"1967 von Bausoldaten während der Dienstzeit gegründeter Posaunenchor."
Also auch solcherlei war im Bereich der Bausoldaten möglich. Fast
überflüssig zu erwähnen, dass die dem östlichen Regime feindlich
gegenüberstehenden Zeugen Jehovas, wohl kaum zu dem illustren Club jenes
Posaunenorchesters gehört haben dürften.
Über die weitere Biographie eines dieser Posaunisten, erfährt man ab Seite 109
etwa die Details.
"Am 24. Januar 1968 kehrte (er) zu seiner Familie zurück. Zunächst war er zweieinhalb Jahre am Theater in Senftenberg tätig, dann am Theater in Erfurt. Als er beim Berliner Rundfunksinfonieorchester anfangen wollte, wurde ihm die Stelle verwehrt. In einem Gespräch mit der Kaderleiterin bekam der Posaunist zu hören, dass man auf solche Leute wie ihn verzichten könne. „Während andere unseren sozialistischen Staat in jeder Weise unterstützen und auch zur Armee gehen, hätte ich mich staatsfeindlich verhalten. Solche Leute könnten nicht eingestellt werden." Offensichtlich hatte schon der Vermerk „Bausoldat" im eingereichten Lebenslauf genügt, ... den Stempel Staatsfeind aufzudrücken."
Einige Details jetzt überspringend wäre noch zu vermerken; der Betreffende
ließ nicht locker und traktierte die DDR-Behörden mit Eingaben in der Sache
und hatte, wenn auch nach einigen Nervenaufreibungen, sogar Erfolg.
Für die Zeugen Jehovas waren in der Tat andere Elemente in ihrer Biographie
angesagt. Beispielsweise der Arbeitseinsatz im Gleisbau, und anderen
unbeliebten Jobs, die dann vom östlichen Staat mittels Zwangsarbeitern aus
seiner Gefangenenindustrie aufgefüllt wurden.
Solche "Fremd im eigenen Haus" gestimmten waren, mental gesehen, dann auch
prinzipiell die Zeugen Jehovas.
Wer als „fremd im eigenen Haus“ tituliert werden kann, bewegt sich in der Tat
auf dem Level eines Eppelmann.
Beide eint dann der Aspekt, der Staatsfeindschaft gegen das östliche Regime.
Ein Narr der nicht erkennt, das der östliche Staat seine Staatsfeinde nicht
gerade mit Glacehandschuhen anzufassen beliebte.
Insoweit reduziert sich das Verhalten der Zeugen Jehovas, primär auf
politische Aspekte, ob sie sich dessen nun auch selbst bewusst waren oder
nicht.
Im übrigen waren die Zeugen Jehovas getreu dem Motto
„Führer befiehl - wir
folgen dir“ hochgradig fremdbestimmt. Die Bestimmungsmacht dabei lag
und liegt allein in den Händen der Altherrenriege in Brooklyn-Warwick (USA).
Fast überflüssig zu erwähnen, dass die Autoren jenen Aspekt ebenfalls nicht
mit herausarbeiten.
Zu den von ihnen unter den Teppich gekehrten, also unerwähnt gelassenen,
gehört auch der Umstand,
dass etwa zeitgleich auch
Zeugen Jehovas in Westdeutschland, dort in die Gefängnisse einwanderten.
In Westdeutschland aber aus dem Grunde, weil sie sich dort weigerten,
Ersatzdienste in Krankenhäusern, die dort möglich und angesagt waren, zu
leisten.
Dann kam das Jahr 1996, und das Begehren nach den KdöR-Fleischtöpfen wurde in
WTG-Kreisen übermächtig. Und siehe da, quasi über Nacht, räumte die WTG selber
den diesbezüglichen Stolperstein, keine Ersatzdienste zu leisten, selbst aus
dem Weg!
Opportunismus ist im übrigen, gerade auch beim Thema Wehrdienst, der WTG nicht
unbekannt. Erinnert sei nur an das Schicksal jener Wehrdienstgegegnerischen
Passagen aus Band 7 der „Schrifstudien“ in welchem in der ersten Auflage noch
zu lesen war
Dann knickte die WTG ehrlos ein und strich in den nachfolgenden Auflagen
des Bandes 7 „Schriftstudien“ jene Aussagen wieder. Siehe zum Thema auch:
Schriftstudienhinweis
Oder aber auch das Fallbeispiel des WTG-Buches die „Harfe Gottes“, dessen
erste Auflagen, sowohl in Bern wie in Barmen gedruckt, enthielten noch eine
verklärende Passage zum Thema. Und zwar die:
Zum relevanten Volltext der entsprechenden Passage, siehe auch die Datei
Herrberger
In einer nachfolgenden Auflage jenes Buches in Magdeburg gedruckt, verschwand
dann auch jene Passage sang- und klanglos, ohne jegliche Begründung dort, oder
andernorts im WTG-Schrifttum.
Opportunismus hoch zehn, wäre dazu nur festzustellen.
Zu den aus meiner Sicht bemerkenswerten Details der Studie von Bersch/Dirksen,
gehören auch die Angaben auf der Seite 83.
Danach haben aus dem Zeugen Jehovas-Bereich, nach der 1964er Einführung der
Kreation "Bausoldatendienst", sechs von ihnen im ersten Durchgang selbigen,
für diesen optiert. Im zweiten Durchgang dann nur noch einer.
Ein 1938 geborener Zeuge Jehovas aus Thüringen, sein Vater selbigen (und
letzterer zweimal vom Ostdeutschen Regime in der Zeugen Jehovas-Angelegenheit
schon verhaftet worden). Dessen Sohn also, dessen Familiennamen die Autoren
nicht ausschreiben, sondern nur mit Wolfgang B. benennen, habe auch den
Bausoldatendienst verweigert, dann in der Haft diese Entscheidung revidiert,
nach dieser Revidierung diese erneut revidiert. In der Folge sei er am 22. 1.
1965 zu 18 Monaten Haft verurteilt worden.
Er wird als erster Zeuge Jehovas bezeichnet, welcher in der
Wehrdienstverweigerungsangelegenheit, in das Haftlager Berndshof eingewiesen
wurde.
Nach Ende seiner Haft soll er dann die Verbindung zu den Zeugen Jehovas gelöst
haben.
Nun erheben die Autoren noch ihren Zeigefinger und teilen mit :
"Nachweislich war er von 1969 bis 1970 und von 1973 bis 1977 als IM tätig, zeitweise arbeitete er auch für die ... Zeitschrift Christliche Verantwortung."
Nähere Erläuterungen und Nachweise indes gibt es zu dieser These nicht.
Was das "zeitweise" für oder bei der CV mitarbeiten anbelangt, kann ich mich
selbstredend nur auf die veröffentlichten Ausgaben der "Christlichen
Verantwortung" stützen. Und auf Grund dieses Quellenbestandes ist mir kein
Vorgang bekannt, der in vorgenanntes Raster hineinpassen würde.
Es bleibt also als Resümee die Feststellung. Eine Behauptung ohne
Quellenbeleg, die sowohl richtig als falsch sein kann. Unterstellt man weiter
besagter Wolfgang B. habe auch noch Artikel, vielleicht auch sich selbst
betreffend, für die CV geschrieben, ist festzustellen. Auf das Basis dessen,
was tatsächlich in der CV publiziert wurde - ohne Nachweis dort!
Die Konzentration der Zeugen Jehovas in dem Haftarbeitslager Berndshof fand
dann am 26. 8. 1965 ihr faktisches Ende. Sie wurden nunmehr in "zivile"
Gefängnisse umverteilt. Rückblickend klagen eine Akteure, die Zeit sich
relativ frei im Haftarbeitslager bewegen zu können, und auch verhältnismäßig
ungezwungen unter einander Kontakte haben zu können, war damit auch vorbei.
Jetzt wurden sie zu Gefangenen im buchstäblichen Sinne des Wortes.
Über die formale Ursache dieser nun eingetretenen Zäsur vernimmt man, es habe
sich ein faktischer Machtkampf zwischen der Wachmannschaft des
Haftarbeitslager Berndshof und den Zeugen Jehovas entwickelt. Dazu werden die
Details mitgeteilt:
„Unter dem Vorwand, uns ,Ordnung' beibringen zu wollen, mussten wir auf dem Appellplatz im Gleichschritt marschieren üben, denn zur Arbeit wurde im Gleichschritt aus- bzw. eingerückt. Diese Übungen nahmen ganz sachte die Form von militärischem Drill an, und als uns das klar wurde, stand bei den folgenden Versuchen die Kolonne still. Das hatten die noch nicht erlebt, dass auf ihr Kommando: ,lm Gleichschritt marsch!' sich kein Fuß rührte. Unsere Erklärung dazu: Wir rücken im Gleichschritt zur Arbeit aus und von der Arbeit ein, sonst nichts, alles andere gehört nicht zur Ordnung. Das Ergebnis: Strafandrohung, Gebrüll, Unsicherheit, Einrücken, Ruhe bis zum nächsten Versuch. ...“ (S. 150f.)
.Aus der Biographie eines der Akteure seien noch diese Details zitiert:
"Hinzu kamen viele weitere Drangsalierungen, die Bernhard S.. [Familienname im Original ausgeschrieben, hier nur verkürzt zitiert]
dazu veranlassten, für seine
Familie einen Antrag auf Ausreise aus der DDR zu stellen. Er stellte
insgesamt 18 Ausreiseanträge und wartet"Hinzu kamen viele weitere
Drangsalierungen, die Bernhard S...e dreieinhalb Jahre auf einen
positiven Bescheid. 1979 reisten er und seine Familie nach
Nordrhein-Westfalen aus.
Bernhard S ... merkte in der Bundesrepublik, dass es für die anderen in
der Regel nicht leicht war, sich in DDR-Verhältnisse so differenziert
hineinzudenken, um zu verstehen, weshalb er nicht Bausoldat, sehr gerne aber
Zivildienstleistender hätte werden wollen. So dauerte es drei Jahre, bis er
als politischer Häftling anerkannt wurde. ..." (S. 159).
*1)
Siehe ergänzend auch: Der "Fall Gysi" in:
http://27093.foren.mysnip.de/read.php?27094,145840,147805#msg-147805 19. Februar 2013 08:27
http://27093.foren.mysnip.de/read.php?27094,145840,147809#msg-147809 19. Februar 2013 10:46