnung betrachtet werden können, mithelfen werden, durch Erben für das Radio, nicht nur als Spielzeug angenehmer Unterhaltung, sondern als Kulturträger und als Förderer von Menschlichkeit und Christentum. Sie werden mir bestimmen, wenn ich behaupte, daß das Radio in kurzer Zeit das Leben eines jeden Menschen nicht nur beeinflussen, sondern gewaltig verändern wird. Es öffnet die Tür zu Tausenden von Möglichkeiten, die noch vor 20 Jahren als unmöglich galten. Hören Sie zum Schlusse, was Herbert S. Stenson darüber sagt in einer weltbekannten Zeitung: „Die Boston Post":

„Selbst der Durchschnittsmensch, dem es an Phantasie fehlen mag, wird zugeben, daß das Zeitalter unserer Kinder das „Radio-Zeitalter" oder die Epoche sein wird, in welcher Unmögliches möglich gemacht wird. Was ist das Radio-Zeitalter? Worin bestehen seine Möglichkeiten? Ohne Reserve behaupte ich, daß es der Menschheit letzte und höchste Epoche sein wird. Es wird Utopien sein, welches die Träumer und Wissenschaftler gesehen haben durch den Vorhang von Unglauben und Unwissenheit. Radio wird diesen Vorhang zerreißen, und wir werden in Lebenszustände eintreten, die kühnsten Träume des vorigen Jahrhunderts übertreffend. Nun, wie wird dies geschehen? Als Antwort wollen wir einen praktischen Vergleich machen mit der Vergangenheit. Alle Autos werden ohne Geräusch laufen und ihre Kraft von Radiostationen erhalten, die an den großen Wasserkraftquellen angelegt sind. Straßen und Häuser werden erleuchtet sein durch kalte immer brennende Lichter, die ihre Energie aus der Luft ziehen. Intensive Heizung wird nicht nur au unsere Wohnhäuser erwärmen, sondern auch das Freie. Das Klima wird reguliert werden.

Telefon und Telegraph werden veraltet sein. Wir werden durch Radiowellen über die Kontinente hinweg sprechen können. Ozean-Dampfer und Passagierflugzeuge werden nicht nur durch Radio getrieben werden, sondern auch gleichzeitig mit dem Ufer in steter Verbindung sein. Die Neuigkeiten der Welt, Opern und die besten Konzerte, werden in die einfachsten Häuser Freude bringen. Nicht nur die Stimme oder der Klang, sondern das lebende, atmende Bild wird auf den Flügeln des Radios fortgetragen werden und auf größte Entfernung sich wiederum entfalten in schönster Pracht. Sie werden mit Radio mit einem weitentfernten lieben Freund reden und gleichzeitig das lächelnde Antlitz sehen und antworten, als wenn Sie Seite an Seite sitzen würden.

Wasserstoff-Gas, welches bisher in nur geringen Quantitäten gewonnen werden konnte, wird durch Radio-Vibration ausgelöst werden und wird den ausgenützten Boden des kultivierten Teiles der Erde wiederum sättigen, sodaß ein Übermaß an Früchten und Blumen hervorsprießen wird. Radio-Empfangsgeräte von größter Genauigkeit werden jede menschliche Empfindung, Liebe Haß und dergleichen registrieren. Das Verbrechen wird aus der Welt geschafft werden. Ehescheidung und Laster werden aufhören, Krankheit wird aussterben. Pestillenzen werden von der Erde hinweggefegt werden. Wie? Durch Radio-Vibrationen, die mit solch ungeheurer Macht über die Erde strömen, daß sie alle Krankheitskeime töten und vernichten. Die Luft, die wir atmen, wird mit gesundheitsbringender Kraft erfüllt sein. Wir alle wissen, wie rein und erfrischend die Luft nach einem Gewitter ist. Radio wird die Ursache sein, sie immer so zu erhalten.

Wenn jemand die Gesundheit, Intelligenz und das Glück seiner Umgebung fördert, so fördert er die Kultur und die Demokratie. Er sorgt ferner dafür, daß das Christentum blüht, wo vorher Sünde und Laster hausten. Radio-Aktivität wird dieses und noch mehr tun. Radio wird ein eiserner Arm des Christentums, der Demokratie und des Lebens selbst werden. Alle Religionen sind sich einig darüber, daß wir uns in den letzten Tagen, in der Zeit der Erfüllung der Prophezeiungen befinden. Sorge, Schmerz und Sünde werden von der Erde hinweggefegt. Die Flügel des Radios sind bildlich gesprochen die Flügel des Engels, der alles Geschehen niederschreibt. Wir sind auf der Schwelle angelangt. Das Radio-Zeitalter wird des Lebens Erfüllung, der Erde höchste Krone und der Himmel sein, dem wir alle unbewußterweise zusteuern."

Soweit dieser Bericht, der uns wiederum das Bild der unglücklichen Menschheit zeigt - sitzend an der Schwelle der schönen Pforte, die sich bald auftun wird und der ganzen Menschheit die Segnungen bringen wird, die Gott in Bereitschaft hält für alle, die ihn lieben und deren Ausdruck findet in den Worten des Dichters:

„Der Denker"
(Aus dem Epilog „Die Weinpresse" von A. Noyes).
Jawohl, ein Hauch der Dämmerung uns're Stirne fühlt,
Obwohl wir noch umfangen sind von dunkler Nacht.
Der Schnitter „Tod" vom Pfeile sich getroffen fühlt,
Ein Gott hält an des Schicksals Schwelle Wacht.
Jehovas Geist einst schwebend über Wa'ssers Tiefen,
Durchdringt der Menschheit Sinn mit neuem Licht;
Die Völker fühlen's, die so lange schliefen,
Wie Frühling nun ihr Träumen stört und bricht.

Der Tag bricht an, der Tag, es hören die Nationen
Von weither einen Ruf, der ihnen allen gilt. -
Gestiegen seid ihr hoch, ihr Generationen,
Durch Krieg und Streit und Morden, toll und wild -
Und doch, - ein noch viel höh'res Ziel ist euch beschieden,
Im lichter'n Höhen, über aller Erdennot,
Ein Pfad der Liebe und von Frieden,
Den heil'gen Weg - den Weg - bahnt uns'rem Gott. J. H. B.

Sicherlich wird man einräumen müssen. Das ist wohl eine „Sonntagspredigt", wie sie auch von anderen kirchlichen Kreisen stammen könnte. Zumindest in Teilen. Zwar nicht plakativ, dennoch vorhanden, in ihr auch die These der Endzeit-Naherwartung. Und da selbige ja das „Markenzeichen" der WTG-Religion darstellt, ist ihre Artikulierung zugleich identisch mit einer „parteilichen Werbung", in einem „öffentlich-rechtlichen Medium". Und an Parteivoten stellen selbige sicherlich höhere Hürden, als wenn derselbe Sachverhalt im eigenen Medium (in diesem Falle das GZ) dargestellt wird. Da „trifft" sich eine „parteiliche Klientel". Ein Öffentlich-rechtliches Medium indes, kann sich so nicht parteilich vereinnahmen lassen. Es sei denn es ist Werbefinanziert. Dann „singt es das Lied dessen, der die Musik bestellt hat".

Parteiisch wirkt auch das mit enthaltene Votum in diesem Vortrag:
„daß die wunderbaren Erfindungen der Gegenwart als Vorzeichen einer neuen Weltordnung betrachtet werden können."

Das ist dann wohl eine These, die andere Religionsgemeinschaften, zu der Zeit nicht so mittrugen. Auch da stand die WTG mit dieser These „allein auf weiter Flur".
Inwieweit eine ausländische Zeitung, wie die „Boston Post", die in diesem Vortrag auch mit vorkommt; die aber wohl kaum ein Schweizer tatsächlich lesen dürfte, und die zudem noch mit einer Aussage bemüht wird, bei der man hin- und herschwankt. Ist das nun eine „Allerwelts-Aussage"; oder eine Aussage im zeitgenössischen Rahmen bewertet, die etwas zuviel Utopie-Elemente enthält. Inwieweit die Einflechtung solcher Quellen ein besonderes „Geschick" offenbart, mag man ebenfalls anzweifeln.

Er nannte sich „Oberlehrer"

Es ist ein makabres Dokument. Zugleich aber doch bezeichnend, für die Geisteshaltung, die da im NS-Regime dominant war. Hat man von Himmler's Schergen auch nicht viel anderes erwarten können als wie Brutaliät als Weltanschauung. So ist man doch einigermaßen geschockt, einmal das Weltbild jener zur Kenntnis zu nehmen, die sich da Lehrer oder gar Oberlehrer nannten und mit Zeugen Jehovas zu tun bekamen. Zwei berüchtigte Exemplare dieser Gattung sind ja bereits aus der Weimarer Republikzeit bekannt. Einmal der August Fetz, der es bis zum Schulrektor brachte und dann der Karl Weinländer alias „Hans Lienhardt" und noch einer Reihe anderer Aliasse. Sie hatten auch schon Furore gemacht mit wüsten Hetzparolen und mit der Unfähigkeit wirkliches Verständnis entwickeln zu können. Zu diesen Namen muss man noch einen Dritten hinzufügen: K. Herr aus Ichtershauen, der sich in einer Zeitschrift namens: „Monatsblätter für Straffälligenbetreuung und Ermittlungshilfe" (15 Jg. Heft 11/12; August-Septembr 1940) über „Die Bibelforscher in Strafhaft" zu verbreiten wusste. In seinem Erguss konnte man unter anderem lesen:

„Rassische Unterschiede gibt es nicht, da nach Auffassung der Bibelforscher alle Menschen gleichen Blutes und also gleich sind. Gegebenenfalls steht ein Neger oder ein Jude, sofern er Zeuge Jehovas ist, einem Bibelforscher näher als seine eigenen Angehörigen, erst recht näher als Angehörige seines Volkes. Die staats- und volksfeindlichen Bestrebungen der im Ausland sitzenden geistigen Zentralen der IVB gingen in Deutschland im wesentlichen auf folgende Ziele hinaus:

1. Verhinderung der Verbreitung und Anerkennung der Rassengesetze, d. h. Sabotierung der judenfeindlichen Tendenz unserer Weltanschauung durch den Gedanken der Menschengleichheit.
2. Sabotierung unserer Wehrfreiheit, indem dem Zeugen Jehovas aufgegeben wurde, die Wehrpflicht zu verweigern.
3. Unterhöhlung des Vertrauens des Volkes zur Volksführung, insbesondere zur Person des Führers, durch Ablehnung des deutschen Grußes, angeblich, weil das Heil nur von Jehova kommen kann.

Das Wesentliche, was bei ihrer Einlieferung in die Strafvollzugsanstalt auffällt, ist zunächst einmal ihre Unberührtheit durch die Strafe. Sie fühlen sich als Märtyrer und nehmen größtenteils als treue Zeugen Jehovas die Strafe auf sich. Zunächst sind sie allen Versuchen gegenüber, an sie heranzutreten, unzugänglich.

Es muss hier festgestellt werden, dass von aller weltanschaulichen Schulungsarbeit an politischen Gefangenen, die an den Bibelforschern zu den schwierigsten, langwierigsten und undankbarsten gehört.

Zum anderen machte sich eine Furcht vor einer Gottlosigkeit bemerkbar, indem Einzelne der Ansicht waren, dann, wenn sie nicht mehr Zeugen Jehovas wären, gottlos sein zu müssen.

Zur Frage der Rückkehr der Bibelforscher in die Volksgemeinschaft kann nach den hier gemachten Erfahrungen folgendes gesagt werden. Die unbelehrbar bleibenden Bibelforscher sind, soweit sich nicht wie in einem Fall wegen eintretender Geistesstörung die Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt notwendig macht, als gemeinschaftsunfähig grundsätzlich an einer Rückkehr in die Volksgemeinschaft zu hindern. Das geschieht durch ihre Unterbringung in den Konzentrationslagern."

Gleichfalls im betont negativem Sinne äußerte sich auch der Strafanstaltsleiter Liesche in seinem Aufsatz "Der Bibelforscher im Strafvollzuge" der in der Nummer 6/1937 der Zeitschrift "Der Deutsche Justizbeamte" erschien. Auch Liesche konstatiert, dass "bei fast allen 'Zeugen Jehovas' (es) sich um Gefangene handelt, die als Fanatiker ihrer Idee zu betrachten sind und sich als Märtyrer bezeichnen. Wenige sind nur unter ihnen, die durch die Strafverbüßung zur Einsicht gelangen. Darum muss der Strafvollzugsbeamte sie in erster Linie als Staatsfeinde betrachten und die Strafe in unerbittlicher Strenge gegen sie zur Anwendung bringen. Irgendwelche Lockerungen würden den Staat nur schädigen."

Liesche setzt sich auch mit der Sachlage auseinander: "Der § 112 Ziffer 5 der Dienst- und Vollzugsordnung besagt: 'Den christlichen Gefangenen sind die von den kirchlichen Behörden eingeführten Gebet- und Gesangbücher zu verabreichen; evangelische Gefangene erhalten ferner ein Neues Testament mit Psalmen, katholische Gefangene den Diözesankatechismus und ein Neues Testament oder die Biblische Geschichte. Jüdische Gefangene erhalten ein Gebetbuch.'"

Sein Kommentar dazu: "Diesen Zeugen Jehovas liegt bei ihren Einlieferungen in die Gefängnisse daran, die Bibel zu bekommen, damit sie ihre staatsfeindliche Einstellung durch planvoll zusammengesetzte Bibelstellen weiter verfolgen und wenn möglich auf andere Insassen der Gefängnisse übertragen können. Sache der Vollzugsbehörden soll es sein, zu verhindern, dass das Studium der Bibel zu Aufzeichnungen führt, die in staatsgefährlicher Weise verwendet werden können. Es ist somit dem pflichtgemäßen Ermessen der Vollzugsbehörden überlassen, wie sie das verhindern; die Hauptsache ist, dass sie es verhindern."

Eine analoge Feststellung wird man zu dem Aufsatz von H. Brandstätter, seines Zeichens Vorstand der Gefängnisse, Eisenach, treffen müssen. Unter der Überschrift „Erfahrungen im Strafvollzug an Gefangenen, die gegen das Verbot der Internationalen Bibelforscher bestraft worden sind", erschienen in den „Blätter für Gefängniskunde" Heft 1/1939, klagt er gleichfalls, dass versuchte Überzeugungsarbeit im Sande verlief:

„Bei der ersten Vorführung, genau wie bei den ersten Zellenrevisionen waren diese Gefangenen ganz ablehnend. Sie taten erhaben. Man spürte ihr inneres Hochgefühl als 'Zeuge Jehovas' gegenüber dem ungläubigen Satansdiener, der an dem demnächst kommenden besseren Zeiten des Tausendjährigen Reich Gottes nicht teilnehmen darf."

Auch Brandstätter klagt: „Nur teilweise, zum Teil gar nicht, gelang es mir, sie zu Überzeugen, dass der Bibelsatz (Du sollst nicht töten) in unserem heutigen Sprachgebrauch richtiger übersetzt sein müsse mit: Du sollst nicht morden."

Seine abschließende Klage kleidet er in die Worte:
„So optimistisch ich bei dem Blick auf die Gefangenen bin, so wenig bin ich es mit Rücksicht auf ihre Familien bei der Rückkehr nach der Entlassung.
Wer im Strafvollzug nicht zu einer Bejahung des Dritten Reiches oder wenigstens von der Bibelforscheridee abgekommen ist, gehört ins Konzentrationslager. Er wird von seiner Idee geleitet weiter ein Staatsfeind bleiben. Hier darf es keinerlei Rücksicht geben."

Kommentarserie „Trost" 1940 zusammengefasst

Der nächste Jahrgang    1941

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