Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Erhard Klein

Laut Umschlagtext ist er Mitarbeiter des Museums der KZ-Gedenkstätte Dachau. Die Rede ist von dem Zeugen Jehovas Erhard Klein. Bereits im Jahre 2000 hatte er seine Studie "Jehovas Zeugen im KZ Dachau" im Selbstverlag herausgegeben (damals im DIN A 4-Format, 156 Seiten Umfang). Ein Jahr später liegt die gleiche Arbeit als reguläres Buchhandelsobjekt (Mindt, Bielefeld) im Book-on-Demand-Verfahren vor. (Jetzt im DIN A 5-Format, 208 Seiten). Darin neu hinzugekommen ist offenbar wohl besonders der Abschnitt "Jehovas Zeugen in Arbeitskommandos".

Auch Klein verwendet die typische Zeugen Jehovas-Terminologie. Etwa wenn er den sattsam bekannten Satz kolportiert, dass auch seine Arbeit "keine religiöse Verkündigung der Zeugen Jehovas sei." Sicher, wenn man unter letzterer etwa kommentierte Bibelstellen im Wachtturm-Jargon versteht, ist dies zutreffend. Dennoch ist diese Behauptung so nicht hinzunehmen. Der "Teufel steckt bekanntlich im Detail".

Ein solches Detail ist etwa sein Satz (S. 19): "Politisch verhielten sie sich neutral, sie … nahmen an Wahlen nicht teil …"

Kann man letzteren Sachverhalt mit dem Begriff "Neutralität" sachgemäß beschreiben? Ich würde meinen: Nein! Nichtwählen stellt auch eine Art Demonstration gegen die "böse Welt" dar. Und was noch wesentlicher ist. Die Veranstalter solcher "Wahlen" empfinden ein solches Verhalten als bewussten Affront, als politische Demonstration gegen sich selbst (wenn auch aus einer religiösen Motivationslage. Letztere vermögen sie aber nicht nachzuvollziehen).

Sicherlich, westliche Demokratien, im Schlepptau der USA tolerieren solches Verhalten. Dort hat man auch auf anderen Gebieten Narrenfreiheit, sofern nicht etwa eigene Interessen (namentlich Money-Interessen) tangiert werden. Totalitäre Systeme indes, verstehen diesbezüglich keinen Spaß. Dieser Sachverhalt hätte auch schon den zeitgenössischen Zeugen Jehovas klar sein können. Allerdings, sie haben ihn mit der "leichten Schulter" beiseite geschoben. Namentlich aus ihrer Endzeitmotivation. Zu einer sachgemäßen Einschätzung hätte auch das ansprechen dieser Sachlage gehört. Auch Klein (wie auch Jehovas Zeugen insgesamt) übergehen diesen wesentlichen Fakt mit dem Mantel des Schweigens.

Das Verschweigen wesentlicher Sachverhalte nennt man Klitterung. Damit ist auch das für Klein zutreffende Urteil ausgesprochen. Wenn Klein sich darauf berufen kann, mit dieser geschichtsklitterischen Darstellung in Kontinuität zu dem famosen Dr. G. sich zu befinden, ist dem wohl zuzustimmen. Letzteres ist allerdings dann um so nachhaltiger G. anzulasten.

Geschichtsklitterisch auch seine in Anlehnung an das 1974-er Jahrbuch der Zeugen Jehovas vorgenommene Darstellung der Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte 1933. (Siehe dazu auch die Links am Ende dieser Replik). Gleichfalls seine Zitierung der "Erklärung" vom 24. 6. 1933 in der er (das Faktum einer Auswahlzitierung nutzend), sorgfältig alle heute als kritisch zu bewertende Aspekte, ausblendet.

Der Schwerpunkt der Klein'schen Darstellung sind offenbar Personenbezogene Erlebnisberichte über Dachau. Ihr Aussagewert erscheint mir indes nicht von der Art zu sein, als dass sie sich hervorhebenswert von dem unterschieden, was andernorts schon reichlich zum Thema KZ im Hitlerregime publiziert wurde.

Hingewiesen sei allerdings auf die Fälle der Zeugen Jehovas Hans Gärtner, Martin Heinel, Helmut Knöller, Karl-Heinz Kusserow über die andernorts auch bereits publiziert wurde. Wer sich für sie im Detail interessieren sollte, kann die Arbeit von Klein zu Vergleichszwecken mit heranziehen, allerdings ohne dort wesentlich neue Erkenntnisse zu gewinnen.

In einer früheren Kritik zu Klein hatte ich bereits festgestellt und das wäre dann noch mal zu wiederholen:

In der für die Zeugen Jehovas typischen, oberflächlichen Weise, geht auch Erhard Klein auf einige geschichtliche "Eckdaten" ein. Etwa, wenn auf die Verbreitungsaktion der Broschüre "Die Krise" vom April 1933 zu sprechen kommt. Sie hatte bekanntlich das Verbot in Bayern zur Folge und war somit ein Fanal der nachfolgenden Entwicklung. Es hätte sich nun angeboten, den Charakter jener Broschüre etwas näher zu beschreiben. Fehlanzeige bei Klein.

Gleicherweise tendenziös, unter prinzipieller Ausblendung aller kritischen Akzente, erweist sich auch seine sonstige Geschichtsdarstellung.

Als nicht schwerwiegende, dennoch zu nennende Unkorrektheit registriere ich bei ihm auch die Schreibweise des ZJ-Funktionärs Heinrich Ditschi (Organisator der zweiten Flugblattaktion der Zeugen Jehovas im Hitlerdeutschland vom 20. 6. 1937; "Offener Brief an das bibelgläubige und Christus liebende Volk Deutschlands!"!) Zeitgenössische Dokumente, etwa die von Erich Frost unterschriebenen Gestapo-Vernehmungsprotokolle, verwenden jeweils die obige Schreibweise. Hingegen die WTG und auch Klein schreiben "ie".

Andere Zeitzeugen, etwa Hermann Bach, die vorgeben Ditschi persönlich gekannt zu

haben, betonen aber vehement die Schreibweise ohne "e". Das der 1890 geborene Ditschi sich dann noch in den 50-er Jahren mit der WTG überworfen hat, erfährt man auch bei Klein nicht.

Der Verfasser räumt einleitend ein, dass er nichts wesentlich Neues berichten könne, dass nicht anderweitig bereits genannt wurde. Sieht man einmal davon ab, dass er auch Dachau-bezogenes Bildmaterial mit offeriert, so kann man kann seine Selbsteinschätzung nur bestätigen.

Ein zusammenfassendes Literaturverzeichnis ist der Studie nicht beigefügt. Indes fand ich es schon registrierenswert, dass eine Dachau-spezifische Arbeit bei Klein nicht auftaucht. Und zwar die von Johann Neuhäusler, der in seinem 1964 veröffentlichten Buch "Saat des Bösen" (S. 94), über sich, als katholischem Priester berichtet:

"Darum durfte ich im KZ Dachau eine Wochen lang nicht mehr zur Erholung ins Freie, weil ich einem Italiener in seiner Zelle die Beichte abnahm, ein Bibelforscher mich aber verriet, obwohl ich ihm viel Gutes getan hatte."

Damit ist belegt, dass die "Todfeinschaft" Bibelforscher - katholische Kirche, sich selbst unter KZ-Bedingungen fortsetzte. Aus anderer KZ-Literatur ist desweiteren eruierbar, dass namentlich politische Häftlinge, ihren fehlenden Solidaritätswillen, außerhalb der eigenen Bibelforscherklientel, bemängelten.

Ohne Zweifel sind auch die Zeugen Jehovas Opfer des Naziregimes. Ohne Zweifel gehörten sie nicht in die KZs. Nur, diese Erkenntnis setzt auch die Anwendung säkularer Erkenntnismethoden voraus. Die Verklärung auf die pseudoreligiöse Ebene ist da wenig hilfreich. Das große Ausmaß ihrer Leiden im Naziregime ist aber nicht zuletzt durch diese Verklärung ihres Schicksales in pseudoreligiöse Dimensionen bedingt. Mehr Rationalität, hätte da manches abgebogen.

Wer heute noch jener pseudoreligiösen Verklärung das Wort redet (einer der diesbezüglich genannt werden muss ist der Dr. G.) und seine Nachbeter, der wird mit Sicherheit meine "Sympathie" nicht finden.

Zinker am Werk

Die Krise

Gegen heroisches Kraftchristentum

Schwangengesang

Literaturbericht

Jehovas Zeugen im KZ Dachau. Erhard Klein

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