Kitawala

Im Jahre 1967 erschien im N. G. Elwert Verlag (Marburg), die Buchausgabe einer Dissertation von Hans-Jürgen Greschat: "Kitawala. Ursprung und Religion der Watch-Tower Bewegung in Zentralafrika". Es ist schon ein merkwürdig beeindruckendes Buch. Wer hätte schon als Zeuge Jehovas gedacht, dass es da in Afrika eine Gruppierung gibt, die zwar den Namen Wachtturm-Bewegung (bzw. in der Eingeborenensprache: Kitawala) verwendet; aber dennoch nichts mit den heutigen Zeugen Jehovas zu tun hat. In der Wachtturm-Literatur nach 1945 (außer einigen beiläufigen Anmerkungen in ZJ-Jahrbüchern) findet man so gut wie keine Information über diese Gruppe. Auch als die Studie von Greschat vorlag, hielt es die WTG bis heute nicht für angebracht, auch mal darüber etwas näher zu informieren. Und dies, obwohl sie in der Greschat'schen Studie nicht unbedingt schlecht wegkommt. Ich würde Greschat so interpretieren: Er informiert in erster Linie. Er macht Hintergründe deutlicher, stellt verborgenes Material zum Thema vor. Enthält sich aber einer prinzipiellen Auseinandersetzung mit der heutigen Wachtturmgesellschaft. In dem Kapitel: "Ein afrikanisches Beispiel", habe ich mich ausgehend von Greschat, den ich diesbezüglich wertvolle Anregungen verdanke, zu diesem Komplex schon mal geäußert.

Zwei Aspekte fallen bei dem Thema "Kitawala" besonders ins Auge. Einmal deren Politisierung, die faktisch zu politisch motivierten Aufstandsbewegungen antikolonialer Art führten und auf der anderen Seite der Fall des Mwana Lesa. Letzterer ist durch offensichtliche Mordaktionen in die Geschichte eingegangen. Auch wenn dieser Mörder Mwana Lesa nichts mit den Zeugen Jehovas zu tun hat, so kann man doch nicht an der Tatsache vorbeigehen, dass er eben in diese Kitawala-Bewegung einzuordnen ist.

Wie gesagt, nochmals: Er hat nichts mit den Zeugen Jehovas zu tun. Aber aufgrund der historischen Umstände sind nähere Informationen zu seinem Fall es wert, nicht einfach unter die Rubrik "das interessiert mich nicht" abgetan zu werden. Welcher Versuchung die Zeugen Jehovas ja nur allzu oft erliegen.

Es gibt, dass sei noch hinzugefügt, seitens der Zeugen Jehovas, vor 1945, auch ein bemerkenswertes Dokument dazu. Und zwar in der Ausgabe vom 15. 4. 1936 des "Goldenen Zeitalters". Dort berichtete auch die WTG, wenn auch nicht untendenziös über diesen Fall. Daraus sei nachstehend zitiert:

"Im Mai 1935 wurden in Luanshya in Nord-Rhodesien sechs streikende Kupferminen-Arbeiter, alles Neger, durch von Bergwerksbesitzern besoldete Polizeitruppen erschossen. Dies geschah im gleichen Distrikt, in dem wenige Jahre zuvor ein Häuptling der Eingeborenen seine Untertanen während einer Taufhandlung haufenweise hingemordet hatte. Dieser Häuptling erklärte ein Wachttürmer zu sein, hatte aber in keiner Weise Beziehungen zu der Wachtturm Bibel- und Traktatgesellschaft. Er nannte sich Nyirenda, war aber unter den Eingeborenen unter dem Namen Mwana Lesa, was der 'Sohn Gottes' heißt, bekannt und galt allgemein als ein treuer Anhänger der römisch-katholischen Organisation, in deren Schoß er auch glaubensvoll verstarb.

Während des Negerstreikes wurde von Kapitän Word Roper, dem dortigen Polizeikommissar, bei verschiedenen Anlässen versucht, die Schuld auf die Wachtturm Bibel- und Traktatgesellschaft und auf Jehovas Zeugen zu schieben, doch ergab eine nähere Untersuchung, dass diese absolut nichts mit dem Aufruhr zu tun hatten, was jeder, der nur irgendwie mit unseren Schriften vertraut ist, im voraus wissen konnte. Die missleiteten Beamten der Britischen Regierung schienen sich aber der Tatsache verschließen zu wollen, dass Mwana Lesa, 'der Sohn Gottes', einer der vielen getauften Mörder des römisch-katholischen Kultus war (wie Alexander Borgia und Ignazius Loyola). Nichts wurde getan, um den Wirkungen des Katholizismus auf die Gemüter der Eingeborenen nachzuspüren, und man ging über die Tatsache hinweg, dass die Awembas (der Stamm, der dort den Weißen durch seine Wildheit am meisten zu schaffen macht), beinahe ausschließlich unter der Kontrolle der römischen Hierarchie stehen. …

Zum besseren Verständnis des vorher Gesagten erweist es sich hier als notwendig, auf den Unterschied hinzuweisen, der zwischen den zwei Wachturmbewegungen besteht, die in Rhodesia Wurzeln gefasst hatten. Die eine bezeichnen wir passenderweise als 'römisch-katholischen Wachtturm', die andere als den 'Jehovas Zeugen-Wachtturm'. Zwischen beiden sind keine Berührungspunkte möglich oder auch nur denkbar."

Im folgenden zitiert die WTG dann einen Pressebericht über den Fall Mwana Lesa.

Der von der WTG zitierte Journalist Lindberg, setzt sich als erstes auch mit dem geistigen Hintergrund des Mwana Lesa auseinander. Über ihn äußert er:

Das er "Foxens 'Buch der Märtyrer' in die Hände bekam, wie er daraus lernte, dass weiße Männer andere weiße Männer ertränkten oder mittels Pfahl und Scheiterhaufen verbrannten und es nicht schlecht fand, auch ein wenig mitzumachen. So ändert er dann seinen Namen in Mwana Lesa, 'Gottes Sohn' und verband sich zur Förderung seines Vorhabens mit Chwila I., dem König des Lalastammes. Dann sagt Lindberg:'… Tom wurden dann alle Namen der Feinde Chwilas aufgezählt. Er berief die Häuptlinge zusammen und erklärte ihnen, er sei von Gott gesandt um den Stamm von Hexenkünstlern zu reinigen, und das jeglicher, sei es Mann, Weib oder Kind, im Flusse getauft werden müsse. Die abergläubischen Eingeborenen wurden nun an einen Ort gelockt, wo inmitten von Hügeln ein schnellströmendes Gewässer seinen Weg durch eine gewundene Schlucht bahnte und Tom, bekleidet mit einem langen weißen Überwurf stellte sich dort auf eine Steinplatte, inmitten der Strömung. Er verkündete dem versammelten Volke, dass Gott ihn entsandt habe um die Schafe von den Böcken zu scheiden. Dann taufte er jeden durch Eintauchen in das Wasser unter dem Beistand von Chiwilas stämmigen Gehilfen, die dessen Feinde, Gesicht stromaufwärts, solange unter Wasser hielten, bis sie kein Lebenszeichen mehr gaben. Das Volk, vom Ufer aus dem Todeskampfe der auserwählten Opfer zuschauend, sang unterdessen Hymnen und die ganze Nacht hindurch hallte der Wald von den frenetischen Beschwörungen Mwana Lesas wieder.

Nachdem Tom in dieser Nacht zweiundzwanzig Opfer ertränkt hatte, fand er es für geraten, sich jenseits des Flusses, auf Boden von Belgisch-Kongo in Sicherheit zu bringen, wo die Behörden Rhodesias ihn kaum mehr aufgreifen konnten."

Es gelang schließlich doch noch, diesen Mörder festnehmen und zum Tode verurteilen zu können.

Der WTG-Bericht zitiert dazu: "Zur festgesetzten Zeit herrschte ein tödliches Schweigen. Die Gefängnistore öffneten sich und die Mörder, mit auf dem Rücken gefesselten Händen , - nur Mwana Lesa trug keine Fesseln - wurden von einer Askariwache herausgeführt. Ein ehrwürdiger, römisch-katholischer Priester mit einem wallenden weißen Bart, ein Kruzifix haltend, führte die Prozession, denn Tom Nyirenda war im Schoße der römisch-katholischen Kirche aufgenommen worden und im Gefängnis wurde ihm die Absolution erteilt.

Nun sind schon neun Jahre seit jener Hinrichtung vergangen, doch immer noch verehren die Eingeborenen von Nord-Rhodesia, Nyassland und Katanga seinen Namen und glauben, dass er einst zur Erde zurückkehren und sie in irgendein Schlaraffenland führen werde."

Der weitere, sehr emotional gehaltene Bericht in jener GZ-Ausgabe informiert dann darüber, dass seitens der Rhodesischen Regierung eine weitere Steuererhöhung beabsichtigt war. Sie hatte für die bereits zu Hungerlöhnen in den Bergwerken beschäftigten Eingeborenen, weitere, extrem existentielle Auswirkungen. Die Wut der Betroffenen machte sich in Streikaktionen Luft, die blutig niedergeschlagen wurden.

Auf der Suche nach einem Sündenbock für diese Meldung, die ja auch in der Weltpresse berichtet wurde, wurde wieder der Fall der Kitawalas ausgegraben. Der WTG Bericht vermerkt weiter, dass besonders katholische Missionare in dieser Situation zu intrigieren begannen. Sie versuchten die Anwürfe gegen die Kitwalas, gleichzeitig undifferenziert auch auf die Zeugen Jehovas zu übertragen und hatten mit ihrer Intrige Erfolg. Die WTG hat alle Mühe, bei ihrer Bestrebung, die Sache richtigzustellen, gegen diese Intrigen aus dem katholischen Lager anzukämpfen. Darüber berichtet diese GZ-Ausgabe Desweiteren in lang und breitem Umfang.

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1936er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte