Der vorangegangene Jahrgang
1940
Vor (mehr als) 50
Jahren
Was 1941 Wahrheit war
Wehrdienstbefreiung in
den USA
In der "Trost"-Ausgabe
vom 1. 12. 1941 (Nr. 461 S. 6) ist auch ein auf die USA bezugnehmender
Bericht enthalten,
der ausführt, wie sich die dortigen Behörden zu einer
Wehrdienstbefreiung für Jehovas
Zeugen stellten. Ausgehend von dem Grundsatz, dass Funktionäre
anderer Kirchen und
Religiongemeinschaften gegebenenfalls nicht zum direkten Wehrdienst
herangezogen werden,
wurde in einer Studie des Generalstabes der Armee der Vereinigten
Staaten untersucht,
inwieweit diese Grundsätze bei den Zeugen Jehovas auch zur
Anwendung kommen könnten.
Festgestellt wurde dabei auch: "Wegen der ungewöhnlichen Art, wie
Jehovas Zeugen
organisiert sind, ist es schwer, einen Vergleich mit anerkannten
Kirchen und
Religionsorganisationen anzustellen."
Das Ergebnis dieser Untersuchung
lief darauf hinaus, dass die Wehrdienstbefreiung für die
hauptamtlichen
Bethel-Mitarbeiter sowie für Pioniere gewährt werden
könne. Die englische Zeugen
Jehovas-Zeitschrift "Consolation" vermerkt, dass per 1. 6. 1941
aufgrund dieser
Grundsätze 1 150 namentlich aufgeführte Personen, die ansonsten
wehrpflichtig wären, von den Behörden freigestellt wurden.
Triumphierend wird vermerkt:
"Damit bekennen sich die Militärbehörden der Vereinigten
Staaten
praktisch genommen zur selben Einstellung, wie die Behörden
Großbritanniens sie den
Zeugen Jehovas gegenüber im jetzigen Krieg stets beibehielten.
Geistliche der
großen Religionssysteme zieht man nicht zum
Militärdienst heran, weil - zu Recht oder zu unrecht -
vorausgesetzt wird, dass sie dem
Dienst des Evangeliums geweiht sind. Warum sollte dieser Grund
dahinfallen, wenn es sich
um wahrhaft geweihte, zwar schlichte, dem Dienst des Reiches Gottes
aber völlig ergebene
Christen handelt? Eine solche Zurückhaltung kennt man in den
Vereinigten Staaten und in
Großbritannien also nicht."
Hinzugefügt wird in diesem Artikel
aber auch noch, dass eine solche Politik durchaus nicht in "allen"
demokratischen Ländern so gehandhabt wird. Mit letzterer Bemerkung
ist denn nicht zuletzt
auch die Schweiz gemeint gewesen. Und an deren Adresse gerichtet, kann
man denn in dem
fraglichen Artikel des "Trost"(dass zu diesem Zeitpunkt schon unter
Vorzensur
stand) lesen:
"Man kann sich darauf
verlassen, dass die Behörden der erwähnten
Länder diese Angelegenheit gründlich untersucht haben. Und
der Befund ist: Jehovas
Zeugen treiben weder als Organisation noch als einzelne Propaganda
für
Kriegsdienstverweigerung. Sie sind keine Pazifisten-Vereinigung. Sie
anerkennen das Recht
auf Selbstverteidigung. Der einzelne Zeuge Jehovas handelt
gemäß seinem Gewissen."
"Wenn die Gesetzlosen
sprossen wie
Gras ..."
"Drama of Vengeance" Teil
4 (Drama der Vergeltung) ist der einleitende Studienartikel des
englischsprachigen
"Watchtower" vom 15. 1. 1941 überschrieben. Offenbar kursierten
davon in der
deutschen Untergrundorganisation der Zeugen Jehovas auch
hektographierte, deutsche
Übersetzungen davon. So auch in diesem Fall.
"Wenn die Gesetzlosen sprossen
wie Gras ..." leitet dieser WT unter Bezugnahme auf die Bibelstelle aus
Psalm 92: 7
ein.
"Nie, zu keiner Zeit,
sind die Nationen der Erde so völlig unter
der Herrschaft jenes Gesetzlosen gewesen wie heute. Die Gesetzlosen
wirken jetzt auf
raffiniertere Art als in den Tagen Noahs. Ohne jeden Zweifel sind
absolute Herrscher die
Werkzeuge des Widersachers, jenes äusserst Gesetzlosen." weiß diese Ausgabe
als Grundthese mitzuteilen. Und
in Kontinuität zu anderen Rutherford-Verlautbarungen, wird sofort
eine Gleichsetzung des
Nazismus mit dem Papsttum vorgenommen. Etwa wenn es heißt:
"Die
Nazi-Faschisten-Achse kennt nur ein Ziel: alles und jedes zu
vernichten, was sich ihrer Willkürherrschaft nicht unterwerfen
will. Sie hat in ihrem
bösen Vorgehen den völligen Beistand und die
Unterstützung des Vatikans, dessen
scharfsinniges Haupt den andern Verschwörern Rat und Hilfe
gewährt und mit ihnen
verkehrt. Während dieses geschrieben wird, zeigen die Zeitungen
aus Berlin in
auffallenden Ueberschriften die Erklärung des Diktators Hitler,
dass er von Gott den
Auftrag erhalten habe, England mit allen Männern, Frauen und
Kindern zu vernichten. Er
sagt nicht, von welchem Gott er diesen Bescheid erhalten hat, und
jeder, der den
allmächtigen Gott kennt, weiss, dass der Gott Hitlers "der Gott
dieser Welt",
das heisst der Widersacher, dieser alt-böse Feind ist (1. Joh.
5:19; 2. Kor. 4:4). Der
Vatikan und andere Glieder der römisch-katholischen Hierarchie
unterstützen Hitler
völlig und rühmen ihn ob der in Belgien, Holland, Frankreich
und andernorts verursachten
Zerstörung. Jetzt ist daher die Zeit, wo die Bösen wie Gras
gesprosst, wie das Kraut des
Feldes geknospet, ja alle Täter der Gesetzlosigkeit floriert
haben."
Und als
Nutzanwendung glaubt der WT
daraus ableiten zu können:
"Es scheint daher gewiss zu sein, dass Harmagedon,
jene grosse
Schlacht Gottes des Allmächtigen, nahe herbeigekommen ist."
Auch die nachfolgende WT-Ausgabe
vom 1. 2. 1941 spielt wiederum auf dem "Endzeitklavier", wenn es darin
heisst:
"Heute verüben
Religionisten zahllose Freveltaten an Jehovas
Zeugen und ihren Gefährten, aber sie könnten all dies nicht
tun, wenn nicht Jehova es
zuliesse. Gott lässt es aber nur eine Zeitlang geschehen, und
während dieser Zeit werden
Menschen guten Willens, die Gerechtigkeit lieben und Gesetzlosigkeit
hassen, den Weg, auf
dem sie entrinnen können deutlich sehen und werden vom Herrn
geführt, damit sie den Weg
zum Leben erkennen und wählen können. Es ist somit ein
grosses Vorrecht um der
Gerechtigkeit willen zu leiden. Diese Leiden werden nur kurze Zeit
dauern. Bald wird Gott
für sein treues Volk streiten. Sein Drama der Rächung steht
nun im Begriffe sich
vollständig zu erfüllen. Alle vom wahren Volke des Herrn
werden nun ruhig bleiben und
fest für die Theokratie einstehen. Befreiung ist nahe! Darauf das
Siegeslied!"
Nicht nur in Europa, selbst in den
USA hat die WTG Sorgen. Etwa wenn sie im "Watchtower" vom 15. 5. 1941
klagt:
"Als zum Beispiel im
März 1941 christliche Bürger vor dem
Ausschuss der gesetzgebenden Versammlung des Staates Connecticut (USA)
erschienen, um
Protest einzulegen gegen den Gesetzesentwurf, der vor jener Versammlung
anhängig war und
der die verfassungsmässigen Rechte der Bürger, die Wahrheit
zu predigen, aufheben
würde, falls er zum Gesetz erhoben wird, da erwiderten
Ausschussmitglieder der
gesetzgebendebn Versammlung auf diesen Protest unverfroren und heftig:
"Eure
verfassungsmässigen Rechte interessieren uns nicht."
Nochmals eine
Bestandsaufnahme
vornehmend, meint auch der "Watchtower" vom 15. 6. 1941:
"Die totalitären
Herrschermächte, zusammengesetzt aus Nazi,
Faschisten und hohen Religionsführern, stehen jetzt da, wo sie
nicht stehen sollten,
beanspruchen das Recht auf die Weltherrschaft und verlangen, dass
Jehovas Bundesvolk den
Totalherrschern huldige, sich vor ihnen niederbeuge, sich ihren Heeren
anschliesse, und
unter ihren Fahnen kämpfe, und wenn die Glieder des Bundesvolkes
dies zu tun verweigern,
werden sie eingesperrt und manche getötet. Trotz all diesem stehen
die Glieder des
Bundesvolkes Gottes fest auf der Seite der THEOKRATIE, selbst wenn sie
sehen, wie andere
Treue eingesperrt und zu Tode gebracht werden. Die herrschenden
Mächte dieser Welt, die
sich der totalitären Herrschaft widersetzten, verlangen von den
Gliedern des Bundesvolkes
Jehovas ebenfalls, dass sie sich, in Uebertretung ihres Bundes, stellen
und unter dem
Banner solcher Herrscher kämpfen, und wenn die Glieder des
Bundesvolkes Jehovas dies zu
tun ablehnen, so erleiden sie Einkerkerung oder andere strenge Strafen,
selbst den
Tod."
Estland wird sowjetisch
Circa im Jahre 1933 konnten die
Zeugen Jehovas es erreichen, in den damals noch selbstständigen
Republiken Estland und
Lettland eigene Büros einzurichten und auch von den Behörden
amtlich registriert zu
werden. Die Freude darüber sollte allerdings nicht allzu lange
vorhalten. Schon bald
machten sich die Gegner stark und konnten eine teilweise Konfiszierung
ihrer Literatur
erreichen. Wie auch anderswo, versuchten die Zeugen Jehovas, dem
juristisch Paroli zu
bieten. Aber schon im Juli 1934 kam es in Lettland zu ersten
größeren Verbotsaktionen,
dem Estland im Jahre 1935 folgte.
Immerhin gelang es Ihnen in Estland
sich doch noch - mehr schlecht als recht - einige Zeit weiter
"über Wasser zu
halten".
In der Folge des
Hitler-Stalin-Paktes, mit seiner Aufteilung der jeweiligen
Interessensphären, geriet auch
das bis dahin unabhängige Estland in den sowjetischen
Machtbereich. Man weiß, dass die
Blütezeit der Zeugen Jehovas in der Sowjetunion erst nach 1945
einsetzte. Ehemals
polnische Gebiete, aber auch die Staaten des Baltikums, unter anderem
eben auch Estland, hatten schon davor einen gewissen Bestand an
Bibelforschern, der im
Zuge der Annexionspolitik, nunmehr in die Sowjetunion integriert wurde.
Es ist nicht uninteressant mal
einen zeitgenössischen Bericht zu registrieren, der darlegt, wie
sich aus der Sicht der
damaligen Zeugen Jehovas, diese politische Zäsur darstellte. Im
"Trost" vom 1.
5. 1941 (Nr. 447 S. 16) konnte man dazu lesen:
"Im verflossenen Jahr
(September 1939/1940) wurden vom estnischen
Depot der Watch Tower Bible and Tract Society insgesamt 59 776
Bücher und Broschüren
verschickt. … Diese Versandmenge ist um 15 588 Exemplare höher als
im Jahre vorher.
… Der Hauptgrund dafür ist jedoch, dass viele Leute sehen, sie
werden sich bald
keine biblischen Hilfsmittel, ja nicht einmal mehr die Bibel selbst
verschaffen können.
Man berichtet, dass
aus den öffentlichen Bibliotheken, den Schulen und
Buchläden sämtliche religiöse Literatur eingesammelt
wird, und zwar gehört laut dieser
Meldung die Bibel zu den Büchern, die nicht mehr im Umlauf sein
sollen.
Religionsunterricht ist in den Schulplan nicht mehr mit aufgenommen,
und an der
Universität Tartu wird die theologische Fakultät aufgehoben.
Die Kirchen dürfen ihre
Art Kult bisher noch weiter betreiben, den Rundfunk aber nicht mehr
benutzen. Für
Geburten, Hochzeiten und Sterbefälle sind nur noch die
Eintragungen auf dem Standesamt
staatlich anerkannt. Früher war es strafbar, über die
Geistlichkeit die Wahrheit zu
sagen oder ihre Heuchelei bloßzustellen; nach der jetzigen
Verfassung steht es aber allen
Bürgern frei, gegen die Kirchen und gegen die Religion zu
agitieren.
Wie stellen sich unter
solchen Verhältnissen die neuen Machthaber zu
Jehovas Zeugen und ihrer Botschaft? Hierfür enthält der
Estland-Bericht, der über die
sonstigen Verhältnisse im Lande mehr andeutet, als er offen
ausspricht, das folgende
Beispiel:
'Während dieser
Bericht abgefasst wird, trifft die Nachricht ein, dass
Schullehrer ihre Stellung nicht beibehalten dürfen, wenn sie die
Literatur der
Königreichsbotschaft verbreiten, die doch eine Bloßstellung
der Religion enthält.
Begründet wird diese Maßnahme damit, dass es den
Anschauungen der kommunistischen Partei
widerspreche, wenn sich ein Lehrer auf diese Weise betätigt. Eben
jetzt ist einem unserer
Brüder, der Schullehrer ist, diese Richtlinie vom Schuldirektor
bekanntgegeben worden.
Bei einer Unterredung mit dem Schuldirektor fragte der Bruder, ob ein
Lehrer in die Kirche
gehen dürfe, und das wurde bejaht. Dann fragte er, warum er denn
Gott nicht so dienen
dürfe, wie sein Gewissen es ihm vorschreibt und da er hierauf wohl
keine Antwort erhielt,
setzte er dem Schuldirektor den Unterschied zwischen den Lehren der
Religionsausübenden
Kirchen und denen der Bibel auseinander. Er schloss damit, man lasse
ihm keine andere
Wahl, er müsse eben seine Anstellung als Lehrer aufgeben … Nach
ein bis zwei Tagen
erhielt der Bruder die Nachricht es sei einem Lehrer zur Zeit nicht
gestattet, irgend
etwas mit der Bibel zu tun zu haben, es sei denn, er bringe andern bei,
die Bibel und ihre
Lehren zu hassen.'
Mit den Kirchen kommen die sowjetischen
Totalitätsanbeter eben zur Not
noch aus, mit der Bibel aber nicht."
Kommentarserie
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