Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Reinhard Kohlhofer

Die Bundesrepublik Deutschland (alte BRD) machte in den sechziger Jahren auch dadurch von sich reden, dass es Fälle von Wehrdienstverweigerungsurteilen gab, wo die Betreffenden für den gleichen Sachverhalt, zum zweiten oder gar zum dritten mal verurteilt wurden. Das war denn selbst einigen engagierten Juristen zuviel und sie machten aus ihrem diesbezüglichen Missmut keinen Hehl. Etliche Gerichtsinstanzen mussten sich mit dem Fall der Zeugen Jehovas befassen und der Düsseldorfer Albert Grandath, ließ seinen Fall gar bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vortragen.

Zu seinem großen Bedauern, muss aber K. in einer seiner Veröffentlichungen aus dem Jahre 2000 feststellen, dass der Fall Grandath eben nicht mit einem "glänzenden" WTG-Sieg endete. Dazu K.: Die "Bestimmung des Art 4 Abs 3 lit b E(europäische M(enschen) R(echts)K(onvention) hat die Europäische Kommission für Menschenrechte erstmals im Fall Grandrath gegen Deutschland, B 2299/66, derart interpretiert, daß aus dem in Art 9 EMRK garantierten Recht auf Gewissensrecht kein Recht auf Wehrdienstverweigerung abgeleitet werden könne. Diese Rechtsprechung wurde bis heute aufrecht erhalten und war ein großes Hindernis für die allgemeine Anerkennung der Wehrdienstverweigerung und die Vereinheitlichung der diesbezüglichen Gesetze in den Mitgliedsländern des Europarates" (K., "Gewissensfreiheit und Militärdienst" S. 98f.)

Dann im Jahre 1967 wurde die Situation dergestalt entschärft, dass der staatliche Verfolgungsanspruch in der Folge auf Zweit- und Drittverurteilungen verzichtete. In der Republik Österreich hingegen ist festzustellen, dass dort anfänglich relativ liberal agiert wurde. Später jedoch die Sachlage sich verschärfte und drohte in Verhältnisse "umzukippen", wie sie Anfang der sechziger Jahre in der BRD bestanden. Jedenfalls kann man diesen Eindruck so gewinnen, wenn man sich das von dem Zeugen Jehovas, Rechtsanwalt Dr. Reinhard K. herausgegebene Buch "Gewissensfreiheit und Militärdienst" näher ansieht. In seinem eigenen dort mit enthaltenen Aufsatz schreibt er (S. 86):

"Nach Einführung des Zivildienstes in Österreich im Jahre 1975 wurde zwischen dem Bundesminister für Landesverteidigung und der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas eine Vereinbarung getroffen, derzufolge Zeugen Jehovas zum Militärdienst nicht eingezogen werden, wenn es sich um getaufte und tätige Prediger der Religionsgemeinschaft handelt. Dieser Umstand wurde vereinbarungsgemäß durch schriftliche Bestätigung der Religionsgemeinschaft nachgewiesen. … Am 31. 1. 1994 erteilte der Bundesminister für Landesverteidigung - entgegen der Praxis unter seinen Vorgängern - die Weisung, ohne Rücksicht auf die bisherige Regelung alle Wehrdienstverweigerer zum Grundwehrdienst einzuberufen. Dies führte zu Dutzenden Strafverfahren gegen junge Wehrdienstverweigerer."

Im weiteren verweist K. darauf, dass seit dem "Ersatzdienstschwenk" seitens der Zeugen Jehovas (Wachtturm 1. 5. 1996) sich die Situation wieder entspannt habe. Dazu K.:

"Mir sind seit dieser Neuregelung keine Fälle von Zivildienst verweigernden Zeugen Jehovas bekannt geworden." In der Tat, nicht nur für Österreich trifft dies zu. Und dies allein aus dem Grunde, weil die Regisseure des "vorverlagerten Gewissens", selbiges ein wenig anders programmierten. Und wie auf Kommando trat der erwartete Effekt ein. Inwieweit man angesichts dieser Sachlage überhaupt noch von "Gewissensentscheidungen" sprechen kann, ist doch sehr die Frage. "Individuell" sind sie jedenfalls nicht - eher "Roboterhaft".

Eine Nachbemerkung: Rechtsanwälte sind so "ein Völk'chen für sich". Sie nehmen sich schon mal Freiheiten, die anderen so nicht zugestanden werden. Erinnert sei daran, dass die Schweizer Wehrdiensterklärung von 1943, mit ihrer substanziellen Aussage, man leiste Wehrdienst, laut WTG-Angaben "von ihren Anwälten" formuliert sei. Diese, namentlich nicht genannt, dienen der WTG heute als billiges - zu billiges - "Alibi".

Erinnert sei an die 1969er WTG-"Empfehlung", ihre Jugendlichen sollten doch keine universitäre Ausbildung anstreben, da dies doch nur "nutzlose Zeitvergeudung" sein könnte. Angesichts solcher, in der WTG-Literatur nachweisbaren Passagen fragt man sich, wie die Herren Hans-Hermann D., Waldemar H. oder auch Reinhard K. (beispielsweise), es diesbezüglich wohl hielten. Na ja, es wird wohl in ihren Fällen so sein, dass etliches nicht so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. Oder noch anders formuliert. Ein Zweiklassenrecht. "Wenn zwei dasselbe tun - so sei es doch nicht das gleiche."

Wie auch immer. Im oben genannten Band 2 der "Schriftenreihe Colloqium" stellt sich der Herausgeber als gleichzeitiger "Generalsekretär der Vereins Colloqium - Gesellschaft zur Förderung zukunftsorientierter Wissenschaften" vor. Auch das nimmt man verwundert zur Kenntnis. Erinnert sei daran, dass beispielsweise eine Zeugin Jehovas in Sambia, nur deshalb von letzteren ausgeschlossen wurde, weil ihr Ehemann - auch ein Rechtsanwalt - im politischen Leben Sambias als Präsidentschaftskandidat in Erscheinung trat. Und seine Ehefrau diesen Schritt wohl öffentlich auch guthieß. Also im Falle Sambia wurde mit der Ausschlusskeule um sich geschlagen. K. hingegen darf als Generalsekretär eines sehr wohl politisch akzentuierten Vereins agieren; er darf auf Veranstaltungen der Moonsekte referieren und damit faktisch eine Sektenallianz befördern. Ein bisschen viel, was dieser K. als Zeuge Jehovas  alles so "darf"!

Dies erinnert unwillkürlich an eine Aussage in Hauptmann's "Emanuel Quint":

"Am allermeisten bildete aber der Verkehr Emanuels mit einer wachsenden Anzahl gebildeter Menschen für die Seinen ein Ärgernis. Sie sahen erstens, nach Art ihrer Sektengenossen, Teufelswerk in aller Bildung und Wissenschaft und besaßen außerdem jenen Haß gegen bessere Kleider, edleres Aussehen und überlegene Lebensform, der dem Paria der Gesellschaft eigen ist."

Gerhart Hauptmann Der Narr in Christo Emanuel Quint

Kreidefressen angesagt

Zum mit angesprochenen Fall Sambia: siehe auch: Sambia

Zur mit genannten 1969er Bildungs"Empfehlung"; siehe auch: Erw.22.8.69.jpg

Zur mit genannten Schweizer Wehrdienst-Erklärung aus dem Jahre 1943; siehe auch: 19432Erklaerung

Zivildienst

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Aus dem Forum noch ergänzend; speziell den Wehrdienstaspekt betreffend:

Geschrieben von Gerd am 24. Dezember 2001 15:36:28:

Als Antwort auf: Re: K. geschrieben von Drahbeck am 24. Dezember 2001 10:56:33:

In Österreich sind Jungmänner ab 35 Jahren vom Militär- bzw. Zivildienst frei. Wenn ein ZJ vor dieser Altersgrenze von den ZJ aussteigt, muß seine Heimatversammlung dies der Behörde melden. Ich kenne bereits vier Fälle, von etwa 33-jährigen, bei denen sich zwei in die Verslg. schleppen um den "35er" zu erreichen und dann endgültig abzuhauen. Im Vorjahr kontaktierte mich einer anonym, das las sich so:

"Hallo Gerd!
Ich habe deine Adresse von Stephan W. mit dem ich in Mail-Kontakt stehe, er meinte vielleicht kannst du mir ein wenig weiterhelfen. Er erzählte mir du wärest ZJ gewesen, und bist erfolgreich ausgestiegen. Ich bin seit meiner Kindheit mit ZJ verbunden (durch meine Eltern), aber ich halte es leider nicht mehr aus. Ich suche nach Kontaktadressen von Aussteigern bzw. Ex-Zeugen die mir vielleicht Ratschläge geben könnten. Da ich niemanden habe mit dem ich darüber reden kann, oder der mich versteht, versuche ich auf diesem Weg Gesprächspartner zu finden.
Sei bitte nicht böse das ich noch anonym bleiben will, aber ich habe grosse Angst das jemand erfährt das ich nicht mehr ZJ sein möchte. Du fragst dich warum ? Ich habe da ein ganz spezielles Problem ... Da ich noch unter 35 Jahre alt bin, würden mich die Behörden sofort zum Wehrdienst einziehen, aber das ist in meinem Alter eine absolute Katastrophe. Das könnte ich mir finanziell nicht leisten. Dann könnte ich mich nur mehr aufhängen ... Dann wäre nicht nur meine Kindheit und Jugend zerstört, sondern auch mein restliches Leben.
Ich habe auch niemanden der mir hilft oder unterstützt, da mein ganzer Bekanntenkreis nur aus Zeugen besteht. Ich bin schon ganz verzweifelt....
Ich würde mich wirklich sehr freuen wenn du dich bei mir melden würdest. Danke, dass du dir das durchgelesen hast ...
Walter"

Ein anderer Ex-Zeuge hat sich mit 34 Jahren jetzt beim Militärkommando melden müssen und hofft, den angestrebten Zivildienst nicht mehr absolvieren zu müssen.

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