Die Sache mit den Geburtstagsfeiern

Das zu den Praktiken der heutigen Zeugen Jehovas es gehört, keine Geburtstage zu feiern, ist weitgehend bekannt. Bekannt ist desweiteren, das es in ihrer organisatorischen Frühzeit, auch bei ihnen anders gehandhabt wurde.

Indes weitaus weniger bekannt ist, wann denn das keine Geburtstage feiern bei ihnen aufgekommen ist.

Nachfolgendes geht darauf etwas näher ein:

Eine Eselsbrücke
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 24. März 2015 00:19
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise
Da hatte einer offenbar die Rechnung ohne Rutherford gemacht. Das die Abschaffung des Weihnachtsfestes in Bibelforscherkreisen, so manchem dort hart ankam, kann man ja noch nachvollziehen.
Offenbar meinte einer der Ihrigen doch noch Rat dabei zu haben. Sein „Patentrezept", einfach die für Weihnachten, fallweise vorgesehenen Geschenke, auf den Geburtstag verlagern.

Pech nur für ihn, dass Rutherford es auch noch angebracht fand, im Zuge seiner Politik, die eigene Anhängerschaft in den „Staub zu drücken". Und selbigen zu „verklickern". Ihr seid „Nichts". Eure Bestimmung ist die eines Sklaven für die „Wachtturmgesellschaft".
Und im Rahmen dieser Versklavungspolitik, kann man der Auch-Abschaffung von Geburtstagsfeiern, eine gewisse Zwangsläufigkeit nicht absprechen.

Um 1930 hingegen war dieser maximale Höhepunkt noch nicht erreicht. Da fand es ein Leser des GZ noch für angebracht, sich und anderen eine „Eselsbrücke" angesichts des Wegfalles des Weihnachtsfestes zu bauen.
Und in der Magdeburger Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 3. 1930 (Ausgabe Bern erst am 1. 6. 1930) konnte man diesen trügerischen Behelf noch bewundern. Der diesbezügliche Artikel war überschrieben:
"'Weihnachten' das ganze Jahr über"
In ihm wurde ausgeführt:
Das "Goldene Zeitalter" zeigte in so klarer logischer Weise die Wahrheit in Bezug auf die Gepflogenheit der Feier des Weihnachtsfestes, die tatsächlich von Jahr zu Jahr eine immer größere Last und Heuchelei wird. Und nun möchte ich folgenden Vorschlag machen:

Möchte sich doch ein jeder vornehmen, an seinem eigenen Geburtstag seine Bekanntschaft zu beschenken, so weit es seine Verhältnisse gestatten.
In allen Menschen liegt ein instinktives Verlangen, ein Segen für ihre Mitmenschen zu sein, aber die Verhältnisse, der Mangel an Erkenntnis oder an Mitteln sind den meisten Menschen hinderlich gewesen, diese Freude zu haben. Jetzt aber ist der unsichtbare König der Erde gegenwärtig, sein Königreich wird aufgerichtet, und die Welt muß Zeuge einer Menge einschneidender Veränderungen werden.

Unter unserem jetzigen System gibt es einmal im Jahre, zu Weihnachten eine allgemeine Gelegenheit des Schenkens und Beschenktwerdens. Und welch ein Mißbrauch ist damit getrieben worden! Wenn mein Vorschlag zur Ausführung käme, hätte man das ganze Jahr über Geschenke zu erwarten und brauchte an nichts anderes zu denken als an den eigenen Geburtstag. Man brauchte keine Liste mehr über die Geburtstage seiner Freunde und Verwandten zu führen, um ihnen zur rechten Zeit eine Postkarte schicken oder ein Geschenk geben zu können.

Wenn man dann seinen eigenen Geburtstag feiert, so würde es eine wahre Freude sein, seine Dankbarkeit dafür, daß wieder ein weiteres Jahr des Lebens vorübergegangen ist, dadurch auszudrücken, daß man nach seinen besten Kräften anderen Freude bereitet, je nachdem sie es bedürfen und wir es vermögen.
Stellen wir uns einmal vor, wir würden das ganze Jahr über hier und da unvermutet und unerwartet ein Geschenk bekommen, bald ein Geldstück, das uns eine kleine Hilfe ist, dann wieder ein gutes Buch, das uns über die Absichten unseres großen Gottes unterrichtet, dann wieder würde uns jemand zu einer Fahrt in seinem Auto einladen oder zu einem Landaufenthalt. Ein anderer wieder würde uns durch ein paar stärkende, ermutigende Zeilen erfreuen, und so wurde es das ganze Jahr über gehen.

Manche Geschenke würden uns vielleicht im Augenblick keine besondere Freude sein, bis dann einmal eine Stunde kommt, wo wir sie wirklich brauchen. Dabei hat ein jeder ein ganzes Jahr lang Zeit sich zu überlegen, womit er an seinem Geburtstage anderen Freude bereiten könnte. Es brauchen ja keine mit Geldkosten verknüpften Geschenke zu sein. Ich weiß vielleicht in meiner Nachbarschaft eine arme Witwe, die alt und leidend ist. Ich schreibe ihr an meinem Geburtstag ein paar liebe Zeilen und teile ihr mit, daß ich es übernehmen werde, den ganzen Winter lang den Fußweg vor ihrem Hause schneefrei zu halten und bei Glätte mit Sand zu bestreuen. Kommen dann die kalten Wintertage, wird ihr mein Geschenk eine wirkliche Erleichterung sein.

Wenn ich reich wäre, würde ich gern Geld und Banknoten ausstreuen, so muß ich mich damit begnügen, meinem armen alten Nachbarn, der nicht mehr gut sehen kann, das Geschenk zu machen, daß ich ihm das ganze Jahr über jede Woche ein paar Stunden vorlese, was, wenn ich die rechte Lektüre, die die Erkenntnis über die Absichten Gottes vermittelt, wähle, wertvoller ist als Gold und Silber.

Möchte sich doch jeder liebe Leser selbst überlegen, womit er an seinem Geburtstage anderen eine Freude bereiten kann. Dieser Tag wird dann sicher ein weit schönerer und segensreicherer werden, als er uns bisher gewesen ist.

Ordnung, weise Verwendung unserer Güter und Hilfsbereitschaft gefallen dem Herrn wohl, und diese Einrichtung scheint mir zur Ausübung dieser Dinge geradezu ideal zu sein. Wollen wir nicht in dem immer heller werdenden Lichte mit dem alten Brauch der Weihnachtsfeier brechen und diesen neuen Gedanken aufgreifen, der uns viel selbstloses und fürsorgliches Schenken ermöglicht ? Wollen wir ? ? ?"
Die Sache mit dem Geburtstagsfeiern
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 24. März 2015 16:00
Was ist ergänzend zu dem Thema noch festzustellen, wenn belegt ist, das bis mindestens 1930 das Geburtstagsfeiern auch bei Jehovas Zeugen üblich war?
Dann stellt sich die Frage (bezogen auf die Deutschsprachige WTG-Literatur) wo in ihr findet man die ERSTE Abweichung vom Brauchttum des Geburtstagsfeiern?
Da kann man sicherlich auf das WTG-Buch „Vergewissert euch über alle Dinge" hinweisen. Dessen erste Auflage erschien in Englisch 1953 (Deutsch 1957) und enthält einen Abschnitt über Feiertage, indem es dann einen Unterabschnitt „Geburtstage" gibt, der die gängige WTG-Argumentation in Sachen Ablehnung des Geburtstagsfeiern darstellt.
Indes auch das ist feststellbar. Seit Oktober 1944 konnte der Deutschsprachige „Wachtturm" in der Schweiz wieder erscheinen. Bis einschließlich der Jahrgänge bis Mitte der 1950er Jahre, gibt es in ihnen keine Ausgabe, die in der Substanz das ausführt, was im genannten „Vergewissert"-Buch enthalten ist (gegenteilige Auffassungen bedürfen des Nachweises). Es sind auch andere Fälle bekannt, das der Deutschsprachige „Wachtturm" durchaus nicht alles offerierte, was im englischen „Wachtower" angeboten wurde. Da mögen namentlich die widrigen Umstände der Kriegs- und Nachkriegszeit der entscheidende Grund sein. Wenn das auch einzuräumen ist, bleibt dennoch der Eindruck zurück, soweit es das WTG-Sprachrohr „Wachtower" bzw. „Wachtturm" anbelangt, nur in einer bisher nicht nachgewiesenen „Wachtower"-Ausgabe (nicht aber in einer „Wachtturm"-Ausgabe) wurde dann wohl jene Lehrveränderung erstmals kredenzt.
Siehe zum Thema auch:
http://forum.sektenausstieg.net/showthread.php?16708-Geburtstag
Exkurs:
Den Hinweis auf das Hislop-Buch „Von Babylon nach Rom" als wesentlicher Inspirator der WTG nachgehend", das Hislop-Buch war auch mal im Internet vorhanden gewesen, sei auch auf die darauf bezugnehmenden Kommentare bezüglich der Deutschsprachigen Ausgabe verwiesen:
Parsimony.11719
Parsimony.6579

Was nun das Hislop-Buch anbelangt, dass da als tiefere Ursache auszumachen ist, sei darauf hingewiesewn, dessen Deutschsprachige Ausgabe (als Download-Angebot) ist unter wechselnden URL auch im Internet greifbar. Als zuletzt bekannt gewordene URL dazu sei verwiesen auf:

http://www.benabraham.com/pdf/2_babylons_deutsch.pdf

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