Annotationen zu den Zeugen Jehovas
Occult Theocracy

Es wurde über einen englischsprachigen Link auf das sogenannte „Newswatch Magazine" vom Januar/Februar 1998 verwiesen. Darin sind auch zwei Abbildungen enthalten. Einmal von Albert Pike, als einem Freimaurer, der von Leo Taxil einmal als „Freimaurerpapst" tituliert wurde. Und daneben das Bildnis von Manley P. Hall, gleichfalls gemäß dieser Angabe Freimaurer. Dieser Hall hat aber nichts zu tun mit dem General Hall, der auch in der Bibelforschergeschichte eine Rolle spielt.

William Hall, General der US-Armee bei der Besetzung der Philippinen aktiv, ist besonders deshalb interessant, weil er zu den Bibelforschern stieß. Ich erinnere mich, mal in den siebziger Jahren, in der polnischen Bibelforscherzeitschrift „Swit", ein Bildnis von dem General Hall in voller Uniform gesehen zu haben. Offenbar aus der frühen englischsprachigen Bibelforscherliteratur entnommen.

Russell setzte diesen General durchaus als „Honorator" ein, wie auch der deutsche Bibelforscherhäuptling Balzereit, ebenfalls, unter Auswahl von Titel und Stellung, alle ihm verfügbaren Hofschranzen mobilisierte. Auch dem heutigen ZJ-Informationsdienst sind solche Praktiken nicht fremd. Man denke nur an ihren Einsatz von (böse Zungen sagen) gekauften Schreiberlingen, gegen die Zeugen Jehovas-Kritiker.

Allerdings wird in dem zitierten „Newswatch Magazine" auch zugleich vermerkt, dass die Bilder aus dem Buch von Edith Miller mit dem Titel „Occult Theocracy" entnommen seien. Bei diesem Verfassernamen schwillt mir allerdings „langsam der Kamm an". Ich will auch versuchen meine diesbezüglichen Aversionen etwas deutlicher zu machen.

Ein merkwürdiges Buch wird schon von Brüning zitiert namens „Occult Theokracy". Eine Verfasserangabe ist bei Brüning nicht vorhanden. Lediglich der Hinweis es handle sich um ein amerikanisches Wörterbuch. (Vgl.: Brüning, Erich „Sind Jehovas Zeugen Christen?" Bad Liebenzell 1990 S. 40-42.)

Etwas mehr Licht ins Dunkel bringt eine 1939 in Deutschland erschienene Schrift, aus einem für antisemitische Stellungnahmen bekannten Verlag. (Rehwaldt, Hermann „Weissagungen", München 1939.) Rehwaldt weiß zumindest dafür einen Autorennamen zu benennen, wenn er anmerkt, dass der Verfassername Lady Quensborough ein Pseudonym sei und ihr richtiger Name Edith Storr-Miller lautet. (Rehwaldt, Weissagungen S. 78.) Noch dubioser wird es, wenn es um den eigentlichen Inhalt geht. Brüning bietet eine deutsche Übersetzung an in der sich auch der Satz findet:

„Die Veröffentlichungen der IBF-Vereinigung sind interessante Proben politischer Propaganda und sie sind scheinbar gut geeignet, potentielle Tendenzen des Aufbegehrens unter solchen Mitgliedern der christlichen Gemeinschaften zu unterdrücken, die gegen die Rolle, die ihnen in diesem jüdischen Superstaat zugeteilt würde protestieren könnten." (Brüning, Zeugen S.42.)

Hier taucht sie also auf, die Vokabel vom „Jüdischen Superstaat". In der Lesart der Antisemiten das Schreckgespenst, dem die Bibelforscher huldigen würden. So weiß denn auch Rehwaldt unter Zitierung derselben Quelle anzumerken, dass die Deutungen der Bibelforscher einen Hintergrund hätten. Sie würden angeblich von dem jüdischen Freimaurerorden Bnai Brith geleitet, zur Verwirklichung der Pläne Judas.

Zitat bei Rehwaldt: 'Ob mit „Harmagedon' der von Juda geplante und - dank der rechtzeitigen Enthüllung des Feldherrn (Ludendorffs) - abgeblasene Weltkrieg 1932 oder der nunmehr auf 1941 festgesetzte gemeint ist, kann uns gleichgültig bleiben."

Es ist beschämend feststellen zu müssen, das eine solche dubiose Quelle, die schon die nazistischen Antisemiten strapazierten, als eine Hauptthese bei Brüning erneute (variierte) Verwendung findet.

Noch problematischer wird die Sache, wenn man weiß, dass ein in Pasadena, Kalifornien (USA) ansässiger Neonazi-Verlag, jenes Buch „Occult Theocracy" anbietet. In trauter Nachbarschaft mit Hitlers „Mein Kampf" und Rosenbergs „Mythus des XX. Jahrhunderts", die der gleiche Verlag, neben anderen Nazischinken, in englischer Übersetzung anbietet. Der gleiche Verlag fühlt sich übrigens auch dazu „berufen", der deutschen Leserschaft per Internet die Nazischrift von Dietrich Eckart „Der Bolschewismus von Moses bis Lenin" wieder zugänglich zu machen.

Ein weiteres übles Beispiel liefert Inge Schneider in ihrem, bezogen auf die Zeugen Jehovas, nicht gerade von sonderlicher „Sachkenntnis" gekennzeichnetem Buch „Countdown Apokalypse". (Schneider, Inge „Countdown Apokalypse", Bern 1995.) So unterstellt sie darin beispielsweise den Zeugen Jehovas sie hätten gelehrt: „Im Holocaust seien nur deshalb so viele Juden umgekommen, weil sie ihre Finger in allen großen Geschäften gehabt hätten, und das hätte Hitler nicht gepasst. Es sei ihre Geldgier, nicht ihre Volkszugehörigkeit gewesen, der ihnen zum Fallstrick wurde." (Schneider, Countdown, S. 35.)

Dies ist eine schlichtweg falsche These. Es ist Detlef G. zuzustimmen, wenn er in dem ansonsten kritisch zu bewertenden ZJ Video feststellt. Das der Antisemitismus der Nazis in erster Linie rassistisch begründet war. Das die Zeugen Jehovas jedoch rassistischen Herrenmenschentheorien grundsätzlich abhold sind. Inge Schneider lässt dann ihren Abschnitt über die Zeugen Jehovas mit einer Zitierung der Brüning'schen Auslassungen über die angebliche Liaison zwischen Bibelforschern und Freimaurern ausklingen. Dieses erneute zitieren, ohne Hinweis auf den rechtsradikalen Hintergrund dieser These, macht die ganze Sache auch nicht „appetitlicher".

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 Bild  General W. P. Hall 

Es mag angebracht sein, noch etwas bei Brüning zu verweilen. Er im besonderen, nebst dem unsäglichen "Robin de Ruiter" ist es, der in der deutschsprachigen Literatur zum Thema Zeugen Jehovas, die Freimaurerthese ventiliert. In seinen beiden Büchern zitiert er auszugsweise aus der sogenannten "Tempelansprache" des C. T. Russell. Diese wiederum ist der englischsprachigen Publikation "Souvenir - International Biblestudents Convention Report 1913" entnommen. Genannte Publikation liegt zwar nicht in einer offiziellen deutschen Übersetzung vor. Jedoch die "Tempelansprache" kann man komplett im Internet nachlesen. Komplett, und nicht nur tendenziös zitiert, wie bei Brüning.

Brüning seinerseits ist in dieser Frage auch nicht als "selbstständig" anzusehen. Er stützt sich in seiner Diktion auch auf vorliegende englischsprachige Voten aus den USA. Das dieses Thema dort "hochgekocht" wurde, ist noch lange kein "Qualitätsbeweis". Schlimm ist nur. Wenn in den USA ein diesbezüglicher "Rülpser" vernehmbar, meinen einige in hiesigen Gefilden, einen "Kanonendonner" vernommen zu haben. Dem widerspreche ich.

Gehen wir erst mal von der Ausgangsbasis aus. Das Freimaurertum ist zur Zeit Russells in den USA eine Macht. Jedenfalls in weit größerem Umfange als etwa in Deutschland. Auch USA-Präsidenten waren Freimaurer, etwa Warren G. Harding, und noch etliche andere Größen in Politik, Kultur und Wirtschaft. Traditionell sind das Freimaurertum und die katholische Kirche so etwas wie Erbfeinde. Die Bibelforscher ihrerseits sind auch sehr kirchenkritisch. Besonders zur Zeit Rutherford's aber auch schon davor. Sie haben in ihren ersten Jahrzehnten auch noch nicht über viele örtliche eigene Immobilien als Versammlungsstätten verfügt. Noch heute versammeln sich Zeugen Jehovas (örtlich unterschiedlich) wenn sie keine eigene Immobilie haben, auch in gemieteten Räumen. In der Regel aber nicht in solchen, die anderen Kirchen gehören. Da ziehen sie es lieber vor Schulräume oder ähnliches anzumieten.

Wenn man nun nachweisen kann, die frühen Bibelforscher versammelten sich auch in gemieteten Räumlichkeiten von Freimaurern, dann sollte das aber nicht zu einer Überbewertung Anlass geben.

Noch eins. Russell wusste den wert der Publicity durchaus zu schätzen. Er legte großen Wert darauf, dass seine "Predigten" auch in etlichen Tageszeitungen und ähnliches (gegen klingende Münze) abgedruckt wurden. Auch in Deutschland ist das nachweisbar. Da erschienen solche Russellpredigten in einer (damaligen) Wochenschrift (im Zeitungsformat), namens der "Volksbote".

Im Sinne Publicity ist auch Russell's Auftritt vor New Yorker Juden im dortigen "Hippodrom" zu werten. Der WTG-Bildtext zum Hippodrom-Foto vermerkt dabei ausdrücklich, dass Russell dort keine "Bekehrungsansprache" hielt. Auch den Juden im "Hippodrom" "redete er nach dem Munde". Anders kann man das nicht werten, wenn man sich den Text im Detail ansieht. Er währte aber immer die Grenze, sich durch solche Auftritte sei es vor Juden oder sei es auch vor Freimaurern, nicht "selbst aufzugeben".

Gerade der Text der Russellansprache vor den Freimaurern offenbart auch dies. Es wird da viel "Süßholz geraspelt". Indes seine Eigenständigkeit gab Russell auch dort zu keinem Zeitpunkt auf. Wörtlich erklärt Russell in der Freimaureransprache auch: " Obwohl ich nie Freimaurer war...". Diese doch wesentliche Aussage indes wird von Brüning und Geistesverwandten "dezent" unterschlagen.

Die Brünings und Geistesverwandten stellen indes besonders jenen Satz heraus, wo Russell auch erklärte:

"... Weil wir uns hier in einem Gebäude befinden, das der Freimaurerei geweiht ist und wir sind auch Freimaurer. Ich bin ein freier und anerkannter Freimaurer ..."

Das Russell sich als "f r e i e r Freimaurer" bezeichnet, soll doch wohl auch besagen, im Sinne des Pauluswortes "allen alles geworden" zu sein. Damit ist jedoch keine direkte organisatorische Verbindung erwiesen.

Noch weitere Passagen lassen die "Freimaurerriecher" bei der Zitierung der Russell'schen Ansprache vor den Freimaurern unerwähnt.

So etwa wenn sich Russell auch darüber auslässt:

Als Christen, Bibelforscher aller Denominationen, würde es so aussehen, daß wir etwas in unserem Glauben haben, das mit Sympathie und Harmonie mit jeder Denomination in der ganzen Welt steht. Sprechen unsere presbyterianischen Freunde von der Erwähnung? Wir um so mehr.

Haben unsere methodistischen Freunde die Lehre der freien Gnade? Wir um so mehr. Verstehen unsere baptistischen Freunde die Wichtigkeit der Taufe? Wir um so mehr. Schätzen unsere Freunde der Christlichen Denomination die großen Vorrechte der Individualität im kirchlichen Regiment? Wir um so mehr.

Verstehen unsere Freimaurerfreunde etwas vom Tempel und davon, Tempelritter zu sein und so weiter? Wir um so mehr.

Glauben unsere römisch-katholischen Freunde und die der Kirche von England an eine weltweite Kirche? Wir um so mehr.

Mit anderen Worten, es könnte scheinen, als ob die Botschaft von Wort Gottes mehr oder weniger geteilt sei und jede Denomination (=Konfession) ein Stück Wahrheit hätte, und um das herum ein Stückchen von Wahrheit hat sich gesammelt, das wir als Irrtum ansehen. Aber wir sind froh, daß sie ein Stückchen Wahrheit haben. Hätten sie nicht zumindest etwas Wahrheit, so hätten sie überhaupt keine Daseinsberechtigung. So hat man eine schmale Linie von Wahrheit, um gab sie mit Theorien und bildete eine gesonderte Kirche.

Gott sagte nie, man sollte einen Baptistische Kirche bilden, und er plante, daß eine Kirche nicht bloß den Schatten der Wahrheit besitzen sollte. Sondern die ganze Wahrheit.

Wir tadeln nicht die Fehler unserer Nachbarn und Freude, keineswegs, den wir erinnern uns, daß wir dieselben Gedanken hatten, und das ist noch gar nicht so lange her; aber ohne unsere Nachbarn zu tadeln, freuen wir uns, daß wir dazu gelangen, einen vernünftigeren harmonischen Weg zu sehen, und lang indem wir alle kirchlichen Glaubensbekenntnisse und Zäune zurücklassen, die so lang Gottes Volk getrennt haben, kommen wir zusammen auf der Grundlage der Bibel und dem, was in der Bibel steht, und nur in der Bibel."

Auch hierbei ist die Russelltendenz erkennbar, "allen, alles werden zu wollen". Es wäre wirklich schon merkwürdig, hätte er angesichts dessen, die Freimaurer anders behandelt.

Übrigens geht die von Brüning verkürzt zitierte Passage noch etwas weiter. Da liest man dann auch noch die Sätze:
"Ich bin ein Freimaurer. Ich bin ein freier und angenommener Maurer, wenn ich dieses Thema in voller Länge ausbreite; weil es das ist, was unsere Freimaurerbrüder uns gerne sagen, das sie frei sind und angenommene Freimaurer. Ich wage es zu sagen, wir alle sind es. Aber nicht gerade nach der Art unserer Freimaurerbrüder. Wir haben keinen Streit mit ihnen. Ich will kein Wort gegen die Freimaurer sagen. In der Tat sind einige meiner Freunde Freimaurer und ich kann schätzen, daß es gewisse sehr kostbare Wahrheiten gibt, die teilweise von unseren Freimaurerbrüdern gehalten werden. Ich habe manchmal mit Ihnen gesprochen, und sie haben gesagt: "Wie weißt Du über all diese Dinge Bescheid?" Sie dachten, niemand wüßte etwas darüber, ausgenommen jene, die Zugang zu unserer höchsten Loge haben.

Ich sagte, daß ich im Gespräch sei mit dem Großmeister, dem Herrn selbst, und ich habe geheime Informationen durch den Heiligen Geist und Führung in dem, was die Bibel sagt und das beinhaltet die ganze Wahrheit. Ich glaube, bei jedem Thema. Und so, wenn wir mit unseren Freimaurerfreunden sprechen, über den Tempel und seine Bedeutung und darüber, gute Freimaurer zu sein und was die Große Pyramide zu bedeuten hat, sind unsere Freimaurerbrüder erstaunt. Einer, der Freimaurer gewesen ist, lange Zeit, kaufte eine Menge Bücher, die sich mit den Großen Pyramide auseinandersetzten und sandte sie an sicherlich tausend Freimaurer. Er wollte, daß die Freimaurer etwas über die Große Pyramide lesen. Er wußte, daß sie äußerst interessiert daran waren. Aber wir wollen heute nachmittag nicht über die Große Pyramide sprechen. Wir wollen über die freie und angenommen Freimaurerei sprechen, liebe Freunde. ...

Wenn Sie meinen es sei der Wille Gottes zu den "Odd Fellows" zu gehen und Sie nicht fühlen, das sie "Odd Fellows" genug sind, wenn Sie dem Herrn nachfolgen, dann gehen Sie und treten den "Odd Fellows" bei.

Wenn Sie fühlen, daß sie Mitglied des freien und anerkannten Freimaurerordens werden möchten und sich als Nachfolger Christi nicht frei und freimaurerisch genug fühlen, Gott befohlen, gebrauchen Sie ihre Urteilskraft. Das müssen sie entscheiden, nicht ich. Da gibt es gewisse Bedingungen, es heißt, das niedrige Tor, der schmale Weg, der schwierige Pfad.

Obwohl ich nie Freimaurer war, habe ich gehört, daß es bei den Freimaurern etwas gibt, das alles sehr genau verdeutlicht. Es ist das "Reiten der Geiß" etc. Und die Bibel sagt uns, das die Geiß, die sie mehr oder weniger jeden Tag reiten müssen, ihr eigenes Fleisch ist. Unsere Freimaurerfreunde haben das sehr gut begriffen, ich weiß nicht woher. Ich habe mich oft gefragt, wie sie so viele Geheimnisse unseres hohen und anerkannten Freimaurerordens herausgefunden haben. ...

Ihr wißt, daß man in diesem Freimaurerorden, wie man von einer Stufe zu anderen emporsteigt, man auch mehr und mehr lernt; und es gibt Freimaurer im 32. Grad, die sehr viele Dinge mehr wissen als Freimaurer im 14. oder 16. Grad und die auf der 14. Stufe wissen eine Menge mehr als auf der dritten Stufe. Es ist eine Frage des vermehrten Wissens. So ist es im Geistlichen Tempel. Der Apostel drängt uns, höher aufzusteigen. Er sagt uns, wir sollen zunehmen in der Gnade und der Erkenntnis in der Wesengleichheit unseres Herrn, wir sollen immer mehr werden wie der große Oberbefehlshaber, der große Hohepriester unseres Standes, der große Templer aller Templer, der eine, der für uns starb und uns ein Beispiel gab; der uns nicht nur erlöste und uns die Möglichkeit gab, Glieder dieser höheren Bruderschaft zu werden, sondern uns auch ein Beispiel setzte, wie wir wandeln sollten."

Meines Erachtens belegen diese Ausführungen, dass Russell trotz allem "Süßholz raspeln", seine Eigenständigkeit gewahrt hat.

Dann taucht da noch die These auf, zwar nicht bei Brüning, aber andernorts, Russell sei auf einem Friedhofsgelände der Freimaurer begraben. Und? Rückfrage. Sollte er etwa auf einem kirchlichen Friedhof seine letzte Ruhestätte finden? Wo ist denn die Kirche, die dazu bereit gewesen wäre das zuzulassen? Ich kenne jedenfalls keine. Dazu war der Graben zwischen den Kirchen und den Bibelforschern zu tief. Ergo hatten die Bibelforscher auch hierbei nur eine eingeschränkte "Auswahlmöglichkeit". Zur Überbewertung dessen besteht kein berechtigter Anlass.

Abschließend vielleicht noch ein paar zusammenfassende Worte zu den Brüning-Büchern, die ich schon einmal wie folgt zusammenfasste:

Brüning referiert auch etliche allgemein bekannte Fakten zum Themen Zeugen Jehovas (etwa 1975, Blut usw. usf.) die auch anderswo schon reichlich referiert wurden. Also "umwerfend" ist es nicht, was er dazu zu sagen weiß, aber auch nicht sachlich falsch. Er spricht allerdings den Zeugen Jehovas das Christsein ab. Damit geht er meines Erachtens zu weit. So meint er etwa (S. 22) postulieren zu sollen: "Somit ist die Hoffnung einzig die himmlische und nicht wie bei den ZJ eine zweite irdische". Nun mag das seine Meinung sein. Es mag auch die Meinung von Christen aus anderen Lagern sein. Sie mögen auch ihre Meinung behalten und für wahr befinden. Ob dies jedoch schon ausreicht den ZJ das Christsein berechtigterweise abzusprechen, erscheint mir nicht ausgemacht. Wie gesagt in etlichem sagt Brüning nichts prinzipiell falsches. Aber ich fand das was er sagt, auch schon anderswo. Also der "Neuigkeitseffekt" seines Buches ist begrenzt. Um mal etwas von ihm zu zitieren, was ich auch als gut herausgestellt empfand, da wäre es da beispielsweise seine Aussage auf S. 32-34:

"Wie herausfordernd muss im Dritten Reich die Schrift 'Rüstung' (von Rutherford) gewesen sein, wie unvernünftig die militante Einleitung zu dem Kapitel 'Reinigung'. Auf Seite 232 liest man: 'Jehovas kriegerische Organisation muss von allem, was befleckt, gänzlich gereinigt werden." Zweifellos sind das keine Töne einer christlichen Botschaft, sondern sie sind aggressiv und politisch herausfordernd.

Mit Ch. T. Russell begann das 'Eigenstaatliche Konzept' durch die Verkündigung: 'Christus ist seit 1874 (Nov. 1914); gegenwärtig und herrscht als König.' Diese 'Botschaft' war ein Politikum. Wenn das 'Königreich herrscht', muss es Untertanen geben. ZJ verstehen sich dann auch als 'Gesandte' dieses 'Königreiches'. Sie sind sprichwörtlich ein Staat im Staate. Diesen Status mit seinen Konsequenzen hat der einzelne Zeuge noch gar nicht erfasst. Die These vom 'Aufgerichteten Königreich' ist keine biblische sondern eine politische."

Brüning referiert nicht nur allgemeines. Er bringt auch relativ "neues". Da wird es allerdings schon kritisch. So ist auch er der These verhaftet, es bestünde eine Verbindung zwischen Bibelforschern und Freimaurern. Besonders in seinem zweiten Buch hat er dass dann noch ausgewalzt. Aber auch schon in seinem ersten gibt es diesbezügliche Ansätze. Er liegt diesbezüglich auf einer ähnlichen Linie wie der de Ruiter, zu dem ich mich schon betont kritisch geäußert habe. Man vergleiche: Robin de Ruiter

Auch Brüning offeriert eine diesbezügliche These. Etwa wenn er auf Seite 40 schreibt:

"Verbindungen zwischen Freimaurern und Internationalen Ernsten Bibelforschern werden auch in einem Kapitel des zweibändigen Werkes 'Occult Theocracy', aufgezeigt"

Ich möchte mich hier nicht wiederholen. Mit dieser von Brüning genannten "Quelle" habe ich mich an anderer Stelle schon kritisch auseinandersetzt.

Brüning war ursprünglich in Meerane (Italien) ansässig. Wenn ich es richtig sehe ist er vor einigen Jahren nach Deutschland umgezogen. Die sogenannten "Exodus"-Kreise gehen auf ihn zurück. Wer ihn als "Autorität" betrachtet, mag es tun. Für mich ist er eine solche jedenfalls nicht. Seine Bücher, wer sie lesen will mag es tun. Ich würde jedoch hinzufügen wollen, wer ihn lesen möchte, der sollte bereits eine Reihe anderer Bücher zum Thema gelesen haben und sich selbst eine feste Meinung schon erarbeitet haben. Die Lektüre von Büchern zum Thema Zeugen Jehovas mit denen von Brüning anzufangen, würde ich als Fehler betrachten und rate davon ab!

Um noch kurz zu der Frage nach Brüning zurückzukommen. Auch er ist Ex-ZJ. (Jahrgang 1921, war 23 Jahre dabei. 1980 Ausstieg. Dann hat er wohl damit begonnen eine eigene Zeitschrift namens "Exodus" eine Zeitlang herauszugeben. Twisselmann, sicher den meisten aufgrund seiner Veröffentlichungen kein "Unbekannter", und ein (nunmehr evangelischer) Christ, der einen ziemlich weit gespannten Spagat versucht, zwischen verschiedenen Strömungen des Christentums. Also selbst Twisselmann, ist mit Brüning nicht klar gekommen. Brüning hält ihm im übertragenen Sinne "mangelnde Rechtgläubigkeit" vor. Wenn schon Twisselmann mit ihm nicht zurande kommt, was sollen da erst andere sagen, die mit der "Rechtgläubigkeit" noch weniger am Hut haben?!

Seine Übernahme von Verschwörungstheoretischen Theorien entwertet in meinen Augen die Thesen seiner Bücher, denen man ansonsten vielleicht partiell zustimmen kann. Für mich steht er in der Negativliste gleich hinter Robin de Ruiter. Ich bedaure das sagen zu müssen, es ist aber meine ehrliche Meinung.

Lothar Gassmann

Der (vermeintlich) fremde Agent

 

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