Geschrieben von Drahbeck am 10. Oktober 2004 12:31:02:

Honoratioren unter sich

Auch in der bundesdeutschen Geschichtsschreibung (den Sonderfall Ostdeutschland mal beiseite lassend), sind nach 1945 gewisse Phasen registrierbar. Nachdem man sich (was bei einigen auch nicht selbstverständlich war) damit abgefunden hatte, dass Hitleregime gehört nun der Vergangenheit an; stellte sich alsbald auch die Frage: Welche neue Helden man denn nun feiern könne. Man ward schon relativ schnell fündig.
Der 20 Juli 1944 und seine Opfer waren nun das Thema das neuen Heldengedenkens.
Damit dass ganze nicht zu einseitig auf militärische Kreise beschränkt bleibe, befand man dass man die Selbststilisierung der Großkirchen auch noch in das Konzert des neuen Heldengedenkens mit aufnehmen könne.

Da die SPD in diesem Lande sich von jeher demokratischen Traditionen verpflichtet weiß, konnten Adenauer und seine Mannen es nicht verhindern, dass auch die noch - zeitverzögert - mit in den Chor des Heldengedenkens aufgenommen wurden.

Dann war lange, lange Jahre, der Heldenhimmel erst mal ausgefüllt. Neuzugänge waren nicht vorgesehen. Irgendwann aber ließ sich guten Gewissens der Umstand nicht länger verdrängen, da gab es ja wohl auch noch die Kommunisten. Und sage und schreibe sollen die auch gewisse Probleme mit den Nazis gehabt haben. Wenn man auch deren Heldenstilisierung Made in Ostdeutschland nicht übernahm (übernehmen konnte); setzte sich, wiederum zeitversetzt, mit der „gebotenen Verzögerung" die Erkenntnis durch, deren Rolle in der fraglichen Zeit auch mal etwas näher zu untersuchen.

Nicht mit der erklärten Absicht, die nun auch in den Bundesdeutschen „Heldenhimmel" mit aufzunehmen. Aber auch nicht mehr mit der expressis verbis Doktrin, dies dürfe grundsätzlich nicht geschehen.

Und so lassen sich denn auch diverse, differenzierende Studien von Bundesdeutschen Historikern, auch zu diesem Thema nachweisen. Nicht unbedingt schon in den 1950er Jahren, später aber dann doch auch.

Als dann Anfang der 90er Jahre der ostdeutsche Teilstaat seine Selbständigkeit aufgab (aufgeben musste), war auch dieses Thema nunmehr mehr oder weniger ausgereizt. Grundsätzliches Neuland gab es da kaum noch.

Dennoch gab es immer noch weiße Flecken auf der bundesdeutschen Historiker-Landkarte. Ob es wirklich „weiße Flecken" waren, über die schon ein Friedrich Zipfel und ein Michael H. Kater profundes geschrieben hatten, kann man mit einem Fragezeichen versehen.

Einer der die Meinung vertrat, dass sind weiße Flecken und nichts anderes, war dann Mitte der 90er Jahre der Detlef G.. Mit seiner Studie legte er dann einen Grundstein, dem sich weitere anschlossen.

Von Zeit zu Zeit pflegen Honoratioren der Historikerzunft, schon mal Sammelbände zu publizieren, zu deren Inhalt selbstredend nur beitragen kann (und darf), wer denn von den anderen Honoratioren dieser Zunft als ebenbürtig anerkannt wird.

Ein solcher nunmehr im Jahre 2004 erschienener Sammelband, herausgeben unter maßgeblicher Beteiligung (zumindest finanzieller Art) der Bundeszentrale für politische Bildung, liegt nunmehr vor. Sein Titel:
„Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur 1933 - 1945" herausgeben von Peter Steinbach und Johannes Tuchel.
ISBN 3936872376

Und was bemerkenswert ist, auch der Detlef G. ist dort nun in den Kreise der Honoratioren aufgenommen worden. Sein Kernthema Zeugen Jehovas in der NS-Zeit hat er geringfügig darin erweitert, indem er auch Gruppen wie die Siebenten Tags Adventisten Reformationsbewegung oder den Mormonen Helmuth Hübener und verwandtes, mit inhaltlich streift. Wer indes G.'s Standardwerk gelesen hat, der wird allerdings auch in diesem Fall registrieren (können). Honoratioren erliegen manchmal auch dem Umstand, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Bezüglich der Zeugen Jehovas bietet er jedenfalls kaum etwas, was nicht schon in seinem Standardwerk dargeboten wurde. Vielleicht etwas gestraffter, vielleicht etwas griffiger jetzt geschrieben. Aber das war es dann wohl auch schon.
Die Forschung zum Thema hat offenbar bei G. ihren (nicht mehr überbietbaren) Höhepunkt erreicht: meint er wohl; wenn er dass selbstredend auch so nicht ausspricht.

Natürlich sind nicht nur die Zeugen Jehovas Thema dieses Bandes. Auch alles andere einschlägige findet sich in dieser Überblicksdarstellung wieder. Unter anderem auch solches über die Kommunisten. Über letztere habe ich mir dann den nachfolgenden kritisch wertenden Satz in diesem Band notiert:

„Insgesamt befanden sich von den rund 300.000 KPD-Mitgliedern des Jahres 1932 etwa 150.000 mehr oder weniger lange in Haft. Bis Kriegsende soll die Zahl der Ermordeten und Hingerichteten auf 20.000 gestiegen sein. Den 1933 propagierten Massenwiderstand der Kommunisten hat es nur zu Beginn der NS-Herrschaft gegeben. Das ändert nichts daran, dass die Kommunistische Partei die größte Zahl von Toten im Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur zu beklagen hatte.
Festzuhalten bleibt auch, dass kommunistischer Widerstand in mehreren Phasen und auf ganz unterschiedliche Weise geleistet wurde. Die erste Phase bis Mitte der 1930er Jahre, war gekennzeichnet durch einen verlustreichen Aktionismus, angeordnet durch eine starre Parteibürokratie."

Ich hätte mir gewünscht, dass es in diesem Band auch eine ähnlich kritisch differenzierende Wertung bezüglich der Zeugen Jehovas gegeben hätte. Leider sehe ich diesen Wunsch nicht erfüllt!

Geschrieben von Drahbeck am 16. Oktober 2004 08:11:10:

Ein Buch gemischt ambivalent

Als Antwort auf: Honoratioren unter sich geschrieben von Drahbeck am 10. Oktober 2004 12:31:02:

In der von Hans Hesse verfassten Einleitung, wird die DDR-Geschichte der Zeugen Jehovas in verschiedene Phasen eingeteilt. 1945-1950. Dann die Phase 1950-1961/62 usw. Schon diese zweite Phase würde ich etwas anders terminieren und zwar bis 1965 verlängert, wo der letzte „Enthauptungsschlag" der Stasi, den auch Hesse marginal mit streift, stattfand. Gleichwohl ist diese Frage der Terminierung marginal und nicht das wesentliche.

Schon weitaus kritischer werte ich das Hesse'sche Bedauern darüber, dass seiner Meinung nach, in der Geschichtsschreibung über die DDR-Geschichte (bislang) die Zeugen Jehovas nicht sonderlich hervorgehoben vorkommen. Offenbar würde es sich das Quartett Hesse, H., D., W., die alle in diesem Band namentlich genannt werden und sich denn gegenseitig nach Kräften fördern, wünschen, gelänge es bezüglich der DDR-Geschichte eine ähnlich „wirkungsvolle" Aktion in Szene zu setzen, wie das mit der „Standhaft"-Ausstellung nebst Folgeaktionen, die NS-Zeit betreffend gelang.

Es verwundert denn auch nicht, von Hesse habe ich auch nichts anderes erwartet, es sei aber trotzdem ausdrücklich nochmal festgehalten, dass z. B. in seinem Literaturverzeichnis nur solche Stimmen Niederschlag fanden, die auf WTG-Kurs schwimmen. Kritik an dem WTG-Kurs ist diesen Kreisen grundsätzlich ein „Gräuel". Auf solch parteiische Basis, auf der auch Hesse steht, kann man sich natürlich stellen. Dann gilt es aber auch das Ergebnis nochmal zu benennen: Ein Parteibuch!

Einer von vielen Zeugen Jehovas, welche die harte Hand des DDR-Regimes kennenlernten, war also auch der 1924 geborene Ewald Kaven. 1954 verhaftet, zu acht Jahren Haft verurteilt; nach seiner 1960er Haftentlassung führte ihn sein weiterer Weg nach Westberlin. Man erfährt; dort war er wieder beruflich als Schlosser tätig. Keine unspezifische Biographie für das ZJ-Milieu, und zugleich Versammlungsdiener der Versammlung Berlin-Neuköln. Erst im Jahre 1976 begann er seine Erfahrungen in der DDR-Haft einmal aufzuzeichnen. Und erst jetzt im Jahre 2004 kann man sie denn, so man mag, auch in Buchform zur Kenntnis nehmen. Weshalb so spät, wäre zu fragen? Andere politische Häftlinge der DDR, die ihr Weg anschließend in den Westen führte, pflegten in der Regel nicht solange zu warten.

Entweder hatten sie etwas mitzuteilen, dann geschah das relativ früh. Oder eben sie hatten nichts mitzuteilen. Nun kann man lediglich entschuldigend geltend machen, dass ein gelernter Schlosser, wohl nicht der geborene Memoirenschreiber ist. Das ist zu akzeptieren. Dennoch greift diese Entschuldigung meines Erachtens zu kurz. Es ist das gesamte Klima in der WTG-Organisation, dass eben diese Abstinenz begünstigte. Der Einzelne ist ein Nichts in dieser Organisation. Die Organisation ist alles. Das ist das Klima. Und die Ergebnisse sind eben, auch in diesem Fall, die jahrzentelange Abstinenz. Bestünde nicht seit Beginn der „Standhaft"-Aktion eine neue Ausgangsbasis, wäre mutmaßlich auch Herr Kaven heute noch einer dieser Abstinenten.

In der Sache teilt er auch keine sonderlich neuen Erkenntnisse mit. Das die DDR-Haft alles andere als ein „Sanatorium" war, dass die Vernehmungsprotokolle DDR-parteilich konzipiert und als nicht objektiv bewertet werden müssen. Das alles wusste man mehr oder weniger schon vordem.

Einleitend wird denn auch ein aus den Kreisen der inhaftierten Zeugen verfasstes Gedicht zitiert, dass auch maßgeblich die Titelwahl des Buches von Ewald Kaven „Denn einmal kommt der Tag, dann sind wir frei" ..." beeinflusste.
In dessen ersten Strophe liest man unter anderem:

„Drumm mein Bruder halt' aus und verlier' nicht den Mut,
Denn wir tragen den Willen zum Leben im Blut,
Weil bald uns die Freiheit beschieden."

Soweit es den darin genannten Willen zum Leben betrifft, gibt es da nichts zu diskutieren.
Anders schon sieht es mit der „baldigen Freiheit" aus. Ideologisch verblendet, erhoffte man die auch, das ist unbestritten. Die Wirklichkeit indes sah anders aus. Und diese keineswegs Hollywood-gestylte Hoffnungs-Illusionen reflektiert das genannte Quartett eben nicht im angemessen Maße. Auch das verwundert nicht, verdient es aber nochmals festgehalten zu werden.

Neu an diesem Zeitzeugenbericht erscheint mir lediglich der Umstand, worüber etwa auf Seite 33f. berichtet wird, dass die Stasi schon relativ früh ihre IM unter den Zeugen Jehovas hatte. Die dürften dann aber noch in der Regel der Stasirubrik „Ausgebrochene" zuzuordnen sein.

Einige Sätze, letzteren Aspekt betreffend, aus den diesbezüglichen Ausführungen in diesem Buch:
„(Als) Günter (Becker, Kreisaufseher) nicht mehr selbst die Literatur aus Berlin holen brauchte. Denn es war ein Kurier, Hans Wolschke, aus Schwerin eingesetzt worden, der für alle Brüder in West-Mecklenburg Literatur holen würde.
Ich lernte bald Hans Wolschke kennen. Er hatte auch eine Arbeitsstelle in Wismar und fuhr ebenfalls jeden Tag mit dem Zug von Schwerin nach Wismar. Allerdings sprachen wir nur auf der Plattform, zwischen zwei Waggons. Er wollte, dass wir nur kurz miteinander sprachen, da uns sonst die Stasi beobachten würde, wie er sagte.

Im Juli 1951 sah ich Günter dann zum letzten Mal in Wismar. Er wollte in der folgenden Woche zu uns in die Versammlung kommen, aber er kam nicht. Ich fuhr nach Schwerin in seine Unterkunft, um nachzufragen, warum er nicht gekommen war. Schwester Urbanschick erzählte mir, Günter sei nach Berlin gefahren, aber nicht wieder zurückgekommen. In diesem Augenblick kam Hans Wolschke zur Tür herein und fragte auch nach Günter. Keiner konnte dazu etwas sagen.

Hans ging mit mir aus dem Haus. Auf der Straße sagte er: 'Ich fahre dich schnell zum Bahnhof'. Er hatte ein fast neues Motorrad. So eines hatte damals nur die Polizei. Ich fragte ihn: 'Woher hast du denn so ein Motorrad?'
'Vor einiger Zeit', erzählte Hans, 'ist ein Volkspolizist nach dem Westen abgehauen, aber zuvor hat er mir sein privates Motorrad verkauft.'
Schließlich erfuhr ich, woher das Motorrad stammte. Ich war zum Kongress in Berlin, dort sprach Bruder Wauer mit mir über das, was vorgefallen war. Gerhard Papke hatte mit Bruder Wauer gesprochen, der mit Hans Wolschke auf dem Kongress war. Gerhard, dessen Gewissen schwer belastet war, erzählte, dass die Stasi einen Tag vor dem Kongress bei ihm gewesen und ihn beauftragt hatte, nach Berlin zum Kongress zu fahren. Dort sollte er alle Namen aufschreiben, die er erfahren könne und diese Namen bei der Stasi abgeben. Er hatte sich geweigert, doch dann habe die Stasi Druck gemacht und gesagt, er hätte als Kurier noch acht Jahre Zuchthaus bekommen. Darauf erzählte er, wieso die Stasi ihn unter Druck setzten konnte.

Als Hans einmal nach Berlin fahren wollte, hatte er Gerhard Papke gebeten, ihm dabei behilflich zu sein. Auf der Rückfahrt hatte Hans dann zu ihm gesagt: 'Ich setze mich hier ins Abteil und du in den nächsten Waggon, dann fällt es nicht so auf.'
Kurz vor Neuruppin kam die Pass- und Gepäckkontrolle, die Polizei nahm sogleich Gerhards Tasche von der Ablage, öffnete sie und fand die Wachtturm-Ausgaben. Daraufhin forderten sie Gerhard auf mitzukommen ...
'Sie lesen doch nur eine Zeitschrift je Ausgabe, nicht gleich mehrere. Wohin bringen Sie die anderen?'
'Das sage ich nicht', weigerte er sich.
'Gut, das brauchen Sie auch nicht, wir wissen es auch so ...
Weil die Stasi alle Namen von der Versammlung kannte, zählten sie alle auf, und Gerhard brauchte nur noch mit dem Kopf zu nicken. Die Stasi gab ihm die Zeitschriften wieder zurück, damit es nicht auffiel. So durfte er uns die Zeitschriften mit Wissen der Stasi jeden Monat bringen.

Ebenso kopierte Hans die Monatsberichte jeden Monat erst bei der Stasi, ehe er sie nach Berlin brachte. ...
All das bedrückte Gerhard Papke. Er hatte ein sehr schlechtes Gewissen ... Bruder Wauer empfahl, dass er sogleich hier in Berlin bleiben könnte oder aber sofort zurückkehren müsse. Dann aber in Zukunft keine Brüder mehr besuchen, ja mit niemanden mehr sprechen dürfe. Beide mussten sofort das Kongressgelände verlassen. Sollten sie nochmals hier gesehen werden, würden sie als Spitzel von der Polizei verhaftet werden. Diese Mitteilung wurde auch auf dem Kongress bekannt gegeben.

Gerhard ist ... aber dann bald nach Westdeutschland gegangen. In den Versammlungen wurde bekannt gegeben, dass Hans Wolschke für die Stasi arbeitete. All das hatte Bruder Wauer mir nach dem Kongress in Berlin mitgeteilt ..."
Dem schon mitgenannten Günter Becker, sollte Kaven dann später im Zuchthaus noch wiederbegegnen.
Auch dazu eine interessante, von ihm mitgeteilte Episode (S. 114f.)

„Eines Tages vertraute mir Günter Becker ein Geheimnis an, das er nicht allein für sich behalten wollte. Er sagte: 'wenn etwas schief laufen sollte, möchte ich, dass du die Wahrheit kennst. Ich darf mit keinem darüber sprechen, bitte behalte das für dich.' Die Stasi hatte Günter zur Besprechung zu sich ins Zimmer geholt. Sie fragte ihn, was getan werden könnte, um die Zeugen Jehovas wieder in der DDR zuzulassen. Günter sollte Vorschläge machen, wie es organisiert werden müsste, ohne dass die DDR ihr Gesicht dabei verlöre. Auch wie der Wachtturm in der DDR gedruckt und verbreitet werden könnte. Natürlich sollte alles 'echt' aussehen, aber dennoch getrennt vom 'treuen und verständigen Sklaven'. Diese Gespräche gingen über Wochen, da die Anstaltsleitung nicht dahinter kommen sollte, denn die Stasi arbeitete für sich allein. Sie ließ sich auch nicht von der Polizei der DDR in die Karten sehen.

'In der nächsten Woche', kündigte der Stasioffizier an, 'wird bei Ihnen auf der Zelle eine Durchsuchung vorgenommen. Dabei wird die Polizei etwas finden und Sie werden sofort von der Arbeit abgelöst und dann auf Absonderung gebracht. Dann haben wir freie Hand und können ohne Wissen der Polizei mit Ihnen Kontakt aufnehmen. Wir können ab dann jeder Zeit miteinander sprechen.' ...
Für einige Wochen war Günter allein auf Zelle, und die Stasi sprach ständig mit ihm. Dann sollte er einiges aufschreiben. Da ein Strafgefangener keinen Schreibstift auf der Zelle haben durfte, wurde von der Stasi angeordnet, dass Günter in der Bibliothek arbeiten konnte. Dort hatte er Gelegenheit zu schreiben und sollte so seine Meinung schriftlich darlegen.
Natürlich wurde aus allem, was die Stasi sagte, nichts, weil Günter keine Kompromisse einging, und die Stasi nicht beabsichtigte, unter den gegebenen Umständen Jehovas Zeugen wieder zuzulassen."

Eine ähnliche Erfahrung lässt sich auch im Fall Woldemar Halse nachweisen. Zu letzterem kann man vergleichen:

Parsimony.6646

Als 1960 aufgrund einer verkündeten DDR-Amnestie, sich auch für Kaven die Option eröffnete, vorzeitig entlassen zu werden, sollte er übrigens auch noch einen ähnlichen Stasi-Anwerbungsversuch erfahren. Die Familie des Kaven, war schon während seiner Haftzeit zu seiner Schwiegermutter nach Westberlin verzogen. Er selbst gab auch diese Westberliner Anschrift als seine Entlassungsanschrift an. Im Vorfeld der anstehenden Entlassung wurde er nun von einem wie er schreibt „Beamten des Innenministeriums" kontaktiert. Der kam denn auch relativ schnell zur Sache. Faktisch war das ein Stasibeamter, ersichtlich auch daran, ausgerüstet mit diversen neueren WT und „Erwachet!"-Ausgaben, dieses Gespräch zu suchen. In einer formal „freundlich" gehaltenen Gesprächsatmosphäre.

Eines seiner Gesprächsargumente war der „Erwachet!"-Artikel „Berlin - eine geteilte Stadt".
Siehe dazu:

Parsimony.8156

Zitat (S. 133):
„Sicher kannte er jede Passage auswendig. Er sagte: 'Ich muss zugeben, der Artikel stimmt, wenn gesagt wird: Im Westen der Stadt gibt es sehr viel Lichtreklame und die Schaufenster sind voll mit Angeboten, doch kommt der Besucher nach dem Ostteil der Stadt, dann sieht er leere Schaufenster, dafür aber viele Parolen auf Transparenten. Alles ist soweit richtig, nur ist es nicht ganz objektiv. Im Artikel hätte auch stehen müssen, dass die Miete im Hansaviertel für eine zwei Zimmerwohnung 350 DM kostet, dagegen in der Stalinallee 75 Mark. Das wäre eine objektive Berichterstattung ... Wenn Sie nun nach West-Berlin entlassen werden, könnten Sie doch einmal mit den Glaubensbrüdern dort sprechen, dass solche Berichte auch objektiv verfasst werden. Ich könnte mir vorstellen, dass wir uns von Zeit zu Zeit treffen und durch ein freimütiges Gespräch diese Dinge erörtern."

Geschrieben von Drahbeck am 17. Oktober 2004 08:06:17:

Als Antwort auf: Re: Ein Buch - gemischt ambivalent geschrieben von Drahbeck am 16. Oktober 2004 08:11:10:

Um in die Hitler'schen KZ eingeliefert zu werden, musste man wahrlich kein Zeuge Jehovas sein. Dieses Schicksal sollte auch die sächsische Familie Decker erfahren. In ihrem Fall "reichte" es schon aus, dass der Familienvater kroatischer Abstammung war, was die KZ-Inhaftierung ab 1941 zur Folge hatte. Der Vater sollte schon nach ganz kurzer Zeit die damit verbundenen Torturen nicht überleben. Das auch komplett verhaftete Familien auseinandergerissen und in unterschiedlichen KZs in "Verwahrung" gehalten wurden, war für die Nazis auch in diesem Fall eine "Selbstverständlichkeit". Und so ergab sich denn die besondere Situation, dass einer der wenigen Briefe die der Familienvater seiner Frau schreiben durfte, zeitgleich mit einem später abgesandten Telegramm ankam. Der Telegramm-Inhalt war kurz und knapp. Er teilte den Tod des Häftlings Decker mit.

Einen solchen Schock steckt man nicht so ohne weiteres weg. Das war auch in diesem Falle so.
Mutter und Tochter Decker, im KZ der Kategorie mit roten Armbinden zugeordnet (also als Politische), lernten nun unter den KZ-Bedingungen, wohl erstmalig in ihrem Leben, die Bibelforscherreligion kennen. Für die Mutter ergab sich ein relatives "Happyend" noch dergestalt, dass sie eine Erklärung, nichts oder nichts mehr, mit den Bibelforschern zu tun haben zu wollen, anstandslos unterschrieb und daraufhin auch entlassen wurde.

Der Tochter hingegen war diese Unterschrift offenbar mental nicht möglich gewesen. Und so wurde sie denn unter KZ-Bedingungen erst, allmählich eine tatsächliche Zeugin Jehovas.
Auf diversen "Standhaft"-Ausstellungen, von ihr auch persönlich vorgetragen, kannte man diese Geschichte bereits. Nunmehr liegt sie in ebenso knapper Form, wie bei den "Standhaft"-Statements vorgetragen, auch in Buchform, unter dem Titel "Frierende" vor, herausgegeben von dem umtriebigen Hans Hesse.

Damit aber über den dürren Tatbestand hinaus, ein tatsächliches Buch gefüllt werden konnte, wurden einige Erweiterungen notwendig. Die betreffen allerdings zu allerletzt die Namensgeberin dieses Buches. Über ihre "Standhaft"-Statements hinausgehendes, teilt sie auch diesmal nicht mit.
Vielleicht sollte man mit letzterer Einschätzung doch etwas zurückhaltender sein. So etwa wenn man in ihrem Bericht über ihren Kontakt zu den Zeuginnen Jehovas liest:

"Eine Gruppe von ihnen, und ich gehörte dazu, entwickelte die Ansicht, dass bestimmte Handlungen und Haltungen hier im KZ nicht mit den biblischen Grundsätzen im Einklang standen. Hierzu gehörten nicht nur Kriegsarbeiten, die wir verrichten sollten, sondern wir waren der Auffassung, nicht mehr aufstehen zu wollen, wenn z. B. ein SS-Offizier den Block betrat. Hierfür wurden wir 10 bis 12 Frauen auf einem Block isoliert und bestraft. Wir durften den Block nicht verlassen und bekamen nur zweimal in der Woche etwas zu essen.
Nach zwei bis drei Wochen wurde ich, nur ich, von zwei Aufseherinnen aus dem Block herausgeholt. Sie befahlen mir mitzukommen. Natürlich stand ich auf und ging mit.
Das war mein Glück. Denn die zurückgebliebenen Glaubensschwestern verweigerten immer häufiger Befehle. Sie verweigerten schließlich sogar den Appell. Ich konnte beobachten, dass die Frauen aus dem Block herausgeschleppt wurden und, weil sie nicht stehen wollten, mit Wasser übergossen wurden."

Dieser Bericht macht also deutlich, dass Charlotte Decker bei den "Extremen" gelandet war, die in der Regel das KZ auch nicht überlebten. Frau Gertrud Pötzinger gehörte bekanntlich nicht zu dieser Kategorie; sonst wäre sie wohl auch nie Kindermädchen und Haushaltshilfe bei einem SS-Offizier geworden.
Die junge Decker hatte insofern noch Glück im Unglück, noch nicht ganz von den Doktrinen der Extremen durchdrungen gewesen sein, was zusammen mit ihrem späteren zeitweiligem Job auf einer Schreibstube, für sie einer Überlebensversicherung gleichkam. 1946 ließ sich die befreite Charlotte Decker zusammen mit ihrer Mutter als Zeugin Jehovas taufen. 1948 heiratete sie den an einer Kunstschule ausgebildeten Maler Heinz Tetzner. Auch sein Schicksal und das ihrer Kinder war ambivalent. Nicht selten war materielle Not ständiger Gast bei den Tetzners. Von der staatlichen Kunstförderung in der DDR hatte er nur selten einen Nutzen, größtenteils musste er sich als Freiberufler durchschlagen. Das änderte sich erst wenige Jahre vor dem DDR-Mauerfall, als der Kunsthandel der DDR entdeckte, die Bilder des Tetzner lassen sich im Westen gewinnbringend absetzen.

Und so bildet denn ein Hauptteil des Buches auch die Abbildung diverser seiner Aquarelle.

Daran schließt sich noch eine Einschätzung der Zeugen Jehovas-Geschichte durch Hans Hesse an. Andere mögen es als nebensächliche Erbsenkrämerei bewerten. Darüber kann man in der Tat streiten. Aber eine gewisse Oberflächlichkeit von Hesse offenbart sich meines Erachtens schon in einem Schreibfehler von ihm. So schreibt er etwa auf S. 58:
"In gleicher Weise argumentierten die überzeugten Antisemiten Dietrich Eckard und August Fetz." In der dazugehörigen Anmerkungsnummer 9 indes schreibt er den Namen richtig mit "Dietrich Eckart".

Wer hat da wohl beim Korrekturlesen geschlampt. Der Autor oder der Verlag?
Ansonsten liegt er mit diesem Geschichtsrückblick inhaltlich und in der Wortwahl, weitgehend auf der Linie des Detlef G., ohne dem wesentlich neues hinzuzufügen (oder zufügen zu können) Interessant empfand ich lediglich den Umstand, dass er sich in vorsichtigen Worten (ohne daraus einen grundsätzlichen Dissenz werden zu lassen), von der Frau Y... etwas absetzt. Aber man konnte ja seinerzeit schon rätseln, warum auf der Heidelberger Tagung des Jahres 2000 (die Hesse irrtümlich auf 2003 datiert), Frau Y. zu den Nichteingeladenen gehörte, obwohl sich dort alles andere, was in WTG-Sicht „Rang und Namen" hat, versammelt hatte.

Hesse, der sich schon früher im WTG-Sinne in Sachen Abschwörungserklärung positioniert hat, kommt auch diesmal auf diesen Aspekt mit zu sprechen. Jetzt räumt er aber ein, was man bei ihm früher nicht in dieser Deutlichkeit las:
"Eine Entlassungsverfügung des betreffenden Häftlings war nicht allein von der Unterschriftsleistung abhängig, sondern wurde in einem größeren bürokratischen Kontext von mehreren Behördenstellen 'geprüft'. So kam es vor, dass Zeugen Jehovas nach dem Unterschreiben nicht entlassen wurden. Gleichwohl führte diese schikanöse Behandlung der SS auf Seiten der Opfer zu einer Art Gewissensprüfung und öffentlichen Demonstration ihrer Weigerung, sich dem NS-System anzupassen." (S. 65f.)

Geschrieben von Drahbeck am 17. Oktober 2004 18:48:38:

Als Antwort auf: Schreibfehler geschrieben von B am 17. Oktober 2004 18:09:25:

Ich denke mal, im konkreten benannten Fall, unterstelle ich Hesse

k e i n e Absicht.

Da ich meine mich selbst wissenschaftlich zu betätigen, kann ich den Fall schon nachvollziehen. Dietrich Eckart war der erste Chefredakteur des „Völkischen Beobachters"; zudem gab er noch eine weitere Zeitschrift mit dem Titel „auf gut deutsch" heraus.

Eckart verstarb noch Mitte der 1920er Jahre. Kurz vor seinem Tode publizierte er noch ein Buch das 1925 erschien mit dem Titel „Der Bolschewismus von Mose bis Lenin". Laut Untertitel „Zwiespräche zwischen Adolf Hitler und mir (Eckart)". .

Darin findet sich schon bezüglich der Bibelforscher die von Eckart's Amtsnachfolger Alfred Rosenberg weitergeführte These (in einer Anmerkungsnummer):

„Die Ernsthaften Bibelforscher gehören zu unserer Zeit. Mit reichen Geldmitteln versehen, bewegen sie sich ebenfalls in jüdischem Fahrwasser auf den Sowjet zu."

Wie gesagt, das erschien 1925. Damals waren die Nazis noch ein paar Nummern kleiner als 1933.

Wer nun heutzutage sich um die Einsichtnahme dieses Buches bemüht (das Faktum Neonazi-Webseiten ausklammernd, von der ich auch keine URL nenne) der wird registrieren. Äußerst schwer noch in wissenschaftlichen Bibliotheken beschaffbar. Für den Bereich der wissenschaftlichen Bibliotheken im geographischen Ostbereich, beispielsweise nur in der Deutschen Bücherei in Leipzig.

Detlef G. hat sehr wahrscheinlich dieses Buch mit eingesehen. Ob es Hesse auch hat, bezweifle ich äußerst stark. In seinen diesbezüglichen Ausführungen ist er hochgradig von G. abhängig. Er gibt also etliches nur aus zweiter Hand wieder. Da kann schon mal solch ein nicht korrigierter Schreibfehler unterlaufen. „Absicht" unterstelle ich keineswegs.

Was die Meinungsäußerungen von Raimund anbelangt. Es ist offensichtlich. Es trennen da Welten.

Im übrigen nochmal. Günther Pape befand sich im Clinch mit der WTG. In diesen Auseinandersetzungen hat er sich meiner Meinung nach, tapfer geschlagen. Das rechne ich ihm als dauerhaftes Verdienst an. Darüber hinaus zu unterstellen, ich würde seine theoretischen Leistungen in Sachen ZJ sonderlich hochachten, verkennt sowohl die Sachlage, als auch meine tatsächlichen Stellungnahmen zu Pape.

Ganz abgesehen davon, dass für mich persönlich der Schritt der bei Pape vorliegt, sich der katholischen Kirche anzuschließen, ein undenkbarer Schritt wäre und ist.
Sowohl in Theorie als auch in Praxis.

Geschrieben von Drahbeck am 08. Oktober 2004 21:52:04:

Als Antwort auf: Re: Seltsame Sitten bei Jehovas Zeugen geschrieben von Didi am 08. Oktober 2004 21:01:51:

Sicherlich ist der erste Weltkrieg ein „epochemachendes" Ereignis. Nicht nur die WTG sagte seit den 1870er Jahren, dass die angestauten Interessengegensätze, ohne ernsthaften Willen zu ihrer Abmilderung, nur in einem „Ende mit Schrecken" ihre Auflösung finden könnten. Ähnliches prophezeite auf Seiten der Sozialdemokratie auch Friedrich Engels, der da auch ankündigte, die Kronen würden in den Gossen landen - und niemand würde sie noch aufheben.

Insofern hat auch Russell „in der Luft liegende Spannungen" aufgenommen; sie dann allerdings metaphysisch verklärt. Das ist ja das Charakteristikum der Religion insgesamt (sofern sie nicht zum Staatschristentum oder Staatsreligion verkommen ist), als Katalysator auf vielerlei Defizite der menschlichen Gesellschaft hinzuweisen, ohne im eigentlichen Sinne, zur Beseitigung dieser Defizite beizutragen. Man lässt es eben nur bei den Kassandrarufen bewenden.

In Deutschland, darüber hinaus in weiten Teilen Europas, war das Christentum zur Staatsreligion verkommen (die KdöR-Frage läßt grüßen).
Jene, die da auch von der Religion, in die Schützengräben des ersten Weltkrieges hineingepredigt wurden, hatten, sofern sie dieses Trauma noch überlebt hatten, zu großen Teilen, erst mal von Kirche und Religion, mit Verlaub gesagt „die Schnauze voll".

Das sollte sich nun für die Großkirchen rächen. Das eine Bewegung wie die heutigen ZJ in Deutschland überhaupt nennenswert Fuß fassen konnte, ist zu wesentlichen Teilen diesen Umstand zuzuschreiben. Sichtet man alte WT-Jahrgänge vor 1914, wird man dort an verschiedenen Stellen den Nachweis finden, dass Russell Deutschland als ein äußerst hartes Pflaster bewertete, indem es für seine Interessen einfach nicht recht vorwärts gehen wollte.

Die Folgewirkungen des ersten Weltkrieges, veränderten auch dieses noch.

Bibelforschrer/Zeugen Jehovas, waren aber nur ein Detailausschnitt aus dem Spektrum jener, die mit den Großkirchen endgültig „fertig" waren. Der weitaus größere Teil von ihnen tendierte beispielsweise zum atheistischen Freidenkertum. Dort wurden den „Großkirchen" erst recht die „Leviten gelesen". Da blieb kein „Auge trocken".

Auch die Kirchenfunktionäre sahen, dass sie zunehmend mit dem Rücken an der Wand standen. Als der „Braunauer" dann gar noch verkündigte, er repräsentiere „positives Christentum", warfen sich nicht wenige von ihnen, ihm an den Hals. Ihre aus der vorgenannten Not entstandene Handlungsweise, sollten sie aber schon alsbald bitter bereuen lernen. Denn auch der „Braunauer" hatten für Seelenverkäufer nicht allzuviel übrig. Er zog es vor, das Geschäft alleine zu betreiben, um nicht Zinsen über Zinsen für eine lächerliche Hilfeleistung, letztendlich bezahlen zu müssen.

Wachen Gespür's merkten allerdings die etablierten Kirchenfürsten, schon gleich nach 1918, dass die Bibelforscher, sich zwar „biblisch" verkaufen, dass aber besonders, wie schon Algermissen rekapitulierte, sie auf jene Aspekte „ansprangen", die den Großkirchen auch bei den Freidenkern begegneten; nämlich der massiven Kirchenkritik.

Dieses Feld hatte Rutherford im besonderen mit beackert. Und wenn die Kirchenfürsten meinten, zwischen den atheistischen Freidenkern und den Bibelforschern, gebe es auf der Ebene Kirchenkritik, kaum Unterschiede; dann hatten sie mit der Einschätzung sogar recht.
Der Größenwahn des „Braunauer" führte auch für sein Regime zu einem Ende mit Schrecken. Neue Herren hatten anschließend das sagen. Soweit es den westlichen Teil Deutschlands betrifft, erlebte die Religion eine ungeahnte Renaissance. Nicht im Sinne wirklicher Überzeugung. Aber auf der erneuerten Basis faktischen Staatskirchentums unter neuen Firmenschildern. In diesem Kontext musste auch die WTG ihre antikirchliche Polemik nach 1945, den neuen Gegebenheiten anpassen. Allzu schrille Töne waren da nicht mehr gefragt. Die Phase des bloß Nebeneinanderlebens hat sich allerdings, zwischenzeitlich auch schon wieder überholt. Die Geschäftsbeziehungen der WTG zu einem Herrn B... (oder davor einer Frau Y.) und noch einige andere, sprechen da Bände!
Geschrieben von Drahbeck am 12. Oktober 2004 17:01:20:

Als Antwort auf: Vergiß es, David geschrieben von Raimund am 12. Oktober 2004 16:42:08:

„Ich erinnere mich, wie ich in der Wendezeit einem Vortrag im Königreichssaal lauschte. Der Redner sah die Massen von DDR-Bürgern als ultimativen Beweis an, daß Harmagedon kurz bevorstünde."
Wie die Bilder sich doch gleichen, dass aber nur am Rande.
Die Religionsgemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten, dürfte etlichen den Namen nach zumindest bekannt sein. Da gab es kurz nach der Wende einen ähnlichen Vorgang, der schon mal an anderer Stelle entsprechend festgehalten wurde:
Auch andere Religionsgemeinschaften sind unter endzeitlichen Aspekten angetreten. Z. B. die "Siebenten Tags Adventisten". Es ist aufschlussreich festzustellen, wie es bei den STA einige akademisch gebildete Mitglieder gibt, die auf Distanzierungskurs zu solchen Thesen gehen. [140]

Ein plastisches Beispiel auf adventistischer Seite liefert Träder. Ausgehend vom Fall der DDR und der deutschen Wiedervereinigung schildert er, wie es in adventistischen Kreisen Stimmen gab, die diese Vorgänge in Kontext setzen wollten zu dem Bibelspruch, "dass wann immer sie Frieden und Sicherheit ausrufen werden, sie ein plötzliches Verderben ereilen wird." [141]

Diese These in diesem Zusammenhang bereitete Träder "graue Haare" und er überlegte wie er dazu gegensteuern könne. Aus diesem Bemühen, entstand ein Buch dazu bei ihm. Seine grundsätzliche Einstellung dazu fasst er in die Worte: "Auch heute noch gibt es Verkündiger, die gern eine Liste der gegenwärtigen Katastrophen vorlegen und diese dann in Beziehung setzen zur Wiederkunft Christi. Und diese Liste kann eindrucksvoll sein. Die Gemeinde geht dann nach Hause im Bewusstsein: Jetzt ist es bald soweit. Und dann vergeht ein Jahr nach dem anderen und nichts geschieht. Dann können selbst Gläubige zu 'Spöttern' werden. … Und wir müssen auch feststellen, dass viele, vor allem junge Menschen, die Gemeinde verlassen oder zumindest am Rande stehen. Das hat sicherlich viele Gründe, aber einer ist bestimmt auch der, dass in der Verkündigung zu oft an der falschen Stelle Hoffnungen geweckt worden sind." [142]

Auch die Zeugen Jehovas stehen im Prinzip vor der gleichen Problemlage. Wer glaubt "das Ende ist nahe", der lässt sich unter Umständen zu hohen Opfern motivieren. Wer solche Thesen nüchterner betrachtet der wird abwägen: Ist mir das soziologische Umfeld meiner Religionsgemeinschaft es wert, mich dort weiter harten
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finanziellen, zeitlichen und seelischen Anforderungen auszuliefern. Oder "trete ich kürzer". Oftmals ist letzteres der Anfang vom Absprung. Auch die Zeugenleitung ist sich über diese Sachlage im klaren. In glatten Worten sucht sie es so darzustellen als wäre der "Liberalismus par excellence" bei ihr zu Haus."

Ansonsten neige ich derzeit nicht dazu, „Hannes" mit „David" gleichzusetzen. Ich würde eher meinen das wäre zuviel unverdiente „Ehre" für den „David"; diese Gleichsetzung.
„Hannes" brachte noch relativ eigenständige Gedanken in den Diskurs. Das von „David" zu sagen, nee, nee. Zuviel der „Ehre".

Geschrieben von Drahbeck am 11. Oktober 2004 18:22:49:

Als Antwort auf: Was glaubt Ihr dann? geschrieben von Hannes am 11. Oktober 2004 17:35:35:

Zu einem „weltweiten Religionsverbot" wird es nie kommen. Das ist reine Fantasterei, die jeglicher Grundlage entbehrt.

Selbst in Ländern wie Hitlerdeutschland, Griechenland, Ostdeutschland, Sowjetunion usw. gab und gibt es Religion. Das einzigste was passieren kann, und da sind genannte Länder Beispiel dafür, ist das der pluralistische Rahmen der Religion stark eingeschränkt wird. Schlimmstenfalls alles auf womöglich nur eine einzige Staatsreligion reduziert wird. Selbst das seinerzeitige Ostblockland Albanien, das als einzigstes Land der Menschheitgeschichte in seiner Propaganda behauptete, der „erste atheistische Staat" zu sein, ist noch zu Zeiten des kommunistischen Regimes, mit diesem seinem Anspruch kläglichst gescheitert. Die Fassade zur Wahrung dieses Anspruches, konnte nur durch massiven Einsatz der Geheimpolizei gewahrt werden. Und nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes auch in diesem Land, zeigte sich sofort: Religion lebt weiter. Sie war in Wahrheit nie ausgelöscht. Auch dort nicht.

Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, analysierte schon Karl Marx.
Es ist bezeichnend, dass ihre Wurzeln gerade in jenen Ländern schwächer werden, denen ein relativer Wohlstand, zumindest zeitweise, vergönnt war, auch in diesem Lande BRD so nachweisbar.

Indem Moment wo die sozialen Spannungen sich verschärfen (auf dem besten Wege dazu ist man auch hierzulande), wird verstärkt die Komponente wirksam, Religion als Seufzer der bedrängten Kreatur. Das Religion gerade auch in den USA so weite Verbreitung hat, ist neben den dort gravierenden Unterschieden zwischen reich und arm, auch dem Umstand zuzuschreiben, für breite Bevölkerungskreise, des relativen Mittelstandes, auch die Funktion des Kulturersatzes wahrzunehmen. Gerade das Segment „Kulturchristen" (auch bei den Zeugen Jehovas), ist derzeit in diesem Lande noch besonders ausgeprägt.

Wie schon etwas abgewandelt Goethe feststellte (von Feuerbach rezitiert), wer Wissenschaft und Kunst hat, der hat damit Religion. Wer diese eben nicht in ausreichendem Umfange hat, der bedient sich auch ihrer Ersatzfunktionen, eben der klassischen Religion.

Den sich anbahnenden Paradigmawechsel, kann man auch sehr gut bei den Zeugen Jehovas in diesem Lande studieren. Ihre prozentual höchsten Zuwachsraten haben sie im Spektrum fremdsprachiger Kreise in diesem Lande. Das sind dann eben jene, deren Wurzellosigkeit, sie besonders für (fragwürdige) Heilsversprechen anfällig macht.

Last but not least erlaube ich mir noch die Einschätzung, dass auch die Aussteigerszene, wie sie sich etwa bei Infolink darstellt, in hohem Maße vom relativen Mittelstand geprägt ist. Das wiederum impliziert, dass keine echte Ausstrahlungskraft für jene vorhanden ist, die aus Gründen des Seufzers der bedrängten Kreatur, Religionssüchtig sind oder zukünftig noch verstärkt werden.

Durch diesen feurigen Bach sollte man gegangen sein, wenn man mitreden will

Geschrieben von Drahbeck am 12. Oktober 2004 06:39:44:

Als Antwort auf: Re: Was glaubt Ihr dann? geschrieben von Hannes am 11. Oktober 2004 23:11:16:

„Natürlich ist es nicht möglich die Religionen völlig zu eliminieren aber es ist durchaus möglich sie völlig aus der Öffentlichkeit zu entfernen."

Das Beispiel der gescheiterten Prohibition wurde schon genannt (USA).
Zuzustimmen ist auch der Einschätzung:
„wo es Nachfrage gibt, gibt es auch einen Markt."

Albanien wurde auch schon genannt. Das war neben Kambodscha das einzigste Land in der langen Menscheitsgeschichte, das sich jemals mit einem generellen Religionsverbot versucht hat und damit kläglich gescheitert ist. Wer den Fall Albanien näher analysiert, stellt zudem fest. Es gab gar keine „Religionsabschaffung" dort. Es gab nur eine Reduzierung auf die Verherrlichung Stalins in religionsähnlicher Dimension. Also die Reduzierung auf eine Staatsreligion..

Thomas Müntzer zu Zeiten Luthers, sollte man auch noch nennen. Der tat damals schon ähnliches, was man heute islamistischen Attentätern vorwirft, was selbst einen Luther derart in Rage brachte, dass er mit der Forderung „glänzte", man solle sie ausrotten, diese räuberischen Rotten der Bauern (was denn weitgehend auch noch geschah).

Im Falle Müntzer und dem von ihm maßgeblich beeinflussten Bauernkrieg zeigte es sich. Soziale Deformierungen und Spannungen, fanden ihre irrationale Entladung. Eben typische Merkmale (auch) der Religion.

Es ist mit Verlaub gesagt naiv zu meinen Verbote „lösen" etwas. Gerade das Beispiel Zeugen Jehovas um 1950 (DDR und andere Ostblockstaaten) ist ja geradezu „ d a s „ Paradebeispiel dafür. Siehe aus der Fülle diesbezüglicher Belege dafür, z. B.

Exemplarisches

Was die „Wiedertäufer" im Westfälischen Münster anbelangte, nahm auch das dort kriegerische Dimensionen an. Auch dort gab es maßgeblich religiös verklärt, ein „Ende mit Schrecken". Die militanten „Anstifter" wurden vielleicht einen Kopf kürzer gemacht, so man ihrer habhaft wurde. Aber das Faktum, dass irdische Probleme sich in religiöser Verklärung widergespiegelt fanden, wurde dadurch in keiner Weise „aufgehoben". Religion bestand auch nach dem scheitern von Münster weiter.

Nun in der Gegenwart die islamistischen Extremisten. Die Bush und Co befinden sich da in der symbolischen Rolle des schon genannten Martin Luther mit seiner Ausrottungsforderung.
Was sie prinzipiell übersehen ist, die sozialen Spannungen die dem zugrunde liegen. Und vor allem ihre Unbelehrbarkeit, dass sie selbst Mitschuld tragen.

Israel ist ein trauriges Kapitel der Menschheitgeschichte. Nach dem Trauma des Naziregimes sich als Staat verfestigend, ist es bis heute zu keinem echten Interessenausgleich in dieser Region gekommen. Auch deshalb, weil aus übergeordneten USA-Interessen. (Beherrschung der Ölressourcen in jener Region), die USA nur Regime tolerieren wollen, die ihren Interessen willfährig sind. Das müssen nicht unbedingt die Israelis sein (sind es aber im besonderen Maße), dass können auch stockreaktionäre Islamisten, wie in Saudi Arabien sein.

Maßgeblichen Schuldanteil haben somit die USA, die nun erleben mussten, im „Namen der Religion" stellten sich ihnen neuere „Thomas Müntzer" oder auch westfälische Knipperdollings auf handgreifliche Weise in den Weg. Und wie weiland Luther schreien sie: Rottet sie aus diese Horden. Sie mögen vielleicht mit ihrem Ausrottungsprogramm einen gewissen Erfolg haben. Was sie indes nicht verhindern können ist, das den abgeschlagenen „Drachenköpfen" neue nachwachsen. Und dies wesentlich auch aus dem Grunde, weil ihr eigener Egoismus, genauer, ihr Super-Super-Egoismus, eine Entschärfung der dem zugrunde liegenden Ursachen, faktisch verhindert.

Und so kämpfen sie denn ihren Kampf des Don Qichott, der sich auch als unfähig erwies, die eigentlichen Gesetzmäßigkeiten zu verstehen!

Geschrieben von Drahbeck am 12. Oktober 2004 08:47:42:

Das ist wohl ein bisschen „zu billig"

Herr Zimmermann berichtet über einen tragischen Mordfall.
In seinem Bericht läßt er mit einfliessen, die Täterin hätte irgendwann mal Kontakt mit Zeugen Jehovas gehabt. Das aber ist so nicht hinnehmbar.
Das erinnert mich dann doch zu sehr an die DDR-Propaganda zum Fall Löbelt um 1950 in Bischofswerda. Da hatte auch einer einen Mordfall begangen, der mal „Interessierter" bei den Zeugen Jehovas war; selbst aber nie einer wurde.

Solche unsachgemäßen Formulierungen, wie sie jetzt auch Zimmermann offeriert, sind alles andere als „hilfreich".

Geschrieben von B am 14. Oktober 2004 21:00:17:

Als Antwort auf: Aua. Herr Zimmermann. geschrieben von Drahbeck am 12. Oktober 2004 08:47:42:

Die Frau hatte sich den Zeugen Jehovas zugewandt, einer Glaubensrichtung, in der auch der Teufel seinen festen Platz hat.

Das ist doch völlig in Ordnung!!

Die Lehre von Jehovas Zeugen lautet doch:

Jehovas Zeugen - des Teufels Hauptzielscheibe

In diesem Jahr war im Wachtturm 01.04.2004 zu lesen:

Von Satan, dem Teufel sagen Jehovas Zeugen: "Wir ... sind seine Hauptzielscheibe."

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