Annotationen zu den Zeugen Jehovas
Das Ende des Nazismus

Unter den im Jahre 1940 veröffentlichten (englischsprachigen) Veröffentlichungen ragen besonders das Rutherford-Buch "Religion" und die Broschüre "Rutherford enthüllt die fünfte Kolonne" hervor.Siehe: Kommentierendes Nachwort zu Rutherford Religion und Rutherford enthüllt die Fünfte Kolonne Es gibt noch eine dritte erwähnenswerte Publikation aus jenem Jahre; und das ist die Broschüre "Das Ende des Nazismus", die gleichfalls nur englischsprachig erschien. Im wesentlichen wiederholt sie die Thesen der vorgenannten Veröffentlichungen, allerdings ohne so ins Detail zu gehen. Die "Nazismus"-Broschüre will offenbar nur einige Kernthesen darbieten, namentlich für solche Leser, die das umfangreichere "Religion"-Buch nicht selbst lesen wollen, die sich also mit einem (variierten) inhaltlichen Auszug aus ihm zufrieden geben.

Auch in dieser Broschüre rezitiert die WTG:
"Politiker und Geschäftsleute in hohem Ansehen drängen die Nationen auf 'mehr Religion' als Heilmittel. In Amerika sagen diese Männer: 'Wenn wir nicht mehr Religion haben, wird Amerika bestimmt untergehen.'"

Demgegenüber wird die flotte These entgegengestellt:
"
RELIGION bedeutet all das, was dem Willen des allmächtigen Gottes entgegensteht.
CHRISTENTUM bedeutet, freudig das zu tun, was in voller Übereinstimmung mit dem Willen des allmächtigen Gottes ist, 'dessen Name allein Jehova ist.'"
Satan der Teufel führte die Religion beim Menschen ein. Jesus Christus ist der Begründer und das Haupt des Christentums."

Auch in dieser Publikation werden deutliche Worte gegenüber der katholischen Kirche geäußert:
"Unter dieser falschen Bezeichnung (christliche Religion) sind Millionen aufrichtiger Menschen getäuscht worden. Diese Organisation wird von der 'Machthierarchie' beherrscht, deren Sitz der Vatikanstaat in Italien ist. Mehr als sechzehn Jahrhunderte hat diese religiöse Einrichtung auf höchst bösartige Weise, die die Seiten der Geschichte geschwärzt hat, menschliche Geschöpfe verfolgt. Die Inquisition in Spanien, Mexiko und anderen Staaten, die unter dem falschen Mantel der so genannten 'christlichen Religion' durchgeführt wurde, ist eine Geschichte, die zu schrecklich ist, als dass man sie mit menschlichen Worten umschreiben könnte. Diese Geschichte ist der schlüssige Beweis, dass das päpstliche System nicht das Christentum ist, sondern im Widerstreit zu Gott steht, also zur Religion gehört.

Die 'Machthierarchie' hat seit jeher einen totalitären oder korporativen Staat befürwortet und unterstützt. Eine Zeitlang war diese Organisation in ihren Bewegungen, die Welt zu beherrschen, behindert, doch seit dem Weltkrieg ist sie wieder sehr aggressiv geworden, und obwohl sie behauptet, Gott zu dienen, lässt sich die 'Machthierarchie' jetzt zu allen möglichen gottlosen Mitteln herab, die Welt zu erobern. Die Hierarchie handelt in völliger Übereinstimmung mit den grausamen Diktatoren, darunter Stalin, Hitler, Mussolini und andere, die ähnliche politische Ambitionen haben. Das Haupt dieser großen religiösen Organisation ist der Ratgeber und enge Gefährte von Hitler, der gedroht hat, über alle Demokratien der Welt herzufallen. Die Religion hat die Freiheit der Nationen in Europa zerstört und nun ihre üblen Klauen gegen die Republiken der westlichen Welt ausgestreckt."

Auch auf den sich besonders in den USA ausbreitenden Konfliktpunkt des Flaggengrußes geht diese Broschüre mit ein. Man vergleiche dazu auch: Gerichtliche Auseinandersetzungen in den USA

Im einzelnen wird dazu ausgeführt:
"Zwingend vorgeschriebene Flaggengrüße und der Heil-Hitler-Gruß wurden in Deutschland von Religionisten eingeführt, um die Unterordnung des Volkes unter religiöse Diktatoren zu erzwingen und Gott zu schmähen. Die Geheimpolizei oder Gestapo trat zur selben Zeit auf den Plan und greift zu brutaler Gewalt gegen alle, die sich weigern, sich der religiösen Zeremonie hinzugeben, vor dem Hakenkreuz zu salutieren und Heil Hitler zu sagen. Die Hierarchie ist die wahre Triebkraft hinter dem Fahnengruß und der Verehrung von Geschöpfen. Weil die Christen in Deutschland sich weigerten, sich solchen religiösen Zeremonien zu unterziehen, wurden Tausende von ihnen in Gefängnisse eingeliefert und viele davon getötet. Sie zogen es vor, den Tod zu erleiden, statt ihren Bund zu verletzen, dem allmächtigen Gott gehorsam zu sein. In Amerika wurde das zwingend vorgeschriebene Grüßen der Fahne durch Schulkinder auf Betreiben der Hierarchie eingeführt. Es trat in Form von Patriotismus auf, aber es richtet sich gegen alle, die Gott in Geist und Wahrheit anbeten. Die Absicht war es, den Menschen Angst einzuflößen und das Gewissen des einzelnen und die Hingabe an den allmächtigen Gott zu zerstören. In 150 Jahren amerikanischer Geschichte hat nie jemand daran gedacht, einen anderen zu zwingen, die Fahne zu grüßen, und nun werden bloße Schulkinder dazu gezwungen.

Der Supreme Court (Oberstes Bundesgericht) entschied im Fall Gobitis nur, dass Schulkollegien Vorschriften verhängen dürfen, die die Kinder zwingen, die Fahne zu grüßen, und das, obwohl sie es aus Gewissensgründen ablehnen. Das Gericht unternahm keinen Versuch, zu entscheiden, dass Erwachsene die Fahne grüßen müssen. Kein solcher Fall stand vor Gericht. Es gibt in Amerika kein Gesetz, das Erwachsene dazu zwingt, die Fahne zu grüßen. Aber um das Volk einzuschüchtern, versuchten die Hierarchie und ihre Verbündeten, ihrem Gewissen folgende Christen entgegen den Gesetzen des Landes zu zwingen, Gottes Gesetz zu übertreten."

Attackiert wird in dieser Broschüre auch eine in den USA bestehende Organisation, namens "Amerikanische Legion". Zu ihr wird ausgeführt:
"Ihr gegenwärtiger nationaler Führer ist römisch-katholisch und ein Ritter des Kolumbusorden, einer Organisation, die Befehle der Hierarchie des Vatikanstaates entgegennimmt. Die Legion ist gegen die demokratische Regierungsform. Ihr ehemaliger nationaler Führer, Owsley, sagte in aller Öffentlichkeit: "Vergesst nicht, dass die Faschisten für Italien das sind, was die Amerikanische Legion für die Vereinigten Staaten ist." Der augenblickliche nationale Führer prangerte in einer kürzlich gehaltenen Rede öffentlich die Versammlungs- und die Redefreiheit an und forderte eine Änderung der Grundrechte. Überdies trat derselbe Führer in einer Rede vor ein paar Monaten für die Legion als Privatarmee ein. Diese Armee besteht bereits, und ist gut ausgerüstet; und sie wartet auf einen Befehl der Hierarchie, um sich in Bewegung zu setzen. Der gegenwärtige nationale Leiter der Legion, Chaillaux, ermuntert zu Pöbelaktionen und befürwortet sie gegen friedliebende und gesetzestreue Bürger, die aus ihrem Gewissen Gott und Christus dienen. Diese Tatsachen zeigen, dass die Legion gegen die Redefreiheit und die Versammlungsfreiheit eingestellt ist."

Ein evangelischer Theologe prägte einmal den Satz: "Sekten sind die Schuldscheine der Kirche". Auch die katholische Kirche und ihre Apologeten wären gut beraten, dies anzuerkennen. Sollten sie ihr Heil jedoch lediglich darin sehen, auf ohne Zweifel nachweisbare linguistische Ungenauigkeiten in der Rutherford-Publizistik zu verweisen; so beweisen sie damit lediglich eines: Das sie immer noch nicht gelernt haben, worum es eigentlich geht!

Was meine ich mit "linguistischen Ungenauigkeiten" die sich auch bei Rutherford nachweisen ließen? Es sei einmal an einem Beispiel veranschaulicht. Ein Katholik namens Louis Betschart, veröffentlichte im Jahre 1951 ein Buch mit dem Titel: "Wir reden offen". Darin liefert er ein nahezu klassisches Beispiel der Argumentationskette der sich kirchliche Apologeten betreffs unbequemer Tatbestände bedienen. Er nahm sich das Schlagwort "zur Brust", dass Kirchen Waffen gesegnet hätten und versucht dies mit einem fiktiven Dialog zu entkräften. Bei Betschart liest man dazu:

"Die Zeugen Jehovas zeigten neulich in einem Vortrag echte Bilder aus einer Illustrierten, wo Waffen gesegnet wurden. Da man bekanntlich nie die Geduld verlieren soll, atmete ich erst einige Male tief auf … und nahm den Herrn ein wenig auf die Seite." Weiter berichtet Betschart über seinen diesbezüglichen Dialog wie sein Gesprächspartner anmerkte:

"Ich habe auch einer Filmrevue beigewohnt, in der Waffen gesegnet worden sind. …

Was haben sie denn da gesehen?

Endlose Kolonnen von Soldaten sind aufmarschiert. Auf den Schultern trugen sie ihre Waffen. Auch leichte Tanks und Kanonen fuhren vorbei. An der Kirche stand nun ein Geistlicher und segnete von dort aus die Waffen.

Warum sagen Sie, er segnete die Waffen? Hat er die einzelnen Waffen angerührt oder gesagt: Alle diese Waffen, Kanonen und Tanks sollen gesegnet sein?

Das nicht. Aber die Soldaten trugen doch alle Waffen!

Gewiß, Herr Kelm, die Soldaten trugen Waffen. sie trugen aber auch Hosen, Mäntel und Schuhe. Sogar Hemden, Strümpfe und andere Sachen trugen sie. Warum nannten Sie eben nur die Waffen und nicht auch die andern Sachen, die jene Soldaten bei sich hatten?

Sie wollen doch nicht abstreiten, daß der Pfarrer die Soldaten gesegnet hat.

Nein, Herr Kelm, das will ich wirklich nicht. Aber zwischen Soldaten segnen und Waffen segnen besteht doch ein großer Unterschied. Meinen Sie nicht auch?"

Was lehrt diese Apologie? Sie lehrt, dass man auch im Falle Rutherford diverse Unpräzisheiten in seinen Attacken gegen seine kirchlichen Kontrahenten nachweisen kann. Für wenn diese Unpräzisheiten ein Beruhigungsmittel darstellen - der mag es so halten. Indes, dürfte dem derart Beruhigten, vielleicht mal in einer schwachen Stunde, doch noch aufgehen, dass er seinen Dialogpartner damit keineswegs "überzeugt" hat.

1940er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte

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