Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Noch nicht enttarnt

Anfang der 90-er Jahre, waren die Geschäftsbeziehungen des Theologieprofessors B. zur WTG, noch nicht so ausgebaut. G.'s Buch war auch noch nicht im Angebot; und folglich gehörten - damals - sowohl G., wie auch B., für die WTG noch zu "Babylon der Großen". Wie man weiß, hat sich die Einschätzung der beiden Genannten seitens der WTG, in den nachfolgenden Jahren noch dramatisch verändert.

B. seinerseits hatte zu diesem frühen Zeitpunkt auch keine Skrupel, selbst (indirekt) die Dienste der DDR-Stasi in Anspruch zu nehmen. Sein Interesse bestand darin, den Aktenbestand des faschistischen Reichskirchenministeriums zu Forschungszwecken einsehen zu können. Der Haken an der ganzen Sache war dabei nur, dass diese Akten, von der Sowjetunion an die DDR zurückgegeben, nicht in regulären Archiven landeten; sondern dass die Stasi sie an sich zog und der wissenschaftlichen Öffentlichkeit vorenthielt. Nur einige wenige, handverlesene (außer den eigentlichen Stasibedientesten) erhielten zu DDR-Zeiten Zugang dazu. In zwei externen Objekten (Berlin-Karlshorst, Stühlingstr. 3 und Berlin-Pankow, Majakowskiweg 4) waren sie zu DDR-Zeiten stationiert. Einer der wenigen der sie auch einsehen durfte, war B.. Sicherlich waren diese genannten Objekte nicht mit dem Firmenschild "Stasi" versehen. Andererseits waren sie jedoch auch keine regulären Archivräumlichkeiten. Auch so ein bezeichnender Satz in der diesbezüglichen Expertise:

"Eine Reihe von Benutzeranträgen wurde abgelehnt wegen Verdacht des Mißbrauchs dieser Archivalien". Auch daraus ergibt sich, dass schon damals Herr B. eine herausgehobene Stellung innehatte.

Der DDR-Staat löste sich auf. Jetzt schlug erneut die Stunde für Herrn B.. Ihm war es vergönnt, mit als einer der ersten, als "Koautor" einer umfänglichen Dokumentensammlung zum Thema Stasi und DDR-Kirchen in Erscheinung treten zu können . Zweimal aufgelegt. 1991 und 1992.

In ihr finden sich auch einige Angaben zu den Zeugen Jehovas. Unter anderem wird darin auch der "Hans Voss" alias Hermann Laube erwähnt, der bekanntermaßen, schon seit einiger Zeit enttarnt ist.

Zieht man indes die neuere Literatur von Y., H. und D. mit heran, so muss man registrieren, dass einige "Stasi-U-Boote" bei den Zeugen Jehovas, nach wie vor nicht in der Öffentlichkeit enttarnt sind. Respektive, soweit es sich nur um Anwerbungsversuche ohne greifbares Ergebnis handelte, die Hintergründe und Details seitens der WTG-Apologeten, keineswegs offengelegt wurden. Bei einigen von ihnen hat man den Verdacht, als handele es sich um analoge Fälle, wie bei den sattsam bekannten "Kirchenjuristen" der Großkirchen, von denen es einer gar zum Ministerpräsidenten brachte. Ihre Stasi-Gesprächskontakte verklären sie allesamt damit, "im Dienst der Kirche" gewesen zu sein.

Sie alle wurden schon bei B. genannt. Die diesbezüglichen seinerzeitigen Ausführungen ("Pfarrer, Christen und Katholiken" S. 281) seinen nachstehend noch einmal (auszugsweise) zitiert:

"Konrad". Der Kandidat ist Leiter der Sekte "Zeugen Jehovas" in der DDR. Er steht in ständiger Verbindung mit der Zentrale Wiesbaden und ist verantwortlich für die Anleitung und Kontrolle der sogenannten "Bezirksdiener". Die Werbung wird im Zusammenhang mit der Liquidierung der Materialschleuse durchgeführt. …

"Reinhardt". Der Kandidat ist "Bezirksdiener". Sein Anleitungs- und Kontrollbereich umfaßt den gesamten Berliner Raum sowie die Bezirke Neubrandenburg, Schwerin und Rostock. Mit R. wurden schon Kontaktgespräche geführt, als er noch nicht die Funktion des "Bezirksdieners" hatte. …

"Otto". Der Kandidat ist "Kreisdiener" und Stellvertreter des "Bezirksdieners". Er wurde von der Zentrale für die Verteilung der eingeschleusten Originalliteratur für die gesamte DDR eingesetzt. Die Werbung erfolgt mit der Liquidierung der Materialschleuse. …

"Fritz". Der Kandidat ist der Stellvertreter des "Bezirkksdieners" für die Bezirke Leipzig, Halle, Erfurt, Gera und Suhl. Durch operative Maßnahmen wurde der "Bezirksdiener" weitgehend ausgeschaltet, so das F. die gesamte Tätigkeit durchführt. F. ist in systematischer Überzeugungsarbeit für die Zusammenarbeit zu gewinnen. …

"Jan" IMF "Jan" war Kurier der Zentrale und stand mit dem verantwortlichen Mitarbeiter der Zentrale für die Organisierung der "ZJ"-Tätigkeit in der DDR, Pohl, in persönlicher Verbindung. Das Ziel ist, "Jan" arbeitsmäßig in die Zentrale einzuschleusen. …

"Christia" IMV. Von "Christa" wohnt eine Schwester direkt neben der Zentrale in Wiesbaden. Die Qualifizierung von "Christa" besteht darin, ihre Schwester für die ständige Außenaufklärung der Zentrale zu gewinnen. …

IMF "Karper". Die Qualifizierung von "Karper" besteht in der Vermittlung von Grundkenntnisse über die Sekte "ZJ", damit er zeitweilig für die Aufklärung der Zentrale und für Kontaktaufnahmen zu Personen der Zentrale eingesetzt werden kann.

IMV "Bernd Koch". K. ist "Bezirksdiener" der Sekte "ZJ". In systematischer Erziehungsarbeit ist zu erreichen, daß er offen und ehrlich über alle internen Probleme berichtet. Dabei ist das vorliegende operative Material stärker auf seine Person auszuwerten und zu nutzen. …

IMV "Karl". K. ist "Kreisdiener" der Sekte "ZJ". In einer regelmäßigen und kurzfristigen Trefftätigkeit ist zu erreichen, daß er seine noch vorhandene Zurückhaltung überwindet und offen über interne "ZJ"-Probleme berichet. …

Soweit in dieser Auflistung der Stasi-Deckname "Otto" mit auftaucht, ist der inzwischen aufgeklärt. Es handelt sich dabei um das Mitglied im Präsidium der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland, Egon R.... Letzterer wurde auch, wie fast alle höheren Funktionsträger der DDR Zeugen Jehovas, von der Stasi kontaktiert, mit der Zielstellung, ihn zum "U-Boot" zu formieren. R... gab der Stasi, letztlich einen Korb, wie dies aus den entsprechenden Akten ersichtlich ist.

Nicht nur Bezirks- und Kreisdiener, auch die unter ihnen stehenden örtlichen Versammlungsdiener respektive Aufseher (vor der Wiedereinführung des "Ältestenamtes" so genannt), standen auf der Gesprächsliste der Stasi. Einer von ihnen berichtete, dass man ihm seitens der Stasi gar angeboten habe, westliche Zeugen Jehovas-Kongresse besuchen zu können. Gegen eine "kleine Gegenleistung" versteht sich.

Dies alles nährt den Verdacht, dass das Thema Zeugen Jehovas und DDR-Stasi, keineswegs als abschließend "aufgeklärt" betrachtet werden kann. Anläßlich ihrer 1965er Verhaftungsaktion führender DDR Zeugen Jehovas (L... und andere), hatte die Stasi schon im Vorfeld minutiös aufgelistet, dass sie damit rechne, dass im Anschluss daran 11 Kreisdiener als "erste Garnitur" übrig bleiben würden, die seitens der Stasi bewusst nicht mit verhaftet würden. Dies keineswegs aus "Mitleid" oder "Sympathie" gegenüber den Zeugen Jehovas. Solche Eigenschaften sind der Stasi von jeher fremd, sondern aus nüchternem Kalkül. Die Stasi schätze sicherlich nicht unbegründet ein, dass seitens der WTG eine neue DDR-Leitung besonders aus dem Kreis jener 11 heraus gebildet würde. In ihrer "Aufklärung" kam die Stasi zu der Einschätzung, dass sie besonders fanatische unter diesen 11 ihrerseits gerüchtemäßig damit belasten wollte, sie hätten mit der Stasi zusammengearbeitet und somit auch die Verhaftungswelle ermöglicht. Bei fünf von den elf indes rechnete sich die Stasi aus, sie gar als IM herausbrechen zu können. Und gerade diese ihre IM's sollten in der neuen DDR-Zeugenleitung mit vertreten sein. Auch D. (S. 685) erwähnt diesen Sachverhalt. Jedoch macht D. keinerlei Angaben wer den nun die fraglichen fünf gewesen seien. Aus den eingangs gebrachten Zitaten von B., dürfte man sie allerdings durchaus lokalisieren können.

Indes wäre es notwendig, den Details diesbezüglich weit gründlicher nachzugehen, als D. dies getan hat.

Auf den Fall Fritz K..., mitverhaftet in der Novemberaktion 1965, kommt D. noch detaillierter zu sprechen. Er erläutert, das K... so ziemlich als einzigster von den Verhafteten wieder freigelassen wurde. Nicht ohne Hintersinn dabei. Seine Entlassung wurde seitens der Stasi auch dazu genutzt, kräftigst die Gerüchteküche anzukurbeln, um ihn letztendlich in Zeugenkreisen "unmöglich" zu machen. Zitat D. (S. 694): "Obwohl K... wegen seiner Tätigkeit als Zeuge Jehovas bereits 1957 zu mehreren Jahren Zuchthaus bestraft worden war und es nach Ansicht des Ministeriums für Staatssicherheit Straftatbestände durch die Organisierung seiner Versammlung und die Schulung von anderen Zeugen Jehovas verletzt hatte, die in anderen Fällen durchaus ausreichend waren, um mehrjährige Haftstrafen zu verhängen, hatte das Ministerium für Staatssicherheit hier kein Interesse an der Durchführung eines Strafverfahrens."

Man kommt nicht umhin festzustellen. Etliche der "hochkarätigen" Zeugen Jehovas wurden in der 1965er Stasiakltion in der Tat äußerst unterschiedlich behandelt. Einige verhaftet; andere "nur" mit Hausdurchsuchungen und oder Vernehmungen "beglückt". Äußerlich sieht das sehr wohl nach Willkür aus. Faktisch war es ein geschickter Schachzug im Sinne der MfS-Strategie, in der zu erwartenden Neuformierung der DDR-Zeugen Jehovas-Leitung, möglichst vieler ihrer tatsächlichen oder auch nur beabsichtigten IM zu platzieren. und die wirklichen WTG-Hardliner möglichst in den Augen der WTG als "Wackelkandidaten" wenn nicht schlimmeres erscheinen zu lassen. Es war ein diabolisches Spiel das da ablief. Darüber kann es keine Frage geben. Fragen gibt es aber nach wie vor, welche wirkliche Rolle die Einzelnen in diesem Drama letztendlich gespielt haben.

Fallbeispiel: Helmut R...

In schon als äußerst „dürr" zu bezeichnendem Umfang kommen sowohl D. als auch die Webseite „Standhaft.org" auf den Fall des 1928 geborenen WTG-Kreisdieners (Aufseher) Helmut R... zu sprechen. Das was D. und „Standhaft.org" dazu mitteilen erschöpft sich lediglich darin, dass er Mitte 1953 durch Verrat verhaftet wurde.

Etwas weniger „dürr" zum Fall R... ist hingegen Robert Schmidt in seiner Zeugen Jehovas bezüglichen Dissertation. Die Angaben von Schmidt ermöglichen es schon eher sich ein Bild davon zu machen, was da „ablief". Schmidt nennt auch den Verräter bei seinem Stasi-Namen (GM Schuster). Aber auch Schmidt lässt das Rätsel weiter bestehen, welche Person sich hinter dem GM „Schuster" tatsächlich verbirgt. Jedenfalls muss man Schmidt das als Pluspunkt noch (relativ) anrechnen: denn weder bei D. noch in sonstiger einschlägiger Literatur erfährt man im Kontext Zeugen Jehovas etwas über einen „GM Schuster".

Ein anderer "Steffen Schuster" sei als Exkurs weiter unten noch erwähnt.

Nach der Darstellung von Schmidt (S. 199f) ereignete sich der Fall Helmut R... wie folgt:

In einem Bericht der MfS - Kreisdienststelle Zittau/Niesky vom 6.1.1953 heißt es über den ehemals als "Kreisdiener" tätigen ZJ Helmut R.:

"Es wurde uns bekannt, dass der R... der illegalen Sekte Zeugen Jehovas angehört und die Funktion in dieser Sekte als Kreisdiener bekleidet. In dieser Eigenschaft als Kreisdiener führte er am 13.8.1952 im Kreisgebiet Niesky bei 9 Personen Taufen durch. Bei diesen Taufen, die in verschiedenen Orten und Wohnungen durchgeführt werden, hält R... vorher eine Predigt von ca. 1/2 Stunde, wobei er die Täuflinge verpflichtet, bei Festnahmen durch die Polizei oder anderen Staatsorganen keine Aussagen zu machen, sondern nur Gott Jehova zu dienen. Ferner andere Leute zu überzeugen und das Wort Jehova zu predigen. Bei einer durchgeführten Vernehmung am 28.10.1950 in Bautzen gab R... zu, dass er seit 1946 Zeuge Jehovas ist und an seinem Glauben festhält. Am 31.5.1951 wurde R..., als er in Rammenau eine illegale Zusammenkunft mit noch weiteren 17 Personen durchführte, von der VP gestellt. Bei der Zuführung zur Wache wurde R. flüchtig mit seinem Fahrrad. Seit diesem Zeitpunkt reist Ratze, unbekannten Aufenthalts, ohne DPA, in verschiedenen Kreisgebieten umher, unter anderem auch im Kreisgebiet Niesky. R. hält sich auch zeitweise illegal in Westberlin auf.

Am 5.6. u. 7.9.1952 war er als Kreisdiener mit in Westberlin bei der Bezirkstagung der ZJ. Er hielt dort am 6.9.52 gegen 14.30 Uhr ein Hetzreferat von ca. 1/2 Stunde unter dem Thema: "Einander helfen, um stark zu werden." Er nahm auch gleichzeitig dort selbst an der Geheimsitzung mit teil. Die Vermutung liegt nahe, dass R. im Januar oder Febr. 1953 den Krs. Niesky wieder aufsucht, um Taufen durchzuführen."

Am 5. Juni 1953 wurde R... dann während einer Taufe in Zittau mit 12 weiteren ZJ aufgrund einer Denunziation verhaftet und zu 12 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, von denen er 7 Jahre in Waldheim und 2 Jahre in Bautzen (Objekt I) verbüßen musste, bevor er 1962 vorzeitig aus der Haft entlassen wurde. Gemäß Schmidt liegt über R... 1.263 Seiten Aktenmaterial des MfS vor, von denen er selbst inzwischen ca. 700 Seiten gesichtet hat.

Weiter äußert Schmidt:

Schon 1953 vermutete das Büro der ZJ in Berlin in einem Schreiben an das Westbüro in Wiesbaden, dass "offenbar" ein "direkter Verrat" vorliegen müsse, "... denn bei einer Versammlung riegelte ein großes SSD - Aufgebot [Staatssicherheitsdienst] das Gebäude vollständig ab und drang dann mit einem Nachschlüssel in das Haus ein

Bruder R... war es gelungen, durchs Fenster zu entkommen und in das Nachbarhaus zu gelangen. Er flüchtete in eine Wohnung, deren Inhaberin ihn aber einschloß und dem Staatssicherheitsdienst übergab. Es wird vermutet, dass der Verrat durch eine Person begangen wurde, die bekundete ein Bruder zu sein, der aber schon seit längerer Zeit in keinem guten Verhältnis zur Organisation steht. (...)."

Der von der Stasi in Niesky beschriebene Verhaftungsversuch 1951 ging auf eine Denunziation des Hauswirtes zurück, in dessen Haus eine ZJ -Mieterin die besagte Zusammenkunft (Zittau, Mandaustr. 4) organisierte. Hierzu berichtet R...:

"(...)Wieder sollte eine Besprechung mit verantwortlichen Brüdern stattfinden. Diesmal in der Wohnung einer Glaubensschwester. Leider hatte sie den Hauswirt am Nachmittag gebeten, ob er mehrere Stühle zur Verfügung stellen könnte, weil sie am Abend Gäste erwarte.

Dieser Hauswirt (...) sah jetzt die günstige Gelegenheit uns zu denunzieren. Ca. eine halbe Stunde nach Beginn hörte ich auf der Holztreppe schwere Stiefelschritte. Es erschienen 2 Mitarbeiter von K5 (später Stasi). Sofort wurde eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Sie fanden auch etwas Literatur. Alle Namen der Anwesenden wurden notiert, mir nahm man den Ausweis ab."

Offenbar gelang R... aber damals (1951) noch eine Flucht, unter Einbüßung seines Personalausweises.

Weiter Schmidt:

„Der zweite Verrat, der 1953 zu R...'s Verhaftung und Verurteilung führte, ging tatsächlich auf einen ehemaligen Mitgläubigen zurück. Die detaillierten Informationen des oben zitierten MfS-Berichts lassen dies schon erkennen. Aus heutiger Sicht dokumentieren MfS-Unterlagen, dass der ehemalige ZJ GM "Schuster" von R... getauft wurde: er berichtete über die Wohnung, in der die Taufe stattfand, nannte die Namen der anderen Täuflinge, übermittelte Informationen über den besagten Vortrag von Helmut R. in Berlin und auch darüber, dass dieser über die "Zustände der DDR" gesprochen und diese "verleumdet" hätte. Zudem versorgte der GM "Schuster" schon im Vorfeld der Verhaftung von Helmut R. das MfS mit detaillierten Angaben , die diese für ihre Fahndung benötigten."

Seitens der "Gauckbehörde" gibt es auch eine Verlautbarung, dass so ziemlich als einzigste Kirchenorganisation in der DDR, die "Siebenten-Tags-Adventisten" von letzterer einen "Persilschein" verpasst bekommen haben. Dieser Meldung stehe ich zwar mit einiger Skepsis gegenüber, muss sie aber als solches, vorerst so zur Kenntnis nehmen. Meine Erklärung dazu ist aber auch, dass gerade die STA mit die treuesten "Vasallen" der Ost-CDU waren. Die Ost-CDU ihrerseits beliebte, wo immer möglich, am liebsten noch die SED von "links zu überholen". Aufgrund dieser Konstellation entfiel für die Stasi zugleich wohl auch die Notwendigkeit, ein gleiches Maß von Infiltration und Zersetzung den STA gegenüber zur Anwendung zu bringen, als es andernorts der Fall war.

Vorausgegangen zu diesem Statement der Gauckbehörde, war eine systematische Überprüfung ihrer hauptamtlichen Funktionäre in der DDR, die dann obiges Ergebnis zutage forderte. Diese Überprüfung geschah im Einverständnis mit der gegenwärtigen Kirchenleitung der STA. Die Evangelische Kirche ließ 2100 ihrer Amtsträger via Gauckbehörde überprüfen, die Katholische Kirche 850.

Nun liegt bei den Zeugen Jehovas der Sachverhalt dahingehend anders, dass sie zu DDR-Zeiten fast keine hauptamtlichen Funktionäre hatten. Ihre "Funktionäre" übten in der Regel auch noch einen "weltlichen" Beruf aus. Dieser Umstand erschwert es wohl, die Forderung durchzusetzen, dass ihre seinerzeitigen DDR-Funktionäre alle a u c h Gauckbehördenmäßig durchleuchtet würden. Auch ist die WTG als "Kirchenleitung" daran nicht interessiert. So wird sie sich demzufolge auch weiterhin vorhalten lassen müßen, nur an einer Teilaufklärung interessiert zu sein.

Sie befindet sich damit in einer bemerkenswerten Interessengleicheit z. B. mit dem Altkanzler Helmut Kohl, der da auch sinngemäß sagt: Was Wahrheit ist - bestimme ich. Und was die Öffentlichkeit nicht wissen darf, gleichfalls!

Nachtrag.
Wie das mit den Westreisen von DDR-Zeugen Jehovas aussah, kann man beispielhaft an einer Stasi-Fachschulabschlussarbeit aus dem Jahre 1976 erkennen. Ihr Verfasser, ein Major Erich Baenz, betont, dass die Stasi in bestimmten Fällen auch schriftliche Aufträge erteilte, damit sich das bei dem "Auftragnehmer" besser einpräge, was er alles zu beachten habe.

Das mit den "schriftlichen Aufträgen" mag zwar nicht die Regel gewesen sein. Aber da Baenz selbst einen solchen Auftrag wortwörtlich zitiert, wird es wohl so gewesen sein, dass es auch das gab.
Das Beispiel von Baenz bezieht sich auf eine Westreise eines im Dienste der Stasi stehenden Zeugen Jehovas.
Nachstehend seine Zitierung:

Auftrag
In der langjährigen inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit hat Ihre Tätigkeit dazu beigetragen, daß unser Organ in der Aufklärung der illegalen Tätigkeit der WTG (Zeugen Jehova) im Raum Torgelow/Eggesin gute Erfolge erreichte. Dafür möchten wir Ihnen unseren Dank und Anerkennung aussprechen.

Sie haben durch Ihre Arbeit bewiesen, daß Sie in der Lage sind, auch kompliziertere Aufträge zu lösen, die Über das Territorium der DDR hinausgehen. In diesem Zusammenhang erklärten Sie sich bereit, eine Reise in die Bundesrepublik zu Ihrer Schwester zu unternehmen, um dadurch die Möglichkeit zu erhalten, am Kongreß der Zeugen Jehova in Karlsruhe teilzunehmen.

Zur Vorbereitung und Legendierung Ihres Auftrages informierten Sie den Versammlungsdiener der Zeugen Jehova Gruppe Torgelow von Ihrem Vorhaben. Er begrüßte Ihren Vorschlag und zeigte Möglichkeiten, die es ihnen ermöglichen, am Kongreß teilzunehmen. Er gab Ihnen hierzu Ratschläge und Hinweise.

Ihre Absicht teilten Sie Ihrem Gebietsdiener mit. Auch dieser gab dazu seine Zustimmung.
Die Durchführung Ihres Auftrages ist sowohl gegenüber der Öffentlichkeit (Besuch Ihrer Schwester in Bayern) als auch gegenüber den Funktionären der WTG Zeugen Jehova (Zustimmung durch die Funktionäre) abgedeckt.

Wir bitten Sie nun, daß Sie Ihre Reise von Torgelow aus antreten und direkt nach Karlsruhe fahren, um am Kongreß teilzunehmen. Sie umgehen damit alle unliebsamen Fragen Ihrer Schwester, die sich auf Ihre Teilnahme am Kongreß der WTG beziehen. Das würde bedeuten, daß Sie sich in der Zeit vom 10. 8. - 12. 8. in Karlsruhe aufhalten und erst danach zu Ihrer Schwester nach Amberg reisen.

Halten Sie sich an nachfolgende Instruktionen:
Sie lösen Ihre Fahrkarte am 10. 8. auf dem Bahnhof Torgelow mit der Angabe des Reiseziels Amberg/Bayern über Karlsruhe. Erklären Sie bei Fragen, daß Sie beabsichtigen, die Reise in Karlsruhe kurz zu unterbrechen. Das würde bedeuten, daß Sie am 12. 8. Karlsruhe wieder verlassen müssen, da die Reiseunterbrechung nach Vorschrift nur vier Tage möglich ist und Sie gegen 24.00 Ihr Reiseziel erreicht haben müssen. Gleichzeitig lösen Sie in Torgelow Ihre Rückfahrkarte auf geradem Wege von Amberg nach Torgelow.

In Karlsruhe angekommen, suchen Sie unmittelbar danach die nächste Polizeidienststelle auf, um Ihrer Anmeldepflicht nachzukommen. Erklären Sie dort den Beamten den wahren Grund Ihrer Reiseunterbrechung, indem Sie sagen, daß Sie aus der DDR kommen, Mitglied der WTG sind und beabsichtigen, am Kongreß teilzunehmen. Da sie ja nicht wissen, wo sich das Kongreßgelände befindet, erkundigen Sie sich nach dem Weg dorthin. Hierbei ist von Interesse, festzustellen, welche Hilfe und Unterstützung Bürgern der DDR zuteil wird und welche Instruktionen Polizeibeamte für derartige Fälle erhalten haben.

Da der Kongreß erst am nächsten Tag, dem 10. 8. beginnt, begeben Sie sich noch am 9. 8., unmittelbar nach Ihrer polizeilichen Anmeldung zum Kongreß. Dort sprechen Sie einen Ordner an. Erklären Sie diesem, wer Sie sind und wo Sie herkommen sowie Ihre Absicht, am Kongreß teilzunehmen, jedoch zu diesem Zweck eine Unterkunft benötigen. Sollten Sie an ein Hotel verwiesen werden, dann erklären Sie, daß Sie finanziell nicht in der Lage sind, dort zu übernachten. Versuchen Sie, ein Privatquartier zu erhalten. Werden Sie durch anwesende Ordner dem auf dem Kongreßgelände eingerichteten sogenannten Ostbüro zugeführt, um Ihr Problem zu lösen, dann befolgen Sie deren Ratschläge.

Das Ziel Ihres Reiseauftrages besteht in folgendem:
- die Pläne und Absichten der illegalen Leitung der WTG in der DDR sowie des Ostbüros in Wiesbaden gegen die DDR zur Durchsetzung ihrer illegalen Tätigkeit in Erfahrung zu bringen
- zu versuchen, in die Konspiration der illegalen Sekte einzudringen;
- zu erarbeiten, wie die Aufnahme und Behandlung von DDR-Bürgern durch leitende Funktionäre der WTG während des Kongresses vor sich geht, welche Probleme von besonderem Interesse sind, welche Instruktionen DDR-Bürger erhalten und welche Aufträge erteilt werden;
- Materialien sicherzustellen, die den feindlichen Charakter der WTG (Zeugen Jehova) als Feindorganisation weiter entlarven und dokumentieren;
- herauszuarbeiten, inwieweit staatliche Stellen der BRD über den ZJ-Kongreß informiert sind, welche Instruktionen sie erhielten und welche Verfahrensweise bei der Abfertigung von DDR-Bürgern zur Anwendung kommt.

Begeben Sie sich am 10. 8. frühzeitig zum Kongreßgelände, nehmen an der Eröffnung teil und verfolgen Sie sehr aufmerksam die Ausführungen der Redner. Merken Sie sich auch, wer zu welchem Problem Ausführungen macht.
Besonderer Wert ist auf den Gesamtverlauf des Kongresses, seinen Inhalt und das Programm zu legen. Das betrifft vor allem auch solche Fragen wie:
- Ausführungen über neue Gedanken und Ideen zur Frage 1975,
- Gedanken und Ideen zu dem Problem der Ältesten,
- Meinungen und Äußerungen zur Politik der Wachtturm-Gesellschaft zum Antikommunismus,
- welche neuen Materialien kommen heraus, Broschüren und Traktate, die den Kongreß und die WTG betreffen,
- und andere Probleme, die von besonderer Bedeutung sind.

Suchen Sie nach der Eröffnung des Kongresses das Ostbüro, das auf dem Kongreßgelände für Besucher aus der DDR eingerichtet ist, auf. Sprechen Sie hier vor, um Hilfe und Unterstützung während Ihres Aufenthaltes zu erhalten. Richten Sie an die dort Anwesenden die Bitte, ob es möglich ist, einen leitenden Bruder zu sprechen. Sicher werden Sie einer solchen Person zugeführt. Sagen Sie dieser wer Sie sind, woher sie kommen und daß Sie eine Rentnerreise zu Ihrer Schwester nach Amberg unternehmen. Auf Anraten Ihrer leitenden Brüder unternehmen Sie die Reise zum Kongreß, um neue "geistige Nahrung" in sich aufzunehmen. Erwähnen Sie in diesem Zusammenhang, daß es Ihre erste Reise zu einem Kongreß und auch Ihre erste Reise in die Bundesrepublik ist. Da diese Darlegungen der Wahrheit entsprechen, gibt es nichts, was in irgendeiner Form Anstoß erregen könnte.

Bereiten Sie sich beim Aufsuchen des Kogresses bzw. des Ostbüros gründlich auf den für diese Tage geltenden Tagestext und ein Gebet vor. Die Beherrschung des geltenden Tagestextes ist die Grundlage und zugleich auch die Legitimation Ihrer Zugehörigkeit zur WTG. Versuchen Sie dort nach Möglichkeit ein Gebet zum erfolgreichen Gelingen des Kongresses vorzutragen, indem sie den Kongreß segnen. Das hinterläßt auf jeden Fall Eindruck.

Übermitteln Sie den leitenden Brüdern die herzlichsten Grüße der Brüdern und Schwestern aus Mecklenburg.
Bedanken Sie sich für die Ihrer Versammlung zugehende geistige Nahrung, durch die Sie bzw. die Brüder und Schwestern das Wort Jehovas in sich aufnehmen können und so mit ihnen verbunden sind.

Sie werden dort sicher nach der Lage und Situation in Ihrer Versammlung befragt. Sollte das der Fall sein, dann berichten Sie im wesentlichen darüber, wie das Buch- und Bibelstudium durchgeführt wird. Werden Sie nach den leitenden Brüdern befragt, so geben Sie auch darüber bereitwillig Auskunft. Nennen Sie auf keinen Fall von sich aus die Funktion von ... erwähnen Sie in diesem Zusammenhang nur, daß es ein leitender Bruder ist. Ansonsten bringen Sie Ihre Genugtuung diesen Bruder gegenüber zum Ausdruck, unterlassen aber jede Anspielung auf die wahre Situation, wie es sich gegenwärtig tatsächlich verhält.

Sie wurden bisher von niemandem beauftragt, darüber zu informieren. Sprechen Sie über Schwierigkeiten, unter denen Sie das Wort Jehovas verkünden. Heben Sie aber auch hervor, daß sie alle bereit sind, unter diesen schwierigen Bedingungen ihre Pflicht zu tun, um Jehova zu dienen.

Sollten Sie danach befragt werden, inwieweit staatliche Organe der DDR eine Kontrolle über die Versammlung ausüben, so erklären Sie dazu, daß Sie seit Dezember 1968/69 in keiner Weise behelligt wurden. Die seinerzeit ausgesprochenen Ordnungsstrafen wurden gezahlt - damit schien die Sache erledigt zu sein. Daraus wurde die Schlußfolgerung gezogen, noch vorsichtiger bei der Verkündigung des Werkes vorzugehen.

Beachten Sie sehr genau die Fragestellung der Mitarbeiter des Ostbüros und durchdenken Sie auch Ihre Antworten, vor allem widersprechen Sie sich nicht. Bewegen Sie sich so, daß von Ihnen eine Atmosphäre des Vertrauens ausgeht.

Es ist möglich, daß Sie beauftragt werden, Grüße vom Kongreß an die leitenden Brüder der Versammlung Torgelow zu überbringen oder andere Aufträge entgegenzunehmen. Nehmen Sie diese Aufträge dankbar entgegen und versprechen Sie, sie zur Zufriedenheit zu erledigen.

Von Interesse ist:
- welche Fragen werden Ihnen vorgelegt, was erregt das besondere Interesse Ihrer Versammlung,
- was interessiert besonders zu den leitenden Funktionären ... und ...
- welche Aufträge oder Orientierungen erhalten Sie für die zukünftige Arbeit hinsichtlich der Aktivierung der Tätigkeit,
- welches Material wird übergeben,
- welche leitenden Funktionäre lernen Sie während des Kongresses und im Ostbüro kennen oder werden Ihnen vorgestellt,
- beachten Sie den organisatorischen Ablauf im Ostbüro,
- welche Maßnahmen zur Absicherung des Kongresses durch Ordner, der Polizei oder sonstige Institutionen wurden getroffen.

Falls Sie im Ostbüro Reden leitender Funktionäre erhalten können, versuchen Sie, diese dort zu erhalten. Besonders kommt es uns auf Neuerscheinungen an.
Stellen Sie fest, wieviel DDR-Bürger am Kongreß teilnehmen und versuchen Sie, mit DDR-Bürgern Kontakt aufzunehmen.

Nach Durchführung Ihres Auftrages setzen Sie Ihre Reise am 12. 8. nach Amberg fort. Treten Sie, entsprechend Ihrer Absicht, dann am ... ihre Heimreise nach Torgelow an.
Berichten Sie uns über die Erfüllung Ihres Auftrages bei unserem nächsten Treff am ...

Wir weisen Sie abschließend noch darauf hin, daß der Umstand eintreten kann, daß Sie während Ihres Aufenthaltes in der BRD von unbekannten Personen angesprochen oder aufgesucht werden könnten.
In derartigen Fällen handelt es sich meistens um Mitarbeiter des Bundesverfassungsschutzes oder Mitarbeiter von Feindzentralen.

Verhalten Sie sich in diesem Falle so, daß Sie Auskunft geben über Ihre Person und Ihr Reiseziel. Lassen Sie sich auf keinerlei Gespräche und Fragen ein. Geben Sie auf keinen Fall zu, daß Sie im Auftrag des Ministeriums für Staatssicherheit in die BRD reisten. Derartige Anschuldigungen weisen Sie entschieden zurück. In solchen Fällen handelt es sich um Bluff. Den Organen der Bundesrepublik ist Ihre Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit in keiner Weise bekannt ...

In ihrem Buch „Doppelstaat DDR" kommt Christina M. auch auf vorstehend zitierte Ausarbeitung des Stasiisten Baenz zu sprechen (S. 324f).

Frau M. gewährt allen von ihr auch referierten Stasiisten die „Wohltat", ihren Familiennamen nur in Form des Anfangsbuchstabens zu nennen.

Das ist eine Kann-Option, die fallweise zu respektieren ist.

Indes Herr Hirch der Baenz auch referiert (S. 35f.), nennt sehr wohl seinen Familiennamen, und auch ich sehe keine zwingende Notwendigkeit, es anders zu halten.

Diese Stasiisten wären innerhalb ihrer Hierarchie höher angesiedelt.

Nicht jeder von ihnen konnte auch die Stasi-eigene Juristische Hochschule absolvieren.

Sollte jenen Herrschaften heute ihre Vergangenheit nicht passen, steht es ihnen frei sich mit selbiger (hoffentlich auch selbstkritisch) auseinander zusetzen.

Zumindest haben sie den Rang einer Person der Öffentlichkeit erlangt.

Sollten sie Mimosen-Gefühle heute haben, wäre die Frage zu stellen.

Und wie hielten Sie es zu ihrer eigenen Zeit?

Die eigentliche Referierung des von mir zitierten Fallbeispieles, ordnet Frau M. in einer Fußnote unter. Offenbar erscheinen ihr andere Aspekte relevanter.

Auch Herrn Hirch erschien gleichfalls jenes Fallbeispiel nur als Miterwähnung in einer noch kürzeren Fußnote wert.

Darüber will ich dann ja nicht weiter streiten.

Jeder hat eben so seinen eigenen Blickwinkel auf die Materie.

Im Bericht von Frau M. liest man auch die Sätze (S. 326f.):

„Auf Seiten der WTG sei eine hohe Konspiration zu verzeichnen, welche sich in Form der sog. „Brandmauerbestimmungen" zeigen würde. Diese besagten im Wesentlichen, dass bei Beratungen mit Ältesten nicht mehr laut gesprochen werden dürfe, sondern alle relevanten Informationen schriftlich ausgetauscht werden sollten, da man damit Rechne, dass das MfS Abhöreinrichtungen installiert habe. Ferner solle nach Maßgabe der WTG jeder nur noch das wissen, was er wirklich an Informationen benötige, um so Lücken in der Geheimhaltung zu vermeiden. Die WTG habe ferner bestimmt, dass Personen, die Mitglieder der SED oder GST sind, keine Funktionen mehr zu übertragen seien, weil damit gerechnet werde, dass solche Personen vom MfS eingeschleust würden oder zumindest schneller zu Kompromissen gegenüber dem MfS bereit seien. Ferner habe die WTG nahegelegt, die Stärke der Gruppen zu reduzieren, um so das Vorgehen des MfS zu erschweren."

Genau dieses Thema „Brandmauerbestimmungen" erwähnt Herr Hirch indes so nicht.

Es könnte ja sonst jemand auf den Gedanken kommen.

Im Kleinkrieg der Geheimdienste untereinander, nimmt auch die WTG ihren gleichwertigen Part wahr!

Exkurs

In der Rubrik "Wir beobachten die Welt" des "Erwachet!" vom 8. 3. 1961, gibt es auch einen "Verfolgungen in Ostdeutschland" überschriebenen Beitrag.
Liest man in ihm unter anderem, noch im Jahre 1960 habe es Neu-Verurteilungen von Zeugen Jehovas gegeben, dann offenbarte des Ostdeutsche Regime damit nur seine Erbärmlichkeit. Daran gibt es nichts zu rütteln. Und hat man den weiteren Geschichtsablauf mit im Blick, ist feststellbar, diese Erbärmlichkeit fand erst nach der letzten großen Verhaftungsaktion vom November 1965 ihr Ende.
Siehe zu letzterem unter anderem.
http://forum.mysnip.de/read.php?27094,89501,89990#msg-89990
09. Januar 2011 03:25
http://forum.mysnip.de/read.php?27094,89501,90572#msg-90572
16. Januar 2011 02:43
Das Ostdeutsche Regime ist nicht zu entschuldigen, darüber dürfte wohl weitgehende Einigkeit bestehen, auch bei denen, welche kein Fan der WTG-Religion sind.
Etwas anderes in diesem Bericht verdient vielleicht noch gesondert hervorgehoben zu werden. Zum Abschluss der "Erwachet!"-Ausführungen liest man auch die Sätze

"Durch die in der Ostzone Ende September verkündete Amnestie sind 57 Zeugen Jehovas vorzeitig zur Entlassung gekommen, wie bisher bekanntgeworden ist. Ihnen wurde dadurch ein Straferlaß von durchschnittlich 1 Jahr und 2 Monaten gewährt. Die Amnestie ist am 30. November beendet worden."

Meines Erachtens ist es durchaus aufschlußreich, sich die Biographien dieser 57 etwas näher anzusehen. Sie werden ja weder in dieser "Erwachet!"-Ausgabe, noch andernorts mal zusammengefasst dargestellt. Es ist also bestenfalls nur möglich, vereinzelte - verstreute - Berichte zu diesen 57 mal etwas näher in Augenschein zu nehmen.
Ein Teil dieser 57 wurde wohl nach dem Westen abgeschoben, aber doch nicht alle.

Vorgenannte Amnestie war dann wohl die zweite mit Zeugen Jehovas bezüglichen Anteil.
Über die erste etwa notierte die (westliche) Zeitschrift "Kirche im Sozialismus" mal:

"1956 wurden im Zuge einer Amnestie über 800 Zeugen aus der Haft entlassen und zum Teil mit ihren Familien in den Westen abgeschoben."

Ob die Zahl der 800 tatsächlich authentisch ist, mag mit einem Fragezeichen versehen bleiben. Damit ist diese Angabe nicht prinzipiell bestritten. Andererseits wird auf die zugehörige Quellenangabe dafür im KuS Artikel hinzuweisen sein.
Und jene zugehörige Fußnote (35) weist dazu aus.

"Mündliche Mitteilung des Katholischen Informationsbüros in Wolfegg Baden-Württtemberg"

. Insider wissen, dass war zum Zeitpunkt der Publizierung des KuS-Artikels, Personengleich mit dem seit Anfang der 1950er Jahre im Westen lebenden Günther Pape.
Wenn der das mündlich meinte, dann ist das allerdings kein authentischer Beweis.
Dass es 1956 eine Amnestie gab, kann nicht strittig sein. Allenfalls ist zu fragen, in welchem Umfange denn auch Zeugen Jehovas von ihr profitierten.
Jedenfalls sind durchaus auch Fälle von geschockten Zeugen Jehovas ruchbar geworden, welche hofften, mit von Amnestien erfasst zu werden, es letztendlich aber doch nicht wurden.
Das Ostdeutsche Regime stellten für solche potentiell für eine Amnestie in Betracht kommenden, nämlich eine Bedingung.
Die Bedingung des politischen Wohlverhaltens im Sinne der östlichen Interessenlage.
Im Fall des 1952 mit verhafteten Dieter Pape, war ja dieses Wohlverhalten, nachweisbar gegeben.
In anderen Fällen eben nicht; und die mussten dann halt weiter ihre Gefängnisstrafe absitzen (ohne vorzeitige Amnestie).
Ewald Kaven etwa notierte in seinem Erfahrungsbericht auch:

"Der August verging, aber es wurde nichts daraus. Doch dann kam der September, der entscheidende Veränderungen für mich mit sich bringen sollte. Am 7. September 1960 starb Wilhelm Pieck, der Präsident der DDR, und es wurde eine Amnestie für alle Strafgefangenen, die Zweidrittel ihrer Strafe verbüßt hatten, in Aussicht gestellt. Auch ich wurde befragt. Dazu musste wieder ein Fragebogen ausgefüllt werden:
"Wie stehen Sie zu Ihrer Straftat?"
Eine verfängliche Frage.
Verurteilt wurde ich nach Artikel 6 der Verfassung der DDR, der Spionage, Sabotage, Kriegshetze und der Dinge mehr, wie der Staatsanwalt es so umfangreich ausgemalt hatte, beinhaltet. ... Also gab ich zur Antwort: "Ich glaube nach wie vor an Gott."
Nun musste ich abwarten, was wohl daraus werden würde. ...

Zum Arbeiten hatte ich nicht mehr viel Lust, denn meine Gedanken kreisten immer häufiger um die Entlassung. Auch gab es täglich neue Gerüchte, wer alles, wann der letzte, und wie viel es sind, die entlassen werden. Täglich gab es neue Informationen darüber. ...
Es gab einige, die jetzt schon vorzeitig entlassen wurden. Dadurch war die Spannung noch größer. Da ich meine Arbeit einschränkte, verlängerte sich die Zeit des Wartens, oft wollte der Tag überhaupt kein Ende nehmen.
Über alle möglichen Dinge habe ich nachgedacht, doch nichts war mir klar. Es war, als wenn ein dichter Nebel zwischen dem Zuchthaus und zu Hause war. Die Vorstellungen entschwanden, sie waren sehr undeutlich, und dennoch versuchte ich immer wieder, mir alles klar vorzustellen. Wie gesagt, der Monat September war ein nervenaufreibender Monat. ...
Weil im Oktober sich für mich noch nichts ereignet hatte, machte ich mit dem Warten Schluss. Ich gab mir einen Ruck und ging wie besessen an die Arbeit. ...
Ich hatte erfahren, dass alle Gefangenen, die unter die Amnestie fallen, bis zum 29. November entlassen sein sollten. Das würde bedeuten, noch vier Wochen, und ich würde es endgültig wissen, ob ich diesmal dabei bin. ...

Es war Anfang November, als an einem Vormittag der Wachtmeister zu mir in die Werkstatt kam und mich aufforderte, sofort mitzukommen. Er brachte mich ins Zellenhaus. Dort wurde ich vor dem ,Stem' in ein Zimmer geführt.
In diesem Zimmer war ein Offizier von der Stasi. Er forderte mich auf, Platz zu nehmen. Zur Einleitung des Gesprächs stellte er sich als ein Beamter des Innenministeriums vor, vom Dezernat der Zeugen Jehovas. ...
"Wie stehen Sie heute zu Ihrem Glauben?"
"Wenn ich über meinen Glauben weiter spreche, verstehen Sie ganz etwas anderes, als ich es verstehe."
"Nein, Sie können mit mir so sprechen, wie Sie mit einem Ihrer Glaubensbrüder sprechen würden. Ich lese alle Publikationen, die die Wachtturm-Gesellschaft veröffentlicht. Auch lese ich alle Briefe, darum kenne ich mich mehr aus als mancher Bruder von Ihnen. Ich weiß, dass Sie kein Spion oder Kriegshetzer sind. Das mussten wir der Öffentlichkeit so sagen. Sie haben eine Weltanschauung und wir haben eine Weltanschauung, doch da wir regieren, müssen Sie sitzen, aber das kann sich ja ändern.

Wir könnten doch auch nebeneinander bestehen. Doch dazu müssten auch die Veröffentlichungen von Ihnen objektiv sein."
Er legte einen Stapel von Zeitschriften, sowohl vom Wachtturm, als auch einige neuere Ausgaben der Zeitschrift Erwachet auf seinen Schreibtisch. Dann gab er mir eine Erwachet-Ausgabe und forderte mich auf, sie mal zu lesen. ...
Doch dann, als ich meine Gedanken beendet hatte, forderte er mich auf, den Artikel "Berlin eine geteilte Stadt" in der Erwachet-Ausgabe aufmerksam zu lesen ...
aber schon nach ein paar Minuten unterbrach er und erläuterte das Thema.
Sicher kannte er jede Passage auswendig.

Er sagte: "Ich muss zugeben, der Artikel stimmt, wenn gesagt wird: Im Westen der Stadt gibt es sehr viel Lichtreklame und die Schaufenster sind voll mit Angeboten, doch kommt der Besucher nach dem Ostteil der Stadt, dann sieht er leere Schaufenster, dafür aber viele Parolen auf Transparenten.
Alles ist soweit richtig, nur es ist nicht ganz objektiv. Im Artikel hätte auch stehen müssen, dass die Miete im Hansaviertel für eine zwei Zimmerwohnung 350 DM kostet, dagegen in der Stalinallee 75 Mark. Das wäre eine objektive Berichterstattung. Doch unter keinem Artikel steht der Name vom Verfasser, und da meine ich, wenn Sie nun nach West-Berlin entlassen werden, könnten Sie doch einmal mit den Glaubensbrüdern dort sprechen, dass solche Berichte auch objektiv verfasst werden.
Ich könnte mir vorstellen, dass wir uns von Zeit zu Zeit treffen und durch ein freimütiges Gespräch diese Dinge erörtern. Was meinen Sie dazu?

Nun wusste ich es, warum er die ganze Zeit so freundlich zu mir war.
Aber nun war ich an der Reihe. Was sollte ich zu ihm sagen? ...
In spätestens drei Wochen könnte ich zu Hause sein, aber durch dieses Gespräch könnte es auch noch ein Jahr länger dauern, wenn ich nicht nach seinem Willen antworten würde. Das musste ich mit in Kauf nehmen. Dabei waren die Spannungen auch so schon groß genug und natürlich der Wunsch, bald mit der Familie vereint zu sein. All das bestimmte das Denken und Handeln. ...."

Meines Erachtens ist der Kaven-Bericht durchaus exemplarisch.
Die näheren Angehörigen von Kaven waren in den Westen übergesiedelt. Daher war Kaven nicht zu einer Entlassung nach Ostdeutschland bereit.
Dieser Umstand an sich, war für das Ostdeutsche Regime kein prinzipieller Hinderungsgrund. Auch andere wurden in den Westen abgeschoben. Warum also nicht auch Kaven!?

Zum Metier keineswegs "nur" der Stasi (sondern auch westlicher Geheimdienste) gehört die Differenzierung zwischen Angeworbenen auf einer gewissen Überzeugungsbasis und "Herausgebrochenen". Meines Erachtens ist Kaven solch ein versuchter Fall des "Herausbrechens". Wie er denn tatsächlich handeln würde, befand er sich dann wieder in Westberlin, ist ja eine völlig andere Frage.
Jedenfalls unternahm die Stasi auch in seinem Fall, aktive Schritte ihn als IM zu rekrutierten. Darüber kann es keinen Zweifel geben.
Es wäre blauäugig zu wähnen, der Fall Kaven sei ein "Einzelfall" gewesen. Es gab mit Sicherheit noch ein paar mehr solcher "Einzelfälle" auch unter den genannten 57 von der 1960er Amnestie profitierenden!

Wer dieses "Spiel" so nicht mitspielte der konnte das erleben war etwa Günter Rosenbaum auf einer Veranstaltung in Bautzen des Jahres 1997 etwa mit den Worten beschrieb:

"Bautzen war für mich, obwohl ich arbeitsmäßig recht gut arbeiten konnte - ich war im Konstruktionsbüro - arbeitsmäßig nicht überlastet. Aber es war für mich die härteste Zeit. Nach 10 Jahren, fast 11 Jahren kriegen sie gesagt, amtlich gesagt,
"Sie gehen jetzt bei der Amnestie nach Hause, Sie sind dabei. Lassen Sie den Einkauf denen, die hier bleiben müssen."
Und an dem Tag, an dem die Amnestiezeit zu Ende war, hieß es am ersten Tag:
"Die jetzt noch hier sind, sind eine Entlassung nicht wert." Und das zweimal innerhalb eines Jahres. Und das war dann der Hammer für mich, da war ich einem Nervenzusammenbruch wirklich sehr nahe. Das war das Schlimmste, weil man sich das kaum vorstellen kann - für mich. ..."

Der Fall Rosenbaum ist auch noch in anderer Hinsicht exemplarisch.
Als Zeuge Jehovas ließ er sich erst nach 1945 taufen. Gleichwohl war seine Jugend schon Zeugen Jehovas spezifisch geprägt. Er musste es miterleben, dass sein Vater im Nazi-KZ ermordet wurde. Er der Junior wollte "schlauer" sein. Dieses "schlauer sein" äußerte sich dergestalt, dass er sich freiwillig zur Naziwehrmacht meldete (Marine). Sein Kalkül dann musse er dort ja erst mal ein paar Ausbildungskurse absolvieren und könne so "Zeit herausschinden".
Nachstehend zwei Details als Tonaufzeichnung (bezüglich unbefriedigender technischer Qualität wird um Nachsicht gebeten).

Rosenbaum Bautzen mp3

Rosenbaum Bautzen 2 mp3

Exkurs: Fallbeispiel "Steffen Schuster"

Beim lesen notiert: Der Pfarrer Uwe Koch hatte bereits im Jahre 1994 als Ko-Autor eine Publikation unter dem Titel: "Zähne hoch, Kopf zusammenbeissen" vorgelegt, die dem Thema Wehrdienstverweigerung in der DDR gewidmet ist. Auch Koch erwähnt, was auch andernorts belegt ist, dass ab etwa 1986 totalverweigernde Zeugen Jehovas in der DDR (in der Regel) nicht mehr staatlicherseits belangt wurden. Man berief sie einfach nicht mehr ein und ersparte sich so publicyträchtige Auseinandersetzungen mit der Westpresse. Offiziell gab es zu DDR-Zeiten darüber keinerlei Verlautbarungen. Das alles lief unter dem Firmenschild "geheime Verschlussache". Der DDR-Staat sah sich auf diversen anderen Feldern, genügend in die Defensive gedrängt und erlaubte sich diesergestalt eine "Entlastung".

Böse Zungen können es sich nicht verkneifen anzumerken. Analog wie es weiland schon Heinrich Himmler praktizierte, der da 1944 (erst 1944) glaubte "unerhört positive Eigenschaften" bei den Zeugen Jehovas zu entdecken, und der sogar bereit war, seine gesamte Zeugen Jehovas-Politik grundlegend zu revidieren, sofern ihm die Kriegslage noch den nötigen Spielraum dazu belasse. Letzteres war dann wohl doch nicht der Fall. Und so geht Himmlers später Vorstoß, eben als zu spät, in die Geschichte ein.

Kehren wir zu dem eingangs genannten Uwe Koch zurück. Auf der Webseite des "Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern" gibt es von ihm eine weitere Ausarbeitung zum Thema. Dortiger Titel: "Das Ministerium für Staatssicherheit, die Wehrdienstverweigerer der DDR und die Bausoldaten der Nationalen Volksarmee". Auch Online herunterladbar. Bezüglich Zeugen Jehovas teilt er darin nichts nennenswertes mit. Sein Blickfeld ist speziell die Evangelische Kirche und dort wiederum jene Kategorie, die da anstelle regulären Wehrdienstes, den auch möglichen sogenannten "Bausoldatendienst" ableistete. Auch vor Koch konnte man es vielleicht erahnen. Auch diese Gruppe wurde vom MfS gezielt mit ihren IM infiltriert. Nach der Lektüre von Koch's Ausführungen, ist dass nicht mehr bloß eine Ahnung, sondern eine Gewissheit!

Ein besonders makabres Fallbeispiel stellt Koch auch etwas näher vor. Ein Stasi-IM mit dem IM-Namen "Steffen Schuster". Sein Klarname findet sich dann auch noch in der Abhandlung. Aber belassen wir es mal beim IM-Namen. "Schuster" am 11. 9. 1966 geboren, erlernte den Beruf eines Kraftfahrzeugschlossers und übte ihn auch aus. Im Zusammenhang mit der Beschlagnahme pornografischer Schriften bei ihm, wird er von der Stasi zum IM erpresst und übt diese Tätigkeit zur Zufriedenheit seiner Stasi-Auftraggeber aus. Die lancieren es, dass "Schuster", inzwischen im Wehrdienstalter sich befindlich, sich für den Bausoldatendienst entscheidet. Auch die dortige IM-Tätigkeit fällt offenbar zur vollen Zufriedenheit seiner Stasi-Hintermänner aus. Sie haben weitere Pläne, bei denen "Schuster" voll mitspielt.

Noch während seiner Bausoldatenzeit bewirbt er sich bei der Berliner kirchlichen Ausbildungsstätte "Paulinium" darum, nach Beendigung seiner Bausoldatenzeit ein dortiges Studium zur Ausbildung als evangelischer Pfarrer aufzunehmen. Charakteristikum des "Paulinium" ist seit eh und je die Ausbildung kirchlichen Nachwuchsen, aus jenen Kreisen, die bereits einen anders gearteten bürgerlichen Beruf ausüben.
Das "Paulinium" geblendet davon, dass sich da wieder ein Bausoldat bewirbt, erteilt einen positiven Bescheid. Ab 1. 9. 1987 nimmt "Schuster" sein dortiges Studium auf. Einen Tag vorher unterzeichnet er noch einen Vertrag, der ihn zum hauptamtlich bezahlten Stasi-IM hochschraubt. Koch kann es sich nicht verkneifen anzumerken, dass die Stasi da dem Studenten in spee ein Gehalt zahlt, dass fast das doppelte von dem beträgt, was ausgebildete DDR-Pfarrer (jedenfalls zu DDR-Zeiten) bekamen.

Ein Blick auf die Jahreszahl 1987 macht deutlich, dass "Schuster" wohl sein dortiges Studium nicht mehr zum Abschluss gebracht haben dürfte, denn dem DDR-Staat waren keine fünf Jahre mehr vergönnt. Und auch der Fall "Schuster" wurde enttarnt.
So wie die Stasi also in Sachen Bausoldaten agierte, so agierte sie trotz, oder meinetwegen auch mit Hans-Hermann D., auch bei den Zeugen Jehovas.
Eine Aufdeckung allen relevanten dort, dürfte noch manche Überraschung bescheren!

Erhellend analog zum Fall "Steffen Schuster" ist auch jener Bericht in der seinerzeitigen Zeitschrift "Zwie-Gespräch"  welche eine einschlägige Stasi-Diplomarbeit referierte.

„Zwie-Gespräch" hatte in seiner Nr. 28/29 auch die sogenannte Diplomarbeit im vollen Wortlaut dokumentiert, die 1986 geschrieben wurde und deren Verfasser ein Major namens Hans-Peter Schulze war. Titel derselben: „Die zielgerichtete Entwicklung und Qualifizierung eines IM bei der Heranführung an den Leiter einer kirchlichen Gruppe in Verbindung mit der Vorbereitung des perspektivischen Einsatzes als hauptamtlicher Mitarbeiter der Kirche zur Verhinderung ihres Missbrauchs durch den Gegner."

Diese Arbeit nimmt auf die Evangelische Kirche Bezug. Dort wiederum auf die sogenannten Friedenskreise, die der Stasi ein Dorn im Auge waren. Es wird vermerkt (S. 33) dass die diesbezüglichen Ausführungen im Sinne einer Verallgemeinerung anzuwenden seien. Zu DDR-Zeiten konnten solche Arbeiten selbstredend nur die Stasiisten lesen.

Vermerkt wurde auch, dass die Stasi registrierte, dass diese Friedenskreise zunehmend in die Konspiration gingen (S. 36). Auch aus diesem Grunde suchte die Stasi ihre IM's dort einzuschleusen. Das große Problem für die Stasi war, wie man es anstellt, dass ihre Unterseeboote Kontakt zu den interessierenden kirchlichen Persönlichkeiten bekamen, ohne dass letztere misstrauisch wurden. In dem hier zur Verallgemeinerung offerierten Fall wurde dazu ausgeführt:

„Der IM besitzt eine feste Bindung zu seiner Freundin, die mit im eigenen Haushalt wohnt. Sie ist persönlich bekannt mit dem Leiter der „Inneren Mission", anderen Amtsträgern der evangelischen Kirche sowie mit dem Leiter der kirchlichen Gruppe. Ihre Beziehungen zum IM sind insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass sie sich bemüht, ihn für die Kirche zu gewinnen und in der Perspektive eine kirchliche Trauung anstrebt." (S. 41).

Aber nicht die genannte Freundin interessierte die Stasi in erster Linie. Es ging ihr hauptsächlich darum an den Leiter der Friedensgruppe direkt heranzukommen. Dazu wird in der genannten Arbeit ausgeführt:

„Bildete die Analyse des Operativ-Vorgangs eine weitere Grundlage zur Erarbeitung der operativen Kombination mit ihrem Kernstück, der operativen Legende. Im Mittelpunkt standen dabei die Persönlichkeitsmerkmale des Verdächtigen, um natürliche Bezugspunkte zwischen dem IM und ihm zu schaffen. Die Zielperson ist als Klempner bei einer Privatfirma beschäftigt. Im Kreis kirchlich gebundener Bürger ist bekannt, dass er nach der regulären Arbeitszeit kleinere Reparaturarbeiten in Wohnungen bei Bekannten und Verwandten durchführt. Dabei geht es ihm nicht vordergründig um einen zusätzlichen Gelderwerb. Das Motiv seines Handelns ist, Gleichgesinnten zu helfen.

In Kenntnis der Sachlage wurde mit dem IM beraten, welche eventuellen Klempnerarbeiten in seiner Wohnung erforderlich sind. Zur Verbesserung des Wohnkomforts schlug der IM vor, mit Hilfe des Verdächtigen sich einen Warmwasserboiler installieren zu lassen. Bei seinem Aufenthalt in der Wohnung des IM ergeben sich Möglichkeiten zu Gesprächsführungen im Sinne einer langfristig wirkenden Legende:

Der IM wird sich dem Verdächtigen gegenüber offenbaren, dass er die Absicht hat, den aktiven Wehrdienst mit der Waffe abzulehnen. In diesem Zusammenhang bittet er die Zielperson um Unterstützung. Konkret soll er ihn bei der Abfassung einer erforderlichen Erklärung gegenüber dem zuständigen Wehrkreiskommando sowie bei der Aneignung kirchlich motivierter Argumente unterstützen." (S. 42).

Weiter wurde in diesem Fall noch ausgeführt, dass der Betreffende eine kirchliche Arbeitsstelle noch anstrebte und auch aufnahm:

„Bei einer Arbeitsaufnahme in der Kirche ist zu beachten, dass neben persönlichen Verärgerungen im alten Betrieb die gleiche Legende mit zur Anwendung kommt wie bei seiner Entscheidung, Bausoldat zu werden. Hierbei sind die Verbindungen der Freundin zu kirchlichen Amtsträgern weiter zu nutzen, so dass der IM selbst nicht aktiv in Erscheinung tritt. … Der Dienst als Bausoldat ist Bestandteil langfristigen Entwicklung des IM, da er im Bereich der Baueinheiten der NVA mit weiteren feindlich-negativen Kräften in Verbindung kommt, die sich aufgrund ihrer kirchlichen Position oder Stellung für eine kirchliche Laufbahn des IM verwenden können. Darüber hinaus stellt die Tatsache der Wehrdienstverweigerung zum Dienst mit der Waffe ein bedeutsames Merkmal der 'Standhaftigkeit' im Sinne feindlich-negativer Kräfte der Kirche dar." (S. 45).

Als relevanter Kernpunkt wird in dieser Arbeit herausgearbeitet:

„Der Beginn der Tätigkeit des IM in der Kirche und die Einberufung zum aktiven Wehrdienst als Bausoldat trugen wesentlich dazu bei, dass er vom Verdächtigen als vollwertiges Mitglied der Kirche anerkannt wurde." (S. 49)

Diese Diplomarbeit schließt mit den Resümee:

„Bei der Durchführung der operativen Kombination zum Verdächtigen konnte die Erfahrung gewonnen werden, dass die Kontaktierungslegende nicht kirchlicher Natur sein muss (Installation eines Warmwasserboilers). Im Rahmen des sich entwickelnden persönlichen Gesprächs mit dem Verdächtigen konnte der IM seine Absicht äußern, den Wehrdienst mit der Waffe abzulehnen. Seine dabei vorgetragene 'Hilflosigkeit', unterstützt mit teilweise unklaren pazifistischen Motiven, rief das besondere Interesse der Vorgangs-Person hervor, und er sagte seine Unterstützung zu. Die vom Verdächtigen daraufhin ausgehenden Initiativen waren die Grundlage für das Zustandekommen eines für den weiteren IM-Einsatzes notwendigen Vertrauensverhältnisses. … „ (S. 52)

Exkurs: Einige Anmerkungen zum Fall Egon R.

Nun ist er also
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 17. Februar 2012 14:43
zurückgetreten - nach quälend langen Wochen.
Das fing dann wohl mal mit seinem Hauskredit zu günstigen Konditionen an, und setzte sich mit immer wieder neuen Details, subsumierbar auf den Begriff Vorteilsnahme fort.
Das Bauernopfer wurde gefunden und nun geschlachtet.
Andere die sich das Edikt Vorteilsnahme ebenso an ihre Brust heften könnten, atmen vielleicht etwas erleichtert auf. Es hat sie ja nicht getroffen.

Dann darf man bei alledem die Rolle eines landesweit bekannten Verlagshauses nicht übersehen.
Von diesem Verlagshaus hatte man - vor Beginn der Kampagne - selbiges nicht unbedingt erwartet.
So ändern sich manchmal die Spielregeln.

In katholischen Kreisen ist dann wohl das Bedauern besonders ausgeprägt, beförderte jener Herr doch auch die Geschäfte ihres Herrn Papstes (etwa mit dessen Auftritt im Bundestag).
Welches Etikett (der Religion) mag dann wohl sein Nachfolger an seinem Revers zu kleben haben?

Sollte es wieder ein Beförderer der Interessen des Herrn Papst sein, weis man nicht so recht.
Soll man über Komödien dieser Art nun lachen oder doch lieber weinen.

In einem früheren Kommentar wurde mit herausgearbeitet.
Das Schisma zwischen dem jetzt Geschassten und dem Landesbekannten Verlagshaus, begann zu dem Zeitpunkt, wo der jetzt Geschasste, nicht in die Fanfare Deutschnationalistischer Töne mit einstimmen wollte.

Es fragt sich, wer wird denn nun der jetzige „Königsmacher" sein?
Die etwaigen Bauchschmerzen der SED-Nachfolgepartei dürften doch wohl nicht entscheidend sein. Sollten sie es dennoch sein. Stellt sich die Frage. Kommt anstatt des Teufels der Beelzebub an die Macht?

Und man wird wohl etwas genauer hinsehen müssen, wie besagtes Verlagshaus sich verhält; und ob es ihm gar gelingt eine Deutschnationalistische Ikone ans Ruder zu bringen.
Ob dann der Regen beendet und nicht doch statt dessen die Traufe einsetzt, ist doch sehr wohl die Frage!

Siehe auch:
Weiteres zum Thema Gauck
„Wir werden uns noch wundern",
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 21. Februar 2012 08:17
meint kommentierend Herr Schorlemmer bezüglich des derzeitigen Standes im „Präsidentenkarussell".
Lese ich da einige weitere thematische Voten in der heutigen Ausgabe der „Berliner Zeitung", fallen mir auch solche Signalsätze ins Auge wie „Präsident der kalten Herzen".
Ein schon gestern im Internet publiziertes Foto, zeigte Herrn Gauck umrahmt von einem gewissen Herrn Maschmeyer, beide strahlend lächelnd in die Kamera schauend.
Gestern dachte ich, vielleicht eine Fotomontage, zumal der zugehörige Text suggerierte
„Die Party geht weiter".
Heute finde ich dasselbe Foto in genanntem Blatt wieder. Allerdings in dem Kontext, eben keine Fotomontage. (Kommentar siehe Herr Schorlemmer).

Ausgehend vom derzeitigen Stand, kann man wohl sagen.
Der Blick in die Details zeigt, es gibt Stimmen, die verdeutlichen, nicht jeder vermag auf der Euphoriewelle mitzuschwimmen.
Wie auch immer, was wären denn da so die „Alternativen". Auch da sieht es eher mau aus. Abgesehen, dass eine weitere Drehung des Kandidatenkarrussells wohl mit einer faktischen Staatskrise identisch wäre, können mich einige weitere da so gehandelte Kandidaten, mit überwiegend kirchlichem Background, auch nicht sonderlich überzeugen. Selbstredend hat den auch Gauck, dann aber wohl nicht im Sinne von „Stromlinienmäßig angepasst", was man einigen anderer dieser Kandidaten mit kirchlichem Background, sehr wohl unterstellen kann.

Bliebe nur zu hoffen, dass in zitierten, oder kritisierten Voten des Kandidaten, noch nicht das letzte Wort gesagt worden ist. Dass auch ein 72jähriger Kandidat noch lernfähig ist. Ansonsten werden wir uns, wie es Herr Schorlemmer sagte, in der Tat noch sehr wundern!

(Hinweis eine Direktverlinkung genannten Artikels im Internet habe ich nicht finden können. Ich beziehe mich also auf die Printausgabe).
Siehe auch:

www.derwesten.de/nachrichten/ungeheure-rhetorische-arroganz-id6384112.html

www.focus.de/politik/deutschland/wulff-unter-druck/tid-25093/pressestimmen-zum-kuenftigen-bundespraesidenten-viele-werden-sich-ueber-gauck-wundern_aid_716147.html

hpd.de/node/12929
Re: „Wir werden uns noch wundern",
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 22. Februar 2012 05:35
Die Meinung des Journalisten Burkhard Schröder (Piratenpartei) zum Thema Gauck auf seiner Blogseite gelesen:

Hier noch einmal mein Posting vom 21.06.2010:
Zum Thema "Bundespräsident Gauck" empfehle ich dieses aus der Wochenzeitung Freitag von vor zehn Jahren: "Charakterlump nannte man früher jemanden, der sich borniert, undankbar und selbstsüchtig gegen die wendet, die ihn einst förderten. Dabei hätte er allen Grund, zitternd zu schweigen; denn das Terpe-Dossier (siehe Freitag, 21.4.2000) ist für ihn voller Brisanz. Das hatte er mit Angstschweiß auf Stirn und Rücken bereits nach dem Abdruck der Akte in der "Welt" vom 23. April 1991 erkannt. Er musste befürchten, dass sich die Akte auch anderen erschloss. Doch West-Lesern blieb sie unzugänglich. (…) Stasi-Hauptmann Terpe war nach dem Gespräch davon überzeugt, Pastor Joachim Gauck bald als Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) in den Reihen des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR zu haben. (…) Der Einsatz von Gauck als IM war von der Stasi innerhalb einer überschaubaren Frist vorgesehen. Eine Kleinigkeit kam dazwischen: die Wende."
Dazu auch die Junge Welt vom 11.06.2010: "Der Inquisitor kandidiert" sowie noch einmal der Freitag vom 22.05.: "Joachim Gaucks totalitäre Aufklärung". Auch die
Zeit ist interessant: "Ex-Linke-Parteichef Lafontaine hat Vorwürfe gegen Joachim Gauck erhoben. Der Präsidentschaftskandidat soll in der DDR eine Vorzugsbehandlung der Stasi genossen haben." Auf der
Website seines Verlages über sein Buch "Winter im Sommer – Frühling im Herbst" kommt Gauck selbst zu Wort.
Update Meine Meinung gleicht der von
SPAM: "11 Prozent der Deutschen fürchten, dass es keinen Unterschied macht, ob nun Christian Wulff Bundespräsident wird oder ein lesbisches Eichhörnchen. In Wahrheit ist das die Wahrheit, aber auch das macht keinen Unterschied."

http://www.burks.de/burksblog/

Nun komme ich nicht ganz umhin, noch ein persönliches Votum zu dem zítierten von Schröder mit anzuhängen.
Zum ersten stelle ich mal grundsätzlich fest:
Auch Herr Schröder hat (vor 1989) eine Biographie regional im damaligen Westdeutschland.
Lese ich also solche Vorhalte, wie ein Stasi-Funktionär hoffte, auch Herrn Gauck alsbald ins Heer der Stasi-IM mit einreihen zu können, dann ist mir diese Aussage ohne detailliert beigefügte (am besten Aktengestützte) Detailbegründung, zu billig.
Aus eigenem Aktenstudium weis ich, auch fast alle höheren Zeugen Jehovas-Funktionäre in der DDR, wurden systematisch von der Stasi kontaktiert. Keinesfalls "nur" im Zusammenhang mit der letzten Stasi-Verhaftungsaktion von ZJ-Funktionären vom November 1965.
Sondern auch bei anderen Anlässen, die in der Regel von der Stasi initiiiert wurden.
Stellvertretend auch für andere Beispiele, verweise ich da auf die Stasi-Kontaktierung eines höheren ZJ-Funktionärs, Egon R. mit damaligen Wohnort in Groß Schauen, der übrigens später mit zu den Präsidiiums-Miltgliedern der "Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in der DDR" gehörte.
Da ich diese Akte auch auswerten konnte, steht für mich eindeutig fest. Die Stasi plante fest, den auch als IM anzuwerben.
Letztendlich aber erteilte der vorgenannte der Stasi dergestalt einen Korb, indem er die nicht enden wollenden Kontaktierungen seiner Person damit beendete, das er deutlich erklärte.
Er verlange einen amtlichen Haftbefehl. Bekomme er den nicht vorgelegt, lehne er jegliches weiteres Gespräch mit dem Stasi-Funktionär Oskar Herbrich (der ihn als IM anwerben wollte) ab.
Inwieweit die Sachlage im Fall Gauck anders ist, vermag ich definitiv nicht zu beurteilen.
Jedenfalls stelle ich mal fest:
Nur Stasi-Planungen als solche, sind noch kein rechtsgültiger Beweis!

Re: „Wir werden uns noch wundern",
geschrieben von: sebe
Datum: 22. Februar 2012 08:58
Mir gehen in diesem Zusammenhang paar Augen auf in Verbindung mit den ersten "Präsidenten" der neu gegründeteten "Religionsgemeinschft der Zeugen"
noch in der DDR-Wendezeit und Stasi-Bespitzelung.
Re: „Wir werden uns noch wundern",
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 22. Februar 2012 09:45

sebe
Mir gehen in diesem Zusammenhang paar Augen auf in Verbindung mit den ersten "Präsidenten" der neu gegründeteten "Religionsgemeinschft der Zeugen"
noch in der DDR-Wendezeit und Stasi-Bespitzelung.

Dann mag ergänzend nochmals zitiert werden, was in der Besprechung des auf seiner Dissertation beruhenden Buches von Gerald Hacke mit erwähnt wurde:

„Interessant für mich war die Detailangabe bei Hacke (S. 372f.), dass sich am 22. November 1989 der Stasimajor Oskar Herbrich, dort schon geraume Zeit für das Thema Zeugen Jehovas zuständig, mit zwei Funktionären der Zeugen Jehovas traf. Namen werden auch genannt. Der Herr Helmut Martin (danach erster Präsident der neu etablierten Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in der DDR), und ein Herr Helmut K... aus Berlin (über letzteren dürfte ja der Herr Thomas Pape, ein Webseitenbetreiber mit ZJ-Sozialisation vielleicht auch eine Meinung haben, die aber aus Gründen der Höflichkeit dann hier lieber nicht referiert sei). Und sollte er diese Meinung aus Opportunitätsgründen nicht mehr haben, so habe zumindest ich eine dazu. Und zwar die.

Wie ich in meiner WTG-Zeit zum Kurier auserkoren wurde, bekam ich als Pussel den Teil eine Ansichtskarte ausgehändigt, nebst Anschrift und Termin, wo ich denn jenes Pussel vorzulegen hätte. Und siehe da, die verschiedenen Pussel, die auch verschiedene Personen hatten, ergaben dann zusammengefügt jene komplette Karte.
Sinn der Veranstaltung, die Kontaktpersonen für die Kuriertätigkeit kennenzulernen.
Gerüchteweise konnte ich dann etwas später vernehmen; von einem Zeugen, mit dem ich via Kuriertätigkeit auch Kontakt hatte; und der eines Tages ungebetenen Stasibesuch erhielt, wobei man ihm drohte, man könne seine Geschäft (eine Schuhmacherei) dicht machen. Und in diesem Disput sollen die Stasi-Herren auch geprahlt haben, was sie denn so alles wissen. Unter anderem auch bezüglich meines Kurierpartes.

Jene Veranstaltung und ihre Teilnehmer, gelangten also auch zur Kenntnis der Stasi. Auf welchem Wege? Das als Vermutung, lasse ich mal unbeantwortet. Noch so ein bemerkenswertes Indiz. Auf der Rückfahrt von einer Kurierfahrt - ohne eigentlich erkennbaren Grund -, geriet ich in eine Verkehrskontrolle, die was ihre Gründlichkeit, namentlich was die Filzung der Behältnisse meines damaligen Motorrollers anbelangte, schon mehr als ungewöhnlich war. Eine Verkehrskontrolle mag man ja noch nachvollziehen können. Die ausgesprochen intensive Fahrzeugfilzung wohl etwas weniger. Wer das für "Zufall" halten wíll, mag es tun. Ich hatte eher einen anderen Eindruck. ...

Zu Herbrich zurückkehrend.
Thema; die nun auch für die Stasi als nicht länger verhinderbar erkannte Neuzulassung der Zeugen Jehovas, in der noch bestehenden DDR (nach dem DDR-Mauerfall).
Jene Zeugen Jehovas-Funktionäre, belehrten Herbrich.
Kommt es zu vertiefenden Gesprächen müsse und werde auch der Leiter des Ostbüros der WTG, Willi Pohl, dabei zugegen sein. Angesichts der tatsächlichen Lage blieb wohl Herbrich nichts anderes übrig, als "gute Miene" zum von ihm sicherlich nicht geschätzten Spiel zu machen. Er vereinbarte mit seinen Gesprächspartnern ein Folgetreffen für den 12. 12. 1989.
Nun überstürzten sich die Dinge aber dergestalt, dass auch der noch bestehenden DDR, ihre Stasi allmählich unheimlich wurde. Ergo entzog man Herbrich die "Lizenz" für weitere Verhandlungen, und delegierte die um (erstmals) auf das Amt für Kirchenfragen. ...

Es ist meines Erachtens erwiesene Tatsache.
Die Stasi kontaktierte a l l e höheren ZJ-Funktionäre (ohne Ausnahme) in Form auch persönlicher Gespräche (in der Regel von der Stasi initiiert).
Die Stasi beherrschte auch den generellen Geheimdienst-Grundsatz, fallweise auch das „Prinzip lange Leine" anzuwenden. Das heißt nicht unbedingt im zeitnahen Abstand Konsequenzen aus ihrem Wissensstand abzuleiten. Aufgeschoben war dann allerdings keinesfalls aufgehoben.
Was man allerdings nicht pauschalierend behaupten kann ist, wie und mit welchem Ergebnis jene Gespräche mit den ZJ-Funktionären letztendlich ausgingen.
Siehe auch das Beispiel Egon R.
Indes andere Beispiele etwa der des Hermann Laube und Co, gingen durchaus eindeutig aus.

Relativ eindeutig ausgegangen ist auch der Fall des bereits früher aus der Publizistik bekannten IM „Robert". Da wirkte namentlich der Stasi Grundsatz vor Erpressungen nicht zurück zu schrecken nachhaltig. IM Robert in höherer Position im Medizinbereich tätig, hatte fallweise was zu verlieren. Auf eine Degradierung wollte er es nicht ankommen lassen (was eine Konsequenz gewesen sein könnte).
Er wurde auch nicht „degradiert" dieweil er das Spiel der Stasi letztendlich mitspielte.
Nach außen weiterhin „treuer Zeuge Jehovas" und seine „zweite Persönlichkeit" gleichzeitig Informant der Stasi.
Der Fall IM Robert wird deshalb erwähnt, dieweil der Anschein bestand, der sei nicht aufgeklärt.
Er ist aber aufgeklärt!

http://27093.foren.mysnip.de/read.php?27094,42474,95518#msg-95518
 

Re: „Wir werden uns noch wundern",
geschrieben von: sebe
Datum: 22. Februar 2012 13:25
Mal sehen, was da noch so alles zur Öffentlichkeit gelangt oder auch unter der Decke gehalten wird?!
Re: „Wir werden uns noch wundern",
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 22. Februar 2012 14:24

sebe
Mal sehen, was da noch so alles zur Öffentlichkeit gelangt oder auch unter der Decke gehalten wird?!

Zum Ostdeutschen Regime gibt es nichts zu beschönigen.
Persönlich noch etwas mehr erschüttert hat mich in letzter Zeit allerdings ein Vorgang aus der Nazizeit.

Wie man weis kann man via Google-Büchersuche, sofern die Rechteinhaber mitspielen, auch bei einem gewissen Teil neuerer Bücher, etwas größere Textabschniite als wie nur kleine Snippets einsehen.
Unter diesem Gesichtspunkt erschien mir ein Buch relevant (auch nicht der „billigsten" Sorte). Basierend auf der Dissertation des Autors; Carsten Schreiber „Elite im Verborgenen").
Das dieweil man bei Gooogle eben nicht „alles" aus solchen Büchern zu Gesicht bekommt, habe ich mich für den Alternativweg der Ausleihe aus einer wissenschaftlichen Bibliothek entschieden; eben um jenes Buch in seiner Gesamtheit mal lesen und einschätzen zu können.
Die relevanten Erkenntnisse daraus sind in der Datei
HansMueller
mit eingearbeitet.

Erschüttert hat mich insbesondere das darin mit dokumentierte agieren, eines Vorläuferbeamten der Stasi zu Nazizeiten. Die nannte sich zu Nazizeiten zwar nicht Stasi, war es aber de facto.
Jener „Stasi"funktionäre zu Nazizeiten, wird auch mit seinem Klarnamen genannt Herbert Knorr.
Markant vielleicht jener Satz aus der Studie von Carsten Schreiber:

„Als 'Bruder in Christo Rudi' gelang es dem SS-Obersturmführer sich bei den Bibelforschern einzuschleichen und von Dresden aus gemeinsam mit seinem Agenten (Hans Müller) im Frühjahr 1940 einen vollständigen Vernichtungsschlag gegen die Organisation der 'Zeugen Jehovas' im ganzen Reich zu führen. ... Auch seine Ehefrau muss das falsche Spiel überzeugend mitgespielt haben, denn keiner der Gläubigen schöpfte Verdacht."

Re: „Wir werden uns noch wundern",
geschrieben von: sebe
Datum: 22. Februar 2012 17:48
Wenn man nun liest, das sich in der NS-Zeit die Zeugen gegenseitig ans Messer geliefert haben, relativiert sich die insbesondere in der Zeugeneigenen "Standhaft"-Ausstellung dargestellte Verfolgung!!!
Einige Stichpunkte in Sachen Egon R.
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 23. Februar 2012 09:13
Zugleich ein Lehrbeispiel für das Wirken der Mielke-Gestapo

Sommer 1961. Zeugen Jehovas halten in Hamburg eine Kongress-Veranstaltung ab (in die Geschichte eingegangen als „Hamburger Matschkongress").
Im Vorfeld jenes Kongresses wurde seitens der ZJ-Organisation massiver moralischer Druck ausgeübt, unbedingt bei diesem Kongressspektakel mit anwesend zu sein. Dieser Druck erfasste auch die Zeugen Jehovas im Bereich Ostdeutschland/Ostberlin. Ich kann mich auch noch persönlich an diesen Druck erinnern, der selbst vor Ungetauften nicht halt machte (was in meinem Falle mit Wohnort im damaligen Ostberlin zutreffend war).
Seitens der ZJ-Organisation wurde auch eine umfängliche Logistik organisiert, um Teilnehmer aus Ostdeutschland, via Abflug in Westberlin, nach Hamburg zu befördern. Schon dabei wurden seitens der ZJ-Organisation einige konspiratives Verhalten betreffende Anweisungen ausgegeben. Die Logistik die Ostdeutschen betreffend, sollte wie „am Schnürchen klappen" (vielleicht hat sie es auch), aber zugleich sollte jegliches öffentliches Aufsehen, namentlich die Ostdeutschen Kongress-Teilnehmer betreffend, vermieden werden.

Es ist unterstellbar. Im Vorfeld wussten westliche Geheimdienstkreise bereits Bescheid. Der Osten macht noch im Jahre 1961 „seinen Laden dicht" (Bau der Berliner Mauer). Zu denjenigen, die auf vertraulichem Wege darüber informiert wurden, gehörte auch die WTG-Organisation.

Bis einschließlich 1961 erfolgte die Anleitung der Ostdeutschen Zeugen Jehovas von Westberlin aus.
In Hamburg indes fanden nun für das Ostdeutsche Führungspersonal der Zeugen, zudem man ja via der Schiene Westberlin ohnehin schon Kontakte hatte, gesonderte (nicht öffentliche Besprechungen) statt. Tenor dieser Besprechungen.
Es wird erstmals eine eigene relativ selbstständige Organisationsleitung für den Bereich Ostdeutschland gebildet.
Zu ihrem Leiter wurde der Dresdner Werner L. erkoren. Selbiger schon mal in den 1950er ZJ-Schauprozessen zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt; später im Rahmen von Amnestien, jedoch früher entlassen.
L... praktizierte nun seinerseits „um nicht aufzufallen" weitere konspirative Grundsätze. Er nahm laut Unterstellung des DDR-Stasiblatt „Christliche Verantwortung" an Ostdeutschen Volkszählungen (genannt „Wahlen") mit teil. Somit konnte die Ostdeutsche Stasi bei solchen Volkszählungen keinen Anhaltspunkt vorfinden, dass auch Werner L. weiter den ZJ-Grundsatz der Nichtbeteiligung an Ostdeutschen „Volkszählungen" huldigen würde.

Nachdem die Ostdeutsche Mauer dann tatsächlich errichtet wurde, erhielt L... eines Tages Besuch, der sich mittels konspirativ vorbereiteter Erkennungsmerkmale auswies. Sein Besuch brachte im die definitive Mitteilung. Der Ernstfall ist eingetreten. Er habe nun, wie bereits in Hamburg besprochen, seine Aufgabe als jetziger Leiter der Zeugen Jehovas in Ostdeutschland wahrzunehmen.

Bereits etwa 1962 fing die Ostdeutsche Postkontrolle der Stasi (Abteilung M) Briefe mit chiffrierten Inhalt ab. Es wurde der Stasi alsbald deutlich, da wurde ein abgelegter Chiffrier-Modus westlicher Geheimdienste verwandt. Und es gelang der Stasi auch den zu entschlüsseln. Und im Ergebnis erschloss sich der Stasi der Umstand, dass sind die Zeugen Jehovas üblichen Predigtdienstdaten, aus Ostdeutschland, weitergeleitet an Deckadressen.

Ein Tag im November 1965 sollte dann unter den Zeugen Jehovas in Ostdeutschland in der Folge, Furcht und Schrecken verursachen. An jenem vorbereiteten Tage, traten im Gesamt-Ostdeutschland Stasi-Rollkommandos in der Zeugen Jehovas Angelegenheit in Aktion. Mit auf erstem Blick etwas „wirren Ergebnis". Einige der höheren Zeugen in Ostdeutschland, einschließlich Werner L. wurden verhaftet. Andere mit Tangierte, kamen mit einer Hausdurchsuchung und oder „nur" Zeugenschaftlichen Vernehmung davon.

Kalkül der Stasi, jetzt wird wohl bei den Zeugen das „Stühlerücken" angesagt sein. Die installieren sich doch sicherlich eine neue Leitung für den Bereich Ostdeutschland. Ziel der Stasi dabei, die tatsächlichen ZJ-Hardliner sollen bei dieser Neuformierung, möglichst im Geruch stehen, vielleicht gar selbst mit der Stasi zu kungeln. Und diejenigen die das tatsächlich taten, sollten als vermeintliche ZJ-Hardliner erscheinen.
Ob dieses Stasi-Kalkül wirklich in Vollendung so eintrat, mag man vielleicht bezweifeln. In einigen Fällen indes trat es so ein, wie von der Stasi-Regieplanung vorgesehen.

Im Zuge ihrer weiteren Ermittlungen gelang es dann der Stasi, eine relevante Verbindungslinie der Zeugen in die Tschechoslowakei, über die auch Geldausfuhr von Spendengeldern der Zeugen Jehovas und Einfuhr von einigen Exemplaren der neueren WTG-Literatur erfolgte, lahmzulegen.

Es wurde für die WTG-Organisation, nach diesem Schlag, zur Notwendigkeit, eine neue Verbindungslinie aufzubauen.
Wesentlicher Organisator im Ostdeutschen Bereich dabei war der Tischler Egon R. Es wurden zunehmend die Optionen des Transitverkehrs zwischen Westberlin und Westdeutschland, die eben durch Ostdeutsches Territorium führten, dabei genutzt. Und je länger je mehr wurden diese Verbindungslinien auch Volumenmäßig ausgeweitet. Sollte die Stasi also je gehofft haben, die Ostdeutschen Zeugen Jehovas, von der Versorgung mit neuerer WTG-Literatur abschneiden zu können, so ist dieses Stasi-Ziel als gründlich gescheitert zu bezeichnen.

Indes es wurde schon erwähnt, das „Stühlerücken" nach der Stasi-Aktion vom November 1965, beförderte auch einige Stasi-Zuträger an einflußreiche Stellen.
Sollte die WTG also gehofft haben, der Stand ihrer derzeitigen Neuorganisierung sei der Stasi verborgen geblieben, so war das auch eine fehlgeleitete Hoffnung.

Alsbald nahm die Stasi, aufgrund der ihr zugänglichen Informationen, auch besagten Tischler Egon R. in ihr Fadenkreuz. Man lies es sich angelegen sein, sein Wirken bei dieser Neuorganisierung minutiös zu dokumentieren.
Bis man eines Tages der Meinung war, jetzt haben wir genug dokumentiert, jetzt wird gehandelt.
Das sah dann so aus, dass eines Tages Herr Egon R. ungebetenen Besuch von der Stasi erhielt. Die Stasi-Herren hielten sich auch nicht lange bei der Vorrede auf, sondern legten Herrn R. Dokumente aus ihrer Dokumentensammlung, über sein Wirken vor. Sollten die Stasi-Herren nun gehofft haben. Der wird nun „vor Angst zusammenbrechen", trat genau das eben nicht ein.

Die Stasi Herren waren auch dergestalt nicht „zimperlich" als sie aufgrund ihrer Dokumentensammlung „OV Thüringer Wald" unverhohlen drohten. Man könne auch einige seiner westlichen Kontaktpersonen noch belangen. Man könne auch deren benutzte Fahrzeuge als „Tatwerkzeuge" noch beschlagnahmen. Man könne also noch einiges mehr für die Zeugen Jehovas Unangenehmes praktizieren. Das alles brauche man nur noch bei der Leitung des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR zu beantragen. Aber R. solle sich keine Illusion darüber machen. Es kommt so wie angedroht. Wenn es bisher vielleicht noch nicht in vollem Umfange eingetreten, dann sei das lediglich eine Formalie.
Aber auch das gab man Herrn R. zu verstehen. Er selbst habe es jetzt in der Hand, das vielleicht Schlimmere noch abzuwenden.
Man werde ihm erst mal eine gewisse Bedenkzeit zubilligen, und danach nochmals auf ihn zukommen.

Der nächste „Dienstauftrag" der Stasi an ihre eigenen IM in höheren Etagen der Ostdeutschen Zeugen Jehovas, lautete, festzustellen, wie reagiert denn nun der Egon R. nach diesem Zwangsgespräch? Eine Verhaftung habe man nicht vornehmen können, da Egon R. (von der WTG instruiert) konsequent jegliche Stellungnahme zu den Stasi-Vorhaltungen ablehnte. Er „bestätigte" also formal nicht, das was die Stasi wusste. Die Stasi konnte sich also nicht rühmen, er habe ein „Schuldbekenntnis-Protokoll" unterschrieben. Ergo wäre sie im Falle eines Gerichtsverfahrens genötigt, selbst die Beweise anzutreten. Da viele ihrer Beweise indes mit dem Stigma behaftet waren, offiziell nicht auswertbar, bestanden schon einige Schwierigkeiten für die Stasi.
Die Befragung ihrer IM ergab dann, Egon R. habe doch wohl noch nicht, die WTG auf dem konspirativen dafür vorgesehenen Wege - über jenes ihm da widerfahrenes informiert. Die Stasi wähnte aber, das hätte er doch eigentlich gemäß den WTG-Anweisungen tun müssen.
Diese zögerliche Haltung (ob tatsächlich eingetreten oder nur vermutet), inspirierte dann die Stasi dazu, man könne auch den Egon R. noch als Stasi-IM umdrehen.

Nun war es der Part des Stasi-Funktionär Oskar Herbrich, sein „Können" unter Beweis zu stellen, ob ihm dies auch tatsächlich gelingen werde. In den Akten ist jedenfalls schon mal ein entsprechender Vorgang über einen IM-Kandidaten vorhanden, der schon mal einen zünftigen Stasi-Namen als „IM Otto" zugeeignet bekam.
Zitat aus einer entsprechenden Stasi-Akte (Familienname hier redaktionell verkürzt).

„R..., Egon
wohnhaft Groß Schauen Tischler ...
R... wurde nicht mit in die Maßnahmen vom 23. 11. 1965 einbezogen. ...
Seit 1966 ist R als Kreisdiener für den Kreis ... verantwortlich und trägt den Decknamen
"Berthold" seit Januar 1969 ist er gleichzeitig amtierender Bezirksdiener für den Bezirk 2 und steuert dadurch 3 Kreise.
Er ist sogen. Unterweiser der "Königreichsdienstschule" tätig,
seit August 1968 ist er der Organisator der Aktion "Thüringer Wald" in der DDR
Seine Aufgaben löst mit einer großen Aktivität und Selbstsicherheit.
Von Seiten der Sekte und ihrer Funktionäre genießt er großes Vertrauen.
Durch seine Funktionen und Aktivität hat Kenntnis über die Tätigkeit des Leiters der Sekte,... Limbach-Oberfrohna die vorhandenen Bezirksdiener, deren Decknamen und Tätigkeit."

Nun also ließ es sich Herr Herbrich angelegen sein, Herr R. erneut zu kontaktieren. Dabei war sich Herbrich auch nicht zu schade, ihm förmlich aufzulauern, und ihm weitere „Gespräche" aufzunötigen.
Aber auch das muss Herbrich in seine Protokollierungen darüber eingestehen.
Der Egon R. glaubt offenbar (im Jahre 1970) fest an die 1975-Ententeichthesen der WTG. Er hat zu denen offenbar keinerlei kritische Vorbehalte.
Und just dieser Umstand, ist dann als der tatsächliche Grund des Mißerfolges von Herbrich zu bezeichnen.
Im „Kampf der Ideologien" gab besagter Egon R. der WTG eindeutig den Vorzug. Was immer der Stasifunktionär Herbrich da vortragen würde, es verpuffte resonanzlos.

So schnell indes wollte Herbrich, sein bereits verlorenes Spiel nicht aufgeben, und nahm daher einige weitere Dienstfahrten von Berlin nach Gross Schauen in Kauf.
Herr R. indes hatte um diese Gespräche nicht gebeten. Da aber der aufdringliche Herbrich nicht locker lassen wollte, endete diese Tragödie damit, dass Herr R. schließlich dem Herbrich erklärte. Er verlange die Vorlage eines amtlichen Haftbefehls. Ansonsten lehne er jegliches weiteres Gespräch ab.
Der Fall nahm somit einen eindeutigen Ausgang.

Trotzdem wurde auch Herr R. weiter in Stasiakten als „IM-Kandidat Otto" gehandelt. Über den Wert einer solchen Klassifizierung mag sich denn ja jeder so seinen eigenen Reim machen.

Exkurs: Anmerkung zur DDR-Ausgabe des Raymond Franz-Buches

Re: Wachtturmirritationen
geschrieben von: sebe
Datum: 02. März 2012 11:14
Für mich stellt sich folgende Frage: Warum hat die DDR überhaupt das Franz-Buch
in eigener Version übersetzt? Die Macher und der Dunstkreis der "CV" war doch überschaubar? War die damalige Schlussfolgerung folgende: Wer sich für dieses Buch interessiert (durch Mundpropaganda überhaupt davon wußte!) wurde eingestuft, den Zeugen kritisch gegenüber zustehen und somit gleichzeitig Futter für
Spitzel und Stasi zu sein? Mir geht nun wieder ein Licht auf, wieso noch heute hohe Zeugenfunktionäre bereits mit der Wende (oder auch schon zuvor) von der Existenz
und den Inhalt des Buches wußten.
Re: Wachtturmirritationen
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 02. März 2012 12:17
Meinerseits kann ich zu der Fragestellung nur ausführen.
Ich war bereits etliche Jahre vor dem Ende der DDR von der CV-Versandliste gestrichen worden. Ursächlich mache ich dafür auch eine Protest-Eingabe an den Staatsrat der DDR verantwortlich, in der ich mich über Blockaden gewünschter Archivstudien massiv beschwerte.
Und in dem Kontext wurde in dieser Eingabe (die selbstredend nicht für den offenen Markt bestimmt war) auch die CV einem massiven Zerriss unterworfen.
Die Antwort halt (unter anderem) ich bekam keine weiteren CV mehr zugesandt.

Da ich ohnehin einige Studienreisen zur Deutschen Bücherei Leipzig durchführte, habe ich mir die dann bei solchen Gelegenheiten weiter im dortigen Lesesaal angesehen.
Bereits etliche Jahre vorher, war ich auch Abonnement einer kirchlichen Publikation, mit dem Titel „Sektenkundliche Mitteilungen" (später umbenannt in „Religiöse Sondergemeinschaften") Und just im Jahre 1988 etwa, wurde darin offeriert, man könne sich dort das Franz-Buch ausleihen. Das habe ich dann auch wahrgenommen.
In der CV wurde zwar bereits - eher nebulös - über das Franz-Buch berichtet. Aber nicht in dem Sinne dass man etwa sagte. Interessenten können es bekommen.
Den definitiven Beweis für die Existenz des Buches hatte ich erst, als ich es dann vom „Konfessionskundlichen Arbeits- und Forschungswerk" dann tatsächlich ausgeliehen bekam.
In späteren Jahren nach dem Ende der DDR, gehörte die Sichtung von ebay-Angeboten mit zu meinem Standardprogramm. Und da habe ich es dann in der Tat auch noch als Privatexemplar erwerben können.
Inwieweit der Verkäufer Kontakt zur CV hatte oder nicht, war allerdings eine Frage, die in ebay-Gefilden keine Rolle spielt. Da wird lediglich bezahlt, bekommt man den Zuschlag für ein Angebot, und eben keine weiteren Fragen gestellt.
Ergo kann ich zu den Details jener Franz-Buchausgabe, auch nichts weiteres sagen.
Nur soviel. Das Buchimpressum entspricht schon mal nicht den gängigen Anforderungen.
Ein Verlag oder ähnliches ist nicht eingedruckt.
Statt dessen liest man dort nur:
„Im Selbstverlag hergestellt.
Nur zur persönlichen Verwendung"
Wer indes dieser „Selbstverlag" ist, wird schon nicht mehr schriftlich mitgeteilt.
Es pfeiffen zwar die Spatzen von den Dächern.
Eben die „Christliche Verantwortung" und Co. Nur eben ist diese Angabe im eigentlichen Buch nicht enthalten.
Eingedruckt ist eine ISBN-Angabe, die allen Kriterien der Hochstapelei entspricht. Und zwar die Original-ISBN der amerikanischen Ausgabe.
In dem Moment wo andernorts (also nicht in den USA) eine Übersetzung angefertigt und vertrieben wird, sind die Veranstalter selbiger keinesfalls dazu berechtigt einfach die ISBN der USA-Ausgabe zu verwenden.
Da wäre schon die Beantragung einer neuen ISBN vonnöten. Oder fallweise den Druck ohne ISBN-Angabe zu praktizieren.
Bemerkenswert auch noch der Umstand. Die Veranstalter jener Ausgabe haben der Deutschen Bücherei Leipzig auch kein Belegexemplar zugestellt, obwohl sie dazu gesetzlich verpflichtet gewesen wären.
Wenn heutzutage auch die Deutsche Bücherei Leipzig ein Exemplar dieser DDR-Ausgabe hat, dann habe ich persönlich einen gewissen Anteil, indem ich es ihr angeboten hatte, im Bewusstsein der Lückenschließung. Registriere ich solche Lücken-Literatur bei ebay dann pflege ich nicht „schläfrig" zu sein.
Re: Wachtturmirritationen
geschrieben von: sebe
Datum: 02. März 2012 12:36
Danke für die ausführliche Darstellung! Werde mich mal in Leipzig um die Ausleihe
bemühen.
Re: Wachtturmirritationen
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 02. März 2012 12:47
Leipzig:
Signatur: 2006 A 16613
Bereitstellung dort nur für den Lesesaal (Keine Außer-Haus-Leihe).
Das gehört mit zu den Grundsätzen der Deutschen Bücherei als Präzensbibliothek von Übernationaler Bedeutung.
Re: Wachtturmirritationen
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 02. März 2012 18:05
Um die DDR-Ausgabe des Franz-Buches zeitlich etwas näher zu lokalisieren. Im eigentlichen Buch fehlen solche Angaben.
In der Folge 48 vom November 1987 der „Religiösen Sondergemeinschaften" gab es auf Seite 17 den Hinweis:
„Neuanschaffung unserer Zentralbibliothek
Franz, R. „Krise des Gewissens".
Offenbar mit dieser genannten Nummer 48 gab es auch noch ein separates Begleitschreiben, in dem unter anderem zu lesen war:
„Potsdam 12. 11. 1987
Die Fachbibliothek mit mehr als 5000 Bänden steht interessierten Lesern zur Ausleihe (auch per Post) zur Verfügung."
Im weiteren Text wird darauf hingewiesen dafür werden aber auch Spenden erwartet, denn 50 % der Kosten jener Fachbibliothek müssten durch Spenden gedeckt werden.
Damit ist erst mal der Zeitrahmen eingegrenzt.
Also offenbar kurz vor November 1987 konnte das „Konfessionskundliche Arbeits- und Forschungswerk" den Zugang des Franz-Buches zu ihrer Bibliothek vermelden. Da auch ausdrücklich das Angebot gemacht wurde, Ausleihe auch per Post, hatte ich dieses Angebot dann in der Tat genutzt.

 

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