Der vorangegangene Jahrgang   1932

Vor (mehr als) 50 Jahren

Was 1933 Wahrheit war

Statistik um 1933

Wieviel Zeugen Jehovas gab es um 1933?

Einen Anhaltspunkt lieferte die Statistikbesessene WTG selbst in ihrem internen Blatt „Bulletin für Jehovas Zeugen" (Ausgabe Magdeburg) vom Februar 1933.

Sieht man sich die dort aufgeführten Zahlen näher an, fällt auf, dass sowohl Deutschland als auch die USA mit jeweils rund 12.000 ausgewiesen sind. Insbesondere im Hinblick auf die möglicherweise dem Bereich Fantasiezahlen zuzuordnende Zahl für Deutschland des Jahres 1933 ("25.000" so auch von Garbe kolportiert), zeichnet diese WTG-eigene Statistik ein anderes Bild.

Man beachte, wie schon damals Statistik-Kniffs praktiziert wurden. Zwar besagte die weltweite Zahl zusammengezählt: 37.411.

Indes gelang es den WTG-Statistikern durch Zusammernzählung verschiedener, eigentlich wenig miteinander zu tun habender Positionen, als Maximalzahl

677.122 aus ihrem Zauberzylinder herauszuzaubern. Das war aber offenbar noch nicht genug. Getreu dem Motto man solle keiner Statistik trauen, die man nicht selbst gefälscht hat, gab es noch eine weitere Zahl die es gar auf 840.340 gebracht haben will!

Um die Zahlenangaben vor 1945 richtig deuten zu können, muss wohl differenziert werden, zwischen der Zahl der Gedächtnismahlbesucher und der Zahl der sich am Predigtwerk Beteiligenden.

Der WTG-Rigorismus, wie er in dem Buch „Gott bleibt wahrhaftig" (Deutsch 1948 erschienen) zum Ausdruck kam, wer nicht predigt, wird als nicht zur Zeugen-Organisation gehörend betrachtet.

Dieser Rigorismus war wohl vor 1945, noch nicht generell so durchsetzbar, obwohl es entsprechende Bemühungen dazu schon damals gab.

Für 1915 verzeichnet die WTG in ihrem „Vorhaben"-Buch (S.50) 15.430 Gedächtnismahlanwesende weltweit.

Diese Zahl steigerte sich („Vorhaben" S. 110) bis 1925 auf 90.433.

Danach setzte aber ein deutlicher Rückgang ein, der in der WTG-Literatur eher nur versteckt zugegeben wird.

Zu nennen ist hier insbesondere das interne Blatt „Bulletin für Jehovas Zeugen" (Ausgabe Bern) vom August 1933.

Selbiges listet die Zahl der weltweiten Gedächtnismahlanwesenden weltweit mit 84.179 auf. In dieser Zahl mit enthalten, die 24.845 in Deutschland und die 27.325 in den USA. Wie gesagt. Das sind die Zahlen der Gedächtnismahlanwesenden, welche nicht identisch sind mit der Zahl der geringer zu veranschlagenden „Verkündiger"zahl,

 Wie bereits zitiert, betrug die „Verkündiger"zahl um 1932/33 in den USA etwa 12.000.

Der „große Sprung" in den USA erfolgte dort in der Tat in den Jahren nach 1933.

Laut der WTG-Publikation „Jahresberichte 1945" (S. 22) stieg dort die durchschnittliche Verkündigerzahl bis 1944 auf etwa 62.000 an.

Deutschland kann man ja nach 1933 in diesem Vergleich, wegen der politischen Rahmenbedingungen, nicht mehr mit heranziehen. Indes auch die Zahlen für die Schweiz vor 1945 belegen, dass man auch dort so vor sich herdümpelte. Allen mit Gewalt betriebenen Propagandaaufwand der WTG zum Trotz!

Das "Klima" um 1933

Im "Wachtturm" des Jahrganges 1933 kann man unter anderem die nachfolgenden Sätze lesen:
"Es gab solche, die einst in der Organisation tätig waren, die die Berufung zum Königreich angenommen hatten und demnach Anwärter auf das Königreich waren, sich aber weigerten, den Geboten des Herrn zu gehorchen und mit der Zeugnisarbeit voranzugehen, dies traten sie, indem sie sich zurückzogen und dem Werke des Herrn gegenüber als Gegner auftraten". (S. 6)

"Es sind etliche vom Volke des Herrn über den Abfall und die von den Abgefallenen offenbarte Feindschaft beunruhigt und geneigt gewesen, den Versuch zu machen, die so Gefallenen zur Harmonie zurückzuführen. Ein solches Verfahren ist verkehrt. Als das Weib Hesekiels starb, wurde ihm vom Herrn gesagt, nicht zu trauern (Hesekiel 24:18). Dies zeigt, dass die Treuen wegen der Untreuen nicht trauern und nicht versuchen sollten, diese zum Tempel zurückzubringen."
(S. 250)

"Diese neuzeitlichen Träumer und Fastenden sind den Anweisungen von Menschen gefolgt und üben sich zum Beispiel in "Charakterentwicklung", was ihrem eigenen Fleische und anderen Leute wohlgefällt, sie wähnen, sie machten sich dadurch für den Himmel bereit und geeignet, und sie tun dies auch, um in den Augen anderer als Gottgefällige zu erscheinen."
(S. 309)

"Unter einigen von Jehova vor seinem treuen Volke erst kürzlich offenbarten Wahrheiten, haben wir die Wahrheit betreffs der Ältesten und diesbezüglich durch Abstimmung besetzen Amtes. Jehova hat seinem Volke gezeigt, das Älteste nicht durch die Wahlstimmen von Geschöpfen gemacht werden." (S. 199)

"Was geschah nun, als die Zeit der 2300 Tage endete? Die "Watch Tower"-Artikel in den Ausgaben vom 15. August und 1. September 1932 brachten vor das Volk Gottes den Schriftbeweis, dass das Amt eines durch Abstammung von Geschöpfen gewählten oder herausgenommen "Wahlältesten" nach der Schrift auch nicht vorhanden ist." (S. 247)

"In Kanada haben die Geistlichen und ihre Verbündeten den Rundfunk der Königreichbotschaft verhindert, indem sie als Grund angaben, die gefunkten Mitteilungen kritisierten die Geistlichen und die öffentlichen Beamten der weltlichen Organisation. Einer der sich als "Bibelforscher" unterzeichnen ließ in der Toronter Tageszeitung "Star" kürzlich einen Brief verpflichten der im wesentlichen folgendes sagt:
Die (Bibelforscher) Organisation wurde vom Pastor Russell in den siebziger Jahren gegründet, aber die wahren Nachfolger der Lehren Pastor Russells verließen die Gesellschaft schon vor einer Reihe von Jahren. ... Eigentliche internationale Bibelforscher nehmen es übel auf, mit dem zusammengewürfelt zu werden, was jetzt von der Gesellschaft als die Lehren der Bibelforscher vorgebracht wird. Pastor Russell gab einen klaren Umriss seiner Stellung gegenüber den Kirchen und weltlichen Einrichtungen. Er verurteilte harte Worte und Unduldsamkeit." (S. 164)

"Der Kampf ist im Gange und wird weitergehen, bis Jehova den Feind vernichtet hat, und diese Vernichtung wird geschehen sobald die Ankündigung gemacht worden ist. Es ist die Aufgabe des Überrest ..." (S. 41)

"Die "obrigkeitlichen Gewalten" sind solche von der Organisation Jehovas, denen er die Autorität übertragen hat, in seinen Namen eine Arbeit zu verrichten. Jehova und Christus Jesus sind die "obrigkeitlichen Gewalten", wobei Jehova selbst die höchste Gewalt ist.
Den Gliedern das Überrests wird jetzt besonders befohlen, den "obrigkeitlichen Gewalten", nämlich Jehova und Christus Jesus zu gehorchen, und das schließt die Befehle mit ein, die ihnen durch Jehovas Organisation gesandt werden. Sie sollen dies tun ohne Rücksicht darauf, was die Welt sagen mag."
(S. 73)

"Es gab eine Zeit, wo sogar die Geweihten glaubten, die "obrigkeitlichen Gewalten" wären die irdischen Gewalten. Die darüber aufgeklärt worden sind, wissen jetzt, dass dies nicht so ist" (S. 183)

"Jehova begann seinem Volke zuerst im Jahre 1927 bekannt zu geben, dass der vertrustete Welthandel oder das Großgeschäft ein Teil der Organisation Satans und bedrückend und todbringend ist. (Siehe "Freiheit für die Völker" S. 27 - 28). Die Bücher "Prophezeiung", "Licht", und "Rechtfertigung" haben diese Wahrheit stark hervorgehoben. Jehova hat sein Volk gelehrt und ihm gezeigt, dass es sein (Jehovas) Zeugnis ist, dass von seinem Volke gegen Satans Organisation vorgebracht und eifrig und fleißig gegen jeden Teil der Organisation Satans verkündigt werden muss." (S. 151)

"Briefe aus den Felde
In Rutledge, das in der Gegend von Grainger etwa 25 Meilen von Knoxville liegt, wurden kurz vor der Versammlung mehrere Zeugen verhaftet. Es waren Pioniere, die Konserven als Gegengabe für die Literatur entgegengenommen hatten ..."
(S. 174)

"Einige mögen einwenden: "Wenn wir angesichts solch heftiger Verfolgung und Bekämpfung fortfahren, unter das Volk zu gehen und diese Wahrheiten öffentlich zu verkündigen, so fürchte ich, dass wir umgebracht werden können." Das ist wahr, und wahrscheinlich werden viele der Treuen getötet werden." S. 360)

Aussagen dieser Art, lassen sich auch aus anderen "Wachtturm"-Jahrgängen eruieren. Sie belegen wohl zur Genüge, dass mit der Macht-Ursurpation durch Rutherford, in dieser Organisation ein grundlegend anderer Geist einzog. Herausragend (als Symbolcharakter) da etwa seine "Anklage gegen die Geistlichkeit", oder auch seine Hetze gegen den Völkerbund, insbesondere, dass er die attackierte, welche nicht bereit waren "göttliches Eingreifen" (am Sankt Nimmerleinstag) und Völkerbund als dieses Ziel nicht verfolgend. Die also nicht bereit waren diese destruktiven Thesen mitzutragen, wurden von Rutherford attackiert, äußerst scharf attackiert.

Allmählich kam das "Echo" solcher Strategie hörbar zurück. Wohl nicht nur in Staaten wie etwa Hitlerdeutschland. Einige solcher Echo-Reaktionen kann man auch der "Trost"-Ausgabe vom 15. 8. 1939 entnehmen. Man liest dort:


"Was am Abend des 19. Mai, einem Freitag, vor sich ging, wurde mir gegenüber von Außenstehenden als die größten Unruhen bezeichnet, die sich im Glasgower Bezirk Garngad je zugetragen haben. Die zwölf Verkündiger waren beim Verteilen des Clydebank-Flugzettels [der die britische Öffentlichkeit über vorhergehende Ausschreitungen katholischer Kreise gegen Jehovas Zeugen unterrichtet] und der Broschüren SCHAU DEN TATSACHEN INS AUGE und FREIHEIT ODER FASCHISMUS, als sie ganz unversehens von mehreren, in die Hunderte gehenden Pöbelhaufen belästigt und tätlich angegriffen wurden.

Einige wurden Treppenstufen hinuntergestoßen oder eher geworfen; ihre Literatur wurde gestohlen, ihre Kopfbedeckung weit weggeschleudert; man zerrte sie an den Haaren die Straße entlang, schlug beständig auf Kopf und Körper auf sie ein, und während sie irgendein Transportmittel zu erreichen suchten, stieß man sie dauernd in den Rücken und in die Beine. Steine, Flaschen und sonstige erreichbaren Gegenstände wurden nach ihnen geworfen, und manchen steckte man sogar Pferdemist von oben in die Kleidung. Von Außenstehenden (also nicht von Zeugen Jehovas) erfuhr ich, daß einige in der Menge sogar alte Schwerter und dicke Knüppel, also Mordwaffen hatten.

Die Polizei sandte einige Schutzleute in den Bezirk, aber auch diese wurden mit Steinen beworfen und kamen nicht dazu, jemand zu verhaften. Der Verkehr kam zum Stillstand, weil der Pöbel die Straßen vollständig abgesperrt hatte. Es war eine wütende, bis zur Sinnlosigkeit erhitzte, brüllende Menge, der die Verkundiger nur dadurch entkommen konnten, daß ihnen die Führer und Schaffner der aufgehaltenen Straßenbahnwagen zu Hilfe eilten.

Als sich die verschiedenen Banden auf der Hauptstraße vereinigten, mögen es, wie nur gesagt wurde, insgesamt 2000 Menschen gewesen sein. Ihr könnt euch denken, wie schwierig es gewesen sein muß, aus einer solchen Menge heraus zu den Straßenbahnwagen zu gelangen. Die Polizisten schleuderten die Menschen wie Bälle um sich, während sie zu den Zeugen durchzukommen versuchten."

Henry Carmichael, der am betreffenden Abend in einer Gruppe von fünf Personen auf der Garngad-Straße in Glasgow mit überfallen wurde, berichtete unter anderm:
"Wir gingen unser fünf nach der Cobden-Straße. Es war alles friedlich, und wir fanden überall gute Aufnahme. Wir merkten nichts von irgendwelchen Unruhen im Bezirk und hatten eben eine Mietkaserne in der Charles-Straße beendet, als mehrere Frauenm auf uns zueilten und riefen: 'Bringen Sie sich in Sicherheit - es ist Krawall. Ein Mann und eine Frau sind überfallen und in einem Tramwagen fortgeschafft worden.'

Ich war beunruhigt und wußte nicht, wohin ich gehen sollte. Elisabeth Möckel (als Pionier-Arbeiterin tätiger deutscher Flüchtling) und ich beschlossen, zur Garngad-Straße zu gehen. Dort fanden wir eine gewaltige Menschenansammlung. Ich sah zwei Polizisten; wir stellten uns unter ihren Schutz. Ich sagte den Polizisten, daß noch andere Überfälle erfolgt wären. Sie gingen mit uns zur Bright-Straße.

Als die Leute uns sahen, fing ein gewaltiges Geheul an - die Menge wälzte sich auf uns zu. Eine derart wahnsinnige Horde habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen. Im Vergleich hiermit waren die Vorfälle in Clydebank bloßes Kinderspiel. Man warf Steine und Knüppel; mir steckte man oben in die Kleidung Mist hinein. Die Polizisten waren dieser Rotte gegenüber machtlos. Auch fing man an, sie mit Steinen zu bewerfen. Ihnen war vor dem Pöbel mehr bange als uns. Sie führten uns die Bright-Straße entlang nach der Charles-Straße, bis zur Turner-Straße. Dort verließen sie uns und sagten, wir sollten schnell machen, daß wir bis zur Castle-Straße kommen und aus dem Bezirk verschwinden.

Elisabeth und ich gingen die Charles-Straße durch, während uns die Menge immer noch folgte, mit Steinen bewarf, auf uns einschlug und uns Fußtritte versetzte. Elisabeth zerrte man am Rock und versuchte ihr die Tasche zu entreißen. Das ging die ganze Charles-Straße so fort, etwa 800 Meter weit.

In der Castle-Straße kam eine andere, mehrere hundert Mann starke Rotte von der Garngad-Straße her. Wir wußten zuerst nicht, was wir tun sollten. Es war kein Verkehrsmittel in Sicht. Schließlich sah ich eine Tram, und wir suchten sie zu erreichen. Unterdessen stürmten einige junge Leute auf mich los und hieben mit Fäusten auf mich ein. Gleichzeitig griffen mehrere Frauen Elisabeth an, zerrten sie an den Haaren, versetzten ihr Fußtritte und Püffe und suchten sie zu Boden zu schlagen.

Die Menge hatte den Tramwagen zum Stehen gebracht, und der Führer, der Schaffner und ein anderer Mann kamen aus dem Wagen und suchten uns zu helfen. Auch zwei Schutzmänner schlugen sich in unserer Richtung durch die Menge. Währenddessen war ich schon zur Hälfte auf dem Wagen und zog Elisabeth herauf; Frauen zerrten sie wieder hinunter, aber ein Mann im Straßenbahnwagen half mir, sie hinaufzuziehen. Dann hatten sich die beiden Polizisten durchgekämpft, und der Tramwagen fuhr ab."

Aus dem Bericht von Frau Mary Kilpatrick:
"Wir hatten die Arbeit in der Cobden-Straße und Bright-Straße kaum begonnen, als Jessie Turner zu mir gerannt kam und mich bat, die Polizei zu holen, weil ihre Gruppe von einer Menschenhorde tätlich angegriffen würde. Ich ging direkt zu einer Polizei-Zelle, zog die Notglocke und rief: 'Bitte senden Sie sofort Polizei nach der Villers-Straße. Kommen Sie sofort; man überfällt Jehovas Zeugen.' Als ich mich umdrehte und aus der Zelle hinausgehen wollte, war ich von einer Ansammlung von wahrscheinlich dreihundert Leuten umringt. Ich ging die Villers-Straße entlang nach der Castle-Straße, um einen Schutzmann zu finden. Auf dem Wege schlugen die Kerle dauernd mit Fäusten auf mich ein, versetzten mir Fußtritte und brüllten schreckliche Drohungen. Sie riefen immerfort: Ihr werdet schon sehen, was wir mit Euch machen, wenn Ihr hierher kommt und etwas gegen den Papst sagt'.

Zwei junge Frauen schienen Rädelsführer zu sein; sie hatten kleine Kinder im Arm, übergaben diese zwei anderen Frauen und beteiligten sich mit am Austeilen von Püffen und Schlägen. Es war inzwischen eine Horde von 300 bis 500 Menschen - Männer, Frauen und Kinder - zusammengeströmt. Ich erreichte dann die Straßenbahn und konnte mich auf diese Weise der Menge entziehen. Der Straßenbahnführer sagte, er wolle als Zeuge dafür auftreten, wie man über mich hergefallen sei."


Rutherford und seine ihr Gehirn ausgeschaltet habende Satrapen, hatten die Provokation gesucht. Nun bekamen sie offenbar das Echo präsentiert.
Kommentierend meint "Trost" dann noch zu vorstehendem Bericht:


"Wer ist für die Krawalle verantwortlich?
Großbritannien ist protestantisch und hat sich in den letzten Jahrhunderten zu einem Standpunkt wirklicher Duldsamkeit in Glaubensfragen durchgerungen. Aber in diesem protestantischen Lande hat sich allmählich eine beträchtliche, mehrere Millionen zählende katholische Bevölkerung angesammelt, die um Liverpool und Glasgow herum besonders durch Zuwanderung aus dem katholischen Irland entstanden ist. Diese katholische Minderheit ist es, die dazu aufgeputscht wird, der traditionellen englischen Duldsamkeit und Redefreiheit ein Ende zu bereiten."


An anderer Stelle in dergleichen "Trost"-Ausgabe wird dann noch die als vermeintlicher Urheber dieser Exzesse geoutete katholische Kirche mit den Sätzen bedacht:
"Diese Memmen in den schwarzen Kutten zittern um Brot, um Ehre und Ansehen. Sie wissen nicht mehr, wie sie ihre Lügenexistenz gegenüber der Wahrheit aus Gottes Wort verteidigen sollen, und finden dafür kein anderes Mittel als das der rohen Gewalt, zu der sie irregeleitete, ihnen geistig versklavte Menschen aufhetzen, während sie sich unterdessen in erbärmlicher Feigheit in ihren Schlupfwinkeln verkriechen.

Viele Leute leben immer noch in der Wahnvorstellung, die römisch-katholische Kirche sei etwas Gutes. Hunderte von Millionen Menschen haben ihr geistiges Wohl diesem System anvertraut. Mögen sich solche gesagt sein lassen, daß ihr Vertrauen schändlich mißbraucht worden ist; daß sie ihr Vertrauen an eine unwürdige Sache vergeudet haben. Wenn dieses katholische System tatsächlich etwas Gutes wäre und den Namen des Herrn, den sie trägt, überhaupt verdiente, dann ginge es nicht darauf aus, Christen mundtot zu machen und möglichst' sogar umzubringen, weil diese Christen andere Anschauungen vertreten.

Muß es all den gutgesinnten Menschen der katholischen Bevölkerung (und es gibt deren viele!) nicht klar sein, daß solche Tätlichkeiten gegen diejenigen, die anderen zu einem Verständnis der Bibel verhelfen wollen, durchaus kein Plus für das katholische System sind? Denn die Wahrheitsboten, über die man herstürzt, tun ja gerade das, was auch aufrichtige Katholiken tun sollten!... In gleicher Weise, wie die katholische ,,Irisch-Republikanische Armee" in England, einem Lande, das nicht ihre Heimat ist, in der Manie von Anarchisten eine Bombe nach der anderen platzen läßt, ebenso hetzen katholische Priester - ebenfalls in der Manie von Anarchisten - zu Tätlichkeiten auf."


Nun soll und kann in der Tat die katholische Kirche nicht verteidigt werden. Dennoch bleibt beim lesen dieses Berichtes das beklemmende Gefühl zurück, dass da wohl auch seitens der Rutherford-WTG, allerkräftigst Öl ins bereits brennende Feuer nachgegossen wurde!

Das alles spielte sich, wie gelesen in Großbritannien ab. Und als weiteren Kommentar meint "Trost" dann noch nachlegen zu können:

"Die Abwehr dieser Methoden ist schwächlich. Das Volk wird von seinen Führern, den angeblichen Hütern der Demokratie, zwar gegen einen möglichen Feind von außen in Abwehrstellung gebracht, aber nicht im geringsten aufgeklärt über die größeren Gefahren, die ihm durch seine Feinde von innen her drohen. Die Staatsmänner des Britischen Weltreiches haben deutlich genug zu erkennen gegeben, daß sie den Faschismus weder als Bundesgenossen noch als Vorbild ablehnen. Er wird auf dem Wege über die römisch-katholische und die anglo-katholische Religiosität von Großbritannien Besitz ergreifen."

Ob denn der letztere Kommentar sich durch besondere "Sachlichkeit" auszeichnet, mag man wohl ebenfalls mehr als berechtigt, in Zweifel ziehen.

Wie es einige Jahre später dann weiterging

Gemessen an dem, was sich da in Großbritannien abspielte,  waren die "Bauchschmerzen", welche man fast zur gleichen Zeit auch in der Schweiz bekam, eher marginal. Immerhin wurde durch sie auch die WTG in beträchtlichem Maße hochgeschreckt. Man liest  in der bereits genannten "Trost"-Ausgabe (15. 8. 39) auch noch:

"Den meisten wird es schwerfallen, zu glauben, daß das Schweizervolk für die Verteidigung seiner Freiheit des Guten zuviel tue, und daß denen, die gegen eine drohende Versklavung kämpfen, Fesseln angelegt werden müßten. Die Wirklichkeit ist doch, daß die Gefahr nicht von der Freiheit kommt, sondern vom Faschismus. Warum also die Freiheit abdrosseln und dem Faschismus freien Lauf lassen ?

So wirklichkeitsfremd und unbegreiflich das erscheint, geschieht es doch. Die Broschüre FASCHISMUS ODER FREIHEIT ("Watch-Tower-Verlag") ..., ist in der Schweiz verboten worden!

Man vergleiche dazu auch: 19402Faschismus

Tausende von faschistischen Propagandaschriften kursieren im Schweizerland. Sie zielen ab auf die Beseitigung dessen, was es in der Schweiz zu verteidigen gilt. Aber sie werden nicht verboten. Verboten wird dagegen ein Heft ... FASCHISMUS ODER FREIHEIT ...

Warum, fragen wir, kämpft eine Demokratie ausgerechnet gegen das, was die wirklich christlichen Bürger des Landes gegen die Seuche des Faschismus immun macht ?
Wer hat ein Interesse an solcher Knebelung der Preßfreiheit und Aushöhlung der Demokratie?
Die Antwort ist: Erstens die Nazis und zweitens die römisch-katholische Hierarchie.
Aus beiden Lagern 'dieses seltsamen Bündnisses' sind Protestschritte gegen die Verbreitung von FASCHISMUS ODER FREIHEIT erfolgt.

Soweit man bis jetzt weiß, sind Ausführungen über Hitler der Hauptanlaß für das Verbot der Broschüre. Aus etlichen Kantonen der Schweiz soll man sich bei der Bundesanwaltschaft über diese Ausführungen beschwert und ein Verbot der Broschüre verlangt haben, weil ein Bundesratsbeschluß Angriffe auf fremde Staatsoberhäupter untersage.

Aus schweizerischen Kantonen beklagt man sich darüber, daß ein paar offene Wahrheiten über Hitler gesagt werden? Sind wir schon so weit? Sitzen schon in allen Teilen der Schweiz Schweizer, die nach einer Bestrafung derjenigen schreien, die es wagen, über Hitler die Wahrheit zu schreiben und zu sagen? ...

Um zu verbergen, von welcher Seite der Kampf gegen diese Botschaft - in diesem Falle gegen die Broschüre FASCHISMUS ODER FREIHEIT - in Wirklichkeit ausgeht, und um zu verbergen, daß mit diesem Kampf die faschistische Politik des Vatikans geschützt werden soll, greift man einen anderen Punkt als Vorwand auf. Leute der Katholischen Aktion in der Schweiz machen sich mit ihren Protesten an die Bundesanwaltschaft zu Verteidigern des Ansehens Hitlers im Ausland!

Dieses Spiel ist nicht einmal neu. Als zum Beispiel im Juni 1938 in Zürich bei einem großen öffentlichen Vortrag über ,,Kreuzzug gegen das Christentum" rund 200 extra herbeigekommene Jünglinge von der Katholischen Aktion die Versammlung vergeblich zu sprengen gesucht hatten, gaben die katholischen ,,Neuen Zürcher Nachrichten" am 29. Juni 1938 ihrer Enttäuschung über diesen Mißerfolg Ausdruck mit den Worten:
"Wo aber war die Polizei, als der Referent gegen ... fremde Staatsoberhäupter hetzte, was bisher in unserer freien Schweiz nicht ungestraft durchging?"

Obwohl sich in der 64seitigen Broschüre FASCHISMUS ODER FREIHEIT nur ein paar Zeilen mit Hitler befassen - und auch das sind keine persönlichen Angriffe, sondern er wird als Vertreter einer abgöttischen Staatsidee erwähnt -, haken seine katholischen Freunde auf diese paar Worte ein, um die ganze ... Botschaft zu unterdrücken!

Merkt man nicht, daß diese Elemente die Behörden dazu drängen wollen, nach und nach selber die Totengräber der Freiheit ihres Landes zu werden?"


Und als weiteren Kommentar dazu meint "Trost" dann noch:
"Die auf der ganzen Erde bereits verbreiteten reichlich 12.000.000 Exemplare dieses Heftes haben schon vielen, vielen die Augen geöffnet; und weitere Millionen Exemplare werden folgen in jenen Ländern, wo die Preßfreiheit auch heute noch von den Faschistenfreunden nicht beeinträchtigt ist."

Und das ganze wird dann - wie gehabt - in das endzeitliche Pokrustesbett eingepresst, wofür dann auch die Aussage steht:
"... Im nahen Schlußkampf von Harmagedon. Soll uns Widerstand von selten der Wahrheitsfeinde irgendwie abschrecken? Nein! Kampf - jetzt erst recht!"

Aus heutiger Sicht mutet diese Schweizer Verbots-Entscheidung recht banal an. Zumindest ist sie Beleg dafür, dass auch die Schweizer Politiker zur fraglichen Zeit eine beachtliche "Dünnhäutigkeit" offenbarten. War die in der bestehenden weltpolitischen Gemengelage wirklich so "unerwartet"? Von "unerwartet" kann man doch wohl eher weniger reden. Das muss selbst das "Trost" - indirekt - zugeben, indem es gleichfalls in dieser Ausgabe auch die nachfolgende Nachricht weitergibt:

"Die Welt stöhnt unter Kriegslasten
Der finanzielle Krieg ist bereits erklärt.
Deutschland gibt im Jahre 1939 für seine Armee mehr aus als im Jahre 1915, als der Weltkrieg in vollem Gange war. Es hält zwar die genauen Ziffern für seine militärischen Ausgaben geheim. Jedoch schätzte die "Foreign Policy Association" dieselben für das vergangene Jahr auf 4.4 Milliarden Dollar.
In diesem Jahr, nach dem Anschluß von Österreich, Mähren und Böhmen, dürfte die Summe von 5 Milliarden reichlich überschritten werden. Das sind also ungefähr 200 Milliarden französische Franken.
England wird mindestens 112 Milliarden ausgeben. Das ist die Ziffer, die Sir John Simon im April dem Unterhaus bekanntgegeben hatte, wobei er übrigens gleich erklärte, daß man sicher nicht dabei bleiben werde.
Frankreich ist bei 55 Milliarden angekommen.
Was Rußland anbelangt, so hat es ein Militärbudget von 40 Milliarden Rubel bekanntgegeben, was 300 Milliarden Franken entsprechen würde, wenn man den Rubel zu pari einsetzt.
Rechnet man noch die militärischen Ausgaben von Italien, Japan und Amerika dazu, so ergibt sich, daß die Welt im Jahre des Unheils 1939 für Rüstungen mehr als 2 Milliarden täglich ausgibt.


Oder auch diese in "Trost" wiedergegebene Meldung:
"Von den Geldhyänen
Im Jahre 1938 hat Frankreich im Durchschnitt 500 Tonnen Erz pro Monat an Deutschland geliefert. Bei einem Krieg bekämen die Franzosen diese Erze in Form von Granaten wieder auf den Kopf. Die Leichen, die es dabei gibt, stören die Erzbarone nicht besonders; denn der Gewinn steckt um jene Zeit schon lange in der Tasche. Und solche erbärmlichen Wichte werden gelegentlich noch als Musterpatrioten gefeiert!"


Mag man die geschilderte Entscheidung der Schweiz auch kritisieren. Aus der Sicht der zeitgenössisch handelnden Schweizer Politiker ist sie durchaus nachvollziehbar. Und das die WTG ihre vermeintlichen Interessen um jeden Preis durchzuboxen gewillt ist, dass hat wohl auch jenen Politikern zu dieser Zeit schon gedämmert. Die Interessen der WTG - das muss in aller Deutlichkeit gesagt werden - sind durchaus nicht kongruent mit staatspolitische Notwendigkeiten. Weder in der Schweiz und erst recht nicht in den zeitgenössischen Diktaturstaaten.

Die WTG versuchte dann noch mittels eines von Harbeck unterschriebenen Protestschreibens, an die Bundesanwaltschaft, datiert vom 21. 7. 1939, wenn denn möglich, dieses Verbot rückgängig machen zu können, worüber "Trost" in seiner Ausgabe vom 1. 9. 1939 berichtet. Offenbar lies sich die Bundesanwaltschaft davon nicht beeindrucken und blieb bei ihrer Entscheidung.


"Ungefähr 110 Zeitungen der Schweiz brachten in den Tagen vom 7. bis zum 12. August eine Notiz über das Verbot der Broschüre FASCHISMUS ODER FREIHEIT, und wenn sich auch die meisten Blätter auf kommentarlose Wiedergabe irgendeiner der verschiedenen Presse-Agentur-Meldungen beschränkten." berichtet "Trost" in seiner Ausgabe vom 1. 10. 1939 dann noch.

Und weiter:

"Es zeigte sich auch hierbei, daß die katholischen Kreise einen bessern Zuträgerdienst aus dem Bundeshaus haben als alle andern. Das ,,Vaterland", Luzern, war es nämlich, das zwei Tage vor allen andern Zeitungen, am 5. August, die erste - mit Aufhetzung zu weiteren Unterdrückungsmaßnahmen gegen Jehovas Zeugen verbundene - Meldung über das Verbot veröffentlichte. Vom 7. August an machte dann eine weitere katholisch inspirierte - und trotzdem auch vom "Bund" abgedruckte! - gehässige Presse- Agentur-Meldung die Runde, und kürzere, etwas weniger tendenziöse Presse-Agentur-Meldungen folgten."

Spätestens nach diesem Punkt, muss man auf die "Befindlichkeit" der zeitgenössisch handelnden Zeugen Jehovas zu sprechen kommen. War deren Befindlichkeit objektiv? Kurze aber klare Antwort mit einem Wort: - Nein -

Wäre es anders gewesen hätten sie sich beispielsweise umfassend
(und vor allem auch glaubwürdig) sich mit ihren Endzeithesen, etwa 1914, 1925, auseinandersetzen müssen. Diese Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte unterblieb schon mal. Das eigene Scheitern diesbezüglich wollte man grundsätzlich nicht wahrhaben. Gleich einem Fieberkranken redete man sich weiterhin ein. Es müsse so sein, wie man es wünscht. Das die weltpolitischen Rahmenbedingungen alles andere als "erhebend" waren, wurde bereits geschildert. Sie boten durchaus genügend Stoff für gewiegte Demagogen, sie in ein Endzeitkoresett hineinzupressen. Solch ein Demagoge war (auch) Rutherford und seine Satrapen.

Der Gebetsmühlenartig vorgetragene Spruch: Es möge bitte geschehen, was man wünscht, ändert überhaupt nichts an dem Umstand, das Wunsch und Wirklichkeit eben nach wie vor zwei "verkehrte Schuh" sind, die einfach nicht zueinander passen.

Wenn diese Konfliktlage sich schon - wie beschrieben in Ländern wie Großbritannien und der Schweiz widerspiegelte. Um ein vielfaches mehr in Hitlerdeutschland! Um dabei Oppositionsgefühle in sich aufkommen zu lassen, zu jenem Regime, dazu gehörte in der Tat nicht viel. Vom ideologischen von Rutherford geprägtem Korsett
(etwa der Ablehnung der konventionellen Obrigkeitslehre her) wurde dieses Oppositionspotzential dann noch um ein vielfaches potenziert.

Der einzelne kleine Zeuge befand sich da
(das sei durchaus anerkannt) in einem echten Gewissenskonflikt, den er aber durch seine Indoktrinierung durch die WTG-Organisation auch nicht zu lösen vermochte. Der für ihn also in der Regel nur zu einem "Ende mit Schrecken" führen konnte. Rutherford interessierte die Befindlichkeit des einzelnen seiner kleinen Anhänger nur herzlich wenig (allenfalls als brauchbares Propagandamaterial). Er kannte nur ein Ziel. "Money und nochmals Money" (als symbolischer Begriff verstanden).

Und für dieses Ziel war er bereit über "Leichen zu marschieren". Sein "Money" hieß eine "starke Organisation". So wie weiland in einem Krieg zwischen Vietnam und China in morastischem Gelände, befehlsgebende Militärs es durchsetzten, dass lebende Menschen die Panzerfahrbahn in diesem Gelände bilden müssen. Von der gleichen Entschlossenheit war auch Rutherford (angepasst an seine Zielstellung) geprägt.

Am American way of Life sollte und soll die Welt genesen. Das manifestiert sich dann auch in Personen. Egal ob Hedgefonds oder eben auch einen Herrn Rutherford.

Damit ist das zeitgenössische Hitlerregime in keiner Weise - auch nicht im allergeringsten - irgendwie entschuldigt. Auch andere gerieten in Opposition zu ihm, etwa (als Beispiel) Dietrich Bonhoeffer. Auch er hat seine Opposition letztendlich mit dem Leben bezahlen müssen. Das agieren im Sinne möglichst wirkungsvoller Opposition kann man im Falle Bonhoeffer sehr wohl anerkennen. Im Falle Zeugen Jehovas eher nicht.

Es wurde bereits eingeräumt, dass der einzelne kleine Zeuge sich da in einer echten (für ihn nicht positiv lösbaren) Konflikt und Gewissensnot befand. Dennoch bringt selbst "Trost" zum Ausdruck, welche Optionen es selbst unter diesen widrigen Umständen gab, etwa wenn es in dieser Ausgabe auch schrieb:

"Worauf kommt es den Nazis eigentlich an? Wollen sie bloß ein paar Glaubensverzichtunterschriften sammeln? Gewiß nicht. Sie wollen den Menschen innerlich brechen; denn erst dann sind die Menschen Spielbälle ihrer Willkür.

Manche sagen: "Man kann doch unterschreiben; Gaunern gegenüber gilt doch weder ein Ehrenwort noch sonst etwas." -
Doch solche Bemerkungen werden wohl meist von der Angst vor Verfolgungen eingegeben; und mit der Unterschrift, die angeblich nur mit der Hand, nicht aber mit dem Herzen gegeben wird, bricht im Innern etwas entzwei."


Wie gesagt, dass sei als echter Gewissenskonflikt durchaus anerkannt. Nur - und das ist der springende Punkt. Die Opposition dagegen, welche die Rutherford-Organisation entwickelte, ist nur aus ihren eigenen Organisations-egoistischen Motiven gespeist. Nicht aber beseelt von dem Willen, möglichst effektivem Widerstand zu leisten (siehe Beispiel Dietrich Bonhoffer).

Indem diese "Trost"-Ausgabe auch über wenig erfreuliche Geschehnisse in Großbritannien und der Schweiz berichtet, ist es wohl nachliegend, dass auch Hitlerdeutschland dann nicht vergessen wird. Und genau so ist es. Schon in einem einleitenden Artikel von Rutherford höchstpersönlich. Letzterer weiß zu berichten:


"Ein in Deutschland im Geschäftsleben stehender Mann machte kürzlich einen Besuch m den Vereinigten Staaten und überbrachte mir aus erster Hand den Bericht eines Zeugen Jehovas ...

"Unter dem Terror der Naziherrschaft ist Deutschland ein Land von Heuchlern und Feiglingen geworden. Obwohl mindestens 75 % der Bevölkerung das Naziregime hassen, was auch aus den beißenden Witzen ersichtlich ist, die geschwind von Mund zu Mund gehen, stellt man sich nach außen doch sehr begeistert.
Zu den schlimmsten Heuchlern gehören jene Millionen ehemaliger Kommunisten, die jetzt zu den lautesten Nazis und eifrigsten Fahnenwedlern zählen. Um ihre frühere politische Tätigkeit als Kommunisten zu verbergen, oder um zu zeigen, wie gründlich ihr "Herzenswandel" sei, gehen sie sogar so weit, andere Leute zu verraten und als mit dem Nazismus nicht übereinstimmend zu denunzieren, wodurch sie ihre Einsperrung veranlassen.

Eine ähnliche Probe wurde von dem finster aussehenden Himmler, dem Chef der deutschen Polizei (einschließlich der Gestapo), im Frauenkonzentrationslager Mohringen selber angestellt.

[Einfügung die Vokabel des finster aussehenden Himmler, findet dann noch ihren Niederschlag in Gestapo-Dokumenten Man vergleiche etwa 1943] ...

Es stimmt, daß die meisten angeblichen "Selbstmorde" von Zeugen Jehovas in Gefängnissen und Lagern ganz gewöhnliche Morde sind; andererseits kann aber kein Zweifel darüber bestehen, daß einige tatsächlich Selbstmord verübt haben. Die Ursachen davon sind momentane Geistesverwirrung infolge von Schlägen auf den Kopf oder andere unmenschliche Quälereien; Gifte, die im geheimen der Speise oder dem Trank der Gefangenen beigemengt wurden; Nervenzusammenbrüche und in einigen Fällen Gewissensbisse über Verrat, der während der Folterungen an Brüdern begangen, oder Gewissensbisse wegen eines Kompromisses, der mit dem Feinde geschlossen wurde.

Allein aus dem Gefängnis in Bautzen (Sachsen) wurden zwölf bis achtzehn Selbstmorde (wirkliche oder angebliche) berichtet. ...

Besonders berüchtigt ist Sachsen. So hat zum Beispiel der Nazi-Ortsgruppenleiter von Kandier Befehl erteilt, daß jeder, den man den Namen Jehova aussprechen hört, anzuzeigen sei. Ein solcher wird noch am gleichen oder spätestens am nächsten Tage ohne Verhör auf unbestimmte Zeit ins Konzentrationslager gebracht.

Ungefähr neunundneunzig Prozent der Bevölkerung haben ihre Kinder - freiwillig oder unfreiwillig - der Hitlerjugend beitreten lassen, wo sie politisch und militärisch ausgebildet werden. Durch ein neues Gesetz wird nun versucht, auch das übrige eine Prozent Kinder zwischen 10 und 18 Jahren noch zu erfassen.
Eltern, die nicht nachgeben, werden ins Gefängnis oder in ein Konzentrationslager gesteckt und die Kinder unter staatliche Vormundschaft gestellt. Dieses neue Gesetz droht Hunderte von Familien solcher vom Überrest und von den Jonadaben auseinanderzureißen, die sich in dem immer größer werdenden Gebiet befinden, das dem Greuel der Verwüstung ausgeliefert ist. ...

Letzten September, als Europa am Rande eines neuen Weltkrieges stand, war die Bevölkerung in Deutschland voller Furcht und schlimmer Ahnungen. Überall konnte man Leute sagen hören, daß Harmagedon nahe bevorstehe."


Insbesondere die letztere Aussage, das einordnen des ganzen in ein endzeitliches Korsett, dürfte dann wohl typisch sein!

Die holzschnittsartige Befindlichkeit (bar der Fähigkeit ausreichend zu differenzieren) der zeitgenössischen Zeugen Jehovas kommt dann wohl auch in solchen Kurzmeldungen zum Ausdruck, wie den nachfolgenden, gleichfalls dieser "Trost"-Ausgabe entnommenen:


"Vor einigen Monaten brachten Sie einen Artikel, worin stand, daß der Kommunismus der Weg zum Faschismus sei. Ein Freund von mir, ein Kommunist, meinte dazu: 'Das ist Unsinn.' Ich erwiderte, er würde nicht mehr so sprechen, wenn er nur die Augen aufmachen und sehen würde, welche Kräfte hinter beiden Bewegungen stecken; dann könnte er feststellen, daß das von der Hierarchie gegen den Kommunismus erhobene Geheul nur zur Tarnung dient und das Volk von der gleichen Hand, die den Faschismus dirigiert, zur Schlachtbank gefuhrt wird. Vor ein paar Tagen nun sagte dieser Freund zu mir: 'Ich glaube, du hast in dieser Sache recht, und künftig werde ich mich von all diesen Dingen fernhalten. ...

Dult Cooper, früher Erster Lord der Britischen Admiralität, sagte kürzlich in einem Interview: "Das Regime Stalins ist eine Art Nationalsozialismus."
Darum ist es nicht verwunderlich, daß sich die Massen streitbarer Nationalsozialisten in Deutschland um das Jahr 1933 zum großen Teil aus solchen rekrutierten, die vorher entweder Kommunisten waren oder bei Wahlen für den Kommunismus gestimmt hatten.

Man könnte natürlich als Erklärung dafür sagen:
Die verzweifelten, fast verhungernden Massen probieren eben alles aus, was ihnen Hilfe verspricht. - Doch das trifft nicht auf jene zu, die zuerst Karriere bei den Kommunisten zu machen suchten und dann bei den Nazis tatsächlich Karriere machten, und solcher gibt es eine große Anzahl. Rot und Braun sind zwei Farben, die ineinanderfließen. ...

Sehr bald wird Jehova Gott all die Unglücklichen, die durch das Totalitätsungeheuer "befreit" wurden, wirklich befreien, sofern sie ihr Heil von Ihm und nicht von Menschen erwarten."

"Die Krise"

Aus Polen wurde im Jahre 1933 berichtet, dass es dort auch zu einer Beschlagnahmung der WTG-Literatur gekommen war. Schließlich gelang es jedoch, dieses Verbot wieder rückgängig zu machen, was im "Wachtturm" vom 1. 8. 1933 als großer Sieg gefeiert wurde. Bemerkenswert in diesem Bericht auch die Ausführungen über die Rutherford-Broschüre "Die Krise" die sich offenbar als besonderer Knackpunkt erwies. Der diesbezügliche Bericht vermerkt, dass die polnischen Behörden "jedoch eine ganze Woche hindurch die Krisebroschüre (prüfte) und war ganz unschlüssig, ob sie freigegeben werden solle oder konfisziert werden müsse, da sie vom Standpunkt ausging, was gegen die amerikanische Regierung geschrieben sei, beziehe sich in Wirklichkeit auch auf die hiesige Regierung. Doch schließlich gab die Zensur den Neudruck dieser Broschüre frei."

Auch in Deutschland wurden schon Anfang 1933 besondere Aktivitäten unternommen um speziell die "Krise"-Broschüre zu verbreiten (über 2 Millionen Exemplare allein in Deutschland). Die ersten regionalen Verbote in Bayern und Sachsen nahmen dann auch prompt jene Broschüre als formalen Anlass dafür.

Das "Bulletin für Jehovas Zeugen" vom Februar 1933 vermerkt dazu:

"Lasst uns als Jehovas Zeugen diese Broschüre 'Die Krise' mit größerer Energie verbreiten, als dies mit irgend einer früheren Schrift geschehen ist, denn die Krise ist da."

Man vergegenwärtige sich dazu auch den soziologischen Hintergrund. Nach dem 1918 beendeten Weltkrieg, mit seinen unermesslichen Leiden, war die nächste Folgewirkung in Form der Inflation schon absehbar. Sie bewirkte, mit Ausnahme einiger weniger Kriegsgewinnler, eine Verelendung breiter Bevölkerungsschichten. Kaum war sie mehr schlecht als recht überwunden, setzte 1929 die Weltwirtschaftskrise ein. Wenn man heutzutage feststellt, dass breite Bevölkerungsschichten als nicht politisiert betrachtet werden müssen, dann war das damals anders. Fast jeder war in der einen oder anderen Form von den skizzierten Kriterien mitbetroffen. Diese persönliche Betroffenheit fand auch ihren Niederschlag in politischer Polarisierung, beispielsweise bei den Nazis oder den Kommunisten. Und das in einem Umfang, von dem heutige politische Parteien nur "träumen" können. Letztendlich sind auch die Bibelforscher/Zeugen Jehovas in diesem Kontext einzuordnen. Lässt man mal einen Moment ihre Hauptthese, dass "nur Gott" die Verhältnisse zu ändern vermag beiseite, so wird der unvoreingenommene Beobachter zu konstatieren haben, dass sie in religiöser Phraseologie auch jene Befindlichkeit widerspiegelten, die im linken politischen Spektrum, beispielsweise die Kommunisten auch motivierten.

Gerade das Beispiel der Broschüre "Die Krise" liefert etliche Veranschaulichungsbeispiele dafür. Etwa, wenn Rutherford bezugnehmend auf die USA schreibt:

"Einige wenige Schwerreiche setzen die Preise für die Lebensmittel fest, die die Farmer erzeugen und von den Landarbeitern eingeerntet werden. Dadurch sind die Farmer beraubt und die Arbeiter zum Hungern verurteilt worden, und das im reichsten Lande der Welt!

Das Großgeschäft besitzt die Schiffe, die die Meere befahren und durch die Luft segeln. Es besitzt die Eisenbahnen und die anderen Verkehrsmittel. Es besitzt die besten Wertpapiere der allgemeinen Transportgesellschaften, während einige aus dem Volke die minderwertigen Aktien und Schuldverschreibungen haben.

Im Dienst des Großgeschäfts stehen die gerissensten Rechtsanwälte, die es verstehen, die Verträge immer zugunsten ihrer Klienten zu formulieren; das Volk aber muss mit dem mageren Ende fürliebnehmen. Jeder Zweig der Regierung ist durch das Großgeschäft verunreinigt und unrechtlich beeinflusst. Es beherrscht die beiden größten politischen Parteien Amerikas, und nach seinem Willen werden die Männer, die seinen eigennützigen Interessen am besten zu dienen versprechen, zu den öffentlichen Ämtern ernannt und auch gewählt. Das Großgeschäft beherrscht das Heer und die Marine, die Kanonen und die Munition sowie die gesamte Polizeimacht der Nation.

Praktisch genommen sind alle Geschäftskorporationen Amerikas im Besitz und unter Kontrolle des Großgeschäfts.

Das Großgeschäft besitzt oder kontrolliert direkt oder indirekt fast alle Zeitungen und Zeitschriften Amerikas und bedient sich ihrer zur Propaganda für sich selbst und seine politischen und religiösen Verbündeten" (S. 7, 8).

Besonders beachtlich auch der Satz von Rutherford:

"Ich wage die Meinung auszusprechen, dass Amerika bald von einem Diktator regiert werden wird, dem eine Schar von Verrätern zur Seite stehen werden, die von den Häuptern des Großgeschäfts ausgewählt und geleitet sein werden. Es wird eine militärische Herrschaft sein, die das Volk zwingen wird, ihr untertan zu sein" (S. 18).

Mit letzterer Bemerkung hatte Rutherford naturgemäß auch die Nazis tangiert. Gerade dies war doch ihr Regierungsprogramm, die faktische Militärdiktatur. Nur das sie es nicht liebten, dass dies so ausgesprochen würde. Man betonte da lieber das "Nationale" dem man angeblich verpflichtet sei usw. usf. Es wäre müßig, den weiteren Verlauf der deutschen Geschichte nach 1933 hier zu wiederholen.

Jedenfalls "getroffene Hunde bellen laut". Den Nazis war durchaus klar, dass jene Ausführungen von Rutherford, die sich formal nur auf die USA bezogen, auch eine deutsche Entsprechung hatten. Und entsprechend folgerichtig, reagierten sie auch darauf.

Beachtlich auch jene Notiz in dem internen Mitteilungsblatt "Bulletin" (Magdeburger Ausgabe) vom Mai 1933:

"Das Ministerium für Propaganda und Aufklärung hat an uns das Ersuchen gerichtet, den Umschlag der Broschüre 'Die Krise' nicht mehr in den Verkehr zu bringen. Wenn irgend jemand noch Broschüren 'Die Krise' hat, bitten wir, den Umschlag herunterzureißen. Die Broschüre kann dann für die Häfte des Preises ... abgegeben werden. Nichtbachtung dieses Ersuchens kann zu ernsten Komplikationen für den Verbreiter führen, und der Inhalt der Broschüre ist ja auch das wichtigste."

Die Analyse der weltpolitischen Lage durch Rutherford wäre das eine. Das andere wäre dann die Empfehlungen, die er davon ausgehend seiner Anhängerschaft gab. Auch diesbezüglich ist die "Krise"-Broschüre deutlich genug. Etwa wenn er äußert:

"Möchten alle denkenden Menschen, die das Rechte wollen, ja davon abstehen, eine Revolution zu befürworten, und sich von aller Gewalt zurückhalten. Niemand, der an Jehova glaubt und ihm dient, wird zu Gewalttat greifen. Dies ist der Kampf Jehovas. …

Jehova sagt ihnen jetzt durch seinen Propheten, dass sie stille sein und auf ihn warten und achtgeben sollen, was er tun wird. … " (S. 19, 21).

Damit schließt sich der Kreis wieder. Formal geht Rutherford auf die Befindlichkeit jener ein, die da meinen berechtigten Grund zur Kritik an der Tagespolitik zu haben. Zugleich neutralisiert er diese Kritik. Er setzt, wie auch schon Russell alles daran, dass der gegenwärtige politische Status quo erhalten bleibe.

Ein langer Kommentar dazu, erübrigt sich eigentlich. Schon lange vor Russell, Rutherford und den heutigen Zeugen Jehovas, hatte ein Mann namens Karl Marx dafür einen treffenden Vergleich gewählt. Er sprach davon, dass die Religion mit dem Rauschgift Opium zu vergleichen sei. Einer der namhaftesten Dealer diesbezüglich sind ganz offensichtlich die Zeugen Jehovas in Vergangenheit und Gegenwart!

Rutherford Die Krise pdf

Gegen "heroisches Kraftchristentum"

Nach dem 30. Januar 1933 war es klar. Das Hitlerregime hatte in Deutschland die Macht an sich gerissen. Eine dezidierte, ins Detail gehende Stellungnahme der Zeugen Jehovas, vor 1933, zum Hitlerismus ist meines Wissens in ihrer deutschen Literatur nicht nachweisbar. Wenn es beispielsweise seitens der Kirchen durchaus vor 1933 etliche kritische Stellungnahmen zum Hitlerismus gab (aber auch Akklamationen), so sucht man adäquates vergeblich in der Literatur der Zeugen Jehovas. Nach dem 30. 1. 1933 bestand eine andere Situation. Wie man weiß überschlugen sich die Ereignisse förmlich. Schon im Juni 33 waren die Zeugen Jehovas Reichsweit verboten. Aber noch in ihrer Berlin-Wilmersdorfer Erklärung vom 25. 6. 1933 versuchten sie auf Anbiederungskurs zu schwimmen, etwa mit ihrer Ausführung:

"Eine sorgfältige Prüfung unserer Bücher und Schriften wird deutlich zeigen, dass die hohen Ideale, die sich die nationale Regierung zum Ziel gesetzt hat und die sie propagiert, auch in unseren Veröffentlichungen dargelegt, gutgeheißen und besonders hervorgehoben werden. … Man möchte uns gestatten hier darauf aufmerksam zu machen, dass in Amerika, wo unsere Bücher geschrieben werden, Katholiken als auch Juden sich miteinander verbunden haben in der Beschimpfung der nationalen Regierung in Deutschland und in dem Versuch, Deutschland zu boykottieren wegen der von der nationalsozialistischen Partei verkündigten Grundsätze."

Das dies zeitgenössisch als Anbiederung verstanden werden sollte und auch wurde, wird auch durch das im Bundesarchiv nachweisbare Memorandum des Pastors Karl Gerecke aus dem Jahre 1933, zum Zeugen Jehovas-Verbot deutlich. Gerecke polemisiert darin, genau gegen diese Anbiederungspassagen, die er scharf zurückweist um damit zu sagen, der Nationalsozialismus habe nichts mit den Zeugen Jehovas gemein (im Gegensatz zu ihrer eigenen Darstellung).

Im März 1933 hatte das Hitlerregime eine kirchenpolitische Offensive begonnen. In einer Reichstagsrede hatte Hitler den Kirchen "Honig ums Maul" geschmiert. Wer beim lesen jener Rede mal seinen kritischen Verstand ausschaltete, der konnte und sollte den Eindruck gewinnen, der Hitlerismus wäre "der" Beschützer des Christentums. Es gab genug, die willig auf diesen ausgelegten Leim heraufkrochen. Als besonderes "Paradebeispiel" wurde da auch besonders Thüringen bemüht. In jenem deutschen Teilstaat hatten die Nazis schon vor 1933 das Sagen, und dort hatten sie ihre angebliche "Kirchenfreundlichkeit" vorexerziert.

Das atheistische Freidenkertum wurde von den Nazis verfemt (Balsam für die Seele der Kirchenleute). In jenem Thüringen ging man noch einen Schritt weiter und führte im Bildungswesen sogenannte obligatorische "Schulgebete" ein. Wer bei deren Bewertung seinen kritischen Verstand ausschaltete (auch das taten viele Kirchenleute nur zu gern), der konnte sich der Illusion hingeben, dies sei ein weiterer Beweis der Kirchenfreundlichkeit des Hitlerregimes. Mit Speck fängt man bekanntlich Mäuse, und das Hitlerregime verstand es durchaus solche Köder auszulegen.

Auch die Zeugen Jehovas, dies ist nun besonders beachtlich, nahmen zum Thema "Schulgebete" in ihrer Literatur Stellung. Liest man jenen Text heute, so wird man sagen dürfen, es ist eine inhaltliche Ablehnung. Aber bekanntlich macht der "Ton auch die Musik". Und gerade dieser "Ton" verrät, eine gewisse betonte Zurückhaltung, die letztendlich im Kontext der oben skizzierten Anbiederungsstrategie einzuordnen ist.

In der (Schweizer) Ausgabe ihres "Goldenen Zeitalters" vom 1. 3. 1933 konnte man unter der Überschrift "Hitlers positives Christentum" lesen:

"Auf Seite 17 des gedruckten Hitlerprogrammes können wir folgenden Passus in Bezug auf Hitlers religiöse Einstellung lesen: 'Gewiss greifen wir mit größter Schärfe die volksverderbende Politik des Zentrums (deutsche katholische Regierungspartei) und der Bayerischen Volkspartei an, die zwar bei jeder Gelegenheit in den Angstruf ausbrechen 'die Religion ist in Gefahr', nur nicht, wenn sie mit der atheistischen, gottesleugnerischen Sozialdemokratie ihre politischen Geschäfte machen. Gerade weil uns die Beziehungen des Menschen zu seinem Herrgott so hoch und heilig sind, wenden wir uns dagegen, dass die Religion in den Dreck des politischen Tageskampfes heruntergezerrt wird. Positiv wird unsere Einstellung zum Christentum vielleicht am besten umschrieben durch die von Minister Dr. Frick empfohlenen Schulgebete, die ich am Schlusse nachfolgen lasse, es mag sich dann jeder Katholik und Deutscher seine Gedanken machen, wenn er hört, dass diese Gebete 'jedem katholischen Empfinden ins Gesicht schlügen', wie Zentrumspresse schrieb, während der Zentrumsminister Dr. Wirth an das thüringische Staatsministerium am 12. Mai 1930 schrieb, 'dass es ihn als den Reichsminister schmerzlich berühre, wenn Dr. Frick Schulgebete empfehle, in denen stehe: 'Herr, mach uns frei von Betrug und Verrat!' und ich weiß, dass Vaterlandslosigkeit und Gottlosigkeit unser Volk vernichten.'

Solche Sätze seien mit Sinn und Geist der Weimarer Verfassung nicht in Einklang zu bringen!'"

Die WTG zitiert dann solch ein Schulgebet:

"Vater, in deiner allmächtigen Hand

Steht unser Volk und Vaterland.

Du warst der Ahnen Stärke und Ehr

Bist unsere ständige Waffe und Wehr.

Drum macht uns frei von Betrug und Verrat

Macht uns stark zu befreiender Tat.

Gib uns des Heilandes heldischen Mut

Ehre und Freiheit sei höchstes Gut.

Unser Gelübde und Losung stets sei:

Deutschland, erwache! Herr nach uns frei!"

Der Kommentar der WTG dazu:

"Inwiefern dieser religiöse Standpunkt Hitlers mit dem Sinn und Geist der Bibel und mit wahrem oder positivem Christentum im Einklang steht, möchten wir dem Individuellen Urteil oder religiösem Empfinden unserer werten Leserschaft selbst überlassen. Eines steht jedenfalls fest, dass Gott Jehova nichts mit dem heroischen Kraftchristentum, dass aus obigem … Schulgebet spricht, zu tun hat."

Noch ein bemerkenswertes Dokument aus dem Jahre 1933 ist überliefert. Im April 33 wurde für die engere Anhängerschaft ein sogenanntes "Sonder-Bulletin für Jehovas Zeugen" veröffentlicht. Aus ihm sei nachstehend zitiert:

"Eine genaue Betrachtung der Broschüre 'Die Krise' wird jedem den augenfälligen Beweis dafür liefern, dass die Botschaft dieser Broschüre gerade zur richtigen Zeit den Völkern der Welt und ihren Führern unterbreitet wird.

Wir verstehen völlig, dass die große Lektion darin liegt, dass alle Menschen lernen müssen, dass Hilfe und Errettung nur von Jehova kommen kann. … Jehovas Zeugen jubeln über die Tatsache, dass die Krise da ist, die in einer völligen Wiederzuwendung der Menschen zu Jehova enden wird. Deshalb rufen wir Euch noch einmal, kurz vor Beginn dieses größten aller Zeugnisse zu: Macht jede mögliche Anstrengung, dass diese Botschaft das Volk erreicht!

… Die allgemeine Umstellung in Deutschland hat naturgemäß auch hier und da eine gewisse Unsicherheit in der Behandlung unserer Tätigkeit hervorgerufen. Die in der Vergangenheit gegen uns durch falsche Meldungen erzeugten Vorurteile und falschen Auffassungen haben an einigen Stellen auch zu Übergriffen gegen Ortsgruppen und ihre Veranstaltungen geführt. Aber nach dem bisherigen schnellen Handeln der neuen Regierung ist zu erwarten, dass in kürzester Zeit Verhältnisse geschaffen werden, die es möglich machen zu beurteilen, welche Arbeitsmöglichkeiten und gesetzlichen Grundlagen vorhanden sein werden. Der gegenwärtig Zustand kann als für unsere Angelegenheiten zwar ungeklärt, aber vorübergehend bezeichnet werden. Wir bitten daher die Gruppen, in allen Fällen, in denen irgendwelche örtlichen Maßnahmen gegen die Arbeit und die Gruppen unternommen werden, unter keinen Umständen von sich aus irgendwelche Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Bitte meldet alle vorkommenden Angelegenheiten zunächst hierher, damit die juristische Abteilung entsprechende Verhandlungen mit den betreffenden Stellen in die Wege leiten kann.

Soviel wir bisher die Stellung der neuen Regierung zur religiösen Frage beurteilen können, will sie wie aus ihren Veröffentlichungen zu schließen ist, die religiöse Freiheit jedes Staatsbürgers, dass heißt auch die Gedankenfreiheit und die Möglichkeit, sich frei und ungehindert in Wort und Schrift religiös zu betätigen, nicht nur bestehen lassen, sondern auch schützen. Das würde bedeuten, dass auch unsere Tätigkeit den Schutz der Regierung zu beanspruchen hätte.

Wir stehen als Zeugen Jehovas in der gegenwärtigen Stunde den Fragen der Politik ebenso unparteiisch gegenüber, wie wir dies in früheren Zeiten getan haben. Unsere Aufgabe ist es nicht, irgendeine Stellung in politischer Beziehung einzunehmen, sondern Zeugnis seines Namens und seiner Wahrheit. Wir geben daher den Rat, dass jeder Geweihte sich in der gegenwärtig so aufgeregten Zeit noch viel mehr als bisher sorgfältig jeder Kritik in irgendeiner Angelegenheit der Dinge dieser Erde enthält und nichts weiter tut als das, was seine Aufgabe ist, nämlich die Menschen hinzuweisen auf die große Hoffnung der baldigen Segnung aller Menschen der Erde durch Jehova Gott und sein Königreich. …

Sollte in Unkenntnis dieser unserer rein religiösen Stellung und Tätigkeit hier und da irgendeine ungerechte Maßnahme erfolgen (an einem Platz hatte man die politischen Verordnungen herangezogen zur Auflösung unserer Versammlungen), dann geben wir den Rat, auch in einem solchen Fall an dem Ort selbst gegen diese Maßnahme für den Augenblick nichts zu unternehmen, sondern nur die Meldung hierher zu geben. Es ist selbstverständlich, dass in einer Zeit, die so voll Kampf und naturgemäß damit verbundener Erregung ist, auch einmal eine ungerechte Maßnahme einsetzen kann. Wir sind aber der Zuversicht, dass sich in absehbarer Zeit die Verhältnisse, soweit klären werden, dass dann durch die Zentralleitung der Vereinigung die nötigen Schritte in die Wege geleitet werden können. Wir ersuchen die Geschwister auch, keinerlei Beeinflussung von Freunden der Wahrheit in irgendeinem politischen Sinne vorzunehmen. Die politische Einstellung der Menschen, die unsere Versammlung besuchen, ist darum nicht von Interesse für uns, weil wir nicht den Auftrag haben, die Menschen in diesem oder jenem Sinne in Fragen der Politik zu belehren, sondern nur den Auftrag haben, die Menschen - einerlei, welche sie auch sein mögen - zu Jehova Gott zu führen und mit seiner Wahrheit bekannt zu machen.

Die einzige Ausnahme entschiedener und positiver Ablehnung, die wir jederzeit betont haben, betonen wir auch gegenwärtig und werden sie immer betonen, nämlich unsere Ablehnung aller Bewegungen, die da meinen, die Befreiung der Menschen ohne Jehova Gott bewirken zu können. Außer dieser absoluten Ablehnung aller die göttliche Wahrheit der Bibel verneinenden Weltanschauungen ersuchen wir die Zeugen Jehovas und Glieder der Bibelforscher-Vereinigung Deutschlands, keinerlei Meinungsäußerungen politischer Art irgendwie zu machen und auch politische Diskussionen lieber zu meiden. Wir bleiben nach wie vor bemüht, alle in Betracht kommenden Stellen bei Behörden, Gerichten usw. auch weiterhin davon zu überzeugen, dass unsere Tätigkeit und die Tätigkeit unserer Freunde eine rein christlich-religiöse ist, dass heißt das sie das ist, was die Bibel in Matthäus 24 fordert: das Predigen des Evangeliums."

Es war offensichtlich, dass die WTG ihre Weltfremdheit versuchte noch gegenüber dem Naziregime als vermeintlichen "Trumpf" zu verkaufen. Wer die Politik des Naziregimes beobachtete, dem konnte es nicht entgangen sein, dass es in seinem Bestreben lag, eine Revision des Versailler Vertrages vom Ausgang des Ersten Weltkrieges zu erreichen. Das seitens des Naziregimes der "Völkerbund" als Buhmann aufgebaut wurde. Es ist bezeichnend, dass die Zeugen Jehovas in ihrer 33-er Juni-Erklärung, jenen "Ball" der Polemik gegen den Völkerbund mit aufnahmen, in der irrtümlichen Annahme, damit eine Verständigungsbasis mit dem Naziregime zu haben. In jener Zeugen Jehovas-Erklärung konnte man bezüglich des "Völkerbundes" lesen:

"Man hat das, was in unseren Büchern oder Schriften über den Völkerbund gesagt wurde, als Grund angenommen, unsere Tätigkeit und die Verbreitung unserer Bücher zu verbieten. Wir möchten die Regierung und das deutsche Volk daran erinnern, dass es der Völkerbund war, wodurch dem deutschen Volke große, ungerechte und unerträgliche Lasten auferlegt wurden. Jener Völkerbund ist nicht von den Freunden Deutschlands gemacht worden."

Die Nazis dachten nicht daran, auf diesen so ostentativ hingeworfenen Köder einzugehen. Eine differenzierte Einschätzung der Zeugen Jehovas kann man den Nazis mit Sicherheit nicht unterstellen. Aber in ihrem "emotionalem Unterbewusstsein" war ihnen durchaus klar, dass jene Anbiederungspassage nicht das Papier wert ist, auf dem sie stand.

Hätten sich die Nazis schon 1933 intensiv mit den Zeugen Jehovas befasst (was ich allerdings ausdrücklich verneine). Gesetzt den Fall, es wäre doch so gewesen, dann hätte ihnen durchaus klar sein können, dass hier zwar in Worten ein gewisser "Gleichklang" versucht wurde. Das aber in der Sache Welten dazwischen lagen.

Für die Nazis war es klar, dass sie ihre eigenen Interessen selbst zu vertreten gedachten. Für eine Entmündigung unter dem Wortschwall religiöser Floskeln, hatten sie nicht das geringste Verständnis. Genau diese Forderung der politischen Entmündigung, beinhaltet jedoch die Zeugen Jehovas-Lehre in Sachen Völkerbund. Symptomatisch kommt dies auch in der 1933 erschienenen Rutherford-Broschüre "Ursache des Todes" zum Ausdruck. Gibt jene (zum Jahresende 1933 erschienene) Broschüre auch formal vor, sich mit einer religiösen Frage zu befassen, so ist in ihr auch jener Absatz besonders beachtlich, der auf den Völkerbund Bezug nimmt. Man konnte dort lesen (S. 25):

"Durch den Völkerbund kann niemals dauernder Friede gebracht werden, weil der Herr in Jesaja, im 8 Kapitel, spricht:

'Beschließt einen Ratschlag, … und es soll nicht zustande kommen.' Und wiederum sagt der Herr in 1. Thessalonicher 5: 'Wenn sie sagen: Friede und Sicherheit! Dann kommt ein plötzliches Verderben über sie.' Gerade zur Zeit, wenn diese Nationen sich zusammenschließen, schamlos vorgeben, Gott zu vertreten, und in spöttischer Weise behaupten, sein Königreich aufzurichten, haben die Worte des Propheten Gottes in Daniel 2: 44 Anwendung, wo es heißt: 'Und in den Tagen dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Königreich aufrichten, welches ewiglich nicht zerstört, und dessen Herrschaft keinem andern Volke überlassen werden wird, es wird alle jene Königreiche zermalmen und vernichten, selbst aber ewiglich bestehen.' Hier haben wir die positive Erklärung, dass weder der Völkerbund noch irgendein Zusammenschluss von Menschen etwas mit Gottes Königreich unter Christi Herrschaft zu tun haben wird."

"Volksempfänger"

Als in den 1920-er Jahren der heutige Rundfunk sich zur "Serienreife" entwickelte, da weckte er zugleich bei einigen gewisse Begierden. Auch die Nazis gehörten zu ihnen. Als es ihnen gelang 1933 die Macht in Deutschland an sich zu reißen, sollte sich das sehr schnell offenbaren. Ihr Propagandaminister Goebbels hatte schon früh den Wert des Rundfunks als ein Mittel zur Massenbeeinflussung erkannt. Und so wurde von ihm auch gleich nach 1933 die Order an die Industrie herausgegeben, preiswerte Radiogeräte in Massendimensionen auf den Markt zu bringen. Was dann auch gelang. Landläufig waren diese Geräte als "Goebbelsschnauze" bekannt, dieweil sie keinen Kurzwellenbereich enthielten und vorrangig nur den Empfang der nazistischen Propagandastationen ermöglichten.

Nicht nur die Nazis waren von den technischen Möglichkeiten des Rundfunks fasziniert. Jenseits des "großen Teiches" saß noch einer, den es offenbar ähnlich erging. Sein Name: Joseph Fränklin Rutherford, seines Zeichens "Häuptling" der Bibelforscher. Auch er hatte schon früh die propagandistischen Möglichkeiten des Rundfunks erkannt. Seinerzeitige sowjetische Autoren wollen dazu gar wissen, dass Multimillionäre wie Rockefeller, ihn mit saftigen Finanzspritzen versahen, die ihm den Einstieg in das Rundfunkgeschäft ermöglichten. Denn im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" gab es eine entscheidende Hürde dabei. Und die hieß: Money. Nur, wer finanzkräftig genug war, konnte sich auch auf kommerzieller Basis im dortigen Rundfunk verbreiten. Offenbar war dies für Rutherford keine Hürde. Denn mit immer neuen Rekordzahlen vermochte er seiner Anhängerschaft das Staunen beizubringen, wieviele dortige Radiostationen doch seine Vorträge übertrugen. "Vom Herrn überwaltet" hieß die Parole dazu. Vielleicht hatte dieser "Herr" auch einen sehr irdischen Namen und hörte auf Rockefeller & Co? Wer weiß es? Mögen die sowjetischen Autoren, die keine Quellenbelege für ihre These geliefert haben, vielleicht auch "im Nebel herumgestochert" haben. Interessant bleibt ihre These dennoch. Denn dass erhebliche Finanzbeiträge für die Rutherford'schen Rundfunkaktivitäten notwendig waren, steht außer Frage.

Die Rutherford'sche Radioeuphorie kam schon in seiner 1927 veröffentlichten Broschüre "Freiheit für die Völker" zum Ausdruck, wenn er sich darin mit den Worten verbreitete (S. 13):

"Niemand war jemals imstande zu erklären, was Radio ist. Es ist eine unsichtbare Kraft, durch die die menschliche Stimme durch die Luft getragen wird und anderen in weiter Entfernung Nachricht bringt: was es aber eigentlich ist, kann niemand sagen. Sicher aber ist, dass Gott das Radio bereitgehalten hat, weil er es in seinem, vor vielen Jahrhunderten durch seinen Propheten aufgezeichneten Worte vorausgesagt hat (Hiob 38:35). Daher musste auch im Verlauf der Entfaltung seines Planes die bestimmte Zeit kommen, das Radio zu gebrauchen. Diese Zeit ist nun herbeigekommen, und Gott will es zum Segen der Menschheit benützen."

Nur war Rutherford's Rundfunkpublizistik nicht dazu angetan, überall "helle Begeisterung" auszulösen. Eher war das Gegenteil der Fall. Rutherford war im "Markt der Religionen" nur eine Stimme unter vielen, wenn auch eine sehr aggressive. Ohne Zweifel vermochte er gewisse Kreise anzusprechen. Das waren dann die, die ausgehend von einer religiösen Sozialisation, in etwa mit jenen Kreisen vergleichbar sind, die in Deutschland von den Kommunisten (in den 1920-er Jahren) erreicht wurden.

Nur das die Deutschen in der Regel nicht mehr über die "religiöse Sozialisation" verfügten.

Symptomatisch kommt dies auch in der Grundsatzthese von Rutherfords 1933 veröffentlichter Broschüre "Intoleranz" zum Ausdruck, in der auch ausgeführt wurde:

"Hätten die heutigen Herrscher Erkenntnis und Verständnis und Glauben an Gottes Wort, so wären sie überzeugt, dass die Welt nie wiederhergestellt werden kann, und das alle Machenschaften zur Wiederherstellung der Welt sicherlich fehlschlagen werden, und zwar, weil Jehova das endgültige Urteil gefällt hat, dass diese Welt zerstört werden muss" (S. 61).

Ohne Berufung auf Jehova, und ohne religiöse Floskeln, verkündeten die deutschen zeitgenössischen Kommunisten eine ähnliche These. Auch sie waren der felsenfesten Überzeugung, dass der "bürgerliche Staat" um jeden Preis zerstört werden muss. In seinen Trümmern gedachten sie dann ihre Herrschaft, ihr "Goldenes Zeitalter" zu errichten. Wie man weiß, kam es etwas anders. Die kommunistischen Blütenträume jener Zeit wurden abrupt gestoppt.

Auch im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten", wollten andere Religionsführer es nicht dulden, dass sich da Rutherford begann mit solchen Thesen sozusagen eine Art Monopolstellung in der Rundfunkpublizistik aufzubauen. Sie machten sich daher stark um ihn wieder aus dem Rundfunk zu vertreiben. Und sie hatten langfristig Erfolg damit. Aber da Money eine entscheidende Voraussetzung für den Rundfunkzugang war, gelang es den Rutherford-Gegner nicht, ihn kurzfristig zu vertreiben. Sie mussten in ihrer Gegnerschaft vorerst auch mal nur "kleine Brötchen" backen. Aber immerhin. Steter Tropfen höhlt auch den Stein. Und über Detailerfolge konnten auch sie sich schon Anfang der dreißiger Jahre freuen.

Eine Widerspiegelung dieser Sachlage ist auch aus dem Munde von Rutherford nachweisbar. In seiner 1933 erschienenen Broschüre "Zuflucht zum Königreich" kann man diesbezüglich einiges nachlesen. Nachstehend einige Passagen daraus, die auf die oben beschriebene Sachlage Bezug nehmen:

"In Kanada, dass einen Bestandteil der 'Christenheit' bildet, haben Männer in hohen amtlichen Stellungen das Volk jenes Landes daran gehindert, Gottes Botschaft im Rundfunk zu hören. … Ich werde den Führer jener Kommission nicht durch Nennung seines Namens auszeichnen. Er hat mich nicht beleidigt und kann mich nicht beleidigen, weil die Botschaft, die ich überbringe, nicht meine Botschaft ist. Er kämpft gegen Gott. Ein freies Volk, dass fähig ist, selbst darüber zu entscheiden, was es hören möchte, ist seines billigen Rechtes, zu hören was es in dieser Stunde großer Bedrängnis nötig hat, beraubt worden; und mehr als dies: Jehova Gott ist durch jenen in Kanada wohnenden überheblichen Zensor herausgefordert und sein Wort und sein Name sind geschmäht worden. Jehova Gott wird jenem gesetzlosen Menschen und seinen bösen Komplizen und Ratgebern gerechte Vergeltung erstatten. Er gibt zu, dass die Geistlichen seine Berater sind, und das jene Männer Pastoren und Hirten verschiedener religiöser Gemeinschaften sind. Jener Mann und seine Bundesgenossen sind die Gewaltigen der Herde der Geistlichen. Das Geschick, dass solche Menschen erwartet, hat Jehova Gott angekündigt, und ich werde sogleich Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken. Es wäre also unangebracht, wenn ich mich gegen ihn oder gegen irgendeinen anderen Menschen in tadelnden Worte ergehen würde. Die Rache ist Jehovas, und er wird sein Urteil an seinen Feinden vollstrecken.

In der Schlacht zu Gibeon warf Jehova große Eisklumpen vom Himmel und erschlug so eine Menge der Feinde, und er ließ die Sonne und den Mond stillstehen, während Josua das Werk des Erschlagens beendigte."

Mit diesen markigen Worten hatte sich Rutherford über seinen Frust Luft verschafft. Trotz seiner, den Tatbestand massiver Drohungen schon erfüllenden Bibelauslegungen, hat der nüchterne Historiker dennoch zu registrieren, dass Rutherford den Kampf um den Rundfunk letztendlich doch verloren hat.

Sie nahmen Konserven

Die Dreißiger Jahre sind gekennzeichnet durch die 1929 ausgebrochene Weltwirtschaftskrise. In ihrem Gefolge gelang es in Deutschland einem Hitler die Macht zu erringen. Nicht nur Deutschland hatte mit der Weltwirtschaftskrise zu kämpfen. Auch die USA. Auch dort gab es ausgesprochene wirtschaftliche Notstandsgebiete. William Schnell berichtet beispielsweise als Zeitzeuge in seinem Buch, dass man dort sogar alte Autokühler und Batterien als Bezahlung für die WTG-Literatur entgegennahm, die dann anderweitig wieder in Geld umgesetzt wurden. Mag ein solcher Bericht für die Heutigen auch abenteuerlich erscheinen, so sei darauf verwiesen, dass selbst im "Wachtturm" ähnliches nachweisbar ist. In der Ausgabe vom 1. 6. 1933 ist ein von Anton Koerber namentlich gezeichneter Bericht enthalten, indem unter anderem ausgeführt wurde:

"In Rutledge, das in der Gegend von Grainger etwa 25 Meilen von Knoxville (USA) liegt, wurden kurz vor der Versammlung mehrere Zeugen verhaftet. Es waren Pioniere, die Konserven als Gegengabe für die Literatur entgegengenommen hatten. Die Leute hier in der Gegend werden dann und wann vom Roten Kreuz und anderen Wohltätigkeitsorganisationen versorgt. Diese sogenannten 'Wohltäter' hatten die Behörde veranlasst, Jehovas Zeugen zu verhaften, weil sie von den Vorräten genommen hatten, mit denen sie die Armen versorgt hatten. Die Pioniere wurden verhaftet und die Lebensmittel denen wieder zugestellt, von denen sie sie erhalten hatten. … Da erfahren wir, dass sich die Beamten mit dem Staatsanwalt in Verbindung gesetzt und Anweisung erhalten hatten, wieder das alte Lied und den alten Tanz mit uns anzufangen, dass wir ohne Gewerbeschein hausierten, indem wir die Menschen der Lebensmittel beraubten, die ihnen zugeteilt wurden. "

Jener Anton Koerber rühmte sich nun, dass es ihm gelungen sei, in der sich anschließenden Auseinandersetzung, verbunden mit einer juristischen Komponente, letztendlich doch in jener feindlichen Gegend die Interessen der WTG durchzusetzen. Er hatte seine Lektionen in Sachen "Beraubung der 'Ägypter'" offenbar gut verinnerlicht!

Genannter Koerber sollte noch in anderer Weise geschichtsträchtig in die Annalen der Zeugen Jehovas-Geschichte eingehen. In der "Erwachet!"-Ausgabe vom 8. 11. 1964 wird von ihm beiläufig berichtet, dass er der Vertreter der "Watch Tower" in Washington sei. Das heißt, er repräsentierte dort für die Zeugen Jehovas deren Lobby-Verbindung zur amerikanischen Regierung. Eine solche Karriere war zu einem früheren Zeitpunkt für Koerber durchaus nicht voraussehbar. Im Gegenteil. Einige Zeit später - im Jahre 1935 - hatte Koerber mit Rutherford einen Streit der damit endete, dass ihm der weitere Zugang zur Brooklyner Zeugen Jehovas-Zentrale versagt wurde und er faktisch exkommuniziert wurde. Koerber hat diese Zäsur in seinem Leben relativ gut überstanden. Er begann danach wieder aktiv in der Immobilienbranche zu wirken und machte damit finanziell ein Vermögen. Anfangs der fünfziger Jahre war es jedoch sein Bestreben, wieder eine Rolle in der Religion spielen zu wollen. Seine Ambitionen, sich bei der Konkurrenzorganisation "Tagesanbruch-Bibelstudien-Vereinigung" einkaufen zu können, wurden von letzterer zurückgewiesen. Da besann sich Koerber im Jahre 1952 wieder auf das Zeugen Jehovas-Hauptbüro, mit dem er erneut direkten Kontakt aufnahm. Seine dortigen Gesprächspartner, in Kenntnis seiner Vergangenheit, ließen ihn kurzerhand abblitzen. Unter Bezugnahme auf amerikanische Quellen berichtet die Zeitschrift "Brücke zum Menschen" (Nr. 3/1997) über die Verwunderung, die einen WTG-Funktionär überfiel, der ihn kurz vorher einen amtlichen Korb verpasst hatte:

"Ein oder zwei Tage später, als ich in den Speisesaal des Bethels zum Essen ging, war ich sprachlos, denn auf dem Stuhl neben N. H. Knorr saß Anton Koerber als sein Gast. Nach dem Essen verließ ich den Raum und konnte immer noch kaum glauben, was ich gesehen hatte. Ich ging ins Foyer, und Koerber rief mich zu sich und zeigte zum Fenster hinaus auf einen neuen Wagen, der am Straßenrand geparkt war, und sagte: 'Schau den Cadillac auf der anderen Straßenseite - ich habe ihn Knorr geschenkt, und er kann jederzeit einen neuen haben, wenn er will'".

Nach jener Episode war der Aufstieg des Koerber unaufhaltsam. Schon ein Jahr später, im Jahre 1953 trat er für die Öffentlichkeit sichtbar, als Vorsitzender des Internationalen Kongresses des Zeugen Jehovas im New Yorker Yankee-Stadion in Erscheinung. Die "Brücke zum Menschen" schließt ihren Bericht mit der Einschätzung:

"Die Tatsachen zeigen, dass Anton Koerber bei den 'Tagesanbruch-Bibelforschern' (dem 'bösen Sklaven') genauso glücklich gewesen wäre wie bei der Wachtturm-Gesellschaft (dem 'treuen und verständigen Sklaven'), solange er nur öffentlich Beifall erhalten konnte."

Vereidigung der Zeugen Jehovas

Es wirkt schon merkwürdig, wenn ein gewisser Detlef G. in einer Replik sich bemüssigt fühlt, die Vokabel "Glaubensgehorsam" zu verwenden. Das hört sich natürlich für gewisse kirchliche Kreise, die da belieben den Fall Zeugen Jehovas als Alibifunktion für ihr eigenes Versagen in der NS-Zeit zu benutzen, schön "fromm" an. In der Verwendung wohlgesetzter Worte, hat man sich in diesen Kreisen ja schon immer gut verstanden.

Um welche Art von "Glaubensgehorsam" es sich da handelte, darüber berichtet auch die "Wachtturm"-Ausgabe vom 15. 7. 1933 in der man lesen konnte:

"Während des Eliawerkes der Versammlung waren wir alle überzeugt, dass das Lösegeldopfer die Hauptlehre der Bibel sei, und das es unsere Hauptpflicht wäre und noch sei, uns darauf vorzubereiten, mit Christus an seinem Königreich teilzunehmen und ihm später behilflich zu sein, die Verwaltung der Segnungen des Königreiches auszuüben; und das unsere Hauptarbeit bei solcher Vorbereitung darin bestünde, über Charakterentwicklung zu reden und sich selbst zu entwickeln. Das Eliawerk endete 1918. Irgendein Versuch, dass Eliawerk nach dieser Zeit weiterzuführen, wäre ein Versuch, ein totes Ding neu zu beleben und wäre deshalb nicht in Übereinstimmung mit dem Herrn. … Ganz gewiss hat Jehova eine Organisation auf der Erde, weil von ihm alles ordnungsgemäß getan wird. Seit vielen Jahren schon hat er die Wachtturm- Bibel- und Traktat-Gesellschaft gebraucht. Es gibt nur eine Klasse von Menschen, die heute sein Werk auf der Erde verrichten, und diese nennen wir die 'Gesellschaft', die unter der Führung der Wachtturm- Bibel- und Traktat-Gesellschaft vorgeht und die Kundgebungen des Willens Gottes betreff der Völker der Erde verbreitet. …

Die Zeit ist gekommen, wo … die Glieder jeder Gruppe des Volkes Gottes auf der Erde in völliger Übereinstimmung arbeiten und dessen eingedenk sein, dass das Hauptziel nicht Selbst- oder Charakterentwicklung ist, um für einen Platz im Himmel zubereitet zu werden, weil das eine unmögliche Sache und nicht vom Herrn befohlen ist. Im Gegenteil, die höchste und wichtigste Sache ist die Rechtfertigung des Namens Jehovas und Gehorsam gegen seine Gebote, indem man das verkündigt, was er befohlen hat. Daher sollte keiner, der nicht in völliger Übereinstimmung und gänzlicher Harmonie ist mit dem Haus-zu-Haus-Dienst der Predigt des Evangeliums, wo immer die Gelegenheit sich darbietet und der nicht einen eifrigen Anteil an diesem Dienste nimmt, als ein Glied des Dienstkomitees in den Vordergrund gestellt oder sonst eine Dienststellung in einer Ortsorganisation oder Gruppe einnehmen.

… Wenn ein Redner darauf bestünde, über Charakterentwicklung zu sprechen, wie dies während der Eliaperiode der Versammlung geschah, und wenn er zu gleicher Zeit die gegenwärtigen Wahrheiten wie sie in den Wachtturm-Veröffentlichungen vorgebracht werden, unbeachtet ließe oder leichthin behandelte, wenn er lauwarm oder gleichgültig wäre oder die Dienstarbeit bekämpfte, oder nicht eifrig am Dienste teilnähme und andere ermutigte, es zu tun, so erbrächte er dadurch den Beweis, dass er nicht von Gott gelehrt wird. Unter keinen Umständen sollte ein solcher ernannt werden vor der Gruppe einen Vortrag zu halten oder ein Studium zu leiten. … Wenn das Dienstkomitee nicht von ganzem Herzen für tatkräftigen Felddienst ist und nicht mit ganzer Kraft dafür eintritt, dann sollte es sofort neu organisiert und Brüder in das Dienstkomitee gebracht werden, die sich eifrig und fleißig betätigen und den Dienst, den Tag der Rache unseres Gottes anzusagen und sein Königreich zu verkündigen, fördern und unterstützen.

Wir erklären daher, dass wir uns nicht länger vor dem Herrn widersprechen und unsere von Gott gegebenen Auftrag übertreten wollen, indem wir Männer aufstellen, um vor der Gruppe Vorträge zu halten oder ein Klassenstudium zu leiten, oder als Glieder des Dienstkomitees zu dienen, oder irgendein Amt in der Gruppe zu bekleiden, es sei denn, dass ein solcher zuerst anerkennt, dass er in völliger Übereinstimmung mit dieser Erklärung und der Wachtturm-Literatur ist; und das er den Haus-zu-Haus-Dienst für die Predigt des Evangeliums eifrig unterstützt und selbst rege daran beteiligt ist und auch andere ermutigt, dies zu tun. Wir wollen deshalb das Dienstkomitee der Gruppe neu organisieren. … Werden wir zuerst einem jeden die Frage vorlegen, ob er in Übereinstimmung mit dem ist, was in dieser Erklärung gesagt wird. … Irgendeiner, der nicht in völliger Übereinstimmung mit dieser Erklärung ist, besitzt nicht die schriftgemäße Befähigung in irgendeiner Eigenschaft in dieser Gruppe zu dienen."

Zum Hintergrund dieser Entwicklung ist zu beachten, dass im September 1932 von der WTG mit einem Federstrich die bisherige Praxis abgeschafft wurde, dass die örtlichen Versammlungen, ihre Angelegenheiten durch selbstgewählte "Älteste" leiteten. Eine solche Zäsur stieß aber auch auf ein gewisses Maß von Opposition. Der "Wachtturm" vermeldet zeitgenössisch dazu (1933 S. 247):

"Es ist wohlbekannt, dass in der Geschichte der Versammlung fast alle Schwierigkeiten unter dem Volke Gottes auf den Einfluss 'eigensinniger Männer' in der Versammlung zurückzuführen sind … Es ist ferner noch diese Klasse gewesen, die in den verschiedenen Gruppen gegen die Organisation, deren sich der Herr bedient, aufgetreten ist, und die Gesellschaft als einen listig angelegten Büchervertrieb hinstellen."

Der "Fürchte euch nicht" Wachtturm aus dem Jahre 1933

Der deutsche in Bern gedruckte "Wachtturm vom 1. 12. 1933 veröffentlichte auch einen "Fürchtet euch nicht" überschriebenen Artikel. Etwa im WTG-Buch "Jehovas Zeugen in Gottes Vorhaben" (S. 143) wird ihm ein besonderer Stellenwert zugemessen, dergestalt. dass die "Diplomatie-Phase" gegenüber dem Naziregime, damit beendet wurde.

Zur diesbezüglichen Chronologie ist festzuhalten, dass noch am 20. 9. 1933 via amerikanische Regierung dem Naziregime ein Protestnote in Sachen WTG überreicht bekam WTG-Funktionär Harbeck hatte zu der Zeit noch ausdrücklich die Parole des "Stillhaltens, etwa in seinem Zirkularschreiben vom 28. 8. 1933, ausgegeben

Zu letzterem kann man vergleichen:

19372Harbeck

Der „Fürchtet euch nicht"-Artikel war dann quasi die offizielle Beendigung dieser diplomatischen Phase, die zwar eine Freigabe materieller Werte der WTG erreichen konnte, aber eben keine Verbotsaufhebung.

Da mag es doch mal angebracht sein, den in Rede stehenden Artikel sich einmal etwas näher anzusehen. Nachstehend mal einige Zitate aus ihm:

„Jehova hat es denen, die ihn lieben, völlig klar gemacht, daß die Gegenwart die Zeit seiner Vorbereitung zum Kriege ist, und daß der Kampf mit dem Feinde bald folgen und mit der gänzlichen Rechtfertigung des Namens Jehovas enden wird. 'Alles hat eine bestimmte Zeit' … Es ist Gottes Zeit, der Gesetzlosigkeit ein Ende zu bereiten.

Die römisch-katholische Hierarchie, die seit mehr als 1500 Jahren besteht, ist eine politische Organisation, obschon sie den Anspruch erhebt, Gottes Dienerin zu sein. Alle politischen Organisationen sind selbstsüchtig, aber die römische Hierarchie ist mehr als das. Menschliche Worte können es gar nicht beschreiben, wie gewissenlos, grausam und gesetzlos diese Organisation ist. Sie bedient sich aller erdenklichen Ränke und gemeiner politischer Methoden, um ihre Ziele zu erreichen. …

Im Staate Bayern, einem Bollwerk des Romanismus, hatte die Verfolgung der Zeugen Jehovas begonnen und schon nach wenigen Stunden wurden in römisch-katholischen Zeitungen Amerikas Mitteilungen darüber gebracht, was zeigt, daß letztere mit dem Hauptquartier in Rom in enger Verbindung standen. …

Die römisch-katholischen Knechte Satans haben den politischen Herrschern vorgestellt, Jehovas Zeugen betätigten sich in verwerflichen politischen Machenschaften, um die gegenwärtigen irdischen Regierungen zu stürzen. Das ist eine böswillige und ruchlose Lüge. Diese Repräsentanten Satans erheben die Anklage, Jehovas Zeugen wären Kommunisten und Sozialisten, eine Anklage, die absolut falsch ist. …

Weil Jehovas Zeugen bei den Menschen mit Büchern vorsprechen, die die Königreichsbotschaften enthalten, und weil sie von den Leuten, die diese Bücher nehmen, einen Beitrag annehmen, der doch geringer ist als die Kosten der Herstellung und Ablieferung der Bücher, so beschuldigen die sichtbaren religiösen Vertreter Satans diese treuen Prediger des Evangeliums, daß sie 'ohne gesetzliche Erlaubnis hausierten' und lassen sie verhaften. …

Einige mögen einwenden: 'Wenn wir angesichts solch heftiger Verfolgung und Bekämpfung fortfahren, unter das Volk zu gehen und diese Wahrheiten öffentlich zu verkündigen, so fürchte ich, daß wir umgebracht werden können.' Das ist wahr ... Jesus wußte diese Tatsache natürlich voraus …"

Wenn das WTG-Buch „Jehovas Zeugen in Gottes Vorhaben" (S. 143) in Auszügen jenen eben zitiert WT-Artikel auch mit zitiert, dann ist allerdings festzustellen, dass man dort die nachweisbare antikatholische Komponente "dezent" unterm Tisch verschwinden lässt. Den Hinweis auf die USA-Auseinandersetzungen etwa in Plainfield ebenso.

Also fasst man das zusammen, ergibt sich das Resultat, jener „Fürchtet euch nicht"-WT-Artikel, war eine Hetzschrift gegen die katholische Kirche, die offenbar unterschwellig für das Verbot in Hitlerdeutschland als „maßgeblich verantwortlich" haftbar gemacht werden soll. Dass alles in den Rahmen der Endzeit-Naherwartung eingeordnet, da der „Kampf mit dem Feinde (Jehovas) bald folgen" solle.

Was den Aspekt Verhaftungen wegen Hausierertätigkeit anbelangt, so ergibt der weitere Kontext dieses WT-Artikels. Das bezieht sich vorrangig auf die USA, wo es solche Verhaftungen auch gab. William Schnell etwa, berichtet in seinem ZJ-bezüglichen Buch weitere Details über diese „Heuschreckenplage".

Man vergleiche dazu: SchnellDetail

Man muss jedoch auch sagen.

Eine Anpassung etwa an deutsche Verhältnisse ist in diesem WT-Artikel nicht sonderlich registrierbar. Wenn in den USA in Plainfield etwa, Verhaftungen stattfinden, dann sieht offenbar der WT dasselbe „Strickmuster" sich auch in Hitlerdeutschland wiederholend.

Wahrlich wenn man diese WT-Artikel-Verfasser als von Milchmädchenlogik getränkt bezeichnen würde, wäre dass wohl noch eine maßlose Untertreibung.

"Grüße vom Tagesanbruch"

In der Oppositionsgeschichte der jetzigen Zeugen Jehovas, nimmt die sogenannte "Tagesanbruch Bibelstudienvereinigung" einen der bedeuteren Plätze ein. "Bedeutend" aber nur in dem Sinne, dass sie als eine relativ frühe Oppositionsgruppe bis in die Gegenwart sich halten konnte. In der Gegenwart hat sie aber für die Zeugen Jehovas keine faktische Bedeutung mehr, da sie beliebt, sich mit letzteren nicht mehr näher auseinander zusetzen. Man ist auf dem Stand von "Anno Dunnemals" stehen geblieben. Wie auch immer. In den Dreißiger Jahren sah das noch etwas anders aus. Damals musste auch die WTG zu ihr polemisch Stellung beziehen. Das Beispiel einer solchen Polemik ist im "Wachtturm" vom 1. 6. 1933 enthalten. Der WT zitiert dort eine Stellungnahme des "Tagesanbruch" um daran seinen eigenen Senf als Kommentar anzufügen. Man konnte dort lesen:

"'Die (Bibelforscher) Organisation wurde von Pastor Russell in den siebziger Jahren gegründet, aber die wahren Nachfolger der Lehren Pastor Russells verließen die Gesellschaft schon vor einer Reihe von Jahren. … Eigentliche Internationale Bibelforscher nehmen es übel auf, mit dem zusammengewürfelt zu werden, was jetzt von der Gesellschaft als die Lehren der Bibelforscher vorgebracht wird. Pastor Russell gab einen klaren Umriss seiner Stellung gegenüber den Kirchen und weltlichen Einrichtungen. Er verurteilte harte Worte und Unduldsamkeit. Sollte Dr. Hague das letzte von Pastor Russell veröffentlichte Buch 'Die neue Schöpfung' besitzen, dann möge er Seite 564 aufschlagen, und den Gegensatz zwischen Richter Rutherford und den Anweisungen, die Pastor gegeben hat, wird sehr scharf hervortreten."

Der Wachtturm kommentierte dazu:

"Hier ist ein weiterer Beweis der völligen Blindheit derer, die einst behaupteten, dem Herrn zu folgen, aber die Wahrheit, dass der Herr zu seinem Tempel gekommen ist, verworfen haben; dies zeigt, dass sie nicht zur Tempelklasse gehören und im Dunkeln sind. In Band 6 der 'Schriftstudien' lesen wir auf Seite 564, wie oben angegeben, folgendes:

'Manche sind, nach unserer Ansicht, viel zu weit gegangen in der Verurteilung der gegenwärtigen Zustände und haben diese in einer Art und Weise an den Pranger gestellt, die der Herr nicht geboten, noch auch durch seine Worte und Lebensführung gezeigt hat. Wir sollten dessen eingedenk sein, dass die Welt im allgemeinen es so gut macht, wie sie es versteht. Verhältnisse fortwährend zu tadeln, die andere ebensowenig zu ändern imstande sind als wir selbst, ist in jeder Hinsicht nutzlos, da dies nur unglücklich macht und Ärger verursacht ohne die gewünschten Resultate zu erzielen.'

Der Schreiber dieses Briefes fordert aber den Leser nicht auf weiterzulesen. Noch auf derselben Seite dieses Buches zeigt der Verfasser, dass die Zeit kommen werde, wo der Herr seine Rache ansagen lassen würde. (Man berücksichtige ferner, dass Bruder Russell die angeführten Worte im Jahre 1904 niedergeschrieben hat). Er sagte damals:

'In solchen Dingen sollten wir dem Beispiel des Erzengels Michael folgen, der nicht einmal ein lästerndes Urteil über Satan folgte, sondern sagte: 'Der Herr schelte dich!'. Zu seiner bestimmten Zeit und in seiner Weise (Judas 9). So ist es auch mit uns. Da wir wissen, dass der Herr die gegenwärtigen Einrichtungen zu seiner eigenen Zeit und in seiner eigenen Weise schelten wird, so können wir mit dem Apostel sagen: 'Habt nun Geduld, Brüder, denn die Gegenwart des Herrn ist nahe gekommen'; die Aufrichtung seines Königreiches, das nahe gekommen ist, wird alle diese Schwierigkeiten beheben. Die vorzeitige Aufregung über diese Dinge ist nicht nur nutzlos, sondern sogar nachteilig und schädlich.'

Diejenigen, die Menschen fürchten oder Menschen zu gefallen suchen oder die Kritik von Menschen vermeiden möchten, unterlassen es oder weigern sich, dem Herrn darin zu gehorchen, dass sie seine Rache gegen Satan und dessen verruchte Organisation verkünden. Sie schneiden sich selbst ab von Jehovas Organisation und werden wie die Schrift zeigt, herausgesammelt und verworfen."

Zieht man ein Resümee dieses Zitates und seiner Kommentierung, dann wird man wohl sagen können: Die Rutherford'sche Organisation verstand sich als Kampforganisation gegen das, was sie als "Satansdiener" interpretierte. Der Tagesanbruch dagegen hielt es mehr mit dem Bibelwort, soweit es an uns liegt, mit allen Menschen Frieden zu wahren und sich um ein ehrbares und stilles Leben zu bemühen. Wer da theologisch im Recht war, möge der Leser selbst entscheiden.

In Deutschland hat der "Tagesanbruch" eigentlich noch nie eine größere Bedeutung besessen. Dennoch gab es auch hier Separationen. Ein herausragendes Beispiel ist da besonders jene Bibelforscher-Gruppierung in der westfälischen Stadt Kirchlengern, die den Rutherford-Kurs nicht mitmachte. Sie konnte sich bis heute halten und verkündet ihren für die jetzigen Zeugen Jehovas belanglosen Konservatismus, weiterhin in ihrer Zeitschrift "Christliche Warte".

Aus dem kritischen Jahr 1933 ist ein Dokument über sie überliefert. Bekanntlich gab es seitens der Evangelischen Kirche auch eine sogenannte "Apologetische Centrale". Die diesbezüglichen Archivalien erlebten eine Odyssee. Jahrelang nach 1945 galten sie noch als verschollen. Dann tauchten sie plötzlich wieder im Bundesarchiv (seinerzeitige) Sammlungen Potsdam auf. Ihr dortiges bleiben war nicht von langer Dauer. Sie wurden letztendlich wieder in die kirchliche Trägerschaft zurück gegeben. Immerhin, in der Zeit ihres verweilens im Bundesarchiv, waren sie dort für die Forschung zugänglich. In ihrem Bestand befindet sich auch ein den Bibelforschern gewidmeter Ordner. Er macht die auch schon vorher bekannte Tatsache deutlich, dass es in der ersten Zeit nach 1933 durchaus eine partielle Kooperation zwischen dem Gestapa und der Apologetischen Centrale gegeben hat. Nachstehend sei aus jenem Bestand noch jenes, auf die Kirchlengener Gruppe bezugnehmende Dokument zitiert. Es stellt faktisch eine Art Gutachten über sie dar:

"Die 'Freie Bibelforscherversammlung Kirchlengern' ist eine völlig selbstständige, unabhängige Versammlung mit biblisch-christlicher Grundlage und steht in keiner Beziehung zu einem größeren Verband, weder zu der internationalen Bibelforschervereinigung (Jehovas Zeugen) noch zu irgend einer anderen Gemeinschaft.

Ihre Zusammenkünfte finden in einer eigenen Halle statt und sind jedermann zugänglich. Sie führt keine Mitgliederlisten und erhebt keine Beiträge.

Von politischer Tätigkeit hält sich die Versammlung grundsätzlich fern.

Die Versammlung Kirchlengern hat sich am 22. 12. 1931 fast einstimmig von dem Verband der Internationalen Bibelforscher gelöst.

Auskunft erteilt Pfarrer Erdmann, Kirchlengern bei Herford.

Bericht am 1. November 1933 vom Gestapa."

Schwanengesang

Da zuletzt gerade die Apologetische Centrale zitiert wurde, sei dieses Stichwort noch einmal aufgenommen. In ihrer Zeitschrift "Wort und Tat" (Heft 8/1933) findet sich auch ein Kommentar zum Bibelforscherverbot. Die Redaktion wählte als Überschrift die Vokabel: "Schwanengesang der Ernsten Bibelforscher". Nachstehend einiges von den Ausführungen in "Wort und Tat":

"Drei Tage, bevor die Verordnung des preußischen Ministers des Innern auf Grund des § 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 die Internationale Bibelforschervereinigung einschließlich ihrer sämtlichen Organisationen im Gebiet des Freistaates Preußen auflöste und verbot, hat die Watch Tower Bible and Tract Society, Magdeburg, noch eine 'Erklärung' an alle erreichbaren Stellen verschickt, die folgendes betonte:

'Dieser Kongress deutscher Männer und Frauen, friedliebender und ordnungsliebender Bürger aus allen Teilen des Landes, die alle miteinander ernsthaft an dem höchsten Wohl des deutschen Volkes mitarbeiten, hat sich heute, den 25. Juni 1933, offiziell in Berlin versammelt und erklärt freudig seine völlige Ergebenheit gegenüber Jehova Gott, dem Allmächtigen, und seinem Königreich unter Christus Jesus, dessen vergossenes Blut die Menschheit erkauft hat. … Wir berufen uns auf das Wort Gottes und möchten nach diesem Maßstabe beurteilt werden.'

Anscheinend sollte dieser 'Kongress' das bevorstehende Verbot der Sekte verhindern; dass geht besonders aus dem Abschnitt hervor, der sagt:

'Wir sind fälschlicherweise bei den Regierungsbehörden und bei dem deutschen Volk angeschuldigt worden.'

Fragt man aber, welche Argumente diese 'wahren Nachfolger Jesu Christi' als Entgegnung auf eine solche Anklage anführen, so muss man sich belehren lassen, dass die Worte Jesu (Markus 13, 9) auf die Sekte zutreffen, ja, dass es im Willen Jehovas liegt, dass seine 'treuen Zeugen in falschem Verdacht kommen und verfolgt werden, nämlich damit solche, die von einem falschen Geist beseelt sind, sich selbst als Feinde Gottes offenbaren und damit wider sich selbst Zeugnis ablegen.'

Es ist nicht recht ersichtlich, wie nach solcher Äußerung 'der Name Jehova Gottes in der Auffassung des Volkes erhöht und sein gütiger Ratschluss besser verstanden und unsere Stellung der Regierung gegenüber in rechter Weise dargelegt sein' soll, da ja die Situation des Jesuswortes gar nicht mit der der Sekte im Augenblick verglichen werden darf.

Der Anklage, dass die Sekte durch jüdisches Kapital unterstützt wird, begegnet man damit, dass man betont:

'Wir sind treue Nachfolger Jesu Christi und glauben an ihn als dem Heiland der Welt.'

Auf den Vorwurf, dass die Bücher und Schriften der Sekte die öffentliche Ordnung und Sicherheit des Staates gefährden, wird in der 'Erklärung' darauf hingewiesen, 'dass unsere Bücher und Schriften von den Führern nicht sorgfältig geprüft und daher auch nicht richtig verstanden worden sind.'

Die Sprache soll dem 'offenen und direkten amerikanischen Stil' entsprechen, damit zugleich aber auch 'genau der Redeweise der Bibel.'

Die staatliche Begründung für das Verbot nennt 'eine unverkennbare Hetze gegen die christliche Kirche und den Staat', ferner biete die Vereinigung auch die Möglichkeit, 'auf freiem politischem Gebiete eine Auffangorganisation für die verschiedensten staatsfeindlichen Elemente' entstehen zu lassen.

Diese Vorwürfe dürften dadurch kaum entkräftigt werden, dass die 'Erklärung' betont, 'dass Bestreben unserer Organisation ist ausschließlich darauf beschränkt, für den Namen und das Wort Jehova Gottes Zeugnis abzulegen. Es wäre daher von uns ganz inkonsequent, wenn wir versuchen wollten, irgendwelchen Einfluss auf die Regierungen dieser Welt auszuüben oder irgendetwas zu tun, was die öffentliche Ruhe und Sicherheit des Landes gefährden würde.'

Trotz all dieser treuherzigen Versicherungen ist das Verbot vom Staat ausgesprochen worden, und er muss den Vorwurf ertragen können, dass er damit wissentlich 'das fortschrittliche Zeugniswerk für den Namen Jehovas und seines Königreiches' bekämpfen will.

Die Sekte selbst aber sieht mit rechter Unverfrorenheit auf das Wort in Apostelgeschichte zurück, wonach das Werk, wenn es nur Menschenwerk wäre, untergehen müsste, als Gottes Wort aber ewigen Bestandes sicher sein dürfte.

Die kleinen Proben beleuchten am besten, wie es um dieses Werk bestellt ist, und es wird keine Stimme des Bedauerns laut werden, dass es der Sekte unmöglich gemacht ist, die Gemeinden noch länger zu verwirren."

Der nächste Jahrgang   1934

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