Annotationen zu den Zeugen Jehovas
Filmemacher Poppenberg
1.) Fritz Poppenberg's Blutvideo
2.) Poppenbergs KdöR-Video
3.) "Folget mir nach"
4.) Hermine Schmidt
5.) "Gott würfelt nicht"
6.) Was Darwin nicht wissen konnte
1.) Fritz Poppenberg's Blutvideo
Im Abspann desselben, in der Danksagung an diejenigen die die Herstellung dieses Videos unterstützt haben, findet sich unter anderem auch der Name des WTG-Rechtsanwaltes P..
Seine Rolle wird noch deutlicher durch die Wiedergabe einer bestimmten Filmsequenz. Da hatte der Fernsehsender MDR (Mitteldeutscher Rundfunk) in Verantwortung der Kirchenfunkredaktion (Serie "Gott und die Welt") auch einen Kurzbeitrag im Jahre 1994 gesendet, in dem von dem Fall eines kleinen Jungen berichtet wurde, dem ärztlicherseits attestiert wurde, dass eine Herzoperation für ihn unabdingbar ist. Seine Mutter: Eine Zeugin Jehovas. Wie man unschwer erraten kann, untersagte selbige den Ärzten die Verwendung von Blut bei der Operation. Der MDR hatte nun berichtet, dass jener Mutter im Vorfeld das medizinische Sorgerecht über ihr Kind, zeitweilig, gerichtlich entzogen wurde. Weiter besagte jener Filmbericht, dass die Operation dann erfolgreich durchgeführt werden konnte.
Poppenberg seinerseits (offensichtlich durch P. "gespickt") interviewte den ausführenden Arzt. Dabei ergab sich der Sachverhalt, dass jene Operation tatsächlich ohne Bluttransfusion vonstatten ging. Mehr noch, dass auch jener Arzt gewisse medizinisch begründete Bedenken gegen die Verwendung von Fremdblut hat und auch seinerseits daran interessiert war, ohne Fremdbluteinsatz auszukommen.
An diesem Punkt setzte offenbar die Aktivität von P. ein. Er zwang den Mitteldeutschen Rundfunk über einen entsprechenden Gerichtsbeschluss dazu, dass fragliche Filmsequenz in der inkriminierten Form nicht wiederholt werden darf. Im Übertretungsfall wird eine Strafandrohung von 500 000 DM akut.
Das ist die Story, die Poppenberg dem Zuschauer zu "rechten" Einstimmung offeriert. Er vermerkt auch solche Details wie; dass in der Stadt Berlin täglich 600 Blutkonserven verbraucht; durch Berliner Blutspender aber nur 300 Blutkonserven pro Tag an Spenden zusammenkommen. Er lässt eine Reihe von medizinischen Fachkapazitäten zu Wort kommen, die allesamt gewisse (wenn auch nicht totale) Vorbehalte gegen Bluttransfusionen haben. Tenor dieser Aussagen ist, dass Bluttransfusionen sehr wohl in einigen Fällen entbehrlich sind, wo sie bislang als "unentbehrlich" angesehen wurden.
Ein Arzt wird auch mit seiner Aussage zitiert, dass die Zeugen Jehovas sich als ideales Experimentierfeld erweisen, zur Forcierung weiterer diesbezüglicher Studien in dieser Richtung. Die Ärzte haben in ihren Fällen die Gewissheit auch in solchen bisher als problematisch angesehenen Grenzfällen (Bluttranfusion ja oder nein) sich für die Verneinung entscheiden zu können. Ohne befürchten zu müssen im Negativfall etwa wegen unterlassener medizinisch gebotener Hilfeleistung, nachträglich gerichtlich belangt zu werden.
Wahrhaftig willige "Versuchskaninchen" stehen ihnen damit zur Verfügung.
Indes zu der Aussage: Bluttransfusion unter allen Umständen: Nein, ohne wenn und aber, mag auch Poppenberg sich nicht durchzuringen. Er meint auch einen diesbezüglichen Ausweg gefunden zu haben, den er in seinem Video durchaus betont herausstellt. Auch an Fallbeispielen. Und zwar die Eigenblutspende. Er berichtet von Fällen, wo den Patienten schon einige Wochen vor ihrer beabsichtigten Operation, das eigene Blut entnommen und speziell für die beabsichtigte Operation gezielt aufbewahrt wird. Dann haben die Ärzte die Chance, im Bedarfsfall, dem Patienten das eigene Blut während der Operation wieder zu transfundieren. Dies sieht auch er unter dem Gesichtspunkt als sinnvoll an, dass damit eine ganze Reihe von Gefahren, die mit einer Fremdblutübertragung verbunden sein können, aus dem Wege gegangen werden kann.
Dies ist der eigentliche "Trumpf", den Poppenberg glaubt im Verfolg seines Videos ausspielen zu können.
Im Umschlagtext zu seinem Video, nennt er sie ausdrücklich, die Zeugen Jehovas. Es ist auch offenkundig, dass er mit der Vermaktung dieses Themas in Videoform auch speziell auf sie abzielt. Dennoch muss man Poppenberg einen gewichtigen Vorwurf machen. Er baut Potemkinsche Dörfer, zaubert eine Fassade herbei, die keineswegs mit der tristen Wirklichkeit übereinstimmt.
Alle seine Fallbeispiele setzen Zeit voraus. Notfälle, wo es um Stunden oder gar Minuten gehen kann, kommen in seiner Betrachtung nicht vor.
Noch eins. Die Mediziner werden von Poppenberg ausführlich interviewt. Aber nicht ein einziges relevantes Interview mit Zeugen Jehovas selbst ist nachweisbar. Die Filmsequenz, dass auf einer Wissenschaftlertagung auch englischsprechende Vertreter von Krankenhausverbindungskomitees der Zeugen Jehovas vertreten sind, beseitigt diesen grundsätzlichen Makel nicht.
Und noch etwas. Poppenberg, wohl kaum als "Bibelkundiger" anzusprechen, zitiert auch entsprechende von den Zeugen Jehovas ihm mitgeteilte Bibelstellen. Was er hingegen nicht zitiert, ist die Literatur der Wachtturmgesellschaft. Sozusagen deren "Ausführungsbestimmungen".
Da veröffentlichte der "Wachtturm" beispielsweise in seiner Ausgabe vom 1. 10. 1978 eine sogenannte "Leserfrage", die genau diesem Aspekt der Eigenblutübertragung gewidmet war.
In der diesbezüglichen WTG-Antwort konnte man lesen:
"Fragen von Lesern
ó Ein Arzt erklärte, daß sich ein Patient vor einer Operation etwas Blut entnehmen und es aufbewahren lassen könne für den Fall, daß während der Operation eine Transfusion erforderlich sei. Welche Haltung sollte ein Christ zu einer solchen Verwendung seines eigenen Blutes einnehmen?
Vom ärztlichen Standpunkt aus mag dieses Vorgehen sehr praktisch erscheinen. Bei einer Übertragung von Fremdblut ergeben sich große Gefahren. Man geht anscheinend geringere Risiken ein, wenn einer Person Eigenblut transfundiert wird. Deshalb besteht unter den Ärzten ein Trend zur sogenannten „autologen Transfusion". Das heißt, daß dem Patienten Eigenblut entnommen wird, das man in einer „Blutbank" für eine eventuell erforderliche Transfusion aufbewahrt. Wenn der Spender das Blut nicht benötigt, kann es für andere Patienten verwendet werden.
Wie ... (in) dieser Zeitschrift gezeigt wird, steht die Übertragung von Blut im Widerspruch zur Bibel. ...
Wenn einem Christen daher von einem Arzt der Vorschlag gemacht wird, sich Blut entnehmen und es in einer Blutbank für spätere Transfusionszwecke aufbewahren zu lassen, verfügt der Christ über eine biblische Anleitung dafür, wie er richtigerweise handeln sollte. Er kann darauf hinweisen, daß den Israeliten gesagt worden war, sie sollten ausgeflossenes Blut „auf die Erde ausgießen wie Wasser", wodurch gezeigt wurde, daß das Blut Gott gehörte und nicht dazu dienen sollte das Leben eines Geschöpfes zu erhalten (5. Mose 12:24). Er kann auch auf das treffende Gebot hinweisen, daß sich Christen 'des Blutes enthalten' sollten. Wie könnte er angesichts dieses Gebotes zulassen, daß sein Blut in einer Blutbank aufbewahrt würde, damit es ihm selbst oder einer anderen Person später verabreicht werden könnte?"
Auch im "Jahrbuch 2005 der Zeugen Jehovas" (S. 16) wird der Fall eines Zeugen Jehovas in den USA geschildert, der die Verwendung von Eigenblut als Transfusion, ausdrücklich verweigerte. Weil der behandelnde Arzt das nicht beachtete, wurde er gar noch zum "Dank", gerichtlich verklagt.
Vielleicht sollte man abschließend (nicht als Hauptargument - aber doch der Erwähnung wert), auch noch zitieren, was in einem Artikel vom 2. 8. 1995 zu lesen war. Jener Artikel ging auch speziell auf das Thema Eigenblutspende ein.
Nun mag man diesem Artikel entgegen halten. Auch andernorts gibt es eine "Zweiklassenmedizin" getreu dem bitteren Spruch. "Weil du arm bist - musst du früher sterben". Man mag argumentieren. Man könne sich ja auch privat versichern, bzw. unter entsprechenden Zuzahlungen behandeln lassen, und damit sei der Aspekt dieses Artikels "erledigt". Ist er es wirklich, in einer Zeit wo eine Schauermeldung nach der anderen, auch finanzielle Aspekte des Gesundheitswesens betreffend, die Öffentlichkeit erreicht?
Wie immer man diese Frage beantwortet. Eines bleibt meines Erachtens doch bestehen. Das Thema Eigenblutspende als die "Ultima ratio" hinzustellen, beachtet nicht ausreichend die triste Alltagswirklichkeit. Es mag nicht in Abrede gestellt werden, dass die sogenannten Krankenhaus-Verbindungskomitees der Zeugen Jehovas, aus der medizinischen Fachliteratur alles das herausfiltern, was ihnen für ihre Zielstellung nützlich erscheint. Trotz dieser nicht bestrittenen Leistungen bleibt ein Restrisiko. Und dieses Risiko darf man getrost so benennen.
Das entsprechende Blatt schrieb:
"Allerdings ist die Spende von Eigenblut nur vertretbar, wenn das körperliche Befinden des Patienten einen Aderlaß erlaubt. Personen die an Blutarmut oder Kreislaufschwäche leiden, sind hierfür wenig geeignet. Auch sollte der Kranke bei der Entnahme frei von Infektionen sein, da sich die Keime in der Blutkonserve vermehren und anschließend einen lebensbedrohlichen Schock auslösen könnten.... Ein entscheidender Nachteil der Behandlung mit Eigenblut ist der hohe personelle, organisatorische und finanzielle Aufwand. … Den Berechnungen des amerikanischen Internisten zufolge kostet ein Beutel mit Eigenblut - abhängig von der Art der Operation - mit rund 70 bis 4500 Dollar mehr als die gleiche Menge fremden Blut. Dabei ist die Eigenspende vor allem deshalb so teuer, weil sie nur einmal gespendet wird und zudem die weitere Verwendung überschüssiger Konserven nicht möglich ist."
"Blut auf Leben und Tod", ist aus meiner Sicht ein "Gefälligkeitsvideo" von denen es ja bei Herrn Poppenberg nicht mangelt. Im Prinzip offeriert er lediglich darin das diesbezügliche dogmatische Selbstverständnis der Zeugen Jehovas. Letztere meinten früher, dass ihr vorgebliches "Gottesgebot" und nicht wissenschaftliche Kritik an Bluttransfusionen, das Entscheidende sei.
Inzwischen ist da eine Akzentverschiebung eingetreten. Poppenberg und B. (beide keine Unbekannten Gefälligkeitschreiber für die Zeugen Jehovas) stellen nun insbesondere wissenschaftliche Kritik an Bluttransfusionen vordergründig heraus um so die Zeugen Jehovas als die "bahnbrechenden Pioniere" für eine "bessere Medizin" zu verkaufen. In bekannter apologetischer Tendenz gingen einzelne Zeugen Jehovas gar so weit, in einem Diskussionsforum gar die Existenz von Todesfällen aus Gründen der Bluttransfusionsverweigerung durch Jehovas Zeugen zu bestreiten. Ein dortiger Diskussionsteilnehmer (Andreas Zerbst - kein Zeuge Jehovas) fasste mal die diesbezüglichen Zeugenargumente gekonnt zusammen:
>>Wir koennen also festhalten, dass Bluttransfusionen, egal zu welchem >>medizinischen Zweck durchgefuehrt, stets mehr schaden als nutzen. Und >>dies war in der Vergangenheit so und wird auch in der Zukunft so sein, >>d.h Bluttransfusionen sind eher Gift als dass sie Plazebo sind, von >>lebensrettender Wirkung ganz zu schweigen. Insbesondere koennen wir >>davon ausgehen, dass Bluttransfusion niemals notwendig ist oder war, >>um ein Menschenleben zu retten. Es gibt nicht einen einzigen Fall, >>in dem ein Mensch deswegen gestorben ist, weil er keine Bluttransfusion >>bekommen hat, einfach, weil es keine Indikation fuer Bluttransfusion >>gibt. Offensichtlich ist Bluttransfusion lebensgefaehrlicher >>medizinischer Humbug, an dem sich Aerzte, Krankenhaeuser und >>medizinische Firmen gesundstossen wollen, um uns vom Leben und von >>Gott zu trennen.
>>Habe ich das jetzt richtig zusammengefasst? > >Ja so in etwa :-) !!! >Grüße Michael
Da Andreas Zerbst so präzise herausgearbeitet hat, wie Jehovas Zeugen als "verkannte Genies" die Medizin revolutionieren, indem sie Ärzte die in bestimmten Situationen noch Bluttransfusionen als notwendig erachten - als "Quacksalber" demaskieren, sei noch eine Errungenschaft der Zeugen Jehovas in Erinnerung gebracht.
Gibt es heute eigentlich noch Kochtöpfe aus reinem Aluminium im Angebot? Ich vermag das nicht auf Anhieb zu beantworten. Aber es scheint mir doch so zu sein, dass emaillierte Töpfe oder Edelstahltöpfe wohl vorherrschend sind. Jedenfalls ist wohl heutzutage reines Aluminiumgeschirr nicht mehr das diesbezügliche Hauptangebot.
Auch dabei haben die oben genannten "verkannten Genies" ihren Anteil, indem sie schon in den dreißiger Jahren vehement die Menschheit darüber informierten, dass Aluminiumgeschirr zu Vergiftungen führe. "Schade nur", dass die Zeugen Jehovas in diesem Punkt dem Druck der ungläubigen Menschheit stattgegeben haben, und ihre diesbezügliche "revolutionäre" Erkenntnis wieder klammheimlich dem vergessen überantwortet haben.
Ach ja, da gibt es ja noch eine Geißel der Menschheit. Die Krebskrankheit. Auch du wussten unsere verkannten Genies revolutionären Rat. Fort mit Chemotherapie und ähnlichem, was da die ungläubige Ärzteschaft anwendet. Es gibt da ein weit besseres Mittel. "Weintrauben bis zur Vergasung essen", dann wird alles wieder gut.
Auch hier im Sinne von Andreas Zerbst mein Kommentar. Schade, dass die "verkannten Genies" mit dem direkten Draht zu Jehova, auch diese revolutionäre Erkenntnis wieder dem vergessen anheimfallen gelassen haben!
Schade auch, dass Herr Poppenberg nicht auch darüber referiert hat!
Summa Summarum. Der Geschäftemacher Poppenberg hat wieder einmal, bezogen auf Jehovas Zeugen, einen untauglichen Beitrag abgeliefert.
2.) Poppenbergs KdöR-Video
Als fast alleiniges Hauptthema der Webseite der "Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland" ist diese dem Thema "Körperschaft des öffentlichen Rechts" gewidmet. Dokumentiert werden dort die verschiedenen Phasen der juristischen Auseinandersetzung dazu. Ein ganzes Heer von Juristen hat sich mittlerweile schon mit diesem "Jahrzehntestreit" beschäftigt.
Alle nur denkbaren Hilfstruppen wurden dazu mobilisiert. Ein
weiteres Mosaiksteinchen dieser Stimmungsmache gilt es zu nennen. Auch der
Filmemacher Poppenberg, bekannt durch diverse Pro-Zeugen Jehovas-Videos,
schaltet sich mit in dieses Geschäft ein.
Zwei besondere "Kronzeugen" stellt auch er vor, einmal die Gabriele Y.,
die aber lediglich durch ein Standbild und ein entsprechendes Zitat von ihr, in
diesem Video präsent ist. Und zum anderem den Professor B.. Auch ein einschlägig
"Bekannter". Mit zu Wort kommt auch noch WTG-Präsident P., mit einem Statement,
dass nicht neu ist, und dass er offenbar schon bei den einschlägigen
Gerichtsverhandlungen, im Anschluss daran der Presse verkündete.
Mit im Bild gezeigt wird auch der WTG-Justitiar Glockentin.
Zu letzterem ist anzumerken, dass er in diesem Video auch eine sachlich falsche
Aussage machte.
Glockentin bemerkt richtig, dass der Streit zum Ende der DDR seinen Ausgang
nahm. Ihre dortige Neuanerkennung interpretiert er als adäquat zum
Körperschaftsstatus in der alten BRD. Genau dies ist die Falschaussage. Mit der
DDR-Verfassung von 1968, wurden auch die kirchenpolitischen Paragraphen, im
Vergleich zur DDR-Verfassung von 1949 grundlegend revidiert. In der Praxis war
diese Revision eine akute Beschneidung des kirchlichen Priviliegienbündels auf
einen einzigen Paragraphen, der nebulös davon redet, das weiteres per
Verhandlung festzulegen sei. Mit dieser 1968 DDR-Verfassung war jeglicher
Körperschaftsstatus de facto für die Kirchen abgeschafft worden. Die 1990-er
Neuanerkennung der Zeugen Jehovas, seitens der DDR, ist daher keineswegs als
Anerkennung im Sinne des Alt-Bundesrepublikanischen Körperschaftsrechtes zu
bewerten.
Die Ausführungen von B. in diesem Video sind ja im Prinzip nicht neu. Ihre Tendenz ist, wie voraussehbar, auch die Zeugen Jehovas sollten (seiner Meinung nach) KdöR werden. Den Großkirchen wirft er vor, dass sie aber nach wie vor in dieser Frage die Definitionsmacht hätten. Und er stellt weiter die Frage, ob das nun besonders ausgeleuchtete Erziehungsverhalten der Zeugen Jehovas beispielsweise. Ob, so es dabei nachweisbare Entgleisungen gegeben hat. Ob man solche "Entgleisungen" nicht auch in Religionsgemeinschaften nachweisen kann, die bereits KdöR sind.
Etwas wird in diesem Poppenberg-Video nicht mit der gebotenen
Deutlichkeit angesprochen. Dies ist die Frage; welche Konsequenzen die
Verleihung des KdöR-Status nach sich zieht. Auch B. merkt an, dass etwa seit den
fünfziger Jahren, die Neuverleihungen von KdöR-Status nur noch sehr
zurückhaltend erfolgte.
Man kann die These gar aufstellen, dass Poppenberg-Video tut es nicht. Dafür tue
ich es mal. Die These wäre, dass die bereits rund 30 Religionsgemeinschaften in
Deutschland mit KdöR-Status, diesen bereits fast alle Ende der 1940-er Jahre
besaßen. Das faktisch seit diesem Zeitpunkt kaum oder nur sehr wenige
Neuverleihungen dieses Status erfolgten.
Hier agieren in der Tat die Zeugen Jehovas als eine Art
"Wellenbrecher". Die Erreichung ihres Zieles wird noch sie doch ein
unabsehbares Maß an "Nachfolgeanträgen" mittelfristig bewirken. Gerade diesen
Aspekt haben die Lobbyisten Poppenberg und B. aber in ihrem Video keineswegs
thematisiert. Nicht thematisiert haben sie auch, dass jeder neue KdöR-Fall
unabsehbare fiskalische Konsequenzen nach sich zieht (für den Staat - das
Gemeinwesen aller Bürger, einschließlich der Religionslosen oder Atheisten) die
auch dafür mit bezahlen dürfen.
Nicht mit erwähnt in dem Poppenberg-Video ist auch, dass vor einiger Zeit (das
heisst auch im Jahre 2002) ein Buch von Carsten Frerk erschienen ist,
dass sich gezielt der Frage widmet "Finanzen und Vermögen der Kirchen in
Deutschland" (ISBN: 3-932710-39-8).
Gesamteindruck der Studie von Frerk. In geradezu ausbeuterischer Weise, plündern die KdöR-Religionsgemeinschaften den deutschen Michel, namens Steuerzahler. Nur ein kleines Beispiel aus der Studie von Frerk. Wird jemand arbeitslos, der davor auch keiner Kirchensteuerpflicht unterlag, eben weil er keiner Kirche angehört, wird bei der Berechnung seines Arbeitslosengeldes er vom Arbeitsamt jedoch so eingestuft, als wenn er die Jahre davor auch Kirchensteuer bezahlt hätte. Im Klartext. Sein Arbeitslosengeld wird entsprechend reduziert (Frerk S. 36).
Noch ein Beispiel. Frerk (S. 11) beziffert die
Kirchensteuereinnahmen der beiden Großkirchen im Jahre 2001 auf etwa 17
Milliarden DM. Aufgestockt wird diese Summe aber auch noch durch sogenannte
"Staatsdotationen" die Frerk für das Jahr 2000 auf rund 812 Millionen DM
beziffert (Frerk S. 103).
Es sollte auch niemand glauben, nur Religionsgemeinschaften tätigen auf
KdöR-Basis den Griff in die Staatskasse. Gerade dieser Status beinhaltet auch
eine Reihe von geldwerten Vorteilen. Angefangen von Steuerersparungen, über den
staatlicherseits getätigten Kirchensteuereinzug, und anderes mehr. Für die
bereits den KdöR-Status habenden gilt zudem der "Paritätsgrundsatz". Was den
"großen" recht ist, wird für die kleinen auch als billig angesehen,
staatlicherseits.
Der Körperschaftsstreit der Zeugen Jehovas spielte sich auch und besonders im Lande Berlin ab. Jenes Bundesland, dessen Zahlungsunfähigkeit mittlerweile sich bis ins letzte Dorf herumgesprochen haben dürfte. Am 21. 9. 2002 beispielsweise, veröffentlichte eine hiesige Zeitung ein Interview mit dem derzeit regierenden Berliner Bürgermeister Wowereit. Aufgeschreckt durch ein Streichszenario seines Finanzsenators kündigt der Bürgermeister an; dass etliche dieser Streichvorlagen in der Konsequenz politisch nicht durchsetzbar seien. Gefragt was nun, wie weiter, kündigt er dann an, unabhängig davon, welche Farbe die nächste Bundesregierung tragen werde, wird er sich um Verhandlungen mit dieser bemühen, zwecks Abmilderung der Berliner Finanzkrise. Und so seine Ankündigung. Kommt die Bundesregierung Berlin nicht diesbezüglich auf dem Verhandlungswege entgegen, werde er nicht säumen gerichtlich in Karlsruhe die Forderungen einzuklagen.Etwas weniger verklausuliert formuliert. Es steht die Forderung im Raum, der Berliner Haushalt müsse durch den Bund ect. mit gestützt werden.Die Konsequenz des Zeugen Jehovas Urteils besteht aber in weiteren, zusätzliche Belastungen finanzieller Art, auch für den Berliner Haushalt.
In Heft 3/2002 der Zeitschrift MIZ präzisiert der
Buchautor Carsten Frerk (Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland) seine
Angaben über die Staatliche Finanzierung der Kirchen.
Es ist ein erschreckendes Szenario, dass er da über den Kirchenfilz-Staat
Bundesrepublik Deutschland, offenlegt.
Zurecht verweist Frerk auch darauf, dass auch der "Verzicht" auf ansonsten
übliche Einnahmen, den Kirchen zugute kommt. Da hat man nur zu sagen, schon
heute, partizipieren auch die Zeugen Jehovas mit davon, indem beispielsweise ihr
Druckereibetrieb nicht den Steuern unterworfen wird, wie sie ansonsten
branchenüblich sind.
Gleichwohl ist einzuräumen, dass KdöR-Kirchen noch weit höher von diesem
staatlichen Entgegenkommen partizipieren.
Ein paar Sätze aus dem Artikel von Frerk:
"Die Kirchen und ihre Einrichtungen sind befreit von der Körperschaftssteuer,
der Gewerbesteuer, der Umsatzsteuer, der Grundsteuer, der
Kapitalertragssteuer/Zinsabschlagssteuer und von den nach Landesrecht zu
zahlenden Gebühren. Zudem sind Spenden, Erbschaften und Stiftungszuwendungen für
die Kirchen steuerfrei.
Aufgrund der Steuerbefreiung der Kirchen selber verzichtet der Staat auf rd. 2,7
Mrd. Euro, durch die steuerliche Absetzbarkeit des Schulgeldes auf 12 Mio. Euro,
von Spenden auf rund 300 Mio. Euro und durch die Steuerbefreiung der
konfessionellen Krankenhäuser auf rd. 2,8 Mrd. Euro.
Insgesamt verzichtet der deutsche Staat also auf rund 10,3 Mrd. Euro Einnahmen
zugunsten der Kirchen und ihrer Einrichtungen, die damit subventioniert werden.
Neben diesem gut organisierten Subventionsdickicht zwischen
Staat und Kirche gibt es noch weitere staatliche Töpfe: Für die Erhaltung
(Denkmalpflege) kirchlicher Gebäude und Bauzuschüsse für weitere Kirchengebäude.
Ebenso werden der Evangelische Kirchentag und der Deutsche Katholikentag mit
einem größeren Anteil aus Steuergeldern als aus Kirchenkassen bezuschusst.
Weiterhin sind die Kirchen und ihre Einrichtungen Empfänger gerichtlicher
Bußgelder und da immer viel zu tun ist, erhalten sie rund 20 Prozent der Mittel
für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM-Gelder).
Wer meint, dass jetzt üppige Büffet der staatlichen Zahlungen für kirchliche
Zwecke komplett sei, täuscht sich gewaltig. Der Bau und die Instandhaltung
konfessioneller Krankenhäuser erfolgt mit Steuergeldern, ebenso wie der
kirchliche Nachwuchs an Universitäten und Fachhochschulen auf Staatskosten
ausgebildet wird. Dann gibt es noch reichlich Zuschüsse für christliche Hilfs-
und Missionswerke …"
Zusammenfassend bilanziert Frerk die Staatlichen Zuwendungen
an die Kirchen für das Jahr 2000 auf rund 20 Milliarden Euro.
Er kommentiert weiter:
"Diese rund 20 Mrd. Euro an Staatsgeldern übersteigen das Aufkommen aus der
Kirchensteuer (1999 = 8,7 Mrd. Euro) um das rund Zweieinhalbfache. Legt man nun
noch zugrunde, dass für die Kirchen die Kirchensteuern nur etwa die Hälfte ihrer
eigenen Einnahmen bedeuten, d. h ihre eigenen Einnahmen bei rund 17 Mrd. Euro
pro Jahr liegen, so liegt die Staatsquote der Kirchenfinanzierung bei rund 54
Prozent."
Weiter resümiert der Autor:
"Bezieht man die staatlichen Zahlungen auf die Erwerbstätigen (Steuerzahler) so
zahlt jeder der 35,86 Millionen Erwerbstätigen pro Kopf pro Jahr 556 Euro (= DM
1089) direkt oder indirekt an die Kirchen und ihre Einrichtungen. Jeder …"
Angesichts dieser Ausführungen kann man die Hartnäckigkeit
durchaus nachvollziehen, mit der gewisse Kreise (allen voran auch die Leitung
der Zeugen Jehovas) alles daran setzen, um auch in den Club jener Privilegierten
mit aufgenommen zu werden, die den deutschen Steuerzahlermichel bis zum geht
nicht mehr, weiter zu melken gedenken!
3.) "Folget mir nach"
„'Folget mir nach'. Jehovas Zeugen unter dem DDR-Regime" nennt der Filmemacher Fritz Poppenberg (Drei Linden Film) ein Video.
Wer die vom seinerzeitigen Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen herausgegebenen Dokumentationen über die DDR-Justiz kennt. Zum Beispiel „Unrecht als System" , Bonn 1952. Oder „Partei-Justiz" Bonn 1964, für den sagt der Film von Poppenberg nichts neues.
Poppenberg leitet mit dem Fall Paul Großmann ein, der das erste namhafte DDR-Opfer wurde und der in der Haft umgekommen ist. (Vgl. zu Großmann auch: "Geschichte der Zeugen Jehovas", Kapitel „Und dann gab es da noch die DDR" Anmerkungsnummer 21).
Lothar Hörnig wird als weiterer namhafter Zeitzeuge vorgestellt der wohl der einzige Überlebende von den seinerzeitigen Hauptangeklagten des ersten Zeugen Jehovas-Prozesses ist. Also, ich habe den Diktaturstaat DDR in keiner Weise zu verteidigen. Ich habe mich dazu auf dieser Webseite schon detailliert geäußert.
Hörnig etwa, zitiert in seinem Filmstatement den damaligen Generalstaatsanwalt Melsheimer, der besonders auf die 1949-er Waldbühnenveranstaltung mit dem Motto „Es ist später als Du denkst" abstellte. Er zitiert auch die seinerzeitigen Pflichtverteidiger mit der Aussage, dass sie dem Gericht gegenüber erklärten, angesichts des erdrückenden Beweismaterials wunderten sie sich, dass die Zeugen Jehovas nicht schon früher verboten wurden. Mag man eine solche Äusserung aus „Verteidiger"munde zu recht brandmarken, so spiegelt sich in ihr doch etwas von der Gesamteinschätzung zu den Zeugen Jehovas zur damaligen Zeit wieder. (Vgl. dazu in etwa auch: „Was 1948 Wahrheit wahr". Dort den Abschnitt: „Jugoslawien macht den 'Vorreiter'").
Nur einen Satz von Poppenberg möchte ich dennoch aufspießen. Er äußert sinngemäß, „Dass es der Glaube an Gott war, der vom kommunistischen Regime verfolgt wurde."
Sie irren, Herr Poppenberg, es war die faktisch-politische Ausrichtung, die auch das DDR-Regime zur Weißglut brachte. Nach dem Motto: Und willst du nicht mein Bruder sein, so schlag ich dir den Schädel ein. Die Zeugen Jehovas wollten in der Tat auch nicht mit den politischen Vorgaben des DDR-Regimes etwas zu tun haben, und gingen damit diesem Regime, dass selbst auf sehr schwachen Füssen stand, auf die Nerven und dieses schlug bezüglich der grundsätzlichen politischen Passivität entsprechend zurück.
Poppenberg meint beispielsweise, dass auch die kommunistische Schriftstellerin Anna Seghers (bekannt durch den KZ-Roman „Das siebente Kreuz") zu dem 1950-er Zeugen Jehovas-Schauprozess geschwiegen hat.
Nicht nur sie, Herr Poppenberg, auch viele andere politisch denkende Menschen haben damals dazu geschwiegen.
Die Kardinalfrage - die Poppenberg allerdings nicht stellt - ist, kann ein Regime vom Kaliber der DDR politische Passivität tolerieren? Die Nazis meinten es nicht zu können, und gleichfalls auch die DDR.
Wer zu einem wirklichen Verständnis der Zeugen Jehovas-Tragödien auch in der DDR gelangen will, der muss die Frage der grundsätzlichen politischen Passivität ganz oben auf die Liste der zu klärenden Fragen setzen.
Poppenberg und seine Inspiratoren in Selters haben sie noch nicht einmal im Ansatz zur Diskussion gestellt.
Poppenberg hat wieder einmal einen Beitrag abgeliefert, der nichts zur wirklichen Klärung der entscheidenden Fragen beiträgt!
4.) Hermine Schmidt
70.000 von insgesamt 110.000, die ins Konzentrationslager Stutthof, in der Nähe von Danzig eingeliefert wurden, überlebten dieses Vernichtungs-Konzentrationslager nicht. Eine junge Frau, die im Mai 1944 auch in jenes Lager verbracht wurde, berichtet unter anderem, wie sie auf der Lagerstraße Gruppen von Menschen begegnet sei, die in der Illusion gewiegt wurden, sie kämen nun in einen Duschraum. Da kamen sie zwar auch hin, jedoch anstatt Wasser strömte Zyklon-B-Gas zu deren Ermordung in den Raum. Jene Frau berichtet weiter. Das alles konnte man nur überstehen, wenn man selbst abstumpfte. Wer besonders sensibel war und das nicht konnte, auch dessen Lebenstage waren gezählt.
Jene Frau berichtet weiter, man ahnt es schon, sie gehört zu den Zeugen Jehovas, dass sie eine Mitgefangene hatte, namens Rosa Alpermann, die ihr gegenüber äußerte: Sie werde die berüchtigte Abschwörungserklärung unterschreiben, um aus diesem Lager wieder herauszukommen. Als es dann soweit wieder einmal war, dass den Zeugen Jehovas die Abschwörungserklärungen vorgelegt wurden, da ergab es sich, dass erst Hermine Koschnieder, spätere verheiratete Hermine Schmidt, zu erst an der Reihe war. Und sie sagte: Nein. Die SS darüber erbost, schmiss die Zeugen Jehovas aus dem Büro heraus, ohne dass Rosa Alpermann eine Chance bekam, ihr Vorhaben in die Realität umzusetzen.
Eine weitere Zeugin Jehovas, die in diesem Lager so etwas ähnliches wie die Position einer Blockältesten innehatte, sollte auch auf dem weiteren Schicksalsweg der Hermine noch ihre Begleiterin sein. Einschließlich auf den Seeuntüchtigen Schiffen, auf die seitens der SS die Zeugen Jehovas letztendlich verfrachtet wurden. Kalkül der Nazis dabei war. Kein KZ-Gefangener sollte möglichst in die Hände der anrückenden alliierten Militärstreitkräfte geraten. Wenn es nicht mehr anders ginge, dann sollten sie lieber auf offener See versenkt werden, um ihre Leichen nicht den Alliierten sichtbar werden zu lassen.
Auch da hatte unsere Berichterstatterin noch Glück im Unglück. Sie berichtet, wie in den überfüllten Schiff Tote und Halbtote (also auch solche die noch einen Funken Leben hatten) gnadenlos über Bord geworfen wurden. Auch ihre Begleiterin, zog sich dabei Typhus zu und hat nicht überlebt. Hermine hatte mehr Glück. Sie hat überlebt.
Auch in ihrer Lagerzeit ab Mai 44 blieb ihr schlimmes nicht erspart. Dennoch hat man zu sagen. Sie hatte auch da Glück im Unglück. So gelang es ihr, nach einer gewissen Zeit, mit Büroarbeiten als Stenotypistin beschäftigt zu werden. Im Vergleich zu den Arbeitsaufträgen, die andere Gefangene hatten, war das eine halbe relative Lebensversicherung.
Die Tendenz, die Poppenberg immer auf seine
zahlende Kundschaft schielend, verfolgt ist klar. Seiner Klientel nach dem Munde
reden. Dies wird auch mittels eines Zitates deutlich, dass Poppenberg für so
bedeutsam hält, um es auf dem Kassetten-Hüllentext ausdrücklich zu zitieren:
"Die Zeugen Jehovas bewahrten sich ihre Integrität, weil sie starke
religiöse Überzeugungen besaßen. Sie waren beispielhafte Kameraden, hilfsbereit,
korrekt, verlässlich."
Bruno Bettelheim, Psychologe und ehemaliger Häftling des KZ Dachau"
Indes hat Bettelheim noch mehr ausgesagt, was
Poppenberg allerdings nicht zitiert:
So äußert er etwa als Gesamteinschätzung (wobei sein Urteil über die Zeugen
Jehovas nur ein Detailurteil ist):
"Unpolitische, dem Mittelstand angehörende Häftlinge (eine kleine Gruppe in
den Konzentrationslagern) waren am wenigsten imstande, den ersten Schock
auszuhalten. Sie konnten gar nicht begreifen, was ihnen zugestoßen war und warum
es geschehen war. … Höflichkeit und Freundlichkeit, die außerhalb des Lagers
auch negative Haltungen erträglich machen, gab es (im KZ) fast überhaupt nicht.
… Am wenigsten wirkte sich der Schock der Inhaftierung auf die kriminellen
Häftlinge aus. Sie haßten es, im Konzentrationslager sein zu müssen, zeigten
aber andererseits offene Genugtuung darüber, daß sie nun auf gleicher Stufe
standen mit führenden Männern aus Politik und Wirtschaft, mit Anwälten und
Richtern, von denen sie früher verurteilt worden waren. Ihr Haß auf jene, die
früher 'etwas Besseres' gewesen waren als sie, erklärt teilweise, warum so viele
von ihnen zu willigen Werkzeugen der SS im Lager wurden. Wenn ihnen dazu noch
die Gelegenheit geboten wurde, andere Häftlinge wirtschaftlich auszunutzen, war
es für sie eine unwiderstehliche Versuchung, auf Seiten der SS gegen die
Häftlinge zu arbeiten."
Nun muss man auch die Zeugen Jehovas den "Unpolitischen" zuordnen. Keine Frage. Sie unterschieden sich allerdings von den klassischen Unpolitischen im Sinne Bettelheims dadurch, das sie hochgradig ideologisiert waren (Endzeit-ideologisiert). In ihrer Vorstellung waren die Widerwärtigkeiten die sie zu erleiden hatten, auch nur ein Symptom der "Endzeit". Ob diese Ideologie jedoch stichhaltig ist, darüber verliert indes auch ein Herr Liebediener Poppenberg kein Wort.
Bettelheim bescheinigt den Zeugen Jehovas
weiter, auch das zitiert Poppenberg nicht:
"Die Angehörigen dieser Gruppe hatten in der Regel einen begrenzten Horizont
… Zu Auseinandersetzungen und Streitereien ließen sie sich nur dann hinreißen,
wenn jemand ihre Glaubenswahrheiten anzweifelte. Weil sie gewissenhafte Arbeiter
waren, wurden sie oft als Kapos ausgewählt. Wenn sie das geworden waren, und die
SS-Leute ihnen einen Befehl gaben, bestanden sie darauf, daß die Häftlinge die
Arbeit gut und in der dafür vorgesehenen Zeit verrichteten."
Leider haben diejenigen, die tatsächlich umgekommen sind, keine Chance heutzutage ihr Schicksal darzustellen. Diejenigen, deren Schicksalsweg indes etwas glimpflicher verlief (immer relativ gesehen) hatten diese Chance. Und man kann sagen; auch im Falle Hermine Schmidt. Sie nutzen diese Chance. Das ist verständlich und soll auch nicht als Kritikpunkt verstanden werden. Der Kritikpunkt liegt auf einer anderen Ebene.
Ein Filmemacher, wie Herr Poppenberg
entscheidet. Er entscheidet; was wird mitgeteilt und was nicht. Er hat sich
entschieden nur einen Detailausschnitt aus der Biographie der Hermine Schmidt
darzustellen. Die Phase KZ Stutthof. Er versäumt es auch nicht, seine Heldin
kunstgerecht zu vermarkten. Nicht vermarkten hingegen tut er den ideologischen
Hintergrund auf Seiten der Zeugen Jehovas. Auch das ist verständlich; jedoch
letztendlich unbefriedigend.
Dies ist jedenfalls meine Meinung dazu.
5.) "Gott würfelt nicht"
Wenn ein Buch, das vor bereits mehr als einhundert Jahren erstmals erschien (im Jahre 1899) noch heute als herausragendes Buhmann-Zeugnis herhalten muss, dann fragt man sich schon was denn in diesem über 600 Seiten umfassenden Wälzer damals alles so zu lesen war. Die Rede ist von dem Buche des Ernst Haeckel mit dem Titel: "Die Welträtsel". Derjenige der diese Schrift noch heute als "abschreckendes Beispiel" vorstellen will, heisst Fritz Poppenberg. Schon gleich eingangs seines dem Thema Evolutionstheorie gewidmeten Video "Gott würfelt nicht", stellt er Haeckel nebst Darwin als abschreckende Beispiele vor.
Übrigens schon zeitgenössisch wurde Haeckel massiv angefeindet. Einer der es im besonderem Maße tat, war der Theologieprofessor Friedrich Loofs, der schon ein Jahr später, im Jahre 1900 eine programmatische Schrift mit dem Titel "Anti-Haeckel" veröffentlichen ließ. Das war jener Friedrich Loofs, der einige Jahre später dann noch mit einer noch heute zitierungsfähigen Schrift über die Bibelforscher in Erscheinung trat.
Sieht man sich Loofs "Anti-Haeckel" indes
näher an, hat man in nicht seltenen Fällen den Eindruck von kleinkarierter
Erbsenzählerei.
Haeckel, im Gegensatz zu Loofs, mit Sicherheit kein
ausgewiesenener Kirchenhistoriker, bekommt nun von Loofs unter "die Nase
gerieben", in welchen Details der Darstellung kirchengeschichtlicher Vorgänge,
er nach Meinung von Loofs alles ungenau gewesen ist.
Schön und gut, mag man dazu nur sagen. Dennoch bleibt der fatale
Nachgeschmack zurück, dass diese "Erbenszählerei" zugleich auch geschickt die
Hauptthesen von Haeckel in Nebel hüllt und hüllen soll. Zu ihr hat sich
bezeichnenderweise Loofs nicht in der gebotenen Deutlichkeit geäußert.
Genau einen ähnlichen Vorwurf würde ich jetzt auch Poppenberg machen. Ich würde sogar wagen zu behaupten, dass Poppenberg das Haeckel'sche "Welträtsel"-Buch nie selbst gelesen hat. Es reicht ihm offenbar, auch die andernorts nachweisbare Feststellung mit zu kolportieren, dass Haeckel mit einer der aktivsten "Durchpeitscher" der Darwin'schen Evolutionstheorie im deutschsprachigem Raum ist. Und die Evolutionstheorie ist es ja, die Poppenberg, als eigentlichen Buhmann in seinem Video vorstellen will. Haeckel erfüllt in diesem Kontext für ihn nur die Rolle eines untergeordneten "Statisten", den er an der ihm dafür passend erscheinenden Stelle mit vorstellt.
Poppenberg, und im Hintergrund noch etliche
andere religiöse Kreise, belieben da eine Gleichung aufzumachen.
Evolutionstheorie; auf ihr fußend dann auch sowohl das sowjetische
kommunistische Regime, als auch der deutsche Faschismus, werden da dem Zuschauer
als Buhmänner genannt und namentlich die Evolutionstheorie als ihre eigentliche
Wurzel gebrandmarkt.
Kritisch zu dieser These rückgefragt, wäre dann aber auch noch
zu klären. Wie wäre wohl die Säkulargeschichte verlaufen, hätte es die
Evolutionstheorie nicht gegeben? Wäre dann der Zustand "Friede, Freude,
Eierkuchen" wirklich existent? Ich glaube kaum. Solch ideologischer Überbau
kaschiert lediglich handfeste irdische Interessen. Auch ohne Evolutionstheorie
gab es beispielsweise schon in den Kreuzzügen handfeste Interessengegensätze,
die sich in Vorgängen entluden, die durchaus mit den Weltkriegen des zwanzigsten
Jahrhunderts, vom Prinzip her, vergleichbar sind. Eine These die die
Evolutionstheorie als das eigentliche Übel aller Übel darstellen will, greift zu
kurz und erweist sich als zweckbestimmt.
Poppenberg versäumt es nicht, in seinem Video auch die Schwachstellen der Evolutionstheorie benennen zu lassen. Dazu kann ich nur sagen: Dies tangiert mich nicht. Ich kann damit leben, dass es Fragen gibt, die auch nach heutigem Erkenntnisstand nicht letztendlich beantwortet werden können. Die Evolutionstheorie war solch ein Beantwortungsversuch. Auch der kirchliche Gottesglaube ist ein solcher. Keiner ist mit letztendlicher Gewissheit bis heute bewiesen.
Was ich aber auch noch sagen möchte ist dies. Haeckel hat auf seinen genannten 600 Seiten keineswegs "nur" über die Evolutionstheorie schwadroniert, wie man dies bei oberflächlicher Betrachtung meinen könnte. Im Gegenteil. Er hat auch einige Wunden des kirchlichen Gottesglaubens beim Namen genannt, über die es heute noch zu reflektieren gälte. Die Poppenberg und Kompagnons machen es sich zu einfach, diese Aspekte, bewusst unter den Tisch fallen zu lassen. Nachstehend mal ein paar Zitate aus dieser Haeckelschrift, entnommen einer CD-ROM-Ausgabe ("Philosophie von Platon bis Nietzsche"). Auf detaillierte Seitenangaben dazu wird verzichtet. Gleichwohl stammen sie alle aus dem authentischem Text:
Die Untersuchungen über diese »Welträtsel«, welche ich in der vorliegenden Schrift gebe, können vernünftigerweise nicht den Anspruch erheben, eine vollständige Lösung derselben zu bringen; vielmehr sollen sie nur eine kritische Beleuchtung derselben für weitere gebildete Kreise geben und die Frage zu beantworten suchen, wie weit wir uns gegenwärtig deren Lösung genähert haben.
Das schlimmste ist, wenn der moderne Kulturstaat sich der kulturfeindlichen Kirche in die Arme wirft, und wenn der bornierte Egoismus der Parteien, die Verblendung der kurzsichtigen Parteiführer die Hierarchie unterstützt. Dann entstehen so traurige Bilder, wie sie uns leider am Schlusse des neunzehnten Jahrhunderts der deutsche Reichstag vor Augen führt: die Geschicke des gebildeten deutschen Volkes in der Hand des ultramontanen Zentrums, unter der Leitung des römischen Papismus, der sein ärgster und gefährlichster Feind ist. Statt Recht und Vernunft regiert dann Aberglaube und Verdummung. Unsere Staatsordnung kann nur dann besser werden, wenn sie sich von den Fesseln der Kirche befreit, und wenn sie durch allgemeine naturwissenschaftliche Bildung die Welt- und Menschenkenntnis der Staatsbürger auf eine höhere Stufe hebt. Dabei kommt es gar nicht auf die besondere Staatsform an. Ob Monarchie oder Republik, ob aristokratische oder demokratische Verfassung, das sind untergeordnete Fragen gegenüber der an ihre Stelle die kirchliche Konfession gesetzt. Der Glaube soll dem Wissen vorangehen; … jener unvernünftige Aberglaube, der die Grundlage eines verunstalteten Christentums bildet.
Dagegen sträuben sich aber mit aller Macht diejenigen einflußreichen Kreise, welche unsere Geistesbildung in betreff der wichtigsten Probleme in den überwundenen Anschauungen des Mittelalters zurückhalten wollen; sie verharren im Banne der traditionellen Dogmen und verlangen, daß die Vernunft sich unter diese »höhere Offenbarung« beugen solle.
Während der langen
Geistesnacht des christlichen Mittelalters wagte begreiflicherweise nur selten
ein kühner Freidenker seine abweichende Überzeugung zu äußern; die Beispiele von
Galilei, von Giordano Bruno und anderen unabhängigen Philosophen, welche von den
»Nachfolgern Christi« der Tortur und dem Scheiterhaufen überliefert wurden,
schreckten genügend jedes freie Bekenntnis ab. Dieses wurde erst wieder möglich,
nachdem die Reformation und die Renaissance die Allmacht des Papismus gebrochen
hatten. Die Geschichte der neueren Philosophie zeigt die mannigfaltigen Wege,
auf denen die gereifte menschliche Vernunft dem Aberglauben der Unsterblichkeit
zu entrinnen versuchte. Immerhin verlieh demselben trotzdem die enge Verknüpfung
mit dem christlichen Dogma auch in den freieren protestantischen Kreisen solche
Macht, daß selbst die meisten überzeugten Freidenker ihre Meinung still für sich
behielten. Nur selten wagten einzelne hervorragende Männer, ihre Überzeugung von
der Unmöglichkeit der Seelenfortdauer nach dem Tode frei zu bekennen. Besonders
geschah dies in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts in Frankreich
von Voltaire, Danton, Mirabeau u. a., ferner von den Hauptvertretern des
damaligen Materialismus, Holbach, Lamettrie u. a. Dieselbe Überzeugung vertrat
auch der geistreiche Freund der letzteren, der größte der Hohenzollernfürsten,
der monistische »Philosoph von Sanssouci«. Was würde Friedrich der Große, dieser
»gekrönte Thanatist und Atheist«, sagen, wenn er heute seine monistischen
Überzeugungen mit denjenigen seiner Nachfolger vergleichen könnte!
Unter den denkenden Ärzten ist die
Überzeugung, daß mit dem Tode des Menschen auch die Existenz seiner Seele
aufhöre, wohl seit Jahrhunderten sehr verbreitet gewesen; aber auch sie hüteten
sich meistens wohl, dieselbe auszusprechen.
Wie allgemein bekannt,
hat das Dogma von der Unsterblichkeit der Seele in der christlichen Religion
schon lange diejenige feste Form angenommen, welche sich in dem Glaubensartikel
ausspricht: »Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben.«
Wie am Osterfest Christus selbst von den Toten auferstanden ist und nun in
Ewigkeit als »Gottes Sohn, sitzend zur rechten Hand Gottes«, gedacht wird,
versinnlichen uns unzählige Bilder und Legenden. In gleicher Weise wird auch der
Mensch »am jüngsten Tage auferstehen« und seinen Lohn für die Führung seines
einstigen Erdenlebens empfangen.
Dieser ganze christliche
Vorstellungskreis ist durch und durch materialistisch und anthropistisch; er
erhebt sich nicht viel über die entsprechenden rohen Vorstellungen vieler
niederen Naturvölker
Die Gründe, welche man seit zweitausend Jahren für die Unsterblichkeit der Seele anführt, und welche auch heute noch dafür geltend gemacht werden, entspringen zum größten Teile nicht dem Streben nach Erkenntnis der Wahrheit, sondern vielmehr dem sogenannten »Bedürfnis des Gemütes«, d.h. dem Phantasieleben und der Dichtung. Um mit Kant zu reden, ist die Unsterblichkeit der Seele nicht ein Erkenntnisobjekt der reinen Vernunft, sondern ein »Postulat der praktischen Vernunft«.
Wollten wir alle die einzelnen Gründe analysieren, welche für den Unsterblichkeitsglauben geltend gemacht worden sind, so würde sich ergeben, daß nicht ein einziger derselben wirklich wissenschaftlich ist; kein einziger verträgt sich mit den klaren Erkenntnissen, welche wir durch die physiologische Psychologie und die Entwicklungstheorie in den letzten Dezennien gewonnen haben. Der theologische Beweis, daß ein persönlicher Schöpfer dem Menschen eine unsterbliche Seele (meistens als Teil seiner eigenen Gottesseele betrachtet) eingehaucht habe, ist reiner Mythus.
Der moralische Beweis, daß die Mängel und die unbefriedigten Wünsche des irdischen Daseins durch eine »ausgleichende Gerechtigkeit« im Jenseits befriedigt werden müssen.
Die vorhergehenden
Untersuchungen, die durch viele andere Ergebnisse der modernen Wissenschaft
ergänzt werden könnten, haben das alte Dogma von der »Unsterblichkeit der Seele«
als völlig unhaltbar nachgewiesen; dasselbe kann im zwanzigsten Jahrhundert
nicht mehr Gegenstand ernster wissenschaftlicher Forschung, sondern nur noch des
transzendenten
Glaubens sein. Die »Kritik der reinen
Vernunft« weist aber nach, daß dieser hochgeschätzte Glaube, bei Licht
betrachtet, der reine Aberglaube ist, ebenso wie der oft damit verknüpfte Glaube
an den »persönlichen Gott«. Nun halten aber noch heute Millionen von »Gläubigen«
- nicht nur aus den niederen, ungebildeten Volksmassen, sondern aus den höheren
und höchsten Bildungskreisen - diesen Aberglauben für ihr teuerstes Besitztum,
für ihren »kostbarsten Schatz«.
Bei unbefangener kritischer Prüfung und Vergleichung zeigt sich, daß beide nur durch die besondere »Gestalt des Glaubens« und durch die äußere Hülle der Konfession voneinander verschieden sind. Im klaren Lichte der Vernunft erscheint der destillierte Wunderglaube der freisinnigsten Kirchenreligionen - insofern er klar erkannten und festen Naturgesetzen widerspricht - genau so als unvernünftiger Aberglaube, wie der rohe Gespensterglaube der primitiven Fetischreligionen, auf welchen jene stolz herabsehen
Werfen wir von diesem unbefangenen Standpunkte einen kritischen Blick auf die gegenwärtig noch herrschenden Glaubensvorstellungen der heutigen Kulturvölker, so finden wir sie allenthalben von traditionellem Aberglauben durchdrungen. Der christliche Glaube an die Schöpfung, die Dreieinigkeit Gottes, an die unbefleckte Empfängnis Maria, an die Erlösung, die Auferstehung und Himmelfahrt Christi usw. ist ebenso reine Dichtung und kann ebensowenig mit der vernünftigen Naturerkenntnis in Einklang gebracht werden, als die verschiedenen Dogmen der mohammedanischen und mosaischen, der buddhistischen und brahmanischen Religion. Jede von diesen Religionen ist für den wahrhaft »Gläubigen« eine zweifellose Wahrheit, und jede von ihnen betrachtet jede andere Glaubenslehre als Ketzerei und verderblichen Irrtum. Je mehr eine bestimmte Konfession sich für die »allein selig machende« hält - für die »katholische« - und je inniger diese Überzeugung als heiligste Herzenssache verteidigt wird, desto eifriger muß sie naturgemäß alle anderen Konfessionen bekämpfen, und desto fanatischer gestalten sich die fürchterlichen Glaubenskriege, welche die traurigsten Blätter im Buche der Kulturgeschichte bilden.
Die Prinzipien der
wahren Humanität, der goldenen Regel, der Toleranz, der Menschenliebe im besten
und höchsten Sinne des Wortes, alle diese wahren Lichtseiten des Christentums
sind zwar nicht von ihm zuerst erfunden und aufgestellt, aber doch erfolgreich
in jener kritischen Periode zur Geltung gebracht worden, in der das klassische
Altertum seiner Auflösung entgegenging. Der Papismus aber hat es verstanden,
alle jene Tugenden in ihr direktes Gegenteil zu verkehren und dabei doch die
alte Firma als Aushängeschild zu bewahren. An die Stelle der christlichen Liebe
trat der fanatische Haß gegen alle Andersgläubigen; mit Feuer und Schwert wurden
nicht allein die Heiden ausgerottet, sondern auch jene christlichen Sekten,
welche in besserer Erkenntnis Einwendungen gegen die aufgezwungenen Lehrsätze
des ultramontanen Aberglaubens zu erheben wagten. Überall in Europa blühten die
Ketzergerichte und forderten unzählige Opfer, deren Folterqualen ihren frommen,
von »christlicher Bruderliebe« erfüllten Peinigern besonderes Vergnügen
bereiteten. Die Papstmacht wütete auf ihrer Höhe durch Jahrhunderte
erbarmungslos gegen alles, was ihrer Herrschaft im Wege stand.
Unter dem berüchtigten Großinquisitor
Torquemada (1481 bis 1498) wurden allein in Spanien achttausend Ketzer lebendig
verbrannt, neunzigtausend mit Einziehung des Vermögens und den empfindlichsten
Kirchenbußen bestraft, während in den Niederlanden unter der Herrschaft Karls
des Fünften dem klerikalen Blutdurst mindestens fünfzigtausend Menschen zum
Opfer fielen. Und während das Geheul gemarterter Menschen die Luft erfüllte,
strömten in Rom, dem die ganze christliche Welt tributpflichtig war, die
Reichtümer der halben Welt zusammen, und wälzten sich die angeblichen
Stellvertreter Gottes auf Erden und ihre Helfershelfer (welche selbst nicht
selten dem weitestgehenden Atheismus huldigten!) in Lüsten und Lastern jeder
Art. »Welche Vorteile«, sagt der frivole und syphilitische Papst Leo X.
ironisch, »hat uns doch diese Fabel von Jesus Christus gebracht!«
Die Kulturverachtung des Christentums. Da nach Christi Lehre unsere Erde ein Jammertal ist, unser irdisches Leben wertlos und nur eine Vorbereitung auf das »ewige Leben« im besseren Jenseits, so verlangt sie folgerichtig, daß demgemäß der Mensch auf alles Glück im Diesseits zu verzichten und alle dazu erforderlichen irdischen Güter gering zu achten hat.
In vorstehendem war unter anderem auch von dem Poppenberg-Video "Gott würfelt nicht" die Rede. Über seine eigene Firma vertreibt Poppenberg aber noch ein weiteres Video, mit dem Titel "Hat die Bibel doch recht?" Der Unterschied zwischen beiden besteht wohl darin, dass erstgenanntes ein "freies Video" ist. Das heissst keine öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt steht als Finanzier hinter ihm. Anders wohl bei "Hat die Bibel doch recht?" Folgt man seinem Abspann, so hat dieses Video wohl seinerzeit der Fernsehsender SFB finanziert. Was aber Poppenberg nicht daran hindert es weitergehend zu vermarkten. Wer sich nicht gerade als "Spezialist" sieht, der kann und sollte sich die Geldausgabe für eines der beiden ersparen. Im Prinzip eine Art "doppeltes Lottchen". Kaum eine wesentliche These, die nicht in beiden Videos zum Vortrag kommt.
Der
Unterschied darf wohl darin gesehen. "Gott würfelt nicht" redet bestimmten
Religionsgemeinschaften in wenig qualifizierter Form, in der Tendenz nach dem
Munde. "Hat die Bibel doch recht?" offeriert in der Substanz mehr die gleichen
Aussagen einiger Wissenschaftler, die sich kritisch über die Evolutionstheorie
verbreitet haben. Diese Kritik aus Wissenschaftlermunde ist aber noch lange
nicht damit "identisch", dass seitens dieser Wissenschaftler nun die Bibel als
"echte Alternative" angesehen werden würde. Dies ist durchaus nicht der Fall.
Aber das vergaß genanntes "Cleverle" aber bewusst hinzuzufügen!
6.) Was Darwin nicht wissen konnte
In den 1950er Jahren „klingelten" die Kassen
des Buchhandels bei einem Buch, dessen Verfasser von sich selbst sagte, kein
Theologe zu sein. Auch darf man wohl als gesichert ansehen, dass auch die Zeugen
Jehovas nicht unwesentlich zu diesem buchhändlerischen Erfolg beigetragen haben.
Vor allem aber war es die kluge Titelwahl, die wohl als „das" ausschlaggebende
Moment dieses buchhändlerischen Erfolges angesehen werden kann.
„Und die Bibel hat doch recht" so der Titel dieses Werner Keller,
von dem eben die Rede war. Das ist es ja, was man sich gerne bestätigen lassen
möchte, und meint es auch „mundgerecht" bekommen zu haben.
Ob diese Siegesgewißheit auch noch bei der
Detail-Lektüre fortbestand? Da kann man schon eher einige Fragezeichen
hinzufügen Zitiert nach der Ausgabe von 1955 konnte man darin beispielsweise
auch die folgenden Sätze lesen:
„Schon 1654 erklärte der Erzbischof Ussher aus Irrland, die Schöpfung habe in
der neunten Morgenstunde am 26. Oktober des Jahres 4004 vor Christi Geburt
stattgefunden, wie das genaue Studium der Heiligen Schrift ergeben habe"
(S. 401).
Ob die Zeugen Jehovas des Jahres 1955 mit dieser Aussage wohl „glücklich" gewesen sind? Oder ob sie es nicht einfach vorzogen, dass zu überlesen, nicht zur Kenntnis zu nehmen, wäre jetzt die Frage.
Auch zu einem seiner Hauptargumente, dem Thema
Sintflut, wusste Herr Keller relativierendes zu sagen. Etwa wenn er anführt:
„Nach Wooleys Ansicht hat die Katastrophe nordwestlich vom Persischen Golf ein
Gebiet in einer Ausdehnung von 630 Kilometer Länge und 160 Kilometer Breite
verschluckt. Wenn man die Landkarte betrachtet, war es nur, wie wir heute sagen
würden, 'ein lokales Ereignis' - für die Bewohner dieser Flußniederung aber war
das einst ihre ganze Welt"
(S. 38).
Auch mit den vollmundig vorgetragenen Thesen
des Herrn Keller zum Thema „Turiner
Grabtuch"
, dürften - in der Praxis - wohl die Zeugen Jehovas so einige Schwierigkeiten
haben. Macht nichts, werden sie sich gesagt haben. Der Titel des Buches allein
entscheidet. Da kann man dann schon mal ein paar ungeliebte Kröten mit
herunterschlucken.
Worum es beim Thema Turiner Grabtuch geht,
kann man auch gut an Hand eines Gerichtsberichtes in der seinerzeitigen
Zeitschrift „Wochenpost" (27. 10. 1971) verdeutlichen. Unter der
Überschrift „Das Wunder des Herrn Naber" liest man da die folgende
„ergötzliche" Geschichte:
„Ein Kämpfer für die Wahrheit? Ein
Schwindler? Wir ein Kämpfer sieht er nicht aus, ein rundes, freundliches Gesicht
und ein Schmerbauch. Der Kampf ernährt seinen Streiter.
Er will die vier Evangelisten des Neuen Testaments widerlegen, er wird beweisen,
Jesus Christus ist nicht am Kreuz gestorben, sondern erst im Grabe. Diese
Wahrheit ist Herrn Hans Naber in Stuttgart verkündet worden, im Jahre 1947. Eine
Erscheinung. Von dieser Erscheinung lebt er, und wie man sieht, er lebt gut. Er
hat die Wahrheit kapitalisiert. Er gründet Stiftungen, Geschäfte, Firmen. Er
nimmt Darlehen auf und findet Darlehen. Und er tat auch zurück, mit Zinsen und
Zinseszinsen, wenn er wieder ein neues Darlehn bekam.
Die Erscheinung, das
Grunderlebnis des rundlichen Herrn Naber, hat ihm den Weg gezeigt, wie man diese
Wahrheit verbreiten und dabei noch zu Geld kommen kann.
In Turin, in Italien, in der Kathedrale San Giowanni Battista, dort in der
Kapelle des Sandissomo Sudario, gibt es eine Urne, und in dieser ist das Linnen
gelegen, in das Joseph von Arimathia den Leichnam Christi eingehüllt haben soll.
Schon das ist falsch,
grundsätzlich falsch, poltert Herr Naber nun. Christi war nicht tot, er hat
gelebt, als er vom Kreuz genommen wurde, und Herr Naber entfaltet 4,38 m lang
und 1,10 m breit die Fotokopie des Turiner Linnens, und er legt los: Ich komme
sofort zur Fußblutung, hier hat das Blut getropft. Das ist nur möglich, wenn das
Herz noch geschlagen hat.
Wenn diese Wahrheit ans Licht der Welt kommt, wird die Welt genesen, alle
Probleme werden gelöst, die Finanzkrise, die Dollarschwäche, die Kriege
verschwinden. Die Welt wartet auf das Wunder, auf das Wunder des Herrn Naber.
Nun ist es für ein Stuttgarter
Gericht, für eine Große Strafkammer, außerordentlich schwer, an einer Fotokopie
zu entscheiden, ob vor etwa zweitausend Jahren ein Gekreuzigter noch nach der
Kreuzabnahme gelebt hat.
Und das Leinentuch in der Kathedrale von Turin ist genauso falsch wie die
heilige Lanze, mit der ein Priester aus Marseille, Bartholomäus, die Kreuzritter
1098 zum Sieg geführt und für die Wahrheit und Echtheit der Lanze durch einen
Haufen brennender Reisigbündel ging und dabei elendig umkam. Wird auch Herr Hans
Naber für die Echtheit des Leinentuchs durchs Feuer gehen?
Schwer ist es für den Landgerichtsdirektor Fischer, zu entscheiden, unmöglich. Er hätte entscheiden müssen: Ist das Leinentuch echt, ist die Fotokopie echt und sind die Schlüsse des rundlichen Herrn Naber echt, real?
Herr Naber hat Vorkenntnisse,
nicht direkt mit Leinentüchern, aber mit Tischtüchern und Servietten. Er hat
nach eigenen Angaben schon im Ritzhotel in London die Tische gedeckt. Er hat
Vorkenntnisse in Anatomie, mehr allerdings in der Zerlegung von Hasen,
Rebhühnern und Rehen als in der Gerichtsmedizin.
Aber in der Chemie hat er wenigstens Erfahrung. Es stimmt, er war von 1950 bis
1960 in einer chemischen Fabrik tätig, allerdings nur im Außendienst.
Laboratorien hat er nie von innen gesehen. Er war Vertreter und kein Analytiker.
Aber seit 1947 ihm Jesus Christus leibhaftig erschienen ist, fühlt er sich nur
einem Herrn verpflichtet.
Und im Verfolge dieser
Verpflichtung gründete er 1963 im Fürstentum Liechtenstein eine Stiftung zur
Förderung und Verbreitung der Linnenforschung. Später hat er diese Finanzfirma
in die Bankenmetropole Zürich verlegt. Den Aufsichtsrat der Firma will er nicht
mit Namen nennen. „Ich werde genug verfolgt, ich muß meine Anhänger schützen,
sonst werden sie genau so zugrunde gerichtet wie ich."
Präsident der Stiftung ist Herr Hans Naber. Aber auch aus Zürich soll die
Stiftung weg, in dem Finanzparadies Bahamas wird sie in Zukunft ihr Domizil
haben. Er hat viel für die Verbreitung der Wahrheit getan. Herr Naber hat auch
ein Buch über seine Linnenforschung geschrieben, 'Das fünfte Evangelium',
allerdings unter einem anderen Namen, Kurt Berna. Und überall fand der beredte
Herr Naber Gut- und gutsituierte Gläubige, die er schnell in schlechter und
schlechtsituierte Gläubiger verwandelte. Fabrikanten, Inhaber von großen
Geschäften, ja selbst Steuerberater liehen ihm und seiner Stiftung Geld gegen
Zinsen. Manchmal zahlte die Stiftung auch Darlehen zurück, wenn sie wieder neue
Gläubige gefunden hatte. Der Präsident bekam ein monatliches Fixum von tausend
Mark und Aufwandsentschädigung natürlich. Und so sagt sich Herr Naber, selig
sind die, die da arm sind im Geist, und er macht sie dann auch noch arm an Habe.
„Und wovon leben Sie heute, da
die Stiftung nicht zahlungsfähig ist, da auch der Präsident schon lange kein
Gehalt und keine Aufwandsentschädigung mehr bekommt?" fragt der Vorsitzende der
Großen Strafkammer.
„Von der Zeitrafferbörse".
„Bitte, erläutern Sie uns das."
In der Spielbank verdient sich der Streiter für die Wahrheit sein kärgliches
Brot jetzt. Er hat ein angeblich todsicheres System. Er lebt wieder einmal vom
Glauben.
„Und wie verträgt sich diese Tätigkeit mit der Linnenforschung?" fragt der
Vorsitzende,
Darüber kann der beredte Herr Naber gar nichts sagen. Selig sind, die da arm sind an Worten. Aber ihn als Betrüger zu bezeichnen! „Ich sei mit den Wassern des Betruges gewaschen; ich bin nur zahlungsunfähig geworden, weil mich die gerichtlichen Kreise mundtot gemacht haben. Eine unliebsame Entdeckung sollte erledigt werden. Würde meine Wahrheit allgemein bekannt, daß er nicht am Kreuz gestorben ist, sondern erst im Grabe, würde das ganze Lehrgebäude der beiden großen christlichen Kirchen ins Wanken geraten. Und deswegen haben diese Kreise einen Prozeß wegen Betrugs gegen mich angezettelt. Die Folgen meiner Entdeckung sind unabsehbar.'
Herr Naber ist fest davon
überzeugt, oder er tut so, als ob seine Entdeckung der Nabel der Welt ist. Der
Beweis auch die Voreingenommenheit des Gerichts.
Zwei Jahre Freiheitsentzug wegen Betrugs, sagt die Große Strafkammer in
Stuttgart. Er aber ist ein Märtyrer der Wahrheit, und gegen ihn stehen die
Jesuiten, der Papst, der Weltkirchenrat in Genf. Und daß man ihm auch noch
Bewährungsfrist zugebilligt hat, ist für ihn nur das Tüpfelchen auf das i. „In
dieser Zeit soll ich mundtot sein, die Wahrheit über den Tod Christi soll
unterdrückt werden.
Aber Naber gibt nicht auf, nie. Und eines ist sicher: Wieder wird er Dumme finden, die da glauben, daß mit einem alten Leinentuch alle Probleme der Welt zu lösen sind."
SZENENWECHSEL
Herr Fritz Poppenberg, seines Zeichens Filmemacher, ist sicherlich ein
umtriebiger Mann. Nach eigenem Bekunden ist er auch kein Zeuge Jehovas. Insofern
besteht schon mal eine gewisse Parallelität zu dem eingangs genannten Herrn
Keller. Dieses zwar selbst kein Zeuge Jehovas sein, hindert aber auch ihn nicht
daran, jene Themen aufzugreifen, von dem der Poppenberg'sche Instinkt ihm sagt:
Die kommen bei den Zeugen Jehovas an! Und so findet man denn im Videoangebot der
Poppenberg'sche Firma eine ganze Reihe solcher Video's. Sei es geschichtlicher
Art (Hitlerregime und Ostdeutschland), sei es die aktive Unterstützung der WTG
KdöR-Ansprüche, mit B. als Hauptstar in diesem Film. Oder sei es gar die
Bagatellisierung der WTG-Blutdoktrin, unter anderem mit der Milchmädchenthese.
Eigenblutübertragung: und damit wären die den Zeugen Jehovas „angedichteten"
Probleme vom Tisch. Großzügigerweise unterschlägt aber Herr Poppenberg, dass
laut WTG-Doktrin, auch die Eigenblutübertragung nicht zulässig sei. Aber das
kannte man ja schon von Herrn Keller. Über solche „Kleinigkeiten" breitet der
geführt werdende Zeuge „natürlich" den Mantel des vergebenen Schweigens. Denn
Poppenberg hat sich ja in den Augen der Zeugen Jehovas verdient gemacht. Prompt
verlieh denn auch folgerichtig, die seinerzeitige Satire-Webseite Spiessburger
auch Herrn Poppenberg einen Orden für seine Verdienste.
Man vergleiche dazu:
Der Spiessburger-Preis an Poppenberg
Solcherart geehrt, stachelt das zu weiteren Höchstleistungen an. Und siehe da. Es bot sich das Thema Evolutionskritik an, auf dem auch Poppenberg sich engagierte, wie wohl kein zweiter Filmemacher vor ihm. Gern gesehenes Nebenergebnis dabei auch, dass sich damit die Poppenberg'sche Klientel beträchtlich erweiterte um die evangelikale Szene andernorts. Was aufgrund ansonsten unüberbrückbarer theologischer Gegensätze nicht möglich schien, hat somit Poppenberg vollbracht. Zwei an und für sich wie Hund und Katz gegenüberstehende, unter seinem, dem Poppenberg'schen Evolutionskritik-Hut zu vereinen. Eigentlich wäre das doch noch einen weiteren Orden von seiten der Zeugen Jehovas wert. Schade nur. Das ist aus dem Grunde nicht möglich, weil die dafür in frage kommende Webseite „Spiessburger", nicht mehr Online ist.
Schon in seinen beiden ersten Evolutionskritischen Videos traten bei Poppenberg zwei „Stars" auf, die alle wesentlichen Thesen dominierten. Einmal der Herr Siegfried Scherer; zum anderen der Herr Wolf-Ekkehard Lönnig. Übrigens ließ es Poppenberg nicht bei diesen zwei Evolutionskritischen Videos bewenden. Nein inzwischen sind es deren gar vier im Poppenberg'schen Angebot. Eines davon, unter dem Titel „Was Darwin nicht wissen konnte" bestreitet Herr Scherer gar als Alleinunterhalter. Wenn in einem Video nur ausschließlich eine Person zu Wort kommt, ohne jegliche Ko-Beiträge, dann ist das schon als ungewöhnlich zu bezeichnen und ansonsten keineswegs Video-typisch. Diese besondere Heraushebung kann dann wohl nur so interpretiert werden, dass der Veranstalter des Videos, den betreffenden „Star" als unübertreffbar ansieht.
Wie schon der Titel verdeutlicht („Was Darwin
nicht wissen konnte") argumentiert Scherer zurückhaltend. Er ist sogar bereit,
im Laufe seiner Ausführungen, Darwin verbale Lippenbekenntnisse zu erweisen,
indem er ihn in Gesamtheit, als einen durchaus großen Biologen charakterisiert.
Wer also erwarten sollte, dass Scherer darin auch in der Wortwahl, einen totalen
Darwin-Zerriß abliefert, der sieht diese Erwartung nicht bestätigt.
Scherer postuliert weiter, dass sowohl für die salopp gesagt Darwinsche Theorie
als auch für den Schöpfungsglauben, jeweils unabdingbar, eine Voraussetzung
notwendig ist. In beiden Fällen:
Glauben.
An diesem Punkt stellt sich aber die Frage: Weshalb diese partielle Zurückhaltung. Weshalb poltert er nicht einfach darauf los, in der Form eines totalen Frontalangriffes? Da ist Herr Poppenberg inzwischen schon weiter. Der hat sich dieser Scherer'schen Skrupel inzwischen für seine Person entledigt. Deutlich wird dies besonders an dem letzten Poppenberg'schen Video aus dem Jahre 2004, unter dem Titel „Der Fall des Affenmenschen", das man da wohl an erster Stelle nennen muss. Schon einleitend scheut Poppenberg und sein Team keine Mühe und keinen Aufwand. Sein Crew unternahm eigens dazu eine Expedition in ein afrikanisches Land, dass heute noch über ein ziemlich zerfallenes Pasteur-Institut verfügt. Errichtet zu einer Zeit, wo jenes Land noch französische Kolonie war. Dieser Besuch erfolgt nun keineswegs als „langer Weile". Man will dort nach konkreten Beweisen suchen. Wofür? Offenbar ist Poppenberg zu Ohren gekommen. In den zwanziger Jahren suchte ein sowjetischer Forscher, weil es in diesem Land auch Menschenaffen gibt, persönlich an Ort und Stelle etwas zu erreichen. Die Kreuzung zwischen Menschen und Affen. Dem stellten sich in der Praxis aber einige nicht überwindbare Schwierigkeiten gegenüber. Und dieser Versuch ist denn wohl als auf ganzer Linie gescheitert, zu bewerten.
Poppenberg sucht nun nach Spuren dafür, an Ort und Stelle. Und er trifft auf eine nicht überwindbare Mauer des Schweigens. Der Zugang zu einer wohl noch vorhandenen Bibliothek des Patsteur-Instituts, wird ihm auch unter fadenscheinigen Vorwänden verweigert. Auch Poppenbergs's Mission in jenem Lande ist somit auf der ganzen Linie gescheitert.
Wieder zurück in Deutschland streckt er seine
Fühler nach der ehemaligen Sowjetunion aus. Über Mittelsmänner lässt er dort
über diesen sowjetischen Wissenschaftler recherchieren. Das Ergebnis eher
dürftig. Handfestes fördern diese Recherchen auch nicht zutage. Und so lässt er
denn diesen Teil seines Filmes mit der Angabe ausklingen. Weiteres relevantes
über diesen Wissenschaftler befinde sich wohl in den Archiven des KGB. Aber dazu
gebe es keine Zugangsmöglichkeit.
Die Verschwörungstheoretiker aller Länder, hätten wohl angesichts dieser
Hauptstory seines Videos, ihre helle Freude daran!
Nach diesem Aufhänger geht es zu den
Kernthesen. Und siehe da: Was zu erwarten, trat wieder ein. Beide Hauptstars
Scherer und Lönnig kommen wieder wirkungsvoll zur Geltung und können sich des
lang und breit verbreiten.
Beiläufig erwähnt Herr Poppenberg, der weite Bereiche des Filmtextes auch selber
spricht, auch die Kontroverse um Lönnig. Das die „Zeit" diesen Fall dargestellt;
aber Lönnig in der „Zeit" keine Chance zu einer Entgegnung eingeräumt wurde. Und
da dürfte dann die Klientel dieser Videos sich wieder in der Rolle der zu
Unrecht verfolgten sonnen.
Rekapituliert man den Fall Lönnig, so stellt sich als dessen Widerpart besonders ein Herr Ulrich Kutschera heraus. Letzterer veröffentlichte nun im Jahre 2004 ein Buch (Streitpunkt Evolution. Darwinismus und Intelligentes Design), wobei er aus seiner Sicht auf diese Kontroversen eingeht. Um es vorweg zu sagen. Ein „Publikumsrenner" etwa im Stile des Keller-Buches wird Kutschera 2004 nicht werden. Wer mit populärwissenschaftlich verständlichen Abhandlungen zum Thema „bedient" werden möchte, ist bei Kutschera eher schlecht bedient. Der Inhalt des Kutschera'schen Buches erschließt sich wohl auch nur dem, der mit den Detail's der Lönnig Kontroverse schon im voraus vertraut ist. Wer zudem kein Biologie-Fachwissenschaftler ist, und von der Lönnig-Kontroverse auch noch nichts mitbekommen hat, der wird wohl eher in dieses Buch hineinschauen, wie der sprichwörtliche „Affe ins Uhrwerk".
Spätestens an diesem Punkt muss man Scherer mit seiner Aussage recht geben. Dass sowohl für die Evolutionstheorie wie auch für den Schöpfungsglauben - in beiden Fällen - Glauben notwendig ist.
Im Kontrast dazu steht die Kutschera'sche
These (S. 30) „Das Problem der fehlenden
Übergangsformen - zu Darwins Zeit noch ein kontroverser Punkt - kann heute als
weitgehend gelöst angesehen werden."
Zu dieser These kann ich nur, soweit es meine Person betrifft sagen. Überzeugt
hat mich Kutschera nicht. Er bleibt auf der Ebene der Behauptung stecken. Das
einzigste wo mich Kutschera überzeugt hat ist seine Auseinandersetzung beim
Thema „Darwinismus/NS-Ideologie", wo Scharfmacher auf christlicher Seite, eben
alle Übel dieser Welt auf den Darwinismus zurückführen wollen. Dem widerspricht
Kutschera. Und da hat er meines Erachtens auch recht.
Kutschera mokiert sich auch darüber, dass die heutigen Anti-Evolutionisten sich vielfach als Vertreter des „Intelligentes Design" (ID) bezeichnen, jedoch es vermeiden die Bezeichnung Kreationisten für sich gelten zu lassen. Letzteres trifft auch namentlich auf Herrn Lönnig zu. Der Hintergrund dessen erschießt sich auch aus dem Umstand, dass der Begriff Kreationisten vielfach auch auf solche Gläubige festgemacht wird, welche sechs Schöpfungstage buchstäblich verstehen. Sich auf eine Weltschöpfung am 26. Oktober um 9 Uhr Vormittags festnageln zu lassen, behagt wohl auch Herrn Lönnig nicht. Deshalb geht er diesem Dilemma durch Ablehnung der Vokabel Kreationist für seine Person aus dem Wege. Kutschera hingegen argwöhnt (wohl nicht zu unrecht). Das ist ja blos die alte Sauce in neuer Verpackung.
Kutschera arbeitet weiter heraus, dass viele
seiner Berufskollegen, in ihrem Privatleben, mit der christlichen Religion nicht
sonderlich viel mehr am Hut hätten. Durch die Aktivitäten der Lönnig und Co
sieht er sich einer neuen Art von Zwangschristianisierung ausgesetzt. Und
dagegen erhebt sich sein Protest auf der ganzen Linie. Auch notiert er. Zitat
(S. 105):
„Beide Großkirchen in unserem Land haben ihre ideologischen Widerstande gegen
die Evolution inzwischen weitgehend aufgegeben, so dass der moderne Christ im
Evolutionisten heute in der Regel keinen intellektuellen Gegner mehr sieht."
Auch diese Regel sieht Kutschera durch Lönnig durchbrochen. Und auch aus diesem
Grunde hat sich sein Widerstand ein entsprechend personalisiertes Ziel gesucht.
Kutschera stellt es so dar, als habe er erst
sehr, sehr spät mitbekommen, es bei Lönnig mit einem Zeugen Jehovas zu tun zu
haben. Nun muss man letzterem auch bescheinigen, sein Zeuge Jehovas sein, nicht
plakativ mit sich herumzutragen. Das erschließt sich eher auf die indirekte Art.
So war es auch bei Kutschera, der dazu schreibt (S. 206f.):
„Beim Verlassen meines Arbeitsplatzes (im Jahre 2003) wurde mir von einem
Mitglied der Zeugen Jehovas ein Faltblatt in die Hand gedrückt."
Und weiter Kutschera:
„Zu meiner Überraschung konnte ich in dieser Werbebroschüre aus dem Jahr 1998
die von W.-E. Lönnig vorgebrachten Argumente in geringfügig modifizierter Form
wiederfinden. … Es kam mir daraufhin der Gedanke, Herr Lönnig könnte
möglicherweise Mitglied der weltweit aktiven 'Endzeit-Sekte' Zeugen Jehovas
sein. Ich konnte mir jedoch nur schwer vorstellen, dass ein auf Lebenszeit
angestellter 'Group Leader' an einem internationalen Forschungsinstitut Anhänger
einer derartigen Glaubensgemeinschaft ist."
Bei Versuch eines abschließenden Satzes würde ich es auf den Punkt bringen. Kutschera stellt nicht zu unrecht fest. Die Vertreter des „Intelligentes Design" sind in nicht seltenen Fällen verkappte Kreationisten, die dieses ihr Kreationisten-sein nur schamhaft verschweigen. Würden sie diese „Kriegslist" nicht anwenden, könnte man sie viel eher auf den „26. Oktober 9 Uhr früh" festnageln, der mit zu ihrem eigentlichen Wesen gehört, getreu dem Motto: Wer A sagt muss auch B sagen.
Wehret den Anfängen, offenbar auch das Kutschera'sche Motto. Sein Verdienst ist es vielleicht, verkappte Kreationisten als solche enttarnt zu haben. Damit hat er auf einem Nebenschlachtfeld einen Sieg errungen. Auf dem Hauptschlachtfeld indes, blieb er sieglos.
Niemand kann dieses Selbsthinopfern verstehen
Anmerkung zu einer "Focus"-Reflexion über Poppenberg