Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Eine gescheiterte Ehe

Bereits in der Februar-Ausgabe 1907 des „Zions Wachtturm" konnte man die Vorankündigung lesen:

„Sie Aprilnummer wird, so der Herr will, eine Antwort des Br. Russells auf grobe Verleumdungen gegen ihn bringen; wir bitten die lieben Freunde, die durch solche beunruhigt worden sind, 'nicht zu richten vor der Zeit', ohne daß 'die Liebe zeichnet Böses nicht zu, freut sich nicht der Ungerechtigkeit.'"

Genannte April-Ausgabe beginnt dann schon mit einem bemerkenswerten Satz:

„Diese Ausgabe ist nicht für allgemeine öffentliche Verbreitung bestimmt; sie diene Freunden, die Einwendungen der von Unwahrheiten Vergifteten zu beantworten."

Noch ein optischer Unterschied. Umfasst die deutsche Ausgabe des „Zions Wacht Turm" zu jener Zeit in der Regel 16 Seiten; so jedoch hat diese Ausgabe einen Umfang von 32 Seiten!

Offenbar sah Russell sich genötigt, sich umfassend zu verteidigen. Ersichtlich auch an dem Satz:

„Gerne hätte ich vor der Versammlung geschwiegen, so wie ich der Welt gegenüber meinen Mund nicht aufgetan habe; nun finde ich aber meine persönlichen Angelegenheiten mit dem 'Erntewerk' so eng verknüpft, daß es mir zur Pflicht wird, den Gliedern des Leibes Christi, mit denen ich so eng verbunden bin, die nackten Tatsachen wissen zu lassen."

Man ahnt es schon. Es handelt sich um Russell's Eheschwierigkeiten. In einem Rückblick stellt er deren Kulmination wie folgt dar:

„Im Jahre 1878 fiel mein Mitarbeiter in der Herausgabe der Zeitschrift („Herald of Christ Kingdom") vom Glauben an das Erlösungswerk Christi ab, was in den Spalten des Blattes zu einer Auseinandersetzung führte … Mein Mitarbeiter beanspruchte die kleine Druckerei, die ich angeschafft hatte, und eignete sie sich einfach an. Dies führte zur Herausgabe des jetzigen Journals 'Zions Wachtturm und Verkünder der Gegenwart Christi'. … Der Anfang der Herausgabe verzögerte sich bis zum Juli des Jahres 1879, weswegen ich einige Monate ununterbrochen in Allegheny sein mußte. … Eine größere Anzahl kam dadurch mit der Wahrheit in Berührung. Unter diesen war ein Frl. Frances Ackley, die innerhalb drei Monaten meine Frau wurde. … Dreizehn Jahrelang war sie die in jedem Sinne des Wortes aufmerksamste und treueste Frau.

Kurz nach eine Reise nach Palästina und Ägypten (den Pyramiden) über Großbritannien, Deutschland, Italien, die Schweiz und Frankreich, die für uns beide sehr nützlich und erfreulich war, schien Frau Russell unter einen verhängnisvollen Einfluß zu kommen, von dem ich zur zeit nichts ahnte. Während unserer Abwesenheit schien der Widersacher einen Geist der Streit-, Ehr- und Ruhmsucht unter einigen hervorgerufen zu haben, die ehedem jedes Anzeichen von Treue zur Wahrheit gezeigt hatten. 'Frauenrechts'- und anarchistische Ideen schienen mit im Spiele zu sein. Der Sauerteig wirkte nicht öffentlich doch sicher, und die Folge war eine Art Verschwörung seitens einiger, dem Werke zu schaden …

Später erfuhr ich auch, daß gleichzeitig der Versuch gemacht worden war, meiner Frau den Samen der Disharmonie mittels 'Frauenrechtsgedanken' und Schmeicheleien ins Herz zu säen."

Folgt man den weiteren Ausführungen, stand Russell wieder einmal vor dem Problem, dass seine Autorität nicht absolut anerkannt wurde. Die Opponenten meinten zur Begründung dabei auch auf tatsächliche oder vermutete Ungereimtheiten in Russells Haushalt verweisen zu können. Offenbar müssen diese Anwürfe ein solchen Umfang gehabt haben, dass selbst Russell eine ihn entlastende schriftliche Stellungnahme seiner Frau dazu nachdruckt.

Rückblickend bleibt allerdings die Frage offen, inwieweit dieser „Persilschein" nicht bloß ein Lippenbekenntnis war. Anfangs noch vermied ja auch Frau Russell, den offenen Bruch. Wie es in ihrem Inneren aussah, wäre eine andere Frage. Erfahrungsgemäß kulminieren Konflikte dieser Art nicht „über Nacht". Sie haben in der Regel eine längere Vorgeschichte. Das dürfte auch in diesem Fall so gewesen sein.

Offenbar spielte der Aspekt Money nicht unwesentlich mit herein. Wie bereits ausgeführt, meinte Russell zu seiner Verteidigung selbst aus den schriftlich formulierten „Persilscheinen" seiner Frau zitieren zu können. Da soll Frau Russell unter anderem zu Papier gebracht haben:

„Herr Adamson sagt auch, mein Mann verbiete das Heiraten usw. … Diese Behauptung ist so unwahr als die anderen … Dann behauptet Herr Adamson, Herr Russell habe ihm geschrieben, er möchte sein Testament so machen, daß sein Geld der Traktatkasse zufließe und seine Frau nichts davon bekomme …

Die Sache verhält sich so: Herr A. schrieb Herrn Russell ungefähr so: Ehe ich heiratete, war meine jetzige Barschaft schon dem Herrn geweiht; bei meinem Tode möchte ich nicht, daß davon etwas auf meine Frau oder ihre Verwandten übergehe; es soll in die Traktatkasse fließen.

Hierauf erwiderte Herr Russell, daß Frau Adamson nicht ignoriert werden möchte, daß sie als Frau eine berechtigte Forderung habe; wenn er sie einerseits seine Frau nenne, so verdiene sie Berücksichtigung, gleichviel, ob sie in religiöser Beziehung außer Harmonie sei, wie es Frau A. seinen Vorstellungen nach damals war. Er riet ihm, daß, falls er sich entschließe, irgend einen Teil seines Besitztums der Traktatkasse zu vermachen, es unter den obwaltenden Umständen im Interesse des häuslichen Friedens weise sei, Frau A. davon nicht in Kenntnis zu setzen. …"

Offenbar war Herr Adamson, ob dieser Antwort, wohl nicht sonderlich erbaut. Ersichtlich auch daran, das er das ganze öffentlich machte, sodass selbst die Russell's sich in der Rolle der sich nun verteidigen müssenden, wiederfanden.

Das die Verteidigungen der Frau Russell für ihren Mann in der Öffentlichkeit, wohl nicht das Papier wert waren, auf dem sie geschrieben waren, erschließt sich auch aus dem Umstand, dass Russell sich nun beklagt:

„Erst deutete sie an, daß, wie am menschlichen Leibe, zwei Ohren, zwei Hände, zwei Füße usw. seien, dies richtig genug 'die zwei eins' darstellen könne - sie und ich eins in der Ehe, im Geist und im Herrn. Da hörte der Ehrgeiz (eine Pflanze die schnell wächst) aber nicht auf. Innerhalb eines Jahres war Frau Russell zu dem Schluß gekommen, daß der letzte Teil der Stelle (Matth. 24, 48-51) nicht nur eine Warnung sei, sondern auch tatsächlich in Erfüllung gehen werde - er bedeute, daß ihr Mann diese Beschreibung erfüllen und sie infolgedessen seine Stelle einnehmen würde - als 'jener Knecht' in der Darreichung der Speise zu rechter Zeit. Das war in dem Jahre 1896. In Übereinstimmung damit hielt sie bald ihre Persönlichkeit als Hilfsredakteur im Wachtturm nicht genügend hervorgehoben. Sie wünschte, daß unter jedem Artikel, den sie schreibe, ihr Name erscheine. Ich sagte ihr, daß damit ihr Name als Hilfsredakteur gestrichen würde. Gut, meinte sie, das bedeute doch nicht viel, da niemand wissen könne, welche Artikel sie geschrieben habe. Gleichzeitig bedeutete sie, ihre Artikel müßten unverändert erscheinen.

Ich war mit allem einverstanden, machte aber darauf aufmerksam, daß die Wachtturmleser annehmen würden, ich habe meine Frau zurückgesetzt und aus dem Hilfsredakteur einen einfachen Korrespondenten gemacht. Zudem, wenn ich in ihren Artikeln keine redaktionellen Korrekturen vornehmen dürfe, würden manche gar nicht im Wachtturm erscheinen, weil es leichter sei, sie selbst zu schreiben, als mit vielen Korrekturen an sie zurückgehen zu lassen."

Der Konflikt eskalierte nun dergestalt, dass Russell beschloss das Volumen des „Wachtturms" von 12 auf 16 Seiten pro Ausgabe zu erhöhen. Das aber war nur die formale Sache der Angelegenheit. Bislang hatte Frau Russell vieles was Russell diktierte, sozusagen als seine Sekretärin, zu Papier gebracht. Nun aber beschloss Russell, die Umfangserweiterung als Vorwand nutzend, eigens einen Stenographen einzusetzen, der diese Diktate dann in die Langschrift umsetzte. Faktisches „Nebenergebnis" dabei. Frau Russell wurde so vom weiterer inhaltlicher Einflussnahme auf den „Wachtturm" ausgebootet.

Die Konflikte spitzten sich weiter zu. Charakteristisch dafür auch die Russell-Sätze:
„Frau Russells nächster Schritt war, mich so zu belästigen, daß es mir fast unmöglich wurde, mit der Arbeit voran zu kommen. … In dieser Zeit wurde sie mit einer sehr lästigen Krankheit behaftet, die viel von meiner Zeit in Anspruch nahm, und die bereitwilligst auf Kosten jeder anderen Rücksicht geopfert wurde, gleichzeitig hoffend, daß, was ich als eine Züchtigung vom Herrn betrachtete, zu ihrem Besten dienen möchte."

Man lasse sich nochmal die Vokabel von der Krankheit als „einer Züchtigung des Herrn" auf der Zunge zergehen, und man hat ein handgreifliches Beispiel, auf welchem Tiefpunkt diese Ehe bereits angekommen ist. Wie unschwer erratbar, war der Zustand „nicht mehr reparabel" erreicht. Beide Seiten kämpften nun mit „Hauen und stechen" wo immer es nur ging. Symptomatisch dafür auch die Testaments-Veränderung, die Russell nunmehr vornahm. Ursprünglich war seine Frau darin als Begünstigte ausgewiesen. Nun aber, wie Russell wörtlich im „Wachtturm" schreibt:

„Dies ist jetzt nicht mehr der Fall. Ich habe bereits alles, was ich besitze, außer meine Kleider, der Wachtturm-, Bibel- und Traktatgesellschaft übertragen."

Über die Eskalationsschritte der nunmehr enterbten Frau Russell liest man im „Wachtturm" noch:

„Am 9. November (1897) mußte ich verreisen, und sorgte ich dafür, daß sie bis zu meiner Rückkehr die Gesellschaft einer Schwester hatte. Dies war ihr recht; sie ging aber nachher fort - nach Chikago -, ohne mir die geringste Kenntnis zu hinterlassen. Ich wußte zwei Wochen lang nicht, wo sie sich aufhielt. … Später … wollte sie zu mir in Allgeheny zurückkehren. Ich verweigerte ihr diese Rückkehr … Im Januar 1898 kehrte sie nach Allegheny zurück - zu ihrer Schwester; und sie, ihre Schwestern und Freunde unternahmen nun einen Feldzug der Beschimpfung jeglicher Art."

Russell stellt die Sache so dar, als habe er nach einer gewissen Zeit, seiner Frau dann ein komfortables Haus zur Verfügung gestellt. Zitat:

„Das Haus hatte zehn Zimmer, und so hatte sie ein ziemliches Mietseinkommen von Schlafgängern. In der Hoffnung, daß eine Sinnesänderung in Aussicht sei, besuchte ich sie jeden Donnerstag abend, etwa fünfmal, als sie sagte: 'Mein Gemahl, ich befürchte, daß die Nachbarn und Schlafgänger es sonderbar finden, daß Du jeden Donnerstag herherkommst'. Der Wink genügte; ich stellte die Aufmerksamkeit ein. … Ich sah, daß die Suche nach der verschwundenen Liebe zwecklos war. Darnach wünschte sie mich nur zu sehen, wenn Reparaturen und weitere Möbel nötig waren."

Im Jahre 1903 soll Frau Russell, nach der Darstellung von Russell, gar ein eigenes Traktat drucken lassen haben, in der sie ihrem theoretisch ja noch Ehemann, öffentlich „verleumdete".

„Sie sandte diese an alle Wachtturmleser, deren Adressen sie bekommen konnte und ganze Bündel wurden an Prediger verschiedener Städte gesandt, wo nach den Wachtturmanzeigen die 'Pilger'-Brüder Versammlungen abhielten; ein Brief begleitete jedes Bündel und forderte den Prediger auf, die Traktate auf der Post abzuholen, die Versammlung der Tages-Anbruch Leute aufzusuchen und jemand dort diese Traktate verteilen zu lassen."

Damit war der Konflikt endgültig in die Öffentlichkeit gebracht. Ein weiteres „deckeln" war nunmehr nicht mehr möglich. Keine Eskalation ist wohl ohne weitere Eskalationsschritte denkbar. So wohl auch in diesem Fall.

Zitat:

„Ich gewann die Überzeugung, daß meine Unterstützung aufhören müsse, setzte meine Schwester als Verwalterin der Wohnung ein, reservierte ein Zimmer für Frau Russell und sorgte für ihre Kost. Das Resultat war eine Aufregung: Frau Russell, ihre Verwandten und Schlafgänger entfalteten eine solche Störung, daß meine Schwester genötigt war, die Polizei zur Hilfe zu rufen, während Frau Russell und ihre Freunde die Sache in der Presse nach Kräften verdrehten."

Was nun eigentlich schon lange überfällig war, trat nun doch noch ein. Der Fall landete vor Gericht. Nicht zum Vorteil für Russell dabei war auch der Umstand, dass Frau Russell für ihre Interessen einen Rechtsanwalt engagiert hatte. Da wurde nun erst recht in den „Tiefsten der Tiefen" gegraben. Und vor Gericht kamen zusätzliche Aspekte mit zu Sprache. Einer davon derjenige, den Russell in die Worte kleidete:

„Frau Russell brachte als weitere Klage 'ein zu intimes Verhältnis zwischen ihrem Manne und einer gewissen Schwester mit Namen Rose, die im Jahre 1888 ein Glied des Russellschen Haushalts wurde. Der Versuch auf Seiten Frau Russells und ihres Anwaltes, den Schein zu erwecken, daß ein sträfliches Verhältnis bestanden habe, war so augenfällig, daß das Gericht mit der Frage unterbrach, wenn die Anschuldigung ein straffälliges Verhältnis bedeute, warum das nicht zu einem Teil der Klage gemacht worden sei, und warum Rose in dem Prozess nicht Mit-Angeklagte sei. Alsdann sprachen sie es ab, daß die Klage ein sträfliches Verhältnis betreffe, sondern bedeute, daß Rose auf Herrn Russells Knie gesessen, und er sie geküßt habe. Frau Russell schwur auch, daß sie eines Nachts in Roses Zimmer gegangen sei und Herrn Russell an ihrem Bette sitzend und ihre Hand haltend angetroffen habe. …

Am folgenden Tage erklärte Herr Russell auf dem Zeugenstand, daß Rose und ihr Bruder Charles Glieder des Haushaltes und Kontorgehilfen waren … Rose war von Aussehen noch Kind … Sie mag im Jahre 1888 älter als 13 Jahre gewesen sein. Ihr Bruder kam zuerst zu uns, und dann Rose; er aber starb bald nachher. …

An demselben Abend sprach er (Russell) mit seiner Frau über Rose, und daß sie sich seit dem Tode ihres Bruders sicherlich einsam fühle und daß es eine Pflicht sei, ihre Interessen etwas sorgfältiger wahrzunehmen.

Frau Russell stimmte dem bei, und es wurde gemeinsam abgemacht, daß Rose hinfort als adoptierte Tochter angesehen und behandelt werden sollte. Dies wurde Rose in unserer Gegenwart mitgeteilt. …

Was Frau R's Behauptung betrifft, daß sie ihren Mann eines Nachts in Roses Zimmer angetroffen habe, an ihrem Bette sitzend und ihre Hand haltend, sagte Herr R., daß er sich dessen nicht erinnere, daß er aber, da er ein wenig Medizin verstehe, in Krankheitsfällen von allen Familienangehörigen in Anspruch genommen worden sei: Frau R., ihre Mutter, ihre Schwestern und deren Kinder waren es gewohnt, zu Herrn R. zu kommen, der eine für alle freie Hausapotheke hatte, schlimme Fälle aber an einen praktischen Arzt verwies. Herr R. nahm an, daß dies ein Notfall gewesen sei, bei welcher Gelegenheit es Roses Puls gezählt habe. "

Weitere Beispiele des „waschens dreckiger Wäsche" wie in solchen Gerichtsverfahren nicht unüblich, kann man auch noch diesem Artikel entnehmen, die aber hier übersprungen seien.

Paton

Noch etwas gibt es zu dieser WT-Ausgabe zu sagen. Der deutsche „Wachtturm" erschien bekanntlich erst ab 1897 (in eingeschränkten Umfange im Vergleich zum englischen Original). Da gab es in letzterem im Jahre 1894 einen „Erntesichtungen" überschriebenen Artikel. Der nun wird in dieser Ausgabe mit nachgedruckt. In der Substanz beschreibt er Russell's Wege zum Adventismus, seine zeitweilige Zusammenarbeit mit diesbezüglichen Kreisen, seine dann erfolgte „Selbstständigmachung", die Konflikte um Barbour usw. Weitere Bereiche dieser Ausführungen, kann man in der Substanz auch im Band 7 der „Schriftstudien" später noch nachlesen. Dort sind aber diese Details eher aufgesplittet. Zugeordnet vermeintlich „passenden" Bibelstellen, die man „auslegt".

Einen Aspekt, so scheint mir, begegnet man im Band 7 indes nicht so deutlich; wenn man ihm überhaupt „begegnet". Das wären dann die Konflikte die Russell auch mit Paton hatte, einem der eigentlichen Urväter der „Schriftstudien". In diesem „Erntesichtungs„-Artikel kommt Russell nun auch auf Paton mit zu sprechen. Ein paar diesbezügliche Auszüge daraus:

„Während eines Teiles dieser Feuerprobe (Konflikte mit Barbour), …wurde uns die ernste Mitwirkung von Mr. Paton zuteil, der bis zum Sommer 1881 ein geschätzter Mitarbeiter … war … Da das Buch 'Die drei Welten' seit einiger Zeit vergriffen war, so erschien es ratsam, eine neue Auflage davon oder aber ein neues Buch ähnlichen Charakters herauszugeben. Mr. Paton erklärte sich bereit, dasselbe für die Presse fertigzustellen, während Mr. Jones sich erbot, alle Kosten für den Druck und die Buchbindertätigkeit zu tragen, und Mr. Paton so viele Exemplare des Buches zu geben, wie er verkaufen könne, als eine Entschädigung für die Mühe der Schriftleitung: ich hingegen sollte das Buch ausgiebig und kostenfrei im 'Wachtturm' annoncieren, da durch meine Empfehlung die Nachfrage nach dem Buch und eine Wiedereinbringung des verausgabten Betrages sowie eines Ueberschusses gewährleistet sei. … Nicht nur erklärte ich mich damit einverstanden, sondern leistete auch eine Beihilfe zu Mr. Patons persönlichen Auslagen in Verbindung mit der Herausgabe und zahlte überdies auf sein Ansuchen hin, auch einen Teil der Druckerrrechnung.

Für mich allein schloß die Herausgabe des Buches 'Tages Dämmerung' betitelt, schließlich mit einem finanziellen Verlust ab, während Schreiber und Herausgeber beide finanziellen Nutzen davon hatten, indem ich zur Bekanntgabe des Buches alles durch wiederholte Annoncen getan hatte."

So zog es Russell dann perspektisch vor, weitere Geschäfte lieber auf eigene Rechnung zu machen. Wie schon beim Fall Barbour bildeten theologische Sophistereien den vorgeschobenen äußeren Grund dafür.

Siehe auch die Nennung des Namens Patons auf dem Titelblatt des „Herald"

Was zu erwarten war, trat ein. Die religiöse Konkurrenz ließ sich Russells nun offenbar gewordene Eheschwierigkeiten nicht entgehen. Und was auch noch zu erwarten war, trat ebenfalls ein. Diesbezügliche Veröffentlichungen wurden von Russell's Organisation mit Presserechlichen „Berichtigungen" traktiert. Beispiele dafür kann man auch im deutschen „Zions Wacht Turm" vom Juni 1907 (S. 105) nachlesen. Da wird ausgeführt:

„Der Sendbote, - Organ der deutschen Baptisten Nord-Amerikas", vom 13. März d. J. , bringt unter „Editiorelles" folgende Berichtigung:

„Vor einiger Zeit berichteten wir, daß Rev. Chas. T. Russell, der Gründer der als „Russelliten" oder „Tagesanbruchsleute" bekannten Gemeinschaft und Verfasser ihres weiterverbreiten Buches „Tagesanbruch", sowie Editor der Zeitschrift „Wachtturm", von seiner Frau auf Scheidung verklagt worden sei und daß das Gericht ihr die begehrte Scheidung gewährt habe. Das ist soweit richtig. Es stellte sich aber heraus, daß die von der Presse verbreitete Angabe, daß die Scheidung auf Grund schwerer moralischer Vergehungen, deren seine Frau ihn beschuldigt haben soll, ohne daß er ihre Beschuldigungen widerlegt hätte, gewährt worden sei, grundlos ist. Es wurden von Frau Russell keine Beschuldigungen moralischer Vergehungen gegen ihren Mann erhoben. Die Scheidung wurde gewährt aus dem Grunde, weil die Geschworenen glaubten, daß die beiden, wenn auch kein gerechter Grund zur Scheidung vorlag, doch glücklicher sein würden, wenn sie voneinander getrennt lebten. Während wir mit den Lehransichten von Rev. C. T. Russell nicht übereinstimmen, wollen wir doch gerecht sein gegen ihn und widerrufen daher die von uns gemachte, anderen Blättern entnommene Andeutung, daß bei dem Scheidungsprozeß moralische Vergehungen seinerseits zutage gefördert worden seien."

Als weiteres Presseorgan wird zitiert:

„Der Christliche Apologete, - Deutsches Organ der Bischöflichen Methodistenkirche" vom 17. April d. J. bringt unter „Editiorelle Notizen" „Eine Berichtigung:"

„In der Ausgabe des „Christlichen Apologeten" vom 16. Mai 1906 haben wir einige Äußerungen bezüglich des Rev. C. T. Russell von Allgeheny, Pa, gemacht, welche schwer auf seinen moralischen Charakter reflektieren. Es wurde behauptet, daß in dem Ehescheidungsprozeß, welcher von seiner Frau gegen ihn angestrengt wurde, ihre Zeugenaussagen von ihm nicht widerlegt worden seien. In dem „Apologeten" vom 20. Juni desselben Jahres erschien ebenfalls eine Einsendung von einem unserer Korrespondenten, welche auf diese Behauptungen Bezug nahm. Es wird uns nun mitgeteilt, daß Rev. C. T. Russell in diesem Verhör keines moralischen Vergehens beschuldigt wurde und daß in bezug auf die Angelegenheiten zwischen ihm und seiner Frau er seine Integrität in jeder Beziehung aufs positivste behauptet habe und fernerhin, daß seine Frau auf dem Zeugenstand ebenfalls aufs bestimmteste behauptet habe, daß ihr Mann ein sittlich reiner Mensch sei und daß sie in dieser Beziehung keinerlei Klage gegen ihn zu erheben habe. Herr Russell behauptet, daß die Reflektionen gegen ihn auf eine indirekte Weise in das Verhör hereingezogen wurden und nur auf Hörensagen beruhten. - Da es uns ferne liegt, in diesen Spalten irgend eine Tatsache mißrepräsentieren zu wollen, und besonders nicht, wenn der moralische Charakter irgend einer Person dadurch affiziert wird, so sind wir gern bereit diese Berichtigung zu machen, und bedauern, daß wir in Gemeinschaft mit einer Anzahl Zeitschriften die Berichte der weltlichen Presse mißleitet wurden, welche zur Zeit zuverlässig erschienen, aber seitdem sich als falsch herausgestellt haben."

Auch in die deutsche Kirchenpresse waren diese Berichte über Russell „übergeschwappt", was auch die nachfolgende Klage aus dem vorgenannten „Wachtturm" deutlich macht:

„Wir freuen uns, den lieben Lesern des Wachtturms diese beiden Berichtigungen unterbreiten zu können, von denen man, wo es nötig ist, den geeigneten Gebrauch machen wolle. Wir warten schon längere Zeit darauf, daß „Der Gärtner" von Witten, „Licht und Leben" von Schwerte von Bayern, der „Zionspilger" von Langnau, der „Wahrheitszeuge" von Cassel, „Der Säemann" von Elberfeld, „Philadelphia" von Stuttgart, das „Allianzblatt" von Blankenburg, das „Barmer Sonntagsblatt", „Das Volk" von Siegen und Berlin, der „Christliche Volksbote" von Basel und das „Berner Tageblatt" eine ähnliche Berichtigung bringen, sintemal sie in ähnlicher Weise die schändlichen Verleumdungen nachgedruckt haben. Am 19. April haben wir sie auf die obige Berichtigung des „Sendboten" aufmerksam gemacht und ihnen gleichzeitig die Aprilnummer des Wachtturms gesandt und sie gebeten, eine Berichtigung zu bringen und uns ein Exemplar der Nummer des lattes zugehen zu lassen, in welcher die Berichtigung erfolgt. Wie gesagt, bis dato (d. 25. Mai) haben wir noch keine Silbe gehört, doch hoffen wir, daß die Berichtigung demnächst bald erfolgen wird, was wir den Lesern des Wachtturms dann gerne mitteilen."

In der August-Ausgabe 1907 konnte der deutsche „Zions Wacht Turm" dann mitteilen:

„Erfreulicherweise können wir mitteilen, daß das 'Allianzblatt' von Blankenburg. 'Philadelphia' von Stuttgart und der 'Brüderbote' von Bayern eine Berichtigung betr. obiger Angelegenheit gebracht haben im Sinne derjenigen Berichtigungen, die wir in der Juninummer des Wachtturms auf Seite 105 abdruckten."

Mißmutig muss der WT aber auch registrieren:

„'Licht und Leben' hingegen, redigiert von Pastor Wilh. Busch, hat in schändlicher Weise in der Mainummer die Sache nur zu verschlimmern gesucht."

Auch in den nachfolgenden Jahren erwies sich besonders „Licht und Leben" als einer der potentesten Gegner der Russelliten innerhalb der deutschsprachigen Kirchenpresse. Dazu kann man auch vergleichen:

19082Kaiser

19092Geiges

19092Licht

Übrigens pflegte die Russell-Bewegung bezüglich „Licht und Leben" zurückzuschießen. Das Jahr 1907 war jenes Jahr in welchem die damals neu aufgekommene „Pfingstbewegung" die Gemüter bewegte. Auch der „Wachtturm" äußerte sich zur ihr ablehnend. Auch „Licht und Leben" nahm aber zu ihr auch Stellung. Und genau diese Stellungnahme glaubt nun „Zions Wacht Turm" in seiner Ausgabe vom Dezember 1907 in der Form eines Leserbriefes „aufspießen" zu sollen. Man liest da:

„Die sektiererische Bewegung im Bezirk Kassel … die Gemüter verwirrte, hat, wie bekannt, das königl. Konsistorium in Kassel zur Stellungnahme gegen die Sektierer veranlaßt. Man sollte nun meinen, daß alle kirchlich Gesinnten das Vorgehen des Konsistoriums freudig begrüßen und unterstützen würden. Weit gefehlt. So schreibt der Herausgeber der … Wochenschrift 'Licht und Leben', Pastor Dr. Busch, in der letzten Nummer seines Blattes über diese Bewegung:

'Was sollen wir sagen zu dieser ganzen Sache? Die große Gegnerschaft kann uns nicht bestimmen, ein absprechendes Urteil zu fällen. Namentlich das wütende Geschrei der judoliberalen Blätter spricht uns eher für die Sache, als dagegen. Wir glauben, daß die Bewegung allerdings eine große, tiefgehende Erweckung ist, die der Herr geschenkt hat. Dafür wollen wir ihm dankbar sein. Es ist ja allerdings am bequemsten, wenn solche außerordentlichen Erscheinungen auftreten, sie einfach abzutun mit krankhaften Verirrungen, Suggestion, Hysterie usw. Aber gerecht ist das nicht! Wir glauben ganz bestimmt, daß hier heilige Kräfte auf dem Plane sind. Wo Sünden bekannt und ausgeliefert werden, da ist Gott der Herr mit seinem Geiste wirksam. Je mehr wir dieser Überzeugung sind, desto ernstlicher wünschen wir, daß nicht möchte Gottes Geisteswerk durch Menschen gehindert werden.'

Und dazu kommentierte dann der Schreiber des abgedruckten Leserbriefes:

„Man könnte den Dr. Busch mit seinem frommen Wunsche sich selbst überlassen, wenn nicht sein Blatt 'Licht und Leben' als die köstlichste Geistesnahrung von der orthodoxen Geistlichkeit nicht allein im Erscheinungsgebiet Kassel, sondern durch ganz Deutschland, auch in der Rheinprovinz, eifrig durch Küster, Diakonissen, Diakonen und Schulkinder verbreitet würde. Und mit diesem 'Licht und Leben' soll die evangelische Kirche erbaut werden."

1907er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte

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