Annotationen zu den Zeugen Jehovas

"Zinker am Werk"

"Für die WTG hier in 'Deutschlandbericht 1974' geht es nur darum, um jeden Preis zu verschweigen, daß sie schon immer, in jeder Situation, wie so landläufig gesagt wird, mit 'gezinkten Karten' die ihr anvertrauten Menschen begaukelt hat."

Mit diesen Worten wird in der "Christlichen Verantwortung" Nr. 59 die Rolle der führenden Zeugen Balzereit und Harbeck im Krisenjahr 1933 eingeschätzt. Die diesbezügliche Auseinandersetzung mit dem Deutschlandbericht der WTG in ihrem Jahrbuch 1974 ist die Grundlage dafür. Wie man weiß sind WTG-Geschichtsklitterungen (respektive solche von Autoren die der WTG nahestehen) bis in die Gegenwart zu beklagen. Nachstehend die seinerzeitige CV-Kommentierung:

Oft will es so scheinen, als ob die Zeit wirklich Wunden heilen könnte. Zumal sich Menschen dann dieser Hoffnung hingeben, wenn 40 Jahre nach 1933 vergangen sind. Zeit ist verflossen, dem Überdenken Abstand eingeräumt - Vergangenes könnte geistig bewältigt werden, um "gerade Bahnen für unsere Füße zu machen". Vergangene Zeit will auch endlich Früchte der Gerechtigkeit reifen lassen, irdische, aber selbst ohne diese vermöchten wir Menschen nur mit mattem Herz zu leben.

Die "gerade Bahn den Füßen" will dem "Deutschlandbericht" im Jahrbuch 1974 der WTG nicht gelingen. Angeblich so nahe bei Gott, aber so fern in der Liebe, denn welch anderer Geist wohl könnte schreiben, der nicht die Preisgabe der Brüder im Sinn hätte: "Bruder Balzereit, der e s s i c h e r w ä h l t h a t t e, aus Sicherheitsgründen in die Tschechoslowakei zu ziehen . . ." (Jahrbuch 1974, S. 131) Allein dieser Satz spricht ein Urteil aus sich selbst, wie ignorantisch und lieblos in seiner Selbstgerechtigkeit er einen Bruder zum flüchtenden Feigling stempelt.

Unser Gewissen ist aufgerufen und unsere Phantasie, sofern wir nicht Zeitgenossen jener schrecklichen Zeit des Jahres 1933 sind. Seit Januar 1933 herrschten die Nazis in Deutschland, Mord und Terror waren angesagt und schon grausam praktiziert. Von fernen Schreibtischen ist gut richten und raten, also schrieb Bruder Präsident Rutherford an Br. Balzereit wie folgt: ". . . Es wäre bestimmt nicht nötig gewesen, mich um die Erlaubnis zu bitten, noch Deutschland zurückkehren zu dürfen … Du hast mich glauben gemacht, (ja, der Satz heißt wirklich, Du hast mich g l a u b e n gemacht, d. Vf.) Deine persönliche Sicherheit sei davon abhängig, Dich außerhalb des Landes aufzuhalten." (Jahrbuch 1974, S. 131) Das Jahrbuch 1974 berichtet nicht, wann Br. Balzereit ins Ausland flüchtete, ob vor dem Verbot der WTG oder nach dem 24. 6. 1933.

Balzereit war im höchsten Dienstamt der WTG in Deutschland. Ist es abwegig anzunehmen, daß er in dieser Stellung besonders gefährdet war? Balzereit war doch nicht namenlos in Deutschland, schon gar nicht für die Gestapo. Er war der höchste Repräsentant der WTG, des Werkes.

Aber wir schreiben keine Rechtfertigung für Br. Balzereit, denn an seiner statt könnten wir mit gleichem Recht über Br. M. C. Harbeck oder Br. Gammenthaler, Schweiz, berichten. Sie alle wurden verraten und schnöde in Stich gelassen, wenn es der Nimbus der "Leitenden Körperschaft" erheischte. Dann mußten nämlich Sündenböcke für jegliche falsche Lagebeurteilung bzw. veränderte Situation in der Organisation gefunden werden. Wenn dem Präsidium der WTG hier Fehler unterlaufen wären, wer wollte seine Beamten deshalb verklagen und sich zum Richter aufwerfen? Zwischen Balzereits Entscheidungen und dem Präsidium der WTG lag und liegt, auch heute noch, der große Ozean. Br. M. C. Harbeck saß in der Schweiz, weit weg vom Brennpunkt der Geschehnisse in Deutschland. Zwangsläufig waren seine Entschlüsse bezüglich der Organisation in Deutschland oft einsam, denn ein "rotes Telefon" noch Brooklyn gab es für ihn nicht.

Und was tat ein Bruder Balzereit: "Er hatte es sich e r w ä h l t , in die Tschechoslowakei zu ziehen". So kann man es auch nennen, noch 40 Jahren! Gerechtigkeit fordert die Frage heraus, ob er das n u r tat, um seine eigene Haut zu retten. Eine solche Unterstellung wäre einfach lächerlich. Weil er die Verhältnisse in Deutschland aus eigenem Erleben kannte, aus unmittelbarer Tuchfühlung mit der Naziherrschaft, deshalb ergaben sich mitunter Differenzen zum Präsidium in Brooklyn, unterschiedliche Auffassungen bezüglich notwendiger Maßnahmen in Deutschland unter der Naziherrschaft 1933.

Im Fall von Br. M. C. Harbeck, Schweiz, wird uns diese Situation erst richtig deutlich. Noch krasser tritt hier hervor, daß Br. Harbeck trotz aller Bemühungen um das Werk der Zeugen in Deutschland ein vom Präsidium der WTG verratenes und verleumdetes Opfer ist. Im "Jahrbuch 1974" darf Br. Hans P o d d i g , dieser Situation sozusagen stellvertretend für das Präsidium der WTG, folgende Leseart geben: "So entstanden zwei Klassen, die Furchtsamen sagten uns, wir seien ungehorsam und brächten das ganze Werk Jehovas in Gefahr". Der Jahrbuchbericht kommentiert dann: "Ein Brief, den Bruder Harbeck im August 1933 schrieb, wurde unter den deutschen Brüdern weit verbreitet, und die Furchtsamen benutzten ihn in ihren Diskussionen als B e w e i s dafür, daß sie sich richtig verhielten.

U N T E R D E S S E N (das ist genau das richtige Wort, wenn die WTG n i c h t schreiben will, w a n n ! d. Vf.) veröffentlichte die Gesellschaft im ""W a c h t t u r m" einen Artikel unter der Überschrift "Fürchtet euch nicht!" in dem die Handlungsweise derer unterstützt wurde, die trotz zunehmender Verfolgung und Mißhandlung der Stimme ihres Gewissens gefolgt waren … und das Predigtwerk im
U n t e r g r u n d fortgesetzt hatten". (gesperrte Schrift v. Vf.)

Der logische Zwang, dem der Leser hier erliegen soll, ist der, daß Br. Harbeck mit seinem Brief vom "August 1933" praktisch bewirkt haben soll, "daß 2 Klassen entstanden", die "Furchtsamen" und "Untergrundzeugen".

Die traurige Wirklichkeit dieser Vorgänge sah u n t e r d e s s e n ganz anders aus: Das WTG-Präsidium billigte ohne Einschränkung insgeheim den Brief von Br. Harbeck vom "August 193"" nur eben nicht offiziell, selbst im Jahre 1974 noch nicht. Denn die geistliche Unversehrtheit und christliche Würde von Br. Harbeck bedeutet dem Präsidium offensichtlich nichts.

Am 20. September 1933 geschah nämlich etwas in Nazideutschland. Der amerikanische Botschafter in Berlin überreichte dem Auswärtigen Amt der deutschen Regierung eine Protestnote zum Verbot der WTG vom 24. 6. 1933. Aus dieser Sicht, (den nur Br. Harbeck wußte das) kommender diplomatischer Schritte seiner Regierung, schrieb der USA-Bürger und Zeuge Jehovas M. C. Harbeck diesen                " b e w u ß t e n B r i e f " an die Brüder in Deutschland, der ihm noch 40 Jahren immer noch als Sündenlast angehängt wird.

Was stand nun in dem beklagten Brief von Br. Harbeck? Unter anderem auch dies: "Vorerst das Verbot vom Juni 1933 zu respektieren und keine Versammlungen abzuhalten, den Vertrieb der Schriften vorerst einzustellen". Da sich das WTG-Präsidium diplomatisch-politischer Kanäle der USA Regierung bedient hatte, siehe Protestnote an die Naziregierung, es diesen Tatbestand aber nicht eingestehen will, bleibt Br. Harbeck einer der Sündenböcke der WTG. Obwohl Br. Harbeck "seinen Brief vom August 1933" in Abstimmung mit dem Präsidium der WTG schrieb.

Im "Jahrbuch 1974" wirst du die Protestnote der USA-Regierung vergeblich suchen, sie fehlt ganz einfach, sie wurde nicht in "Erwägung gezogen"  u n t e r d e s s e n. Wenn doch, dann würde ja allen Brüdern klar werden, daß die diplomatische Intervention der USA-Regierung ein Ersuchen des WTG-Präsidiums notwendig zur Voraussetzung hatte. Wäre diese Protestnote sachlich im "Jahrbuch 1974" gewürdigt worden, dann würden letztlich alle Brüder verstehen, w a r u m Br. M. C. Harbeck
" s e i n e n B r i e f " an die Versammlungen in Deutschland schreiben mußte, denn er führte getreulich eine Weisung seines Präsidenten aus, Dieser Brief entstand als eine kooperative Handlung Rutherford-Harbeck. Das ist die Wahrheit. Deshalb muß die WTG den "Briefmakel" von Br. Harbeck nehmen.

Für Präsident Rutherford war Diplomatie kein Buch mit sieben Siegeln, wohl aber für die große Schar der Zeugen Jehovas in Deutschland. Wohlgemerkt, es war ein ganz legitimes Recht der WTG, einer amerikanischen Gesellschaft, sich des Beistandes ihrer Regierung zu versichern, um Leben, Rechte und Eigentum ihrer Mitglieder im Ausland (Nazideutschland) zu schützen. Daran ist gar kein Anstoß zu nehmen. Es war ja auch ein Akt brüderlicher Liebe. Aber um diesen Aspekt geht es der WTG ja überhaupt nicht. Für die WTG hier in "Deutschlandbericht 1974" geht es nur darum, um jeden Preis zu verschweigen, daß sie schon immer, in jeder Situation, wie so landläufig gesagt wird, mit "gezinkten Karten" die ihr anvertrauten Menschen begaukelt hat. Br. Harbeck ist dafür auch nur ein Beweis mehr aber Christus wird Rechenschaft fordern.

Die WTG hat jegliches Empfinden dafür verloren, was sie gerade noch tun darf und was nicht mehr. Mit leichter Hand läßt sie deshalb im Jahrbuch 1974 schreiben: " U n t e r d e s s e n veröffentlichte die Gesellschaft im "Wachtturm" einen Artikel unter der Überschrift 'Fürchtet euch nicht"'. (Vom 1. Dezember 1933!) Wann schrieb Bruder Harbeck "s e i n e n B r i e f "? Das war im August des Jahres 1933. Die amerikanische Protestnote wurde am 20. 9. 1933 in Berlin der Naziregierung überreicht. Der WT-Artikel "Fürchtet euch nicht!" erschien am 1. 12. 1933, wohlwissend inzwischen, daß die Protestnote der USA-Regierung den Brüdern in Nazideutschland keine Hilfe gebracht hatte.

Also, zwei Monate wurde erst die politische Landschaft in Nazideutschland beobachtet, seit dem 20. 9. 1933, die Wirkung der Protestnote abgewartet, dann kam "Fürchtet euch nicht!". Als die diplomatische Aktion wirkungslos verpufft, an den Nazis abgeprallt war, dann - danach erst wurde die Organisation auf "Fürchtet euch nicht!", auf Weitermachen im Untergrund eingestellt. Wer diese Chronologie der Geschehnisse damals in Deutschland nicht kennt oder nicht alles genau nachprüft, kann gar nicht ermessen, wie übel Br. Harbeck mitgespielt, wie zynisch er verraten und geopfert wurde, so geschehen anno 1974.

Und folgende Logik aus dieser Chronologie der Geschehnisse sollten wir im Sinn behalten:

Das Präsidium der WTG sah sich natürlich außerstande, der diplomatischen Aktion der USA-Regierung in den Rücken zu fallen. Das wäre unzweifelhaft dann geschehen, wenn der WT-Artikel "Fürchtet euch nicht!", gleichzeitig, durch Aufrufe zum "Weitermachen im Untergrund", jene diplomatische Aktion unterlaufen und den Nazis damit "belastende Beweise" direkt in die Hände gespielt hätte.

Wie hätte dann die USA-Regierung dagestanden, und wie erst das Präsidium der WTG. Ein solcher "Diplomat" war denn Präsident Rutherford doch nicht, daß er von vornherein seine eigenen Absichten, der Organisation in Deutschland zu helfen, durch sinnlose, absolut dumme Entscheidungen und Aktionen vernichtet hätte. Schließlich war er ein Rechtsanwalt und Präsident der WTG. In dieser Eigenschaft war er verpflichtet, sich an diplomatisch-politische Spielregeln zu halten, nachdem er sich einmal entschlossen hatte, eine Protestaktion der USA-Regierung in Nazideutschland sachlich zu unterstützen.

Den Brüdern in Deutschland sollen die Erwägungen auch solcher Absichten, das Denken in diesen Kategorien verschwiegen werden. Deshalb wurde Br. Harbeck zum Kompromißler gestempelt und schnöde verraten.

Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan

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