Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Fritz Poppenberg's Blutvideo

Im Abspann desselben, in der Danksagung an diejenigen die die Herstellung dieses Videos unterstützt haben, findet sich unter anderem auch der Name des WTG-Rechtsanwaltes .

Seine Rolle wird noch deutlicher durch die Wiedergabe einer bestimmten Filmsequenz. Da hatte der Fernsehsender MDR (Mitteldeutscher Rundfunk) in Verantwortung der Kirchenfunkredaktion (Serie "Gott und die Welt") auch einen Kurzbeitrag im Jahre 1994 gesendet, in dem von dem Fall eines kleinen Jungen berichtet wurde, dem ärztlicherseits attestiert wurde, dass eine Herzoperation für ihn unabdingbar ist. Seine Mutter: Eine Zeugin Jehovas. Wie man unschwer erraten kann, untersagte selbige den Ärzten die Verwendung von Blut bei der Operation. Der MDR hatte nun berichtet, dass jener Mutter im Vorfeld das medizinische Sorgerecht über ihr Kind, zeitweilig, gerichtlich entzogen wurde. Weiter besagte jener Filmbericht, dass die Operation dann erfolgreich durchgeführt werden konnte.

Poppenberg seinerseits (offensichtlich durch "gespickt") interviewte den ausführenden Arzt. Dabei ergab sich der Sachverhalt, dass jene Operation tatsächlich ohne Bluttransfusion vonstatten ging. Mehr noch, dass auch jener Arzt gewisse medizinisch begründete Bedenken gegen die Verwendung von Fremdblut hat und auch seinerseits daran interessiert war, ohne Fremdbluteinsatz auszukommen.

An diesem Punkt setzte offenbar die Aktivität von ein. Er zwang den Mitteldeutschen Rundfunk über einen entsprechenden Gerichtsbeschluss dazu, dass fragliche Filmsequenz in der inkriminierten Form nicht wiederholt werden darf. Im Übertretungsfall wird eine Strafandrohung von 500 000 DM akut.

Dies ist die Story, die Poppenberg dem Zuschauer zu "rechten" Einstimmung offeriert. Er vermerkt auch solche Details wie; dass in der Stadt Berlin täglich 600 Blutkonserven verbraucht; durch Berliner Blutspender aber nur 300 Blutkonserven pro Tag an Spenden zusammenkommen. Er lässt eine Reihe von medizinischen Fachkapazitäten zu Wort kommen, die allesamt gewisse (wenn auch nicht totale) Vorbehalte gegen Bluttransfusionen haben. Tenor dieser Aussagen ist, dass Bluttransfusionen sehr wohl in einigen Fällen entbehrlich sind, wo sie bislang als "unentbehrlich" angesehen wurden.

Ein Arzt wird auch mit seiner Aussage zitiert, dass die Zeugen Jehovas sich als ideales Experimentierfeld erweisen, zur Forcierung weiterer diesbezüglicher Studien in dieser Richtung. Die Ärzte haben in ihren Fällen die Gewissheit auch in solchen bisher als problematisch angesehenen Grenzfällen (Bluttranfusion ja oder nein) sich für die Verneinung entscheiden zu können. Ohne befürchten zu müssen im Negativfall etwa wegen unterlassener medizinisch gebotener Hilfeleistung, nachträglich gerichtlich belangt zu werden.

Wahrhaftig willige "Versuchskaninchen" stehen ihnen damit zur Verfügung.

Indes zu der Aussage: Bluttransfusion unter allen Umständen: Nein, ohne wenn und aber, mag auch Poppenberg sich nicht durchzuringen. Er meint auch einen diesbezüglichen Ausweg gefunden zu haben, den er in seinem Video durchaus betont herausstellt. Auch an Fallbeispielen. Und zwar die Eigenblutspende. Er berichtet von Fällen, wo den Patienten schon einige Wochen vor ihrer beabsichtigten Operation, das eigene Blut entnommen und speziell für die beabsichtigte Operation gezielt aufbewahrt wird. Dann haben die Ärzte die Chance, im Bedarfsfall, dem Patienten das eigene Blut während der Operation wieder zu transfundieren. Dies sieht auch er unter dem Gesichtspunkt als sinnvoll an, dass damit eine ganze Reihe von Gefahren, die mit einer Fremdblutübertragung verbunden sein können, aus dem Wege gegangen werden kann.

Dies ist der eigentliche "Trumpf", den Poppenberg glaubt im Verfolg seines Videos ausspielen zu können.

Im Umschlagtext zu seinem Video, nennt er sie ausdrücklich, die Zeugen Jehovas. Es ist auch offenkundig, dass er mit der Vermaktung dieses Themas in Videoform auch speziell auf sie abzielt. Dennoch muss man Poppenberg einen gewichtigen Vorwurf machen. Er baut Potemkinsche Dörfer, zaubert eine Fassade herbei, die keineswegs mit der tristen Wirklichkeit übereinstimmt.

Alle seine Fallbeispiele setzen Zeit voraus. Notfälle, wo es um Stunden oder gar Minuten gehen kann, kommen in seiner Betrachtung nicht vor.

Noch eins. Die Mediziner werden von Poppenberg ausführlich interviewt. Aber nicht ein einziges relevantes Interview mit Zeugen Jehovas selbst ist nachweisbar. Die Filmsequenz, dass auf einer Wissenschaftlertagung auch englischsprechende Vertreter von Krankenhausverbindungskomitees der Zeugen Jehovas vertreten sind, beseitigt diesen grundsätzlichen Makel nicht.

Und noch etwas. Poppenberg, wohl kaum als "Bibelkundiger" anzusprechen, zitiert auch entsprechende von den Zeugen Jehovas ihm mitgeteilte Bibelstellen. Was er hingegen nicht zitiert, ist die Literatur der Wachtturmgesellschaft. Sozusagen deren "Ausführungsbestimmungen".

Da veröffentlichte der "Wachtturm" beispielsweise in seiner Ausgabe vom 1. 10. 1978 eine sogenannte "Leserfrage", die genau diesem Aspekt der Eigenblutübertragung gewidmet war.

In der diesbezüglichen WTG-Antwort konnte man lesen:

"Fragen von Lesern

ó Ein Arzt erklärte, daß sich ein Patient vor einer Operation etwas Blut entnehmen und es aufbewahren lassen könne für den Fall, daß während der Operation eine Transfusion erforderlich sei. Welche Haltung sollte ein Christ zu einer solchen Verwendung seines eigenen Blutes einnehmen?

Vom ärztlichen Standpunkt aus mag dieses Vorgehen sehr praktisch erscheinen. Bei einer Übertragung von Fremdblut ergeben sich große Gefahren. Man geht anscheinend geringere Risiken ein, wenn einer Person Eigenblut transfundiert wird. Deshalb besteht unter den Ärzten ein Trend zur sogenannten „autologen Transfusion". Das heißt, daß dem Patienten Eigenblut entnommen wird, das man in einer „Blutbank" für eine eventuell erforderliche Transfusion aufbewahrt. Wenn der Spender das Blut nicht benötigt, kann es für andere Patienten verwendet werden.

Wie ... (in) dieser Zeitschrift gezeigt wird, steht die Übertragung von Blut im Widerspruch zur Bibel. ...

Wenn einem Christen daher von einem Arzt der Vorschlag gemacht wird, sich Blut entnehmen und es in einer Blutbank für spätere Transfusionszwecke aufbewahren zu lassen, verfügt der Christ über eine biblische Anleitung dafür, wie er richtigerweise handeln sollte. Er kann darauf hinweisen, daß den Israeliten gesagt worden war, sie sollten ausgeflossenes Blut „auf die Erde ausgießen wie Wasser", wodurch gezeigt wurde, daß das Blut Gott gehörte und nicht dazu dienen sollte das Leben eines Geschöpfes zu erhalten (5. Mose 12:24). Er kann auch auf das treffende Gebot hinweisen, daß sich Christen 'des Blutes enthalten' sollten. Wie könnte er angesichts dieses Gebotes zulassen, daß sein Blut in einer Blutbank aufbewahrt würde, damit es ihm selbst oder einer anderen Person später verabreicht werden könnte?"

Vielleicht sollte man abschließend (nicht als Hauptargument - aber doch der Erwähnung wert), auch noch zitieren, was in einem Artikel der Tageszeitung "Frankfurter Allgemeine" vom 2. 8. 1995 zu lesen war. Jener Artikel von Dr. Nicola von Lutterotti, ging auch speziell auf das Thema Eigenblutspende ein.

Nun mag man diesem Artikel entgegen halten. Auch andernorts gibt es eine "Zweiklassenmedizin" getreu dem bitteren Spruch. "Weil du arm bist - musst du früher sterben". Man mag argumentieren. Man könne sich ja auch privat versichern, bzw. unter entsprechenden Zuzahlungen behandeln lassen, und damit sei der Aspekt dieses Artikels "erledigt". Ist er es wirklich, in einer Zeit wo eine Schauermeldung nach der anderen, auch finanzielle Aspekte des Gesundheitswesens betreffend, die Öffentlichkeit erreicht?

Wie immer man diese Frage beantwortet. Eines bleibt meines Erachtens doch bestehen. Das Thema Eigenblutspende als die "Ultima ratio" hinzustellen, beachtet nicht ausreichend die triste Alltagswirklichkeit. Es mag nicht in Abrede gestellt werden, dass die sogenannten Krankenhaus-Verbindungskomitees der Zeugen Jehovas, aus der medizinischen Fachliteratur alles das herausfiltern, was ihnen für ihre Zielstellung nützlich erscheint. Trotz dieser nicht bestrittenen Leistungen bleibt ein Restrisiko. Und dieses Risiko darf man getrost so benennen.

Die genannte "Frankfurter Allgemeine" schrieb:

"Allerdings ist die Spende von Eigenblut nur vertretbar, wenn das körperliche Befinden des Patienten einen Aderlaß erlaubt. Personen die an Blutarmut oder Kreislaufschwäche leiden, sind hierfür wenig geeignet. Auch sollte der Kranke bei der Entnahme frei von Infektionen sein, da sich die Keime in der Blutkonserve vermehren und anschließend einen lebensbedrohlichen Schock auslösen könnten.... Ein entscheidender Nachteil der Behandlung mit Eigenblut ist der hohe personelle, organisatorische und finanzielle Aufwand. … Den Berechnungen des amerikanischen Internisten zufolge kostet ein Beutel mit Eigenblut - abhängig von der Art der Operation - mit rund 70 bis 4500 Dollar mehr als die gleiche Menge fremden Blut. Dabei ist die Eigenspende vor allem deshalb so teuer, weil sie nur einmal gespendet wird und zudem die weitere Verwendung überschüssiger Konserven nicht möglich ist."

Summa Summarum. Der Geschäftemacher Poppenberg hat wieder einmal, bezogen auf Jehovas Zeugen, einen untauglichen Beitrag abgeliefert.

Filmemacher Poppenberg

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