Große Brötchen

Als eher ungewöhnlich für "Wachtturm"-Verhältnisse muss ein Artikel in der Ausgabe vom 1. 9. 1961 angesehen werden, betitelt "Englands religiöse Minderheiten".
Er benennt da auch einige Gruppen, die auch ausgewiesenen Sachkennern eher unbekannt geblieben sind, mangels Masse. Und nicht selten liest man in der zugehörigen WT-Beschreibung dann auch Sätze wie die, bezogen auf eine Gruppe die als "Glasiten" bezeichnet wird:

"Da die Zahl der Glasiten beständig abnimmt, wird es für sie zufolge des Mangels an Ältesten immer schwieriger, ihre Kirchenangelegenheiten zu leiten. Was wird geschehen, wenn nur noch ein Ältester zurückbleibt. Niemand scheint das zu wissen."

Und nachdem der WT noch einige weitere Gruppen vorgestellt hat, wertet er dann:

"Mit nur wenig Ausnahmen nehmen die religiösen Minderheiten in England zahlenmäßig immer mehr ab. Viele sind nun am Erlöschen."

Und weiter in der Wertung des WT:

"Weshalb verlieren diese religiösen Minderheiten an Boden, kämpfen aber gegen ihr Erlöschen? Die Familientradition spielt dabei eine wichtige Rolle. Personen, die zu religiösen Minderheiten gehören, brüsten sich damit, anders zu sein als andere, und oft sind Glieder der eigenen Familie oder Verwandte Nachkommen des Gründers ihrer Bewegung.
Sie erzählen anfeuernde Berichte über die Standhaftigkeit ihres Urgroßvaters im neuen Glauben, und das an sich genügt ihnen schon, unerschütterlich dabei zu bleiben, Manche glauben aufrichtig, die Konfession des Vaters müsse auch die Konfession des Sohnes sein, ungeachtet, ob diese Anbetung die richtige ist oder nicht. Wenn Mitglieder solcher Sekten alt werden und sterben, werden sie gewöhnlich nicht durch Neubekehrte ersetzt, und oft beobachten die Führer selbstgefällig die erlöschenden Funken ihres geistigen Feuers und wärmen sich durch eine kurze Erweckungstätigkeit nur gelegentlich die Hände."

Für sich selber hat die WTG aus der Beschreibung dieser Sachlage die Konsequenz gezogen, zwei Stichworte seien für ihre Strategie wesensbestimmend.
Stichwort eins: Neubekehrte.
Stichwort zwei: starke Organisation.
Bereits William J. Schnell schätzte ein, etwa 75% der mit der WTG in Berührung gekommenen der Frühzeit, habe nach einer gewissen Zeit, wieder die Verbindung zu ihr (freiwillig oder auch unfreiwillig) gekappt.
Mag man zu der Schätzung von Schnell auch einwenden, diese Angabe sei aber nicht durch wissenschaftlich exakte Belege abgesichert. Schnell habe da eher seine "Bauchgefühl-Meinung" zu Papier gebracht, so drängt sich auch mir der Eindruck auf. So grundliegend "schief" liegt Schnell mit seinem Bauchgefühl dann wohl nicht.
Wie kaum eine andere Formation der Religionsindustrie, legt ja die WTG besonderen Wert auf die Konvertierung von Neubekehrten. Auch um den Preis, dass dafür ein Aufwand betrieben wird, der im Verhältnis zum Ertrag, unter Marktwirtschaftlichen Aspekten, dem Bereich des Wahnsinns zuortbar ist.
Im Hintergrund steht halt die Angst der WTG, es könne auch ihr einst so ergehen, wie den beschriebenen abnehmenden Gruppen in England.
Und diese Gefahr ist in der Tat real.

Wer kennt heutzutage noch näher die Gruppierung "Wahrheitsfreund" des Ewald Vorsteher im Deutschsprachigen Bereich?
Kaum einer, außer den sehr, sehr wenigen, die sich mit geschichtlichen Fragen näher und intensiv befassen.
Hätten zeitgenössische Konkurrenz-Kirchliche Kreise, besagten "Wahrheitsfreund" nicht über alle unverdiente Maße hochgejubelt, würde ja wohl auch unsereins nicht allzuviel über diesen Spinnerverein mehr wissen.
Wer kennt heute noch die Gruppen im Dresdner und Leipziger Raum, welche nach 1945 zum Auffangbecken für etliche mit der WTG Unzufriedene wurden? (Auch der ehemalige deutsche WTG-Fürst Balzereit landete dann ja in diesen Kreisen).
Nun kam sicherlich die unglückselige östliche Kirchenpolitik hinzu, die besagten Gruppen unter fadenscheinigen Vorwänden, ihre von der Sowjetischen Militäradministration erteilten Zulassungen wieder entzog.
Das aber muß auch in dem Kontext gesehen werden, der Probleme, welche um 1950 dem östlichen Regime die Zeugen Jehovas bereiteten.
Und alte und neue Kirchenpolitik-Nazis, egal ob nach 1933 oder nach 1945, kennen auf solcherlei Herausforderungen ja nur ein Patentrezept, und das heißt: Rasenmäher. Und der Rasenmäher mähte eben auch genannte Gruppen mit nieder.
Wer kennt heute noch - aus eigener Anschauung - etwa die von F.L.A. Freytag gegründete "Kirche des Reiches Gottes" ?
Sicherlich in der Schweiz - ihrem Stammland - besitzen sie wohl noch einige beachtliche Immobilien.
Aber welche Rolle spielen sie denn noch etwa in den Beobachtungsberichten von Konfessionskundlern, der Großkirchen? Was da relevant ist, wird von denen durchaus von Zeit zu Zeit mit erwähnt.
Die Freytag-Gruppe indes, haben auch diese Konfessionskundler schon lange, lange Zeit, auf dem Müllhaufen der Bedeutungslosigkeit einsortiert.
Wer kennt heute noch die Gruppierung um die "Christliche Warte" in Kirchlengern (Westfalen) aus eigener Anschauung?
Die ist ja ein Novum dergestalt, als in Schismen zur Rutherford-Zeit, es jener Gruppierung gelang, die materiellen Besitztümer zu behalten, und die WTG-Hörigen, in diesem einsamen Fall das Nachsehen hatten. Heute wäre eine Wiederholung dessen schon mal aus dem Grunde nicht möglich.
Gäbe es ein theoretisch denkbares Schisma, und 99 von Hundert würden dabei der WTG Ade sagen, so hätte der übriggebliebene Eine im Schulterschluss mit der WTG, weiter das Bestimmungsrecht über die Immobilie, welche jene Einhundert, in ihren gemeinsamen Tagen nutzten.
Schlichtweg der auf den WTG-Namen erfolgte Grundbuch-Eintrag, sorgt dafür.
Und nachdem die "Christliche Warte" nie die Kurve etwa ins Internet-Zeitalter gemeistert hat, und ihr Printorgan "Christliche Warte" (inhaltlich nie bedeutend), aber eben existierend ab 1949, eingeschlafen ist, dürfte auch in diesem Falle, das nicht mehr an sie erinnernde vorprogrammiert sein.
Nun hat es im Verfolg Bundesrepublikanischer Politik, auch die Zuwanderung von Personen, etwa aus Polen gegeben.
Hätte es diese Zuwanderung nicht gegeben, wäre wohl auch die Gruppe um den frühen WTG-Dissidenten Johnson, den Rutherford höchstpersönlich, aus dem WTG-Bethel herausschmiß, wohl auch hierzulande bereits unbekannt. Die "polnische Blutauffrischung" hat diese Tendenz allenfalls etwas hinausgezögert.
Ähnliches ist auch für die Stockkonservative Gruppe um den "Tagesanbruch" feststellbar.

A ja, da kommen dann noch die ganz Schlauen, welche registrieren, das mit der Fluktuation aus WTG-Gefilden geht aber weiter, auch in der Gegenwart.
Und Ober-Ober-Schlaue von diesen Ganz-Schlauen, wähnten dann.
Dann werden wir halt mal ein "Kettenspiel für Doofe" und ähnliche "Events" auf den Markt bringen, da der Markt doch sicherlich auf diese "Events" wartete. Vielleicht werden wir dann ja auch noch eine "starke" Organisation.
Nun ja, sagen wir es mal zurückhaltend mit dem Satz:
"Zuletzt stirbt wohl die Hoffnung".
Man kann selbstredend für sich die Hoffnung haben, geschichtliche Gesetzmäßigkeiten, doch noch aushebeln zu können.
Hoffen und Harren indes soll wohl so manchen schon zum N ... gehalten haben.
Der Traum einer "starken Organisation", es sei denn man wiederholt die WTG-Mechanismen, was wiederum zu Gegenkritik herausfordert, wird ein Traum bleiben.
Wer in dieser Gemengelage von "grossen Brötchen" träumt, die er unbedingt backen will, sollte sich schon mal fragen, ob er mit "kleinen Brötchen", nicht letztendlich besser bedient ist.

Exkurs:
Mögen diejenigen (Beispiele dafür wurden vorstehend genannt), die in konventioneller Art und Weise dem großen Zampano nachjapsen, der da alles "richten soll". In der Praxis indes nullkomma nichts bis nullnullkommakomma nichts "richtet" mittlerweile eher nicht mehr die vorrangig dominierenden sein.
Mögen statt dessen diejenigen im Aufwind sein, welche der Spruch eines Heinrich Heine weit bedeutungsvoller erscheint.

Ein neues Lied, ein besseres Lied, o Freunde, will ich euch dichten!
Wir wollen hier auf Erden schon das Himmelreich errichten.
Wir wollen auf Erden glücklich sein, und wollen nicht mehr darben.
Verschlemmen soll nicht der faule Bauch, was fleißige Hände erwarben.
Es wächst hienieden Brot genug für alle Menschenkinder, auch Rosen und Myrthen, Schönheit und Lust, und Zuckererbsen nicht minder.
Ja Zuckererbsen für jedermann, sobald die Schoten platzen!
Den Himmel überlassen wir den Engeln und den Spatzen.

Parsimony.3427

So kann dieser grundsätzliche Dissenz über eines nicht hinwegtäuschen.
Letztere These kann man ja durchaus dem historischen Freidenkertum zuordnen.
Unter variierten Namen gibt es selbiges in organisierter Form auch in der Gegenwart.
Wer sich die diesbezügliche "Szene" indes mal näher ansieht, kann auch dort registrieren, wie da "händeringend" nach Mitgliedern gesucht wird, und der "Erfolg", sofern man diese Vokabel überhaupt berechtigt verwenden kann, alles andere als "berauschend" ist.
Es ist keineswegs damit abgetan, dass man feststellt. Die konventionellen Kirchen verlieren Mitglieder. Bei näherem Hinsehen gilt das auch für politische Parteien.
Und auch die Zahl der Nichtwähler an Wahltagen, spricht da wohl Bände.

Allerdings gibt es auch Kreise, welche da wohl keineswegs zu den Nichtwählern gerechnet werden können.
Etwa die Kreise um die NPD, etwa die Kreise um die "Partei Bibeltreuer Christen" und ähnliche Beispiele.
Das wiederum kann man sehr wohl auch mit gemischten Gefühlen sehen.
Wie auch immer, lamentieren mit dem erhobenen Zeigefinger dürfte da nicht sonderlich weiterhelfen.
Was die PBC anbelangt, scheint die zu den diesjährigen Berliner Abgeordnetenhaus-Wahlen schon mal überhaupt nicht anzutreten. Die überwiegende Zahl der Berliner mag das ohnehin nicht als "Verlust" ansehen. Die 5% Klausel tut im übrigen ihren weiteren Teil dazu bei.
Ihre "Resonanz" in Berlin mag den eine Meldung auf ihrer Webseite, Landesverband Berlin verdeutlichen, die unter der Rubrik "Regelmäßige Veranstaltungen" verkündet:

"PBC-Gebet: jeden 3. Montag im Monat in Reinickendorf in privater Wohnung eines PBC-Mitgliedes ...Bitte vorher telefonisch ... melden."

In anderen Bunderländern indes mag es diesbezüglich noch anders aussehen.
Um auf die Freidenkerszene zurückzukommen. Dadurch das diejenigen nun auch nicht mehr viel bis nichts vom "großen Zampano" wissen wollen, bleiben diesen Kreisen keineswegs Konflikte erspart, die sie bei oberflächlicher Betrachtung, gerne den Kreisen des "großen Zampano" "nur" andichten möchten.
Die tatsächliche Wirklichkeit indes spricht eine andere Sprache.
Einige Beispiele nachfolgend.

Ein eher makabres Veranschaulichungsbeispiel, bietet auch der Blick auf die organisierte Freidenker-Szene zu Zeiten der Weimarer Republik.
Schon zu Kaisers Zeiten gab es ja solche Vereine. Die aber waren eher elitär ausgerichtet, etwa wie der Monistenbund (den heute auch kaum noch einer kennt). Vielfach sammelten sich in ihnen von Standesdünkel durchtränkte Persönlichkeiten, die da wähnten "was besseres" zu sein, und auf die sogenannten "Proleten" eher herablassend heruntersahen.
Damit erreichten sie schon mal, das sie "unter sich blieben". Eine Breitenwirkung verbauten sie sich schon mal damit vom Ansatz her.
Es soll nicht bestritten werden, dass auch der Monistenbund so manches "Steinchen" vor die Füße der Religionsindustrie warf, die, gäbe es nicht den flankierenden Schutz des kaiserlichen Staates für die Religionsindustrieen geeignet gewesen wären, zu "Stolpersteine" auszuarten.
Das "stolpern" indes verhinderte der kaiserliche Staat schon mal grundsätzlich, getreu dem Bismarck-Motto:
Die Religion müsse dem Volke erhalten bleiben. Zu allererst dem Volke.
Ein Grundsatz, welcher auch heutigen "Bismarck-Jüngern" noch in Fleisch und Blut übergegangen ist.

Dann kam der erste Weltkrieg, und siehe da, auch diese elitären Kreise fand man vielfach auf Seiten der Alldeutschen wieder. Deren Dogma ja unter anderem.
Für das deutsche Herrenvolk sei nur ein Siegfrieden denkbar. Da waren sie sogar mit breiten kirchlichen Kreisen einer Meinung.
Kirchliche Kreise, unter ihnen ein Herr Dibelius, später noch als Bischof bekannt geworden, pflegten einem im Jahre 1917 in der "Allgemeinen Evangelisch-lutherischen Kirchenzeitung" mit Ach und Krach abgedruckten Aufruf von fünf Berliner Pfarrern, welche für einen Verständigungsfrieden plädierten, auf ihre ganz spezielle Art und Weise zu kommentieren.
Jene Seite in der AELKZ, welchen diesen Aufruf erhielt, der zeilenmäßig mal sehr bescheiden war, ist damit ja noch nicht "ausgefüllt" gewesen. Und da hatte die Redaktion der AELKZ auch gleich die "richtige" Intention, was an Text auf jener Seite noch eingeräumt werden könnte.

Und da befand genannte Redaktion, der Geburtstag des Weltkriegsgenerals Hindenburg müsse doch angemessen gefeiert werden. Nicht nur in jenem Blatt, sondern eben auch in Natura. Letzteres geschehen in einer Kirche in Berlin-Schöneberg.
Und wie das mit Geburtsgskindern so nicht unüblich ist. Äußert das Geburtstagskind einen Wunsch bemüht man sich nach Kräften diesem nachzukommen.
Und siehe da auch Herr Hindenburg war um einen Geburtstagswunsch nicht verlegen.
Er wünschte sich, die Gottesdienstbesucher möchten doch im Anschluss an diese weihevolle Veranstaltung, Geld als Kriegsanleihe zeichnen.
Gesagt getan. Der Bericht der AELKZ kündet auch davon, unmittelbar nach Ende des Gottesdienstes eilten die Pfarrer jener Kirche (unter ihnen eben auch der Herr Dibelius) eilends in die Vorräume und präsentierten dort ihre vorbereiteten Listen zwecks Zeichnung von Kriegsanleihen. Und siehe da, das Gottesdienstbesucher-Publikum, lies sich auch nicht lumpen. Der Bericht redet davon, das da Beiträge zwischen zehn bis zehntausend Mark pro Zeichner, allein bei dieser Veranstaltung, eingetragen wurden.

http://books.google.de/books?ei=oTlNTvCCCYifOqj6wfEG&ct=result&id=HEQaAAAAMAAJ&dq=karl+hammer+kriegstheologie&q=Dibelius#search_anchor

Auch der nachfolgende "salbungsvolle" Erguss des Herrn Dibelius, ist noch dem Jahre 1917 zuortbar.

Da hatten jene anderen Pfarrer im Jahre 1917, welche zaghaft für einen Verständigungsfrieden plädierten, beim lesen der AELKZ, gleich die rechte Einstimmung, wie den die Amtskirche ihren zaghaften Versuch einstufte.
Der Fairness halber sei noch eingeräumt. Einen teilweisen Lernprozess absolvierte dann auch noch Herr Dibelius. Sein "Friede auf Erden" betiteltes Buch, zu Zeiten der Weimarer Republik erschienen, kündet davon.
Selbiges brachte dann noch zu Nazizeiten, den Obernazi Rosenberg dermaßen auf "die Palme", dass er in in einer apologetischen Schrift, wegen dieses Buches, Dibelius noch namentlich angriff. Was Rosenberg besonders ärgerte war der Umstand, dass in jenem Buche zaghaft angedeutet wurde, es könnte ja in einem weiteren Kriege, dann auch noch Wehrdienstverweigerer aus dem Bereich der Evangelischen Kirche geben (vielleicht, wenn Pfingsten, Ostern, Weihnachten auf einen Tag zusammenfallen).
Ergänzend wurde zum Fall Dibelius schon früher mal festgehalten:

"Der vermeintliche "Privatmann" Rosenberg verfügte über eine für die Kirchen bedrohliche Machtfülle. Das musste schon der damalige evangelische Generalsuperintendent Otto Dibelius, spätstens im Jahre 1937 erfahren.
Bereits als Detail-Vorabdruck aus der Rosenberg-Schrift "Protestantische Rompilger" (in der SS-Zeitschrift "Das Schwarze Korps"), fand sich darin Dibelius auch als namentlich Angegriffener wieder.
Der Nazi Rosenberg spießte darin besonders das Dibelius-Buch "Frieden auf Erden" (in Weimarer Republikzeiten erschienen) auf, worin Dibelius den Versuch unternahm, in der Wehrdienstfrage "Wasser nach beiden Seiten zu tragen".
Sowohl künftige Wehrdienstverweigerungen, als auch Militärdienst, hielt er nun für möglich.
Das war immerhin ein "Quantensprung" für seinesgleichen, denn die überwältigende Mehrheit seiner Funktionärskollegen zu Zeiten des ersten Weltkrieges, gehörten eher zu den auch in die "Schützengräben hineinpredigenden".
Das diese Traditionslinie nun durch Dibelius zumindest ansatzweise, zur Diskussion gestellt wurde, war für den Nazi Rosenberg offenbar "zuviel". Und so griff er diesbezüglich auch Dibelius in scharfen Wendungen, in seiner genannten Schrift mit an.
Dibelius seinerseits suchte sich mit einer gleichfalls 1937 erschienenen Schrift "Drei Randbemerkungen zu einem Kapitel Rosenberg" zu verteidigen.
Habe ich anderorts entlehnte Bemerkungen richtig verstanden, geriet diese Schrift dann wohl noch unter Naziverbot.
Gleichwohl erreichte zeitgenössisch, einige Exemplar davon das wissenschaftliche Bibliothekswesen; und auch im Antiquariats- Buchhandel, ist sie noch heute nachweisbar. Sie ist demzufolge nicht "total verschollen".
Da Dibelius ja bereits in seinem "Frieden auf Erden" das Prinzip "Wassertragen nach beiden Seiten" praktiziert hatte, war es ihm auch möglich zu belegen, dass er keinesfalls der Fürsprecher totaler Wehrdienstverweigerung sei, als der ihn Rosenberg hinstellen wollte.
Aber er setzt noch einen anderen Akzent in dieser Verteidigungsschrift.
Rosenberg bezichtigte die Kirchen auch, gegenüber dem "Bolschewismus" versagt zu haben, und der Nazismus sei eben der "Retter vor dem Bolschewismus".
Da verteidigt sich nun Dibelius dergestalt, dass er zwar keine Widerlegungs-Zitate aus "Frieden auf Erden" beibringen konnte. Wohl aber Hinweise darauf, wie auch er auf Kirchentagen etwa, bereits gegen den Bolschewismus Stellung genommen hatte."

Vorstehende Dibelius-Episode von 1917 spielte sich zwar in einer Kirche ab.
Indes kann behauptet werden, das handelnde Personal hätte sich ebenso gut aus dem Monistenbund zusammensetzen können.

Nun wurde das aber nichts mit dem in der Sicht dieser Kreise einzig möglichen "Siegfrieden".
Die Nach-Weltkriegszeit glich daher in vielerlei Hinsicht einem brodelnd revolutionären Kessel.
Eine Folgewirkung, Freidenkertum blieb nicht nur auf elitäre Kreise beschränkt. Auch die verachteten "Proleten" nahmen zusehend diesen Impetus auf.
Ein diesbezüglicher (nunmehr selbstständiger) Freidenkerverband soll 1920 schon 60.000 Mitglieder gehabt haben. Da konnten die elitären Herren vom Monistenbund, angesichts solcher Zahlen, schon mal vor Neid erblassen.

Ein Verband wirft auch Funktionärsposten ab. Darauf waren und sind ja einige Herrschaften sei eh und je besonders scharf.

Aber o weh, dass Missgeschick naht in Deutschland in Form der herannahenden Inflation. Letztere vernichtete ja erhebliche Werte.

Und auch die neuen Verbandsfunktionäre mussten hart mit dieser Sachlage kämpfen.
Da kam ihnen der rettende Einfall.
Ein zweites Standbein müsse her. Gesagt - getan. Ergo wurde aus dem Freidenkerverband nunmehr ein Verband für Freidenker und Feuerbestattung.
Solch einen Feuerbestattungsverein gab es zwar vordem schon, namentlich in Berlin (wohl seit 1905). Der indes dümpelte in der Bedeutngslosigkeit so vor sich hin.
Einen wesentlichen Schub erfuhr die Freidenkerszene durch die Einführung von Kirchensteuern, zum Anfang der Weimarer Republik. Als Aquivalent dass die Kirchen nun keine Staatskirchen mehr sein sollten, wurden ihnen diese Steuern zugebilligt. Das hat dann so manchen aufwachen lassen, der sich dann seine nicht mehr Kirchenfrommen Gedanken zu dieser neuen Steuer machte. Profitieren tat davon ohne Zweifel die Freidenkerszene. Und auch der Feuerbestattungsverein wurde damit vom Nischendasein, zusehends ins Rampenlicht katapultiert.
An unsterblichen Seelen glauben Freidenker ohnehin nicht; ergo haben sie auch keine prinzipiellen Berührungsängste gegenüber der Feuerbestattung.
Wie das so mit dem Ende ist, auch dem eigenen, daran denkt wohl niemand gern. Aber in der Sicht der großen Masse jenes Verbandes, lag die Einlösung diesbezüglicher Policen für den Bedarfsfall, ohnehin in einer späteren Zukunft. Und siehe da, bis dahin kamen erkleckliche Summen, nicht zuletzt via des genannten zweiten Standbeines zusammen.

Zitat aus einer thematischen Studie von Jochen-Christoph Kaiser:

"Der VFF verdankte seine stürmische Entwicklung bis 1930 nicht dem politischen Atheismus, sondern allein der Attraktiviät seiner Konkurrenzlos günstigen Versicherungsbedingungen."

http://books.google.de/books?ei=ditNToLxIPL74QTQ38TIBw&ct=result&id=6HGyAAAAIAAJ&dq=jochen+christoph+kaiser&q=Konkurrenzlos+g%C3%BCnstigen+Versicherungsbedingungen

Aber wie gesagt, es gab auch die Inflation.Und in rückblickender Betrachtung konstatieren Kahl/Wernig in ihrer Freidenkerstudie. Jene Inflation vernichtete auch die bis dahin angesammelten Geldbeträge der Feuerbestattungskasse. Indes vergleicht man die Vermögenszahlen, welche da für jenen Verband zum Ende der Weimarer Republik genannt werden, hat man sich dann doch wohl finanziell prächtigst wieder erholt.

Die Kirchen konnten sich indirekt auch freuen. Jener Verband war ja so mit seiner Feuerbestattung beschäftigt, dass er für seine Ursprungsanliegen, der Religionskritik, kaum noch Muße und Zeit hatte, und diesbezüglich zum zahnlosen Tiger mutierte.
Namentlich eher kommunistisch orientierte Kreise spielten dieses Spiel dann allerdings, auf Dauer nicht mit. Sie separierten sich deshalb vom VFF. Aber das war schon eher zum Ende der Weimarer Republik, zeitlich eingeordnet.

Da ein Herr Hitler ja lauthals hinausposaunt hat, er vertrete "positives Christentum" das aber bewusst schwammig, so das sowohl ein Rosenberg, als auch die Nazi-"Deutsche Christen", diese Floskel ohne praktischen Wert, vor sich her tragen konnten.
Da also ein Herr Hitler, auch ansonsten als "Aufräumer" in die Geschichte eingegangen, das er von dieser Position aus, mit organisiertem Freidenkertum nichts am Hut haben konnte, lag ja wohl offen zutage. Und so ist es denn auch abgelaufen. Folgerichtig wurden auch die Freidenkerverbände nach 1933 eliminiert. Aufs eliminieren verstanden sich die Nazis ja ohnehin allerprächtigst.
Nur, mit dem VFF hatten sie dann eine Nuss zu knacken, die ihnen wohl auch einige Kopfschmerzen bereitete. Das war eben deren Hauptgeschäftszweig, die Feuerbestattung.

Die Nazis fanden eine salomonische Lösung. Die Berliner Freidenkerzentrale in der Gneisenaustr. blieb weiter bestehen. Allerdings mit der Maßgabe nurmehr für nur noch rein wirtschaftliche Aspekte, sprich die Feuerbestattung, zuständig zu sein. Untersagt war ihnen jedoch jegliche Begünstigung des vorherigen Freidenkertums, mit dem sie einstmals organisatorisch verbunden war.
Und so konnte die Welt das eher seltene Schauspiel bewundern, wie im Nazi-Eliminierungsstaat, ein potentieller Mit-Eliminierungskandidat, als zahnloser Tiger, sein Dasein weiter fristen durfte.

Insbesondere dem Freidenker-Funktionär Max Sievers, gelang es dann zu Beginn der Naziära zu emigrieren. Mehr noch, über beachtliche Vermögenswerte auch in der Emigrationszeit zu verfügen. Darüber waren die Nazis nun alles andere als "erfreut". Seine Emigration hätten sie ja vielleicht zähneknirschend noch hingenommen. Das er ihnen aber auch noch wesentliche Vermögennsbestandteile entzogen hatte, das verziehen sie nicht. Und in späteren Jahren gelang es den Nazis dann auch noch Sievers habhaft zu werden und zu ermorden. Was sie damit aber immer noch nicht erreicht hatten, war der Umstand, jene Vermögenswerte, die Sievers ins Ausland geschafft hatte, auch in ihre Gewalt zu bringen.
Und so nahm die Geschichte noch eine Fortsetzung nach 1945.

1956 verbot der BRD-Staat die KPD. Eine Folge auch, die finanziell staatlich subventionierten Westberliner Freidenker, machten sich organisatorisch selbstständig. Traditionell im SPD-Milieu angesiedelt, wollten sie nunmehr mit den Westdeutschen Freidenkern nichts mehr organisatorisch zu tun haben, da letztere im Geruch standen, KPD-nah zu sein.
Besonders nachdem Sievers Tochter Margarete Krause (geb. Sievers) 1991 verstorben war, gab es dann zwischen den Westberliner und Westdeutschen Verband noch ein Hickhack, wer denn nun der rechtmäßige Erbe sei. Und vor allem, wie man denn nun an diese Gelder "endlich" herankommen könne.
Einige Justizpossen künden dann noch von diesem Hickhack.
Zitat aus einem thematischen Vortrag, der allerdings nur die Oberfläche streift:

"Und bundesdeutsche Gerichte sprachen das von den Nazis enteignete Vermögen des DFV nicht dem wiedergegründeten Verband sondern jener Versicherung zu, die von der Enteignung profitiert hatte. ...
Nach dem Reichstagsbrand in "Schutzhaft" emigriert Sievers sofort nach seiner Freilassung, organisiert von Saarbrücken, nach dem Beitritt des Saarlands zum Reich dann aus Belgien Widerstand gegen das NS-Regime. Dabei hilfreich ist die Tatsache, dass er Teile des Verbandvermögens in weiser Voraussicht bereits vor dem Machtantritt der Nazis ins Ausland geschafft hatte."

www.hvd-berlin.de/aktuelles/max-sievers-großer-unbekannter

"Am 17. März (1933) stürmen SA-Horden die Zentrale des DFV in Berlin-Kreuzberg, Gneisenaustr. 41. Die Verwaltung des geraubten Verbandsvermögens wird unter Nazi-Treuhandschaft gestellt, die Mitarbeiter entlassen. Ab dem 20. Juli wird die Bestattungskasse als "Neue Deutsche Bestattungskasse" weitergeführt. ... Aus dem Saargebiet organisierte Sievers 1933-1935 die Herausgabe des "Freidenker" und dessen illegalen Vertrieb nach Deutschland. Die Herausgabe finanzierte er aus dem, vor den Nazis geretteten Teil des DFV-Verbandsvermögens. Das Verbandsvermögen belief sich 1933 auf ca. 5,5 Millionen RM, das von den Nazis geraubt wurde. Rund 700.000 RM konnten von Sievers gerettet werden und wurden in der Schweiz und den USA angelegt. ...
Die Tochter Margarethe: "1940 ist mein Vater aus dem Exil in den USA noch einmal nach Belgien zurückgekehrt. Seine Schwiegermutter lag im Sterben und seine Frau wollte sie noch einmal sehen. Und dann kamen sie nicht mehr zurück in die USA. Das war sein Schicksal. Dann marschierten die Deutschen in Belgien ein, .... Mein Vater musste nach Nordfrankreich fliehen. ...
Im Exil in Belgien hat meine Mutter Angorakaninchen gezüchtet, aus der Wolle hat sie Sachen gestickt, das haben sie verkauft und davon gelebt in Belgien, denn sie hatten ja kein Geld. An seine Konten konnte er ja nicht 'ran, er hat ja anonym gelebt.

Die beiden hielten sich mit landwirtschaftlichen Gelegenheitsarbeiten und Kaninchenzucht über Wasser. Über einen Verwandten versuchten sie Geld aus der Schweiz zu beschaffen. Doch der Bote wurde verhaftet und gezwungen seine Auftraggeber preiszugeben. So wurde Sievers am 3. Juni 1943 wurde enttarnt und verhaftet. ..."

jestrabek.homepage.t-online.de/sievers.htm

Der von Sievers vorgenommene Geldtransfer erfolgte aber meines Erachtens schon zu Zeiten der Weimarer Republik. Zur eigentlichen Nazizeit wäre er schon mal nicht mehr möglich gewesen.
Nun kann man spekulieren, was für ein "heller Kopf" der Sievers doch war, das er im voraus ahnte, und reagierte, wie das mit dem Naziregime wohl so kommen würde. Dann muss er aber eine bemerkenswerte Ausnahme von der Regel gewesen sein. Andere gaben sich noch der Illusion hin, das Hitlerregime werde ohnehin bald abgewirtschaftet haben, bzw. noch andere, sie könnten jenes Regime, in der Form als Koalitionsregierung, so "zähmen", dass sie die Strippenzieher seien und die Nazis die "Marionetten".
Die Wirklichkeit indes kündete von anderen Konstellationen.

War denn nun jener Geldtransfer zu Weimarer Republikzeiten, im größeren Verbandsrahmen abgesprochen? Das wäre dann die wohlwollende Interpretation.
Die Nicht wohlwollende indes besagt, da hat ein Funktionär in selbstherrlicher Weise Gelder beiseite geschafft. Nicht unbedingt im Einverständnis mit anderen aus seinem Verband, welche auch was zu sagen hatten (sofern sie denn was "zu sagen gehabt haben sollten", was eher dem Bereich des Unwahrscheinlichen zuortbar ist).

Kahl/Wernig meinen in ihrer Freidenkerstudie werten zu können

"Doch dem ersten Vorsitzenden des Verbandes, Max Sievers, gelang es immerhin, nachdem die Gestapo ihn verhaftet und dann nach drei Wochen überraschend wieder auf freien Fuß gesetzt hatte, zusammen mit dem Generalsekretär Hermann Graul, Ende April 1933 ins Ausland zu fliehen; dabei entzogen sie auf Beschluß des Vorstandes einen Teil des greifbaren Vermögens dem Zugriff der Nazis."

Das ordnet sich dann ein in den Kontext der wohlwollenden Interpretation. Belege indes, die jene wohlwollende Interpretation stützen würden, dass die Geldbeträge erst zu Nazizeiten beiseite geschafft wurden, werden nicht geliefert.

Was die einschlägige Szene, außerhalb des elitären Monistenverband anbelangt, fasste sie Heinz Pepperle in seiner Diss. mal wie folgt zusammen:
Es "gab K(onrad) Beißwanger seit 1905 die Zeitschrift "Der Atheist" heraus und (es) war 1908 in Eisenach der Zentralverband proletarischer Freidenker gegründet worden.
Anfangs war dieser Verband, mit vielen Schwächen behaftet, kaum 800 Mitglieder stark. Nach dem Ende des Krieges wuchs jedoch die Bewegung sprunghaft an, nicht zuletzt deshalb, weil nunmehr die Sozialdemokratie alle Prinzipien verraten hatte und durch die Koalitionspolitik mit dem klerikalen Zentrum auch bereits Massen nicht unbedingt kommunistisch eingestellter Arbeiter gegen sich aufbrachte.
1922 hatte "Der Atheist" schon eine Auflage von 40.000 und 1924 von 80.000 erreicht, während die Mitgliederzahl der "Gemeinschaft proletarischer Freidenker" nach dem Anschluß des "Vereins der Freidenker für Feuerbestattung" (dem die konsequenten Freidenker allerdings oft als bloßen "Begräbnisverein" bezeichneten) rund eine halbe Million betrug."

Funktionär besagten "Begräbnisvereins" war halt der Herr Sievers.
Die Vokabel "Begräbnisverein" kann dabei durchaus doppeldeutig interpretiert werden.
Eine "Begräbnisform" dabei auch die, einem "furchterregenden Tiger" sämtliche Zähne zu ziehen.
Aus der im Zeitungsformat seit 1925 erscheinenden Verbandszeitschrift "Der Freidenker" seien denn mal zwei spezielle Meldungen herausgepickt.
In der Ausgabe vom 1. Januar 1930 konnte man lesen:

"Am 19. Januar findet im Rahmen der Veranstaltungen der Berliner Funkstunde erstmalig eine Freidenker-Morgenfeier statt. Weitere Feiern dieser Art werden in gewissen Zeitabständen folgen. Am 30 Januar abends spricht Gen. Max Sievers über das Thema: "Weltanschauliche Betrachtungen eines Freidenkers."

Die Letzte Ausgabe besagten "Freidenkers" die erscheinen konnte (auf Grund der politischen Rahmenbedingungen) war wohl die vom 16. 3. 1933. Immerhin wird sie mit einer Auflagenzahl von 432.000 Exemplaren ausgewiesen.
Und vielleicht nicht ganz unpassend, lässt "Fürst" Sievers noch in der Ausgabe vom 1. 10. 1932 ein Bild von sich abdrucken.
Was nun jene Radiosendungen anbelangt, erinnert man sich. Auch den Bibelforscher/Zeugen Jehovas, gelang es - einmalig - eine Sendung mit ähnlichen Titel ("Eines Bibelforschers Weltanschauung") ausstrahlen zu lassen. Einmal - und danach nie wieder.
Es würde überhaupt nicht verwundern, sollte es im Falle des "Freidenker" ähnlich abgelaufen sein.
Die zweite Meldung in jenem Blatt, die nicht vorenthalten sei, konnte man in der Ausgabe vom 1. 9. 1931 lesen.
Da wurde berichtet:

"Da lebt in San Diego (Kalifornien, USA) ein Richter Joseph Frederick Rutherford, Präsident der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung und Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft. Dieser Mann, wohlbemerkt ein Richter, vermachte im März vorigen Jahres sein Haus, zwei Automobile und die Garage . dem König der Juden David und anderen alttestamentlichen Gestalten wie Gideon, Samson usw.
Ich habe absichtlich Palmen- und Olivenbäume um das Haus gepflanzt, damit sich diese Himmelfürsten, wenn sie binnen kurzer Zeit wieder auf der Erde erscheinen, vollkommen zu Hause fühlen sollen", sagte der Richter ..."

http://www.tj-encyclopedie.org/Beth-Sarim
Die Beth-Sarim-Story auf französisch.
Die Google-Übersetzungsvariante:
http://translate.google.de/translate?js=n&prev=_t&hl=de&ie=UTF-8&layout=2&eotf=1&sl=fr&tl=de&u=http%3A%2F%2Fwww.tj-encyclopedie.org%2FBeth-Sarim

Nun ist allerdings nicht überliefert, welche Emotionen, den auch "Fürsten" Sievers, bei der Aufnahme jener Meldung in sein Blatt, bewegt haben. Sollte es Neid gewesen sein, es noch nicht ganz soweit gebracht zu haben ...
Die Frage soll und muss unbeantwortet bleiben.
Ausdrücklich eingeräumt sei auch, dass Sievers im Exil dann die Zeitung "Freies Deutschland" gründete. Nur, wie es dann tatsächlich gekommen ist, war wohl zu Weimarer Republikszeiten, so noch nicht voraussehbar.
Auch SPD-Kreise gründeten in Prag dann den "Neuen Vorwärts", woran wohl mehrere beteiligt waren. Im Falle Sievers war es dann wohl eher ein Einzel-Unternehmen.
Es ist sicherlich wahr, zwischen zeitgenössischen Sozialdemokraten (zu denen auch Sievers zählte) und zeitgenössischen kommunistischen Kreisen, klaffte ein abgrundtiefer Spalt.

Namentlich die kommunistische Demagogie, die Sozialdemokraten als "Sozialfaschisten" zu titulieren ging da zu weit, entschieden zu weit, und war letztendlich äußerst kontraproduktiv.
Es wurde schon angedeutet. Der Verband des Herrn Sievers blieb nicht der einzigste am "Markt". Die kommunistischen Kreise separierten sich. Da wiederum ist es nicht uninteressant mal einen Blick in die Konkurrenzorgane der Freidenker-Szene zu tun, welche unter kommunistischen Einfluss standen.

Eines dieser Organe nannte sich bis Anfang 1930 "Der proletarische Freidenker". Dann, ab März 1930 wurde jenes Blatt in "Proletarische Freidenkerstimme" umbenannt.
Was soll's mag man meinen. Namensveränderungen gibt es halt.
Ein etwas anderes Gesicht bekommt diese Sachlage indes, wenn man die Begründung zur Kenntnis nimmt, die jenes Blatt anführte, weshalb es sich denn nun umbenannt habe.
Und dazu kann man auf der Seite 1 der Märzausgabe 1930, den folgenden Text lesen:

"Beschlagnahmt und verboten
hat die sozialfaschistische Bürokratie des Sievers-Verbandes mit Hilfe der Klassenjustiz durch einstweilige Verfügung den Titel "Der proletarische Freidenker", um uns unseres Sprachrohrs an die Massen der revolutionären Freidenker zu berauben. Die Herren in der Gneisenaustraße schützen vor, daß unser Organ mit dem "Freidenker" sehr leicht zu verwechseln ist. Das ist eine Behauptung, die die Sievers wohl dem Klassengericht, niemals aber den Massen der Leser begreiflich machen können. Uns trennt eine Welt von dem "Freidenker" der Sozialfaschisten."

Noch ein Beispiel.
Unter dem Titel:
"Internationale Proletarischer Freidenker. Internationales Bulletin" Hrsg. von der Exekutive der I(nternationale) P(roletarisches) F(reidenker)", kann man in deren 1. Jg. 1931 auf Seite 1 gleich die Sätze lesen:

"Nachdem auf dem IV. Kongreß am 15. November (1930) in Bodenbach aus der Internationale proletarischer Freidenker die Sozialfaschisten Sievers, Hartwig, Ronzal und Lebenhart ausgeschlossen worden sind und die Einheit auf revolutionärer Grundlage wieder hergestellt wurde, ist eine entscheidende Etappe der Entwicklung des IPF zu einem gewissen Abschluß gekommen."

Im gleichen Jahrgang jenes Blattes verbleibend, kann man dann unter anderem auch noch folgende Klage lesen:

"Der antiproletarische Charakter, den die Tätigkeit der IPF in letzter Zeit annahm, fand seinen besonders krassen Ausdruck während des Aufrufes des Papstes zum Kreuzzug gegen die UdSSR ... zieht es die Exekutive der IPF vor, eine abwartende Stellung zu nehmen ... Sonst nichts."

Also genannte Kreise beklagen auch zeitgenössisch die "Zahnlosigkeit" des Sievers-Verbandes. Der ist ja so mit der Kassierung seiner Beiträge für die Feuerbestattung beschäftigt, dass er sich da auch nicht noch um aktuelle Kirchenpolitische Kontroversen, sonderlich kümmern kann.
Genanntes Blatt führte auch in anderer Beziehung eine deutliche Sprache, die nicht nach dem Geschmack des Sievers-Clan war. Das hatte zur Folge, dass schon die März-Ausgabe 1932 dann die letzte Ausgabe war. Die berüchtigten "Notverordnungen" machten es möglich. Also nicht nur die Nazis "bissen" ihre Konkurrenz mit eher unlauteren Mitteln weg. Schon die Zeit davor ist ähnliches nachweisbar.
Und in dieser letzten Ausgabe kommentierte deren Redakteur Hans Meins:

"Hartwig und Sievers wollen keine Loslösung der christlichen Arbeiter vom ideologischen Einfluß der Kirche. Das verbietet ihnen die Koalitionspolitik der 2. Internationale mit den klerikalen Parteien. Sie wollen sich lediglich darauf beschränken, die "räudigen Schafe", die glaubenslosen Kirchenmitglieder, die nur aus Bequemlichkeit- oder Zweckmäßigkeitsgründen der Kirche angehören, zu organisierten Freidenkern zu machen. Sie wollen die Kirche von den "unbequemen Störenfrieden" befreien, wofür sie sogar noch von den Kirchen- und Staatsbehörden Dank erwarten ..."

Diesem Kontext ordnet sich auch ein, dass der "Begräbnisverein" schon zu Weimarer Republikzeiten, am 14. 3. 1928, den Antrag stellte "Körperschaft des öffentlichen Rechtes" analog den Kirchen werden zu wollen. Auch wenn damals daraus nichts wurde, wurde doch der dafür fällige Preis ("dem Tiger sämtliche Zähne zu ziehen") in vorauseilendem Gehorsam, postwendend bezahlt.
Zitat aus einer anderen Diss, (Hans Daute).

"Um die Erfolgschancen zu erhöhen, hatte die Verbandsleitung jede Stellungnahme und Aktion gegen die Konkordatsverhandlungen in den deutschen Ländern verhindert."

Mit vorstehenden Zitaten ist nicht gesagt, dass auch die kommunistische Position nicht kritisch hinterfragbar wäre.
Zu welchen Detailurteil man bei den diesbezüglichen Kontroversen auch immer kommen mag.
Der Sievers-Verband hatte sich in seiner Sicht "etabliert", er schätze ein bequemes "Beamtenleben", wenn es nach ihm ginge bis zum "jüngsten Tag". Das Geld floss ja via Feuerbestattungsbeiträge. Wozu sich da noch mit den Niederungen des Tagespolitik abmühen?!

Indes mit Auflösung bzw. Verbot der Freidenker, war deren Geschichte zu Nazizeiten noch nicht beendet.
Nachdem der Stern der Nazi-"Deutsche Christen" im Sinken begriffen war, gab es allerlei Neugründungen, altbekannter Kreise. Selbige erreichten zwar nie eine durchschlagende Dominanz; aber es gab sie halt, angepasst an den Nazi-Zeitgeist.
Unter ihnen auch die Strömung, welche schon vor der Nazizeit als "Freireligiöse" bekannt waren.
Ein bemerkenswertes Exemplar aus diese Szene, bezeichnete ein Kommentar mal mit dem Begriff:

"einen in der Wolle gefärbten "gemäßigten Nazi".

Nur peinlich genug, diese Wertung beschreibt das agieren des Beschriebenen nach 1945.
Siehe auch:
http://www.ibka.org/artikel/miz91/wurzeln.html

Lese ich in Herrn Bronders Buch "Bevor Hitler" kam, auch die Sätze

" Fest steht aber, daß der oder die Fälscher sehr genial waren: ist es ihnen doch vor weit über 50 Jahren gelungen, genau das zu "prophezeien" was später exakt eingetroffen ist"

wird mir mit Verlaub gesagt schlecht.
Oder auch jener Bronder'sche Verharmlosungssatz:

"Mit der jüdisch-zionistischen Kriegserklärung an Deutschland und nach dem Kriegseintritt der USA wird dann aus bisher nicht aufgehellten Umständen und Gründen heraus jene "Rache" an den Juden vollzogen."

Worin unterscheidet sich derlei Votum von der Aussage eines Hitler, dieweil die "Frankfurter Zeitung" stöhne, die Hetzschrift "Protokolle der Weisen von Zion" sei gefälscht, deshalb, so im Umkehrschluß Hitler seien sie doch echt.

Zum Thema der Hetzschrift "Protokolle ..."

Was wären die Verschwörungstheoretiker wohl ohne ihre Buhmänner? Wohl der sprichwörtliche Fisch ohne Wasser

Nochmals der Detailsatz aus dem IBKA-Kommentar:

"Es liegt auf der Hand, daß Verbände, deren Existenz so stark von öffentlichen Steuermitteln abhängt, schon aus purem Selbsterhaltungstrieb nicht ernsthaft an einer Trennung von Staat und Kirche interessiert sein können."

Eine Feststellung welche sich variiert auch auf andere Bereiche übertragen lässt

Der Disput zwischen denen, welche in straffen Organisationen ihr Heil sehen, und denen, welche (auch als gebrannte Kinder), dem so nicht mehr zu folgen vermögen, ist sicherlich nicht neu.
Schon in seinem weitgespannten Schrifttum (unter anderem auch das 1883 erstmals erschienen Buch "Die Gottespest", danach noch diverse Nachfolge-Ausgaben) formulierte Johann Most auch die Sätze:

"Eine kirchenartige Organisation, wie andere Arbeiterparteien haben die anarchistischen Kommunisten nicht. Sie halten jene Zentralisation mit Exekutive, Beamten, Steuern und sonstigen Imitationen des Staatswesens für verwerflich, weil die Einzelnen lähmend sie im selbstständigen Denken störend und das Ganze der Korruption und Versumpfung zuführend."

(Zitiert nach der erweiterten Nachdruck-Auflage IBDK-Verlag 1991 S. 46)

Ob Most mit dieser Wertung überzogen hat oder nicht, mag jetzt mal dahingestellt bleiben.
Zumindest benennt er einige Schattenseiten, die eintreten können, will man grundsätzlich andere Prioritäten diesbezüglich gesetzt sehen.
Der Vollständigkeithalber sei hinzugefügt.
Most vertrat weiter äußerst radikale Thesen, die so keineswegs übernommen werden können.
Stellvertretend sei als Beleg nur sein Auch-Satz zitiert. Nachdem er detailliert beschreibt, welcherlei Verwendungsformen von Kirchengebäuden er sich so alles noch vorstellen könne, lässt er diese Beschreibung mit dem Satz ausklingen:

"... Hängen die Pfaffen und Nonnen ins Glockenhaus, und können nicht begreifen: wieso es kam, dass nicht schon längst derartig verfahren wurde."

Mit diesem Satz gibt er eine Religionsfeindlichkeit zu Protokoll, die identisch mit der Propagierung des Bürgerkrieges ist. Insoweit muss auf diese Distanzierung, auch ausdrücklich bestanden werden.
Er wurde also nicht zitiert um alles was er denn mal sagte, als "Evangelium" zu erklären. Das ist mit Sicherheit nicht der Fall.
Text der "Gottespest" bei Payer eruierbar
http://www.payer.de/religionskritik/most01.htm

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