Annotationen zu den Zeugen Jehovas
Zivildienst
Besonders die 1960er Jahre erwiesen sich auch in der alten Bundesrepublik bezüglich der Frage Zivildienst und Zeugen Jehovas, als konfliktreich. Von diesbezüglich verweigernden Zeugen Jehovas wird teilweise berichtet, dass sie gar Gefängnisstrafen von bis zu sechzehn Monaten dafür gewärtigen mussten. Wo, in der DDR (auch dort). Aber nein, auch in der Bundesrepublik Deutschland!
Etwa ab 1968 wurde diese Sachlage dann staatlicherseits etwas entschärft. Ab Mai 1996 dann auch seitens der Zeugen Jehovas; sodass dieses Kapitel Bundesdeutscher Geschichte heute als weitgehend abgeschlossen betrachtet werden kann.
Pech nur für die, die es in diesem Zeitraum "erwischte" mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen. Sie waren letztendlich Opfer des Gruppendruckes, der in dieser Organisation vorherrscht. Eine abweichende Entscheidung (also eine wirkliche Gewissensentscheidung) gab es nicht. Das Gewissen war an "der Garderobe abgegeben" und durch die Doktrinen und Indoktrinationen der Wachtturmgesellschaft ersetzt. Formal alles "freiwillig".
Aus der zeitgenössischen Publizistik sei dazu einmal ein Beitrag zitiert, den der Bayerische Rundfunk am 21. 5. 1965 gesendet hat und den er anschließend in seiner Zeitschrift "Gehört gelesen" (6/1965) auch im Wortlaut dokumentierte.
Für Gott ins Gefängnis
Die Zeugen Jehovas als Ersatzdienstverweigerer Eine Untersuchung
von Studenten der Deutschen Journalistenschule
Sie hießen "Tausend-Tag-Dämmerungs-Leute", "Wachturm-Leute" oder, nach ihrem Gründer Russel, "Russeliten'. Seit 1931 nennen sie sich "Zeugen Jehovas". Sie zeichnen sich durch eine eigenwillige Deutung der Bibel aus, verwerfen die Dreifaltigkeit als eine Irrlehre, lehnen das Zeichen des Kreuzes ab und warten auf den Tag, da das Königreich Christi die Organisationen Satans vernichten wird. - In der Bundesrepublik gibt es etwa 68 000 Zeugen Jehovas. Ihr Verhältnis zum Staat ist neutral.
Sie zahlen Steuern, lehnen jedoch jeden Dienst mit der Waffe aus Gewissensgründen ab. Als anerkannte Kriegsdienstverweigerer müssen sie dafür einen Ersatzdienst leisten. Die Zeugen Jehovas verweigern auch diesen. Wer aber dem Ersatzdienst fernbleibt, wird - nach § 37 des Ersatzdienstgesetzes - wegen Dienstflucht bestraft.
Rudolf S., Fernsehtechniker, zwölf Monate Gefängnis.
Elmar W., Dekorateur, neun Monate Gefängnis.
Horst I., technischer Zeichner, zwölf Monate Gefängnis.
Etwa vierhundert Urteile dieser Art wurden bisher gegen die Zeugen Jehovas ausgesprochen. Die jungen Männer lassen sich einsperren, zusammen mit Dieben und Betrügern. Sie sitzen ihre Strafe ab, riskieren ihre bürgerliche Existenz. Wenn sich die Gefängnistore wieder öffnen, sind sie vorbestraft. Warum das alles?
Was bringt sie dazu, starr den Ersatzdienst zu verweigern und dafür ins Gefängnis zu gehen?
Den Ersatzdienst, der doch gerade für diejenigen eingerichtet wurde, die aus Gewissensgründen den Dienst mit der Waffe verweigern.
Den Ersatzdienst, der als Dienst außerhalb der Bundeswehr in Krankenhäusern und Heilanstalten abgeleistet wird. Konrad Franke, Leiter des deutschen Zweiges der Zeugen Jehovas, sieht den Grund dafür in der Neutralität seiner Religion gegenüber dem Staat.
Als christliche Glaubensgemeinschaft betonen die Zeugen Jehovas die Nächstenliebe und Fürsorge sehr stark. Der Ersatzdienst dient aber ausschließlich caritativen Zwecken. Sind die Zeugen also prinzipiell Gegner des Ersatzdienstes, oder würden sie einen anders geregelten Ersatzdienst leisten?
Was beanstandet wird, ist der Pflegedienst als eine Folge der Kriegsdienstverweigerung. Denn wie soll ein Zeuge Jehovas Ersatz für etwas leisten, das er für Unrecht hält? - Gegen die weitere Anwendung der bestehenden Gesetze für Wehr- und Ersatzdienst wendet sich auch der evangelische Kirchenrat Dr. Hutten. In einer Meldung des evangelischen Pressedienstes schreibt Dr. Hutten: "Wenn die gesetzlichen Bestimmungen nicht geändert werden, ist damit zu rechnen, daß es gegen Angehörige dieser Sekte ohne Ende zu Gerichtsprozessen kommt, die in ihrem Ansatz falsch, in ihrem Ablauf peinlich, in ihren Ergebnissen unbefriedigend und in ihrem Effekt wirkungslos sind."
Der Gesetzgeber könnte durch eine Änderung des Gesetzes den Zeugen entgegenkommen. Doch hält er eine solche Änderung für unnötig, für gefährlich. Seine Argumente: "Gleiches Recht für alle. Keine Konzessionen an Minderheiten. Keinen Präzedenzfall schaffen!"
Die Rechtssprechung ist sich in diesen Fällen nicht einig. Sie ist in Norddeutschland milder als beispielsweise in Bayern. So konnte es geschehen, daß ein Ersatzdienstverweigerer in Münster mit einer Geldstrafe von 150 DM davonkam, während sein Glaubensbruder in München für 16 Monate ins Gefängnis gehen mußte. Wie erklärt sich diese unterschiedliche Rechtsprechung?
Die vermeintliche Starrheit der Zeugen Jehovas bewirkt bei vielen Richtern Ratlosigkeit und verhindert, daß die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Die Verurteilten zeigen nämlich nicht die geringste Einsicht und geben deutlich zu erkennen, daß sie notfalls eine erneute Einberufung wieder verweigern würden. Demnach könnte ein Zeuge Jehovas, der den Ersatzdienst zweimal verweigert, auch zweimal verurteilt werden. Es gibt solche Fälle in der Praxis.
Wir müssen Sie und Ihresgleichen leider immer wieder bestrafen." So begründete der Vorsitzende des Nürnberger Schöffengerichts das Urteil gegen den 25jährigen Karl Heinz Stöhr aus Erlangen. Der Angeklagte wurde wegen wiederholter Verweigerung des Wehrersatzdienstes zu sechs Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt.
"Es soll nicht Ihre Gesinnung bestraft werden", erläuterte der Vorsitzende den Urteilsspruch. "Es könnten sonst aber auch Leute herkommen und sagen, die Wehrpflicht beträgt 18 Monate, ich gehe für drei Monate ins Gefängnis und habe damit meine Pflicht umgangen."
Diese Befürchtung des Richters ist durch die Praxis nicht zu beweisen. Wer sich heute vor dem Wehrdienst drücken will, hat elegantere und bequemere Möglichkeiten. Eine davon bietet der besondere Status Berlins. Wer zwischen Musterung und Einberufung seinen Hauptwohnsitz nach Berlin verlegt, wird nicht eingezogen, da alle Bewohner Berlins von der Wehrpflicht befreit sind.
Zeugen Jehovas machen von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch. Es geht ihnen nicht darum, das Gesetz zu überlisten, sie möchten lediglich, daß ihre religiöse Überzeugung respektiert wird. - Auf zwei Wegen versuchen sie, dem Ersatzdienst zu entgehen: Zunächst lehnen sie den Ersatzdienst grundlegend als verfassungswidrig ab. Da sie mit dieser Ansicht, der Ersatzdienst verstoße gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit, nicht durchdringen, verlangen sie wenigstens für ihre Prediger eine Freistellung von Wehr- und Ersatzdienst und berufen sich hierbei auf den Gleichheitsgrundsatz. Nach § 11 des Wehrpflichtgesetzes werden nämlich evangelische und katholische Geistliche vom Militärdienst befreit. Im Mai 1958 entschied jedoch das Bundesverwaltungsgericht in Berlin in einem Musterprozeß:
"Sogenannte Pionier- und Vollzeitprediger der Glaubensgemeinschaft Zeugen Jehovas gehören nicht zu den ordinierten Geistlichen, die das Wehrpflichtgesetz vom Wehrdienst befreit. Befreiung vom Wehrdienst kann nur von d e n Geistlichen anderer Bekenntnisse in Anspruch genommen werden, die in den wesentlichen beruflichen Merkmalen denen der beiden christlichen Konfessionen entsprechen."
Als derartige Merkmale nennt das Urteil die längere Vorbereitungs- und Ausbildungszeit sowie den Umstand, daß sich die Geistlichen der beiden großen Konfessionen für ihr ganzes Leben ihrem Beruf widmen. Was den zweiten Punkt angeht, so sind die Zeugen Jehovas hier einfach Opfer ihres eigenen Idealismus: ihre Predigertätigkeit bringt so wenig ein, daß sie zwangsläufig einen Beruf ausüben müssen, um überhaupt leben zu können. Und über das Theologie-Studium als Voraussetzung zum Beruf eines Geistlichen haben die Zeugen ihre eigenen Ansichten.
man sich in der Bundesrepublik nun einmal für eine Freistellung der Priester vom Wehr- und Ersatzdienst entschlossen hat, sollte man auch mit den Seelsorgern der Zeugen Jehovas keine Ausnahme machen. Auch dann nicht, wenn sie dem Normalstatus eines katholischen oder evangelischen Geistlichen nicht entsprechen. - Als Beispiel einer vernünftigen Regelung dieses Problems können die Vereinigten Staaten dienen.
Mit Logik allein ist dem Problem der Wehr- und Ersatzdienstverweigerung der Zeugen Jehovas nicht beizukommen. Vieles an ihrer Argumentation ist widersprüchlich. Das liegt nicht zuletzt an der Organisation der Gemeinschaft, die es dem einzelnen überläßt, sich die Argumente und Bibelstellen zu seiner Verteidigung zusammenzusuchen. Erschwerend wirkt auch die völlig apolitische Einstellung der Zeugen Jehovas. Von ihnen sind deshalb keine Vorschläge zur Lösung des Problems zu erwarten. - Es gehört jedoch zum Wesen einer funktionierenden Demokratie, daß der Staat auch Minderheiten gegenüber bereit ist, ihre Gewohnheiten zu respektieren. Darüber hinaus sollte der Respekt vor dem persönlichen Mut der Zeugen Jehovas eine Überprüfung des derzeitigen Ersatzdienstgesetzes ermöglichen. Solange man aber den Gewissensentscheid eines Zeugen Jehovas einer kriminellen Handlung gleichsetzt und vom "gleichen Recht für alle" spricht, macht man es sich zu einfach
Auch in der einschlägigen juristischen Literatur spiegelte sich das wieder. So unter anderem auch in der Dissertation des Ulrich von Burski aus dem Jahre 1970, mit nachfolgenden Auszügen daraus:
Besonders deutlich kam diese Problematik auch auf einer Tagung der Zeugen Jehovas für ihre Funktionäre, Ende 1993 in Berlin, zum Ausdruck. Bezüglich dieser Tagung wurde schon mal kommentiert:
Die Lösung ist ganz einfach. Sie heißt Gewissensentscheidung. Einen ersten Probelauf dieser neuen Taktik der WTG konnten die Ältesten aus den neuen Bundesländern erleben, die man im Oktober 1993 in Berlin zusammengetrommelt hatte, um ihnen klar zu machen, wie das mit der Theokratie zu verstehen sei (siehe: "Legt euer Geld zu Füßen der Apostel nieder"). Dabei ging es zwar vorrangig um den Bau von Königreichssälen. Doch ein Vortrag beschäftigte sich auch mit dem Thema Zivildienst. Der Redner hieß Uwe Herrmann und wurde als Mitglied der Rechtsabteilung in Selters vorgestellt. Seine Ausführungen machen deutlich, welche scheinheilige Argumentation man in Zukunft von der WTG zu erwarten hat:
"Die Wahrung der Neutralität ist eine Angelegenheit, die
jedem Zeugen Jehovas persönlich in seinem biblisch geschulten Gewissen berührt",
lauteten die einleitenden Worte, ergänzt durch den Hinweis zum Thema
Zivildienst: "Die leitende Körperschaft... hat sich daher stets irgendwelcher
Stellungnahmen enthalten. Niemand wünschte, andere in ihrer
Gewissensentscheidung zu beeinflussen." Es folgte eine ebenso falsche wie
dreiste Erklärung, warum es angeblich ohne jegliche Einflußnahme in Sachen
Zivildienst trotzdem zu einer so einmütigen Gewissensentscheidung gekommen sei:
"Das Zivildienstverhältnis ist ebenfalls auf Befehl und Gehorsam aufgebaut, wie
das Wehrdienstverhältnis. Der Zivildienst ist Erfüllung der Wehrpflicht. Der
Zivildienst ist von seiner Anlage her mit der zivilen Verteidigung verknüpft.
Und so erklärten die einzelnen Brüder aufgrund ihrer eigenen
Gewissensentscheidung, daß sie die Ausübung des Zivildienstes nicht mit ihrem
Gewissen vereinbaren können."
Die WTG will also allen Ernstes der Öffentlichkeit weis machen, daß alle jungen Zeugen Jehovas in der Vergangenheit den Zivildienst einzig und allein aufgrund ihrer persönlichen Überzeugung ablehnten. Seltsam ist allerdings, daß diejenigen, die sich bewußt für den Zivildienst entschieden, von der Gemeinschaft ausgeschlossen wurden. Noch seltsamer ist, daß diese angeblich "eigene Gewissensentscheidung" plötzlich völlig anders ausfällt, seitdem die WTG in Sachen Zivildienst zu einer "erweiterten Erkenntnis" gekommen ist. Mit anderen Worten, wenn die WTG Begriffe wie "eigene Gewissensentscheidung" oder "persönliche Entscheidung" in den Mund nimmt, dann handelt es sich lediglich um Stichworte einer neuen Taktik, mit der sich die "leitende Körperschaft" mal wieder aus der Verantwortung stehlen möchte.
Exemplarisch bringt dies auch der Österreichische Rechtsanwalt und Zeuge Jehovas, Reinhard K. in dem von ihm im Jahre 2000 herausgebenen Buch "Gewissensfreiheit und Militärdienst" zum Ausdruck. Nachdem er rekapitulierte: Es gab auch in Österreich, nach anfänglicher Liberalität den Zeugen Jehovas gegenüber, eine Phase, wo die "Militärfalken" ihre Sicht der Dinge durchsetzen wollten. Und dass in dieser Phase - auch in Österreich - Zeugen Jehovas in die Gefängnisse wanderten; namentlich auch wegen der Ersatzdienstverweigerung.
Als Beispiele für die "Falkenphase" nennt K. (S. 87): " Zum Beispiel OLG Wien im Fall des Wehrdienstverweigerers Michael Prikowitsch ... Prikowitsch verbrachte 195 Tage in Untersuchungshaft! Ähnlich (der Fall unter dem Aktenzeichen) 21 Bs 92, 99/95; der betreffende Wehrdienstverweigerer verbrachte insges 204 Tage in Untersuchungshaft!"
Nach dieser
Bestandsbeschreibung, muss K. dann einräumen, dass der 1996er Wehrdienstschwenk
der WTG "Wunder" wirkte. Dazu K. (S. 88 Fn 31):
"Mir sind seit dieser Neuregelung keine Fälle von Zivildienst verweigernden
Zeugen Jehovas (mehr) bekannt geworden."
Entnommen aus: InfoLink-Diskussionsforum (LuckyX)
Die wundersame Metamorphose des persönlichen Gewissens, das zu unterschiedlichen Epochen so unterschiedlich entscheiden kann - gibt es somit überhaupt ein persönliches Gewissen in einer totalen mind control Umgebung ? Seit der Wiederbewaffnung der BRD gab es das Recht auf Verweigerung, dies vor dem Hintergrund der glorreichen tausendjährigen Vergangenheit. Rekrutiert wurden Jugendliche ab Jahrgang 38, Jahrgang 37 galt noch als "weißer", freizustellender Jahrgang. Viele junge Brüder beriefen sich damals auf den Status eines Geistlichen und meines Wissens gelang es nur ein oder zwei wenigen Kreisdienern (wie sie damals hießen) und Sonderpionieren, damit auf dem Gerichtsweg durchzukommen, genau weiß ich das aber nicht mehr. Im allgemeinen aber sprach man ihnen diesen Status im Hinblick auf ihren Laienhintergrund schlechtweg ab - und meiner heutigen Meinung nach wohl zu Recht. Also gab es, wie für das Fußvolk auch, auch für sie das Problem der Ersatzdienstverweigerung, wie das damals hieß. Die Richter, sensibilisiert von der Nazivergangenheit, waren in der Regel betroffen bis verzweifelt, hatten aber keine andere Wahl, als die jungen Brüder zu Gefängnisstrafen zu verurteilen. Und dies gleich zwei Mal, denn wenn die Delinquenten die Gefängnisse verließen, erwartete sie gleich der erneute Einberufungsbefehl. Ich gehörte zu jenen frühen Totalverweigerern.
Was sagte uns unser Gewissen damals? Wir hatten den Wehrdienst verweigert, nicht primär wegen des Aspektes des Tötens, das spielt sicher mit hinein, aber der tieferliegende Grund war die Verletzung der Neutralität. Wir waren ja Soldaten Christi (hier galt die Schrift plötzlich nicht nur für die "Gesalbten", sondern für uns alle), Botschafter an Christi Statt (wir oder die "Gesalbten" ?), zumindest Bürger eines real existierenden Königreiches und konnten somit nicht einem anderen König dienen. Deshalb wollten wir ja auch nicht wählen, hatten wir doch schon unseren König gewählt und waren kein Teil dieser Welt, dies im staatsrechtlichen Sinne, was die Realität sicher in höchstem Maße verleugnete. Und der Ersatzdienst ? Schon das Wort Ersatz war uns doch Beweis genug, Ersatz für etwas Unannehmbares mußte doch gleichermaßen verwerflich sein. So sprach der alleinige Kanal Gottes und so empfand es dann auch unser Gewissen ...
Hierzu gab es eine höchst alberne Illustration, die ich aber auch glühend vortrug : Stellen Sie sich vor, Sie sind deutscher Botschafter in Moskau. Leisten Sie dort für die Sowjets Wehrdienst? Nein, Sie weigern sich, denn das können Sie als Bürger eines anderen Staates schon aus Neutralitätsgründen nicht tun. Und wir sind Botschafter des himmlischen Königreiches. Und wenn die Russen Sie auffordern, statt dessen im Krankenhaus einen sozialen Dienst zu leisten? Nein, das würde ja sanktionieren, daß Sie wehrpflichtig sind, würde also die Neutralitätsverletzung sanktionieren, nur eben in der Form eines Ersatzes und so weiter. Bla, bla, bla, bla - und das hörten sich die Richter mit mehr oder weniger Geduld an, manche von Ihnen verhängten harte Strafmaße von 15 oder 16 Monaten, andere von drei Monaten, letztere flehten die Verurteilten auch noch an, das Urteil anzunehmen, sonst kämen sie bei Berufung ebenso wie bei Freispruch, den sie ja so gerne aussprechen würden, in der nächsten Instanz in die nahegelegene Stadt X. und dort würden vier oder fünf Mal so hohe Strafmaße verhängt - ich habe das selbst miterlebt, da wir Jungen natürlich unsere Freunde zu den Gerichtsverhandlungen begleiteten, wie zu einer Hochzeit oder Beerdigung.
Und beim zweiten Urteil verhängten einige milde Richter pro forma nur einen Monat, um dem Gesetz Genüge zu tun, eine Berufung mit höherem Urteil zu unterlaufen und die "armen Verführten" de facto vor sich selbst zu schützen. Heute habe ich den Eindruck, manche Richter zeigten durch Auskaufen ihrer Handlungsfreiheit vor dem Gesetz mehr Gewissen als unsere Brüder selbst, die zwar meinten, selbst zu entscheiden, aber unbewußt nur die Erwartungen ihres hochgradig suggestiven Umfeldes erfüllten - sonst könnten auch heute die jungen ZJ nicht anders entscheiden.
Um dieselbe Zeit jedenfalls konnten sich junge ZJ in Mexiko durch Bestechung der Behörden ein Schreiben beschaffen, wonach sie den Dienst bereits geleistet hätten und zur Reserve gehörten. Und das mit ausdrücklicher Zustimmung von Brooklyn, denn das Zweigbüro hatte den Governing Body mehrfach um Stellungnahme gebeten, die dann auch in positivem Sinne kam - siehe Ray Franz, Conflict of Conscience - und dazu führte, dass alle Brüder - auch und gerade die Vollzeitdiener - dort diesen Ausweg benutzten.
Manche junge ZJ gingen in den 60-ern nach Berlin oder verlegten irgendwie ihren offiziellen Wohnsitz dorthin, was zwar nicht von der WTG geahndet werden konnte, da aber die meisten von ihnen in Berlin sehr bald abtauchten, konnte man darauf verweisen, wie wichtig es sei, das ganze offen und ehrlich durchzustehen, der verheißene Lohn war ja groß. Mit der großen Koalition 1966 begann die Regierung, nach anderen Wegen zu suchen, es war ihr ganz offenkundig unangenehmer als der WTG selbst, die jungen ZJ ins Gefängnis schicken zu müssen. Besonders engagierte sich Justizminister Heinemann, der spätere Bundespräsident. Man nahm Kontakt mit Wiesbaden auf (also vor Selters) und bat die WTG, doch Einfluß auf ihre Anhänger zu nehmen, es gehe doch nur um einen sozialen Beitrag zum Staat und man unterstünde schon von jeher zivilen Behörden wie dem Arbeitsministerium oder dem Bundesverwaltungsamt und ähnlich, man änderte auch mehrfach den Namen, um das den jungen ZJ schmackhafter zumachen - es gab den Zivildienst, den Sozialdienst, die Einberufung oder die Vorwegnahme durch Suche einer zivilen Anstellung bei der Feuerwehr, dem Roten Kreuz etc. was man denn auch anerkennen wolle.
Die WTG blieb aber stur, das sei nur die persönliche Angelegenheit jedes einzelnen und seines Gewissens, darauf könne sie keinen Einfluß nehmen. Und so verlief alles im Sande. Um die Zeit, als man sich in Bonn aber noch ein Gelingen versprach, wollte man die voll laufende Verurteilung von Totalverweigerern einstweilig stoppen und so erhielten einige Brd. darunter auch ich, ein Schreiben (ich glaube vom Bundesverwaltungsamt), wir sollten uns vorerst nicht mehr melden, eine Einberufung zum Ersatzdienst sei in absehbarer Zeit nicht beabsichtigt. Ich hatte wegen meines Studiums Rückstellung bekommen und hatte jahrelang eine Immatrikulationsbestätigung einzureichen, was nun entfiel. Ein anderer Freund, der im väterlichen Betrieb arbeitete, hatte ebenfalls Aufschub bekommen, da der Vater schrieb, in der aktuellen Rezession würde sein Betrieb den Abgang seines Sohnes nicht verkraften und in den weiteren Jahren über den wirtschaftlichen Stand seines Betriebes regelmässig Bericht erstatten mußte. Mit diesem Schreiben waren wir plötzlich und unverhofft aller Sorgen frei und haben auch nie wieder etwas gehört. Als aber die Gespräche Bonn - WTG scheiterten, ging es wieder weiter wie vorher und zahllose junge ZJ traten wieder den Gang in die Gefängnisse an. So kurz vor Harmagedon, angesichts dessen was man uns doch so an Eindeutigem und Unmißverständlichem über das bevorstehende Ende, besonders aber 1975 sagte - dutzende und hunderte Male in Publikationen und auf Kongreßen, nahm man das gerne in Kauf.
Ein Bruder aus meiner weiteren Umgebung arbeitete bei der Feuerwehr und wurde deshalb nicht zum Ersatzdienst einberufen. Er bekam tatsächlich Probleme mit den Ältesten, die meinten, das sei eine unsaubere Lösung (sauber hieß damals noch, den geraden Weg in die Gefängnisse zu gehen). Was dann aber doch schließlich kam, war eben die schon erwähnte freiwillige Suche eines zivilen Arbeitsverhältnisses in einer sozialen Einrichtung, was den Behörden erlaubte, dies einfach als gleichwertig zum Ableisten des Ersatzdienstes oder wie immer man das dann nannte, anzusehen (Eine Sache wird nicht unbedingt anders, wenn man ihren Namen ändert - nur wenn man seinen Blickwinkel ändert - meinen die Positivisten und Konstruktionisten jedenfalls). Das wurde irgendwann in den 70-ern von der WTG geduldet, vielleicht gab es doch eine verdeckte Einigung, jedenfalls nichts Offizielles. Von der eben erwähnten Argumentation, die Fragwürdigkeit des Ersatzaspektes betreffend, sprach niemand mehr.
Dann stieg ich aus anderen, sehr tiefgehenden Gewissensgründen - das war ein schmerzhafter Prozess, hatte ich doch all meine Ideale und Emotionen investiert und mein Leben danach ausgerichtet -, allmählich aus der WTG aus und habe ein wenig den Kontakt zur Tagesaktualität verloren. Wenn ich aber von jungen Brüdern höre, man könne heute den Zivildienst leisten, weil man ja nicht mehr dem Verteidigungsministerium unterstünde, ist das schlicht unzutreffend, man hat sie getäuscht oder belogen. Die WTG schweigt dazu oder leugnet oder verfälscht die Vergangenheit oder, letzter Ausweg, wirft unangenehme Fragesteller mit gutem Gedächtnis einfach hinaus. Repressalien?? Ja, die hätte es ganz sicher gegeben, ich kenne aber aus meiner Umgebung keinen konkreten Fall, einfach weil alle sich der großen Suggestion beugten und meinten, ihr eigenes Gewissen sage ihnen das. Haben sie das aber wirklich?? Und tun das die heutigen Jungen wirklich? Und gilt das nicht auch für alle sonstigen Verhaltensbereiche, wo die große Suggestion uns sagt, was unser Gewissen uns zu sagen hat?? Wie hieß es doch immer im WT oder KD: Frage eines Lesers: Wie sollte ein reifer Christ über ... denken - oder wie denkt Ihr über ... ?? (Niemand kennt meine Gedanken, Jes. 55:11) Und dann entscheiden wir selbst und persönlich??
Die gute Nachricht: WTG beugt sich mehr und mehr den Realitäten, sie wird pragmatischer, in USA heißt es ganz klar WTS goes mainstream und das sehen wir auch in Bulgarien, Frankreich etc. Wenn auch nicht freiwillig, aber die Entwicklung der human rights erfasst allmählich den ganzen Globus, auch wenn es noch lange dauern mag. WTG würde gerne ihr muffiges "geistiges Paradies" in der perfektionierten Totalität weiter aufrechterhalten, doch ihre Stunde hat schon geschlagen, sie gehen eben letztlich doch mainstream. Daher: Freiheit den Unterdrückten Jesus hatte da keine Bedingungen drangeknüpft, ich denke da an den Verhaltenstalmud der WTG aller totalitären Gruppierungen - Ich meine, es ist anzuerkennen, wenn Jugendliche glauben und dafür eintreten, aber sie sollten bitte den Mut haben, ein EIGENES GEWISSEN zu entwickeln und autonom und selbstverantwortet zu handeln/entscheiden - und dies OHNE Repressalien seitens Big Brothers...
Gruß LuckyX
Von Tim am Freitag, den 19. Oktober, 2001 - 18:12:
Hallo
es gibt hier im forum sicher einige ex-älteste.
ich frage mich schon die ganze zeit "warum"?
ich meine warum seit ihr erst jahrelang älteste und dann steigt ihr aus?
mich würde auch interessieren welche zweifel ihr hattet, und woher die zweifel
kamen, und warum ihr früher keine zweifel hattet...
das interesiert mich...
ich würd mich freun wenn hier einige aus erfahrung berichten könnten.
gruß Tim
Von Paul am Freitag, den 19. Oktober, 2001 - 18:59:
Hi Tim,
warum ich ausgestiegen bin?
Weil es mir irgendwann einmal zuviel wurde. In einer jahrelangen Entwicklung
habe ich immer wieder versucht mit immer mehr werdenden Punkten die ich nicht
vertreten konnte fertig zu werden. Irgendwann habe ich bestimmte Vorträge nicht
mehr gehalten und meine Zuteilungen in der D(ienst)Z(usammenkunft) immer wieder
gegen für mich annehmbare Themen getauscht.
Und irgendwann war dieser Spagat zwischen der Lehre und meinem eigenem Wissen
für mich so schmerzhaft, daß ich ihn nicht mehr aushielt.
Zweifel hatte ich schon als Jugendlicher. Habe sie aber immer wieder verdrängt
oder bagatellisiert.
Dabei gab es schon einige
Meilensteine in meiner Entwicklung.
Einer war die Geschichte mit dem Wehrdienst. Ich gehöre noch zu der Generation
die wegen Kriegsdienstverweigerung ins Gefängnis kam. Und ich erinnere mich sehr
genau an die damalige Lehre und an meine Verhandlung mit der Gefängnisstrafe vor
Augen.
Und dann las ich vor ein paar Jahren im W(achtturm), daß einige diese Lehre
falsch verstanden hätten und sich aufgrund dieses falschen Verständnisses mit
vielen Schmerzen durchbohrt hatten. Daß das aber eine gute Gelegenheit für sie
war ihren Glauben zu J(ehova) zu beweisen.
Ich freute mich für die jungen Brüder, daß sie jetzt Ersatzdienst machen
durften, aber die Aussagen über mein Falschverständnis usw. waren für mich ein
Schlag ins Gesicht.
Und prompt erinnerte ich mich, daß ich mich ja schon nach 1975 über gleiche
Aussagen geärgert hatte.
Etwas später erinnerte ich mich meiner alten Zweifel über 1914, besorgte mir
heimlich und voller Angst (J(ehova) im Himmel sieht schließlich alles und bringt
alles ans Tageslicht) den
Olof Jonsson und dann ging es schnell, ich fand InfoLink und das Forum und
las Franz, der mir soviel bestätigte und verdeutlichte und erklärte was ich aus
meiner eigenen Zeit als Ä(ltester) kannte und das war's.
In Ergänzung dazu noch die "butterweiche" Erklärung eines offiziellen Vertreters der Zeugen Jehovas:
Während der mündlichen
Verhandlung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts Karlsruhe, am
20.09.2000, in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde, wurde auch das
Thema Zivildienst angesprochen und Herr P., der Rechtsanwalt der ZJ nahm dazu
Stellung. Gibt es eine "interne Wahrheit" und eine "Wahrheit für die
Öffentlichkeit"?
Herr Glockentin: . . . Wenn sie gestatten, würde ich gerne Herrn P., die
Gelegenheit geben, zu dem Zivildienst kurz Stellung zu nehmen, weil er sich da
besser auskennt.
Herr P.: Hohes Gericht, die Frage des Zivildienstes und die Lehränderungen der
ZJ dazu, ist oft viel interpretiert worden, insbesonders als Änderung im Verlauf
des Verfahrens hier, das ist nicht richtig. Es ist eine weltweite Lehränderung,
die sich aber nicht auf den Standpunkt der Neutralität bezieht, das ist
vielleicht wichtig wahrzunehmen, sondern mehr auf eine Argumentation, die man
früher verfolgt hat, die man unterscheidet mit dem "stehen unter einem
Zwangsverhältnis", oder "unter Befehlsgewalt". Das waren ja zwei Argumentationen
die auch vertreten wurden, nicht nicht nur ZJ in unserem Land, warum sie den
Zivildienst verweigert haben, sondern generell. Zum einen, daß man gesagt hat,
es ist eigentlich wie Wehrdienst ein Zwangsverhältnis, wo man unter Befehl
steht, und zwar in einem erhöhten Maße als zum Beispiel ein Beamter, und in
diesem engen Befehlsverhältnis könne man nicht stehen, weil man sich ja Gott
hingegeben habe. Deshalb könne man sich nicht in der Befehlsgewalt einens
Menschen in dieser Weise ausliefern. Der zweite Punkt, warum man in unserem Land
gesagt hat, der Zivildienst ist nicht vereinbar, ist gewesen im Zusammenhang mit
der Nachrangigkeit zum Wehrdienst und der Tatsache, daß §3 Wehrpflichtgesetz
immer noch aussagt, daß es die Erfüllung der Wehrpflicht bedeutet. Allerdings
hat man weltweit festgestellt, daß in immer mehr Ländern ein getrennter
Zivildienst eingeführt wurde, zwar unter einer solchen Befehlsgewalt, unter
einem solchen Zwangsverhältnis, wie wir das auch bezeichnen, aber eben doch
getrennt vom Wehrdienst. Und auch in unserem Land hat sich diese Trennung ja
immer stärker vollzogen. Ich möchte daran erinnern, daß Anfang der Achziger
Jahre, noch Zivildienstleistende mit Bundeswehrsoldaten in NATO-Manövern geübt
haben, in den sogenannten ??Mintex-Sintex-Manövern?? auch unter Protest von
vielen Zivildienstleistenden damals. Das alles beobachtet man heute nicht mehr
und auch ZJ wurden in Strafverfahren bei Zivildienstverweigerungen häufiger
gefragt, ob es denn nicht eine leere Formel wäre, wenn §3 Wehrpflichtgesetz
sagt, daß man dadurch die Wehrpflicht erfüllt, weil faktisch eben der
Zivildienst doch etwas Eigenständiges geworden sei, wo man eine soziale Pflicht
erfüllt. Diese weltweite Faktoren haben dazu geführt, daß man den Standpunkt
überdacht hat, kann man sich in einem solchen Befehlsverhältnis bewegen, und
dann hat man eine Änderung vollzogen, und gesagt, auch im Hinblick auf einen
Bibeltext, Matthäusevangelium Kapitel 16, dort wird zum Beispiel gesagt: "Wenn
dich einer zum Dienst für eine Meile zwingt, mit Befehlsgewalt, dann gehe
freiwillig zwei Meilen mit". Das hat also dazu geführt, daß man insoweit eine
Änderung des Lehrpunktes vorgenommen hat, daß man gesagt hat, es ist
grundsätzlich möglich, sich in ein solches Verhältnis zu begeben, und es ist an
dem Einzelnen, wenn in diesem Befehlsverhältnis ein Punkt auftauchen würde, wo
man Glaubensgebote oder Verbote übertreten müßte, dann zu sagen, an diesem Punkt
verweigere ich, aber nicht von vornerein das ganze Verhältnis abzulehnen. Das
war also diese wesentliche Änderung, die dazu geführt hat, soweit ich den
Überblick habe, wohl weltweit, daß ZJ mittlerweile Zivildienst leisten. In
unserem Land ist dann abgewogen worden, und es war der Punkt, der auch in der
Schrift vom 1.5.; in dem WT vom 1.5.1996, denke ich, war es, wo diese
Lehränderung besprochen wurde, auch aufrecht erhalten wurde, es wurde gesagt, es
ist trotzdem von Land zu Land zu prüfen, ist es mit unserer Neutralität
vereinbar. Also an diesem Grundsatz hat sich nichts geändert. Und für unser Land
wurde eben dann gesagt, daß muß der Einzelne entscheiden, weil in §3 des
Wehrpflichtgesetz diese Bestimmung nach wie vor da ist. Also, rein rechtlich
gesehen ist es noch die Erfüllung der Wehrpflicht. Es gibt auch noch das Konzept
der Gesamtverteidigung, das stand immer im Hintergrund, daß man sagte, auch
zivile Verteidigung muß existieren, auch in Vorbereitung auf den Ernstfall. Und
es ist eben gesagt worden, diese Faktoren muß der Einzelne für sich prüfen, aber
diese Entscheidung kann auch so ausfallen, daß man Zivildienst leistet. Ich
hatte neulich in einem Strafverfahren, eines der sehr wenigen, die in dieser
Hinsicht noch vorkommen, eine Auskunft des Bundesamts für Zivildienst, das von
dem Gericht angefordert worden war, wie weit solche Verfahren noch vorkommen und
wieviele ZJ den Zivildienst leisten? Dort war die Aussage gewesen, daß
eigentlich ZJ mittlerweile den Zivildienst leisten, wie alle anderen Gruppen,
daß es Ausnahmefälle nur noch sehr geringer Art gibt. Das hängt mit dem
Geistlichen-Privileg zusammen, nicht alle unsere Geistlichen sind mit den
Geistlichen der anderen Kirchen gleichgestellt, im Sinne des Wehrdienstgesetzes,
und können deshalb in dieser Hinsicht befreit werden. Diese entscheiden sich
dann, das Geistlichenamt fortzusetzen, und deswegen den Zivildienst noch zu
verweigern. Ansonsten ist es wohl so, daß ZJ mittlerweile den Zivildienst
leisten, wie alle anderen auch.
In Ergänzung der aalglatten Ausführungen des Herrn P., noch einige Kommentare aus der Praxis:
Von German JW am Dienstag, den 12. Februar, 2002 - 22:06:
Und aus dem
Wachtturm vom 15. August 1998:
Quote:
6 In der Vergangenheit
haben einige Zeugen Jehovas leiden müssen, weil sie eine Tätigkeit ablehnten,
die ihr Gewissen heute zulassen würde. Das könnte zum Beispiel mit der
Entscheidung zusammenhängen, die sie vor Jahren hinsichtlich bestimmter Formen
von zivilen Diensten getroffen haben. Ein Bruder ist inzwischen womöglich zu der
Überzeugung gelangt, er könne mit gutem Gewissen solche Dienste verrichten, ohne
seine christliche Neutralität gegenüber dem gegenwärtigen System der Dinge zu
verletzen.
7 War es von seiten Jehovas ungerecht, zuzulassen, daß jemand leiden mußte, weil
er etwas ablehnte, was er heute ohne weiteres tun könnte? Die meisten, denen es
so ergangen ist, sehen das anders. Sie freuen sich vielmehr, daß sie Gelegenheit
hatten, öffentlich und eindeutig ihre Entschlossenheit zu beweisen, in der
Streitfrage der universellen Souveränität festzubleiben. (Vergleiche Hiob 27:5.)
Aus welchem Grund sollten sie es bedauern, ihrem Gewissen gefolgt zu sein und
unerschütterlich für Jehova Stellung bezogen zu haben? Durch das loyale
Festhalten an christlichen Grundsätzen, wie sie sie verstanden, oder dadurch,
daß sie der Stimme des Gewissens folgten, erwiesen sie sich der Freundschaft
Jehovas als würdig. Es ist gewiß vernünftig, eine Handlungsweise zu vermeiden,
die das Gewissen belasten oder andere womöglich zum Straucheln bringen würde.
(S. 17)
Von jojo am Dienstag, den 12. Februar, 2002 - 23:16:
Da habe ich damals
schon das Kotzen gekriegt!
Jojo
Von Merlin am Mittwoch, den 13. Februar, 2002 - 09:38:
Lieber GJW,
ich hatte bereits wie Jojo damals einen dicken Hals, als ich die angebliche
Erfahrung mit den Brüdern aus Griechenland las.
Mit anderen Worten wurde hier dem Leser und damit der Zeugenschar weltweit
einsuggeriert, daß man frisch und fröhlich und vor allem dankbar im Gefängnis
sitzt, selbst wenn es umsonst war, wie es sich durch das "neue Licht"
herausstellte.
Welch menschenverachtende Methode. Die Wirklichkeit sah nämlich anders aus. Ich
weiß von den Nöten bei den betreffenden
Zeugen, zu denen und vor allen auch finanzielle gehörten. Auch die
Schwierigkeiten in manchen Ehen, falls verheiratet, und vor allem am
Arbeitsplatz waren enorm!
Aber das war den hohen Herren in Brokklyn immer egal gewesen, saßen sie doch
abgesichert und wohlversorgt in
ihrem Brooklyntower! Gerne wärmte man das Märchen des ach so schlimmen
Gefängnisaufenthaltes von Rutherford und seinen Gesellen auf, um wenigstens noch
in den Abglanz einer möglichen Verfolgung zu kommen!!
Und das Schlimme ist, daß so viele Zeugen herzlos und desinteressiert auf solche
Vorgänge ragieren. Deshalb habe ich auch kein Mitleid mit irgendjemand aus
diesem Verein der anhaltenden Vernichtung des Systems der Dinge!
Von Merlin am Mittwoch, den 13. Februar, 2002 - 11:42:
Es gilt noch
nachzutragen, daß bis Ende der 60er Jahre Zeugen sogar mehrmals ins Gefängnis
mußten. Ich persönliche kenne noch Personen! Ich hatte Glück, denn ich war nicht
tauglich! Erst Anfang der 70er Jahre wurde dann ein spezielles Gesetz erlassen,
die sogenannte " LEX ZEUGEN JEHOVAS". In diesem Gesetz wurde dann ein freies
Arbeitsverhältnis über 2 Jahre in einem Krankenhaus o.ä. vorgegeben, um einer
Bestrafung zu entgehen. Allerdings hatte das arbeitsrechtliche Konsequenzen. Ein
Beschäftigter, der kündigte, um dieses Verhältnis anzutreten, hatte nach
Beendigung kein Recht auf Wiedereinstellung, wie z.B. beim Wehr- oder
Ersatzdienst.
Ich kenne allerdings eine Menge junger Brüder, die 30-40 Bewerbungen vor Gericht
vorlegten, da sie angebliche keine Stelle bekommen hätten. Jedoch waren diese
Briefe in der Mehrzahl garnicht abgesandt worden, was das Gericht nicht
nachprüfte.
Man nahm gern eine Geldstrafe über 1500 bis 2000 DM auf sich, um seinen eigenen,
evtl. sogar lukrativen Job nicht zu gefährden.
Karitativer Dienst kam solchen jungen kräftigen Zeugen garnicht in den Sinn,
denn die eigene Spitze hielt ja solche Dienste für verpönt und eine
ausschließliche Angelegenheit des Satansstaates oder den Einrichtungen der
Kirchen und damit Großbabylons!
Von jojo am Mittwoch, den 13. Februar, 2002 - 16:27:
Es trieb aber noch
weitere Blüten: Ein mir bekannter Bruder wollte gerne eine Strafe zahlen, statt
dafür irgendein Arbeitsverhältnis einzugehen. Da machte man ihm klar, dass das
auch nicht ganz in Ordnung wäre, denn wenn man "Strafe" zahlt, gibt man ja damit
zu, dass man selbst also falsch handelt.
Ebenso schräg wurde bei manchen bzgl. der Klassensprecherwahlen gedacht (und
gesagt): Man durfte nicht eine Stimmenthaltung abgeben, sondern musste erklären,
dass man nicht mitmacht, denn wenn man einen Wahlschein abgibt, auch wenn er
leer ist, hat man sich ja doch beteiligt.
Wenn man alles zusammenzählt, was einem schon zu "Spitzen-ZJ-Zeiten" blöd
vorkam, kann man sich eigentlich schämen, es erst so spät richtig gemerkt zu
haben:-(
Von Charly am Dienstag, den 6. August, 2002 - 01:12:
<Von einem Ältesten aus
meiner Versammlung wurde argumentiert, dass der Zivildienst unter den Zeugen
Jehovas deswegen zugelassen wurde, weil sich die Gesetze geändert hätten und nun
nicht mehr das Verteidigungsministerium für Wehrdienstverweigerer zuständig sei.
Hier ist meiner Meinung nach die Schwelle von der Schönfärberei zur bewußten
Lüge überschritten., soweit ich denken kann, ist für ZDLer schon immer das
Bundesamt für Zivildienst in Köln die Anlaufstelle..
Diese „Erklärung" hört man nicht nur von ZJ in Deutschland sondern auch im
Ausland. In den Augen der ZJ trägt also der Staat die Schuld dafür, daß in
vielen Ländern ihre Brüder Gefängnisstrafen erdulden mußten weil sie nicht nur
den Militärdienst, sondern auch noch den Zivildienst verweigerten. Dabei könnte
sich jeder ZJ durch die WT-Literatur überzeugen, daß dem nicht so ist.
In Erwachet! vom 8.3.1975 S.22-25 erschien ein Artikel „Vom „Awake!"-Korrespondenten
in den Niederlanden". Auszugsweise war darin zu lesen:
„Am 26. März 1971 konferierten drei Vertreter der Zeugen Jehovas mit Vertretern
des Verteidigungsministeriums und des Justizministeriums. Das Gespräch dauerte
zweieinhalb Stunden.
Eine der ersten Fragen, die von Mitgliedern dieser Kommission gestellt wurden,
lautete: „Daß Sie keinen Wehrdienst leisten wollen, ist klar und bedarf keiner
weiteren Erklärung. Aber was haben Sie eigentlich gegen den zivilen
Ersatzdienst?" ...
Durch andere Fragen wurde die Sache noch mehr präzisiert. „Wenn jemand keinen
Wehrdienst leisten kann", erklärten die Vertreter der Regierung, „untersteht er
nicht mehr den Militärbehörden, sondern den zivilen Behörden, und von diesem
Augenblick an hat er nichts mehr mit dem Militär zu tun. Warum können Sie einen
solchen Zivildienst dennoch nicht leisten?"
[Antwort der Vertreter der Zeugen Jehovas]: Christen sind nicht bereit, einen
solchen Dienst zu leisten, weil im Gesetz Gottes gesagt wird: „Ihr seid um einen
Preis erkauft worden, werdet nicht mehr Sklaven der Menschen" (1. Kor. 7:23).
Der Christ verweigert auch den Zivildienst, der als Ersatz für den Militärdienst
gilt. In Wirklichkeit würde er durch diesen Dienst ein Teil der Welt werden,
Jesus aber gebot, sich von der Welt getrennt zu halten (Joh. 15:19; 17:14-16)."
Nicht der böse Staat als „wildes Tier", sondern die leitende Körperschaft - die
in ihrem brooklyner Tower in Sicherheit war - trägt also die Schuld dafür, daß
unzählige junge ZJ ihre besten Jahre im Gefängnis verbrachten, oft mit den
gemeinsten Verbrechern in einer Zelle! Das Ausmaß der Fehlentscheidung der
leitenden Körperschaft über die sogenannte Neutralitätsfrage läßt sich nur
erahnen wenn man einige Zitate aus der WT-Literatur zur Kenntnis nimmt:
Jahrbuch der ZJ 1980 S.133-134 Frankreich:
„Da es in Frankreich kein Gesetz gibt, das Predigern die Befreiung vom
Militärdienst gewährt, waren einige junge Zeugen schon nahezu 10 Jahre im
Gefängnis. General de Gaulle veranlaßte, daß diejenigen freigelassen wurden, die
schon fünf und mehr Jahre im Gefängnis saßen. Später verkürzte seine Regierung
die Gefängnisstrafen, die unsere Brüder erhielten, auf die doppelte Länge der
regulären Wehrdienstzeit. Das bedeutete, daß, wenn junge Franzosen für 18 Monate
zum Militärdienst einberufen wurden, unsere Brüder eine dreijährige
Gefängnisstrafe erhielten. Das war weit besser als vorher, als unsere Brüder mit
20 Jahren ins Gefängnis kamen und keine Vorstellung davon hatten, wann sie
wieder frei sein würden."
Jahrbuch der ZJ 1982 S. 222-224 Italien:
Die ersten Brüder, die in dieser Zeit vor Gericht gestellt wurden, erhielten
hohe Gefängnisstrafen und mußten im Gefängnis eine schwere Zeit durchmachen.
Einige wurden fünf- bis sechsmal vor Gericht gestellt und erhielten
Gefängnisstrafen, die sich insgesamt auf vier oder mehr Jahre beliefen. Wenn
nämlich ein junger Zeuge aus dem Gefängnis kam, wurde er erneut zum
Militärdienst eingezogen und jedesmal, wenn er sich weigerte, wieder ins
Gefängnis geschickt. Das hätte theoretisch so lange weitergehen können, bis er
das Alter von 45 Jahren erreichte und der Wehrpflicht nicht mehr unterlag. Doch
nachdem die Brüder einige Male im Gefängnis gewesen waren, wurden sie von den
Militärbehörden gewöhnlich aus Gesundheitsgründen freigestellt, weil man keine
Märtyrer aus ihnen machen wollte. Man schrieb ihnen „religiösen Wahn" oder
„religiöses Delirium" zu. Mit anderen Worten: Sie wurden als geisteskrank
angesehen."
Heutige ZJ werden ihren Augen nicht trauen wenn sie folgendes Zitat lesen:
Jahrbuch der ZJ 1991 S.161-167 Schweden:
„Vor dem Zweiten Weltkrieg leisteten die Brüder in der Regel zivilen
Ersatzdienst als Feuerwehrleute, Waldarbeiter oder Ausgräber an archäologischen
Stätten und verrichteten eine Vielzahl anderer ziviler Dienste."
Wir stellen fest: Vor dem Zweiten Weltkrieg leisteten also JZ in der Regel
zivilen Ersatzdienst, dann verweigerten sie diesen während des Krieges und bis
Mitte der 90iger Jahre. Da erschien plötzlich ein Wachtturm der „neues Licht"
brachte, und der Zivildienst wurde erneut erlaubt. Ja - Nein - Ja !
Der Wachtturm vom 15.8.1976 S.490 stellt fest:
„Es ist eine schwerwiegende Sache, Gott und Christus zuerst auf eine bestimmte
Weise zu vertreten, dann festzustellen, daß das Verständnis wichtiger und
grundlegender Lehren der Bibel falsch war, aber danach ausgerechnet zu den
Lehren zurückzukehren, die man aufgrund jahrelangen Studiums als verkehrt
erkannt hatte. Christen dürfen hinsichtlich solch grundlegender Lehren nicht
unschlüssig oder gar wankelmütig sein. Wenn sie es wären, könnte man ihnen dann
Vertrauen schenken und sich auf ihre Aufrichtigkeit oder auf ihr Urteilsvermögen
verlassen?"
Lieber Zeuge Jehovas! Kannst Du Deiner religiösen Führung wirklich Vertrauen
schenken und Dich auf ihre Aufrichtigkeit oder auf ihr Urteilsvermögen
verlassen? „Zu wem soll ich gehen" wirst Du sagen. Ein Christ sollte nicht
Menschen folgen sondern Jesus, der sagte:
„Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer
durch mich" (Johannes 14:6).
Gruß Charly
Von Emanuel am Sonntag, den 20. April, 2003 - 13:42:
Anscheinend hat die WTG
in Armenien wieder mal theokratische Kriegslist angewandt. Im WT vom 1.4.2003
ist ein Bericht über einen Rechtsstreit, der in Armenien stattgefunden hat.
Dabei wurde ein Ältester der ZJ, namens Lewon Markarjan, angeklagt. Einer der
Hauptanklagepunkte war, dass er Jugendliche zur Wehrdienstverweigerung gedrängt
habe. Vor Gericht hat dieser Älteste lt. WT aber erklärt, dass Wehrdienst zu
leisten eine persönliche Entscheidung bei den ZJ wäre. Das ist eine glatte Lüge.
Wenn Lewon Markarjan diese Behauptung von
sich aus gesagt hat, um seinen A... zu retten, so ist das menschlich durchaus
nachvollziehbar. Denn er hatte mit einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren zu
rechnen. Und fünf Jahre in einem armenischen Gefängnis stelle ich mir alles
andere als angenehm vor. Zumal er Familienvater mit drei Kindern ist. In so
einer Situation ist es nicht jedermanns Sache den Helden zu spielen.
Wenn er aber von der WTG aufgetragen
bekommen hat, diese Erklärung abzugeben, liegt ein Fall von theokratischer
Kriegslist vor. ( Ein anderes Wort für Betrug.) Denn Tatsache ist, dass ein ZJ,
der seinen Wehrdienst ableistet, dadurch automatisch die Gemeinschaft der ZJ
verlässt und hiernach wie ein Ausgeschlossener behandelt wird. Nachzulesen im
von der WTG herausgegebenen Ältesten-Buch "Gebt acht..." S.140f. Dort steht
auch, dass die Ältesten mit einer solchen Person sprechen müssen und ihm Hilfe
anzubieten haben, damit er diesen Weg nicht weiter verfolgt. Somit werden die
Ältesten von der WTG gezwungen, Jugendliche quasi zu drängen, den Wehrdienst zu
verweigern. Eine Erfahrung, die viele junge ZJ hier in Deutschland, vor allem
den Zivildienst betreffend, bestätigen können.
Die Behauptung, das Ableisten des
Wehrdienstes wäre bei den ZJ eine persönliche Entscheidung, entspricht nicht den
Tatsachen, und das müsste eigentlich jeder ZJ wissen. Deswegen frage ich mich,
wie eine solche Behauptung im WT stehen gelassen werden kann, ohne dass die ZJ,
die das lesen, darauf reagieren. Denn als persönliche Gewissensentscheidungen
gelten bei den ZJ nur Punkte, die nicht zum Gemeinschaftsentzug führen. Und auch
das müsste den meisten ZJ bewusst sein.
Im Jahre 1996 erschien erstmal das Buch von Eva Maria Kaiser und Ulrich Rausch
"Die Zeugen Jehovas. Ein Sektenreport"
Davon gab es dann noch eine 2. überarbeitet und erweiterte Neuauflage, die zugleich auch Grundlage einer Taschenbuchausgabe (1998 erschienen) dieses Buches wurde. Herausragend an den Überarbeitungen bzw. Erweiterungen, besonders ein Abschnitt über den Zivildienst (der in der ersten Auflage so noch nicht enthalten war). Wegen der Bedeutung dieses Themas, sei dieser Abschnitt in seinen wesentlichen Aussagen auch hier nachstehend zitiert:
Mehr Licht auf den Zivildienst
Immer wieder muß die Wachtturm-Gesellschat't ihre Lehren ändern, um nicht von dein Lauf der Zeit überrollt zu werden. Es heißt dann immer, daß „Jehova Gott mehr Licht" auf die Wahrheit lenkt.
Im Wachtturm vom 1.. Mai 1996 wurden die überraschten Zeugen wieder mit einer entscheidenden Lehränderung konfrontiert. Und damit auch alle Ältesten mitbekommen, was für eine revolutionäre Lehränderung in einem sechs Seiten langen Artikel in einem einzigen Satz versteckt war, erhielten sie am 18. März einen besonderen Rundbrief samt der entsprechenden Wachtturmausgabe.
,, Kein Teil der Welt" zu sein. ist für die Zeugen ein ganz wesentlicher Bestandteil ihres Selbstverständnisses. Und selbst dann. wenn sie für diese Lehre ins Gefängnis gehen müßten, oder gar ihr Leben bedroht ist, ist es den Zeugen nicht möglich. Kompromisse mit der Welt zu machen.
Ein solcher Kompromiß wäre es gewesen, wenn ein junger Mann anstatt des Wehr- oder Militärdienstes einen Zivildienst abgeleistet hätte.
Die alte Begründung für dieses Verbot lautet folgendermaßen: Der Zivildienst ist ein Ersatzdienst. Er ersetzt den Wehrdienst. Er muß deshalb genauso bewertet werden wie der Militärdienst. Wer Wehrdienst leistet, der lädt, weil zum Krieg immer das Vergießen von Blut gehört, Blutschuld auf sich. Und in dieser Logik lädt man dann durch den Zivildienst ebenfalls Blutschuld auf sich. Somit verstößt der Zivildienst gegen die Bibelstelle Römer 13. kein Teil der Welt zu sein.[Da nennt Kaiser/Rausch eine unkorrekte Bibelstelle. In Frage käme Johannes 18:36] Wer Zivildienst leistet, hat einen Kompromiß mit dem Staat gemacht und damit seine Lauterkeit gegenüber Jehova gebrochen. Ein Zivildiener, gleich ob er in einem Krankenhaus oder einer Jugendherberge arbeitet, wird deshalb als einer, der die Gemeinschaft verlassen hat, angesehen.
Diese „Argumentation" ist nicht nur für Außenstehende schwer nachvollziehbar, selbst viele Zeugen Jehovas konnten einer solchen Logik nicht richtig folgen. Aber in Treue zu der Wachtturm-GescIlschaft verweigerten sie „aus persönlichen Gewissensgründen"(!) den Zivildienst.
Bereits 1978 hatte sich die Leitende Körperschaft sechsmal mit der Frage beschäftigt, ob Zeugen einen Zivildiensi leisten dürfen. Eine Befragung aller Zweigbüros ergab, daß viele Zeugen in aller Welt mit Begründung für das Verbot Schwierigkeiten haben. Und obwohl es bei den Abstimmungen m der Leitenden Körperschaft immer eine deutliche Mehrheit für eine Änderung stimmten, wurde die Regel nicht geändert!
Darüber daß die Zeugen auch den Zivildienst ablehnen. sind uns keine schriftlichen Anweisungen bekannt. Dies hat sicher damit zu tun daß die Wachtturm-Gesellschaft weiß, daß selbst in den Demokratien die Aufforderung zur kollektiven Totalverweigerung als Staatsfeindlichkeit angesehen werden kann. Aber trotzdem hat jeder betroffene Zeuge erfahren, wie er sich im Fall einer Einberufung zu verhalten hat
In einer Besprechung für die Altesten am 30.11.1993 in Berlin bekommen die Ältesten mündlich mitgeteilt, wie in dem Fall eines drohenden Zivildienstes zu verfahren sei. Allerdings werden auch hier keine konkreten Anweisungen und Richtlinien bekannt gegeben sondern ein Mitglied des Rechtskomitees des Zweigbüros hält einen „geschichtlichen Vortrag" darüber, wie sich bisher Zeugen in Westdeutschland verhalten habe. Sie erfahren, welche Bibelstellen sie studiert haben, welche Gesetzestexte sie gelesen haben und welche Juristischen Kommentare herangezogen wurden. Und sie erfahren natürlich auch zu „welcher persönlichen Gewissensentscheidungen" die Zeugen im Westen gekommen sind. Die Ältesten werden aufgefordert, durch Fragen den jungen Männern zu „helfen" zu einer biblisch begründeten Gewissensentscheidung zu kommen.
Für die Zuhörer ist klar, dass dies nicht nur einfach ein historischer Vortrag war, sondern daß dies einer Aufforderung gleichkommt, wie sich die Zeugen in Fällen eines Zivildienstes zu verhalten haben. Und wenn der Heilige Geist den Brüdern im Westen eingegeben hat, daß sie aus „persönlichen Gewissensgründen" den Zivildienst ablehnen, warum sollte er den Brüdern im Osten etwas anders eingeben? So leisten Zeugen weder den Militär- noch den Zivildienst!
Die Pressemitteilung vom 18. März 1996 beginnt die WTG mit der Feststellung, daß sie „die neuerdings von einigen Kirchenvertretern und Sektenbeauftrugten aufgestellte Behauptung, Jehovas Zeugen seien staatsfeindlich"' entschieden zurückweisen. Eine gründliche Betrachtung von Römer 13 hätte jetzt ergeben, daß Zeugen als persönliche Gewissensentscheidung selbstverständlich Zivildienst leisten dürren.
Älteste dürfen diese Pressemitteilung nicht weitergeben. In dem Begleitschreiben wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß dies nur zu ihrer persönlichen Information sei". Pressevertreter sollen an das Zweigbüro verwiesen werden. Wovor hat die WTG Angst? Vielleicht davor, daß die Zeugen dann erzählen könnten, wie die Frage des Zivildienstes bisher gehandhabt wurde? Oder aber, daß, dann die Öffentlichkeit erfahren würde, daß die Zeugen ihre eigenen, „biblisch begründeten" Lehren nicht verstehen konnten?
In einem einzigen Satz wird alte Lehre der Wachtturm-Gesellschaft komplett auf den Kopf gestellt:
„Die ernannten Ältesten sollten, wie alle anderen auch, das Gewissen des Bruders voll und ganz respektieren und ihn weiterhin als Christen betrachten, der in gutem Ruf steht."
In dem begleitenden Brief an die Ältestenschaft wird betont, daß die leitende Körperschaft nach sorgfältiger Prüfung zu einer erweiterten Erkenntnis bezüglich Römer 13 gekommen ist. Im Wachtturm wird deutlicher gesagt was gemeint ist. Ein Zeuge, der Zivildienst leistet ist von den Ältesten und den Versammlungen als ein Bruder anzusehen, „der in gutem Ruf steht". Bis zu diesem Datum galt ein Zivildienstleistender als Abtrünniger, ab dem l. Mai steht er in gutem Ruf. Hier wurde offensichtlich eine ganze Lehre von der WTG auf den Kopf gestellt.
Als dreist empfinden wir aber den Satz in dein Brief an die Ältestenschaft, in dem behauptet wird, daß die Ältesten nach Studium des Wachtturm-Artikels und der Bibel in der Lage wären, „Fragen von Gliedern der Versammlung zu beantworten, zumal sich grundsätzlich nichts [...] geändert hat.
Anhand dieser Lehränderung wird deutlich, mit welchen Mitteln die WTG versucht ihre Anhängern je nach Bedarf zu manipulieren. Nachdem diesesmal nicht übereifrige Verkündiger dafür verantwortlich gemacht werden konnten, daß jahrzehntelang eine falsche Lehre verbreitet wurde, kommt die Taktik der Verharmlosung zum Tragen.
Kein Wort davon, daß wegen der alten offiziellen Lehre Zeugen ins Gefängnis gegangen sind oder mißhandelt wurden. Kein Wort des Bedauerns oder der Entschuldigung an deren Adresse.
Kann man wirklich davon reden, daß die Zeugen Jehovas „in der Wahrheit leben", daß die Leitende Körperschaft in Brooklyn der Kanal Gottes ist? Oder ist die Geschichte der Wachtturm-Gesellschaft nicht doch eher eine endlose Geschichte der Irrtümer, Manipulationen und Vertuschungen?
Nachweis welche Fußnote zu welcher Passage vorstehenden Textes gehört. Siehe das Original dieses Buches
ISBN: 3-629-00687-6 bzw. ISBN: 3-453-13198-3
1 Siehe Kapitel 6. ab Seite 146.
2 Vergleich zum Folgenden, Franz. Raymond. Der Gewissenskonflikt, 1988. München Seite 103 f.
3 Informationsdienst der Zeugen Jehovas, Pressemitteilung 18.3.1996.
4 Der Wachtturm l. Mai 1996. Seite 20.
5 Brief an alle Ältestenschaften vom 18. März 1996.
Gelesen in:
http://forum.sektenausstieg.net/showthread.php?12961-Wehrersatzdienst-das-schäbige-Verhalten-der-WTG&p=375488&viewfull=1#post375488
11. 01. 2011
User „Querdenker"
Ich sass 1995 auch für 3 Monate im Gefängnis, hatte am Ende
umgerechnet 5.000 Euro Rechtsanwaltkosten zu begleichen, mir wurde gekündigt,
ich war für 2 Jahre vorbestraft, ich stand am Titelblatt der hiesigen Zeitung
als Wehr und Wehrersatzdienstverweigerer - das war eine Ehre.
Ich weiss noch, dass ich den Bausparvertrag auflöste um die letzte
Rechtsanwaltsrechnung zu zahlen. Ich war finanziell komplett am Ende, war
gekündigt und was sagte mir mein Buchstudienaufseher: Er erklärte mir, dass das
Licht heller wurde und dass der Zivildienst nun geleistet werden "darf". Welch
ein Trost. Traurigerweise fand sich auch nicht eine Person, die mich ein wenig
finanziell unterstützte, wirklich nicht eine. Damals hätte ich es bitter
gebrauchen können.
Ich hatte das Glück, dass die Militärbehörde, noch während ich im Gefängnis sass,
den Einberufungsbefehl für null und nichtig erklärte. Hätten sie ihn nicht
aufgehoben, hätte das bedeuten können, dass sie mich am Entlassungstag vom
Gefängnistor weg sofort in die Kaserne bringen hätten können, und der Zirkus
hätte von vorne begonnen.
Sie sagte mir, dass ich schnell einen Zivildienstantrag stellen sollte, da mir
sonst ein erneuter Einberufungsbefehl ins Haus flattern wird. Das tat ich
natürlich auch. War ja nun erlaubt
Mensch, war ich blöd.
Eine Bilanz in Sachen Wehrdienstverweigerung
Das Oberlandesgericht Bremen entschied (Dort weitere Detailverlinkungen)
Ein Stimmungsbild aus Bundesdeutschen Gerichtssälen des Jahres 1963
Ein Fallbeispiel ist auch der des Gerd Wunderlich: Gerd Wunderlich's Fall zieht Kreise
Impressionen zum Königreichssaalbau