Aerzteblatt zum Thema Bluttransfusionen und Zeugen Jehovas

http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/pdf.asp?id=30076

Zu den in vorstehenden Link ebthaltenen Ausführungen gab es unter anderem auch eine Leserbriefentgegnung des deutschen WTG-Funktionärs R. Letzterer bemühte sich denn auch darzulegen, dass es namentlich auch von den Zeugen Jehovas forcierte Entwicklungen auf dem Medizinsektor gebe, die Verwendung von Bluttransfusionen zu reduzieren und mögliche Alternativen zur Anwendung zu bringen. Soweit medizinisches Fachpersonal sich einer solchen Einschätzung anzuschliessen vermag, ist dagegen auch nichts einzuwenden.

Der Knackpunkt ist und bleibt aber doch der, dass hier eine These religiös überhöht wird. Nicht aus rationalen Überlegungen heraus, sondern aus einer dogmatischen Grundhaltung. Bei R, äußert sich dass in ausgewählten Worten so:

"Zudem basiert bei Jehovas Zeugen die Ablehnung von Bluttransfusionen auf einem 'imperativen Glaubensgebot' , das der Einzelne aufgrund seines Bibelstudiums vor Beginn der Mitgliedschaft als für sich bindend akzeptiert hat." Im Klartext. Die Organisation verpflichtet in dogmatischer Weise. Die konkrete Notsituation interessiert sie primär nicht. Sie verweist auf eine verbale Bereitschaftserklärung zu einem Zeitpunkt, wo der Betreffende von der existentiellen Bedrohung noch nicht tangiert war. Weiter meint R. darauf verweisen zu können, dass die im zitierten Artikel genannte Webseite von "Blutreformern" anonym sei und er demzufolge deren Existenz bestreite. In der Tat kann man es so einschätzen, dass jene Webseite wohl eher von ehemaligen Zeugen Jehovas gestaltet wird. Ihre Anonymität ist jedoch kein stichhaltiges Argument. Es gibt auch Nicht-anonyme Voten, nicht unbedingt im Sinne der R.'s und Co. Diese Webseite beispielsweise (und andere) ist ein solches Nicht-anonymes Votum.Wenn da die Struktur einer anonymen Webseite gewählt wurde, hängt dies nicht zuletzt auch mit dem totalitären Innenklima bei den Zeugen Jehovas zusammen, dass eine dortige offene Diskussion äußerst erschwert, wenn nicht gar grundsätzlich verhindert.

Im "Materialdienst der EZW" (7/2002) kommentierte Harald Lamprecht auch noch die Stellungnahme des WTG-Funktionär R. zu den Ausführungen im "Ärzteblatt". Auszugsweise zitiert, merkte Lamprecht dazu unter anderem zu Recht mit an:

"Was soll der Vorwurf an einen Kritiker, selbst kein Zeuge Jehovas zu sein und Informationen von "Apostaten" zu beziehen, letztlich besagen? Soll dies heißen, dass etwa nur Kritik von innen statthaft wäre? Soll dies heißen, dass Informationen von ehemaligen Mitgliedern prinzipiell alle nur falsch sein können? In der Tat scheint hier ein intern übliches Argumentationsmuster zur Immunisierung vor äußerer Kritik sichtbar zu sein. ...

Hier spricht deutlich die Angst aus den Zeilen, dass eigenes Denken zu anderen Schlussfolgerungen kommen könnte. Darum wird lieber eine Abschirmung der Mitglieder vor möglicherweise gefährlichen Gedanken versucht. Dahinein nun auch die Ärzte einspannen zu wollen, indem sie auf rein medizinische Faktenvermittlung vergattert werden sollen, zeugt von wenig Zutrauen in die Tragkraft der eigenen Argumentation.

Die Ablehnung von Bluttransfusionen als "imperatives Glaubensgebot" dürfte die gegenwärtige Praxis der Wachtturmgesellschaft sicher treffend beschreiben. Dass dies jedes Mitglied bereits vor Beginn seiner Mitgliedschaft aufgrund seines Bibelstudiums in allen Details nachvollzogen habe, darf jedoch ebenso wie die biblische Begründung dieses Gebotes mit Recht bezweifelt werden. ...

Der Vorgang insgesamt zeigt wieder einmal deutlich, dass von Seiten der Leitung der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas die Abschirmung der Mitglieder vor kritischen oder auch nur alternativen Sichtweisen einer sachlichen Auseinandersetzung auf der inhaltlichen Ebene vorgezogen wird. Die Beschneidung von Freiheitsrechten (Informationsfreiheit) bereitet der Leitung offenbar weniger Sorgen als eigenständiges Denken der Mitglieder. Das ist kein gutes Aushängeschild für eine Organisation, die im Rahmen des angestrebten Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes ihre Offenheit zur Gesellschaft zu zeigen bemüht ist.

www.ekd.de/ezw/index_frame.html?http://www.ekd.de/ezw/29209.html

Ein weiterer Leserbrief meint:

"Auffallend ist, dass ein Zeuge Jehovas im Krankenhaus nie allein gelassen ist. Er erfreut sich einer regen Anteilnahme seiner Gemeinde. Wir sehen auch dies als positiven Heilungsfaktor. Im Gegensatz zu den Verfassern kennen wir die Mitarbeiter des Krankenhausverbindungskomitees für Jehovas Zeugen als kompetent und kooperativ. Wir schätzen ihre Dienste. Eine frühzeitige Einschaltung kann Probleme vermeiden, da sie das Vertrauen der Patienten haben und mit dem nötigen Verständnis zwischen Arzt und Patient zu vermitteln suchen. Dies ist ungleich wertvoller als irgendwelche dubiosen Internetadressen."
Gerhard E...  Verwaltungsleiter der Rotkreuz-Klinik, Kapuzinerstraße 2, 97070 Würzburg"

Zu letzterem noch ein weiteres kommentierendes Votum bei Infolink veröffentlicht das auch der Redaktion des "Deutschen Ärtzteblattes" zur Verfügung gestellt:

"Mit Verwunderung habe ich den Leserbrief von Gerhard E..., Verwaltungsleiter der Rotkreuz-Klinik Würzburg, gelesen.

Es mag ja die Aufgabe eines Verwaltungsleiters sein, allen Patienten eine positive Einstellung entgegenzubringen. Ich kann mich aber des Eindrucks nicht erwehren, daß hier versteckte Werbung für die Glaubensansichten der Zeugen Jehovas gemacht wird. Wenn auch zunächst erklärt wird, daß "dadurch, dass ihre gewissensmäßige Entscheidung respektiert wird, sich ein hohes Maß an Vertrauen und Kooperation ergibt", so wird danach auf die Einschaltung eines "Krankenhausverbindungskomitees" hingewiesen, ein Wortwurm, den Herr E... ziemlich flüssig herausbringt. Was ist das? Darf ich mir das wie eine Art Rechtsanwaltskonsortium vorstellen? Würde das etwa bedeuten, daß Herr E... es begrüssen würde, wenn er sich wegen der Behandlung aller Patienten mit ein paar Rechtsanwälten darüber auseinandersetzen müßte, was der Patient überhaupt wünscht, weil das "ein hohes Maß an Vertrauen und Kooperation ergibt"? Ist es nicht in Wirklichkeit so, daß Zeugen Jehovas, die ja eine verschwindende Minderheit der Bevölkerung darstellen, dadurch einen hohen Verwaltungsaufwand erzeugen und die meisten Patienten ein direktes Vertrauensverhältnis zu den Ärzten aufbauen?

In diesem Zusammenhang stehe ich auch dieser Erklärung reserviert gegenüber: "Auffallend ist, dass ein Zeuge Jehovas im Krankenhaus nie allein gelassen ist. Er erfreut sich einer regen Anteilnahme seiner Gemeinde." Das mag zwar ein positiver Punkt sein, im Zusammenhang mit der Behandlungsüberwachung durch ein "Komitee" kann es aber auch heißen, daß die Gruppe den Patienten nie aus den Augen läßt, solange er sich unter "Ungläubigen" befindet und möglicherweise beeinflußt werden könnte. Das widerum wirft für mich die Frage auf, wie weit die Entscheidungen des Patienten wirklich eigenbestimmt sind.

Alles in allem finde ich derartige "Leserbriefe" etwas fragwürdig.


Man vergleiche auch den bei Tjaden/Krappatsch geschilderten Fall, der auch an dieser Stelle zitiert sei:

Das Verhältnis von Sabine Timm (Name geändert. Der richtige Name ist den Autoren bekannt), zu den Zeugen Jehovas bekam vor sechs Jahren die ersten Risse. Als 15jährige knüpfte sie Kontakte zu Außenstehenden, bis dahin hatte sie die aufgezwungene Rolle einer Außenseiterin gespielt. Obwohl in ihrer Familie Geburtstage gefeiert wurden, obwohl sie hin und wieder an Karnevalsfeiern teilnehmen durfte, stand sie doch am Rand: "Ein Schulkind, das zu den Zeugen Jehovas gehört, darf nicht an Veranstaltungen außerhalb des Unterrichtes teilnehmen. Diese Isolation von den anderen wird nach meiner Meinung von der Organisation gefordert, um einen Austritt aus der Sekte so schwer wie möglich zu machen."

Nicht nur der Kontakt zu Außenstehenden führte zu den ersten Rissen, auch die Ältesten der Versammlung trugen dazu bei. Da sie ein Gymnasium besuchte, wurde sie besonders intensiv beobachtet, denn "Bildung wird von den Zeugen Jehovas als Teufelswerk angesehen. Man soll möglichst nicht mehr als die Pflichtschuljahre absolvieren und ein Handwerk erlernen. Dies wird bei Frauen noch strenger beurteilt, da sich ihr Aufgabenbereich auf häusliche Pflichten beschränken sollte."

Immer wieder forderten Älteste von Sabine Timm: "Verlaß das Gymnasium" Noch größer wurde der Druck, nachdem sie einen Kurs in Philosophie belegt hatte. Eine Zeugin informierte die Ältesten, ein Komitee entschied: "Philosophie ist eine weltliche Weisheit, die vorn Teufel benutzt wird, um Menschen von Gott wegzuführen." Obwohl Komitees bei den Zeugen Jehovas die Funktion eines Gerichtes erfüllen, dessen Urteil schwer wiegt, besuchte Sabine Timm weiterhin den Philosophie-Kurs. Nun verlangten die Ältesten von ihr einen wöchentlichen Bericht über den Unterrichtsstoff. Wieder lehnte Sabine Timm ab: "Anschließend ließ man mich in Ruhe, die Ältesten waren wohl der Ansicht, daß meine Beziehungen zur Welt schon zu stark waren.

Der Kritik folgten Demütigungen. Vor versammelter Gemeinde wurde sie wegen ihres "stolzen Ganges" angegriffen. Sabine Timm: "Das ließ ich über mich ergehen, weil ich nicht wagte, die Aufgaben und Rechte der Ältesten anzuzweifeln."

Vor drei Jahren wurde aus den Rissen ein Graben. Nach einer Operation an der Nebenniere mußte ihre Mutter das zweite Mal unter das Messer. Ein Nierentumor sollte entfernt werden. Die Ärzte waren der Meinung, daß nach der Operation eine Bluttransfusion notwendig sei. Die Familie wollte gemeinsam über das Blut-Verbot der Wachtturmgesellschaft beraten. Sabine Timm: "Obwohl meine Mutter während ihrer langjährigen Krankheit kaum einmal Besuch von Versammlungsmitgliedern bekommen hatte, drängte sich nun ein Ältester in den Familienrat." Und machte seinen Einfluß geltend: Er zerstreute die Zweifel von Sabine Timms Mutter am Blut-Verbot. Sie willigte schließlich in eine Operation ohne Bluttransfusion ein.

Der Eingriff gelang, doch dann brach ihr Kreislauf zusammen: Sechs bis sieben Stunden nach der Operation starb die Mutter von Sabine Timm an den Folgen des Blutverlustes.

Dennoch waren die Ältesten um Worte nicht verlegen, Sabine Timm und ihre Geschwister bekamen zu hören: "Eurer Mutter ist viel Leid erspart geblieben. Jetzt ist sie im Paradies." Aber es kam noch schlimmer. Bei der Begräbnisfeier wurde die Tote als Märtyrerin gefeiert, die bis zuletzt treu gewesen war. Sabine Timm: "Wir hatten die Ältesten um Verschwiegenheit gebeten."

Nach der Beerdigung besuchte Sabine Timm nur noch selten die Versammlungen, sie suchte Ablenkung von der Trauer in Diskotheken und Kneipen. Halt fand sie bei einem Mann, der nicht zu den Zeugen Jehovas gehörte.

Und was geschah nun? Sabine Timm: "Die Zeugen Jehovas gingen, nachdem meine Mutter für ihre Doktrin gestorben war, in ihrem unmenschlichen Verhalten noch einen Schritt weiter. Sie forderten immer wieder von mir, daß ich mich von meinem Freund trenne. Sie beteten mit mir, daß ich von der Versuchung Satans loskommen möge und jagten mir mit schrecklichen Prophezeiungen für meine Zukunft Angst ein. Einmal bezeichneten sie meinen Freund in seinem Beisein als Werkzeug des Teufels."

Der Graben wurde noch breiter. Noch aber sprang Sabine Timm hin und her, Schreckensbilder verfolgten sie, wo sie auch war: "Für mich begann ein langer Weg der Zweifel, Angst und des Gewissenskonfliktes, den ich bis heute noch nicht zu Ende gegangen bin."

Eines Tages stellte Sabine Timm die Versammlungsbesuche ein. Die Ältesten reagierten mit Besuchen, Briefen und Telefonanrufen. Jemand steckte einen Zettel in ihren Briefkasten. Auf diesem Zettel stand: "Denk an Deine Mutter!!!" Sabine Timm: "Eine Zeitlang traute ich mich nicht mehr, die Tür zu öffnen." öffnete sie die Tür, mußte sie damit rechnen, daß ein Ältester vor ihr stand und sagte: "Deine Mutter ist sehr enttäuscht von dir."

Heute kann sie kaum noch sagen, was sie in jenen Tagen aufrecht erhalten hat: "Vielleicht hat mir mein unerschütterlicher Glaube an das Gute, an die Liebe und an einen gerechten Gott geholfen." Den Zeugen Jehovas wirft sie Brutalität im Umgang mit Mitgliedern und Aussteigern vor, "obwohl sie auf Außenstehende friedfertig und naiv wirken. Niemand sollte die Gefahr unterschätzend die sie für Menschen bedeuten können."

Niemand kann dieses Selbsthinopfern verstehen

Fritz Poppenberg's Blutvideo

Nachtrag:

Eine gewisse "journalistische Flottheit", welche nicht ausreichend Differenziert, muss man wohl den Verfassern jenes "Ärzteblatt"-Artikels bescheinigen. Man kann aber entschuldigend hinzufügen. Sie hatten eben vorrangig das Thema Bluttransfusion im Blick. Dass die WTG-Praxis im Konfliktfall durchaus so etwas wie "sozialen Tod" Betroffener (und sei es auch nur indirekt Betroffener) verursachen kann, ist auch den Autoren jenes "Ärzteblatt"-Artikels nicht entgangen. Und sie haben dieses Faktum, auch in ihre "flotte Sprache" mit eingebunden.

Selbige allerdings erweist sich - partiell - als "zu flott".

Insbesondere ihre nicht belegbare Behauptung, Jehovas Zeugen würden unter bestimmten Konstellationen Ehen als "null und nichtig" ansehen (auch in dem Artikel enthalten), ist in der Tat eine nicht hinnehmbare Unterstellung. Nur, wer daran Anstoß nimmt, wer das "Ärzteblatt" in anderen Punkten zur Korrektur nötigt. Dann jahrelang die Sache auf sich bewenden lässt. Und dann im Jahre 2008 feststellt, jene mißliebige Passage aus dem Jahre 2002, wurde erneut (beiläufig) von einem anderen Journalisten, dem man wohl auch eine "flotte Schreibweise" bescheinigen kann, zitiert.

Derjenige muss sich schon sagen lassen: Nicht konsequent gehandelt zu haben. Wenn dem so ist, dann stellt sich schon die Frage, ob er denn ein moralisches Recht hat, den Entrüsteten zu spielen, und vor allem diese Entrüstung auf der Justizebene sich durchzusetzen bemüht.

Herr P. (der agierende Rechtsanwalt in der Sache) ist schon öfter aufgefallen, dass er versucht, nicht ausreichend Sachkundige (jetzt formuliere ich mal "Journalistisch flott") mit seinen Advokatenkenntnisse in die Knie zu zwingen. Ich verweise da insbesondere auf den Fall Sigrid Raquet,

Siehe dazu: 19312Impfgegner

(auch der Fall Langel wäre zu nennen),

Langel

dessen nüchterne Analyse zwar ergibt. Formal errang P. einen Sieg. Das aber nur deshalb, weil der Fall nicht weiter "durchgeboxt" wurde.

Seine „Advokatentricks" gedenkt Herr P. offenbar auch im Fall Tjaden, der im Kontext zur inkriminierten Aussage des "Ärzteblattes" steht anzuwenden.

Herr P. agiert nur als Vollstrecker seiner Auftraggeber. Die indes wird man sich auch weiterhin, genau, sehr genau, ansehen.

Zum Fall Tjaden siehe auch:

http://forum.mysnip.de/read.php?27094,2830,2830#msg-2830

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