Engleitner
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 10. Februar 2008 15:12
Engleitner im Interview

www.rundschau.co.at/lokales/artikel/2008/02/10/aich-war-mit-heinrich-gleianer-im-kza

Vorangegangene letzte Meldung, der inzwischen umfangreichen “Engleitner-Kollektion” in:

Parsimony.25371
(alternativ die entsprechende URL bei Parsimony)

Teil II des oben genannten Interviews

www.rundschau.co.at/lokales/artikel/2008/02/13/awir-haben-gehungert-die-prahlerei-des-kaisers-hat-mich-abgestoaena
 
Re: Engleitner
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 06. März 2008 14:06
Also das muss man dem Herrn Rammerstorfer wohl lassen.
An Geschäftstüchtigkeit (auf einem speziellen Sektor) überflügelt er ja bald die WTG. Die ist zwar auch nicht abgeneigt, wo immer es geht, ihre „Standhaft trotz Verfolgung"-These zu verkaufen. Aber der Herr Rammerstorfer dürfte ihr da wohl bald den Rang abgelaufen haben.
In einer neuen Meldung liest man beispielsweise die Sätze:

Ein „neue(s) Buch umfasst 448 Seiten, ist also doppelt so dick wie das erste aus dem Jahre 1999", klärt ... (Rammerstorfer) auf. Der in der Arbeit mit Medien erfahrene ...

„In der neuen Auflage haben wir alle Erlebnisse nochmals aufgearbeitet und mit Einzelheiten erweitert, die Engleitner im Laufe der Jahre noch eingefallen sind", erzählt der Autor, „auch viele Ereignisse, die ihm erst nach und nach wieder bewusst geworden sind."
Seit der Vorstellung des Buches 1999 im Buchensaal von Puchenau ist Bernhard Rammerstorfer zwei Mal rund um die Erde gereist; darunter waren auch mehrere Amerika-Besuche. ...

In den nächsten Wochen geht es nach Dresden, Graz und Perg: Rammerstorfer holt Engleitner aus seinem Haus in Salzkammergut, in dem er noch immer alleine lebt, ab und fährt mit ihm zu den Terminen ...

TV-Beitrag. In der Vorwoche war ein ORF-Team bei Leopold Engleitner und hat einen Beitrag für die Magazin-Reihe „Thema" ´gedreht. ..
Vorstellung des erweiterten Buches „Der ungebrochene Wille" am Samstag, 8. März, 18 Uhr, Buchensaal, Puchenau ...
ORF-Magazin „Thema" Dienstag, 11. März, 21.05 Uhr, ORF 2

www.rundschau.co.at/lokales/artikel/2008/03/06/das-dritte-buch-aber-einen-holocaust-aberlebenden
 
Re: Engleitner
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 27. März 2008 07:20

Es ist wohl wahr. Über 100 Jahre werden nur wenige. Ist der Betreffende dann noch rüstig genug, um etwa eine 1600 km lange Autofahrt von seiner Heimat, zurück zur Wewelsburg zu absolvieren. Jenem Ort, der auch für ihn unangenehme Erinnerungen beinhaltet, dann ist solch eine Leistung - allein vom Physischen her - aller Achtung wert. Von den Flugzeug-Reisen in die USA und noch vieles mehr in der Richtung, erst gar nicht zu reden.
Also zur physischen Kondition des Herrn Engleitner, kann man wohl ohne Einschränkung sagen: Alle Achtung!

Als der Herr Rammerstorfer im Jahre 1999 die erste Auflage seines Engleitner-Buches herausbrachte. Im Timing gut abgestimmt, mit der zu jener Zeit auch auf Hochtouren laufenden WTG-Standhaft-Kampagne, da war mir dieses Buch keinen separaten Bericht wert. Warum? Das ist in meinen seinerzeitigen Zeilen dazu, in der Sammel-Rezension Literaturbericht nachlesbar.

Es ist weiter wahr. Es gibt je mittlerweile etliche „Stars" aus dem Umfeld der „Standhaft"-Kampagne. Horst und Hermine Schmidt. Simone und Max Liebster, und noch etliche, keineswegs an zwei Händen abzählbare mehr. Aber der ausgesprochene „Shoutingstar" dabei, ist offenkundig Herr Leopold Engleitner. Es fragt sich allerdings, wenn nicht sein ausgesprochen cleverer Mentor, seine Wege gekreuzt hätte, ob es dann auch diese Ausmaße dabei gegeben hätte.

Allerdings, das muss man ja erneut einräumen. Die Schmidts, die Liebsters und wie sie denn alle heißen, haben ihre 100 noch nicht vollendet. Insofern sitzt da Herr Engleitner in der Tat auf einem unangefochtenem Thron.
Diesem „Thron" mag man ja einiges nachsehen. Muss man wohl auch nachsehen. Wenn sich selbst Regierungshäupter bei Herrn Engleitner der Reihe nach, gegenseitig „die Türklinke in die Hand" drücken. Dann ist man, zumindest anfänglich, sprachlos.

Unter den Honoratioren, für die das zutrifft, befindet sich übrigens auch die derzeitige deutsche Bundeskanzlerin, wie man einem voller Stolz, auf dem Buchumschlag offerierten Bild einer neuen „Engleitner-Auflage" des Herrn Rammerstorfer entnehmen kann.
http://www.manfred-gebhard.de/MerkelEngleitner.jpg
Als besagte Frau Dr. Merkel da so posierte, war sie zwar noch nicht Bundeskanzlerin, was im Buchinneren auch vermerkt wird. Aber clever wie Herr Rammerstorfer ohne Frage ist, hält er sich mit solchen Details auf dem Buchumschlag nicht weiter auf.
Also auch auf die Gefahr von all den Honoratioren (die auch kaum noch zählbar sind) Prügel zu beziehen, kann ich mir doch ein Urteil nicht ganz verkneifen. Da wird Personenkult hoch zehn betrieben!

Sicherlich, weitere Hundert Jahre werden Herrn Engleitner wohl nicht mehr vergönnt sein. Das weis und ahnt wohl auch Herr Rammerstorfer. Deshalb lässt er denn auch keine Zeit verstreichen, das Eisen zu schmieden, solange es noch heiß ist.

Es tut mir leid. Zur 1999er ersten Auflage fand ich schon kritische Worte. Auch wenn es all den Honoratioren nicht schmeckt. Auch diesmal wird es wieder kritische Worte von mir geben.

Herr Rammerstorfer hat nun in der derzeitigen Auflage des Engleitner-Buches, dessen Inhalt, formal, nahezu verdoppelt. So findet man jetzt auch einige Details, die in der ersten Auflage, so noch nicht ausgeführt wurden. Unter anderem dieses Detail. Für zwei Tage befand sich Herr Engleitner auch innerhalb des „Strumpfstopferkommandos". Die kurze Dauer dort wird mit den Worten erklärt:


„Wegen seiner schmerzenden Hände meldete sich Engleitner zum Strumpfstopfkommando" und bat den zuständigen Kapo darum, dort arbeiten zu dürfen. Diese Bitte wurde ihm gewährt und er war froh, nicht mehr draußen in der Kälte schuften zu müssen. Obwohl sich Engleitner sehr bemühte, war er zu langsam und konnte den Kapo mit seiner Leistung nicht zufrieden stellen. Während die anderen in dieser Tätigkeit schon sehr geübten Häftlinge, vorwiegend russische Gefangene, zehn Strümpfe stopften, schaffte er mit seinen zerschundenen Händen gerade einmal einen Strumpf. Das war zuwenig. Darum musste Engleitner nach zwei Tagen wieder in der Kälte beim Zaunbau arbeiten."
Das ist dann wohl auf das KZ Wewelsburg (Niederhagen) bezüglich.

Offenbar gab es aber solche „Strumpfstopfkommandos" auch im KZ Buchenwald.
Das ist besonders deshalb auch interessant, weil es genau zu diesem Aspekt, bereits einen einschlägigen Zeitzeugenbericht gibt. Den des Schriftstellers Ernst Wiechert. Er sei im nachfolgenden als „Salz für die süße Suppe der Honoratioren", die sich da wohl in erster Linie selbst feiern, wobei Herr Engleitner für sie das willkommene Alibi ist, zitiert.

Schon Konrad Algermissen zitierte mit als einer der ersten nach 1945, die Wiechert'schen Zeugen Jehovas bezüglichen Aussagen, wenn er zusammenfasst:

„Mit Recht schreibt Ernst Wiechert im Hinblick auf die Zeugen Jehovas", mit denen er im Dachauer Konzentrationslager so viel schweres Leid unschuldig ertrug, die Worte: Der Märtyrer, der für den Glauben stirbt, daß man nur Gras essen dürfe, begibt sich des Heiligenscheines um seine Stirne" (E. Wiechert, Totenwald, S. 118 f).

Es soll jetzt hier nicht darüber reflektiert werden. Wiechert nahm auf Buchenwald, nicht auf Dachau bezug. Solche marginalen Fehler muss man auch einer „Koryphäe" wie dem katholischen Konfessionskundler Algermissen, verzeihend nachsehen.

Im Detail schrieb Wiechert schrieb damals über seine Eindrücke, nachdem er selbst im Strumpfstoferkommando gelandet war:

"Dumpfe, holzgeschnittene Gesichter hinter Brillengläsern, mit asketischen Lippen und der leisen, beschwörenden Stimme von Eiferern. Gesichter, die aus derselben Enge, derselben Not und derselben Verheißung geprägt schienen und von denen Johannes (das ist Wiechert) sich gut denken konnte, dass sie mit unbewegtem Antlitz zusehen würden, wie alle Ketzer auf einem langsamen Feuer in die ewige Verdammnis hinüberbrieten."

Bezogen auf die Ideologiegrundlage äußert er:
"Was nun allerdings bei näherem zusehen auf dem Grunde dieser Weltanschauung lag, war so beschaffen, dass es sich jeder ernsthaften Diskussion völlig entzog. Wer bis auf das Jahr genau weiß, wann diese Welt erschaffen wurde, und fast ebenso genau auch das Jahr, wann sie zugrunde gehen wird mit dem ist schwer zu disputieren und noch schwerer zu rechten, weil ein anderes Zeitalter, ja ein anderer Stern unter seinen Füßen zu legen scheint."

Sein abschließendes Urteil fasste er in die sinngemäßen Worte:
Das man sie achten und zugleich doch auch bedauern kann. Das ihr Verhalten auf dem Boden
eines Dogmas beruht, dass mit dem theoretisch "denkbaren Dogma" vergleichbar sei, nur "Gras als Nahrung" zu essen.


"Man konnte sie alle achten, aber man musste sie auch alle bedauern. Der Märtyrer, der für den Glauben stirbt, dass man nur Gras essen dürfe (im übertragenem Sinne), begibt sich des Heiligenscheins um seine Stirn."

Wie bereits eingeräumt, kann man Engleitner mit seinen zwei Tagen in einem solchen Kommando, im engeren Sinne nicht vereinnahmen. Dennoch erlaube ich mir die These. Wäre es Herrn Engleitner vergönnt gewesen längere Zeit dort tätig zu sein, würden die von Wiechert genannten Kriterien, auch auf ihn zutreffen.

Leopold Engleitner, geboren 1905, berichtet in einem Gespräch vom März 2005 mit der Chefredakteurin der Zeitschrift „Welt der Frau", Christine Haiden, für ein Buchprojekt der letzteren, in der Substanz unter anderem auch folgendes.

http://www.manfred-gebhard.de/Engleitner.9.jpg
Einfachen Verhältnissen entstammend: die Mutter streng katholisch, der Vater selbiges nicht. Daraus ergaben sich schon einige familiäre Spannungen.

Die Schulerziehung war streng militaristisch ausgerichtet. Schon als junger Mensch hatte er gesundheitliche Probleme, welche unter anderem für ihn die Befreiung vom Sportunterricht in der Schule zur Folge hatten. Die „andere Seite" der Medaille. Er geriet damals schon in eine gewisse Außenseiterposition.

Etwa um 1931, derart „vorgeprägt" schloß er sich den Bibelforschern/Zeugen Jehovas an. Ein einfaches Weltbild suchend, fand er bei selbigen offenbar das Gesuchte. Seiner Vorprägung nach, den - mit Verlaub gesagt - sozialen Unterklassen zugehörig, vermochte er auch bis dahin sich nicht aus diesen Fesseln zu befreien. Das „religiöse Opium" der Zeugen Jehovas erschien ihm auch bezogen auf die eigene Situation, als „hilfreich". Je länger, je mehr setzte der bei Rauschgiftsüchtigen (gleich welcher Coleur) einsetzende Suchtmechanismus ein. Im katholisch geprägten Österreich, verstärkte sich somit seine faktische Außenseiterposition, die nach der faschistischen Annexion, dann für ihn existenzbedrohende Ausmaße annahm. Schon relativ früh gehörte er somit zu den in den Hitler'schen KZ Eingewiesenen.

Es wurde schon erwähnt. Bereits als Kind gesundheitliche Probleme habend, hatten selbige nun im Umkehrschluß zur Folge, dass sogar das Naziregime, ab etwa 1943, auf eine weitere Inhaftierung des Engleitner verzichtete, gekoppelt mit einer Bedingung. Er hätte keine freie Berufswahl. Er müsse und dürfe nur in der Landwirtschaft tätig sein. 1945, das „letzte Aufgebot" zusammenkratzend, wollte das Naziregime allerdings auch ihn noch für den Militärdienst rekrutieren. In dieser Zwangslage sich befindend, entschloss er sich zu einer abenteuerlichen Flucht. Hilfe hätte er dabei sicherlich gebrauchen können. Sie wurde ihm aber - faktisch - sowohl von den eigenen Verwandten, als auch den damaligen Arbeitgebern, weitgehend verweigert. Er musste unter diesen Rahmenbedingungen, in der Tat einige traumatische Erfahrungen sammeln.

Zum Glück für ihn, waren dann doch die Tage des Naziregimes gezählt. Aber auch in der nachfolgenden Zeit galt. Die Chance sich vom Odium den sozialen Unterklassen zugehörig zu sein, sich zu befreien. Diese Chance hatte er auch weiterhin nicht. Nach 1945 konnte er erst heiraten. Zitat:


„Nach dem Krieg hat Leopold Engleitner auch geheiratet. Eine geschiedene Frau mit zwei Kindern. Es war vielleicht nicht die große Liebe, aber eine Beziehung mit Respekt und Vertrauen. Viele Jahre hat
Leopold Engleitner seine schwer kranke Frau dann auch gepflegt. Heute ist er selbst auf Unterstützung angewiesen."


Zudem interessierte kaum jemand, was er denn so auf seiner Lebensreise an Widrigkeiten bisher erfahren hatte.
Im Sog der Zeugen Jehovas war er weiterhin. Selbiges bewirkte, dass er, der sich nur noch mit Krücken fortbewegen konnte, etwa im Jahre 1987, in einem Kurpark auf einer Bank sitzend, die Zeugen Jehovas-Zeitschriften anbot. Viele gingen an dem Mann mit den Krücken achtlos vorbei. Einer allerdings nicht, der Herr Rammerstorfer. Der interessierte sich in der Tat näher für das Schicksal des Engleitners. Und erst ab diesem Moment, fand noch der - späte - soziale Aufstieg des Engleitner statt. Seine Enkelkinder und eine Glaubensschwester würden sich um Engleitner kümmern, nebst Rammerstorfer, weis Frau Haiden zu berichten. Und so sind denn - durchaus beachtlich - Herrn Engleitner mehr als 102 Lebensjahre (Zeitpunkt des Interviews) beschieden.

Wasser auf die Mühlen der einschlägigen bei den Zeugen Jehovas stark vertretenen Klientel, dürften ohne Frage auch solche in der Neuauflage lesbare Passagen sein wie die:

„Als Joachim Escher im Mai 2003 erfuhr, dass Leopold Engleitner schwer erkrankt war, kämpfte er mit den Tränen und drängte darauf, Engleitner umgehend ins Krankenhaus einliefern zu lassen. Das war für Engleitner lebensrettend. Darüber hinaus sandte Joachim Escher, der als Heilpraktiker auf jahrzehntelange Erfahrung zurückgreifen konnte, Leopold Engleitner regelmäßig unentgeltlich spezielle Arzneimittel zur Förderung des Wohlbefindens im Alter."

Man vergleiche im Kontext, dass auch der den einschlägigen Zeitzeugen zuzurechnende Max Hollweg, in Personalunion zugleich ebenfalls der Heilpraktikerszene zugehört (gelernter Maurer).

Diesen Joachim Escher betreffend, keineswegs zum Hauptthema des Buches gehörend, hat Rammerstorfer in der jetzigen Neuauflage einige Details eingefügt.
Danach habe Herr Escher im Jahre 1946, Ruth Töllner geheiratet. Tochter des Willi Töllner, welcher unter den ZJ-Buchenwald-Häftlingen, durchaus als charismatisch eingeschätzt werden kann. Ein Urteil das ich bezogen auf Engleitner als Person, nun überhaupt nicht gelten lassen würde.

Nach einer „ordentlichen Beamtenkarriere" nach 1945, habe dann Herr Escher nach seiner Pensionierung, im September 1977 seine Tätigkeit als Heilpraktiker begonnen. Ausgeübt bis zu seinem Tode am 28. 9. 2004. Also selbst „seinen Heilpraktiker" (der zudem Altersmäßig jünger war als Engleitner), hat letzterer überlebt.

Wie will ein „flotter Spruch" wissen. „Arzt - heile dich doch erst mal selbst". Demzufolge scheint wohl die Heilpraktikerszene, trotz aller Selbstinszenierung, wohl doch noch nicht der „Weisheit letzen Schluss" entdeckt zu haben.


Siehe auch:

Parsimony.8152

Parsimony.13287

Parsimony.13291

Parsimony.23169

Parsimony.23174

Parsimony.23187

Re: Und der Herr Richard Rudolph als Kontrast dazu
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 05. Mai 2008 21:00
Ich versuche mal eine eingegangene Frage, etwas umformuliert, in ihrer Substanz zu erfassen.
Zu den auf verschiedenen „Standhaft"-Veranstaltungen (unter anderem in Waldheim, Torgau, und Dresden) mit aufgetretenen Zeitzeugen, gehört auch der 1911 geborene Richard Rudolph.
Die zwar nicht der offiziellen WTG zuschlagbare Webseite „Standhaft.org" widmet ihm mit Ach und Krach, einen mal magerer als mager zu bezeichnenden Text.

Dabei ist Herr Rudolph einer der Doppelverfolgten (NS-Regime und Ostdeutschland) zu bezeichnen. Sehe ich es richtig, brachte er es auch nicht zu der „Ehre" etwa mit im seinerzeitigen offiziellen WTG-Standhaft-Video vorgestellt zu werden.
Sehe ich es weiter richtig, gab es mal im Internet Verlautbarungen. So wie es über diverse andere Zeitzeugen der Verfolgung durch das NS-Regimes inzwischen Buchpublikationen gibt, sei auch solch eine in Sachen des Herrn Rudolph angedacht?
Und wo ist diese Publikation? Im „Nirwana" vielleicht.

In seinen bekannten Statements berichtet Herr Rudolph auch davon, nur mit Ach und Krach dem Todesurteil im Naziregime entronnen zu sein.
Auch das Ostdeutsche Regime behandelte ihn nicht gerade mit Glacehandschuhen.
Trotzdem ein Herr Engleitner wohl kaum eine Biographie hat, die in ihrer Dramatik der des Herrn Rudolph ebenbürtig wäre, gibt es über Engleitner mehr als übergenug.
Und was gibt es an Infos in Sachen Rudolph?
Wirklich merkwürdig, sehr merkwürdig, diese Art von Zeitzeugen-Politik.

Aus einem älteren Text, bezugnehmend auf die Waldheim-Veranstaltung wo auch Rudolph mit auftrat sei nochmal zitiert, wie er dort meinte gegenüber dem mit ihm im DDR-Gefängnis einsitzenden Dieter Pape, eine „Breitseite" glaubte abfeuern zu können.
Der zeitliche Rahmen: Etwa im Zeitraum April/Mai 1998 in Waldheim (Sachsen). Letzteres auch ein Geschichtsträchtiger Ort, indem im dortigen Gefängnis auch etliche Zeugen Jehovas inhaftiert waren. Unter sehr bedrückenden, man kann sagen unmenschlichen Bedingungen. Auch der Dieter Pape, einer der WTG bestgehaßten Gegner, war dort mit inhaftiert. Es gehört jetzt zwar nicht zum beabsichtigten Thema; aber es ist sicherlich nicht uninteressant, mal ein Statement des Doppelverfolgten (sowohl NS-Regime als auch Ostdeutschland) Richard Rudolph mit einzuflechten, der in einer Videoaufzeichnung bezüglich der Waldheim-Veranstaltungen auch das nachfolgende Statement im Gespräch mit dem zum späteren Präsidiumsmitglied der "Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in der DDR", avancierten Wolfgang Meise abgab.

Bemerkenswerterweise ist eine solche Ehrung (Präsidiumsmitglied) dem Doppelverfolgten Rudolph indes nie zuteil geworden. Auch sind seine anvisierten Erinnerungen, bis heute, niemals in Buchform der Öffentlichkeit zugänglich geworden, obwohl sich diesbezügliche (unerfüllte) Vorankündigungen nachweisen lassen.

Der Grund wird meines Erachtens auch im Schlußstatement dieses Rudolph deutlich. Namentlich welche Deutung er dem 1989er DDR-Mauerfall zuschrieb. Er ist mit seiner diesbezüglichen Aussage ein durchaus typisch zu nennender Vertreter religiöser Einfalt.

In Abwandlung seiner abgesessenen zwei Jahrzehnte Haft in beiden Diktatursystemen, ist man fast provoziert zynisch zu kommentieren. "Zwanzig Jahre Haft - Und kein bisschen Weise". Es sei aber eingeräumt, dass solch eine Aussage in der Tat Ausdruck von Zynismus wäre. Sie sei daher nicht überbetont. Ewähnen darf man aber wohl auch, dass Rudolph in seiner subjektiven Schilderung über Pape, diesem auch nichts ersparte.

Laut Transkription der Videoaufzeichnung erklärte Rudolph
Nachdem er im Gespräch bestätigte dass ein anderer Zeuge Jehovas (Günther Liebetraut) unter den harten Haftbedingungen "durchdrehte" Verfolgungswahn bekam und in die Psychatrie eingewiesen werden musste, äußert dann Rudolph:

"Und da war auch der Pape.
Wir hatten ja von Morgens bis abends unser Programm. Und der hatte sich die Mütze über die Ohren gezogen und die Ohren zugehalten und ist dann immer auf- und abmarschiert.
Eines Tages war ihm der Kragen geplatzt.
Wir würden also unmenschlich sein und kein Verständnis für ihn haben.
Also hör mal her. Wir sind nicht unmenschlich. Aber mit was sollen wir uns denn mit Dir unterhalten?
Ja, denn ganzen Tag habt ihr euer theokratisches Programm.
Ja, selbstverständlich, von morgens bis abends. Aber wenn Du lust hast, können wir uns ja am Abend unterhalten. Nenn doch mal ein Thema.
Und da kam die Situation tatsächlich so, der Abend kam heran.
Na was hast Du denn für ein Thema?
Er lag unten und ich über ihn im Bett.
Na ja, wenn die Wachtturmgesellschaft nicht Spionage ...
Ich sagte: Wenn Du jetzt nicht aufhörst, haue ich Dir den Frack voll.
Und da stand ein Wachtmeister in der Tür und klopfte an die Tür.
Pape, sind sie ruhig.

Na ja, am anderen Morgen mußte er herunter zum politischen Leiter, und dann kommt er rauf dann, vom politischen Leiter. Und dann sagt er:
Also, damit er Bescheid wisst. Ich habe euch nicht verraten.
Da gibts doch nichts zu verraten. Die wissen doch alles.
Das wir morgens da unser theokratisches Programm haben, dass wissen die doch. Und das können die auch wissen.
Er jedenfalls, wurde dann von uns verlegt und kam zu Weltmenschen.
Und die haben ihm als erstes mal eine "Abreibung" gegeben, ihn verprügelt.
Solche Sachen gibt es auch.

Bodo Schönwald (Berlin)
Wurde entlassen
Hast de mal was von dem gehört: Nee, nie
Wir hätten uns auch nie träumen lassen, in Waldheim einen Könireichssaaal zu haben 80 Zeugen Jehovas. Und das ist auch nur deshalb, weil Jehova die Mauer weggerissen und nicht Gorbatschow oder irgend jemand anders.
Die Zeit war gekommen, dass Jehova auch in diesem Lande seinem Volke die Freiheit gab, um noch einmal ein großes Zeugnis zu geben, bevor der 'große Knatsch' kommt".

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