Annotationen zu den Zeugen Jehovas
"Blitzlichtaufnahme": Malawi 1975
Die Tragödien der Zeugen Jehovas in dem afrikanischen Land Malawi, sind zwar inzwischen Geschichte. Man mag sich auch auf dem Standpunkt stellen, dass deren Kommentierung aus der seinerzeitigen "DDR" auch nicht gerade das "optimale" sein kann. Dies wäre einzuräumen. Es bleibt also jedem freigestellt, diesbezügliche Vorbehalte zu haben. Da nun mal die CV in ihrer Ausgabe vom Februar 1976 (Nr. 79) die damals aktuelle Situation aufnahm, meine ich, das ihre Dokumentation in der Sache als solche nicht verkehrt sein kann.
Dies ist kein Lobgesang für die "DDR" sondern lediglich eine Faktendokumentation. Insoweit sie im fraglichen Artikel zugleich auch mit Wertungen verbunden, ist niemand genötigt die sich auch so zu eigen zu machen. In dem fraglichen Artikel konnte man lesen:
"Zeugen Jehovas in Malawi erneut schweren Verfolgungen ausgesetzt." Unter dieser Überschrift berichtete die eine überregionale Zeitung am 12. 11. 1975:
"Nach zuverlässigen Berichten aus Malawi ist die Verfolgung von Zeugen Jehovas in diesem afrikanischen Land wieder in vollem Gange. Bereits 1972 waren Zehntausende von Anhängern dieser Sekte nach schweren Mißhandlungen und Diskriminierungen noch Mocambique geflüchtet. Noch ihrer Rückkehr nach Malawi im August dieses Jahres durften die Flüchtlinge zunächst ihre alten Häuser in ihren Heimatdörfern wieder beziehen. Als sie sich jedoch erneut weigerten, der regierenden Kongreßpartei beizutreten, wurden sie geprügelt und gefoltert. Der malawische Präsident Banda wies die Polizei an, die erwachsenen Zeugen Jehovas in Gefangenenlager zu bringen. Die Kinder werden zurückgelassen und bleiben bei Verwandten oder müssen sich allein durchschlagen. Selbst Säuglinge dürfen nicht bei ihren Müttern bleiben. Mehrere hundert Sektenangehörige, die nach Sambia geflüchtet waren, wurden von den dortigen Behörden mit Gewalt noch Malawi zurückgebracht."
Die Verfolgung der Zeugen Jehovas in Afrika geht auf ihre unzumutbaren Proklamationen in ihrer öffentlichen Verkündigung zurück, Politik als "schmutzig" zu verwerfen (WT 15. 4. 1975, S. 249 z. B.), die Menschen von jeglichem sozialpolitischem und demokratischem Engagement durch ihre Verkündigung abzuhalten bzw. abzubringen, und alle, die "Politik treiben", wie berechtigt dies auch sei, als vernichtungswürdige "Feinde Gottes" zu verteufeln. (WT 1. 1. 1957, S. 6 z. B.). Die WTG, die das hervorbringt und verantwortet, weiß um den provokatorischen Charakter solcher Öffentlichkeitsarbeit und die dadurch verursachten Verfeindungen politischer Art. Sie weiß auch, wie in Afrika entwicklungsbedingt mitunter politische Feindschaften ausgetragen werden. Sie könnte diese Verfolgungen sofort stoppen. Aber sie will es nicht. Sie will diese Verfolgungen. Sie gehören zu ihrer Strategie ständiger Auslösung von Verfolgungen, um "Märtyrium" demonstrieren und ihre Angehörigen auch dadurch als die "allein wahren Christen" ausweisen zu können.
Im Anblick des sozialen Elends, aus dem sich viele Völker Afrikas mühsam herausarbeiten müssen, muß diese Politik in der WTG-Verkündigung um so unerträglicher wirken. In einem Bericht des Hamburger Nachrichten-Magazins "Der Spiegel" vom 6. 11. 1972 wurde zu dieser Afrika-Situation der WTG-geführten Zeugen Jehovas gesagt:
"Die Sekte hatte sich dort besonders schnell verbreitet. Denn gerade eine wenig gebildete, überwiegend noch an Magie glaubende Bevölkerung, mußte die wörtliche Bibelauslegung der Sekte attraktiv finden." Die WTG-Politik sei etwas, .was gerade in den jungen, ihre Identität suchenden Nationen als Provokation aufgefaßt wird. Die Sektenmitglieder verkünden zudem den Weltuntergang im Jahre 1975 und unterstützen damit - wie ihre Gegner behaupten - die ohnehin zu passive Lebenshaltung vieler Afrikaner".
Auch in Mocambique, Ostafrika, ist dies sehr akut. Es wurde schon berichtet, wie diese ehemalige portugiesische Kolonie jetzt vor einer "ökonomisch und sozial ernsten Situation" steht. Der gegründete "Volkssicherheitsdienst" hat in diesem Zusammenhang auch "verschiedene religiöse Sekten ausgehoben", wozu auch "Führer und Mitglieder der Zeugen Jehovas" gehören. (epd Kapstadt/Südafrika, 20. 10, 75, ND Berlin 5. 11. 75). Die Moskauer Zeitschrift "Neue Zeit" schreibt im November 1975 über die Lage in Mocambique: "Nach fünf Jahrhunderten Kolonialherrschaft ist in Mocambique kein einziger einheimischer Arzt, Wirtschaftler, Ingenieur oder Jurist herangebildet worden. Der Hund eines Reichen erhielt mehr soziale Dienstleistungen als der Werktätige." Hier müssen die Zeugen Jehovas unter der WTG mit ihrer sozialpolitisch passiven und auch den Besuch höherer Schulen und Universitäten bekämpfenden WTG-Verkündigung in Schwierigkeiten geraten (Königreichsdienst Jan. 1964, WT 15. 7. 1956, S. 441-443). In seiner Ansprache am 29. August 1975 in Westberlin verteufelte der WTG Vizepräsident F. W. Franz, Brooklyn. erneut den Besuch von Universitäten oder Hochschulen als "selbstsüchtige Begierden". (CV 77/1975, S. 4). Soll man sich in den unterentwickelten Ländern hierüber etwa freuen? Was erwartet die WTG?
Die WTG könnte die aus ihrer angesichts des sozialen Elends in Afrika provokatorische Politik resultierenden Verfolgungen sofort stoppen. Nach der Schrift müßte sie das sogar. Lehrt die Schrift doch, "niemanden zu schmähen, sich friedfertig und nachgiebig zu zeigen" (Titus 3:2) und "aller die Menschen betreffenden Ordnung um des Herrn willen untertan sein" (1. Petr. 2:13), also keineswegs solche Verneinung und Bekämpfung sozialpolitischer Mitverantwortung des Christen. Die Schrift zeigt vielmehr, wie Cornelius z. B. sogar ein römischer Militärführer war, ein anderer Christ war königlicher politischer Würdenträger, und es wurde nicht gegen solchen gesellschaftlichen Stand gepredigt (Apg. 8:27, 10:1,2, 1. Kor. 7:20). Das Evangelium erlaubte also sogar die Mitgliedschaft in höchsten militärischen und staatlichen Institutionen. Zu predigen, es sei einem Christen verboten, auch nur das einfachste Mitglied in einer politischen oder staatlichen Partei zu sein, entbehrt daher nicht nur jeder urchristlichen Grundlage. Es geht eindeutig über das hinaus, was geschrieben steht und zieht sich daher eine schriftgemäße Verurteilung zu 1. Kor. 4:6. Es ist als WTG-Lehre sogar offene politische Heuchelei. Denn WTG-Präsident J. F. Rutherford z. B. fand keineswegs einen Widerspruch zur Schrift darin, als "Vertreter des Herrn" zeitlebens auch aktives Mitglied der amerikanischen Staatsanwaltschaft in New York, USA, zu sein. Biografie, M. Cole, Frankfurt 1956, WTG-Vertrieb). Der politische Mißbrauch der WTG-Angehörigen tritt damit um so schärfer hervor, ohne daß sie es merken sollen.
Für die der WTG bedenkenlos folgenden Zeugen Jehovas in Malawi - führt das unter. den dort gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen der zu überwindenden Rückständigkeit und Elendsverhältnisse zu tragischen Auswirkungen. Um die Entrüstungen der WTG braucht sich niemand zu kümmern, auch sie sind Heuchelei, hat sie doch selbst alles provoziert. Man muß vielmehr noch dem strategischen Ziel fragen, das die WTG jetzt um "1975" mit diesem "Märtyrer-machen" in Afrika verfolgt, wenn sie dort dafür Tausende "verheizt" wahrend sie selbst in Sicherheit bleibt.
Über das britische Protektorat Njassaland, ab 1907 britische Kolonie Njassaland, ab 1964 als unabhängiges Malawi bekannt, schreibt "Erwachet!" in seiner Ausgabe vom 8. August 1954. Gemäß diesem Bericht lebten in Njassaland zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels 4.000 Weiße und 2.250.000 Bantuneger. Neuere Lexika-Angaben hingegen beziffern die Zahl der Gesamtbevölkerung nach dem Stand von 2003 auf 12 Millionen. Demzufolge hat es dort eine beachtliche Bevölkerungsexplosion gegeben, was auch in der Aussage zum Ausdruck kommt: Malawi sei mit 102 Einwohnern pro Quadratkilometer einer der dichtest besiedelsten Staaten Afrikas.
Was die Zeugen Jehovas dort anbelangt, so
rühmt man sich, dass deren Zahl sich seit 1949 nahezu verdoppelt habe. In
numerischen Zahlen.
Für 1934 wurde in Njassaland eine Zahl von 251 Verkündigern genannt.
1949 waren es dann 6.833.
Diese Zahl erhöhte sich kontinuierlich bis 1967 auf 17.398.
Dann kamen die politischen Spannungen zur Zeugen Jehovas Religion zum tragen,
über die auch Raymond Franz in seinem Buch berichtet. Da es mehrere solcher
Spannungswellen gab, gab es in den nachfolgenden Jahren auch ein Auf und Ab in
der Zahl der dortigen WTG-Verkündiger. Der absolute Tiefpunkt war wohl im
Jahre 1975 erreicht mit nur 160 Verkündigern. Ein Jahr später hatte man sich
wieder auf 4.209 Verkündiger aufgerappelt, was aber im Vergleich zu früheren
Jahren mehr oder weniger bedeutungslos war.
Ab 1977 ist dann Malawi in den
WTG-Jahrbüchern den Verbotsländern pauschal zugeschlagen, was bedeutet, keine
Veröffentlichung spezifisch malawischer Zahlen mehr.
Für 1993, nachdem sich die politischen Rahmenbedingungen in Malawi gewandelt
hatten, taucht es wieder in den Jahrbuchstatistiken separat auf. Für 1993
werden 26.501 Verkündiger genannt. Diese Zahl steigerte sich dann bis 2003 auf
55.384, was einem Verhältnis von 1 zu 189 zur übrigen Bevölkerung entspreche.
Zur sozialen Situation ist auch die
Lexikaangabe beachtlich:
"86 Prozent der Bevölkerung leben auf dem Land. Die Lebenserwartung liegt bei
36,6 Jahren (1998). Es besteht keine allgemeine Schulpflicht. … Der
Alphabetisierungsgrad liegt bei 56,4 Prozent." Also auch hier ein Beispiel für
die Grundsatzthese. Ein erschreckend niedriges Niveau ist der beste Nährboden
für die Zeugen Jehovas.
Bis 1994 war in Malawi das Einparteiensystem dominierend. Das kann man dann -
so man mag - auch mit einer Diktatur unter dem Firmenschild "Demokratie"
gleichsetzen.
Der seinerzeitige Staatspräsident Hastings Kamuzu Banda
Wirtschaftlich wird Malawi als eines der ärmsten Länder der Welt bezeichnet. Diese trostlosen Zustände offenbaren sich denn auch in solchen Details wie, dass im gesamten Land fünf Tageszeitungen erscheinen, mit einer Gesamtauflage von nur 25.000 Exemplaren.
Um 1875 wurden dort die ersten christlichen Missionsstationen eröffnet. Auch für die WTG erwies sich schon in der Frühzeit, Njassaland als eines ihrer potentiellen Einflussgebiete. Ein fehlgeschlagener Aufstand in der Zeit des ersten Weltkrieges (1915) unter Führung von John Chilembwe, wird in seinen Wurzeln der Russellbewegung mit angelastet, dergestalt, dass auch von ihm die messianischen Erwartungen der Bibelforscher, als irdische Handlungsanweisung fehlinterpretiert wurden. Insbesondere hatte Chilembwe dafür plädiert, keinen Militärdienst für die britische Regierung zu leisten, was letztere nicht zu "verzeihen" bereit war.
Die hohe Wertschätzung für Chilembwe kommt auch darin zum Ausdruck, dass im heutigen Malawi der 15. Januar gesetzlicher Feiertag ist, als "John-Chilembwe-Tag".
Insbesondere die Kitawala-Bewegung, mit Malawi als einer ihrer Hochburgen bewirkte, dass die frühen Missionsanstrengungen der WTG weitgehend konterkariert blieben. Greschat arbeitet in seiner Kitwalastudie heraus, wie da die WTG-Religion faktisch afrikanisiert wurde. Der für die Zeugen typische Zentralismus, mit der Bindung an Brooklyn, wurde in diesen Kreisen außer Kraft gesetzt. Das wiederum hatte zur Folge, dass es für die Brooklyn verpflichteten Zeugen Jehovas dort, mehr oder weniger erst nach 1945 wieder aufwärts ging.
Weitere Details zu Malawi, insbesondere auch zu den dortigen Konflikten mit der WTG-Religion, kann man auch der "Geschichte der Zeugen Jehovas. Mit Schwerpunkt der deutschen Geschichte" S. 514 - 526 entnehmen.