Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Abgerichtet - Kindheit in einer Sekte

Unter dem Motto "Abgerichtet - Kindheit in einer Sekte" brachte das RTL-Fernsehen am Montag den 19. Januar 1998, in der Talkshowserie "Hans Meiser" einen entsprechenden Beitrag.

Neben einem Aussteiger aus der "Ecclesia. Gemeinde der Christen" und zwei Neuapostolischen, von denen ich mir den bedenkenswerten Satz notiert habe: "Körperschaft des öffentlichen Rechts - ist kein Qualitätsbegriff"; war der einleitende Beitrag den Zeugen Jehovas gewidmet. Mit im Publikum, als später noch befragter Sachverständiger, saß Kurt-Helmuth Eimuth, Verfasser des Buches "Die Sektenkinder".

Eimuth wurde von Meiser auch bezüglich des Themas Ablehnung von Bluttransfusionen durch die Zeugen Jehovas befragt. Er räumte ein, dass diesbezügliche Todesfälle in Deutschland, ihm bisher persönlich nicht bekannt geworden seien. Er äußerte ergänzend dazu, dass nach seiner Meinung nach wesentlich auch dazu beiträgt, dass Ärzte im Notfall hierzulande die Option haben, zu erwirken, dass leiblichen Eltern, vorübergehend, das Sorgerecht gerichtlich entzogen werden kann. Auch ein Brief des WTG-Funktionär Bernd Klar wurde passagenweise verlesen, der gleichfalls behauptete, in Deutschland gäbe es diesbezüglich keine Todesfälle.

Eimuth schränkte seine Aussage aber dahingehend ein, dass aus anderen europäischen Ländern, ihm sehr wohl solche Todesfälle bekannt sind. Es gab zu dieser Sendung - Live - auch noch Zuschauerreaktionen. Und dabei teilte eine Frau mit, dass sie als Krankenschwester in einem Krankenhaus arbeitet, und sehr wohl den Tod einer Zeugin Jehovas wegen der Bluttransfusionsverweigerung miterlebt hat.

Aber wie schon ausgeführt, gilt es zu differenzieren. Betrifft eine solche Problemsituation Minderjährige, oder Erwachsene. Bei letzteren hat man das makabre Ergebnis zu registrieren, dass die Gesetzgebung ihnen den religiös motivierten faktischen Selbstmord "gestattet".

Nicht die Streitfrage Bluttransfusion indes stand im Vordergrund, sondern, wie schon die Überschrift schon aussagt: "Kindheitserlebnisse in Sekten". Also Interviewpartner war dazu mit eingeladen: Gabriele N... aus der Schweiz. Zum Zeitpunkt der Sendung 38 Jahre alt.

Einige charakteristische Aussagen dabei, in sinngemäßer Transkription, sollen nachstehend einmal dokumentiert werden

M: Bei uns kommt aus Bischofsheim-Zürich Gabriele N... - Herzlich willkommen!

Frau Nydegger. Man kann darüber schmunzeln. Heute sind sie 38. Damals waren sie 15 im Jahre 1975.

N: Da wurde in der Versammlung gesagt, wenn ich mich nicht taufen ließe, werde ich Harmagedon nicht überleben. Am 1. Dezember 1975 habe ich mich taufen lassen.

Da gibt es Bilder (Vernichtungsbilder der Ungläubigen in der WTG-Literatur), wobei das von mir geschilderte dargestellt wird.

M: Schon etwas naive Bilder für mein Empfinden.

N: Man hat sich einfach in Sicherheit gewiegt, weil man ja getauft war.

M: Hat's dann am 31. Dezember um 0,00 Uhr geknallt?

N: Auf den Knall warte ich heute noch.

M. Wie hat man denn versucht, ihnen das zu erklären?

N: Jetzt seien zwar die 6000 Jahre Menschheitsgeschichte um, jetzt käme aber noch die Zeit, in der Adam den Tieren die Namen gab, und das müsste noch hinzugerechnet werden.

M: Also die Simone G... (von der RTL-Redaktion) hat sich mit den Zeugen Jehovas - zwar nicht an einen Tisch gesetzt, das ist ein bisschen kompliziert. Aber zumindest gibt es einen sehr umfangreichen Schriftwechsel. Der letzte datiert - steht kein Datum drauf - doch von heute den 19. Januar als Fax.

Darin schreibt Herr Bernd Klar sinngemäß:

"1975 seien 6000 Jahre beendet, daran hat sich nichts geändert. Aber weil einige Zeugen Jehovas eine bessere Welt herbeisehnten, haben sie gedacht, es würde 1975 kommen."

Waren die nicht genug geschult gewesen, dass sie das nur gedacht haben? Oder ist das hier ein bisschen verwässert dargestellt?

N. Das ist schon verwässert dargestellt, denn damals war das Datum 1975 ganz klar definiert.

M. Ich habe einen ganz bösen Streit mit den Zeugen Jehovas, (und es dreht sich in dieser Sendung nicht nur um die Zeugen Jehovas) ausgestanden, mit vielen Briefwechseln und Telefonaten und vielen anderen Dingen, die auch nicht ganz so schön waren, weil ich mal in einer Sendung gesagt habe, so vieles wäre bei den Zeugen Jehovas verboten. Also, es ist vielleicht nicht verboten, aber es ist zumindest nicht gerne gesehen.

Auch ganz vieles, was eigentlich Kindsein schön macht.

Was war den bei Ihnen nicht gerne gesehen? Was durften sie denn nicht tun zu Hause?

N: Kein Weihnachten feiern, keine Geburtstage, man durfte nicht in den Turnverein, auch nicht in einen Sportverein durfte man nicht.

M: Warum denn nicht?

N. Es wird definiert, wenn du in einen Sportverein gehst, und du gewinnst, dann wird die Nationalhymne gespielt und aus dem Grunde darf man dort nicht mitmachen.

M. Was passierte denn, wenn sie etwas getan hatten, zum Beispiel zu einem Kindergeburtstag eines Klassenkameraden gegangen sind, obwohl sie es gar nicht durften?

N: Also meine Mutter hat mich einmal erwischt dabei und mich zurückgeholt und gab mir dann eine richtige Tracht Prügel und ich durfte das Haus nicht mehr verlassen. Auch sonst, wenn ich mal zu spät kam. Da kann ich mich erinnern, hat mich mein Vater dafür mit einer Dornenrute geschlagen.

M. Und wenn sie bei der Versammlung, also das ist, was wir Gottesdienst nennen, nicht stillsaßen - was passiert dann?

N: Dann kriegte man entweder eine Ohrfeige. Oder was noch ganz schlimmer ist. Bei den Kongressen, die ja meist drei bis vier Tage dauerten. Da machte meine Mutter, damit wir wach blieben und nicht einschliefen, machte sie mit einem 4711 Eisstift unter die Augen, damit wir nicht einschliefen.

M: Jetzt mögen einige sagen: Na ja, das war bei Ihnen so. Gab es das auch in anderen Familien?

N: Ja, das gab es auch. Also ich kann mich erinnern, das grundsätzlich geschlagen wird, wenn man nicht stillsaß in der Versammlung.

M: Wie fühlt man sich denn da als Kind?

N: Sehr schlecht!

Man hat keine Freunde, man darf nicht das tun, was alle anderen tun, man muss ständig in Versammlungen gehen. Man fühlt sich eigentlich, über einen gewissen Punkt sehr verloren.

Und bei mir war es dann so, dass ich mit vierzehn meinen ersten Selbstmordversuch machte. Aber ich hatte nicht die richtigen Medikamente dazu.

M: Wie war es denn, als Sie Ihren ersten Freund hatten?

N: Ja, der war katholisch. Mein Vater bekam das heraus und wollte den Namen wissen, und ich wollte ihn nicht sagen. Da hat mich mein Vater so sehr zusammengeschlagen, dass ich mit blauem Auge am anderen Tage auf die Arbeit musste.

M: Wie alt waren Sie da?

N: 17. Und dann hat er mir noch gesagt, wenn Du jemanden sagst, dass Du nicht die Treppe heruntergefallen bist, dann werde ich Dich zu Tode schlagen.

Also habe ich gesagt, ich bin die Treppe heruntergefallen.

Mit 18 bin ich dann ausgetreten. Hatte einen Mann kennengelernt und geheiratet. Dies war die Flucht in eine Ehe, die mir doch nichts brachte.

M: Haben Sie heute noch Kontakt zu Ihren Eltern?

N: Nein

M: Sie haben ihre Mutter vor kurzem mehr durch Zufall gesehen?

N: Ja. Durch Zufall. Ich wollte meine Oma besuchen.

M: Ist sie auch bei den Zeugen Jehovas?

N: Nein, meine Oma ist nicht bei den Zeugen Jehovas, wohnt aber im gleichen Haus wie meine Eltern.

M: Und, kam es zu einem Gespräch?

N: Es gab kein Gespräch. Das einzigste was sie sagte. Ich habe noch heute unter den Folgen von damals zu leiden und bin in psychiatrischer Behandlung. Und meine Mutter sagte mir darauf: "Ja, jeder ist seines eigenen Glückes Schmid."

M: Sie durften auch nicht Ihren Traumberuf ergreifen - sie wollten Krankenschwester werden - weil ja Harmagedon kommt. Dann sind sowieso alle andern, die Ungläubigen tot, da braucht man denn keine Krankenschwestern mehr.

Das war kein Witz gerade - sondern das war die Begründung.

Ich habe hier noch eine Stimme aus dem Brief, die ich gerne verlesen möchte, und der heute per Fax bei uns eingegangen ist, unterschrieben von Bernd Klar, zuständig für den Informationsdienst der Zeugen Jehovas aus Selters.

Und da schreibt er. Zu der Frage 1. Stimmt es, dass Zeugen Jehovas ihre Kinder mit körperlicher Züchtigung strafen? "Körperlicher Gewalt hat in einer Familie von Zeugen Jehovas keinen Platz, Kinder zu prügeln gehört nicht zu unserem Verständnis von Zucht."

Ich kenne diesen Begriff eigentlich mehr aus der Schweinezucht. Das mag mein Verständnis sein dann.

Ist das so? Wer hat denn jetzt recht. Hat er recht? Oder haben Sie recht? Oder hat er tatsächlich recht, nur manches wird falsch ausgelegt in den Familien?

N: Also es ist ja so gewesen, dass bei uns nach dem Bibeltext aus Sprüche. Ich weiß jetzt auf Anhieb nicht mehr welche; es hieß: Wer seinen Sohn oder Tochter nicht mit der Rute züchtigt, ist Gott nicht genehm. Das war damals der Hinweis.

Das Landgericht verurteilte die Sendeanstalt zunächst zur Unterlassung folgender Äußerungen: "Kindersingen und Bastelarbeiten sind für Kinder von Zeugen Jehovas verboten." "Die Mitgliedschaft in..., Gewerkschaften, Verbänden oder Vereinen ist nicht gestattet."

Die Gemeinschaft ging gegen dieses Urteil vor dem Oberlandesgericht Köln in Berufung, da ihr diese Unterlassungsverpflichtungen offensichtlich nicht weit genug gingen und beantragte eine weitergehende einstweilige Verfügung. Doch die Berufung wurde von dem Gericht mit folgenden Begründungen zurückgewiesen:

Zum einen hatte die Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch nicht die allgemeine Rechtsfähigkeit im gesamten Bundesgebiet erlangt und zum anderen würde es sich bei den beanstandeten Äußerungen um subjektive, sich der Beweisbarkeit entziehende Auffassungen der Sendeanstalt handeln. Es würden keine Informationen oder Fakten mit geliefert, diese Äußerungen auf die Wahrheit zu überprüfen. Insoweit könne jeder Leser der Internetseite selbst entscheiden, ob er den Äußerungen folgen wolle oder nicht. Eine unzulässige Schmähkritik, die nur auf die Diffamierung der Zeugen Jehovas ausgerichtet sei, liege nicht vor.

Die Sendung wurde dann ohne die vom Landgericht beanstandeten Äußerungen ausgestrahlt

RTL-Sendung gesucht (Eine Referierung der gesuchten Sendung ist schon enthalten in: Detailauszug, Wenderoth, Arbeit an Moral )

Hans Meiser

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