Geschrieben von Drahbeck am 04. Juli 2003 06:41:46:

Auf der Webseite (Geschichte der Zeugen Jehovas) wurde in den rund vier Jahren ihres Bestehens jetzt der Aufruf der 1. Millionsten Einzelseite registriert. Abgesehen von saisonalen Schwankungen ist der Stand derzeit so, dass pro Woche rund 1.000 Einzelseiten irgend einen Interessenten finden.

Der absolute Löwenanteil davon gelangt über Google auf die Webseite.
Gibt man bei Google das Suchwort Zeugen Jehovas ein, findet man diese Webseite mit auf den vorderen Plätzen. Lediglich noch übertrumpft von WTG-Seiten. Pikant. Von den WTG-Seiten rangiert mit an vorderster Stelle dort ein von der WTG veröffentlichtes Gutachten: "Zur steuerlichen Gemeinnützigkeit der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland". Diese hervorragende Platzierung dieses Themas, dass der WTG wohl besonders unter den "Nägeln brennt" kann man doch wohl nur so deuten, dass da massive Abrufe gerade dieser Detail-Webseite erfolgen, denn anders dürfte doch wohl diese Platzierung bei Google kaum zustande kommen, oder man bedient sich irgendwelcher Kunstgriffe, um gerade diese Ausführungen dem Publikum auf Platz zwei bei einer entsprechenden Anfrage unter genanntem Keyword bei Google zu servieren. Wie auch immer. Diese hervorragende Platzierung des Money-Themas zeigt, worum es der WTG im eigentlichen geht.

Das Publikum von "Geschichte der Zeugen Jehovas" scheint ziemlich "hetorogen" zu sein. Mit auf dem Spitzenplatz der aufgerufenen Webseiten stehen die Ausführungen über den "Jan von Helsing" auch über das sogenannte "6. und 7. Buch Mose". Das sind dann ja wohl Themen, die eher dem Bereich Esoterik zuzuordnen sind, aber nicht den Zeugen Jehovas. Überhaupt erscheint es fraglich, in welchem Umfang aktive Zeugen Jehovas zu den Nutzern der Webseite gehören. Willkürliches Beispiel die Woche vom 23 bis 29. 6. 2003. Insgesamt 2626 Rechner griffen auf 1100 Seiten zu, die insgesamt 10 171 mal aufgerufen wurden. Davon die Helsing-Datei 125x, Mose 114x, Diplomarbeiten 80x, Kindererziehung 66x; Endzeit 49x, Freimaurer 41x. Der Provider weist täglich die 20 Spitzenplätze nach. Alles andere im Wochendurchschnitt zusammengefasst. Ab Platz 23 beginnen die 35x aufgerufufenen Dateien. Ab Platz 46 = 25x; ab Platz 244 = 10x, ab Platz 681 5x Platz 972 2x und Platz 1025 und weiteres 1x.

Ich habe es schon früher erklärt; gegen Verblendung anzukämpfen ist ein schwieriges, sehr schwieriges Unterfangen. Wer da schnelle und sensationelle Erfolge erwartet, dürfte höchstwahrscheinlich enttäuscht werden. Es ist aber noch immer so, dass Jehovas Zeugen bestrebt sind, mittels ihres "Predigtdienstes" nicht nur engere Familienangehörige zu gewinnen; sondern eben auch solche die bislang noch keine engere Beziehung zu ihnen hatten (die sich nicht selten als familiär konzipiert erweist). Gerade aber dieser Personenkreis hat so die Möglichkeit, sich im Vorfeld umfassend zu informieren, auf was er da sich eventuell einzulassen gedenkt.

Da wiederum zwei Einschränkungen.
Zunehmend besitzen unter den Neuzugängen bei den Zeugen Jehovas fremdsprachige Kreise in Deutschland; höhere Bedeutung. Und die werden ja durch deutschsprachige Webseiten nicht unbedingt erreicht. Zweite Einschränkung. Das Internet verbreitet sich weiter. Aber so "alt" ist es noch nicht. Noch immer gibt es einen hohen Bevölkerungsanteil der nicht zu seinen Nutzern zählt. Indes auch die globalen Zahlen machen deutlich, dass trotz aller Anstrengungen der WTG, ihre "Stammzahlen" in Deutschland wohl eher dem Bereich der Stagnation zuzuordnen sind. Siehe dazu auch: http://www.manfred-gebhard.de/Statistik.htm

Einige Zeugen Jehovas hätten es gern; es wäre von Kritikerseite zu ihrer Thematik "stumm" im Internet. Unabhängig von nicht zu registrierenden "schnellen Erfolgen" werde ich Ihnen diesen Gefallen nicht tun. Nicht zuletzt weil das ganze nicht bloß eine "abstrakte" Erkenntnis ist, sondern dieweil ich auch in der eigenen Biographie den Einfluss der Zeugen zu registrieren habe und diesen Einfluss noch heute beim äbwägen der Für und wieder, letztendlich als negativ bewerte. Natürlich sollte man sich realistisch einschätzen. Man sollte sich auch die Frage stellen. Wie wäre denn Deine Biographie verlaufen; hätte es nicht den Zeugeneinfluß (familiär entstanden) gegeben. Ich möchte da durchaus kein "Schwarz-weiss-Bild" zeichnen. Dennoch schlägt das Pendel der Waage eindeutig aus - zu ungunsten der WTG.

Sind Jehovas Zeugen zwar keine bildungs"freundliche" Gemeinschaft; so kann man sie dennoch als relativ belesen einschätzen. Man denke nur an ihr "Wachturm"-"Studium" (eher wohl eine Indoktrinationsveranstaltung) das ihre wöchentliche Hauptveranstaltung darstellt. Während andernorts in christlichen Kreisen da doch eher ein passiver sogenannter Gottesdienst gang und gäbe ist. Diese relative Belesenheit hat sich in meinem Fall auch in der Nach-ZJ-Zeit erhalten.

Eine Folge davon; ich sehe mich durchaus auch als im Gegensatz stehend zu jener Clique von "Geschäfts-Historikern", für die das Thema Zeugen Jehovas nur einen vorrangigen Zweck hat, denn ich in vorstehender sie charaktisierenden Vokabel schon nannte. Ich werde ihnen, im Rahmen des mir möglichen, auch weiterhin kontra bieten. Selbst auf die Gefahr hin, dass deren Geschäfte eines Tages nicht mehr ganz so laufen, wie von ihnen geplant und gewünscht. Sollte jenes Ziel je erreicht werden, wird das als mein eigentlicher "Sieg" rückblickend in der geschichtlichen Dimension, zu werten sein. Banalitäten in Sachen Zeugen Jehovas gibt es andernorts auch "reichlich". Das kann aber nicht der Sinn auch dieser Webseite sein.

Die Frequentierung der Webseite ist wie auch die Grafik ausweist unterschiedlich. Mal Wochen mit hoher Frequentierung (nicht selten, wenn Suchmaschinen ihre Seitenbestand aktualisieren); dann wieder Wochen mit erheblich geringerer Frequentierung. Ein solcher Einbruch der letztgenannten Art hat mir aber doch zu denken gegeben. Da gab es im vorigen Jahr im Raum Dresden eine plötzliche Flutkatastrophe. Und genau synchron damit sank die Webseitenfrequentierung in besonders beachtlichem Umfange. Man sagt den Zeugen Jehovas nach, dass einer ihrer regionalen Massierungen auch in jenem Bereich vorzufinden sei. Es ist verständlich, dass die von der Flutkatastrophe betroffenen Menschen in dem Augenblick wahrlich andere Sorgen hatten, als wie ins Internet hineinzuschauen. Aber indirekt erscheint mir das dennoch ein nicht uninteressanter Aspekt der Nutzerstruktur zu sein.

Gerade an diesem Wochenende veranstalten die Zeugen Jehovas u. a. im Raum Berlin und Hamburg ihren Jahreskongress. Ein Schelm wer das böses denkt!

Grafik

Geschrieben von D. am 05. Juli 2003 07:17:26:

Laut einer Zeitung bejubelt der Druckmaschinen-Hersteller MAN jetzt seine Geschäftsbeziehungen zur WTG:
"Sieben Lithoman-Anlagen für die Druckereien in England, Mexiko, Brasilien, Südafrika und Japan wurden geordert. Angaben zur Auftragshöhe machte der Konzern keine. Auf Lithoman-Anlagen, die in Augsburg hergestellt werden, werden ein Großteil der religiösen Zeitschriften (der Zeugen Jehovas) gedruckt ...

Mit dem bisher größten Einzelauftrag setzt der Konzern seine mittlerweile fast 80-jährige Zusammenarbeit mit dem US-Kunden fort."

Geschrieben von Drahbeck am 05. Juli 2003 08:22:30:

Im Vatikan hat man offenbar das Thema Zeugen Jehovas und Nationalsozialismus jetzt auch "entdeckt", wie man dies einer Veröffentlichung aus dem Jahre 2000 entnehmen kann.. Sonderlich "glücklich" dürften die "Standhaft"-Apologeten darüber aber höchstwahrscheinlich nicht sein. Gehört doch zu seinen mit zitierten Quellen auch das Uraniabuch von 1970 (respektive des Buches des Rolf Nobel, der etliches einschlägige daraus "abgekupfert" hat).
Besonders bedeutsam erschien den dortigen Autoren wohl das Schreiben des WTG-Rechtsvertreters Hans Dollinger an das nazistische Innenministerium vom 29. 1. 1935, dass sie mit in Faksimile und italienischer Übersetzung offerieren.

Dollinger geht darin auf die Vorwürfe von nazistischer Seite ein, Jehovas Zeugen "wären" eine kommunistische "Tarnorganisation". Zur Begründung dieser These hatten die Nazis auf den Fall Ewald Vorsteher verwiesen. Letzterer hatte sich von der WTG separiert (schon vor 1933) und versucht mittels der sogenannten "Wahrheitsfreunde" eine "Konkurrenz"organisation aufzuziehen; was ihm allerdings nicht im gewünschten Sinne gelang.
Weshalb ihm und anderen das so nicht gelang, darauf gehe ich indirekt, ohne ihn beim Namen zu nennen, auch mit ein in: http://www.manfred-gebhard.de/Reise.htm

Immerhin, als das Naziregime dann am Ruder war, hatte Vorsteher schon Anfang 1933 Verlautbarungen von sich gegeben, die durchaus als klar antinazistisch zu werten sind. Sie dienten den Nazis als billige Alibis.
Wie war jedoch die Position der WTG zu diesem Zeitpunkt. Das heißt Anfang bis Mitte 1933 ? Nun, es war die Position des Schmusekurses. Die verantwortlichen WTG-Funktionäre hüteten sich, die Nazis irgendwie durch unbedachte Äußerungen zu brüskieren.

Dollinger selbst sah sich die zum Fall Vorsteher vorliegenden Akten an; und meinte triumphierend feststellen zu können. Das, was der Vorsteher da von sich gegeben, ist doch nicht u n s e r e Position.
Anfang 1935 noch, als die WTG schon längst auf Konfrontation umgeschaltet hatte, meinte er das in genannten Schreiben an das faschistische Innenministerium als "Trumpf" ausspielen zu können. Und so versucht er denn seinem nazistischen Briefpartner mit den Worten "einseifen" zu können (es nützte ihm und der WTG aber nichts):

"Bei der Abschrift dieses Berichtes ist mir in besonders eindringlicher Weise das Ungeheuerliche des Tuns dieses Mannes namens Vorsteher zum Bewusstsein gekommen. Ich verstehe es durchaus, dass der nationalsozialistische Staat sich Derartiges nicht bieten lässt (Kritik an Hitler) …
Die 'Bibelforscherbewegung' hat niemals in allen den Jahren, in welchen der Nationalsozialismus im Kampfe um Deutschland stand, versucht, diesen Kampf zu beeinträchtigen.
In keinem Vortrag, in keiner Schrift und auch nicht im Gesamtverhalten der Vereinigung wurde gegen den Nationalsozialismus in irgendeiner Form Stellung genommen. Dies trifft sowohl für Deutschland, auch für die hunderttausende unserer inländischen Glaubensfreunde, - als auch für das gesamte Ausland zu. …
Mit deutschem Gruss!
Hans Dollinger"

Lassen wir mal den "deutschen Gruss" beiseite; oder auch nicht. Fragt es sich doch; grüßte man am 24. 6. 1933 auch mit dem "deutschen Gruss"; oder adäquatem aus dem Liederbuch der Zeugen Jehovas?
Der Beachtung wert erscheint mir auch Dollingers Behauptung von den "Hunderttausende inländischer Glaubensfreunde". So wurde schon damals hochgestapelt!

Geschrieben von Drahbeck am 06. Juli 2003 09:06:41:

Als Antwort auf: Zeugen Zauber geschrieben von Bauer am 05. Juli 2003 19:25:46:

Eine Antwort darauf kann man vielleicht auch aus einem Buch des französischen Geschichtsprofessors Georges Minois entnehmen. In etwas weiter gespannten Rahmen, (nicht vordergründig auf die Zeugen bezogen) geht auch Minois einmal dieser Frage nach. Auch wenn seine Ausführungen wie gesagt, nicht Zeugen spezifisch sind, offenbart sich letztendlich dennoch auch im Falle der Zeugen ähnliches.
Minois rekapituliert:

Hier der Bericht der Genesis:
Alle Menschen hatten die gleiche Sprache und gebrauchten die gleichen Worte. Als sie von Osten aufbrachen, fanden sie eine Ebene im Land Schinar und siedelten sich dort an. Sie sagten zueinander: Auf, formen wir Lehmziegel, und brennen wir sie zu Backsteinen. So dienten ihnen gebrannte Ziegel als Steine und Erdpech als Mörtel. Dann sagten sie: Auf, bauen wir uns eine Stadt und einen Turm mit einer Spitze bis zum Himmel, und machen wir uns einen Namen, dann werden wir uns nicht über die ganze Erde zerstreuen. Da stieg der Herr herab, um sich Stadt und Turm anzusehen, die die Menschenkinder bauten. Er sprach: Seht nur, ein Volk sind sie, und eine Sprache haben sie alle. Und das ist erst der Anfang ihres Tuns. Jetzt wird ihnen nichts mehr unerreichbar sein, was sie sich auch vornehmen. Auf, steigen wir hinab und verwirren wir dort ihre Sprache, so daß keiner mehr die Sprache des anderen versteht. Der Herr verstreute sie von dort aus über die ganze Erde, und sie hörten auf, an der Stadt zu bauen. Darum nannte man die Stadt Babel (Wirrsal), denn dort hatte der Herr die Sprache aller Welt verwirrt und von dort aus hat er die Menschen über die ganze Erde zerstreut.

Übersetzen wir: die Menschen ohne Gott sind vereint, solidarisch und beschließen, eine starke, unabhängige Menschheit zu bauen, die über die Welt herrscht und ihr einen Sinn gibt: "Machen wir uns damit einen Namen!" Diese Menschen kümmern sich nicht um Gott; stolz und einig arbeiten sie an ihrer Zukunft; sie könnten die atheistische Menschheit darstellen, die sich allein organisiert. Gott aber ist eifersüchtig auf ihr Einvernehmen, das ihre Stärke ausmacht; er verwirrt die Sprachen und führt die Spaltung ein. Gott will eine schwache, demütige, unterwürfige Menschheit; er kann es nicht ertragen, dass die Menschen sich ohne ihn organisieren, dass sie fraternisieren, ohne seine Existenz zur Kenntniss zu nehmen. Er zieht es vor, dass sie sich streiten, sich bekämpfen, was ihm die Rolle des höchsten Schiedsrichters zurückgibt. Der Glaube, also die Religion, ist ein Element der Spaltung angesichts des Unglaubens, eines Elements menschlicher Solidarität. Wäre der Turm von Babel somit nicht das Symbol einer atheistischen Menschheit, die versucht, sich einen Sinn - einen "Namen" - zu geben und deren Bemühungen vernichtet werden durch den Eingriff des Heiligen, des Göttlichen, des Übernatürlichen, des Absoluten, das spaltet und jede Hoffnung einer natürlichen Einheit zerstört?

Diese Interpretation hat natürlich wenig Chancen, akzeptiert zu werden. Wenn man sich jedoch streng an den Text hält, scheint sie mir eine mögliche Lesart zu sein. Jedenfalls kann diese Episode die
g r u n d s ä t z l i c h e F e i n d s c h a f t der Religionen gegenüber dem Unglauben veranschaulichen. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts bilden Gläubige und Ungläubige im Abendland zwei antagonistische Welten,
j e d e r z e i t b e r e i t, h a n d g e m e i n z u w e r d e n. ...
Warum dieser Hass oder zumindest dieser Argwohn? Was haben diejenigen, die glauben, daran auszusetzen, dass andere nicht glauben? ... Diese Unduldsamkeit hat nichts mit dem Problem der Wahrheit zu tun: niemand wird verfolgt, weil er nicht an den Satz des Pythagoras glaubt oder weil er leugnet, dass zwei und zwei vier ist; man begnügt sich damit, ihn für verrückt zu erklären. Wenn der Wille, den Atheismus auszumerzen länge das Übergewicht hatte, so deshalb, weil man meinte, ein fehlender Glaube habe ein abweichendes individuelles und gesellschaftliches Verhalten zur Folge. Bis Bayle und über ihn hinaus ist ein Mensch ohne Gott ein Mensch ohne Moral, folglich eine Gefahr für die Gesellschaft. Die Geschichte des Atheismus ist auch die Geschichte dieser Kämpfe um eine rein menschliche Moral.

Soweit der Text von Minois. Bezüglich des auch mit angesprochenen Themas Moral, empfehle ich auch nachfolgenden Link:
Bebel

Geschrieben von Ewald am 06. Juli 2003 11:17:03:

Gestern durfte ich aufgrund einer Einladung am Kongress der ZJ-teilnehmen.

Welch ein eindrucksvolles Bild. Allee korrekt gekleidet,
Frauen in Röcken, Männer im Anzug.

Nach Dreck aud dem Boden oder woanders im Fussballstadion,
(obwohl die Zeugen dort frühstückten und Mittag aßen)
musste man wirklich suchen.
Die Polizei, welche die Veranstaltung überwachte konnte sich einen ruhigen Tag amchen.
Man vergeiche diese Situation jetzt mal nach einem Fussballspiel. Und der Kongress der zeugen geht 3 Tage lang.

Alle Leute sind freundlich und zuvorkommend.

Während der Veranstaltung machen sich die zeugen eifrig Notizen und schlagen die angeführten Bibelstellen nach.

Auf welcher Großveranstaltung ist dieses sonst zu finden?
Man vergleiche dieses auch mit einem Kirchentag.

Ewald

Geschrieben von Beobachter am 16. Juli 2003 01:23:38:

Als Antwort auf: Eindrücke vom Kongress geschrieben von Ewald am 06. Juli 2003 11:17:03:

Schlechtes Benehmen offensichtlich:

*** km 5/90 S. 4 Komm zum Bezirkskongreß 1990 "Reine Sprache" ***

18 Ein Kongreßbesucher warf folgende Notiz in einen Spendenkasten: "Ihr Programm hat mir sehr gut gefallen. Ich werde nun mit einem der Brüder die Bibel studieren. Es war mein erster Besuch auf einem Ihrer Kongresse. Eigentlich wollte ich nur am Samstag kommen, weil ich sonntags in die Kirche gehe. Doch ich war so beeindruckt, daß ich auch heute gekommen bin und meine ganze Familie mitgebracht habe. Enttäuscht war ich jedoch darüber, daß sich Erwachsene laut unterhielten, während der Redner sprach."


*** km 5/95 S. 4 Bezirkskongreß 1995 "Freudige Lobpreiser" ***

15 Ein weiteres Problem besteht darin, daß sich viele Brüder während des Programms in den Gängen und außerhalb der Kongreßstätte aufhalten und plaudern. Auf einem der letztjährigen Kongresse fand man in einem Spendenkasten einen Zettel, der von einem Interessierten stammte. Darauf hieß es: "Ich bin schockiert und entsetzt über den Lärm, die Betriebsamkeit, die Gespräche und das schlechte Benehmen in den Gängen während der Ansprachen. . . . Ich bin noch kein Zeuge, aber ich studiere und bin dabei zu lernen, Gott zu fürchten und zu respektieren."

Geschrieben von Drahbeck am 06. Juli 2003 12:16:44:

Als Antwort auf: Eindrcke vom Kongress geschrieben von Ewald am 06. Juli 2003 11:17:03:

Lächeln, immer nur lächeln ...

Sicherlich sind solche Beobachtungen zutreffend. Im weiteren Sinne gehören auch sie zur Lovbombing-Technologie.
Wird übrigens auch noch von einigen anderen so praktiziert. So etwa der Moongruppe.
"Lächeln immer nur lächeln".

Die Schattenseite dessen offenbart sich dann in solchen Beispielen wie unlängst im Fernsehen (2. Juli) dokumentiert. Kommt es zu nicht planmäßigen Ereignissen wird dann vielfach versucht die Sache zu "deckeln". Nur nichts an die Öffentlichkeit gelangen lassen; die Fassade der "heilen Welt" soll um jeden Preis erhalten werden.

Frauen nur in (langen) Röcken. Männer in Schlips und Kragen. Kann man für hiesige Verhältnisse als konservative Kleiderordnung bezeichnen.
Man vergleiche mal konservative Kleiderordnungen anderswo damit.
Beispielsweise im islamischen Bereich. So weit entfernt sind die konservativen Grundsätze nämlich durchaus nicht. Nur das eben europäische Kleiderordnungen (respektive nordamerikanische) eben doch nicht ganz so streng sind.

Dann noch eins. Unter den "kleineren" Religionsgemeinschaften (nach den "Großkirchen") in Deutschland, rangieren die ZJ auf Platz zwei. Platz eins nimmt nach wie vor die Neuapostolische Kirche ein.
Vielleicht hat Ewald mal die Chance sich dorthin einladen zu lassen; oder er ladet sich mal selbst zu einem dortigen Gottesdienst ein. Er wird viele solche von ihm geschilderten Elemente, auch ebensogut dort vorfinden können.

Geschrieben von D. am 07. Juli 2003 06:58:26:

Einem Pressebericht ist zu entnehmen, dass von den 24 Kongressen der Zeugen Jehovas in diesem Jahr 13 fremdsprachige sind.
Auch damit wird deutlich, wo hierzulande ihr eigentlicher "Wachstumsmarkt" anzusiedeln ist.

Geschrieben von D. am 07. Juli 2003 07:08:54:

"Doch die Schwestern aus dem Ghetto Compton machen sich auch selber unbeliebt. Im Tenniszirkus gelten sie als arrogant, weil sie sich abschotten. Sie reisen mit großer Entourage, die unter sich bleibt. Neben der Mutter Oracene Price füllten in Wimbledon die drei älteren Schwestern Lyndrea, Isha, Yetunde und einige junge Männer die Familienbox. Richard Williams, der auf Wunsch von Serena und Venus nach London gekommen war, saß abseits seiner Familie. Der Vater, der den Mädchen im Alter von fünfeinhalb Jahren das Tennisspielen beibrachte, ist von seiner Frau geschieden."
meint der "Tagesspiegel". Vorgenannte werden den Zeugen Jehovas zugerechnet.
Ob die wohl auch von "Haus zu Haus" für die Zeugen pilgern?
Oder ob sie, wie auch einige andere dieses Genres Sonderrechte sich (auch mittels Scheck) erkauft haben.
Es gibt halt immer welche, die "gleicher als die anderen Gleichen" sind.

Geschrieben von D. am 09. Juli 2003 07:17:48:

Aus Nordrhein-Westfalen, Rheinberg, kommt gemäss einer Zeitung die Meldung ,anlässlich einer Sitzung der örtlichen Verwaltungskörperschaften:

"Der Antrag der Zeugen Jehovas, die Verwaltung sollte Genehmigungsgebühren in Höhe von 500 Euro übernehmen, wurde abgelehnt. Allerdings erklärte sich Bürgermeisterin Schreyer dazu bereit, die "Sache intern zu regeln".

Worum es sich bei diesen 500 Euro handelt, ist aus dem Pressebericht nicht ersichtlich. Aber man liest trotz leerer Staatskassen von dem Kungelangebot die Sache "intern" regeln zu wollen. Wieso eigentlich. Hat der Staat einen Rechtsanspruch, den er auch anderen gegenüber in vergleichbaren Situationen durchsetzt. Warum soll es im Falle Zeugen Jehovas dann anders laufen?
Hat er diesen Rechtsanspruch nicht, dann braucht er auch nicht in der Sitzung zu verkünden, der Antrag sei abgelehnt.

Geschrieben von Drahbeck am 13. Juli 2003 12:21:36:

Als Antwort auf: Re: auf die Nieten geschrieben von Ewald am 13. Juli 2003 10:33:57:

Tja lieber Ewald.
Dazu möchte ich sagen; es gibt zwei Hauptklassen von Zeugen Jehovas. Die, welche als Erwachsene dazugekommen sind, und die welche bereits als Kinder in die Richtung indoktriniert wurden. Zur letzteren Gruppe gehört auch meine Person.
"Dicke Autos" oder nicht, ist in der Tat nicht das Kriterium. Der Beitrag aus der CV wurde nicht deshalb zitiert, weil es um "dicke Autos" ginge; sondern auch wegen des Beispieles des Wehrdienstverweigerers. Im Prinzip stehen die (oder standen, die Sachlage hat sich ja jetzt etwas gewandelt), allein auf weiter Flur. Auch diejenigen, die unter Alt-Bundesrepublikanischen Verhältnissen ihren Fall bis vor den Europäischen Menschengerichtshof in Straßburg durchkämpften. Die immensen, damit auch verbundenen Anwaltskosten blieben dem Einzelnen. In organisierter Form (Betonung auf organisiert) erfuhren sie keine Hilfe der Zeugen. Das ist das eigentlich kritisierenswerte.

Was die "Kreisaufseher" usw. anbelangt, da besteht in der Tat eine Grauzone. Theoretisch alles Taschengeldempfänger. Dennoch wollen die Gerüchte einfach nicht verstummen, dass einige von ihnen, doch relativ wohlhabend leben. "Reiche Witwen beerben" , gekonnt betteln und ähnliches, darauf verstehen einige sich offenbar.

Ueberlebenskuenstler

Geschrieben von Drahbeck am 14. Juli 2003 19:36:43:

Als Antwort auf: Re: auf die Nieten geschrieben von Ewald am 14. Juli 2003 17:45:13:

Ewald stellt die Frage: "Und würdest du aufgrund deiner Erfahrung denn auch sagen, dass es nichts positives über die ZJ zu berichten gibt?"
Nun, da wird man wohl keine verallgemeinernde, sondern nur eine individuelle Antwort geben können. Am 4. 7. hatte ich die bezogen auf meine Person schon mal so formuliert:

"Nicht zuletzt weil das ganze (Zeugenthema) nicht bloß eine "abstrakte" Erkenntnis ist, sondern dieweil ich auch in der eigenen Biographie den Einfluss der Zeugen zu registrieren habe und diesen Einfluss noch heute beim äbwägen der Für und wieder, letztendlich als negativ bewerte. Natürlich sollte man sich realistisch einschätzen. Man sollte sich auch die Frage stellen. Wie wäre denn Deine Biographie verlaufen; hätte es nicht den Zeugeneinfluß (familiär entstanden) gegeben. Ich möchte da durchaus kein "Schwarz-weiss-Bild" zeichnen. Dennoch schlägt das Pendel der Waage eindeutig aus - zu ungunsten der WTG.

Sind Jehovas Zeugen zwar keine bildungs"freundliche" Gemeinschaft; so kann man sie dennoch als relativ belesen einschätzen. Man denke nur an ihr "Wachturm"-"Studium" (eher wohl eine Indoktrinationsveranstaltung) das ihre wöchentliche Hauptveranstaltung darstellt. Während andernorts in christlichen Kreisen da doch eher ein passiver sogenannter Gottesdienst gang und gäbe ist. Diese relative Belesenheit hat sich in meinem Fall auch in der Nach-ZJ-Zeit erhalten."

Ansonsten sage ich klar. Es wäre mir lieber, ich hätte die Zeugen Jehovas nie kennengelernt und eine normale (Nicht-Außenseiter) Entwicklung genommen. Allerdings stelle ich mich auch der persönlichen Biographie, so wie sie sich nun mal ergeben hat. Und versuche das auch nicht künstlich aus dem Bewusstsein zu verdrängen. Die "Geschichte holt ein doch immer wieder ein" ob man's will oder nicht.

Geschrieben von Drahbeck am 14. Juli 2003 21:04:25:

Als Antwort auf: Re: auf die Nieten geschrieben von Ewald am 14. Juli 2003 20:07:07:

Da kommt man mit der von Ewald gestellten Frage auf ein "heißes Eisen" zu sprechen. Dergestalt, dass einige, trotz ihrer auch Negativ-Erfahrungen mit der WTG, glauben, und teilweise auch meinen mit Klauen und Zähnen zu verteidigen müssen, weiter Christ sein zu wollen.
Meine persönliche Meinung dazu. Ich sehe mich nicht als "Kulturkämpfer" dergestalt, dass ich dieser Frage einen vorderen Platz einräume.
Wenn einige es so halten wollen - Bitte schön.
Gleichwohl mache ich aus meiner Meinung zu diesen Fragen kein Hehl.
Die Beschäftigung mit dem Komplex Endzeitlehren beispielsweise, ergibt zumindest für mich die Konsequenz, nicht nur die Thesen der Zeugen dazu - auch der ihm zugrunde liegende Stammbaum ist faul, morsch und für mich persönlich nicht mehr akzeptabel.
Im übrigen gibt es auf der Webseite auch eine Linksammlung: "Aus dem Spektrum der Religionskritik". Wer das dort offerierte sich mal näher ansieht, für den kann es eigentlich keinen Zweifel über meine persönliche Position zu diesen Fragen geben.
Als Einstiegsvariante siehe auch:
Deist

Geschrieben von D. am 12. Juli 2003 12:45:49:

Als Antwort auf: Re: auf die Nieten geschrieben von Drahbeck am 12. Juli 2003 06:21:55:

Die Familie eines verhafteten Wehrdienstverweigerers, mit fünf Kindern, steht allein da auf weiter Flur. Eine organisierte Hilfe seitens der Zeugen Jehovas gibt es nicht.
In der CV 126-128 (1980) ist auch ein Bericht aus Potsdam (zu DDR-Zeiten) mit abgedruckt, von einem der von den Zeugen Jehovas neu gewonnen wurde. Er lernt denn auch noch ihre Schattenseiten kennen. Unangenehm berührt ihn auch, dass zwar in vollmundigen Worten viel von "Liebe" die Rede ist. In der Praxis indes auch bei den Zeugen Jehovas ein primär materiell orientierter Geist vorherrscht; was sich besonders in Konfliktsituationen wie der eingangs genannten auch offenbart.
Nachstehend einiges aus diesem Bericht:

Es war an einem Sonntag im November 1970, als es klingelte und ein alter Mann und eine junge Frau an unserer Wohnungstür standen. Mit den Worten, daß das Reich Gottes herbeigekommen sei, begann der alte Mann seine Rede und ich bat beide, einzutreten. Am Ende der Unterhaltung fragten sie, ob sie wiederkommen dürften und wir vereinbarten dafür den Januar 1971. Von da an folgten Nachbesuche und später wurde ein "Heimbibelstudium" eingerichtet, welches einmal wöchentlich stattfand.
Meine Frau war von Anfang an sehr skeptisch aber nicht uninteressiert. Später distanzierte sie sich davon, was sich für unsere weiteren Eheverhältnisse nachteilig auswirkte und durch die Verteufelung Andersdenkender beinahe zur Scheidung geführt hätte.

WIR WOLLEN EINEN KÜHLSCHRANK KAUFEN
Im März 1971 wollten wir uns einen Kühlschrank anschaffen. Da wir aber durch die WT-Beeinflussung Angst vor "materiellen Begierden" hatten, fragten wir die Zeugen, ob wir ihn mit ruhigem Gewissen kaufen könnten. Sie legten uns klar, daß diese Anschaffung nur dann keine "materielle Begierde" sei, wenn wir bar bezahlen und nicht unser Herz an den Kühlschrank hängen sowie ihn auch wirtschaftlich benötigen.
Damals konnten wir noch nicht wissen, daß unsere Ratgeber einige Jahre später in einen wahren Sog von materiellen Interessen gezogen werden und über einen Kühlschrank nur mitleidig lächeln würden.

Im Laufe der Zeit spaltete sich unsere Ehe immer mehr, da meine Frau von Reglementierungen und Zumutungen nichts wissen wollte, und ich zu dieser Wahrheit drängte. Nach einer vierteljährigen Bedenkzeit 1972 ließ ich mich am 11. Februar 1973 taufen und war sicher, von nun an Jehovas Willen zu tun, zu seinem auserwählten irdischen Volk zu gehören und den Weg der "Wahrheit" zu beschreiten. Ich war glücklich, den Sinn des Lebens gefunden zu haben.

FANTASIELOS, GEQUÄLT, GEKÜNSTELT
Für den 1. Juni 1973 organisierten wir eine Omnibusfahrt in den Spreewald, es war eine sehr schöne Fahrt und ich war fest davon überzeugt, so etwas Schönes kann es nur unter den Gliedern des Volkes Gottes geben. Allerdings sollte das das einzige schöne Erlebnis sein.
Die Zusammenkünfte in der Folgezeit waren meist fantasielos, gequält, gekünstelt und langweilig. Alle sehnten sich nach dem Ende der Versammlung und verabschiedeten sich sehr schnell. Kameradschaft oder ein liebevolles Verhältnis der einzelnen Verkündiger kamen nur selten zustande, obwohl immer wieder von Nächstenliebe gesprochen wurde. Außerdem bezog der Wachtturm die Nächstenliebe auf das wichtigste zu verrichtende Zeugniswerk. Das sei der Ausdruck wahrer christlicher Nächstenliebe.

Der 5. September 1975
Die Zeit verging und ich bemühte mich, ein wahrer Diener Gottes zu sein, und wurde ab 1976 als Studienleiter eingesetzt. Aber zunächst bewegte unser aller Gemüter der Herbst, genauer der 5. September 1975. Da waren laut Zeitrechnung die 6000 Jahre Menschheitsgeschichte um und die Ereignisse, die zum 1000-Jahrreich führen sollten, standen unmittelbar bevor. Als das Jahr 1975 anbrach, wurde in allen Studiengruppen ein Vortrag über die Bedeutung des Jahres 1975 und über die zu erwartenden Ereignisse gehalten. Wir alle mußten soviel geistige Speise durch den Wachtturm in uns aufnehmen, daß wir eine Zeit der Entbehrung geistig unbeschadet überleben könnten. Das ganze wurde mit vielen Gebeten gemacht. Als der 5. September erreicht war, knisterte es förmlich vor Spannung, denn es konnte ja jeden Augenblick losgehen!

Im Sommer 1975 besuchte mich der Gemeindepfarrer Alpermann und wollte mich mit der Milde eines Geistlichen von meinem Irrweg abbringen. Wir debattierten fünf Stunden lang. Das war natürlich, da ich doch in "der Wahrheit" war, eine Gelegenheit, dem "Heuchler Babylons der Großen" so richtig mit dem Schwert des Geistes die Kraft der Wahrheit vor Augen zu führen. Mit einer Flut von verdrehten Bibelstellen erschlug ich alle seine vernünftigen Argumente. Triumphierend prophezeite ich ihm, daß 1976 keine Spur mehr von der großen Hure zu finden wäre. Er sagte sich auch an für 1976 und - kam auch.

Es wurden wieder 5 Stunden. Auch diesmal erschlug ich ihn mit der Kreuz- und Quer-Theologie der Wachtturm-Dialektik und setzte ihn völlig außer Gefecht. In der Folgezeit begegnete er mir trotzdem sehr freundlich. Heute fasse ich mich an den Kopf und frage mich, wie kann es passieren, daß man die Bibelverse wie Würfel in einem Knobelbecher hat - mehr ist das WT-Gefäß nicht - und sie dann nach Bedarf seinem vermeintlichen Gegner im Trommelfeuer an den Kopf wirft und so jede normale und fruchtbare Diskussion unmöglich macht.

1975 und die Autowelle
Eine gleichartige Beobachtung machte ich mit der nach 1975 einsetzenden Autowelle. Erst schaffte sich ein Bruder für den alten (Skoda) Octavia einen fast neuen (Skoda) S 100 an und prompt folgten ihm andere mit zwei neuen Trabant, ein anderer mit einem Trabant - ein anderer mit einem (Skoda) MB 1000, noch ein anderer mit einem MB 1000 und noch ein anderer, ebenfalls mit einem MB 1000, zudem später noch ein Trabant als Zweitwagen hinzukam.
Der Bruder, der bis dahin einen Trabant besaß, sagte 1974 folgende Worte zu mir:
"Wenn ich mir einen noch größeren Wagen kaufen würde, so würden die Brüder mit Recht sagen, ich glaube nicht an ein nahes Ende."

Heute fährt er den dritten Wagen, das neueste Skodamodell. Ein anderer Bruder, der ebenfalls früher einen Trabant besaß, nahm mich von einer Besprechung mit seinem gerade angeschafften MB 1000 nach Potsdam mit. Als wir einstiegen fing er an, sich umständlich für diese Wagenanschaffung zu entschuldigen. Also muß er auch die Tragweite dieser Autokaufwelle voll erfaßt haben.

Mir persönlich ist es ganz egal, wer sich ein Auto kauft und wer nicht. Aber die Ältesten geben dadurch zu erkennen, daß sie selbst nicht an Harmagedon glauben.
Später lieferte ihnen die WTG selbst die "Rechtfertigung" für ihren Harmagedon-Unglauben und ihre materiellen Interessen. Im Wachtturm Nr. 12 vom 15. Juni 1978 wird auf Seite 13, Abs. 7, den Brüdern gesagt:
"Ein anderer Christ sollte sich jedoch nicht anmaßen, den Betreffenden zu richten, der viele irdische Güter besitzt" oder für ihn sich gleichsam als "Gewissen" aufspielen.

Wie 1975 verkraftet wurde
Als nun das Jahr 1975 und die erste Hälfte des Jahres 1976 vorbei waren, änderte sich die Naherwartungshaltung der Ältesten gewaltig.
Vom nahen Ende redete niemand mehr. Wurde einer gefragt, so wich er elegant aus und verlor sich in allgemeinen Floskeln. So geschah es, daß ein Bruder mir aus seinem Garten, den er gerade aufgegeben hatte, Stauden schenkte, die meine Frau einpflanzte. Dabei sagte ich zu ihm: "Es ist sowieso nicht mehr für lange."
Seine Antwort: "Das kann man nicht so genau wissen, es kann sich noch hinziehen."
Diese Worte schockierten mich sehr. Erst konnte man fast die Uhr danach stellen und jetzt war der Beginn von Harmagedon eine Sache, die sich hinzieht.
So sahen auch die Worte und Verhaltensweisen anderer Ältester aus. Sie alle eierten herum. Auch die Tagestexte verwässerten plötzlich die Angaben über das Ende dieses Systems der Dinge.
Einige sammelte ich und legte sie Bruder vor. Er versprach mir, mit einem reifen Bruder darüber zu reden und mir das Ergebnis mitzuteilen. Darauf warte ich heute noch.

Aber eine andere Reaktion trat ein. Kurz vor diesem Gespräch teilte mir ein Ältester mit, daß ich als Dienstamtgehilfe vorgeschlagen worden sei.
Seit diesem Gespräch mit dem Bruder, dem ich die Tagestexte vorgelegt hatte, war davon nie wieder die Rede.

Wie schon erwähnt, gab eine Familie ihren Garten auf und ich war davon überrascht, daß sie an ein sehr nahes Ende glaubten und deshalb den Garten aufgegeben hatten. Mir blieb allerdings bald die Sprache weg, als ich erfuhr, daß sie dafür einen viel schöneren Garten übernommen hatten und mit viel Eifer einen wunderschönen Bungalow mit Terasse bauten. Es wurden Stauden gepflanzt, die erst nach einigen Jahren zur richtigen Blüte gelangen und für den Bungalow wurden Nägel mit Rostschutzmittel eingeschlagen, also auf längere Sicht gebaut. Da wurde mir klar, sie richteten sich nicht auf ein baldiges Ende, sondern auf ein Weiterleben in dieser Welt ein. Dieser Gartenkauf hatte prompt zur Folge, daß ein anderer Bruder sich auch einen Garten zulegte, obwohl ihm das finanziell schwer fiel.

Abstoßendes über Abstoßendes
Auch ansonsten wuchs das Interesse der Ältesten an materiellen Dingen nach 1975 sehr stark an. Man wollte sich so richtig schön für Harmagedon mit Möbeln und anderen Dingen einrichten. Nun sollen einige Geschehnisse geschildert werden, die in mir berechtigt Zweifel aufkommen ließen, über die Echtheit ihres christlichen Wandels, der Nächstenliebe und den Glauben an die WT-Prophezeiung: Es war 1977. Die Nachbarin einer Familie war gestorben und der Nachbar hatte das hinterlassene Gut auf den Boden gebracht. Da er als Erbregler eingesetzt war, konnte er den Zeugen Jehovas Gegenstände zum Erwerb anbieten. Dabei kam es zu einem Streit zwischen den Frauen. Es kam fast zur Schlägerei.

1976 wollte ein Bruder allen Ernstes vom Personenkraftverkehr Potsdam einen alten Omnibus kaufen, um damit ein fahrbares Urlaubsdomizil einrichten zu können. Ich sollte dieses Geschäft abwickeln. 1976 bat mich ein Bruder, ihm sein Fahrrad
zu reparieren. Ich erklärte mich bereit und fuhr zu ihm nach Hause. Während ich das Fahrrad reparierte, sah ein kleines Mädchen, das ebenfalls in dem Hause wohnte, sehr artig zu. Der Bruder bemerkte die Kleine und fuhr sie in einem sehr scharfen Tone an: "Verschwinde, Du bist hier nicht nötig!" Ich kannte ihn bis dahin als hilfsbereiten und sanftmütigen Menschen. Deshalb trafen mich diese Worte wie ein Hammerschlag. Von da an bezweifelte ich, ob die Zeugen Jehovas wirklich Nächstenliebe übten und das alleinige Volk Jehovas wären.

Menschenverachtung und politischer Haß
Noch ein weiteres Ereignis veranlaßte mich zum Nachdenken. Eine Schwester erzählte mit freundlichem Lächeln und auf mich und meine "ungläubige" Frau abgestimmt, daß sich, je näher das Ende kommt, um so mehr Freude an der Vernichtung des "gottlosen" Ehepartners bei dem Ehepartner, der sich in der "Wahrheit" befindet, einstellt.

Im übrigen wurde stets und ständig über das "Frohlocken" der Zeugen Jehovas gesprochen, wenn sie die fast vier Milliarden Tote von Harmagedon vor sich liegen sehen würden. Ein Bruder stand einmal im Jahre 1978 an seinem Wohnzimmerfenster und sah hinaus. Wir waren zu unserer Versammlung zusammengekommen und hatten bis zum Beginn noch einige Zeit. Vor dem Haus befindet sich eine Straßenbahnhaltestelle und ein Offizier der NVA ging wartend auf und ab. Plötzlich lachte der Bruder auf und sagte: "Marschiere nur. In Harmagedon hat sich's ausmarschiert, dann wirst du vernichtet."

In Zeugenkreisen wird ständig nach Katastrophen Ausschau gehalten und jedes Unglück wird begeistert als ein "Zeichen der Zeit" begrüßt. Natürlich habe ich auf die "Neue Welt" auch sehnsüchtig gewartet, ich wäre sonst ja kein Zeuge Jehovas gewesen.
Aber soviel unverhohlene Menschenverachtung war mir dann doch zuviel. Ich fragte mich, ob das wirklich die Sanftmütigen sind, die das Erdreich besitzen sollen. (Matth. 5:5). Mir taten die vielen Menschen leid, vor allem die Kinder, die in den Harmagedontod gehen sollten, nur weil sie keine Zeugen Jehovas sind und ich fragte mich, ob das wirklich der einzig gangbare Weg für Jehova Gott sei. Außerdem grauste mich immer mehr vor dem Gedanken, in der "Neuen Welt" unter solchen "Fürsten" (Ältesten) zu stehen, die ich inzwischen kennengelernt hatte. Mein jetziger Standpunkt der WTG gegenüber bestätigt mir die Richtigkeit meiner damaligen Empfindungen.

Ein weiterer Aspekt meiner kritischen Beobachtungen der Ältesten war die Verschiebung von Harmagedon und das geistige Desinteresse an der Erde.

Sie nehmen es nicht so genau
Mit einem Bruder ging ich 1977 nach Babelsberg in den "Felddienst" Bei einer alten und kranken Rentnerin, die sehr verzweifelt war und oft weinte, gaben wir "Zeugnis". Nachdem der Bruder die ganze Leier von der zukünftigen WTG-Herrlichkeit abgedreht hatte, sagte er wörtlich: "Und diese Ereignisse erwarten wir jetzt in den 80er Jahren." Fast die gleichen Worte gebrauchte er 1971 bei uns, nur, daß es damals die 70er Jahre sein sollten.

Nachdem wir die Wohnung verlassen hatten, stellte ich ihn zur Rede. Er meinte, er müsse sich da versprochen haben.

Ab Sommer 1978 hat sich die Situation unserer Ehe dramatisch zugespitzt. Wegen der ganzen Zeugenintoleranz stand unsere Ehe auf dem Spiel. Als ich dem Ältesten das erzählte, sagte er zu mir, ich sollte froh sein, daß ich die endlich los bin und es gäbe in Potsdam eine Schwester, die sehr gut zu mir passen würde.
Ich hatte gehofft, daß die Ältesten für den Bestand meiner Ehe eintreten würden, indem wir alle nach Möglichkeiten eines Ausgleiches suchten, aber das Gegenteil war der Fall.

In dieser Situation kam eines Nachmittags ein Ältester zu uns nach Hause und wollte mich heimlich in einer dienstlichen Angelegenheit sprechen. Meine Frau holte ihn ins Wohnzimmer und stellte ihn wegen seiner Heimlichtuerei zur Rede.
Weiterhin schilderte sie ihm unsere Ehesituation. Er saß auf dem Sofa wie ein begossener Pudel und stammelte Verlegenheitszeug. So hatte ich mir einen Ältesten nicht vorgestellt und empfand echte Abscheu und Zorn gegen diese selbstgefälligen aufgeblasenen Schwätzer, die sich als Hirten und Richter aufspielen, in Wirklichkeit aber jeder Schwierigkeit ausweichen.

"Wohin sollte man sonst gehen?" -
Das Eingeständnis falscher Prophetie
Ich sagte ihm, daß ich alle Ältesten zur Rede stellen werde, wenn sich die WT-Prophezeiung über das Ende dieses Systems der Dinge als eine Lüge herausstellen sollte. Ende Dezember, kurz vor dem Ausbruch Kältewelle, nahm er mich in seinem Auto zu einer Besprechung nach Drewitz mit. Während der Fahrt sagte er zu mir, wir dienten Jehova schließlich nicht bis zu stimmten Datum, sondern für ewig. Weiterhin brachte er zum Ausdruck, daß es keine andere Organisation des wahren Gottes gäbe, als die Neue-Welt-Gesellschaft. Wohin sollte man also sonst gehen?

Da ich sowieso schon der Gesellschaft sehr kritisch gegenüberstand und in mir mehr Abneigung als Zuneigung ihr gegenüber vorhanden war, erwiderte ich ihm: "Wenn ich Euch ein einziges Mal beim offensichtlichen Lügen erwische, trenne ich mich von Euch." Ich wußte damals noch nicht, daß das der letzte Kontakt mit ihm sein sollte.

Nicht für eine Mark Nächstenliebe, obwohl sie dicke Autos fahren
Im Januar 1979 bekamen fast alle Brüder Vorladungen zur Wehrüberprüfung, auch ich. Aber als einziger war ein anderer Bruder für eine Einberufung vorgesehen worden. Da er fünf Kinder hatte und bei der Verweigerung eingesperrt würde, erwartete ich eine große Hilfsaktion aller Potsdamer Zeugen Jehovas für ihn. Aber nichts geschah . Die Ältesten ließen sich bei ihm nicht einmal blicken. Ich erklärte mich bereit, für die Familie die Miete zu übernehmen, um dadurch den Anfang für, die Hilfsaktion zu machen, aber ich stand damit allein da. Das war wirklich nicht leicht für uns, denn wir sind eine große Familie und können uns ein Auto nicht leisten. Später erklärte ein Bruder vor Interessierten in Babelsberg, die Zeugen Jehovas hätten dem Bruder geholfen, denn ein Zeuge Jehovas hätte ja die Miete übernommen, aber das war ich.

Tatsache aber ist, daß die Ältesten dicke Autos fahren, aber keine Mark der Nächstenliebe übrig hatten. Die Worte einer Schwester, es breche ihr bald das Herz, wenn sie an die Familie denke, konnte ich unter diesen Umständen nur mehr als fragwürdig auffassen. …

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