Der vorangegangene Jahrgang   1934

Vor (mehr als) 50 Jahren

Was 1935 Wahrheit war

Kontra Fleischhauer

In meiner "Geschichte der Zeugen Jehovas. Mit Schwerpunkt der deutschen Geschichte", gehe ich auch auf den Fall Jonak in seinen verschiedenen Facetten ein. Insbesondere in dem Kapitel "Anti-Bibelforscher'Koryphäen' in Aktion" ist näheres dort nachzulesen.

Der ganze Komplex fing damit an, dass in den Jahren 1934/35 es in der Schweiz zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung um das antisemitische Pamphlet "Protokolle der Weisen von Zion" kam. Dort wurden auch einige Thesen vorgetragen, die Jehovas Zeugen in besonderem Maße hochschreckten. Man weiß heute über diese Zusammenhänge mehr. 1935 konnte die Zeugenleitung noch nicht wissen, dass 1936 von dem katholischen Nazi und Antisemiten Jonak, ein Buch über sie in Hitlerdeutschland veröffentlicht wurde. 1935 konnte sie noch nicht wissen, dass die im Berner Prozess gegen sie vorgetragenen Propagandathesen, letztendlich alle aus der Feder von Jonak stammten, obwohl nicht er, sondern Fleischhauer sie in Bern vorgetragen hatte. In der in Jonak's Buch im Anhang abgedruckten Bibliographie, taucht auch ein Titel der Zeugen Jehovas auf: "Bibelforscher, Juden, Freimaurer. Antwort auf die Lügentirade im Gutachten Fleischhauers über das angebliche Weltherrschaftsprogramm der Bibelforscher-Vereinigung und ihren Zusammenhang mit Juden und Freimaurerei" (Mai 1935). In wissenschaftlichen Bibliotheken ist dieser Titel nicht nachweisbar, wie dies meine Recherchen dazu ergaben. Aber der Kontext ist offensichtlich. Dieser Text ist tatsächlich existent. Er war in den Ausgaben vom 15. 5. und 1. 6. 1935 des "Goldenen Zeitalters" abgedruckt. Es ist sehr wohl denkbar, dass die WTG ihn auch als separaten Sonderdruck verbreitet und Jonak ihn in dieser Form zitiert hat. Das interne Blatt "Bulletin" verbreitet beispielsweise in der Ausgabe Juni-Juli 1935 die Anweisung: "Es lagern von diesen beiden Ausgaben (des "Goldenen Zeitalters" Nr. 304 und 305) noch eine Anzahl Exemplare hier. Wie Ihr wißt enthalten sie den Artikel über die 'Bibelforscher, Freimaurer und Juden'. Wenn jeder Verkündiger je 4 Exemplare auf sich nimmt, also 8 Stück, so ist der Vorrat getilgt.... erwarten wir nicht erst Eure Bestellungen, sondern wir erlauben uns, für jeden Arbeiter 8 Stück einzupacken."

Zum Text ist zu sagen, dass er naturgemäß die Verteidigung der Zeugen Jehovas auf die vorangegangenen Angriffe darstellt. Es ist nicht uninteressant, sich deren Diktion anzusehen. "Der Teufel liegt auch hier im Detail". Als besonders diesbezüglichen kritisch zu hinterfragenden Punkt möchte ich die Verteidigung der WTG in Sachen Bomsdorff-Bergen nennen. Man gibt sich dort als die "Unschuld vom Lande" aus, die da plötzlich merkte, dass sie schwanger war und nicht wusste "von wem und wann". Es kann jetzt hier aus Platzgründen nicht angehen, die diesbezüglichen Gegenargumente, nochmals im Detail zu wiederholen. Das habe ich in meiner "Geschichte der Zeugen Jehovas" bereits getan und bitte die entsprechenden Hinweise dort zu entnehmen. Aber sicher steht fest, dass der fragliche Text ein besonders herausragendes historisches Dokument darstellt.

Er sei daher nachstehend in seinen wesentlichen Aussagen (unkommentiert) dokumentiert:

"Bibelforscher, Juden, Freimaurer.

Antwort auf die Lügen-Tirade im 'Gutachten' Fleischhauers über das angebliche Weltherrschafts-Programm der Bibelforscher-Vereinigung und ihren Zusammenhang mit Juden und Freimaurern.

Um die Novembertage letzten Jahres war Bern Schauplatz eines einzigartigen und höchst interessanten Prozesses.

Mittelpunkt dieses Rechtsstreites, den man beiläufig auch den 'Judenprozess' nennt, waren nicht Menschen, sondern die sogenannten 'Zionistischen Protokolle', eine antisemitische Kampfschrift. Die Leser des 'Goldenen Zeitalters' haben sicherlich den Verlauf des Prozesses, über den in allen größeren Zeitungen Europas und auch über seine Grenzen hinaus, laufend Berichte erschienen, ebenfalls verfolgt, so das es sich hier erübrigt, auf die eigentliche Bedeutung dieses Prozesses einzugehen.

Der Prozess wurde dann auf Antrag der Beklagten unterbrochen und nun am 29. April 1935 wieder fortgesetzt. Ein neuer Experte wurde zugezogen, der Deutsche Oberstleutnant a. D. Fleischhauer aus Erfurt, Inhaber des U. Bodung-Verlag und Leiter des 'Weltdienst'.

Herr Fleischhauer erklärte nun unter anderem am 30. April nachmittags anlässlich seiner weiteren Ausführungen in Verbindung mit dem von Herrn Experten Loosli in seiner Eigenschaft als Schriftsteller herausgegebenen Buch 'Die schlimmen Juden' folgendes:

'… Herr Loosli verhöhnt Ford, weil er es unterließ, die Zusammenhänge zwischen Bibelforschern und Juden nachzuweisen. Ich halte dafür, dass die Bibelforscher ein Machtinstrument des Judentums sind. Deshalb habe ich ihnen auch in meinem Werk ein Extrakapitel gewidmet. Herr Loosli hat von dieser Philosophie, die unter den christlichen Völkern ihren zersetzenden Einfluss ausübt, wohl noch wenig gehört …'

Das 'Berner Tagblatt' schreibt hierüber in Nummer 175 vom 1. Mai 1935 berichtend u. a. folgendes: '… Loosli beschimpft auch Ford, weil er in seinem Buche die Sekte der Ernsten Bibelforscher als Judendgründung bezeichnet.'

Wahr ist hier, dass Ford seine Anschuldigung in dieser Frage später in seinem Blatt 'Dearbon Independent' zurückgenommen hat. Fleischhauer und andere bleiben bei diesen absurden Behauptungen, ohne jemals den Beweis dafür erbracht zu haben. Weil nun Herr Fleischhauer in seinen Erklärungen und in seinem 'Gutachten', auf das er Bezug nimmt, die Lehren und die Tätigkeit der Zeugen Jehovas (früher Bibelforscher genannt) auf eine solch unerhörte Art missdeutet, möchten wir hier weiteste Kreise über die volle Wahrheit dieser Angelegenheit unterrichten. Unter vielem anderem schreibt Fleischhauer:

'In weiten Kreisen ist es ganz unbekannt, dass es eine Organisation gibt, die sich die Errichtung der Weltherrschaft Israels offen zum Ziele gesetzt hat. Es ist die Internationale Vereinigung Ernster Bibelforscher, die ihren Sitz in Brooklyn hat und bereits in allen Ländern der Erde Propaganda-Filialen unterhält. Während die Protokolle der Weisen von Zion das staatspolitische Programm aufstellen, verfolgen die Bibelforscher das gleiche Ziel im Wege eines religiöspolitischen Programms…'

'… Wie bei allen Unternehmungen, die wie die Freimaurerei, der Kommunismus oder der Bolschewismus im Dienste Judas zur Förderung seiner politischen Bestrebungen stehen, ist auch den Ernsten Bibelforschern das Kampfmittel die Revolutionierung der breiten Masse, im besonderen aber die Untergrabung der christlichen Religion, sowohl des katholischen als auch des protestantischen Glaubensbekenntnisses.

Zur Charakterisierung dieses geheimen Bundesgenossen Israels zitiere ich aus den Schriften, die die Bibelforscher unter das Volk werfen, folgende Stellen …'

(Des Platzmangels wegen führen wir nur die Namen der Schriften an. - Die Unterzeichneten).

'Schriftstudien' Band 7, 'Rechtfertigung' I, 'Licht' I und II. Die Broschüre 'Das Königreich, die Hoffnung der Welt'.

'Es ist selbstverständlich, dass die Führer der Ernsten Bibelforscher für ihre Person an diesem Zauber nicht glauben, aber zur Betörung der Menschen ist er ein ganz prächtiges Mittel; Hunderttausende, ja Millionen glauben bereits daran, wird ihnen doch zudem eingeredet, dass diese Ereignisse noch während der gegenwärtigen Generation eintreten und dass alle, die dieses sogenannte wahre Christentum in sich aufnehmen werden, nicht mehr sterben werden…'

'… Die sichtbaren Vertreter des Königreiches auf Erden werden die zum ewigen Leben wieder erweckten jüdischen Patriarchen sein; natürlich wird dass den irrezuführenden Massen bloß vorgemacht, einerseits um sich auf die biblischen Weissagungen berufen zu können, andererseits um der Sache einen mystisch-religiösen Schein zu verleihen. Da sich die Patriarchen im entscheidenden Moment nicht aufwecken lassen werden, werden die Bibelforscher, wie so oft schon, eine Ausrede erfinden, und an Stelle der Patriarchen lebende Juden berufen; und dies ist ja der Zweck der Übung. …'

'… Auch alle nationalen Unterschiede hören auf, bloß die israelitische Nation bleibt bestehen. … Alle Nichtjuden werden im Wege der Beschneidung in Israeliten verwandelt…'

'… Wie sehr das Judentum an dieser scheinreligiösen, in Wirklichkeit aber rein politischen Bewegung interessiert ist, beweist das im Jahre 1927 erschienene 'Jüdische Lexikon', in welchem der Rabbiner Bruno Kirschner den Bibelforschern einen Artikel widmet. Er erklärt, dass die Vereinigung der Ernsten Bibelforscher ein Bund zur Verinnerlichung des Christentums durch Zurückgehen auf den Inhalt und Sinn der Bibel ist …'

'… Damit erklärt ein jüdischer Rabbiner in einem offiziellen jüdischen Werk, dass die Lehre der Ernsten Bibelforscher, dass Christentum verinnerliche und das sie dem Sinne der Bibel entspreche. Eine Irrlehre, die das Christentum eine Satansorganisation nennt, die die Vernichtung aller christlichen Kirchensysteme auf ihr Panier geschrieben hat und die Errichtung des jüdischen Weltreiches den Völkern als das einzige Heil vorfaselt, dass nennt der Rabbiner ein verinnerlichtes Christentum und den Sinn der Bibel …'

'… Das jüdische Lexikon ist daher ein Kronzeuge für die Tatsache, dass die Bibelforscher und Juden Bundesgenossen im Kampfe um die Errichtung der jüdischen Weltherrschaft sind.'

'Damit ist auch erwiesen, dass die Protokolle der Weisen von Zion kein mit dem jüdischen Denken im Widerspruch stehendes Werk sind. Sie verfolgen die gleichen Ziele wie die vom Judentum begünstigte Lehre der Bibelforscher …'

'… Es ist ein tragischer Widerspruch, ein Beweis für die Ahnungslosigkeit der christlichen Völker, ihrer Regierungen und Behörden, dass die Zersetzung, von Christenhaß überquellenden Schriften dieser judenfreundlichen Organisation verbreitet werden dürfen, während eben dieses Judentum die Protokolle der Weisen von Zion als eine staatsgefährliche Schrift hinzustellen sich erlauben darf.'

'Auch an der Hand der Bibelforscher-Schriften ergibt sich der Nachweis, dass die Protokolle keine Fälschung, dass sie keine den Juden untergeordnete Kampfschrift sind, sondern das sie aus der gleichen Gedankenwelt geboren wurden, die die Bibelforscher beseelt.'

Nun unsere Antwort:

… Die angeführten verleumderischen Behauptungen sind bereits vor vielen Jahren erhoben und auch damals schon widerlegt worden. …

Aber weil die Zeit gekommen ist, dass Gottes Wort der Wahrheit und sein Name Jehova, gerechtfertigt werden sollen, finden wir es angebracht und notwendig, uns als Zeugen Jehovas und Bibelforscher zu verteidigen, und daher wollen wir jetzt auf sechs der hauptsächlichsten Anklagen eingehen.

1. Fleischhauer behauptet fälschlich und ohne den Beweis zu erbringen, dass die Bibelforscher sich die Weltherrschaft Israels zum Ziel gesetzt hätten.

2. Dass sie nur äußerlich Christen seien.

3. Dass sie die Revolutionierung der breiten Massen und die Untergrabung der christlichen Religionen bezwecken.

4. Dass die Führer der Bibelforscher 'selbst nicht an den Zauber glauben', dass sie an Stelle der Patriarchen als Vertreter der Regierung Christi lebende Juden berufen würden, und dass die Bibelforscher Jesus Christus als Spitze der neuen Regierung ausersehen hätten, während Herzl eine aristokratische Republik vorgeschlagen hat.

5. Die Bibelforscher-Lehre sei, dass alle nationalen Unterschiede aufhören würden, dass alle Nicht-Juden auf dem Wege der Beschneidung zu Juden gemacht werden sollen und das mit dem geistigen Israel die Staatsbürger des neuen Weltreiches gemeint seien.

6. Als Hauptbeweis über die geheime Verbindung zwischen Bibelforschern und dem internationalen Judentum und Freimaurertum wird immer wieder ein Brief vom 27. Dezember 1922 erwähnt und die überaus 'wichtige' Tatsache, dass ein jüdisches Lexikon die Bibelforscher-Lehre mit anführt und geschrieben hat, die Bibelforscher-Lehre sei eine Verinnerlichung des Christentums und entspreche dem Sinn der Bibel.

Ferner berufen wir uns besonders auf unser Jahrbuch 1934. Auf Seite 91/92 steht dort zu lesen: 'Es ist von unseren Feinden fälschlich behauptet worden, dass wir in unserer Tätigkeit von den Juden finanziell unterstützt werden. Dies ist absolut unwahr, denn bis zur gegenwärtigen Stunde ist auch nicht das geringste an Beiträgen oder finanzieller Unterstützung für unser Werk von Juden geleistet worden. Wir sind treue Nachfolger Jesu Christi; und glauben an ihn als den Heiland der Welt. Die Juden dagegen verwerfen Jesus Christus völlig und leugnen absolut, dass er der Welt-Heiland ist, der von Gott zum Nutzen des Menschen gesandt wurde. Schon allein diese Tatsache sollte genügender Beweis dafür sein, dass wir von den Juden nicht unterstützt wurden, und das die Anschuldigungen gegen uns in böser Absicht vorgebracht werden und falsch sind und nur von Satan, unserem großen Feinde, herrühren können.

Zu Punkt 1. Es ist nicht wahr, dass die Bibelforscher die Weltherrschaft Israels aufrichten wollen. Wahr dagegen ist, dass die Bibelforscher oder Zeugen Jehovas, völlig davon überzeugt sind, dass der große Schöpfer des Himmels und der Erde, der in der Bibel auch Jehova genannt wird, durch Jesus Christus, sein Königreich aufrichten wird, worum alle wahren Christen im 'Vater-Unser' seit Jahrhunderten gebetet haben: 'Dein Reich komme'. Dieses ist Gottes Königreich und ist völlig unabhängig vom Judentum, Katholizismus oder Protestantismus. Diese Belehrungen der Schrift haben nichts mit dem heutigen Judentum zu tun. Dies alles aber kann Fleischhauer nicht verstehen, weil er selbst nicht daran glaubt, dass die Bibel Gottes Wort der Wahrheit ist. Er ist daher auch gar nicht befugt, über biblische Lehren ein 'Gutachten' abzugeben. Seine Darlegungen beweisen eine kolossale Unwissenheit bezüglich der biblischen Lehre über die Aufrichtung des Reiches Gottes auf Erden, woran alle wahren Christen von jeher geglaubt haben. Hierüber lese man z. B. die Schriften des Pfarrers Reinhardt, des Pfarrers Kutter und Pestalozzi. Pfarrer Reinhardt in 'Reichs-Gottes-Hoffnung':

Diejenigen, welche den Chiliasmus (Reichsgotteshoffnung) vom Leuchter stießen, haben ein anderes Evangelium gepredigt als das Christi und seiner Apostel. Sie haben dadurch den lange Zeit verborgenen, in unsern Tagen aber immer offener an den Tag tretenden Abfall vom Christentum verschuldet. Das klar ersehnte und richtig verstandene oder das unklar erträumte und verkehrt gesuchte auf Erden kommende Königreich Christi, des wahren Friedefürsten ist das unzweifelhafte Ziel, welchem wir entgegengehen, und die gute Botschaft von demselben das dringendste Bedürfnis unserer Zeit.

Pfarrer Kutter in 'Gerechtigkeit': Das Christentum - seinetwegen kann die Welt noch lange ewig elend sein! Es verhindert keine Greuel, es webt um die Waffen seiner Bekenner den Glorienschein seiner Heiligenbilder oder seiner Bibelworte. Es begleitet die zum morden, sengen und brennen ausziehenden Heere christlicher Fürsten mit dem Segen seiner offiziellen Vertreter. Es hilft mit, die Armen ausbeuten und die Elenden in den Abgrund stoßen! … Aber unterdessen bleibt der Allmächtige nicht untätig. Ob die Menschen wollen oder nicht, er schreitet vorwärts. Mit unerschütterlicher Gerechtigkeit ist er bis zum heutigen Tage durch die faulen Gebilde bequemer Menschenkultur hindurch geschritten, was im Lauf der Zeiten seine Diener und Propheten geweissagt! - Nie ist es etwas anderes gewesen, als der immer deutlicher werdende Posaunenton seines herankommenden Reiches. … Der lebendige Gott kommt. Die Christenheit hat es nie geglaubt und heute zerbricht sie an diesem Kommen, weil sie Gottes vergessen hat.

Pestalozzi: Die Welt wird nicht christlich regiert. Die Regierungen als solche sind nicht christlich und der Staat als Staat handelt in seinen wesentlichen Einrichtungen wieder das Christentum.

… Zu Punkt 3. Die Bibelforscherbewegung besteht seit dem Jahre 1884 und hat Zweigniederlassungen in allen Ländern der Erde, ausgenommen Russland. Jesus Christus, unser Meister, verbietet uns das Kämpfen mit fleischlichen Waffen und die Ausübung irgendwelcher Gewalt. Gerade dort, wo die Gewalt vorherrscht, sei es im roten Russland oder im braunen Deutschland, ist die Tätigkeit der Bibelforscher von der maßgebenden Behörde seit 33 verboten. In allen andern Ländern darf die Tätigkeit ausgeübt werden … Als Beweis dafür, dafür, dass die Bibelforscher sich an keinem politischen Kampf beteiligen und sich keiner fleischlichen Waffen bedienen, zitieren wir aus Richter Rutherfords 'Schlusskampf' Seite 48:

'Die einzige Pflicht, die nun denen auferlegt ist, die auf der Erde sind, und einen Teil der Organisation bilden, besteht darin, Zeugen für den Namen und das Wort Jehovas zu sein und seine Lobpreisungen zu besingen. Diese haben keinen Teil an dem eigentlichen Kampfe und werden sich hierbei nicht beteiligen. Sie müssen jedoch ungeachtet aller Anfeindungen in ihrem Werke als Gottes Zeugen vorangehen, und das tun sie auch in vollem Vertrauen auf den Schutz des Herrn. Allerdings wird in den Schriften gesagt, dass Gott, der Höchste, alle Feinde des wahren Christentums und der wahren Religion bestrafen und vernichten wird in der großen Schlacht von Harmagedon. Aber es wird immer wieder betont, dass die Bibelforscher mit der Vernichtung der Feinde Gottes und seiner Wahrheit nichts zu tun haben, sondern das Gott selbst dies besorgen wird durch seine unsichtbare Macht.'

Rutherford sagt in seinem Werke 'Befreiung' Seite 269: 'Die Christen werden in dieser großen Schlacht nicht kämpfen. Sie kämpfen nicht, weil Jehova gesagt hat: 'Denn nicht euer ist der Streit, sondern Gottes.'

Weiter sagt die Bibel in Psalm 145 Vers 20: 'Jehova bewahrt alle, die ihn lieben und alle Gesetzlosen vertilgt er.' Jeremia 25:31. 'Die Gesetzlosen gibt er dem Schwerte hin.' Psalm 64:7: 'Aber Gott schießt auf sie - plötzlich kommt ein Pfeil; ihre Wunden sind da.'

Die Schriften der Bibelforscher oder Zeugen Jehovas haben in keinem Lande eine Revolution verursacht, sondern gerade das Gegenteil bewirkt, indem die Menschen ersucht werden, ihre Lasten geduldig zu tragen und auf Gottes Hilfe zu hoffen. Gerade aus diesem Grunde werden die Bibelforscher von den Sozialisten und Kommunisten abgelehnt. Übrigens wird in unsern Schriften selbst hervorgehoben, dass keine radikale Regierung jemals Erfolg haben wird, die Welt zu beherrschen und die gegenwärtigen Regierungen zu stürzen. (Siehe 'Regierung' Seite 13; 'Rüstung' Seite 313). Ferner zitieren wir aus 'Schlusskampf' Seite 11:

'Diese Wahrheiten werden nicht etwa zu dem Zweck veröffentlicht, Menschen zu bekämpfen, sondern ihre Veröffentlichung erfolgt, damit die Regenten und die Regierten jetzt erfahren sollen, dass Satan die sogenannte 'Christenheit' überwältigt und die ganze Welt unter seinen Einfluss bekommen hat … Wenn die Menschen alle Vorurteile zur Seite legen und die Wahrheit in unvoreingenommener Weise suchen, werden sie erkennen, dass Satan ihr großer Feind ist. Dann werden die Menschen aufhören, sich gegenseitig zu bekämpfen und werden sich ihres wahren Freunde, Christus Jesus, dem rechtmäßigen Herrscher der Welt und dem großen Gott, dem Geber jeder guten und vollkommenen Gabe zuwenden.'

Zu Punkt 4 … Richter Rutherford ist weder Jude noch Freimaurer und es befinden sich unter den Bibelforschern insbesondere unter den bevollmächtigten Vertretern der Bibelforschervereinigung keine Personen jüdischer Abstammung oder Juden. Die Bibelforscher haben keinerlei Beziehung zu lebenden Juden und können daher auch keine zu Fürsten der Erde berufen. Alle Bibelforscher halten sich fern von jeglicher Politik und haben zu keiner Zeit irgendwelche Beziehungen zu den heutigen Juden gehabt. Herzls Plan über einen jüdischen Staat, die Zionistische Bewegung und die Juden überhaupt, haben keine Beziehungen und keine Verbindungen mit der Bibelforscherbewegung.

Zu Punkt 5 … Auch in diesem Punkt zeigt Fleischhauer, dass er die Sache ganz und gar nicht verstanden hat und das er fantastische Dinge beweisen will, die nicht in den Schriften der Bibelforscher gelehrt werden und die er sich selber zurechtkonstruiert hat, indem er kurze Sätze aus dem Zusammenhang herausreißt und diesen Sätzen eine falsche Bedeutung unterschiebt. Seine Behauptungen, die Bibelforscher glaubten, dass alle Nichtjuden auf dem Wege der Beschneidung zu Juden gemacht werden sollen, ist zu lächerlich, um sie überhaupt ernst zu nehmen. Wohl wird in den Schriften behauptet, dass die Unvollkommenheiten im Königreiche Gottes aufhören werden, und dass auch die nationalen Gegensätze, die in der Vergangenheit zu Krieg und Hass Anlass gaben, ebenfalls verschwinden werden. Es wird aber nirgends behauptet, dass alle Menschen gezwungen werden sollen, Juden zu werden. Im Gegenteil wird immer wieder hervorgehoben, dass die Juden endgültig als Nation von Gott verworfen worden sind, sie keinen Vorzug haben werden vor anderen Nationen, dass kein Fleisch Gelegenheit haben wird, sich vor Gott zu rühmen. Ebenso wenig wird der Satz, 'am deutschen Wesen soll die ganze Welt genesen' Gültigkeit haben. Vor Gott besteht kein Unterschied der Person und kein Unterschied der Nation, denn die Schrift lehrt, dass Gott alle Menschen aus einem Blute erschaffen hat und damit ist nicht der Gott der Juden, sondern der Allmächtige gemeint, der Gott aller Nationen, ohne Rücksicht auf Rasse, Nation oder Sprache (Apostelgeschichte 17:26; Psalm 33:12).

Den Kommentar zu diesem beschließend, zitieren wir nochmals aus Rutherfords 'Schlusskampf' Seiten 9 und 10.

'Die Israeliten waren Gottes auserwähltes Volk und stellten im prophetischen Schattenbilde das 'organisierte Christentum' dar. Gott verwarf die Israeliten, weil sie sich zu einem Bestandsteil der Satansorganisation gemacht hatten. Das 'organisierte Christentum' ist das genaue Gegenstück des treulosen Israel, und Gott hat über diese 'Christenheit' in Jeremia 2:23 schreiben lassen: Kannst du sagen, ich bin nicht verunreinigt, ich bin dem Teufel nicht nachgegangen?' … Satans einziges großes Endziel ist darauf gerichtet gewesen, die Menschen von Jehova, dem wahren Gott, abzuwenden. Was hätte seinem Zweck besser dienen können als eine Religion, die sich nach dem Namen des Herrn benennt und gleichzeitig Lehrer und Prediger stellt, die allen Glauben an Gott und an die Bibel zerstören; indem sie Lehren, wie die Entwicklungslehre predigen? Gleich wie die Führer der Juden sich nach dem Namen Gottes benannten, aber dabei, wie Jesus es ihnen gerade heraussagte, große Heuchler waren, so nennen sich auch die Religionsführer des 'organisierten Christentums' nach dem Namen Christi, und das tun sie heuchlerischerweise; denn sie verleugnen Gott und Christus und sie leugnen auch die Bibel als die Wahrheit. Das 'organisierte Christentum' ist also zu Satan abgefallen und wird mit Recht als Babylon bezeichnet, weil es ein Bestandteil der gottlosen Organisation ist.

Zu Punkt 6. Der unrühmlichst bekannte und in allen Schmutz- und Schmähschriften gegen die Bibelforscher immer wieder zitierte sogenannte Freimaurerbrief aus dem Jahre 1922, wird auch von Fleischhauer hervorgeholt, um seine Behauptung um die geheime Verbindung zwischen Bibelforschern und dem internationalem Judentum und den Freimaurern nachzuweisen. Anlässlich einer Gerichtsverhandlung eines schweizerischen Gerichtes in Zürich wurde jedoch dieser Freimaurerbrief als 'plumper Schwindel' bezeichnet. Er wurde als Beweismaterial abgelehnt und später war dieser Brief unauffindbar, weil die Gegenpartei, die damals den Beweis, dass zwischen Bibelforschern und Juden Verbindungen bestünden, erbringen wollte, diesen 'wichtigen' Brief verschwinden ließ. Hier kurz die Geschichte des Briefes.

Am 18. Mai 1923 erfolgte im Auszuge und ohne Namensnennung die Publikation dieses Briefes im katholischen 'Morgen' in Olten. Als die damalige Leitung der Bibelforscher gegen diese irreführende Veröffentlichung Protest einlegte, erschien am 16. Juni 1923 eine weitere Publikation des sogenannten Christian Kreuz, alias Bomsdorff-Bergen im 'Morgen', in welcher ausdrücklich erklärt wurde, dass die Vereinigung der Bibelforscher die Richtigkeit des erschienenen Artikels bestreite, sowie auch die Richtigkeit des angeblichen Bibelforscher- oder Freimaurerbriefes und erkläre, mit der Freimaurerei nichts zu tun habe. Gleichzeitig erfolgte eine Ehrverletzungsklage-Androhung der Bibelforscherleitung durch den beauftragten Zürcher Rechtsanwalt Dr. Halblützel.

Dieser Protest und Klageandrohung Dr. Halblützels wurde von Christian Kreuz im 'Morgen' vom 3. Oktober 1923 publiziert. Bezeichnenderweise erfolgte eine weitere Publikation des erwähnten Briefes durch Christian Kreuz oder Bomsdorff-Bergen in Form einer Broschüre, betitelt 'Weltbetrug durch Zeichen, Wort und Griff an der Freimaurerei' im Dezember 1923. Auf Seite 142 und 143 dieses Elaborates wurde dieser Brief abgedruckt. Da Herr Bomsdorff-Bergen nicht den Mut hatte, unter seinem wahren Namen hervorzutreten, verbarg er sich hinter dem Pseudonym eines Christian Kreuz als Verfasser.

Gegen dieses erneute Vorgehen klagte nun die Bibelforscher-Vereinigung durch Rechtsanwalt Dr. Liebermann in Zürich den verantwortlichen Verleger, L. Keller-Zoller in Zürich ein. Im Verlauf des Prozesses gab der Verleger den Namen des Autors bekannt. Da derselbe jedoch ein Deutscher ist und von den schweizerischen Gerichten nicht zur Rechenschaft gezogen werden konnte, musste es mit der Klage gegen den Verlag sein bewenden haben.

In der Folge des Prozesses wurde nun der Verleger, L. Keller-Zoller in die Enge getrieben, als er den Beweis der Richtigkeit für seine Veröffentlichung bringen sollte.

Der (Zeitungs- und Buchverlag) Verlag Otto Walter A. G. In Olten sollte den strittigen Brief herausgeben zur Einsicht des Gerichts. Dieser aber verbarg sich nun hinter allerhand Ausflüchten und ließ den Verlag L. Keller-Zoller in dem Bemühen, eine Beweisführung zu schaffen im Stich. Auf diese Weise wurde der beklagte Verleger L. Keller-Zoller gezwungen, einen Vergleich einzugehen vor Bezirksgericht Zürich, Pr. No. 625/1924 vom 4. Juni 1924, welcher wie folgt lautet:

'1. In der heutigen Verhandlung vor dem Untersuchungsrichter widerruft der Verlag L. Keller-Zoller die Veröffentlichung über die Internationale Bibelforscher-Vereinigung auf Seite 141/144 in der Broschüre 'Ein Weltbetrug durch Zeichen, Wort und Griff an der Werkmaurerei und erklärt, gegen die gerichtliche Beschlagnahme dieser Broschüre, des Leitsatzes oder Druckplatten nichts einwenden zu können.

2. Dieser Widerruf und die Erklärung erfolgt mit der Begründung, weil Otto Walter, Direktor des gleichnamigen Verlages und des katholischen Zeitungsunternehmens 'Der Morgen' in Olten das Original des auf Seite 142/43 der genannten Broschüre publizierten sogenannten Bibelforscher-oder Freimaurerbriefes unterschlug und nachher als unauffindbar verlegt angegeben hat, wodurch dem Verlag die Möglichkeit genommen ist, den im vorliegenden Prozess erforderlichen Beweis antreten zu können.

3. Der Verlag verpflichtet sich, die eingeklagten Äußerungen nicht in gleicher oder ähnlicher Form wieder zu veröffentlichen.

Namens des Bezirksgerichtes Zürich 3. Abteilung. Der Substitut. Dr. W. Frey'

Diese Tatsachen mögen genügen, um zu beweisen, welches Material und welche Quellen der Lüge und Verleumdung Fleischhauer genügt haben, sein Gutachten zu verfassen und die schmutzige Lügenkette böswilliger Behauptungen zu krönen.

Schließlich soll noch das jüdische Lexikon den Beweis erbringen, dass die Bibelforscher von den Juden begünstigt werden. Ein Lexikon muss notwendigerweise viele Dinge erwähnen und weil nun im Lexikon auch etwas über die Bibelforscher gesagt wird, ist der Beweis erbracht, dass die Juden die Bibelforscher unterstützen. Diese Fleischhauersche Logik könnte man auch so darstellen. Ein Protestant kauft bei Loeb ein Taschentuch und dabei ist der Beweis erbracht, dass der Protestantismus der internationale Judentum unterstützt.

Zusammenfassend erklären wir vor Gott und allen aufrichtigen Menschen, dass Fleischhauers Behauptungen falsch sind, dass keine Beziehungen zwischen Judentum, Freimaurerei und Bibelforschervereinigung bestehen, dass die Schriften der Bibelforscher nicht verderblich und christenfeindlich sind und das die Zeugen Jehovas keine jüdische Weltherrschaft befürworten, sondern das die Bibelforscher, oder wie sie jetzt heißen, Jehovas Zeugen, an Jehova, den allerhöchsten Gott, an seinen Sohn Jesus Christus und an die Bibel, als Gottes Wort der Wahrheit glauben und dass sie eifrig bestrebt sind, die trostbringende Botschaft über Gottes Königreich auf der ganzen Erde zum Nutzen aller gutgesinnten Menschen zu verkündigen und dass die Bibelforscher bei dieser ihrer selbstlosen Tätigkeit sowohl von katholischen, protestantischen und auch jüdischen Geistlichen bekämpft und befeindet worden sind.

Richter Rutherford behauptet in seinen Schriften, dass die jüdische, protestantische und katholische Geistlichkeit gemeinsame Sache gemacht haben und der Völkerbund als Ersatz für Gottes Königreich befürworten, und das dieser Völkerbund ein Greuel in Gottes Augen ist, und damit der Beweis erbracht ist, dass sowohl das organisierte Christentum, als auch das organische Judentum, sich von dem wahren Gott Jehova abgewandt haben und das einzige Rettungsmittel, nämlich, Jehovas Königreich, verwerfen. Wir zitieren Rutherford wörtlich aus 'Der gerechte Herrscher' Seite 48:

'Die Tatsachen zeigen, dass die Geistlichkeit, sowohl die katholische und protestantische, als auch die jüdische, den Völkerbund, der ein Machwerk des Teufels ist unterstützen und ihm dienen, Gegner des Königreiches Christi sind und sich dagegen verschworen haben. …

Bibelforscher haben keinen Streit mit Menschen und nehmen auch gar keine Partei in diesem Prozess, sondern sie wünschen lediglich, dass Gott und sein Wort der Wahrheit im rechten Lichte erscheinen möchte zur Rechtfertigung seines Namens und zum Nutzen aller gutgesinnten Menschen.'

Obige Darlegungen werden von den Unterzeichneten als wahrheitsgetreu bezeugt.

Der Direktor der Watch Tower Bible & Tract Society Zentraleuropas: M. C. Harbeck.

Der Sekretär: F. Zürcher."

Siehe auch: Freymond

Die Frauen waren Zeugen Jehovas

Das kennt man ja zur Genüge. Es gibt Fälle, wo Ehepartner sich außerstande sehen, sich auch den Zeugen Jehovas anzuschließen. Man hat also den gar nicht so seltenen Fall, dass ein Ehepartner ihnen angehört, der andere nicht. Auch erweisen sich solche Situationen als gewichtige Prüfungen für den weiteren Bestand einer Ehe. Es sind durchaus sehr unterschiedliche Konstellationen diesbezüglich zu registrieren. Normalerweise handelt es sich dabei um die private Angelegenheit der Betreffenden. Misslich, wenn solche Sachlagen dann noch in die Öffentlichkeit hineingezogen werden. Eine solche Situation bestand im Jahre 1935.

Damals gab es in dem formal noch unabhängigen Stadtstaat Danzig einen erklärten Kommunisten namens Wegner, Bildhauer von Beruf. In groß aufgemachten Presseschlagzeilen wurde in die Welt hinaus posaunt, dass er gleichzeitig das Haupt der Danziger Bibelforscher/Zeugen Jehovas sei. Diese Behauptung wurde auch von der damals noch in Hitlerdeutschland erscheinenden Zeitung "Germania" (Ausgabe vom 28. 5. 1935) mit übernommen.

Verhältnismäßig umfänglich, wenn auch tendenziös, berichtete das Blatt "Danziger Neueste Nachrichten" (Ausgabe vom 27. 5. 1935) über den Fall. Danach fand man in den Kellerräumen eine nahezu komplette Druckeinrichtung. Entscheidend ist jedoch, was auf dieser gedruckt werden sollte - eindeutig kommunistisches Schrifttum.

Jedoch auch WTG-Schriftturm. Namentlich wird das Rutherford-Buch "Regierung" genannt, und es wird auch nicht versäumt dieses dann noch durch die Angabe zu "würzen" jenes Buch habe "sich beispielsweise mit dem politischen System in Deutschland auseinandergesetzt und den Führer scharf angegriffen."

Am 28. 5. 1935 gab es dann noch eine Fortsetzung des Berichtes im gleichen Blatt. Nunmehr ist von umfänglichen Verhaftungen in der Folge, die Rede.

Sieht man sich die weiter dabei genannten Details an, verdichtet sich der Eindruck eines überwiegend gegen Kommunisten geführten Schlages. Etwa wenn man liest:

"Am 4. Mai erregte der Arbeiter Heinrich Pokriefke, der Schlüsseldamm wohnt, in einer Gastwirtschaft dadurch berechtigtes Aufsehen, daß er in der Trunkenheit politische Reden hielt und sich rühmte, wichtige Funktionen in der KPD zu erfüllen. Er erwarte heute abend umfangreiches Material, das er weiterreichen werde. Die politische Polizei wurde benachrichtigt und Pokrieffke beobachtet, doch kam es am Abend des 4. Mai nicht zur Aushändigung des erwähnten illegalen Druckmaterials. Aber am nächsten Tage wurde bereits illegales Material diesem Kurier der Kommunisten und der „Ernsten Bibelforscher“ zugestellt."

Meines Erachtens ist bei dieser Aussage aber die Detailangabe: "und der „Ernsten Bibelforscher“ zugestellt." nicht belegt.

Weiter geht es im Bericht mit der Detailangabe:

"Bei den festgenommenen Personen, die bereits dem Richter vorgeführt sind und gegen die Haftbefehl erlassen ist, handelt es sich größtenteils um langjährige Kommunisten, die bereits in politischer Hinsicht ein Sündenregister haben.

Die Organisation war so vorgenommen, wie man es aus früheren politischen Prozessen, in denen die KPD eine Rolle spielte, erfahren hat.

Die Stadt Danzig wurde in Arbeitsgebiete eingeteilt und jedem Mitglied ein bestimmtes Arbeitsgebiet zur Bearbeitung zugewiesen.

Verhaftet sind. Der frühere kommunistische Volkstagsabgeordnete Paul Seratzki, Lauental, Löwenweg 1;

Der polnische Staatsangehörige Isaac Waldmann, Schichaugasse 23a;

Kurt Brüski, Karpfeneigen 8;

Ehefrau Hildegard Groll, Jakobsneugasse 8,

Albert Splitter, Schidlitz, Neue Sorge 18;

Czykowski, Große Gasse 20,

Wladislaus Droblowelski, Lauental,

Bernhard Bemowski, Schidlitz,

Otto Rückwardt aus Pasework,

Gustav Goldmann, Schild 15,

Heinrich Pokriefke, Schüsseldamm,

Paul Zöllikau, Schellmühl, Broschkischer Weg,

Oskar Troll, Jakobswall 23,

Ernst Bartsch, Kl. Rammbau 7a.

Bei diesen Personen handelt es sich um Kommunisten, deren Namen bereits öfters in die Zeitung gekommen sind.

So ist Otto Rückwardt aus Pasework bekannt durch seine Teilnahme an dem Hungermarsch vor mehreren Jahren, der ihm eine lange Freiheitsstrafe eingetragen hat, da es damals zu schweren Ausschreitungen und Mißhandlungen von Landjägern gekommen ist."

Auch diese Details belegen die eindeutig kommunistische Ausrichtung des ganzen Vorganges. Der gleichzeitigen Auffindung von WTG-Schrifttum, wird dabei ein überbetonter Stellenwert zugewiesen, für den die Sachlage keine ausreichende Grundlage liefert.

Eine solche Behauptung machte sich für die propagandistischen Interessen des damaligen Regimes gut und wurde begierig auch von den Nazigazetten übernommen. Nicht übernommen hingegen wurde die Aufklärung in dieser Sache. Es stellte sich heraus dass lediglich die Frau und Tochter dieses Bildhauers den Zeugen Jehovas angehörten, nicht jedoch Wegener selbst. Darauf machte das "Goldene Zeitalter" in seiner Ausgabe vom 15. 8. 1935 aufmerksam.

Der Fall diente zugleich als Verbotsvorwand in Danzig, gegen die Zeugen Jehovas. Als bisher ungeklärt muss in diesem Zusammenhang wohl die Behauptung der ohne Frage nazistisch orientierten Zeitung "Danziger Vorposten" vom 9. 6. 1935 angesehen werden, Besagter Wegner habe zusammen mit seiner Frau und Tochter, die Zeugen Jehovas-Versammlungen regelmässig besucht. Desweiteren bleibt bei der Frage, wieso er sich denn 95 Exemplare des 1935er Zeugen Jehovas Jahrbuch ins Haus nahm, ein Fragezeichen zurück. Besagte Jahrbücher gehören nicht zu dem Schrifttum, das gezielt auch der Öffentlichkeit angeboten wird. Frauen pflegen in den Zeugen-Versammlungen zudem keine relevanten Funktionärsposten wahrzunehmen. Wieso dann diese 95 Jahrbücher?

In der Folge Verbot der Zeugen Jehovas auch in Danzig.

Am 17. 7. 1935 meldete ´dann der "Danziger Vorposten"

"Wie uns bekannt wird, soll der bisherige Vorsitzende der Danziger Gruppe der „Internationalen Vereinigung ernster Bibelforscher“, Kaufmann Ewald Niehuß, Zopot, Wilhelmstr. 16, aus dem Danziger Freistaatgebiet ausgewiesen werden. Niehuß, der die reichsdeutsche Staatsangehörigkeit besitzt, ist heute vom Danziger Polizeipräsidenten aufgefordert worden, innerhalb 14 Tagen Danzig zu verlassen. Mit dem Verbot der Danziger Bibelforscher, das vor einigen Tagen durch den Polizeipräsidenten erfolgte, hat sich der Vorstand sowie einige Mitglieder dieser Vereinigung nicht zufrieden gegeben. Im Interesse der Danziger Staatssicherheit und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung war es unbedingt notwendig, Niehuß aus dem Freistaatsgebiet auszuweisen."

Siehe auch

Parsimony.20827

"Obskure Persönlichkeit"

Einen Niederschlag dieser Sachlage findet man auch in der Nazi-Zeitung "Deutsche Allgemeine Zeitung" (11. 7. 1935). Dieser Artikel ist auch insofern beachtlich, als er in der Substanz auf einen Journalistenbericht aus den USA Bezug nimmt. Also nicht nur im "eigenen Saft" des Naziregimes schmorte. Er enthält auch Fehlinterpretationen. Das kann aber kein Hinderungsgrund sein, um ihn als zeitgenössisches Dokument nicht zur Kenntnis zu nehmen. Übrigens, hielt die Zeitschrift der Apologetischen Centrale ihn gleichfalls für so bedeutsam, um in zeitgenössisch nachzudrucken (Man vergleiche "Wort und Tat" 1935 S. 244). Man konnte in ihm lesen:

"Alle Druckschriften des Amerikaners J. F. Rutherford sind für Deutschland bis auf weiteres verboten worden. Bekanntlich wurde von der politischen Polizei in Danzig vor kurzem der Kommunist Rudolf Wegener verhaftet, der die Organisation der sogenannten 'Internationalen Bibelforschervereinigung' leitete. In seinem Besitz befanden sich zahlreiche Schriften Rutherfords. Über die Rolle Rutherfords, der sich wahrscheinlich ohne Berechtigung 'Richter' Rutherford nennt, berichtet unser New Yorker Mitarbeiter wie folgt:

e. e. New York, Anfang Juli.

Rutherford ist eine obskure Persönlichkeit und hat als Führer der 'Zeugen Jehovas' durch lärmende Propaganda in letzter Zeit ein gewisses Aufsehen erregt. Er behauptet mit seinen Anhängern, unter denen sich viele tausend Neger befinden, einen Kampf gegen den Papst, Hitler, Mussolini, Roosevelt und dessen Politik zu führen. Wenn dieses eigenartige Programm auch nicht genügen würde, ihn aus der großen Zahl von Fanatikern dieser oder jener Art herauszuheben, die von jeher die amerikanische Oeffentlichkeit mit ihren grotesken Vorschlägen unterhalten, so ist doch eine Besonderheit bei diesem Mann bemerkenswert: Er scheint über große Geldmengen zu verfügen, deren Herkunft noch nicht aufgeklärt ist.

Die 'Zeugen Jehovas' gibt es schon seit etwa zehn Jahren. Ursprünglich beschränkten sie sich auf den Kampf gegen die katholische Kirche. Rutherford soll ein getaufter Jude sein. In Washington wurde man erst kürzlich auf ihn aufmerksam, als große Plakate überall seine Ankunft ankündigten. Auch die Zeitungen druckten große und teure Inserate von ihm; schließlich fuhren sogar Lautsprecherwagen durch die Straßen, die dann an verschiedenen Stellen der Stadt aufgestellt wurden, um eine öffentliche Rede Rutherfords zu verbreiten.

Die Versammlung für diese Rede, die im größten Saal der Stadt gehalten wurde, war vornehmlich von Negern und Neugierigen besucht. Es kam zu Zusammenstößen zwischen Anhängern der 'Zeugen Jehovas' und der Polizei. In seiner Rede kündigte Rutherford mit zahlreichen Zitaten aus dem Alten Testament an, der von den hebräischen Propheten verkündete Endkampf zwischen dem Jehova Israels und Beelzebub käme nunmehr zum Austrag. Unter den feindlichen Feldherren Gog und Magog ständen Roosevelt, Hitler, Mussolini und der Papst.

Rutherford zeigte den Briefwechsel mit einer Zeitung vor, der er vergebens 1371 Dollar angeboten hatte, wenn sie eines seiner Inserate drucken würde. Er hatte sich außerdem erboten, ihr 10 000 Exemplare abzukaufen. Die Polizeistrafen, die seine Anhänger auf der Straße erhalten hatten, bezahlte er anstandslos aus der eigenen Tasche und sorgte obendrein dafür, dass in allen Häusern der Stadt seine Broschüre gratis verteilt wurden. Es fehlt ihm also keineswegs an barem Geld."

Man vergleiche dazu auch den zeitgenössischen Bericht von: Herbert H. Stroup

Auch: Zäsur

"Der Durchbruch"

Mag man dem eben zitierten Pressebericht noch ein gewisses Maß an Sachlichkeit zubilligen, so wird man das im nachfolgenden Bericht sicherlich etwas anders sehen müssen. Aber auch er ist, auf seine Art, ein bezeichnendes Dokument für das Klima, dass im Naziregime vorherrschte. Die Nazigazette "Der Durchbruch" schrieb in ihrer Ausgabe vom 10. 4. 1935:

"Ich bin ein Zeuge Jehovas.

'Seine Majestät der Satan' verklagt einen Bibelforscher.

Ganz unbekannt ist es uns ja nicht, zu welchen Verstiegenheiten sich religiöser Fanatismus und das daraus folgende Sektierertum gelangen können. Dass hierbei ein Buch wie die Bibel eine unheilvolle Rolle spielt, die sich volkszersetzend auswirkt, wurde einmal wieder klar in einer Gerichtsverhandlung vor dem Berliner Sondergericht, wo sich jener Erforscher der Bibel zu verteidigen hatte, die nachgerade in Deutschland erschreckend angewachsen sind. Es entspann sich zwischen dem Vorsitzenden und dem Angeklagten nachstehend ergötzliches Gespräch.

Angeklagter: 'Auf diesen Augenblick habe ich mit Sehnsucht gewartet. Ich bin Jehovas Zeuge.' Der Vorsitzende fordert den Angeklagten auf, nur zur Sache zu reden. Dieser aber steigerte sich in immer größere Wut, wandte sich an die Zuhörer und schrie:

'Ihr müsst mich alle erhören, ob ihr wollt oder nicht. In meiner Zelle 116 auf dem Polizeipräsidium habe ich meinen Gott angerufen, und der hat mir erzählt …'

Vorsitzender unterbrechend: 'Zur Sache.'

Angeklagter: 'Sie glauben nicht an Gott, Herr Vorsitzender, sondern an den Teufel. Die Anklage hier ist falsch und von seiner Majestät dem Satan gestellt für die Leute, die nicht an Gott glauben.'

Vorsitzender (nochmals unterbrechend): 'Kommen Sie endlich zur Sache!'

Angeklagter (beleidigt): 'Wenn Sie dazwischen reden, haben die Herrschaften im Zuhörerraum nichts davon. Einer kann hier nur reden' (Heiterkeit).

'Wenn ich hier als Zeuge Jehovas nicht rede, können Sie sicher sein, würden die Steine anfangen zu schreien und das Holz hier im Saale würde zu reden beginnen.'

Schließlich kam man doch 'zur Sache' und dabei musste der Angeklagte zugeben, Bücher an seine 'getauften und interessierten Geschwister' verteilt zu haben. Die betreffenden Bücher aber stammten aus der Tschechoslowakei und dienten dem Angeklagten, sowie den weiteren Angeklagten als Propagandamaterial. Nachdem oben berichteten Dialog handelt es sich um keinen irrsinnig gewordenen Weißenbergianer, sondern um einen der sattsam bekannten Bibelforscher, deren Treiben dem deutschen Volke schon genug schadete.

Bekanntlich wurden im Jahre 1933 die Internationale Bibelforschervereinigung in Deutschland verboten, dar in ihren Reihen zahlreiche kommunistische Elemente eingeschlichen hatten, die die geistig so wie so etwas verwirrten Mitglieder dieser Gesellschaft für ihre volksgefährlichen Pläne einspannten.

Die Menschen, die sich von der internationalen Leitung der Bibelforscher als Werkzeuge der jüdischen Hetzpolitik gegen das nationalsozialistische Deutschland verwenden ließen, arbeiteten im geheimen namentlich durch Verbreitung von aus dem Ausland eingeschmuggeltem Greuelmaterial und Hetzschriften für ihre Auftraggeber weiter. Bezeichnend ist, dass die internationalen Drahtzieher für diese Zwecke geistig verwirrte verwandten, während sie selbst im Ausland in Sicherheit sind.

Das deutsche Volk kann bei seinem Kampf um seine Zukunft aber nicht danach fragen, ob der Nation aus Dummheit oder aus Bosheit geschadet wurde. Es erwartet, dass der Staat eisern zugreift."

Grundlage des vorstehenden Berichtes ist offenbar ein solcher der in dem Blatt "Berliner Börsen-Zeitung" bereits am 13. 2. 1935 abgedruckt war. Gemäß dem Bericht jenes Blattes wurde da gegen insgesamt vier Zeugen Jehovas verhandelt. Über dreien von ihnen wussten die berichtenden Journalisten nichts sonderliches mitzuteilen, als dass die Angeklagten nach dem Verbot noch WTG-Schriften verbreitet hätten. Nicht ihr Glaube als solche, sondern eben die Weiterverbreitung von WTG-Schriften, brachte sie dann vor den Kadi.

Der vierte Angeklagte, der laut "Berliner Börsen-Zeitung" als Kasimir S. genannt wurde, zog es offenbar vor, in diesem Verfahren dann den "Pausenclown" zu spielen.

Beachtlich in diesem Verfahren auch noch die Detailangabe:

"Als Zeuge wurde ein früheres Mitglied der Leitung der Bibelforschervereinigung vernommen, der sich in Dresden in einer ähnlichen Sache in Untersuchungshaft befindet. Er bekundet, daß er nach dem Verbot große Mengen von Büchern aus Prag durch die deutsche Grenze eingeschmuggelt und bei den Angeklagten in Verwahrung gegeben habe."

Zynismus

Auch den nachfolgenden Pressebericht mag man die Rubrik Zynismus einordnen. Eine sicherlich richtige Feststellung. Unbeschadet dessen, gibt er zugleich einen Einblick in die Geistesverfassung der zeitgenössischen Nazis, angesichts der Herausforderung durch Jehovas Zeugen. Das Naziorgan "Westdeutscher Beobachter", bekannt auch für andere vor Zynismus triefende Artikel, schrieb am 7. 5. 1935 (Abendausgabe):

"Pauline hatte Pech - Ernste Bibelforscher vor Gericht.

Berlin, 7. Mai (Eigene Meldung).

Pauline aus der Linienstraße in Berlin hatte sich in den Kopf gesetzt, die sündige Menschheit zu bekehren. Sie war aktives Mitglied bei den 'Ernsten Bibelforschern' und hatte als solche - wie sie bekundet - direkten Auftrag von Jehova.

Sie ging tagein tagaus treppauf treppab, klopfte an alle Türen und erklärte überall:

'Entschuldigen Sie, ich komme im Namen Jehovas, um das Jüngste Gericht zu verkünden … 'Die sündige Menschheit aber hatte für Paulines Bekehrungsversuche so wenig Verständnis, dass man der armen Pauline die Tür meist vor der Nase zuschlug.

Da sich aber die staatlichen Stellen schon vorher für jene bedauernswerten Menschen, die noch immer die Bibel zu erforschen suchen weit mehr interessierten, und sie weiteren Bemühungen in dieser Richtung durch Verbot dieser staatsgefährlichen Sekte enthoben, ist es Pauline nun endlich gelungen, Menschen zu finden, die ihre Vorträge geduldig über sich ergehen lassen: die Mitglieder des Berliner Sondergerichts.

Ein beherzter Mann nämlich hatte damals im November, als Pauline ihre Streifzüge durch den Berliner Norden unternahm, die 'Ernste Bibelforscherin' solange bei sich behalten, bis er ihr das persönliche Zusammentreffen mit einem Kriminalbeamten ermöglichen konnte. Pauline hatte in dieser Zeit reichlich aus der Schule geplaudert, hatte von Geheimversammlungen erzählt, in denen die Bibelforscher zusammen kamen. Jetzt muss sie das alles sehr bitter bereuen. Zwei Monate hat sie bekommen. Vielleicht wird sie einsehen, dass die Erforschung der Bibel ein wenig einträgliches Bemühen ist."

Reichsverwaltungsblatt

Wie man weiß, waren die Zeugen Jehovas im Naziregime nicht "wohlgelitten", um es mal vorsichtig zu formulieren. Man kann für den gleichen Tatbestand auch andere Vokabeln verwenden. Es trat nach 1933 eine Eskalation der Problematik ein. In der Grauzone, dass das Naziregime sogar gezwungen wurde, die materiellen Güter der Wachtturmgesellschaft, nach der ursprünglichen Beschlagnahmung wieder freizugeben, sind durchaus einige Kuriosa zu verzeichnen. So konnte die Wachtturmgesellschaft in Magdeburg in den Jahren 1934/35 sogar noch eigene Druckerzeugnisse herstellen - wenn auch "nur" unverfängliche Kalender. Bei Roser (S. 47) ist solch ein Kalender abgebildet. Die Verfügungsgewalt über die materiellen Konten der Wachtturmgesellschaft, ermöglichte deren Funktionär Hans Dollinger, noch einen anderen gewichtigen Schritt (zumindest zeitweise). Er setzte ein ganzes Heer von Rechtsanwälten in Bewegung, die bekanntlich nicht ohne Erstattung ihrer geforderten Honorarkosten in Aktion treten. Geld war aber offensichtlich ausreichend da. Das Naziregime musste sich nun mit der misslichen Sachlage auseinandersetzen, dass jene Anwälte es verstanden, die potentiellen juristischen Schwachpunkte heraus zu kristallisieren. Das Bibelforscher/Zeugen Jehovas-Verbot, fußte bekanntlich auf der berüchtigten Reichstagsbrandverordnung. Gegen die konnten die Anwälte auch nichts unternehmen. Aber sie erlaubten sich herauszuarbeiten, dass die Weimarer Verfassung, vom NS-Regime nicht formal aufgehoben sei, also rechtsgültig weiterbestünde. Sie machten darauf aufmerksam, dass § 137 jener Verfassung die Religionsfreiheit garantiere und das dieser § in der Liste der durch die Reichstagsbrandverordnung aufgehobenen Grundrechte, nicht mit enthalten sei.

Da befand sich nun das Naziregime in der Klemme. Aber in einer Bravouraktion setzte es sich auch über diese Einwände hinweg. Immerhin, es gab eine Diskussion darüber in Juristenkreisen. Das war keine Angelegenheit, die sich "innerhalb von 24 Stunden regeln liess". Es mussten juristische Gegenargumente formuliert werden, wollte man nicht schon gleich zu Anfang des Naziregimes, vor aller Welt den Offenbarungseid ablegen. Ein Beispiel für die diesbezügliche Diskussion kann man auch in der Ausgabe vom 31. 8. 1935 des "Reichsverwaltungsblattes" nachlesen. Diese Beitrag ist auch unter dem Gesichtspunkt interessant, wie seitens der Anwaltschaft, respektive der Zeugen Jehovas versucht wurde, den in der Luft liegenden Vorwurf der Wehrdienstverweigerung zu begegnen. Man sollte sich diesen Passus mal in aller Ruhe "auf der Zunge zergehen" lassen und mit dem vorangegangenen, bezüglich der Schweiz vergleichen.

In dem entsprechendem Abschnitt wurde ausgeführt:

"Das Gericht ist der Auffassung, dass beide Voraussetzungen, unter denen nach dem Punkt 24 (des NSDAP-Programmes) die Freiheit der religiösen Bekenntnisse eingeschränkt ist, vorliegen. Nämlich einmal gefährden die Bibelforscher durch ihre Lehre und Betätigung den Bestand des Staates und zum anderen verstoßen sie gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse.

Der letztgenannte Punkt ergibt sich am deutlichsten daraus, dass die ernsten Bibelforscher nach den Ausführungen in den Zeitschriften als Kriegsdienstverweigerer angesehen werden müssen.

Übrigens könne auch nicht das, was in den ausländischen Zeitschriften stehe, ihnen zur Last gelegt werden. Es sei nicht positive Lehre der Bibelforscher, den Kriegsdienst zu verweigern.

Das Gericht ist aber demgegenüber der Auffassung, dass gerade diese Zeitschriften zur Grundlage der Beurteilung der Bibelforscherlehren genommen werden müssen. Was in den Zeitschriften steht, verstößt jedenfalls gröblich gegen die Wehrauffassung des deutschen Volkes. Es wird mehr oder weniger deutlich die Forderung aufgestellt, dass man im Falle eines Krieges den Dienst mit der Waffe verweigern solle, es wird keine Einschränkung gemacht, dass es sich um einen reinen Verteidigungskrieg handelt. Unerheblich ist, ob jeder einzelne Angeklagte selbst etwa die deutsche Wehrhaftigkeit untergräbt oder den Kriegsdienst verweigert. Maßgebend ist lediglich, dass die ganz allgemein von den Bibelforschern vertretene Tendenz gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse verstößt. Das Gericht ist der Auffassung, dass eine solche Einstellung der deutschen Ehre, die eine der allerersten Grundlagen des nationalsozialistischen Denkens ist, krass zuwiderläuft. Das germanische Rassengefühl ist untrennbar mit dem Heldischen verbunden. Der Deutsche hat niemals ein Knechtsvolk sein wollen. Gegen diese grundlegenden Erkenntnisse verstoßen die von den Bibelforschern vertretenen Lehren."

"Unpolitische" Antisemiten

Man gab und gibt vor "unpolitisch" zu sein. In Wahrheit ist man sehr wohl politisch. Nur eben nicht immer im Sinne des jeweilig herrschenden säkularen politischen Systems. Zu letzteren stand und steht man in Opposition. Wohl dem Lande, wo solche politische Opposition geduldet wird, wo sie das Recht hat, sich zu artikulieren, wo sie den Finger auf die Fehler und Versäumnisse der jeweils Herrschenden legt. Wie man weiß, ist die Geschichte mit solchen Regimen nicht sonderlich "reich" bestückt. Vielfach muss man registrieren, dass Opposition - in welcher Form sie auch immer sich artikulieren mag - rigoros niedergebügelt wird.

Auch Oppositionelle machen einen Entwicklungsweg durch. Das heißt, sie verändern schon mal ihre Thesen, aus welchen Gründen auch immer. Auch bei den indirekten Oppositionellen, den Bibelforschern/Zeugen Jehovas ist das registrierbar. Es wäre eigentlich naiv anzunehmen, dass sie keine Tageszeitungen lesen würden. Sie taten und tuen das sehr wohl. Sie sind also darüber informiert, was die jeweils Herrschenden der politischen Szene auf die Tagesordnung gesetzt haben. Auch in Brooklyn (USA) und in Bern (Schweiz) las man die entsprechenden Tageszeitungen. In beiden genannten Ländern konnte und kann sich die Presse relativ frei artikulieren. Mit anderen Worten sie stellte nicht nur ein staatliches Propagandainstrumentarium dar, sondern vermittelte auch Kenntnisse, die nicht unbedingt im Sinne von einigen säkularen Herrschern waren.

Ein Beispiel dafür ist zum Beispiel die von den Nazis geprägte Vokabel "Greuelpropaganda". Mit anderen Worten, die Berichterstattung der ausländischen Presse, die nicht im Sinne der Nazis war, wurde mit diesem Schlagwort abgetan. Was aber war nach 1933 ein herausragendes Thema der ausländischen Presse bei ihrer Berichterstattung über das Hitlerregime? Ein herausragendes Thema war die aggressiven Maßnahmen, die seitens der Nazis gegen den jüdischen Bevölkerungsteil des deutschen Volkes in Szene gesetzt wurden. Die ausländische Presse stand diesen Erscheinungen fassungslos gegenüber und machte aus ihrer Kritik keinen Hehl. Haben die zeitgenössischen Zeugen Jehovas das nun ausreichend reflektiert? Man wird das wohl kaum sagen können. Eher ist das Gegenteil der Fall. Schon kurz vor Beginn der Naziherrrschaft hatten sie ihre Stellung zu den Juden grundlegend revidiert. Sie haben diese revidierte Fassung auch beibehalten, als die ausländische Presse voll von "Greuelmeldungen" war (um die Vokabel der Nazis aufzunehmen). Ja, sie ließen sich von diesen "Greuelmeldungen" in keiner Weise beeindrucken. Als wäre nichts geschehen, verbreiteten sie noch im Jahre 1935 eigene Meldungen dazu, worin sie sich selbst als nunmehrige Antisemiten outeten. Er ist schon makaber, dieser Text - der den damaligen zeitgenössischen Kontext in keiner Weise reflektierte.

In der Schweiz gedruckten Ausgabe des "Goldenen Zeitalters" vom 15. 2. 1935 konnte man lesen:

"Frage: In Dr. Edgars 'Sozialismus und die Bibel' steht: 'Christus wird daher, wenn er wiederkommt um seine große Macht an sich zu nehmen, als 'der König der Juden' herrschen und die jüdische Nation wird alsdann an erster Stelle stehen.' Jesus sagte auch. 'Das Heil ist aus den Juden' - kurzum, Jesus soll ein neues jüdisches Königreich aufrichten. - Und da fragt man sich: Warum ausgerechnet ein Jüdisches? Sind etwa die Juden so sittsam, so moralisch vorbildlich, dass sie diese Gunst des Herrn verdienen? Soll man sie etwa in ihrem Tun, in ihrer Gold- und Geldgier, in ihrer Nichtbeachtung aller Schätze der Schöpfung nachahmen, damit auch wir der Gnade des Herrn teilhaftig werden? Und wodurch haben es die Juden verdient? Etwa für die Kreuzigung Jesu? Und warum … blieb Jesus nicht bei seinem Glauben und ließ sich taufen?

Antwort: Jahrelang glaubten Bibelforscher, dass die biblischen Prophezeiungen, welche von den Juden reden, sich auf die buchstäbliche jüdische Nation bezögen. Auch Dr. Edgar unterliegt diesem Irrtum. Im Buch 'Rechtfertigung' bei der Erklärung von Hes. 37 (Tal der verdorrten Gebeine) zeigt nun aber Richter Rutherford, dass mit den Ausdrücken 'Haus Israel' oder 'Juden" nicht das buchstäbliche jüdische Volk gemeint sein kann, wie wir früher meinten. 'Nicht alle, die sich Juden nennen sind Juden' (Offenb. 2:9). Die Juden von heute haben die günstige Gelegenheit, zum Glauben der Väter und ihrer Prophezeiungen über den Messias zurückzukehren, nicht benützt. Sie sind heute noch gegen Jehovas Gesalbten, gegen die Wahrheit vom Königreich Gottes und gegen Jesus Christus. Sie tun nichts zur Rechtfertigung des Namens Gottes und sind darum keine wahren Israeliten nach dem Geiste."

"Intoleranz"

Es ist davon die Rede gewesen, dass Katholiken mit den Nazis paktierten in Sachen Zeugen Jehovas. Der Fall Jonak ist ein exemplarisches Beispiel. Ein solcher Vorwurf, "macht sich in der heutigen Zeit gut". Er könnte für die Zeugen Jehovas Anlass sein, nunmehr ihrerseits in die Rolle der Pharisäer zu schlüpfen und Beispiele dafür gibt es. Dennoch muss man ihnen sagen, dass ihre Selbstgerechtigkeit durchaus unangemessen ist. Zum verstehen der Sachlage gehört es, die zeitgenössische Gegenmeinung auch zur Kenntnis zu nehmen. Sie spiegelte sich einmal im "Goldenen Zeitalter" (1. 7. 1935) mit der Referierung einer Kontroverse wieder. In ihr kommen sowohl die Pro als auch die Kontrameinungen zum Ausdruck. Nachstehend sei aus ihr zitiert:

"Aus Gams (St. Gallen) ging uns folgender Artikel, der im 'Werdenberger Anzeiger' Nr. 44 erschien, zu:

'Was man sich heute im Zeichen von schweizerischer Duldsamkeit und Freiheit gefallen lassen muss, davon erhalten wir dieser Tage wieder ein beredtes Zeugnis durch das Herumtreiben der sogenannten Bibelforscher, die sich mit ihrem Elaborat von Bibelsprüchen und verdrehten Bibelauslegungen ihre Opfer, noch besser gesagt den nötigen Mammon für ihr unheilvolles Treiben suchen. Mit scheinheiliger Miene sind sie letzten Samstag durch unsere Gemeinde gezogen, beileibe nicht etwa polizeiwidrig, dazu sind diese Vögel durch allerlei erlebte Vorkommnisse viel zu schlau. Mit einer Karte, die sie als Apostel ihres Werkes zeichnete, auch beteuerten, dass sie keine Beiträge, sondern nur freiwillige Opfer einzuziehen, haben sie ihre Broschüren angeboten und mit ihrem Redeschwall von Gratisverteilung und freiwilligen Gaben unsre Hausfrauen zu angeln versucht.

Wir haben uns bemüht, eines dieser Heftchen in die Hände zu erhalten, wobei das selbige das schmutzigste Machwerk darstellt, dass uns von dieser Seite bisher vor die Augen kam. Schon das Titelbild mit der schändlichen Fratze eines kathol. Priesters zeugt vom Inhalt, nicht minder der Inhalt selber, von dem wir nur einige der unflätigsten und gemeinsten Stellen wiedergeben.

Auf Seite 1 lesen wir: 'Diese Kunde (vom Bibelforscherführer Rutherford) erboste die Diener des Teufels, die kath. Geistlichkeit jener Gemeinde …

Auf Seite 7: 'Viele Jahrhunderte lang hat die kath. Hierarchie die grausamste, verruchteste und schmählichste Organisation die jemals auf der Erde gewesen ist, betrieben. Zur Erreichung ihres grausamen Zweckes bediente sie sich des Zwanges und des Knebels und wenn nötig irgendwelcher anderer gesetzloser Mittel. Wenn sie irgend jemand umbringen wollen, machen sie den Mörder glauben, die Priester können ihn von aller Schuld entbinden und von jeder Strafe freisprechen sowohl hier als auch im Jenseits.'

Dies nur einige Beispiele dieses Misthaufens von Lüge und schmutziger Verdächtigungen, die beliebig vermehrt werden können. Das Bemühendste der ganzen Geschichte ist, dass in unserm Schweizerland die Verbreiter solcher Beleidigungen gegen einen gut vaterländischen Volksteil ihr Werk ruhig und unter behördlichem Schutz betreiben dürfen.

Soll das immer so bleiben, haben wir Katholiken kein Recht gegen eine solche Heruntermachung unseres Glaubens und unserer Priester einen unverzüglichen Schritt der Behörden den Schutz der Polizei zu verlangen? Das wollen wir nun einmal wissen. Wir verlangen, dass kein Agent dieser 'als rechtskräftig im schweizerischen Handelsregister eingetragenen philanthropischen Gesellschaft' die Sekte Rutherfords aus Amerika inskünftig mehr in der Schweiz solche Schriften vertreiben darf. Wir verlangen die sofortige Beschlagnahmung aller dieser Schriften, die mehr als eine Million Schweizerbürger aufs tiefste verletzen. Wir fragen: Ist unsere Regierung zu Stadt und Land, im Kanton und Bund gerecht und stark genug, diese Maßnahme unverzüglich durchzuführen? Ist dies nicht der Fall, dann werden wir von katholischer Seite aus eine Abwehr organisieren, die uns das Recht schafft, auf das wir vor Gott und der Welt Anspruch haben. Wir werden dann dafür sorgen, dass inskünftig in jeder kathol. Gemeinde solche Abgesandten des Hasses und der Lüge aufgegriffen und mit einer Tracht Prügel für ihr Tun entsprechend besoldet werden, dass ihnen nicht etwa das Lügen aber das Wiederkommen verleidet. Soweit sind wir hoffentlich in der Schweiz noch nicht, dass eine sich christlich nennende Sekte einfach das Recht in Anspruch nimmt, in gemeinster Weise gegen einen treu vaterländischen Volksteil zu schimpfen und mit einem Lügenfeldzug zu verdächtigen. Wir verlangen von unseren Behörden Auskunft und zwar sofort, dass Maß ist voll, unsere Geduld am Ende. …'

Unsere Antwort: Die Broschüre 'Intoleranz' hat … das besondere Missfallen gewisser katholischer Kreise erweckt. Dass das Angesichts des Geistlichen im beanstandeten Titelbild der nicht gerade anziehend ist, ist wohl richtig. Aber spiegelt es nicht den Hass und die Wut nieder, die uns … Entgegentreten? … Zugegeben, dass sich der Prügel in der Hand des Priesters nicht gut macht; aber hat ihn der Zeichner des Titelbildes nicht ganz richtig platziert … Der Artikelschreiber und die hinter ihm Stehenden betrachten die Behörden und das katholische Volk offenbar wie einen bissigen Hund, den man anhetzen kann und an dessen Bellen und Beißen man seinen Spaß hat. Wir glauben nicht, dass anständige Menschen sich in dieser Weise missbrauchen lassen. … Wir sind über die bei der katholischen Hierarchie herrschende Stimmung und ihre Absichten keineswegs im unklaren, aber auch nicht gesonnen zu weichen."
Man vergleiche auch die Reprints einschlägiger Karikaturen der Zeugen Jehovas in: Günther Pape "Die Wahrheit über Jehovas Zeugen", Rottweil/Neckar 1971 S. 135, 136.
In jener Broschüre konnte man z. B. auf Seite 42 den Satz von Rutherford lesen:
"Ich bestehe darauf, dass der Klerus der päpstlichen Hierarchie den Teufel, aber nicht Jehova Gott vertritt."

Nun, angesichts solch deutlicher Meinungsäußerung, der jegliche Diplomatie offenbar ein Fremdbegriff war, braucht man sich nicht zu wundern, dass die Gegenseite auf eine gegenteilige Meinung dazu bestand!

"Der Jonadab"

Man kennt die Strategie auch von den Kommunisten aus der NS-Zeit. Da wurden Tarndrucke angefertigt, die auf dem ersten Blick den Eindruck erweckten, als handle es sich um neutrales Schrifttum. In Wahrheit enthielten sie jedoch kommunistische Agitationsschriften. Soweit es die Kommunisten betraf, wurden ihre Schriften entweder selbst in Deutschland hergestellt, oder illegal eingeschmuggelt. Jedenfalls erfolgte kein regulärer Postversand aus dem Ausland nach Deutschland, da den Kommunisten sehr wohl bewusst war, dass dies ein frei Haus-liefern der Anschriften ihrer Sympathisanten in Deutschland, an die Gestapo gleichkäme.

Was soll man nun diesbezüglich zu Jehovas Zeugen sagen? Auch sie bedienten sich der Taktik der Tarndrucke. Im Gegensatz zu den Kommunisten jedoch, hatten sie die Unverfrorenheit, oder Naivität, ihre Schriften auch auf dem offiziellen Postwege einzuführen. Die Gestapo-Lageberichte des Jahres 1935 sind voll von Beispielen davon.

So notierte die Gestapo Frankfurt/M., Regierungsbezirk Wiesbaden in ihrem Lagebericht vom Mai 1935:
"Im laufe des Monats wurden im Wege der Postnachschau zweimal je eine größere Sendung (etwa 700-800 Stück) Drucksachen der Bibelforscher angehalten und beschlagnahmt. Bei der ersten Sendung handelte es sich um die Broschüre 'Der Weg' eine Ersatzzeitung für das 'Goldene Zeitalter' während die zweite Sendung 'Prophezeiung über die Bäume', eine Ersatzzeitung für den 'Wachturm' enthielt.

Zur gleichen Zeit machte auch die Gestapo Oldenburg eine analoge Meldung:
"Den Anhängern der Internationalen Bibelforschervereinigung gehen fortlaufend unaufgefordert Druckschriften aus der Schweiz zu, die fast in allen Fällen durch Postkontrolle erfaßt werden."

Im September 1935 meldet die Gestapo Aachen:
"Dagegen wurde eine Versendung von Werbeschriften seitens der Ernsten Bibelforscher aus der Schweiz festgestellt. Erfaßt wurde eine neue Halbmonatsschrift, die sehr geschickt getarnt ist und sich betitelt 'Der neue Sproß', erschienen im Verlag Jakob Grädel, Biel-Schweiz, Rebenweg 14. Erst im letzten Artikel erfährt der Leser, welchen Zweck diese Schrift verfolgt … Weiter wurden durch Postkontrollen zwei Druckschriften 'Gebahnte Straße' und 'Das Verstehen der Prophetie' der Sekte Internationale Bibelforscher erfaßt. Die Druckschrift 'Die gebahnte Straße' erscheint ebenfalls in der Schweiz und ist durch den Verlag A. F. Vögeli, Solothurn/Schweiz Schloßweg Nr. 1 zu beziehen. Aus der Druckschrift 'Das Verstehen der Prophetie' ist der Herausgeber und der Verlagsort nicht zu erkennen."

In einem zusammenfassenden Gesamtbericht für das Jahr 1935, referiert die Gestapo:
"In den letzten Monaten wurden hauptsächlich die folgenden, meist aus der Schweiz eingeführten Schriften erfaßt:
'Gefangene', 'Zeitenwende', 'Jungfrau', 'Simson'; 'Die Stadt der Sicherheit', 'Das goldene Zeitalter'; 'The Watch Tower and Herald of Christ's Presence', 'Erhaltung'.
Sobald eine Zeitschrift verboten wird, erscheint eine neue, die nichts anderes als eine Ersatzschrift ist. Der Inhalt aller dieser Zeitschriften ist dem Sinne nach stets der gleiche.

Januar 1936 noch, meldet die Gestapo Düsseldorf:
"Druckschriften aus der Schweiz werden indessen immer noch an ehem. Anhänger der Bibelforscherbewegung versandt. An neuen Bibelforscherschriften wurde eine neue Ersatzschrift der verbotenen Druckschrift 'Der Wachtturm' ohne Impressum mit dem Titel 'Versuchung' erfasst."

Analog registriert Kiel im Februar 1936:
"Obwohl die Einfuhr der aus dem Ausland kommenden Druckschriften der IBV schon an den Grenzen unterbunden werden soll, tauchen immer noch zahlreiche Exemplare dieser Schriften aus der Schweiz und aus Polen im hiesigen Bezirk auf."

Offenbar waren besonders die Jahre 1934-35 die Hochphase dieser Entwicklung. Mit Befremden nimmt man allerdings zur Kenntnis, dass da von Jehovas Zeugen auch in beträchtlichem Umfange der offizielle Postweg genutzt wurde.

Zur Erinnerung: Noch in der Ausgabe vom 15. Oktober 1934 des Schweizer "Goldenen Zeitalters" war eine scharfe Resolution an Hitler abgedruckt, in der sich unter anderem auch die Sätze finden: "Als gläubiger Mann, der Sie vorgeben zu sein, müssen Sie sicherlich auch Kenntnis besitzen von der Warnungs-Botschaft Gottes an alle Herrscher der Erde, wenn in Psalm 105 Verse 14 und 15 an sie die Worte gerichtet sind:
'Er (Gott) strafte Könige um ihretwillen. Tastet meine Gesalbten nicht an und tut meinen Propheten kein Leid!'"

Nur zwei Monate später, wurden Exemplare der gleichen Zeitschrift ins Hitlerdeutschland auf dem offiziellenPostweg gesandt. Fast der gleichen Zeitschrift, muss noch korrigierend hinzugefügt werden. Da dort selbstredend ein Vertrieb über Zeitungskioske nicht erfolgen konnte, blieben als effektive Empfänger nur solche deutsche Zeugen Jehovas übrig, deren Adressen man auch in der Schweiz inzwischen gesammelt hatte. Die Gestapo hat das zwar nicht ausdrücklich vermerkt. Aber immerhin wird sie auf ihre Art und Weise, für diese Sekudantendienste dankbar gewesen sein.

Ein solches Tarnexemplar habe ich jetzt vorzuliegen. Es nannte sich nicht mehr "Das Goldene Zeitalter". Dafür war der neue Name: "Der Jonadab. Zeitschrift für Menschen guten Willens". Als Verlag wird darin im Impressum angegeben: "Der Jonadab", Handelshof 38, Zürich. Auch eine Anschrift für Österreich ist enthalten:
Peter Gölles, Floriangasse 54, Wien 8. Jener Gölles der später dann mit zu den verhafteten österreichischen Zeugen Jehovas gehörte, nach der Naziokkupation jenes Landes.

Auch werden im Impressum die genauen Bezugspreise für ein Abonnement (halbjährlich oder jährlich) genannt. Fein aufgegliedert jeweils für die Länder: Schweiz, Österreich und Deutschland. Letzteres muß man sich besonders auf die Zunge zergehen lassen.

Vergleicht man nun den Inhalt dieser Zeitschrift (Nr. 4 vom 15. Dezember 1934) stellt man fest, sie ist völlig synchron mit der gleichen Ausgabe des "Goldenen Zeitalters". Sogar die Reklame für die Rutherford-Broschüre "Heim und Glück" findet man parallel in beiden Ausgaben. Der einzige wesentliche Unterschied den ich entdecken konnte war der, dass das "Goldene Zeitalter" auch noch diverse Reklamen für (überwiegend französischsprachige) Radiosendungen der Zeugen Jehovas enthielt. Das hatte "Der Jonadab" so nicht mit übernommen. Ein schwacher Trost, angesichts dessen, dass seine Hauptfunktion in der Lieferung von Zeugen Jehovas-Anschriften an die Gestapo bestand!

Wehrdienst in der Schweiz

Das Hitlerregime war ein totalitäres Regime. Es hielt nichts von Gewissensfreiheit. Seine Devise lautete kurz und knapp: "Und willst Du nicht mein Bruder sein - so schlage ich Dir den Schädel ein." Mehr noch, es gab einigen noch nicht einmal die "Chance" zu dessen Brüdern zu avancieren; wie beispielsweise den Juden. Also, um sich zu jenem Regime als in Opposition befindlich zu betrachten, dazu bedurfte es wahrlich keines besonderen Anlasses. Die Gründe dafür lagen mehr als genug "auf der Strasse". Solche Opposition artikulierte sich auch in religiöser Verbrämung. Ein herausragendes Beispiel dafür stellen bekanntlich die Zeugen Jehovas dar. Wenn letztere es auch als zu ihren Grundsätzen gehörend betrachteten, keinen Wehrdienst für ein verbrecherisches Regime leisten zu wollen, dann kann man diese Motivationslage durchaus nachvollziehen.

Nun wird man bei staatlichen Militärdienstforderungen noch differenzieren müssen. Zwischen solchen Forderungen in der Friedenszeit und dem eingetretenen Ernstfall, dem Kriege. 1935 war der Ernstfall noch nicht eingetreten, namentlich auch nicht in der Schweiz. Aber auch dort bestanden schon gesetzliche Vorschriften, die von den Bürgern die Ableistung bzw. die Ausbildung zum Militärdienst verlangten. Wie auch in anderen demokratisch verfassten Staaten vielfach feststellbar, artikulierten sich auch dort - in der Friedenszeit - Stimmen, die dem Militärdienst eine eindeutige Absage erteilten. Verständlich, dass solche Stimmen auch im Spektrum der Zeugen Jehovas nachweisbar sind. Nun ist es aber eines, als Einzelner, wenn auch als Mitglied einer Organisation, eine radikale Position in einem freiheitlichem Meinungsspektrum zu verkünden, die dann aber doch die Einzelmeinung des Betreffenden ist. Ein anderes ist es hingegen, welche Position die Leitung dieser Organisation zu solchen radikalen Einzelmeinungen bezieht und welche verbindliche Erklärung sie dazu der Öffentlichkeit gegenüber abgibt. Die Auseinandersetzung um eine solche Kontroverse ist in der Ausgabe vom 15. 8. 1935 des "Goldenen Zeitalters" nachweisbar. Die deutsche Ausgabe des "Goldenen Zeitalters" erschien zu jener Zeit bekanntlich nur in der Schweiz.

Das "Goldene Zeitalter" berichtet nun über eine zugegangene Leserzuschrift radikalen Inhalts. Der Briefschreiber äußert unter anderem:

"Gottesdiener können und müssen sich heute vom Militär (-dienst und -steuer) fernhalten. Unter diesem Fernhalten meine ich die Verweigerung jeglicher Art Militärdienst und die Zahlungsverweigerung der direkten Militärsteuer … Es ist töricht, zu glauben, die Militärbehörden seien fähig, Gottesdiener zum Teufelsdienst, zur Gotteslästerung zu zwingen. Sie sind sogar unfähig, wahre Gottesdiener wegen ihrer Militärunterstützungsverweigerung zu bestrafen."

Mit diesem Leserbrief hatte die Redaktion des "Goldenen Zeitalters" ein bemerkenswertes Dokument in der Hand. Wie würde sie darauf reagieren? Es hätte in ihrer redaktionellen Freiheit gelegen, jenes Schreiben nur individuell zu beantworten, oder gar einfach unbeantwortet in den Papierkorb zu werfen. Niemand zwang sie dazu, in öffentlicher Form in ihren Spalten dazu Stellung zu nehmen. Dennoch entschied sie sich bewusst für letzteren Weg. Ihr war also durchaus bewusst, dass da einige Gedanken artikuliert worden waren, die schon mehr grundsätzlichere Bedeutung hatten. Zugleich hatte sie mit dieser Vorlage auch die Chance, gegenüber der Öffentlichkeit zu erklären, was ihre, die offizielle Position, zu dieser diffizilen Angelegenheit sei. Sie nahm diese Chance sehr bewusst war und antwortete dem Briefschreiber daher öffentlich:

"Darauf ist folgendes zu antworten: Der unüberlegte Eifer für eine gutgemeinte Sache (also für eine welche der Eiferer für gut hält) veranlasst manchmal die Menschen, sachliche und ruhige Beurteilung in den Wind zu schlagen. Dies ist Fanatismus. Saulus von Tarsus war ein solcher Eiferer. Derartiger Übereifer ist nicht gut, doch zeigt das Beispiel von Paulus, dass Fanatiker nicht durchaus schlechte Menschen sind.

Es geht zuweit, wenn jemand kühn behauptet, dass die Militärbehörden unfähig seien, Dienst- und Steuerverweigerung zu bestrafen, falls diese Verweigerer Gottesdiener sind. Die Tatsachen sind also bekannt, dass treue Diener Gottes als Dienstverweigerer aus Gewissensgründen hart bestraft werden, sogar in der Schweiz, geschweige in andern Ländern! Jesus lehrte, dass wir verfolgt werden, gleich wie er. Wir dürfen aber keinem wahren Diener Gottes befehlen, dass er sich als Dienstverweigerer bestrafen und als Verbrecher einsperren lassen muss. Dies ist dessen persönliche Angelegenheit. Wenn es nach seinem Gewissen erlaubt ist, als Sanitätssoldat Dienst zu tun, so soll ihm niemand einen Vorwurf machen, falls er nach seinem Gewissen handelt. Wer aber gegen sein eigenes Gewissen handelt, dem ist es Sünde.

Ein kurzsichtiges Urteil lautet so: Militärdienst ist vom Staat; der Staat ist vom Teufel; also ist Militärdienst verboten. Warum soll man nicht von der Eisenbahn oder der Post und Polizei genau dasselbe sagen? Sind sie nicht alle vom Staat? Es ist dem Einsichtigen klar, dass in solch kurzen Schlüssen Kurzsichtigkeit vorliegt. Fanatismus macht kurzsichtig oder gar blind. Sachliche Beurteilung, nicht religiöser Übereifer sollen unsere Erwägungen leiten!

Wer gezwungen wird, Militärdienst zu tun (bei Androhung schwerer Strafen im Weigerungsfall), braucht deswegen keinen Menschen zu töten, obwohl er im Töten von Menschen gründlich ausgebildet wird. Eisenbahn, Post etc. wie auch das Militär, dienen im Kriegsfalle der Landesverteidigung, also in der Schweiz der Verteidigung guter Rechte, ähnlich wie die Polizei unter Umständen mit Waffengewalt dem öffentlichen und privaten Recht dient.

Weil daran zunächst nichts Verwerfliches ist, mag manchen darum sein Gewissen erlauben, gezwungenermaßen Militärdienst zu tun. Weil aber das Militär fast immer dem organisierten Massenmord dient, darum ist es begreiflich, dass wahre Christen nichts damit zu tun haben wollen. Und manchen erlaubt das Gewissen überhaupt nicht, Militärdienst zu tun. Sie sind bereit, die Bestrafung durch den Machthaber Staat auf sich zu nehmen. … Im gleichen Buch, vom selben Manne Gottes, Mose geschrieben, wo die Anweisung steht: Du sollst nicht töten, finden sich die göttlichen Anweisungen, gewisse Verbrecher in Israel öffentlich zu steinigen. …"

"Das Goldene Zeitalter" 1. 7. 1935

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Eine Thematische Fortsetzung gab es dann noch im "Goldenen Zeitalter" vom 15. 8. 1935

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Rauchen

Wie auch anderswo, war auch bei den frühen Bibelforschern auf ihren Tagungen der Brauch des Rauchens verbreitet. Ein Beispiel dafür ist jener Leserbrief im "Wachtturm" des Jahres 1922 (S. 96) der da beklagte:

"Ich habe das Vorrecht gehabt, schon vor dem Kriege Tages- und Hauptversammlungen zu besuchen, aber niemals konnte man diese Unsitte so beobachten wie jetzt. Jede kleinste Pause wurde dazu benutzt, um sich solche Giftstengel oder Tabakspfeifen anzuzünden." Der Briefschreiber meinte weiter: "Der dem Herrn geweihte Groschen für Tabak ausgegeben, ist gewiss mehr als verschwendet."

Dennoch ließ man es vorerst bei moralischen Appellen bewenden. An ein Ultimatum, wie dies aus den 1970-er Jahren bekannt ist, wo man drohte, wer aus ihren Reihen, bis zu einem knapp bemessenen (individuellen) Stichtag, das Rauchen nicht aufgibt, der wird exkommuniziert. Ein solches Ultimatum wagte man in der Frühzeit noch nicht auszusprechen.

Wie aber fing es diesbezüglich an? In der „Trost"-Ausgabe vom 1. 2. 1942 (Nr. 465) ist eine Stellungnahme dazu nachweisbar, die auf einen vorangegangenen Wachtturmartikel von 1935 basiert. War in der 1935 Stellungnahme noch ein gewisses Maß an Freizügigkeit gewahrt, so wurden diese Aspekte im Jahre 1942 schon unter dem Tisch fallen gelassen. Damals wurde auch schon gegen das Rauchen gewettert, aber die letzte Konsequenz damit zugleich auch die Exkommunizierung zu verbinden, wurde noch nicht gezogen. Damals hieß es lediglich:

„Es könnte also sicherlich kein Christ, der Gott dient, zu irgendeiner Zeit ein ehrliches und aufrichtiges Verlangen nach dem Gebrauch dieses unreinen Unkrauts haben. Wer sich dem Tabakgenuss ergibt, schädigt sich damit, handelt darum übel, und geht auf dem 'Weg des Bösen.' Das hasst Gott, wie er erklärt. Die Tatsache, dass Gott hasst, was Übel bewirkt, zusammen mit der Tatsache, dass der Tabak Übel anrichtet, beweist endgültig, dass der Tabak des Teufels Unkraut ist, dass er zur Entsittlichung der Menschen gebraucht. Die Geschichte des Tabakgenusses zeigt, dass es in der 'Christenheit' anfing. Es ist gar nicht überraschend, dass ihn der Teufel gerade hier einführte, und von der Christenheit aus hat sich der ansteckende Einfluss des Tabakgenusses über alle Erdteile verbreitet."

War man auch noch in den Jahren nach 1945 bereit, Raucher als "unreif" anzusehen und auch so zu betiteln, so sollte sich die Sachlage in den 70-er Jahren verschärfen. Der "Wachtturm" vom 1. 9. 1973 postuliert jetzt dazu, dass getauften Zeugen Jehovas, die immer noch rauchen, eine Frist eingeräumt werden soll, die faktisch einem Ultimatum gleich kam. Von maximal sechs Monaten weiterer Duldung ist die Rede. Dann wäre das "Ende der Fahnenstange" erreicht. Und der drohende Zeigefinger sagt weiter, bezogen auf die, die es nicht schafften das Rauchen aufzugeben:
"Aufgrund eines solchen Verhaltens, das sich für einen Christen nicht ziemt, sollten sie aus der Versammlung entfernt werden." Mit anderen Worten, auch Rauchen ist für die WTG ein Grund für einen Gemeinschaftsentzug. Eine wahrhaft "liebevolle" Organisation. Etwa nach Vorbild der Siebenten-Tags-Adventisten, auch eigene Rauchenentwöhnungskurse anzubieten, dass allerdings kommt den WTG-Oberen nicht in den Sinn. Die dafür benötigte Zeit könnte ja zu lasten des Predigtdienstes gehen!

Es lassen sich noch analoge Beispiele benennen. Eines davon ist die Kampagne, die Rutherford gegen das Weihnachtsfest startete. So brachte beispielsweise das "Trost" (15. 12. 1938) einen namentlich mit J. F. Rutherford gezeichneten Artikel unter der Überschrift "Das Weihnachtsfest und die Juden". Darin verbreitet er sich unter anderem wie folgt:

"Der Teufel ist der Urheber aller Religionen. Er hat diese erfunden und die Menschen beeinflusst, sie anzunehmen, um auf den Namen Gottes und Christi Spott und Schmach zu häufen. Nach der Sintflut organisierte der Teufel die Religion, mit Nimrod als ihrem sichtbaren, vergötterten Führer. Später wurden von den verschiedenen Nationen viele Arten von Religion eingeführt und ausgeübt. Zur Weihnachtszeit soll ein sogenannter 'St. Nikolaus' am Werke sein, und man lehrt die Kinder, dass dieser durch die Luft reite, durch den Schornstein herabkomme und Geschenke bringe. 'Sankt Nikolaus' oder 'Santa Klaus' oder auch 'St. Nick' bedeutet nichts anderes als 'der alte Nick', wie man in Amerika zuweilen den Teufel nennt. So erhöht sich der Teufel selbst und verhöhnt dabei den Herrn Jesus Christus. Der Christbaum ist aus Nimrods Zeiten abgeleitet, wo ein ähnlicher Baum als Symbol des Teufels auf Erden, diente."

Technologische Auslegungen

Sieht man sich Rutherford's 1921 erstmals erschienenes Buch "Die Harfe Gottes" an, so ist man - je nach Standpunkt - belustigt oder angewidert - über die darin enthaltene "heilige Einfalt", den wissenschaftlich-technischen Fortschritt betreffend. Wollte er doch (in Kontinuität zu Russell) allen Ernstes weismachen, dass alle neueren technologischen Erfindungen in der Bibel "vorhergesagt" seien. Heute ist es diesbezüglich bei den Zeugen Jehovas still geworden. Etwa die Computertechnik, als in der Bibel "vorhergesagt" darzustellen, dass wagen auch sie nicht mehr. Rutherford hatte da noch weniger Skrupel.

Vollmundig verkündete er etwa in seiner 1928 erschienenen Broschüre "Die letzten Tage" (S. 14, 15): "Warum also kamen diese wunderbaren Erfindungen nicht zu seiner Zeit (Großvaters) ans Tageslicht? Warum ist die Entwicklung dieser wunderbaren Verkehrsmittel im kurzen Zeitraum der letzten fünfzig Jahre vor sich gegangen? Können sie sich den Grund dafür denken? Sicherlich besitzen die Menschen unserer Zeit nicht größere Weisheit, als die Männer der Vergangenheit. Wie also ist dies alles zu erklären. In den Worten des Propheten Gottes, die ich eben anführte, finden wir die Antwort, nämlich: Wir leben jetzt in der Zeit des Endes! Als einen Beweis dafür, dass wir die 'letzten Tage' oder die Zeit des Endes erreicht haben, nennt der Prophet z. B. das hin und her rennen und die Mehrung der Erkenntnis. Wohlverstanden, er sagte nicht, dass die Klugheit der Menschen zunehmen würde, sondern, dass sie die vermehrte Erkenntnis erhalten würden, die Gott lange zuvor vorgesehen hat.
In Wahrheit aber hat Gott schon vor dreitausend Jahren durch seinen Propheten diesen drahtlosen Verkehr vorausgesagt. Es steht geschrieben: 'Kannst du Blitze entsenden, dass sie hinfahren, dass sie zu dir sagen: 'Hier sind wir?' (Hiob 38:35). Ist dies nicht tatsächlich das, was ich an diesem Morgen tat, lange bevor ich Sie zu sehen vermochte? Trug nicht das, was wir die Kraft des Blitzes nennen (elektrische Kraft) die Botschaft zu Ihnen? Auch das Luftschiff hat Gott durch seinen Propheten schon vor Jahrtausenden vorausgesagt: 'Wer sind diese, die wie eine Wolke geflogen kommen und gleich Tauben zu ihren Schlägen?' - Jesaja 60:8."

Insbesondere meinte Rutherford der staunenden Umwelt verkünden zu können, der in den 20-er Jahren des 19. Jahrhunderts neu aufgekommene Rundfunk sei in der Bibel schon in uralten Zeiten vorhergesagt worden. Er leitete dann auch gleich noch daraus ab, dass es folgerichtig wäre, wenn er sich dieses "göttlichen" Instrumentariums bedienen würde. Einige Jahre später wurden seine diesbezüglichen Blütenträume etwas gestutzt. Opposition machte sich bemerkbar, der es darum ging, diesen Rutherford wieder aus dem Radio zu verbannen. Und sie hatte langfristig Erfolg. Ja selbst die eigene Radiostation WBBR (in den USA), gab man nach den Jahren der Euphorie, nach 1945 wieder auf. Jenen Sender, auf den man sich in seinen Glanzzeiten, sehr viel eingebildet hatte.

Der Sprung von der Technikeuphorie zu einer nüchternen Betrachtung letzterer, ohne diese gewaltsam als in der Bibel "vorhergesagt" darzustellen, erfolgte nicht in einer spektakulären Aktion. Vielmehr ist ein vorsichtiges taktieren in "homöopathischen" Dosierungen auch hier feststellbar. Ein Beispiel dafür liefert auch das "Goldene Zeitalter" vom 1. 6. 1935 mir einer dortigen Leserfrage und ihrer Beantwortung:

"Frage: Den Ausspruch 'Seit 1918 hat der Herr das Radio, dass er vor mehr als 3000 Jahren vorausgesagt hat, in Tätigkeit gesetzt', habe ich auch schon gehört und ich suchte in der Bibel, auch durch Pfarrer, ohne ihn zu finden. Ich möchte Sie nun bitten, mir zu erklären, wie man dazu kommt, eine Prophezeiung vom Radio in der Bibel zu finden?

Antwort: In Offb. 8:13 und Offb. 14:6 ist die Rede von Engeln, die inmitten des Himmels flogen, die das ewige Evangelium hatten um es denen zu verkünden, die auf der Erde ansässig sind, und jeder Nation und Stamm und Sprache und Volk. Diese Stellen sind in den Büchern 'Licht' erklärt … Gewisse Botschaften des Evangeliums wurden in ganz besonderer Weise durch das Radio (nicht nur durch Verbreitung von Büchern) sehr weit verbreitet. … Die vorgeschriebenen Botschaften wurden alle weltweit verbreitet durch verschiedene Mittel, aber … wurden ganz besonders durch das Radio verbreitet, was dem Allmächtigen natürlich von jeher bekannt war, so dass es in der Offenbarung mit eingeschlossen ist, obwohl das Wort Radio oder Rundfunk in den betreffenden Schriftstellen nicht vorkommt.

Vor vielen Jahren glaubten auch manche, dass sich Hiob 38:35 auf das Radio beziehe: 'Kannst du Blitze entsenden, dass sie hinfahren, dass sie zu dir sagen: Hier sind wir?'

Diese Schriftstelle ist auf die Radiostationen und auf solche, die sie bedienen, angewandt worden. Aber der Text kann eine solche Bedeutung doch nicht haben. Das Radio ist allerdings von der Natur des Blitzes und gehört gleichfalls Jehova an und der Mensch kann das Radio nur mit seiner Erlaubnis gebrauchen. Dieser Text bedeutet aber offenbar, dass Gott es ist, der seine Blitze aussendet und das der Mensch eine solche Macht nicht besitzt. Das Radio ist also eine Offenbarung der Macht Gottes und nicht der Macht irgendeines Geschöpfes. … Es ist nicht nötig, dass die Bibel technische Errungenschaften der Gegenwart voraussagte, etwa Eisenbahnzüge, Flugmaschinen und Radio, um dadurch ihren göttlichen Ursprung nachzuweisen. Vor etlichen Jahren aber glaubte man, dass die Propheten, Nahum, Jesaja und Hiob solche technische Wunder vorausgesagt haben oder das Daniel mit seinem Ausspruch: 'Die Erkenntnis wird sich mehren in der Zeit des Endes' den technischen Fortschritt gemeint habe. Seit einigen Jahren glaubt kein vernünftiger Mensch Gottes mehr an solche technologischen Auslegungen der alten Propheten. Diese Dinge sind alle sinnbildlich zu verstehen.

Technikeuphorie der frühen WTG

1935er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte

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Der nächste Jahrgang   1936

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