Der vorangegangene Jahrgang   1921

Vor (mehr als) 50 Jahren

Was 1922 Wahrheit war

Geburtstag

Zu den von den heutigen Zeugen Jehovas praktizierten Gepflogenheiten gehört es auch, keine  Geburtstage zu feiern. Indes in ihrer Frühzeit sah es diesbezüglich auch bei ihnen anders aus.

So liest man etwa in der deutschen "Wachtturm"-Ausgabe vom Februar 1912 eine Danksagung des deutschen WT Redakteurs O. A. Koetitz für erhaltene "Segenswünschen und Grüße zu seinem 40. Geburtstag".

So notierte der "Wachtturm" im Jahre 1914 (S. 32):

"Lieber Bruder Koetitz! Zu deinem Geburtstage erbieten wir Dir unsere herzlichsten Segenswünsche. Samuel und Kath. Lauper. (Gleich erfreuliche Zuschriften sind uns zu unsern Geburtstag am 12. und 17. Januar von den größeren und kleineren Versammlungen und von einzelnen Geschwistern in großer Anzahl zugegangen. O. A. Koetitz und Schwester Koetitz.)"

Ein weiterer Beleg dafür ist beispielsweise jene Notiz der der "Wachtturm" mal abdruckte (1922 S.31, 32). Deren Verfasser war zu dem Zeitpunkt der ranghöchste Bibelforscher in der Schweiz und darüber hinaus des "Zentraleuropäischen Büros". Besagter C. C. Binkele lies also verlauten:

"Lasset mich, liebe Geschwister, auf diesem Wege sagen, wie tief mein Herz durch die hundertfältigen Segenswünsche bewegt worden ist, die mir aus nah und fern als beredtes Zeichen der Liebe und Aufmerksamkeit anlässlich meines Geburtstages zugegangen sind."

Vor ihm hatte es Balzereit schon ähnlich gehandhabt. In der Ausgabe vom Dezember 1916 des "Wachtturms" (S. 192) konnte man lesen:

"Eine große Anzahl von Segenswünschen per Brief und Karte erfreuten gelegentlichn unseres diesmaligen Geburtstages unsere Herzen sehr ... Paul und Klara Balzereit."

Dem "Goldenen Zeitalter" (15. 4. 1926) waren Geburtstage eigens eine Geschäftsidee wert.

Auch im "Goldenen Zeitalter" vom 1. 6. 1927

Exkurs

Geburtstage / Ostern / Weihnachten / Sylvester / Totensonntag

„Wenn wir uns mit ihren falschen Überlegungen befassen, kann unser Vertrauen
in Jehovas Wort der Wahrheit, die Bibel, geschwächt werden und unser
Glaube kann absterben.“
Wachtturm vom 1.3.2002 Seite 11

 

Geburtstage / Ostern / Weihnachten / Sylvester / Totensonntag

Geburtstag

Jehovas Zeugen – Verkündiger des Königreiches Gottes Seite 201
 


In dem Buch “Täglich Himmlisch Manna”
 

Gebrauchsanweisung
 

Russels Geburtstag werkseitig eingedruckt
 

Im englischen Wachtturm vom 15.2.1909 heißt es auf Seite 4336
 

Auch wenn man nicht englisch lesen kann erkennt man doch die Worte „birthday“ und „box of grape fruit“

Russell bekam auf dem Kongress in Jacksonville Florida zu seinem Geburtstag frische Florida Orangen geschenkt.

Die Brüder fertigten kleine Fotos und trugen sich in den Kongresspausen gegenseitig ihre Geburtstage mit Foto ein.
 

Zu dem Namen trug man seine Adresse mit ein (hier Bibelhaus) und einen Persönlichen Leitbibeltext
 

 

Hier Wohnort Magdeburg mit dem Leittext
Offenbarung 2:10
 

„Und er ergriff den Drachen, die Urschlange, welche der Teufel und der Satan ist, und band ihn für tausend Jahre.“

 


Vielsagend dieser Leittext:
Wohnort Magdeburg / Bibelhaus mit Klagelieder 3:22-24
 

Es sind die Taten liebender Güte Jehovas, daß es mit uns nicht zu Ende gegangen ist,
denn seine Erbarmungen werden gewiß kein Ende nehmen.
Sie sind jeden Morgen neu. Sehr groß ist deine Treue.
„Jehova ist mein Teil“, hat meine Seele gesagt, „darum werde ich ihm gegenüber eine wartende Haltung bekunden.“

Auch er gibt zwar seinen Wohnort im Bethel an, hat sich aber seine Privatadresse behalten…
 

Sein Leittext:
Ich komme eilends. Halte weiterhin fest, was du hast, damit niemand deine Krone nehme
(Offenbarung 3:11)

Er gibt nicht nur seinen Leitbibelspruch an sondern auch ein Lieblingslied:
 

Das Lied 186 „Sei getreu bis in den Tod“

 

 

Auch dieser notierte sein Lied
 

Zionslieder
 

Lied 25
Gott ist getreu von Ehrenfried Liebich

 
Hier mit den Noten
 

Er gibt sein Geburtsjahr mit an

 

 

Manche schrieben vergleichsweise unpersönliche Bibeltexte.
Wie 1.Korinter 15:58
„Darum, meine geliebten Brüder, werdet standhaft, unbeweglich, und seid allezeit reichlich beschäftigt im Werk des Herrn, da ihr wißt, daß eure mühevolle Arbeit in Verbindung mit [dem] Herrn nicht vergeblich ist.“

 


Im Wachtturm vom 1.11.1925
 

heißt es auf Seite 325
 

Dies wird als Datum Angesehen an dem man aufhörte Geburtstag zu feiern.

Ostern

Im Wachtturm vom März 1909
 

Heißt es auf Seite 2
 

Sonderbeilage zum Goldenen Zeitalter
 

Seite 2
 

Im Wachtturm vom März 1922
 

Seite 2
 

In dem Bibelabreißkalender finden wir auch die Osterfeiertage
 

Weihnachten

Wachtturm Februar 1907
 

Seite 18 / 19

 
 

Täglich Himmlisch Manna zum 25.12
 

 
1926 – Hinten an der Stirnseite des Mittleren Tisches sitzt Rutherford.

Jehovas Zeugen – Verkündiger des Königreiches Gottes Seite 200
 

Sylvester

Im Wachtturm vom Januar 1918
 

Seite 2
 

finden wir die Ankündigung zu der Neujahrstag-Versammlung.

Totensonntag

Goldenes Zeitalter vom 15.11.1929
 

Totensonntaggedicht
 

Pfingsten

Wachtturm Juli 1915
 

Seite 111
 

Pfingstfest im Schützengraben
…an dem lieben Pfingstage wollte der Herr, daß ich die Stunden im Schützengraben zubrachte…

Jahre nach dem Ende der Besichtigung durch Jesus wurden noch weiter heidnische Feiertage gefeiert.

War das Beobachten dieser heidnischen Feiertage…
1. Rechte Lehren: Nein
2. Rechte Zeit, sie zu lehren: Nein
3. Lehren, die Gott in seinem Wort offenbart: Nein
4. Aufgrund menschlicher Weisheit abgelehnt: Nein

Hier stehen wir also vor der Frage welche Entscheidung hätte Jesus im Frühjahr 1919 treffen können?

Laut Matthäus 24:47
„Wer ist in Wirklichkeit der treue und verständige Sklave,
den sein Herr über seine Hausknechte gesetzt hat,
um ihnen ihre Speise zur rechten Zeit zu geben?
Glücklich ist jener Sklave,
wenn ihn sein Herr bei der Ankunft so tuend findet.
Wahrlich, ich sage euch:
Er wird ihn über seine ganze Habe setzen.“

Ernennen oder nicht?

Was wäre nun bei diesem in der Wachtturm-Geschichte höchst wichtigen Ereignis geschehen?

Welche Entscheidung hätte Jesus im Frühjahr 1919 getroffen?

Hätte er dem früheren Präsidenten Frederick Franz zugestimmt, der gesagt hatte...

Gottes tausendjähriges Königreich hat sich Genaht

Seite 355
 

„[Jesus stellte] fest, daß der eingesetzte „Sklave“ beim Austeilen
der Speise an seine „Hausknechte“ treu und verständig
handelte.“

Oder wäre er derselben Meinung gewesen wie sein Bruder Raymond Franz, früheres Mitglied der leitenden Körperschaft...

Auf der Suche nach Christlicher Freiheit Seite 135
 

„Es wäre eine Beleidigung gegenüber Christus Jesus, zu sagen, er habe diese Organisation auf der Grundlage dessen erwählt, was sie ... im Jahr 1919 lehrte.“

Wachtturm 1.6.1984

Seite 23
 

Fast Reflexartig beruft sich nun ein Zeuge Jehovas auf Sprüche 4:18

„Aber der Pfad der Gerechten ist wie das glänzende Licht, das heller und heller wird, bis es voller Tag ist.“

Selbst wenn Sprüche 4:18 besagen würde, dass Gott die Wahrheit fortschreitend offenbarte, träfe es so nicht auf die Wachtturm-Gesellschaft zu, wenn sie nicht zuerst Jesu Prüfung bestanden und seine Ernennung nach Matthäus 24:47 erhalten hätte.

Immer schon gab es Zeugen Jehovas die den Wunsch hatten, diese Prüfung vorzunehmen, weil sie sich Sorgen machen über das, was vor sich geht und was nicht mit dem Anspruch der Gesellschaft, Gottes Organisation zu sein, vereinbar ist.

In „Fragen von Lesern“ im Wachtturm vom 15. August 1984

heißt es auf Seite 31 heißt es unter der Überschrift
 

Die Wachtturm Gesellschaft fürchtet das ein Zeuge Jehovas an der Tür mit der Wahrheit konfrontiert würde:

 

„Die Zeugen gehen somit nicht an die Türen der Menschen, um nach der Wahrheit zu suchen oder um Aufklärung zu erhalten. Vielmehr haben sie bereits zahllose Stunden dafür eingesetzt, die Wahrheit des Wortes Gottes zu erforschen, und sie
gehen, nachdem sie die ,gute Botschaft‘ in sich aufgenommen haben, zu anderen, um sie ihnen mitzuteilen.“

Die Wachtturm Gesellschaft weiß warum sie alles daransetzen muss zu verhindern das Jehovas Zeugen das Tatsächliche Ausmaß ihrer Falschlehren erkennen
 

So haben Jehovas Zeugen nicht „zahllose Stunden dafür eingesetzt, um die Wahrheit“ über die Geschichte ihrer Organisation zu erforschen.

Jehovas Zeugen verbringen nicht eine Milliarde Stunden pro Jahr damit, nach jemandem zu suchen, der sie etwas lehrt insbesondere, hinterfragt ob die Wachtturm-Gesellschaft die Organisation Gottes sein kann.

Ihre Absicht ist es, alle anderen Menschen zu lehren, dass sie es ist.

Und sie erhalten Anweisungen, dies unter Zeitdruck zu tun.

Königreichsdienst November 1990

Seite 1
 

„Personen, die die Bibel studieren, müssen die Organisation der ‘einen Herde’ kennenlernen, von der Jesus in Johannes 10:16 sprach.“
Sie müssen erkennen, daß es für ihre Rettung unabdingbar ist, sich mit der Organisation Jehovas zu identifizieren (Offb. 7:9, 10, 15).
Daher sollten wir damit beginnen, Studierende zur Organisation zu führen, sobald ein Bibelstudium eingerichtet ist.“

Seite 4
 

Blinde Leiter sind sie.
Wenn aber ein Blinder einen Blinden leitet,
so werden beide in eine Grube fallen.“
(Matthäus 15:14)

Weiteres zum Thema Geburtstagsfeiern

1914 oder 1933/34?

Das die ursprünglichen Bibelforschererwartungen zu Sand zerronnen waren, ist offenkundig. Das jedoch nicht jeder gleich auf Anhieb bereit war, die Rutherford'sche Kurskorrektur diesbezüglich mitzutragen, machen auch die nachfolgenden Ausführungen aus dem "Wachtturm" (1922 S. 99-101,105,106, 121 deutlich):

"Eine Bewegung betreffs des Irrtums in der Chronologie hat während des letzten Jahres fortwährend zugenommen und einige haben sich offener Opposition gegen das, was geschrieben worden ist, zugewandt. Das hat zur Folge gehabt, dass einige von den lieben Schafen des Herrn in ihrer Meinung verwirrt worden sind und sie fühlen sich veranlasst, zu fragen: Warum sagt der Wachtturm nicht etwas. Ist nicht sein schweigen gleichbedeutend mit einem Zugeständnis, dass unsere Chronologie falsch ist?

Von Zeit zu Zeit ist die Frage, etwas darüber im Wachtturm zu veröffentlichen, erörtert worden. Der Herr schien es bis jetzt immer zu verhindern. Warum war das wohl der Fall? Unsere Meinung ist, dass der Herr die Verzögerung der Prüfung der Frage der Chronologie zugelassen hat, seit die Bewegung begann, um denen, die in falschem Herzenszustand waren, eine Gelegenheit zu geben, sich selbst zu offenbaren, und um anderen eine Gelegenheit zur Prüfung ihres Glaubens zu geben.

Wir sprechen hier von solchen als von Gegnern, weil sie gegen oder im Widerspruch zu der Chronologie stehen, die wir haben. Die Ansicht einiger dieser ist zum Beispiel: Das Verleihen der Macht an die Heiden von Seiten Gottes, begann mit der Thronbesteigung Nebukadnezars im Jahre 606 v. Chr. Deshalb bezeichnet der Regierungsantritt Nebukadnezars den Anfang der Zeiten der Nationen und die 2520 Jahre gehen 1914 zu Ende.

Weiterhin aber behaupten sie: 'Zedekia wurde gefangen genommen und Jerusalem fiel im Jahre 587 v. Chr., dass zeigt, dass das völlige Ende der Zeiten der Nationen und der Sturz der heidnischen Herrschaft im Jahre 1934 stattfinden muss.' … Ein anderer Gegner sagt, dass Nebukadnezar seine Regierung im vierten Jahre des Jojakim begann, dass die Knechtschaft Israels in Babylon im selben Jahre anfing, dass die Verödung im neunzehnten Jahre der Regierung Nebukadnezars stattfand, und das erste Jahr Nebukadnezars 606 v. Chr. war, dass die Verödung neunzehn Jahre später begann, was den Sturz der Christenheit im Jahre 1933 zeigt.

Am ersten Oktober 1914 trat Bruder Russell in das Speisezimmer im Bethel, klatschte in die Hände und verkündete mit lauter Stimme: 'Die Zeiten der Nationen sind zu Ende. Die Könige auf Erden haben ihren Tag gehabt!'

Wenn die Annahme seiner Gegner betreffs der Chronologie richtig wäre, dann müssten alle Ereignisse, die 1914 und seitdem geschahen als nichts geachtet werden. Nach der Ansicht der Gegner müsste die Lehnszeit der Könige Israels verändert werden, damit sie mit der Ansicht einiger Historiker, welche Vertreter Satans sind, übereinstimmt. Eine solche Veränderung würde unsere ganze Chronologie auseinanderreißen und den Wert der Daten 1874, 1878, 1881, 1910, 1914 und 1918 zu nichte machen. Das würde dasselbe sein, als wenn wir sagen wollten: 'Wo ist die Verheißung seiner Ankunft?' …

Was wird sich 1925 ereignen? Warte auf den Herrn und sieh es. Sei den gegenwärtigen Vorrechten getreu. Der Glaube eines jeden Christen steht in der Prüfung. 'Dir geschehe nach deinem Glauben.'"

1925 wird sich als Datum nicht verschieben

Der "Wachtturm" kommentierte (1922 S. 121):

"Bei der Anwendung desselben Maßstabes, anfangend mit dem Einzuge der Kinder Israels in Kanaan und die vollen 70 Zyklen von je 50 Jahren zusammenzählend, wie es klar durch Jehovas Sendung der Juden nach Babylon für volle 70 Jahre angedeutet wurde, da fällt es uns nicht schwer, 1925, wahrscheinlich im Herbst, als den Anfang des gegenbildlichen Jubeljahres festzulegen. 1925 kann ebenso wenig bezweifelt werden, als wie das Jahr 1914. Die Tatsache, dass sich 1914 nicht alles verwirklichte, nach welchem ausgeschaut wurde, ändert die Chronologie nicht im geringsten. Es war sehr leicht für den begrenzten Geist, größere Schlussfolgerungen zu ziehen, dass sich nämlich alles um diesen Zeitpunkt drehe, weil dieses Datum so außerordentlich bedeutungsvoll war, und so haben viele die Meinung gehabt, mehr zu erwarten, als wie wirklich vorausgesagt worden war. So geschah es 1844, 1874, 1878 sowohl als auch 1914 und 1918. Zurückschauend können wir nun leicht erkennen, dass jene Daten, welche klar in der Heiligen Schrift enthalten waren, vom Herrn zweifellos nur gegeben wurden um Gottes Volk zu ermutigen, wie sie es auch getan haben. Andererseits waren aber auch Prüfungen und Sichtungen damit verknüpft, wenn nicht alles sich ereignete, was einige erwartet haben. 1925 wird, als Datum, sich wiederum nicht verschieben, selbst wenn wieder nicht alles sich ereignen wird, was einige zu erwarten sehen."

Leipziger Völkerschlachtdenkmal

Bekanntlich hatte es Russell die große Pyramide zu Gizeh angetan, die er denn auch prompt in seine Theologie mit einbaute und glaubte verkünden zu können, er könne sein 1914-Datum auch aus den Pyramidenmaßen entnehmen.

Offenbar dachten einige deutsche Bibelforscher, so ungefähr ab 1916, dass Leipziger Völkerschlachtdenkmal in gleicher Weise symbolträchtig vermarkten zu können. Eine Vorlage dazu hatte ihn ja Russell selbst mit seiner Pyramidentheorie geliefert. Und so berichtete der deutsche "Wachtturm" im Jahre 1919 (S. 195) über eine Bibelforscherveranstaltung: "Am Sonnabendvormittag, dem 2. Tage, versammelten sich ein großer Teil der lieben Geschwister zu einer Betrachtung des Völkerschlacht-Denkmals als der in Jesaja 19, 19 erwähnten Denksäule Jehovas. Orgelspiel, Geigenspiel und Sologesang, vor allem aber die wunderbaren Erläuterungen der Symbolik dieser Denksäule, sowohl vor als auch in derselben durch Bruder A. Decker erfreuten alle Herzen. Der Erbauer des Denkmals, Geheimrat Thieme, war mit seinen beratenden Architekten selbst zugegen um freundlichst die Führung zu übernehmen und seinerseits Erläuterungen zu geben. Auch diese Herren der Erbauer besitzen die 6 Bände (der Russellschen 'Schriftstudien'), lauschten interessiert unseren Erklärungen."

Im Jahre 1922 führte Rutherford eine Europareise durch. Am 29. Mai machte er unter anderem in München Station, um dort in einer großangekündigten Veranstaltung im Gebäude des Zirkus Krone für Aufsehen zu sorgen. Der Nazifunktionär Alfred Rosenberg hatte jene Münchner Veranstaltung auch besucht und anschließend daran, publizistisch darüber berichtete.

Zu Pfingsten 1922 machte Rutherford dann in Leipzig Station, woselbst die Bibelforscher ihre Generalversammlung abhielten. Hier sollten auch die deutschen Bibelforscher erstmals kennenlernen, was es mit dem Spruch "Schluss mit lustig" so auf sich hat. Offenbar war die Völkerschlachtdenkmaltheorie speziell von deutschen Bibelforschern entwickelt worden, nach dem Tode Russells, aber in Kontinuität mit dessen Pyramidentheorie. Rutherford stand nun vor der Frage, wie er sich dazu verhalten solle. Soll er als neuer "Papst" ihr seinen Segen geben oder soll er sie verwerfen? Er entschied sich für letzteres. Das ganze wurde in die Form einer Fragenbeantwortung eingekleidet. Der "Wachtturm" (1922 S. 191) notiert dazu:

"Am Montagvormittag fand eine Fragenbeantwortungsversammlung statt, die von Bruder Rutherford geleitet wurde um eine große Zahl von Fragen zu beantworten, die vorher in schriftlicher Form dem Vorsitzenden überreicht waren … Unter den eingereichten Fragen war eine ganz besonderer Art, die sich mit dem Leipziger Völkerschlachtdenkmal befasste, dass zur Erinnerung an die vor etwas über hundert Jahren in der Umgegend Leipzigs ausgefochtene mehrtägige Schlacht errichtet war und im Jahre 1913 unter entsprechenden Feierlichkeiten eingeweiht wurde. Die mit Bezug auf dies Denkmal gestellte Frage war kurzgefasst diese:

Wird in Jesaja 19, 19 und in Offenbarung 22, 1. 2 auf dieses Denkmal hingewiesen?

Kurz gefasst, war die Antwort auf die betreffs dieses Denkmals gestellte Frage diese: Die Schriftstelle Jesaja 19, 19 bezieht sich nicht auf dies bei Leipzig errichtete Denkmal, noch auch wird in irgendeinem anderen Teile der Schrift auf dies Denkmal verwiesen. Das Leipziger Denkmal verdankt seine Entstehung einzig und allein dem brennenden Ehrgeiz eines Mannes, der hierbei unter dem Einfluss des großen Widersachers stand. Es würde kein Grund vorliegen, warum Jehova am Ende des Evangelium-Zeitalters ein Denkmal auf der Erde errichten lassen sollte. Es gibt hingegen einen guten Grund, warum Jehova lange Zeit vor dem Beginn der christlichen Zeitperiode

in Ägypten ein Denkmal errichten ließ: Die Große Pyramide; und wenn die Zeit kommen würde, wo die Geheimnisse dieses Denkmals den Erforschern der göttlichen Prophezeiungen enthüllt werden sollten, dass es sich dann herausstellen würde, dass durch diese dem Jehova im Lande Ägypten errichtete Denksäule oder Altar (Jesaja 19, 19) die prophetischen Aussprüche und der göttliche Plan zur Errettung und Erlösung des Menschen ihre Bestätigung finden würde. Die Große Pyramide liefert somit weitere Beweise zur Stärkung und Vertiefung des Glaubens des Christen. Am Ende des Evangelium-Zeitalters aber würde kein Anlass oder kein Bedürfnis hierfür vorliegen, und es wäre seitens des Menschen eine Anmaßung, ein Denkmal zu errichten und zu erklären, dass der Herr dies als ein Zeugnis für seine Sache getan habe.

Außer diesem Punkt bringt es jeder Teil des bei Leipzig errichteten Riesendenkmals zum Ausdruck, dass seine Urheberschaft auf den Teufel hinweist und das es ein Werk des Widersachers ist. Die Architektur des Denkmals, sowohl innerlich wie äußerlich, bringt einen durchaus ägyptischen Geist zum Ausdruck, der, wie die Bibelforscher sehr wohl wissen, satanischen Ursprungs ist. Satan hat einen jeden Teil des göttlichen Planes nachgeäfft, und mit den in das Denkmal eingemeißelten Gestalten und kleinen Statuen hat er es ganz besonders darauf abgesehen, eine Nachäffung der vier Charaktereigenschaften, der Weisheit, Gerechtigkeit, Liebe und Macht zum Ausdruck zu bringen.

Statt, dass dies Denkmal unter göttlicher Leitung errichtet wurde, um einen Teil des göttlichen Planes vorzuschatten, ist es offenbar ein Denkzeichen der Torheit des Menschen, angestiftet und ins Werk gesetzt durch den Teufel und seine Verbündeten und Helfershelfer, die Dämonen. Der Kaiser hatte gehofft, einmal sagen zu können: 'Dort stand Napoleon, der versucht hatte, die Welt zu erobern, dessen Plan aber völlig misslang - und hier steht der Deutsche Kaiser, der es unternahm, die Welt zu erobern und dessen Plan ein großer Erfolg war, und deshalb sollte die ganze Welt sich vor mich beugen.' Christen sollten sich durch solche Trügereien, wie sie vom Widersacher ins Feld gerückt werden, nicht von dem rechten Weg abbringen lassen. Wir haben das sichere Wort der Prophezeiung, wie es von Jesu und den Aposteln und Propheten uns deutlich vorgehalten wird, als unseren Lenker und Führer, und wir tun wohl daran, auf sie zu hören und ihnen zu folgen."

Alfred Rosenberg über Rutherford's Auftritt im Zirkus Krone

Als Rutherford auf seiner 1922-er Europa-Tournee auch in München Station machte, um in einer spektakulär vorangekündigten Veranstaltung im Zirkus Krone aufzutreten; bekam er dortselbst "hohen Besuch". Führende Nazifunktionäre fühlten sich bemüßigt, sich diese Veranstaltung einmal selbst persönlich anzusehen. Einer von ihnen, Alfred Rosenberg, der es später noch zum Minister in der Naziregierung brachte und vielleicht noch wichtiger, von Hitler zum "Beauftragten für die gesamte weltanschauliche Schulung" ernannt wurde, hatte am 31. 5. 1922 in seiner Hauspostille namens "Völkischer Beobachter" darüber Bericht erstattet. Die Rutherford-Veranstaltung fand am 29. 5. 1922 statt. Bereits am 27. 5. 1922 hatte der damalige Chefredakteur des "Völkischen Beobachters", Dietrich Eckart, einen Vorabkommentar dazu veröffentlicht, der nachstehend einmal auszugsweise zitiert werden soll:

"Volksverseuchung.

Die 'Internationale Vereinigung ernster Bibelforscher' ist schon seit einer ganzen Weile in den Hinterhöfen namentlich unserer Großstädte still und geschäftig am Werk und 'bekehrt' dort unter Darbietung aller möglichen Geschenke mit Vorliebe Kommunisten. … Mit dem unermesslichen Geld, über das sie stets, wohl aus besonderer Gnade des Himmels verfügt, schuf sie die 'Wachtturm Bibel und Traktatgesellschaft' …

Die neue Heilslehre verkündet … Wir sind heute in das '1000-jährige Reich' oder 'Millenium' oder die 'Heilszeit' eingetreten. Die gesamte Bibel ist nichts anderes, als eine Weissagung auf diese Zeit. 'Alle Dinge, welche durch Adams Fall und seine Folgen verloren gingen, sollen so wieder hergestellt werden, wie sie ehemals waren' ('Zeit der Wiederherstellung'). Die zwölf Stämme Israels bilden die 'auserwählte Nation', welche den Besitz Kanaans und die Weltherrschaft zugesichert wurde. Diese Verheißung soll jetzt, nachdem das christliche Zeitalter vollendet ist, dem fleischlichen Israel (also nicht im geistigen oder biblischen Sinn gemeint! erfüllt werden

(Schriftstudien 1914, Bd. I S. 83 u. 375).

In diesen Plan der 'Heilszeitordnungen' werden nun die Lehren über Staat, Kirche, Menschheit usw. nach den Auslegungen des Alten Testaments, der Apokryphen und der Offenbarung Johannis eingefügt. Das in der Bibel genannte verderbte Babel ist die völlig verdorbene Christenheit. Auf sie allein beziehen sich all die verwerflichen Namen: Edom, Ariel (böser Geist) u. ä.

Die katholische Kirche ist nach der Bibelforscherlehre des Satans Hauptvertreter auf Erden (VII, 365) und wird die 'Mutter der Huren' oder die 'große Hure' und die protestantischen Kirchen die Töchter der großen Hure genannt. 'Der Protestantismus soll von der ganzen Welt verachtet und verspottet werden!' (VII, 419). 'Die Christenheit soll durch Krieg, Revolution, Anarchie, Hunger, Pestillenz (Luk. 21, 26) von einem Ende bis zum andern zur Einöde gemacht, in eine Wüstenei verwandelt werden, die den Hohn und Spott der Heiden herausfordern und ein Anlass zum Entsetzen und eine Quelle warnender Belehrung für die heidnischen Nationen sein wird (VII, 359).

'Die Anarchisten werden buchstäblich Kirchenglieder zu Millionen töten' (VII, 420). 'Es wird keine Möglichkeit geben, der Vernichtung zu entrinnen. Die Drangsal ist der Tatsache zuzuschreiben, dass der Tag Christi, das Millenium anbricht. Es ist der Tag der Rache, der mit dem Weltkrieg 1914 begonnen und 1918 wie ein rasender Morgenstern hervorbrechen wird.'

Es wird ein Kampf sein zwischen den Menschen und Klassen, dergleichen noch nie gewesen ist. Alle politischen, sozialen, finanziellen und religiösen Systeme werden zusammenstürzen. Diese des Menschen äußerste Not wird Gottes beste Gelegenheit sein, sein Reich aufzurichten (Gott hat es also nötig, auf die 'beste Gelegenheit' zur Aufrichtung seines Reiches zu warten!), Christi 1000- jähriges Reich das mit Gewalt wird Gerechtigkeit auf Erden schaffen!

Nach Bd. VII, 375 ist dies die Zeit der 'Erfüllung der Verheißung an Israel im Fleische'. Die 'Große Schar' wird 'gezüchtigt', aber Israel wird Gnade erwiesen werden (Zionismus), und dann werden die Getreuen des Herrn aus dem Hause Israel 'nicht nur Priester', sondern auch Könige (!!!) (VII, 373) sein. 'Während des Milleniums soll Israel die erste Nation der Erde sein, an der Spitze aller auf der Stufe irdisch-menschlichen Daseins (I, 249). Der adamitische (fleischliche) Tod wird verschlungen oder zunichte gemacht werden. Krankheit, Schmerz und Schwachheit und endlich das Grab werden sich vor der Macht des großen Wiederherstellers (des zweiten Messias) beugen. An der Spitze, Gottes am nächsten, steht der Messias, dann folgen die 'Geistwesen', dann die Engel, dann 'Israel nach dem Fleisch', aber nur die wahren Israeliten (Rasse-Israeliten) an der Spitze der irdischen Nationen und erst dann kommt die übrige Menschenwelt (I, 249, 250).

Die christliche Aktion gegen die 'Schwarze Schmach' im Zirkus Krone ist verboten, die widerchristliche der 'Bibelforscher' daselbst erlaubt!"

Nach dieser Einstimmung veröffentlichte dann Rosenberg in der Ausgabe vom 31. 5. 1922 des "Völkischen Beobachters", seinen Bericht über die Rutherford-Veranstaltung:

"Wir haben in unserer letzten Ausgabe schon auf das freche Treiben der 'Ernsten Bibelforscher', auf die jüdischen Hintermänner und die jüdischen Ziele dieser Brüder hingewiesen. Am Montag, den 29. Mai, sprach nun einer ihrer amerikanischen Propagandisten im Zirkus Krone, in demselben Zirkus, in dem es verboten ist, gegen die schwarze Schmach zu protestieren. Und zwar unter der 'christlichen' Leitung des Grafen Lerchenfeld.

Der Richter begann seine Salbadereien mit Jehovas Verheißung an 'Abrahams Samen'. Er behauptete ferner, wenn nicht einmal alle Menschen glückselig ohne Tod auf dieser Erde leben würden, wie es Christus geweissagt hätte, dann wäre das Christentum als Fehlschlag zu bezeichnen. Das Ende der Welt sei da, wie es die Bibelforscher seit 45 Jahren geweissagt hätten, d. h. das Ende des 'jetzigen Gesellschaftszustandes'. Die 'Zeiten der Nationen' seien vorüber. Zwar würde es immer ein Deutsches Reich geben, zwar wird man später mit noch ganz anderer Berechtigung 'Deutschland, Deutschland über alles' singen, aber trotzdem begann im Jahre 1914 'der Prozess des Hinwegräumens der abgenutzten Systeme' als 'Vorbereitung für das Messianische Königreich', in dem Millionen jetzt lebender Menschen nicht sterben würden.

Bis hierher hielt ich den Unsinn aus, dann wurde mir übel. Am Eingang vom Zirkus besorgte ich mir den gedruckten Vortrag. Darin tritt nun die jüdische Mache geradezu faustdick hervor. Nicht dann tritt das Messiasreich ein, wenn allen Nationen das Christentum gepredigt worden ist, wie die Pfarrer meinen, sondern nur, wenn aus den Völkern ein Volk auserkoren sein wird. Welches Volk das ist, darüber wird kein Zweifel gelassen: 'Glückselig ein Volk, dessen Gott Jehova ist'.

Mit Disraeli-Beaconsfield kam die Gnade Gottes zu den Juden zurück, d. h. mit dem Berliner Kongress 1878, welches Jahr die heiligen Propheten ebenso geweissagt hätten, wie das Jahr 1918, in dem durch das 'Zunehmen der Gnade Gottes' die Juden einen 'besonderen Höhepunkt' erreichen würden! Gott erwecke aus 'seinem Volk' immer zur rechten Zeit die Männer! Dann folgt eine Verherrlichung des Zionismus, die ganze Balfour-Deklaration wird abgedruckt und als Ziel des Zionismus ausdrücklich festgestellt: 'Die Beschaffung solcher Regierungsgesetze, wie sie zur Erlangung der Ziele des Zionismus notwendig sind'. Die Regelung der Weltpolitik nach dem Willen des Samens Abrahams wird also ganz frech verkündet! Die Erklärung Dr. Ruppins 1920 über die Gründung einer Häuserbaugesellschaft in Palästina wird als Erfüllung von Jesaja 65 (21-23) gedeutet, da der 'Same der Gesegneten Jehovas' Häuser bauen würde …

In dieser Weise geht es weiter, und so ein frecher Schwindel halbverrückter Amerikaner, eingespannt für Weiterverbreitung der jüdischen Zersetzungsarbeit und des jüdischen Wahnsinns wird anstandslos auf das Volk losgelassen. 800 000 Stück werden umsonst verteilt, der Eintritt zu den 'Predigten' ist frei … Es wird also mit Millionen nicht gespart. Politisch heißt der heutige Wahnsinn Bolschewismus; 'religiös' nennt er sich 'ernste Bibelforschung' und Anthroposophie; 'künstlerisch' Futurismus usw.

Narren, Schwätzer und Halunken haben heute das Wort: Die Pestillenz kommt, sagt der  Vortragende. Sie ist schon da; in seiner Person.

Wann wird das deutsche Volk ihn und seinesgleichen hinausfegen aus den deutschen Landen und sich rein baden in völkischer Erneuerung?"

Schriftstudien-Hinweis

Arbeiter als "ernste Bibelforscher"

In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war es bereits soweit. Unter den aktiven Mitgliedern der Großkirchen begannen die Arbeiter zur Minderheit zu werden. Damals und heute ist das Bürgertum ihre Stütze. Die Arbeiter begannen sich anderen Organisationen zuzuwenden. Soweit ihre religiöse Sozialisation nachhaltige Wirkung hatte, war auch die Bibelforscherorganisation Nutznießer dieser Entwicklung.

Heute haben sich die Konturen verwischt. Nach wie vor ist der soziologische Arbeiteranteil bei den heutigen Zeugen Jehovas verhältnismäßig hoch. Es kommt aber hinzu, dass im Berufsleben sich die Berufssparten die man klassischerweise als zum Arbeitertum gehörend einschätzt, zunehmend durch solche ergänzt werden, die eher dem soziologischen Bürgertum zuzuordnen sind. Auch bei den Zeugen Jehovas ist das feststellbar, insbesondere bei ihren zweiten und dritten Generationen. Das heißt, bei denjenigen, die von Kindertagen an ihnen zugehörig sind.

Nach dem Ersten Weltkrieg war die Situation diesbezüglich noch eindeutig. Und vor allem. Auch den Großkirchen ist damals diese Sachlage ins Auge gestoßen, wie es um den soziologischen Bestand der Bibelforscher bestellt ist. Eine gewisse Dr. phil. Elisabeth Abegg machte das im Februar/Märzheft der Zeitschrift "Akademisch-soziale Monatsschrift" zum Thema. Unter der Überschrift "Arbeiter als 'ernste Bibelforscher'" führte sie aus:

"An einem Maisonntag des letzten Jahres saß ich im Park von G. halb in Gedanken an geplante Arbeit

… Dann nahm ihren Platz ein Mann ein, sonntäglich sauber gekleidet, den groben, verschafften Händen nach ein Schwerarbeiter. Im Laufe des Gespräches erfuhr ich, dass er aus Hamburg stamme, was auch seine Sprache verriet, bis zum Kriege Landarbeiter gewesen sei, im Lazarett in Gotha gelegen und dort seine Frau kennen gelernt habe und jetzt in einer Fabrik für Porzellanartikel der elektrischen Industrie arbeite. Bei der Arbeit gäbe es viel Staub zu schlucken, einen Ventilator schaffe der Chef aber nicht an, und - auf meine Frage - die Herren von der Fabrikinspektion kämen so selten, und dann gäbe es auch immer Wege, sie von solchen Räumen fernzuhalten.

Alles kam ohne jede Bitterkeit heraus, wie Dinge, mit denen man sich eben abfinden muss.

Allerdings hatte er gelegentlich geäußert, es könne erst nach neuem Blut und Schrecken eine bessere Zeit für alle Menschen anbrechen. Nun erzählte er, auf Pfingsten wolle er mit der Frau nach Leipzig zu einer internationalen Versammlung fahren. Wer hätte nicht gedacht: Kommunist reinsten Wassers! Alles, was er bisher gesagt hatte, sein ganzes Wesen, passte durchaus auf einen gewissen idealen Typus dieser Richtung.

- Nein, die ernsten Bibelforscher wollten sich treffen; die Brüder und Schwestern, wie im letzten Jahr in Hamburg. Unbeholfen fielen nun die Worte von seinen Lippen; man musste an schweres Ackern denken. Sehr klar wurde mir das Wesen dieser Vereinigung nicht. Er war durch seine Frau, diese durch Schwester und Schwager - alle drei katholisch, während er evangelisch war - dazu gekommen.

Von dieser Religion erfuhr ich im Augenblick nur Bruchstücke, z. B. die Lehre, dass der Körper in der Erde in seine siebzehn Bestandteile zerfalle, dass die Seele nicht ohne weiteres unsterblich sei, aber ebenso wenig ewig Höllenpein leide. Wenn ich mehr wissen wolle, solle ich am Abend zu einer Versammlung mitkommen.

Um 8 Uhr trafen wir uns am 'Schützen'. In einem kleinen Saal waren schon mehrere Brüder und Schwestern der Bibelforscher versammelt, schließlich waren es etwa 30 Personen, eher mehr Männer, alle aus Arbeiter- oder Handwerkerkreisen. Alle nannten sich Du und schienen gut bekannt. Ich wurde als Mitgebrachte auch freundlich begrüßt. Mit gemeinsamen Gesang zu Klavierbegleitung und einem Gebet des heutigen Leiters, der ganz ohne äußeres Kennzeichen noch mitten unter den anderen saß, begann die Andacht. Bei der letzten Strophe des Liedes, dass aus dem Englischen übersetzt war, erhoben sich alle, ebenso beim Gebet, einen Dank an Gott für diese Stunde, und die Bitte, sie an unseren Seelen zu segnen, nicht anders wie in unseren Kirchen. Von einem kleinen

Rednerpult, unmittelbar vor den Stuhlreihen, verlas dann der Leiter, ein früherer Katholik, einen Absatz aus dem sechsten Band der Schriftstudien von Pastor Russell und besprach in zwangloser Rede und Gegenrede den Inhalt. Die Anwesenden waren nach ihren Antworten völlig vertraut mit den Gedankengängen, die mir als Neuling seltsam und wunderlich vorkommen mussten.

Dogmatische Erörterungen habe ich von ihm gar nicht, von ihr wenig gehört. Beiden war nur eine Sehnsucht ihres Inneren hier gestillt, eine Antwort und Verheißung auf die Rätsel des Daseins gegeben. 'Wir haben unseren Frieden!' damit fasste er alles zusammen.

Auf einem Bücherbord als einzige Bücher die sieben umfangreichen Bände 'Schriftstudien' des amerikanischen Pfarrers Russell und eine Bibel.

Daraus ergibt sich eine höchst verzwickelte Chronologie. Eigentlich war mit dem Jahre 1878 die Zeit für die Herauswahl der 144 000 … abgeschlossen. Nun entstehen aber immer Lücken in dieser Schar durch den Abfall Schwacher, so dass jeder, der sich ihr auch noch heute weiht, Aussicht auf Mitgliedschaft hat.

Die Zeit sei nahe herbeigekommen, schon beginne sich der elektrische Ring um die Erde zu lösen, die zunehmende Unfruchtbarkeit der Erde deute darauf hin, die Luft habe nur noch 25 Prozent Sauerstoff statt wie früher 75 Prozent. Auch der Zionismus, dass Esperanto sind Anzeichen des großen Weltendes.

Die Geschichte ihrer Bekehrung war so einfach und doch im Grunde so unerklärbar, wie alle gewaltsamen seelischen Erschütterungen. An eines Tages großer Trübsal hatte ein Pilgerbruder an der Haustür Schriften angeboten und aus dem Inhalt erzählt. Die Frau war sofort gewonnen und auf ihren Bericht hin entschloss sich auch der Mann, in eine Einführungsversammlung mitzugehen.

Seit drei Jahren hängen sie unentwegt der neuen Lehre an, lassen sich von den Verwandten verspotten, warten und werben für das neue Reich. Ich wurde noch reichlich mit Flugschriften versehen und konnte später daraus sehen, wie sich dies Ehepaar in die Gedankengänge eingelebt hatte, die in immer etwas verschiedener Fassung unter wechselnden Überschriften den Inhalt der Blätter ausmachten."

Zum Weiterlesen das Jahr 1922 betreffend, weiteres auch in:

Im Goldenen Zeitalter gelesen - Eine Zeitreise 1922

Der nächste Jahrgang   1923

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