Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Volksbote

Um der Publicity willen, gelang es der Russellorganisation, ihre Publizistik auch in einigen Tageszeitungen unterzubringen. Auf kommerzieller Basis versteht sich. Diese Blätter druckten Russells Predigten in der Regel nur ab, wenn der Dollar dazu auch entsprechend rollte. In Deutschland war es besonders die in Strehlen (Schlesien) erscheinende Wochenzeitung "Der Volksbote", die eine diesbezügliche Tribüne bot. Der "Volksbote", hart um seine witschaftliche Existenz kämpfend, war an den Bibelforschern dergestalt interessiert, dass er sie zugleich damit auch als Abonnenten seines Blattes binden konnte. Im Februar 1913 erließ der "Wachtturm" den Aufruf:

"Nicht nur sollten unsere Leser ein Exemplar des Volksboten für sich bestellen, sondern womöglich ein zweites oder noch mehr Exemplare ... Bestellungen können an uns gerichtet werden." Dennoch klagte der "Volksbote" alsbald "daß bis jetzt verhältnismäßig wenig neue Abonnenten hinzugekommen seien." Dazu der erneute "Wachtturm"-Kommentar: "Wir hoffen, daß die Geschwister nicht die Gelegenheit versäumen werden, nicht nur für sich, sondern auch zur Weitergabe an andere denkende Christen und Weltmenschen, ein oder mehrere Exemplare dieses Blattes zu beziehen." ("Wachtturm" 1913 S. 66).

Erneut findet sich in der "Wachtturm"-Ausgabe vom Januar 1915 ein Werbehinweis:

"Sollte jemand nicht in derLage sein, den Abonnementsbetrag zu bezahlen, so möge er sich an uns wenden. Andere mögen nicht vergessen für Freunde und Bekannte zu abonnieren." Das ging so bis etwa 1916 relativ gut über die Bühne. So notierte der "Wachtturm" einmal (1916 S. 98):

"Die bisher im Volksboten erschienenen Predigten umfaßten monatlich ungefähr soviel Material, wie in einer Nummer des Wachtturms erscheint." Das Kriegsgeschehen ging auch auf diesem Felde nicht spurlos vorüber. So notierte der "Wachtturm" (1916 S. 96): "Da seit geraumer Zeit keine Predigtberichte mehr von Brooklyn eintreffen, können wir voraussichtlich vom 1. Juli an keine Übersetzungen mehr an den Volksboten liefern."

Das war nun auch für den "Volksboten" in herber Schlag. Das Ausbleiben weiterer Russellpredigten implizierte ja auch, dass ein nicht unwesentlicher Teil seiner bisherigen Abonnenten, die Lust am weiteren Bezug verlieren könnte. Womit sich für den "Volksboten" erneut die Existenzfrage stellte, die ihm schon früher bekannt war. Die er aber aufgrund vorstehender Konstellation bislang immer noch abbiegen konnte.

Also tatenlos sah man dieser Sachlage seitens des "Volksboten" mit Sicherheit nicht zu. Und man fand in dem Berliner Bibelforscher Friedrich Boesenberg einen Notnagel, indem letzterer versprach die Lücke auszufüllen und weiterhin auf die Bibelforscher abgestimmte Predigten dem "Volksboten" zu liefern. Wie sich die Situation doch ändern kann. Im "Wachtturm" (1913 S. 95) wurde Bösenberg noch als Organisator einer Tagesversammlung der Bibelforscher in Berlin, mit rund 120 Teilnehmern gefeiert. Jetzt, 1916, wurde er als unerwünschter Konkurrent behandelt. Dazu der "Wachtturm" (1916 S. 98):

"Den lieben Geschwistern und Bibelklassen in Deutschland und der Schweiz, sowie den lieben Wachtturmlesern nah und fern, sei hiermit zur Kenntnis gebracht, daß die jetzt noch in dem 'Volksboten' erscheinenden Aufsätze nicht von uns geliefert werden. Der 'ernste Bibelforscher', den sich der 'Volksbote' als Mitarbeiter gesichert hat, steht leider nicht mehr mit uns in Verbindung und weicht in wichtigen Lehrpunkten von uns ab. Wir sind es den Lesern der sonst im 'Volksboten' erschienenen Predigten schuldig, daß wir auf diese Tatsache aufmerksam machen. Wir können es nicht gutheißen, daß unter dem Schein, daß Bruder Russells Glaubensüberzeugung fernerhin im 'Volksboten' zum Ausdruck gelangen soll, die Geschwister verleitet werden, jemandem, der unserer Überzeugung nach von der Wahrheit abgeirrt ist, Gehör zu schenken."

Weitere Details zur "Volksbund"-Kontroverse kann man entnehmen, in:

Manfred Gebhard "Geschichte der Zeugen Jehovas" S. 171-179.

Eine Kriegspredigt aus dem Jahre 1916

1916er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte

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