Datum: 13. August 2008 05:30
Das 1974er ZJ-Jahrbuch notierte:
„Bruder Russell konnte daher
wirklich mit dem befriedigenden Gefühl abreisen, bei seinem letzten Besuch in
Berlin ein eindrucksvolles Zeugnis gegeben zu haben.
Das nächste Jahr, 1913, war ... gekennzeichnet, wenn möglich noch mehr
Energie, Zeit und Geld einzusetzen, um noch mehr Menschen mit der ...
Botschaft ... zu erreichen. Es wurden Vorkehrungen getroffen, daß Bruder
Russells Predigten in der Wochenzeitschrift 'Der Volksbote' erschienen, und
dadurch wurden weitere Personen mit der Botschaft erreicht."
In der Februar-Ausgabe 1913 des deutschen „Wachtturms" war zu lesen:
„Wir haben schon bedauert, dass
wir den Geschwistern Bruder Russells wöchentliche Predigten nicht zu einem
billigen Preise zugänglich machen konnten. Der Volksbote, Strehlen
(Schlesien), ein Wochenblatt, ist bereit, dieselben regelmäßig zu
veröffentlichen. Abonnementspreis beträgt nur 50 Pfg. für drei Monate. Nicht
nur sollten unsere Leser ein Exemplar des Volksboten für sich bestellen,
sondern womöglich ein zweites oder auch mehr Exemplare, um den Aufsatz blau
angestrichen ihren Freunden zum Lesen anbieten zu können ... Bestellungen
können an uns gerichtet werden."
In der Mai-Ausgabe 1913 des deutschen WT liest man die Klage:
Der "Volksbote" (Strehlen)
(Schlesien) klagt, dass er viele alte Abonnenten verloren habe, und bis jetzt
verhältnismäßig wenig neue Abonnenten hinzugekommen seien. Wir hoffen, dass
die Geschwister nicht die Gelegenheit versäumen werden, nicht nur für sich,
sondern auch zur Weitergabe an andere denkende Christen und Weltmenschen ein
oder mehrere Exemplar dieses Blattes zu beziehen."
Die November 1913-Ausgabe des deutschen WT redet der eigenen
Anhängerschaft erneut ins Gewissen:
„Wie wir hören, sind diesem
Vierteljahr die Anzahl der von Seiten unserer Geschwister und Freunde bei der
Post bestellten Abonnements auf die in Strehlen (Schlesien) erscheinende
Zeitung "Der Volksbote" mit den wöchentlichen Vorträgen von Bruder Russell
wesentlich kleiner, als man hätte erwarten sollen. Wir möchten allen "Wachturm"-
Lesern empfehlen, das Blatt mit den sehr wichtigen Vorträgen zu beziehen."
Erneut wurde im deutschen Wachtturm vom Januar 1915 die Werbetrommel für
den „Volksboten" gerührt.
In der Juli-Ausgabe 1916 gab es dann im deutschen „Wachtturm" eine Mitteilung
darüber, dass Bösenberg
Zitat:
„Steht leider nicht mehr mit
uns in Verbindung und weicht in wichtigen Lehrpunkten von uns ab."
Welche wichtigen Lehrpunkte das seien, erläutert der WT allerdings nicht.
Der allerwichtigste Differenzpunkt dürfte darin bestanden haben, wie schon im
Falle der „Aussicht".
Das „niemand kaufen und verkaufen soll" der dies auf eigene Rechnung tut und
nicht zugunsten der WTG-Kasse. Übrigens eine Motivation, die auch noch heute
einige umtreibt, und das keineswegs „nur" in WTG-Gefilden.
In der Oktober-Ausgabe 1916 kann dann der deutsche „Wachtturm" erfreut
mitteilen, man habe Bösenberg wieder erfolgreich aus den „Volksboten"-Gefilden
vertrieben, und beherrsche somit dort das Feld wieder selbst.
Am 31. 10. 1916 verstarb bekanntlich der Bibelforscher-Gründer C. T. Russell.
Die USA traten offiziell erst 1917 mit in den Weltkrieg ein. Davor wollten sie
– theoretisch – neutral gewesen sein.
Je länger der 1914 ausgebrochene Krieg andauerte, um so labiler wurden auch
die Kommunikationslinien zwischen Deutschland und Amerika.
Das lässt sich auch an den Russell-Predigten beobachten, welche – nachweislich
– von der in Strehlen (Schlesien) erscheinenden Wochenzeitung „Der Volksbote"
(auf kommerzieller Basis) veröffentlicht wurden.
Die Bestandslage in den wissenschaftlichen Bibliotheken, erlaubt nur die
Auswertung des „Volksboten" für die Jahre 1914 – 1918. Weder davor, noch
danach, sind im wissenschaftlichen Bibliothekswesen weitere Jahrgänge
nachweisbar.
Aber diese Auswertung ergibt sehr wohl. Nahezu in jeder Ausgabe des
„Volksboten" ab 1914, war eine Russell-Predigt abgedruckt.
Etwa 1916 begann sich diese Linie zu verflüchtigen.
Etwa ab der Ausgabe vom 25. März 1916, sind die weiter abgedruckten
wöchentlichen religiösen Predigten, nicht mehr ausdrücklich dem C. T. Russell
als Verfasser, namentlich zugeschrieben. Sie können zwar auch noch in dieser
Zeit aus seiner Feder entstammen, müssen es aber nicht zwingend.
Noch äussert sich die Redaktion des „Volksboten" zu diesem Umstand nicht im
Detail. Inhaltlich aber liegen die zu der Zeit abgedruckten Predigten,
weiterhin auf der „Russell-Linie". Ein nennenswerter Dissenz ist nicht zu
erkennen.
Erstmalig nimmt die Redaktion zu der eingetretenen Veränderung in der „Volksboten"-Ausgabe
vom 17. Juni 1916 mit den Worten Stellung:
„Wie uns der „Wachtturm
berichtete, sind die Russellschen Predigten aus Amerika nicht mehr erhältlich.
Dieser jedenfalls durch den Krieg verursachte Umstand, trifft den „Wachtturm"
ebenso wie den „Volksboten". Um aber die durch Pastor Russell bekannt
gewordene Wahrheit über den „Plan Gottes" nach wie vor im „Volksboten" zum
Ausdruck zu bringen, haben wir uns die geschätzte Mitarbeit eines ernsten
Bibelforschers in Deutschland gesichert. Alle anderen Nachrichten sind
irreführend.
Die Geschäftsleitung des „Volksboten".
In der Ausgabe vom 24. Juni 1916 liest man erstmals im Impressum auch die
Angabe:
„Verantwortlich für den
religiösen Teil:
Fr. Bösenberg, Berlin, Wilhelmshavenerstraße 47.
Das war jener
Bösenberg, welcher seit 1915 die Zeitschrift „Botschafter für den
Haushalt des Glaubens" herausgab. Ein Werbeexemplar selbigen lag übrigens auch
einer „Volksboten"-Ausgabe mal bei.
In der darauffolgenden Ausgabe des „Volksboten" reagierte die WTG in der Form
eines Inserates pikiert auf diesen Umstand, und bemerkte sachlich richtig,
dass Herr Bösenberg von ihr unabhängig sei.
Gleichwohl liefen die Russell-Predigten, auch nach diesem ersten frühen
„Affront" (1915), im „Volksboten" weiter.
Aus der „Volksboten"-Ausgabe vom 24. Juni 1916, seien noch zwei
aufschlußreiche Inserate zitiert.
Das eine verlautbarte.
Für Wachtturmleser
In meinem und der Wachtturmgesellschaft Interesse bitte ich, Geldbeträge, die
für das Bibelhaus-Barmen bestimmt sind, nicht mehr auf mein Postscheckkonto
Amt-Cöln Nr. 23317 einzusenden. Fritz Christmann
(Auch Christmann zeitweiliger WTG-Funktionär, begegnet man später noch in
der einschlägigen Oppositionszene zur WTG. Welchen Grad er dabei schon 1916
erreicht hatte, mag einstweilen unbeantwortet bleiben. Diese Zeit war Umstände
bedingt, ohnehin durch eine rapide „Namensinflation" gezeichnet. Namen als
Verantwortliche kamen und gingen wieder.
Das andere Inserat führte aus:
Römer 14, 7-8. Nach Gottes
Ratschluss ist meine teure Gattin, die mir durch 21 Jahre eine treue
Lebensgefährtin, unseren Söhnen eine liebevolle hingebende Mutter war, heute
morgen 9 ½ Uhr nach langem schweren Leiden sanft im Herrn entschlafen. Ist
auch der Schmerz gross, so bietet doch die Gewissheit, dass die Entschlafene
den Lauf vollendet und den Glauben bis ans Ende fest bewahrt hat, und die
herrliche Hoffnung der Kinder Gottes auf ein Wiedersehen am
Auferstehungsmorgen reichen und festen Trost.
„Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen, der Name des Herrn sei
gelobt!"
Friedrich Bösenberg zugleich im Namen der Söhne
Fritz Bösenberg, z. Zt. im Felde
Heinrich Bösenberg
Berlin, den 15. Juni 1916
Wilhelmshavenerstr. 47.
Offenbar aber währte das Bösenberg-Interregnum nicht übermässige lange.
Schon in der Ausgabe vom 29. Juli 1916 gab es die redaktionelle Mitteilung:
„An unsere christlichen Leser.
Eventuell von nächster Nummer ab, werden im christlichen Teil wieder
Russellsche Predigten abgedruckt.
Und siehe da. Schon in der Ausgabe vom 5. August 1916, ist die
zeitweilige Mit-Erwähnung des Bösenberg im „Volksboten", ersatzlos
verschwunden.
In der Ausgabe vom 9. September 1916 gab es dann wieder eine namentlich dem
Russell zugeschriebene Predigt, die dieser am 13. 8. 1916 in Cleveland (Ohio)
gehalten haben soll.
Dann (Zensur-Eingriffe blieben dem „Volksboten" auch nicht erspart).
Bemerkenswerterweise hatte aber der deutsche „Wachtturm" die gesamte
Kriegszeit ohne ausgewiesene Zensur-Eingriffe überstanden. Da hatte schon mal
der „Volksbote" dieses Glück nicht. Aber mit Sicherheit hatten die
Zensureingriffe im „Volksboten" nichts mit den von der WTG eingesandten
Russell-Predigten usw., zu tun.
Ein Veranschaulichungsbeispiel für die Zensur-Probleme kann man in einer
redaktionellen Mitteilung in der „Volksboten"-Ausgabe vom 2. 12. 1916
vorfinden.
Die Russell-Predigten gab es auch als Separat-Drucke. War einmal der
Schriftsatz erstellt, wurden vier solcher Predigten zusammengefasst und als
Separat-Druck nochmals gedruckt.
In genannter „Volksboten"-Ausgabe, gab es nun eine Anfrage dazu aus der
Schweiz. Und den Fragestellern wurde dazu folgende Antwort gegeben:
Briefkasten der Schriftleitung
An die Herren Schutzbach und Winterhalden in der Schweiz
Der Absendung der Drucksachen sind jetzt besondere Schwierigkeiten erwachsen.
Ein Exemplar der 4 Predigten muß dem hiesigen Zollamt eingesandt werden. Von
diesem wird das Exemplar dann weiter an die Überwachungsstelle nach Breslau
befördert. Von dort erhält das Zollamt die Nachricht, das gegen die Versendung
nichts einzuwenden ist und wir können dann die Pakete auf die Post geben."
Dann in der „Volksboten"-Ausgabe vom 30. 12. 1916, gab es in der Form
eines Inserates, die Mitteilung, dass Russell nunmehr verstorben sei.
Gleichwohl gab es trotzdem weiter, dem Russell zugeschriebene Predigten. So
etwa in der Ausgabe vom 10. 2. 1917; auch 24. 3. 1917; ferner 8. 9. 1917.
Namentlich ausgewiesen, auch 13. 10. 1917.
Noch 1918 ging es mir Russell-Predigten weiter (12. 1. 1918; 2. 2. 1918)
Eine nennnswerte Änderung ist in der Ausgabe vom 23. 2. 1918 zu registrieren.
Dort liest man erstmals im Impressum:
„Für die Predigt
verantwortlich:
Wachtturm-, Bibel- und Traktat-Gesellschaft Barmen, Unterdörnerstraße 76.
Die zeitweilge Erwähnung des Bösenberg, erweist sich somit als ein
kurzes, nicht bestimmendes Intermezzo.
Über Bösenberg vernimmt man zur gleichen Zeit („Volksboten"-Ausgabe vom 27. 1.
1917), er sei z. Zt. im Felde (sprich im Militärdienst).
Bezüglich des Aspektes Militärdienst, ist vielleicht auch die „Volksboten"-Ausgabe
vom 13. 7. 1918 interessant. Dort liest man in der Form eines Inserates:
„Die Mühlhauser Versammlung der
Vereinigung Ernster Bibelforscher macht die lieben Brüder im Felde hiermit
aufmerksam, sich im gelegenem Falle an Adrian Block. Riedisheimerstraße 2,
Mülhausen im Elsass wenden zu wollen."
Noch aufschlußreicher indes ist vielleicht die „Volksboten"-Ausgabe vom
24. August 1918.
Und dort liest man unter einer „Öffentliche Rechtfertigung der Vereinigung
Ernster Bibelforscher" überschriebenen Ausführung, unter Punkt 2 auch die
wörtliche Ausführung:
„2. Es ist böswillige
Verleumdung, zu behaupten, daß Angehörige der Vereinigung angehalten würden,
die Dienst- oder Waffenpflicht zu verweigern. Beweis:
Hunderte der Vereinigung im Felde; viele gefallen."
Das also als Skizzierung der Sachlage. Und selbige erweckte nicht den
Eindruck, es dabei mit entschiedenen Pazifisten zu tun gehabt zu haben.
Nun mag man wieder etwas weiter zurückgehen zur Predigt des „Volksboten" vom
3. Juni 1916, die meines erachtens eine besondere Relevanz besitzt.
Sie trug den Titel:
Die Sehnsucht nach Frieden und
die Notwendigkeit des Krieges."
Sie ist ohne erkennbare Verfasser-Angabe abgedruckt.
Die Frage muss also unbeantwortet bleiben, wem sie denn zuzuschreiben ist.
Noch Russell?
Oder schon Bösenberg,
oder auch seitens der Wachtturmgesellschaft zur Veröffentlichung an den
„Volksboten" eingesandt?
Immerhin verwendet der Autor jener Predigt in seinem Text auch die Wendung:
„Wo würde Amerika heute sein,
wenn es keinen Unabhängigkeitskrieg gegeben hätte?"
Würde ein deutscher Autor diesen Vergleich auch heranziehen? Die
Wahrscheinlichkeit für letzteres ist eher gering. Hingegen ein amerikanischer
Autor (sprich Russell) ist solch eine Wendung durchaus zuzutrauen.
Bemerkenswert (dass könnte sowohl für Russell als auch für Bösenberg
gleichermaßen, als Autor sprechen), bewegt er sich auf der sattsam bekannten
Linie konservativer Bibelauslegung, die in der Aussage gipfelt. Paulus habe
das Sklaventum nicht in Frage gestellt. Ergo auch nicht seine selbsternannten
(oder tatsächlichen) Nachfolger.
Innerhalb dieser Predigt manifestiert sich dass dann auch in solchen Sätzen
(bei denen man unwillkürlich an „Schriftstudien" Band 4 erinnert wird), wie
den:
„Jedes Zugeständnis der
begünstigten Klassen an die Massen ist gleich dem Fraß, den man einem Rudel
verfolgender hungriger Wölfe vorwirft. Sie pausen eine Weile um die Vorteile
zu verschlingen, aber ihr Appetit wird nur um so mehr gereizt."
Die Quintessenz dieser Predigt ist offenbar in dem Satz zu sehen:
„Laßt uns daher nicht entmutigt
werden, wenn die Kriege zwischen den Nationen fortdauern oder gar zunehmen
..."
Durchaus deutlich auch jenes von pazifistischen Positionen Lichtjahre
entfernte Votum innerhalb dieser Predigt:
„Den edlen Bestrebungen der
Friedensfreunde kann man nur die höchste Anerkennung zollen. Aber es ist
vorauszusehen, daß ihre gutgemeinten Pläne nicht durchführbar sind, denn Gott
strebt in der gegenwärtigen Zeit und unter den gegenwärtigen Umständen, keinen
Frieden an:
„Kein Friede den Gesetzlosen; spricht Jehova."
Der Verfasser will also den Krieg in sein altbekanntes Endzeitkorsett
eingeordnet sehen. Den Betroffenen hat er somit nur einem Rat zu geben:
„Stille stehen und warten".
Damit diese Wartezeit nicht in Langeweile ausufert, davor würden schon die
Militärbehörden – etwa in Form ihrer Gestellungsbefehle – sorgen.
Unterm Strich erweist sich diese Predigt als „Dutzendware", wie man sie zur
gleichen Zeit auch von anderen „in die Schützengräben-Predigern" vernehmen
konnte.
Inwieweit dieser Prediger, er mag nun Russell oder Bösenberg geheissen
haben,"besser" war als die andern. Der Beweis ist in der Tat nicht erbracht!
Zu bemerken ist auch; Bösenberg ist zu der Zeit und auch später noch, durchaus
als gläubiger Russell-Anhänger bezeichenbar. Die Dissenze, die ihn zur eigenen
Herausgabe des „Botschafter für den Haushalt des Glaubens" veranlassten,
liegen mit Sicherheit nicht auf der Ebene, wie man sich denn zu der
militärischen Herausforderung des ersten Weltkrieges verhalten sollte.
Beide, zeitgenössische Bibelforscher, als auch Bösenberg, absolvierten zu der
Zeit, wenn sie von den Behörden dazu genötigt wurden, sehr wohl den
Militärdienst.
Das quasi als Einführung.
Und nun noch der Wortlaut jener Kriegspredigt, aus dem „Volksboten" vom 3.
Juni 1916.
Bilde sich jeder seine eigene Meinung dazu:
Die Sehnsucht nach Frieden und
die Notwendigkeit des Krieges.
Von dem Bibelwort ausgehend: Er beschwichtigt die Kriege bis an das Ende der
Erde ... Lasset ab und erkennet, daß ich Gott bin!" (Psalm 46, 9-10), wollen
wir heute versuchen, eine schwierige Frage von einem neuen Gesichtspunkt aus
zu betrachten. Wir werden dabei zu überraschenden und dennoch vernünftigen
Schlußfolgerungen kommen.
Nach allgemeinen Grundsätzen könnte niemand dem Kriege mehr abhold sein als
ich, denn ich möchte mich, soweit meine Gefühle in Frage kommen, als einen
extremen Friedensfreund bezeichnen. Dennoch können wir unsere Augen den
geschichtlichen Tatsachen gegenüber nicht verschließen, daß der Welt
eigentlich jede Segnung durch Krieg zuteil geworden ist, um den Preis
grausamen Blutvergießens.
Wo würde Amerika heute sein, wenn es keinen Unabhängigkeitskrieg gegeben
hätte?
Und würde nicht das machtvolle Deutsche Reich und die Einheit der deutschen
Stämme auf Schlachtfeldern errungen?
Wo würden die Völker Europas heute sein, wenn sie nicht gekämpft hätten, um
ihre nationalen Freiheiten zu erhalten?
Wohin würde irgend ein Land in weniger denn Jahresfrist bleiben, wenn es sich
weigern wollte, in Kriegsbereitschaft zu bleiben?
Dieser, dem allgemeinen Empfinden entspringende Gesichtspunkt steht nicht im
Widerspruch mit den Lehren unseres Meisters. Unser Meister redete nicht zu den
Nationen, sondern zu einzelnen Personen, als er ermahnte, daß man, wenn man
auf den einen Backen geschlagen werde, auch den anderen darbieten und nicht
widerstehen solle. Die Belehrungen Jesu richteten sich lediglich an seine
Jünger, seine Nachfolger.
Ihnen wurde anbefohlen, aus der Welt auszugehen und sich abzusondern von ihrem
Geiste - ein neues Volk, eine heilige Nation. Sie sollten erwarten, gleich
ihrem Meister Verfolgung zu leiden. Ihnen galt seine persönliche Verheißung,
daß, wenn sie mit ihm um der Gerechtigkeit willen leiden würden, sie hernach
in seinem Reiche belohnt würden, indem sie alsdann mit ihm auf seinem Thron
sitzen sollten.
Die Seligpreisungen ergingen nicht an Nationen.
Als Jesus sagte: „Glückselig die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes
heißen", redete er nicht zu Nationen, sondern zu einzelnen Personen, zu einer
besonderen Klasse von Personen, nämlich zu solchen, die durch eine völlige
Preisgabe aller ihrer irdischen Interessen seine Jünger werden wollen.
Das, was der Erlöser in bezug auf Nationen sagte, was das direkte Gegenteil
dessen, was er seinen Nachfolgern sagte.
Er sagte: „Ihr werdet von Kriegen und Kriegsgeschrei hören. Sehet zu,
erschreecket nicht; denn dies alles muß geschehen ... Denn es wird sich Nation
wider Nation erheben." (Matth. 24, 6.7).
Ich fürchte mißverstanden zu werden, aber über diesen Gegenstand herrscht so
viel Verwirrung, daß die Wahrheit deutlich dargelegt werden muß.
Tatsache ist, daß der Krieg nicht die Krankheit, sondern lediglich ein Symptom
der Krankheit des politischen Körpers und der Angelegenheiten der Erde ist. So
lange die Krankheit anhält, solange muß notwendigerweise daß äußere Anzeichen
dafür, der Krieg anhalten. Ist es nötig, daß ich sage, daß die Krankheit, die
ich meine, die Sünde ist?
Sünde und Krieg sind unzertrennlich. Es könnte nur zwei Wege geben, dem Kriege
Einhalt zu tun:
1. Durch Bekehrung der nationalen Welt aus dem Zustande der Hartherzigkeit,
Selbstsucht und Sünde in den Zustand der Gerechtigkeit, Mildherzigkeit; oder
2. Durch die Einsetzung einer Regierung oder Macht, die von der Sünde nicht
beherrscht wird, um die Angelegenheiten des sündigen Menschen durch höhere
Gewalt zu überwachen und zu überwalten.
Ist eine solche Möglichkeit diskutabel? Leider nicht. Die gedruckten
grundlegenden Bedingungen müßten, wenn vorhanden, mit mathematischer
Sicherheit zum Ziele führen. Indes sehen wir aus der Bibel, daß Sünde und
Selbstsucht in diesem Zeitalter die Oberhand haben und ständig auf dem
Kriegspfade sind, sei es auf politischem, sozialen oder finanziellen Gebiet.
Kriege hat es unaufhörlich gegeben von der Zeit an, da der Mensch unter die
Herrschaft der Sünde kam. In früheren Zeiten kam die Selbstsucht durch
Seeräuberei und Piratentum, sowie durch den Sklavenhandel zum Ausdruck. Dann
wieder wechselte man die Kampfweise und die Führer erkannten, daß man durch
mildere Methoden mehr erreichen könne, und zwar durch Politik und Hierarchie.
Wiederum veränderten sich die Verhältnisse und die Klugen sahen ein, daß die
Sklavenhalterei mit dem Vordringen der Erfindungen in der Welt auf dem Gebiete
der Mechanik unlohnend wurde, und daß man mehr erreichen könne mit weniger
Verantwortlichkeit dadurch, daß man die Sklaven befreie und sie für ihren
Unterhalt im Wettbewerb mit den Maschinen arbeiten lasse.
Danach kam die Aera der finanziellen Kombinationen, der Riesen-Trust und
Korporationen, welche die Geschicke der menschlichen Familie vom Bauer hinauf
bis zum Könige beherrschen. Aber mit diesem steten Wechsel ist auch der Krieg
fortgeschritten. Er hat lediglich seine Form, seine Waffen, seine Methode
geändert. Die Grundlage aller dieser Kriege ist die Selbstsucht, und solange
wie die Selbstsucht besteht, wird der Krieg bestehen. Der Erfolg bringt
Wohlergehen, der Mißerfolg bringt Bedrückung.
Ich beschränke also die Kriegsführung nicht auf Schlachtfelder, auf denen
Kanonen und Bajonette und Streitrosse den Ausschlag geben, noch auf
Seeschlachten. In die große Kriegsführung schließe ich ein alle sozialen,
politischen und finanziellen Störungen und Kämpfe. Es sind dies alles
Schlachten, in denen meist der schlaueren Partei der Sieg zufällt.
Die große unwissende Masse von Menschen, die in ihrer Einfalt noch vor hundert
Jahren kein selbständiges Denken kannte, ist durch freie Volksschulen und
Bildungsgelegenheiten aufgeklärt und urteilsfähig geworden und steht stets in
Bereitschaft, sich jeden möglichen Vorteil zu nutze zu machen. Überdies haben
seit den letzten fünfundzwanzig Jahren unsere großen Universitäten und
Bildungsanstalten den Glauben an die Inspiration der Bibel untergraben, und
dieser Einfluß ist schließlich auf die großen Massen übergegangen.
Sie geben jetzt ihren Zweifeln hinsichtlich eines zukünftigen Lebens Ausdruck
und sind fest entschlossen, so schnell wie nur irgend möglich, die
Gelegenheiten des gegenwärtigen Lebens wahrzunehmen, damit sie teilnehmen an
dem Luxus der Reichen und ihn zum Gemeingut aller machen. Wenn ihr Programm
auch nur zur Hälfte ausgeführt wird, so bedeutet das den furchtbaren Krieg,
den die Welt je gesehen hat. Die Bibel nennt ihn „eine Zeit der Drangsal,
dergleichen nicht gewesen ist, seitdem eine Nation besteht." (Daniel 12, 1).
Da der Geist des Krieges, der Geist der in Tätigkeit getretenen Selbstsucht
ist, so bestätigt sich dadurch die Tatsache, daß die Welt nie mehr zum Streit
gestimmt war denn jetzt; und daß sie nie die Befriedigung ihrer Begierden in
dem Maße betrieb wie heute. Und obschon sie Segnungen genießt, von denen Leute
früherer Zeiten nicht träumten, so ist doch die Unzufriedenheit größer und
allgemeiner denn je zuvor, und sie treibt die Menschheit mit immer größerer
Eile hinein in den größten aller Kämpfe.
So lange das Geld noch seinen Wert hat, und die politischen Kombinationen die
Herrschaft nicht verlieren, wird das soziale Gebäude statt intakt und in
Funktion bleiben, Nation wider Nation durch Heere und Flotte.
Aber sobald die politischen und finanziellen Mächte zusammenbrechen, wird aus
dem Kriege die Anarchie entstehen, in der nach der Bibel „Eines jeden Hand
wider seinen Nächsten" sein wird.
Die führenden Geister der Welt erkennen die dargelegten Tatsachen klar an. Für
die Vorschläge wohlmeinender Fríedensfreunde hat man nur ein mitleidiges
Lächeln. Den Steuerreformen und der Erbschfaftssteuer haben sich diejenigen am
wenigsten gewogen gezeigt, die es anging. Viele Reformen unserer Tage sind
entstanden „der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe." Es waren
Zugeständnisse, welche die Klugheit gebot.
Zweifellos werden ihnen noch größere Zugeständnisse folgen, ebenfalls von der
Klugheit diktiert; aber alle diese Zugeständnisse werden den wachsenden
Appetit zunehmender Unzufriedenheit nicht zu stillen vermögen.
Jedes Zugeständnis der begünstigten Klassen an die Massen ist gleich dem Fraß,
den man einem Rudel verfolgender hungriger Wölfe vorwirft. Sie pausen eine
Weile um die Vorteile zu verschlingen, aber ihr Appetit wird nur um so mehr
gereizt.
Auf ein Heilmittel kann, wofern es ein solches gäbe, heute noch weniger
Hoffnung gesetzt werden als vor etwa fünfzig Jahren; damals hatte man den
Glauben an die Bibel und den allmächtigen Schöpfer noch nicht ganz verworfen.
Die höheren Textkritiker haben gründliche Arbeit getan, indem sie den Glauben
an das einzige Buch zerstörten, das göttliche Inspiration für sich in Anspruch
nehmen kann.
Sogenannte Bildung und modernes Geschäftsleben haben das Ihrige dazu
beigetragen, daß die Welt jetzt von selbstsüchtigem Ehrgeiz entbrannt ist,
nach Reichtümer und Luxus verlangend, ohne zu entsprechenden Gegenleistungen
bereit zu sein.
Das Bild, das ich gemalt habe, würde nur verwirrend wirken und unnütz sein,
wofern ich nicht eine gute und ermutigende Botschaft darzubieten hätte. Gott
hat den Entwicklungslauf des Bösen während der sechs großen Tage der
Geschichte der Erde - sechstausend Jahre - vorausgesehen; und er hat
Vorkehrungen für den großen siebenten Tag, ebenfalls von tausendjähriger
Dauer, getroffen. Dieser Tag wird die Zeitepoche sein, in der der Messias auf
dem Throne alles neu machen wird. Vielfach redet die Bibel davon, daß sich die
Welt in einer Nacht der Sünde und des Leidens befindet, auf welches die
Morgendämmerung eines neuen Tages folgt, an dem Gerechtigkeit auf Erden
herrschen wird, nicht nur auf königlichem Befehl hin, sondern durch die
göttliche Macht seines Reiches.
Das Königreich des Messias wird die idealsten Vorstellungen von einer
vollkommenen Regierungsform weit übertreffen. Es wird wie der Prophet es
nennt, „das Begehren aller Nationen" stillen.
Aus anderen Bibelstellen wissen wir, daß die Wolke, die jetzt über der
Menschheit hängt, einen furchtbaren Sturm des Streites, des Blutvergießens und
der Drangsal entladen wird, sodaß die Welt bis zum Überfließen voll davon
wird. Danach wird unter der Leitung der messianischen Verwaltung der Geist
eines gesunden Sinnes allmählich in die Menschheit kommen, und in dem gleichen
Verhältnis wird sie das messianische Königreich in treuer Unterwürfigkeit
anerkennen, und man wird, wie der Prophet uns sagt, sprechen:
„Siehe da, unser Gott auf den wir hörten; er wird uns helfen." (Jesaja 25,9).
Reich und Arm jeder Nation werden sich allmählich der veränderter Verhältnisse
bewußt werden, und alle, die Gerechtigkeit lieben, werden miteinander
frohlocken. Laßt uns daher nicht entmutigt werden, wenn die Kriege zwischen
den Nationen fortdauern oder gar zunehmen, oder wenn die politischen,
sozialen, religiösen und finanziellen Kämpfe schlimmer denn je zuvor toben.
Möge uns dies nicht befremden, sondern denken wir daran, daß dies die Regung
und Wirksamkeit des gefallenen menschlichen Herzens ist.
Die Bibel deutet darauf hin, daß Gott der Menschheit einen
Anschauungsunterricht erteilen will bezüglich des Einflusses der Selbstsucht,
und dies wird eine solche Lektion sein, daß sie sie nie vergessen werden,
sondern in alle Ewigkeit sich als nützlich erweisen wird.
Mit dem Vorhergehenden soll nicht gesagt sein, daß Selbstsucht und Streitsucht
irgendwelche Existenzberechtigung hätten und empfehlenswert seien, sondern das
gerade Gegenteil. Diejenigen, die durch Unterweisung zu lernen vermögen, gilt
das Wort Gottes. Wer den Unterweisungen der Bibel genau folgt, wird einen
entsprechenden Segen empfangen. Zwar richtet sich die Bibel in Sonderheit an
die geweihten Gotteskinder, welche die wahren Friedensstifter sind, die Jesus
meinte, als er sagte:
„Glückselig die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes heißen."
In dem Maße aber auch, indem andere den rechten Grundsatz anerkennen, den
Grundsatz der Barmherzigkeit, des Mitgefühls und der Teilnehme, werden sie in
Harmonie mit dem großen Könige kommen und sich dementsprechend mehr oder
weniger schützen vor der Drangsal des großen Tages des Zornes, der herannaht.
Den edlen Bestrebungen der Friedensfreunde kann man nur die höchste
Anerkennung zollen. Aber es ist vorauszusehen, daß ihre gutgemeinten Pläne
nicht durchführbar sind, denn Gott strebt in der gegenwärtigen Zeit und unter
den gegenwärtigen Umständen, keinen Frieden an:
„Kein Friede den Gesetzlosen; spricht Jehova." (Jesaja 48,22)
Das Wort „Gesetzlosen" umfaßt die ganze menschliche Familie; denn „da ist kein
Gerechter, auch nicht einer".
Nur eine verhältnismäßig kleine Zahl hat vom biblischen Standpunkt aus
aufgehört gesetzlos zu sein. Die einzigen, die in Gottes Augen gerechtfertigt
sind, sind diejenigen, die im Vertrauen auf das Blut Jesu Christi zur
Vergebung ihrer Sünden ganz dem Erlöser hingegeben, geweiht haben ...
Als zusätzliches Zeitzeugnis sei auch auf einen anderen früheren
WTG-Funktionär,
F. L. A. Freytag hingewiesen, welcher in der weiteren Entwicklung der
Dinge, dann noch seinen eigenen „Laden", die sogenannte „Kirche des Reiches
Gottes" aufmachte.
Um es vorweg zu sagen, sonderlich „sympathisch" ist mir Herr Freytag
sicherlich nicht. Und an „Minderwertigkeitskomplexen" litt er sicherlich auch
nicht. Letzteres muss man ja an sich, noch nicht negativ werten. Man muss
allerdings fragen, wohin dann der Weg führt. Und im Falle Freytag zu einem
Personenkult von geradezu abstoßender Dimension.
Nachdem er also - Umstände bedingt - seinen eigenen
„Laden" aufgemacht hatte, gehörten auch einige Zeitschriften zu seinem
Repertoire. Eine davon nannte sich „Der Engel Jehovas". Und in besagtem „Engel
Jehovas" (Ausgabe vom April 1925) lies er sich von seiner Anhängerschaft wie
folgt anreden:
„Geliebter Sendbote, würden Sie
mir sagen, welches Ihre Meinung über die Lehre der Bibel ist und wie Sie
dieselbe einschätzen? ..."
Diese Steilvorlage nutzend, lamentiert dann in der Antwort darauf,
besagter Herr Freytag entsprechend.
Also nochmals zum „auf der Zunge zergehen lassen". Herr Freytag wähnt allen
Ernstes, der alles überragende „Sendbote des Herrn" zu sein.
Genannte Ausgabe des „Engel Jehovas" vom April 1925, ist noch in anderer
Hinsicht aufschlussreich. Da er sich offenbar in selbiger so richtig „in
Fahrt" geschrieben hat, kann man dort von ihm noch ein paar andere markante
Sätze mehr lesen. Unter anderem den (S. 28f.):
„Dann gab mir die Bibel dieses
Zeugnis, und die Gesandten von Brooklyn kamen mir zu sagen. Du hast doch eine
so schöne Stellung bei uns, laß Deine Gedanken fahren, und Deine Stellung
bleibt Dir sicher bis zum Ende Deiner Tage."
Offenbar hatten die „Gesandten von Brooklyn" mit diesem Angebot wohl
keinen sonderlichen Erfolg, denn der Freytag-Text geht weiter mit den Worten:
„Wie ich sagte, gab mir die
Bibel dieses Zeugnis, daß in Laodicäa, bei den Bibelforschern, wir blind, arm
und nackt waren. Bist Du jetzt der Wortführer des Herrn, um es ihnen zu sagen,
oder willst Du Dir die Stellung erhalten, welche man Dir geben zu wollen
behauptet und die Du niemals von jemandem empfangen hast, von wem es auch sei,
als nur von der Hand des Herrn?"
Auch diese Aussage strotzt dann ja wohl so vor Selbstbewusstsein.
Da „die Gesandten von Brooklyn" nicht das erhoffte Ergebnis einfahren konnten,
schlugen selbige nun eine andere Tonlage an. In Freytags Worten („Engel
Jehovas" Januar/Februar 1922) wie folgt:
„Wir haben mit nichts
angefangen, denn man hatte uns im Jahre 1919 im Monat Dezember alles genommen.
Die Bibelforscher hatten uns den Gerichtsvollzieher geschickt, daß er unser
Material beschlagnahmte. So hatten wir nur noch die Rechnungen, die wir zu
bezahlen hatten, von den Büchern und Broschüren, welche die Bibelforscher uns
hatten nehmen lassen. Und jetzt hat der Allmächtige Erbarmen gehabt mit seinem
Volke und hat ihm Manna vom Himmel gegeben, nicht mehr Schriften, die da
Luftschlösser und Dämmerlicht, wie die Schriftstudien, sondern die reine,
strahlende Wahrheit."
Pikant, die Herren Zaugg und Binkele, welche da im Auftrage Rutherford's
die Henkersdienste im Falle Freytag organisierten. Beide Herren wird man zu
einem späteren Zeitpunkt, auch noch als von der WTG
Geschasste begegnen können.
Vieles im Leben ist offenbar nur eine Frage der Zeit!
Da Freytag in der Frühzeit, besonders die Französischsprachigen Gebiete für
die WTG dominiert hatte, blieb das nicht folgenlos. Die WTG kam in Frankreich
auf keinen sonderlich grünen Zweig. Das änderte sich erst, als es ihr gelang,
unter aus Polen eingewanderten Bergleuten in Frankreich, nennenswert Fuß zu
fassen.
Die WTG bescheinigt dem Freytag noch, er habe nebst dem Personenkult,
besonderen Wert auf die „Charakterentwicklung" gelegt.
Das war ja auch einer der Aspekte, denen Rutherford den Krieg erklärt hatte,
dieweil er die seiner Meinung nach dafür „vergeudeten" Ressourcen für die
Klinkenputzertätigkeit umkanalisiert wissen wollte.
In einem geschraubt formulierten Text teilte auch der deutsche „Wachtturm" des
Jahres 1919 (S. 179f.) mal was zum Fall Freytag mit. Allerdings ist weiterhin
festzustellen, vor allem im französischsprachigem Raum, der Schweiz und
Frankreich, wirkte die Freytag-Krise nachhaltig. Weniger im Deutschsprachigem
Raum.
Jedenfalls schrieb genannter WT damals:
„Bekanntmachung
Aufhebung der Vollmacht
Sintemal die Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft, die unter den Gesetzen
des Staates Pennsylvania, Vereinigte Staaten von Nordamerika gegründet ist,
seit mehreren Jahren ein Bureau in Genf, Schweiz unter dem Namen Tour de Garde
Societe de Bibles et Traites unterhalten und Herrn A. Freytag aus Genf
(Schweiz) als Leiter des religiösen Werkes und der Angelegenheiten in Genf
(Schweiz) ernannt und sintemal genannte Wachtturm Bibel und
Traktat-Gesellschaft in ihrem Zweigbureau in Genf (Schweiz) Geschäftsräume
unterhalten hat und noch großen eigenen Kosten unterhält und den Wachtturm
(Tour de Garde) veröffentlicht und verschickt, welcher in der französischen
Sprache erscheint, ferner Bücher und Traktate herausgibt, und das gesamte Werk
unter Leitung des genannten Herrn A. Freytag stand, jedoch unter der direkten
Oberaufsicht genannter amerikanischer Gesellschaft und sintemal genannter
Freytag Untreue gegen die Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft wurde und
verfehlt hat und noch verfehlt, genannte Wachtturm Bibel- und
Traktat-Gesellschaft in ihrem Werke getreu zu repräsentieren, deshalb benutzt
die Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft jetzt ihr gesetzliches Recht und
ihre Vollmacht, um mit Gegenwärtigen die Ernennung des genannten Freytag zu
widerrufen und aufzuheben und entzieht ihm hierdurch alle Rechte und Vollmacht
die Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft in irgend einer Weise zu
vertreten und verlangt, dass es sofort alle Bücher, Papiere,
Veröffentlichungen, Bibeln und andere Einrichtungen welche zurzeit in seinem
Besitze sind, jedoch der Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft gehören,
zusammen der Leitung und der Veröffentlichung des Wachtturms (Tour de Garde)
herausgibt und dem Vertreter der
Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft, Herrn Conrad C. Binkele in Zürich
(Schweiz) dem ordnungsgemäß ernannten und bevollmächtigten Vertreter der
Wachtturm Bibel und Traktat-Gesellschaft aushändigt, und daß dieser das
gesamte Eigentum der Wachtturm Bibel und Traktat-Gesellschaft noch in Genf, in
Besitz nimmt und nach Zürich überführt, zusammen mit dem Wachturm (Tour de
Garde) der Abonnentenliste und allen anderen Papieren Büchern und Dokumenten,
welche dem Büro in Genf (Schweiz) gehören. Das Bureau der Wachtturm Bibel und
Traktat-Gesellschaft in Genf (Schweiz) soll noch dem genannter Herr Binkele
davon Besitz ergriffen hat, geschlossen werden, und alle Waren, alles Eigentum
und alle Sachen, die oben ausführlich angeführt wurden, sollen von der
Wachtturm Bibel und Traktat-Gesellschaft nach Zürich (Schweiz) überführt
werden.
Nochmals zur April-Ausgabe 1925 des „Engels Jehovas" zurückkehrend. In
selbiger verbreitet sich Herr Freytag auch mit der Einschätzung:
„Ich kann also sagen, was mich
anbetrifft, daß die Bibel einen großen Wert für mich hat, sie ist auf meinem
Pfade ein Licht gewesen und meines Fußes Leuchte. Als der Herr mir gab, die
„Göttliche Offenbarung" zu schreiben, war es immer noch mein anbetungswürdiger
herrlicher Meister, welcher mir das Zeugnis mittelst der Bibel gab, mittelst
der Offenbarung:
Du weißt nicht, daß du dich in Laodicäa befindest. Du weißt nicht, daß du arm,
blind, elend und nackt bist. Du siehst also nicht, daß Deine Brüder von
Brooklyn
einen Haufen von Kompromissen machen, und daß wenn man sie fragt, ob sie gegen
den Krieg seien, sie die Heuchelei besitzen, nach Veröffentlichung des siebten
Bandes der Schriftstudien zu erklären, daß sie nicht gegen den Krieg seien, um
sich so aus der Klemme zu ziehen.
Sie haben also die Mörder und die Abscheulichkeiten des Krieges gebilligt, und
sie so mit den Trunkenen gegessen und getrunken, wie die Schrift es erklärt,
als der böse Knecht sagte: Mein Herr zögert zu kommen, und er setzt sich um
mit den Trunkenen zu essen und zu trinken."
Also auch Freytag unterstellt, unter Hinweis auf Band 7 der
„Schriftstudien", dass die WTG-Hörigen in der Kriegsfrage keineswegs
konsequent waren, sondern (wie andere) es mit dem lavieren hielten. Da Freytag
in der Schweiz lebte, selbige nicht aktiv am ersten Weltkrieg beteiligt war,
fiel ihm Kritik dieser Art auch nicht sonderlich schwer. Der „Kelch" ging ja
an ihm selbst vorüber.
Bezüglich der Ausmerzung ursprünglich Kriegsgegenerischer Passagen aus der
Auflage 1918 des „Bandes 7´",
Siehe auch
Schriftstudienhinweis
Re: Thema Wehrdienst
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 15. Juli 2008 20:21
Noch eine relevante Aussage der zeitgenössischen Bibelforscher in
Sachen Wehrdienst.
Und zwar in der in Strehlen (Schlesien) erscheinenden Wochenzeitung „Der
Volksbote" Ausgabe vom 20. Februar 1915.
Auch diese Ausgabe enthielt wieder (wie auch die voran gegangenen Ausgaben)
Standardmäßig eine Predigt von C. T. Russell.
Selbige wurde wie folgt eingeleitet:
"Was ist ein Christ und
welcher Maßstab gilt für ihn? Nach einer Ansprache von C. T. Russell über
den Text: „Fast überredest Du mich, ein Christ zu werden" (Apg. 26, 28)".
Einleitend führt Russell darin aus:
„Die Bibel kennt keine
christliche Nationen und keine christliche Welt. Sie weist dem Christen eine
von der Welt und von allen Nationen abgesonderte Stellung an. Die Christen
sind eine Nation oder ein Volk für sich in dem Sinne, in welcher die Juden
eine Nation oder ein Volk für sich waren."
Dieser Gedankengang zieht sich auch durch seine weiteren Ausführungen
innerhalb dieser Predigt. So verlautbart er im selben Sinne auch weiter
noch:
„Nichts in der Bibel läßt
darauf schließen, daß unsere Zivilisation eine christliche ist, oder daß
Gott je erwartete, daß sie eine christliche sein würde. Gottes Zeit zur
Errettung der Welt aus ihrer Sünde und Schwachheit ist noch nicht gekommen.
Die gegenwärtige Zeit dient lediglich dazu, die Auserwählten zu berufen, sie
zu finden, zu erproben und zu befreien. Die Auserwählten werden nach ihrer
Verherrlichung das Messianische Königreich ausmachen, und sie werden mit
Christo mit Machtvollkommenheit ausgestattet werden, eine geistige
Herrschaft über die ganze Welt auszuüben."
Jedoch hat er dann in dergleichen Predigt auch noch die wörtlichen
Sätze mit eingebaut:
„Ein Christ, der
seiner Dienstpflicht im Heere oder in der Marine genügt, unterwirft sich
damit den obrigkeitlichen Gewalten (Röm. 13:1) und befolgt die Worte des
Meisters in Matth. 5,41: „Wer irgend dich zwingen wird, zu gehen."
Möglicherweise könnte es Gott so fügen, daß seinem Gesuch nicht mit der
Waffe dienen zu brauchen, sondern als Nichtkämpfer im Lazarettdienst
verwendet zu werden, entsprechen würde."
Zu nennen ist auch noch Russells Predigt in der „Volksboten"-Ausgabe
vom 31. Oktober 1914. Letztere hatte er unter das Motto gestellt:
„Bedrängnis der Nationen in
Ratlosigkeit.
„Eine Zeit der Drangsal, desgleichen nicht gewesen ist, seitdem eine Nation
besteht."
Nach einer Ansprache von C. T. Russell über den Text: „Auf der Erde
Bedrängnis der Nationen in Ratlosigkeit, bei brausendem Meer und
Wasserwogen, in dem die Menschen verschmachten vor Furcht und Erwartung der
Dinge, die über den Erdkreis kommen." (Lukas 21, 25-26)."
Und selbige äußert schon in den ersten Sätzen:
„Zu keiner Zeit hat es einen
Krieg gleich dem jetzigen gegeben. Es haben sich eigentümliche Verhältnisse
gebildet, so wie sie die Weltgeschichte bisher noch nicht gekannt hat."
Er lässt es nicht bei dieser eher allgemeinen Feststellung bewenden,
denn nachfolgend betont er ausdrücklich:
„Indem ich meine Bibel mit
klarerem Blick denn früher lese, und alles mit so ganz anderen Augen denn
ehedem ansehe, empfinde ich große Teilnahme für alle Menschen, die über
diesen Gegenstand sich in Verwirrung befinden.
Indem ich die Bibel lese, finde ich, daß Gott eben diesen Krieg vorhergesagt
hat, und er hat auf gerade das hingewiesen, was sich heute ereignet.
Wenn Gott diesen Völkerkrieg vorausgesagt hat, so ist es zwecklos, daß wir
ihn darum bitten, einem Kriege Einhalt zu tun, von dem er vorhergesagt hat,
daß er kommen werde."