Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Acta Pilati

Der 1851 geborene Theologieprofessor Paul W. Schmiedel, veröffentlichte im Jahre 1924, zuerst in der "Neuen Zürcher Zeitung"; danach auch noch in Broschürenform, eine Abhandlung, die er dem Titel gab: "Pilatus über Jesus bei den Ernsten Bibelforschern. Eine Fälschung aufgedeckt".

Geht man diesem Fakt näher auf den Grund, reichen die Wurzeln dessen gar bis ins Jahr 1907 (als einer relevanten Zwischenstation) zurück.

Just im Jahre 1907 veröffentlichte die "Aussicht" einiges dazu (S. 470f.).

In Stichpunkten zur "Aussicht" noch. Der deutsche "Wachtturm" (seit 1896 erscheinend), hatte um die Jahrhundertwende einen Erscheinungsknick. Sein Absatz war nicht so, wie Russell sich das gewünscht hatte. Und zeitweilig sah es so aus, als würde er die deutsche Ausgabe ganz "einschlafen" lassen. Einige Russell-Jünger in der Schweiz, die für Russell auch an der Übersetzung seiner "Schriftstudien" tätig geworden waren, bedauerten das auch. Und sie entschlossen sich, ab Oktober 1902 in das entstandener Vakuum tätig zu werden; mit der Herausgabe ihrer Zeitschrift "Die Aussicht".

Noch in der ersten Auflage des weltbekannten Lexikon's "Die Religion in Geschichte und Gegenwart" (1909 erschienen), wird noch wie Selbstverständlich, beim Bibelforscherthema auch auf "Die Aussicht", als ihnen zugehörig, verwiesen.

Dann aber, ab 1904, entschloss sich Russell wieder "das Geschäft doch lieber alleine machen zu wollen". Ab 1904 war die Herausgabekrise des deutschen "Wachtturms" dauerhaft überwunden.

Allerdings hatte er eben etwas zu spät reagiert. Auch die "Aussicht" erschien einstweilen weiter. Vielfach waren jene die vom Russell'schen Gedankengut beeindruckt waren, Abonnenten beider Zeitschriften ("Zions Wachtturm" und "Die Aussicht"). Der Konkurrenzkampf sollte sich erst in späteren Jahren zugunsten des "Wachtturms" entscheiden. Um 1907 war die Sachlage durchaus noch ungeklärt.

Just in der angegebenen Stelle des Jahrganges 1907 der "Aussicht", leitete deren Redaktion einen "Acta Pilati" überschriebenen Artikel mit der redaktionellen Einleitung ein:

"Aus unserm Leserkreis ist uns kürzlich dieses Schriftstück zugegangen mit der Bitte, dessen Inhalt zu prüfen und wenn dazu geeignet, in der 'Aussicht' erscheinen zu lassen."

Letzterem Anliegen kam die "Aussicht" offenbar nach.

Dieser Hintergrund ist allerdings dem eingangs genannten Theologieprofessor Schmiedel, entgangen. Letzterer stellte darauf ab, dass deutsche Bibelforscher, namentlich der Fritz Christmann zeitweilig (1915) verantwortlicher Redakteur des deutschen "Wachtturms". Das auch Christmann eine eigene Broschüre "Acta Pilati" als Herausgeber herausgebracht hatte. Auf die nun, nahm Schmiedel ganz offenkundig Bezug.

Über diesen Christmann vermag die WTG allerdings nur die dürre Auskunft zu geben:

"Aber nun ist Bruder Binkele, (im ersten Weltkrieg) wie Ihr wissen werdet, nach Amerika zurückgekehrt. Wir möchten die deutschen Geschwister benachrichtigen, daß nunmehr alle Angelegenheiten der Gesellschaft durch ein Komitee von drei Brüdern geregelt werden sollen, und zwar durch die Brüder Ernst Haendeler, Fritz Christmann und Reinhard Blochmann. . . ."

Von Dauer war diese Regelung wohl nicht. Ersichtlich auch an dem, was bereits im Buch "Geschichte der Zeugen Jehovas. Mit Schwerpunkt der deutschen Geschichte", bezüglich Christmann notiert wurde:

"Am 24. Juni 1916 konnte man im 'Volksboten' (Das zweite "Standbein" der frühen Bibelforscher in Deutschland) das nachfolgende Inserat von Christmann lesen: 'Wachtturmleser.

In meinem und der Wachtturmgesellschaft Interesse bitte ich Geldbeträge, die für das Bibelhaus Barmen bestimmt sind, nicht mehr auf mein Postscheckkonto Amt-Cöln Nr. 23377 einzusenden.

Fritz Christmann"

Man begegnet dem Namen Christmann in der deutschen Bibelforschergeschichte auch weiterhin. Insbesondere als Herausgeber der deutschen Varianten der Edgar-Schriften. Zum Beispiel Edgar "Der Sozialismus und die Bibel". Letztere von der WTG schon relativ früh publiziert (1913) und danach nicht mehr, war in späteren Jahren dann allerdings die alleinige Domäne der Christmann und Co.

Noch deutlicher wird seine Rolle, zieht man die frühe deutsche Oppositionsbewegung zur WTG, die "Wahrheitsfreunde-Bewegung" mit in die Betrachtung ein. Wenn auch zeitgenössische kirchliche Apologeten diese "Wahrheitsfreunde" über alle Maßen hochjubelten (getreu deren Motto: "Die Feinde meiner Feinde; sind auch meine Freunde"). So kann dieser Umstand nicht darüber hinwegsehen lassen. Das auch die "Wahrheitsfreunde" kritisch bewertet werden müssen. Und das schon vor 1933 ihnen der "Atem" ausgegangen war.

Bezüglich dieser Gruppierung vielleicht noch ein paar Zitate aus "Geschichte der Zeugen Jehovas ..."

"In Deutschland gaben einige aus diesen Kreisen seit etwa 1923 auch eine Zeitschrift heraus, die sich 'Der Wahrheitsfreund' nannte.

In einer Ausgabe aus dem Jahre 1925 dieses Blattes wurden drei Personen als verantwortliches Redaktionskollegium genannt: Fritz Christmann; Franz Egle und Ewald Vorsteher. Letzterer ist als der Kopf des Unternehmens anzusehen.

Sieht man sich diese Zeitschrift an, kann man sich des Eindruckes eines gewissen rechthaberischen Getues nicht erwehren.

Insonderheit fällt Vorstehers Steckenpferd auf, in Bezug auf 1925 'genauer' zu rechnen und so für ähnliche Erwartungen 1926 zu postulieren. Aus heutiger Sicht drängt sich die zynische Frage auf, wer bei dieser ganzen 1925/26 Rechnerei denn nun den 'Regen' und wer denn nun die 'Traufe' repräsentiert.

Einer aus dem genannten Redaktionskollegium (Egle) zog es denn auch nach einiger Zeit wieder vor, vom Regen in die Traufe zu wechseln. Oder meinetwegen auch von der Traufe in den Regen. Als die drei noch zusammen die Redaktion ihres Blattes betrieben, da gaben sie unter der Überschrift 'In letzter Stunde' auch einen Sonderdruck heraus. Auch er spart nicht an Polemik. Er offenbart aber zugleich, dass eine wirkliche Abnabelung vom WTG-Gedankengut durch Vorsteher nicht erfolgt ist. In seiner Polemik lässt Vorsteher auch mal ein paar frühere Endzeiterwartungen Revue passieren. Er kann es sich nicht verkneifen darzulegen, dass er mit seinem 1926 Datum mehr 'Recht' hätte."

Soviel also zu den Rahmenbedingungen

Nun mag es angebracht sein, etwas dazu zu sagen, was denn nun der genannte Schmiedel in seiner eigens verfassten Broschüre, zum Thema "Acta Pilati" mitzuteilen hat. Dazu nachstehend ein paar Auszüge daraus:

"Das ungewöhnliche Interesse, dass die 'Internationale Vereinigung Ernster Bibelforscher mit ihrer überall verkündigten Lehre auf sich zieht, mit dem nächsten Jahre oder mit einem der nächsten Jahre werde nach den Weissagungen der Bibel die selige Endzeit auf Erden beginnen, wird es rechtfertigen, wenn wir eine Broschüre ein wenig betrachten, die von den Ernsten Bibelforschern in der Schweiz verbreitet wird und in der Buchhandlung zu Barmen in der Rheinprovinz erschienen ist, die auch andere Literatur der Ernsten Bibelforscher ankündigt und vertreibt.

Der Titel lautet: 'Acta Pilati, Prozeß und Hinrichtung von Jesus Christus. Von Prof. Tischendorf, dem Auffinder des Codex Sinaiticus, für echt erklärt', 2. Ausgabe 1919. Verlag von F. Christmann, Barmen, Unterdörnerstraße 76.

Auf Seite 3 steht weiter als Teil der Ueberschrift: 'Amtliches Protokoll von Pontius Pilatus, Statthalter von Judaä, an Tiberius Cäsar in Rom. Eine getreue Abschrift der Protokolle, die unter alten Handschriften im Vatikan zu Rom gefunden wurden. "

An dieser Stelle mag der Text von Schmiedel erst einmal eine Unterbrechung erfahren. Es mag noch mal die genannte "Aussicht" zitiert werden, die in ihrer Einleitung lang und breit, auf die vorgebliche Textgeschichte einging. In der "Aussicht" las man dazu:

"Vorab verschiedenes ... zur Aufklärung, wie die Handschrift gefunden wurde und an die Öffentlichkeit gelangte.

An den geneigten Leser!

Es war im Jahre 1856, während ich in De Witt (Missouri) lebte, daß ein Herr Namens H. C. Whydaman während eines Eistreibens sich einige Tage in meinem Hause aufhielt. Er war ein Deutscher und einer der gelehrtesten Männer, denen ich je begegnete und dabei liebenswürdig und zugänglicher Natur. Während seines Bleibens erzählte er mit, er habe 5 Jahre in Rom verweilt und die meiste Zeit davon im Vatikan, wo er eine Bibliothek gesehen, die 560.000 Bände enthalte, wovon einige mit den ersten erfundenen Druckertypen gedruckt wären. Er sagte mir, daß er die Akten und Protokolle von Tiberius und darunter die sogenannten 'Akta Pilati' gesehen, enthaltend Verhaftung, Prozeß und Hinrichtung des Jesus von Nazareth; er bemerkte aber, daß es nicht viel beitrage zur allgemeinen Lehre des Christentums. Er sagte mir, er denke, daß er eine Abschrift davon erhalten könne.

Nachdem Herr Whydaman fort war, erinnerte ich mich dessen, was er mir betreffend dieser Protokolle gesagt und dachte es wäre sehr interessant, eine solche Abschrift zu bekommen, wenn es auch nichts zur gegenwärtigen Lehre des Christentums beitrage, wäre es doch eine gewisse Bestätigung. Nachdem Herr Whydaman schon einige Monate fort war, suchte ich seine Spur aufzufinden, wie folgender Briefwechsel zeigen wird.

De Witt, Caroll Co. Mo, 22. Sept. 1856

Mr. Henry C. Whydaman, New York City.

Geehrter Herr! Nachdem Sie mein Haus letztes Frühjahr verließen, dachte ich fortwährend über das nach, was Sie mir betreff den Akten von Pilatus mitteilten, welche Sie im Vatikan gelesen, während Sie in Rom waren. Wenn Ihnen gefällig, möchte ich gerne eine Abschrift dieser Protokolle, wenn die Kosten nicht zu hoch sind. Würden Sie sich freundlichst mit einigen Ihrer alten Freunde in Rom, auf welche Sie sich verlassen könnten, in Verbindung setzen und sich womöglich eine Abschrift verschaffen und wenn ja, was würden ungefähr die Kosten sein, eine solche zu beschaffen? Ich wäre Ihnen sehr verbunden und will Sie für Ihre Mühe und Ausgaben gerne bezahlen.

Hochachtend Ihr ergebener

W. D. Mahan.

Mr. W. D. Mahan.

Geehrter Herr! Ihren Brief zu Händen von Herrn Whydaman erhalten. Diene Ihnen zur Nachricht, daß er nach Deutschland zurückgekehrt ist. Ihr Brief wurde ihm nachgeschickt.

Ihr ergebener

C. C. Vaniberger.

Den 2. März 1857.

Rev. W. D. Mahan.

Werter Herr! Mit der freundlichsten Hochachtung gedenke ich Ihrer Gastfreundschaft während meines Aufenthaltes bei Ihnen in Amerika. Sein Sie versichert, daß alles, was irgend ich für Sie tun kann, mir zum großen Vergnügen gereichen wird. Ich habe Pater Freelinhusen geschrieben, einem Mönche von großer Gelehrsamkeit in Rom, welcher Oberaufseher im Vatikan ist. Ich machte das Gesuch in meinem Namen, da ich glaube, sie würden daselbst nicht Willens sein, ein solches Dokument in die Hände des Publikums zu geben. Sobald er antwortet, werde ich Ihnen wieder schreiben.

Ihr gehorsamster Diener

W. C. Whydamann.

Westfalen (Deutschl.), den 27. November 1857.

Rev. W. D. Mahan, De Witt, Mo.

Geehrter Herr! Pater Freelinghufen hat meinem brieflichen Gesuch betreffend der Abschrift, welche Sie wünschen, entsprochen. Er teilt mir mit, daß die Schrift sehr fein sei und in lateinischer Sprache, wie ich Ihnen sagte und das Pergament so alt und schmutzig, daß er genötigt wäre für den größten Teil ein Glas zu gebrauchen. Er kann es mir nur in lateinischer Sprache liefern, weil er nicht englisch versteht. Er will es tun für 35 Darikis, welches in amerikanischer Münze 62,44 Dollar (ca. Fr. 320) beträgt. Wenn Sie diesen Betrag schicken wollen, werde ich das Dokument meinem Schwager C. E. Vaniberger senden, er wird es für eine Kleinigkeit ins englische übersetzen.

Hochachtungsvoll Ihr C. Whydaman.

Chluicothe Mo, den 8. Februar 1858.

Mr. H. C. Whyhaman.

Werter Herr! Besten Dank für Ihre Güte und seien Sie versichert, wenn ich Erfolg habe, werde ich mich Ihnen gegenüber immer verpflichtet fühlen für ihre Mühe. Einschließend eine Anweisung an die ausländische Wechselbank in New-York für 62,44 Dollar. Lassen Sie die Arbeit gefälligst machen und bitten Sie Pater Freelinhusen um eine getreue Abschrift des Originals. Senden Sie dieselbe an H. Vaniberger zum übersetzen und ich werde dafür bezahlen. Er hat meine Adresse

Ihr ergebener W. D. Mahan.."

Danach folgen noch ein paar weitere Briefauszüge über den technischen Ablauf der Sache. Aus diesem Bericht wird deutlich, dass über amerikanische Kreise, das ganze auch auf die deutschsprachigen Bibelforscher in der Schweiz und Deutschland "übergeschwappt" ist.

Nun wieder zu dem Theologieprofessor Schmiedel und seinem Votum in der Sache zurückkehrend. Letzterer schreibt weiter:

"Hier ist nun schon das erste eine bare Unmöglichkeit. Wäre eine so unvergleichliche Geschichtsquelle wie die Akten und Protokolle des Kaisers Tiberius in Rom seit Mitte des vorigen Jahrhunderts zugänglich, so hätten sich die Forscher längst darauf gestürzt und sie wäre aller Welt bekannt. Statt dessen erfahren wir das erste Wort über sie durch unsere Broschüre."

Weiter meint Schmiedel:

"Wir besitzen aus alter Zeit einen anerkanntermaßen gefälschten 'Brief des Pilatus' über Jesus, gefälscht schon deshalb, weil er an den Kaiser Claudius gerichtet ist, der die Regierung erst im Jahre 37 antrat, während Pilatus nur bis 36 Statthalter war."

Zum inhaltlichem meint Schmiedel:

"Nun soll doch aber der ganze Bericht des Pilatus nicht bloß zur Bestätigung der Evangelien im allgemeinen, sondern sogar zum Beweis dafür dienen, daß jedes Wort der ganzen Bibel genau so, wie es im Urtext lautet vom heiligen Geist eingegeben sei."

Zum inhaltlichen dieser Christmann-Broschüre wurde schon einmal rekapituliert:

"Was den eigentlichen Text der von Christmann abgedruckten Acta Pilati an Tiberius Cäsar, Kaiser in Rom anbelangt, so ist es dem unbefangenen Beobachter klar, dass es sich hier um eines der üblichen legendenhaften Märchen ohne wissenschaftliche Bedeutung handelt. Dazu zur Veranschaulichung eine Kostprobe:

'Als ich (Pilatus) eines Tages beim Platze von Siloae vorbeiging, sah ich daselbst ein großes Gedränge von Leuten. Ich entdeckte in der Mitte einer Gruppe einen jungen Mann, der gegen einen Baum sich lehnend, ruhig und sanft zur Menge sprach. Es wurde mir gesagt, dies wäre Jesus von Nazareth. Das konnte ich leicht genug erraten, so groß war der Unterschied zwischen ihm und seinen Zuhörern. Ein goldenfarbiges Haar und Bart gaben seiner Erscheinung ein himmlisches Aussehen.'

Auf den legendenhaften Charakter kommt auch Schmiedel zu sprechen, wenn er bezüglich des zweiten Broschürenteiles anmerkt:

"Daß dies der Zweck der Broschüre ist, zeigt ihr zweiter Teil, der nicht mehr von Pilatus handelt, sondern die Überschrift trägt: 'Eine harte Nuß für Leugner der göttlichen Eingebung (Inspiration) der Schrift. ... den Inhalt bilden Berechnungen von Iwan Panin, durch sieben seien teilbar die Zahl der Wörter und ebenso der Buchstaben in Matth. 1, 1-11, die Summe der Zahlenwerte, welche den Buchstaben in Matth. 1, 1-17 entsprechen, wenn man sie als Zahlzeichen betrachtet, ferner die Zahl der Wörter des griechischen Lexikons, die in Matth. 28 benutzt werden und in Kapitel 1 - 27 nicht, oder im ganzen Matthäusevangelium und im übrigen Neuen Testament nicht, usw. usw.

... Das könne nur durch Inspiration, also durch wörtliches Diktat des heiligen Geistes so geworden sein.

Welche würdige Beschäftigung für ihn, beim Diktieren fortwährend darauf zu achten, das alles auf Teilbarkeit durch sieben herauskam!

Übrigens verrät uns Panin nicht, an welchen Abschnitten er seine Kunst vergeblich probiert hat."

Zu dem mit als Galionsfigur benutzten Tischendorf, merkt Schmiedel noch mit an:

"Nun aber Tischendorf! Der hochberühmte Tischendorf hat doch laut des Titelblatts unserer Broschüre die Akten des Pilatus für echt erklärt. Die in der Broschüre abgedruckten. Die hat er gar nicht gekannt; sonst hätte er sie ebenso selbstverständlich wie die anderen herausgegeben. Er hat nämlich in seinem Evangelica apocrypha 1853 und noch vollkommener in der zweiten Auflage von 1876 alles nach den besten Quellen herausgegeben, was von Akten des Pilatus erreichbar war.

Das sind nun aber ganz andere Akten des Pilatus, griechisch nicht lateinisch, obendrein mit der Angabe sie seien aus dem Hebräischen ins Griechische übersetzt. Erklärt denn nun aber Tischendorf auch nur diese Akten des Pilatus für echt? Er hält es für ausgemacht, dass sie von einem Christen nicht zu lange nach der apostolischen Zeit als ein Werk frommen Betrugs verfasst seien. Also, wo hat nun Tischendorf etwas von den Akten des Pilatus für echt erklärt?"

Man geht wohl nicht fehl in dem Urteil. Der erste Teil der Christmann-Broschüre dient nur dazu, mittels berühmter Namen ein Ehrfurchtsgefühl zu erwirken. Eigentlich geht es Christmann doch nur darum seine Panin-Thesen wirkungsvoll zu verkaufen.

Auch daraus noch einige Zitate:

'So ist nun auch bereits seit einer Reihe von Jahren ein der großen theologischen Welt ganz unbekannter, treuer Liebhaber des göttlichen Wortes, Iwan Panin, im stillen an der mühevollen Arbeit gewesen, aus dem äußeren Aufbau der einzelnen Bausteine und Stückchen, d. h. den einzelnen Buchstaben, Wörtern, Sätze, Abschnitte und Büchern der Bibel beider Testamente herauszureihen, dass diesem ganzen Wunderbau ein großer einheitlicher Bauplan eines unfehlbaren. göttlichen Geistes zugrunde liegen, der in seiner buchstäblichen Konstruktion den unwiderleglichen Beweis seines göttlichen Herkommens bis in die letzten Kleinigkeiten an sich trage.'

Dann referiert Christmann diesen Panin mit den Worten:

"Die 17 ersten Verse des Neuen Testamentes enthalten das Geschlechtsregister Jesu Christi. Es werden in den ersten 11 Versen im ganzen 49 verschiedene Wörter gebraucht, dass sind 7 x 7, oder sieben Zeiten. Daraus erhellt, dass diese Genealogie aufgebaut ist auf einem kunstvollen Plan von siebenen. Unter all den Hunderten von Abschnitten im Evangelium des Matthäus ist nun aber nicht ein einziger, der nicht dieselben auffallenden Merkmale an sich trägt."

Dieses Beispiel beleuchtet wie kein zweites schlaglichtartig, in welchem Umfeld die frühe Bibelforscherbewegung anzusiedeln ist. Die Tatsache, dass die Wachtturmgesellschaft sich später in nur halbherziger Weise von Christmann absetzte, ändert nichts daran.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass man bei den Bibelforschern apokalyptischen Berechnungen en gro begegnet. Es wird aber zugleich deutlich, dass ihr philosophisch-weltanschauliches Grundgerüst, einer ernsthaften Diskussion nicht wert ist.

Zwischen ihren Theorien und denen eines Astrologen oder eines Kaffeeesatzlesers, besteht kein qualitativer Unterschied.

Diese Organisation hat nur insofern Glück gehabt, dass sie als indirekter Nutznießer der großen Krisen unseres Jahrhunderts (der beiden Weltkriege) usw. agieren kann. Und niemand kann garantieren, dass es nicht weitere Krisen dieser Art gibt und geben wird. Davon lebt Religion, solange es Menschen gibt!

Exkurs:

Nach eigenen Angaben entstand die seit Herbst 1902 in Thun (Schweiz) erscheinende Zeitschrift "Die Aussicht" deshalb, dieweil der deutsche "Zions Wachtturm" zu jener Zeit einen nicht zu übersehenden Schwächeanfall erlitten hatte. Russell war zu jener Zeit nahe daran, den deutschen WT einschlafen zu lassen. Erschienen ist er zu jener Zeit ohnehin nicht mehr.

Zur "Aussicht" kann man auch vergleichen
Bitterer Rückblick

Als nun Schweizer Kreise begannen, die "Aussicht" zu starten, war er dann in der Tat hochgeschreckt und revidierte seine Politik. Das nur die "Aussicht" Sprachrohr seiner Deutschsprachigen Jünger werden würde, wollte er doch nun nicht zugestehen.

Im Vorfeld des Beginnes der "Aussicht" hatten deren Macher durchaus bei Russell sondiert, ob sie denn nun den Namen "Zions Wachtturm" weiterführen dürften. Nur eben in eigener redaktioneller und wirtschaftlicher Verantwortung. Dazu bekamen sie aus Pittsburgh ein knallhartes Nein zu hören.

Nur dann, wenn sie sich ausdrücklich verpflichten, nur Übersetzungen des englischen "Zion's Wachtower" und sonst nichts zu bringen, sei das möglich.

Jene Kreise welche dann die "Aussicht" herausbrachten, sind in organisatorischer Hinsicht keineswegs mit den heutigen Zeugen Jehovas vergleichbar. Das war durchaus ein "loser Haufen". Was sie zusammenhielt, war die Wertschätzung für Russells "Schriftstudien" und die darin ausgebreiteten Thesen.

Ergo wurde der Entschluss gefasst.
Die gestellte Bedingung aus Pittsburgh könne man nicht annehmen, man wolle aber freundschaftlich verbunden bleiben, und dokumentierte dies auch durch die Übernahme diverser Watchtower-Artikel in deutscher Übersetzung.

Etwa 1904 begann Russell seine ursprüngliche 1910-These zu revidieren.
Dazu kann man auch vergleichen
Rückblick auf das Jahr 1910
Dort: 1910 zu den Akten gelegt
Darüber war man auch in "Aussichts-Kreisen etwas konsterniert. Wortführer dabei ein gewisser J. Brenner, Buchdrucker seines Zeichens. Von ihm veröfffentlichte nun die "Aussicht" im August 1904 einen Artikel, der diese Konsterniertheit gegenüber Russell zum Ausdruck brachte. Im eigenen redaktionellen Geleitwort zu diesem Artikel findet sich auch der Satz:

"Uns selbst hat diese Rechnung sehr interessiert, der in Br. R(ussell).s Zeitrechnung enthaltene Fehler scheint fast auf der Hand zu liegen"

Tenor desselben. Wenn die 1910-These nun auf den Müllhaufen geworfen wird. Wer garantiert, dass sich Russell's übrige Thesen, insbesondere die für 1914, nicht ebenfalls als "Müll" erweisen?!

Da jene Kreise nicht nur Russell-Literatur lasen sondern sich auch andernorts "sachkundig" machten, entging es ihnen nicht, dass insbesondere Russell's 606 v. Chr.-Datum, auf ziemlich wackligen Füßen steht.

Zwar bekam Russell auch in der "Aussicht" die Chance zur Gegendarstellung. Allein liest man seine Ausführungen aufmerksam, zieht er sich auf die Grundthese zurück.
Seine Endzeitthesen seien quasi ein aus vielen Mosaiksteinchen zusammengesetztes "Kunstwerk". Die Entfernung nur eines kleinen Mosaiksteinchens bedeute zugleich, das gesamte "Kunstwerk" bricht zusammen. Das könne und wolle er natürlich nicht zugestehen. Da überdies das Datum 1914 noch in der Zukunft läge, solle man halt "abwarten und dann Tee trinken".

Damit waren denn Russell's Kritiker im "Aussichtskreis" einstweilen paralysiert.

Noch war es also nicht soweit, dass man deswegen "das Tischtuch" zerschnitt.

Etwa 1909 erreichte auch die "Aussicht"-Kreise eine Meldung aus dem fernen Australien. Dort residierte als Russell's Statthalter (nachdem er sich analoge Sporen davor schon in Deutschland und Großbritannien erworben), Russells Schwiegersohn, E. C. Henninges, als dortiger WTG-Häuptling (Ehemann von Russell's Stieftochter Rose Ball).

Aus meiner Sicht ist das, was dieser Henninges nun vortrug, billiges theologisches "Hinterhofkeller-Gezänk". Wer da nun recht oder nicht recht hatte, wissen die "Götter" (und die wissen es wahrscheinlich auch heute noch nicht).
Jedenfalls hatte dieser theologische Disput Folgen. Aus Pittsburgh kam dazu nur ein entschiedenes "Unterwerfen - aber keine Diskussion" herüber.

Solcherart in die Enge gedrängt, machte Henninges das Spiel nicht mit. Wenn also Pittsburgh fordert "Entweder - oder", dann entschied sich Henninges für das "Oder". Mit anderen Worten. Er machte nun seinen von der WTG unabhängigen Laden auf.

Die Kenntnis dieses Schisma gelangte auch in die Schweiz. Und in gewisser Hinsicht war das nun auch für die "Aussichts"-Kreise eine Art Initialzündung, nun auch ihrerseits über das "Zerschneiden des Tischtuches", näher nachzudenken.

An dieser Stelle mag dieser Rückblick abgebrochen werden. Bevor es zu diesem Schisma auch der "Aussichts"Kreise kam, hatten selbige schon einmal im besonderem Furore gemacht. Hatten sie doch einen merkwürdigen Text ("Aussicht" August 1907) einmal veröffentlicht, welcher vorgab, ein Lobgsang auf Jesus zu sein. In der "Aussichts"-Ausgabe vom Mai 1910, wurde dann in der Form einer Kurznotiz, erneut die Werbetrommel für jenen dubiosen Text gerührt. Im "Wachtturm" jedenfalls ist ihnen in der Sache keineswegs widersprochen worden. Wohl aber von "gestandener Theologenseite".

Ohne die in der "Aussicht" dargestellte abenteuerliche Übermittlungsgeschichte, sei dieser Text einmal kommentarlos vorgestellt. Kommentarlos deshalb, weil ich seine Diktion keineswegs teile. Aber bilde sich jeder sein eigenes Urteil dazu:

"Akta Pilati"
an Tiberius Cäsar, Kaiser in Rom.
Edler Herrscher, Gruß!
Die Vorfälle letzter Tage in meiner Provinz waren solcher Art, daß ich dachte, die Einzelheiten zu berichten, wie sie sich zutrugen. Ich würde nicht überrascht sein, wenn im Laufe der Zeit dieselben das Schicksal unserer Nation ändern würden. Es scheint, als ob die Götter kürzlich aufhörten, uns gnädig zu sein. Beinahe bin ich versucht zu sagen, verflucht sei der Tag, an dem ich Valerius Flacus in der Regierung Gelingen gab. Bei meiner Ankunft in Jerusalem nahm ich Besitz vom Prätorium und befahl, ein köstliches Mahl zu bereiten, zu welchem ich die Vornehmen in Galiläa, den Hohepriester und sein Gefolge einlud. Zur festgesetzten Stunde erschien aber nicht einer der Geladenen. Dies war eine Beschimpfung meiner Würde.

Nach einigen Tagen geruhte der Hohenpriester, mir einen Besuch zu machen. Sein Benehmen war feierlich ernst, aber höhnisch. Er gab vor, daß ihm und seinen Leuten verboten sei, am Tische eines Römers zu sitzen, wegen ihrer Religion. Ich dachte es wäre schicklich, seine Entschuldigung anzunehmen. Aber von diesem Augenblick an war ich überzeugt, daß sich die Besiegten als Feinde der Eroberer erklären.

Es scheint mir, daß von allen eroberten Städten Jerusalem am schwierigsten zu regieren ist. Das Volk war so unruhig, daß ich jeden Augenblick eine Empörung befürchtete. Dieselbe zu unterdrücken, hatte ich nur ein einziges Centurian, eine Handvoll alte Soldaten. Ich ersuchte den Präfekten von Syrten um Verstärkung, worauf er mir mitteilte, daß er selbst schwerlich genug Truppen habe, um seine eigene Provinz zu verteidigen. - Ein unauslöschlicher Eroberungsdurst für unseres Kaiserreiches Ausbreitung, übers Vermögen, die eroberten Gebiete dann auch zu behaupten und zu verteidigen, ist, fürchte ich, der Sturz unserer edlen Regierung. -

Unter den verschiedenen Gerüchten, welche mir zu Ohren kamen, weckte namentlich eines meine Aufmerksamkeit. Ein junger Mann, wurde mir gesagt, erschien in Galiläa und predigte in vornehmer Ausdrucksweise eine neue Lehre im Namen Gottes, welcher ihn gesandt habe. Zuerst war ich beunruhigt, daß seine Predigten das Volk gegen die Römer aufhetzen, aber bald verlor ich diese Befürchtung. Jesus von Nazareth sprach eher als Freund der Römer, als der Juden.

'Als ich (Pilatus) eines Tages beim Platze von Siloae vorbeiging, sah ich daselbst ein großes Gedränge von Leuten. Ich entdeckte in der Mitte einer Gruppe einen jungen Mann, der gegen einen Baum sich lehnend, ruhig und sanft zur Menge sprach. Es wurde mir gesagt, dies wäre Jesus von Nazareth. Das konnte ich leicht genug erraten, so groß war der Unterschied zwischen ihm und seinen Zuhörern. Ein goldenfarbiges Haar und Bart gaben seiner Erscheinung ein himmlisches Aussehen. Er schien ungefähr 30 Jahre alt. Nie sah ich so süße, ruhige heitere Gesichtszüge. Welch ein großer Unterschied zwischen ihm und seinen Hörern mit ihren schwarzen Bärten und gebräunter Haut.

Nicht willens, ihn durch meine Gegenwart zu stören, ging ich meines Weges, bedeutete aber meinem Sekretär, sich der Gruppe anzuschließen und zu horchen. Mein Sekretär hieß Maulius. Er war ein Enkel des Hauptverschwörers, welcher in Eturia lagerte, Catiline erwartend. Maulius war ein alter Einwohner Judäas und kannte die hebräische Sprache wohl. Er war mir ergeben und meines Vertrauens würdig. Ins Pretorium eintretend traf ich Maulius, der mir die Rede, welche Jesus bei Siloe gehalten, wiederholte. Nie habe ich im Pettico noch in den Philosofen etwas gelesen, was sich mit den Grundsätzen von Jesus vergleichen ließe.

Einer der zahlreichen aufrührerischen Juden in Jerusalem fragte ihn, ob es gesetzlich richtig sei, dem Kaiser Tribut zu geben. Jesus antwortete: Gieb dem Kaiser was dem Kaiser gehört und Gott was Gott gehört. Es war in Anbetracht seiner Weisheit in seinen Reden, daß ich dem Nazarener so viel Freiheit gewährte. Es lag ja in meiner Macht, ihn zu verhaften und nach Pontus zu verbannen, aber dieses wäre ein Verstoß gegen die Gerechtigkeit, welche die Römer immer auszeichnete. Dieser Mann war weder ein Aufständiger noch ein Verführer. Ich gewährte ihm Gunst und Schutz, vielleicht ohne daß er es wußte.

Er hatte Freiheit zu handeln, zu sprechen, zu versammeln, aus dem Volke Schüler zu erwählen, unbeschränkt durch irgend eine prätorianische Verweisung. Sollte es jemals geschehen, sage ich, daß die Religion unserer Väter von der Religion Jesu verdrängt würde, was die Götter verhindern mögen, so wird es auf Grund dieser edlen Duldung sein, daß Rom ihre früheste Entwicklung förderte, während ich elende Kreatur das Werk dessen war, was die Hebräer Vorsehung nennen und wir Schicksal. Aber diese unbedingte Freiheit, welche Jesus bewilligt wurde, reizte die Juden, nicht zwar die Armen, aber die Reichen und Mächtigen.

Es ist wahr, daß Jesus streng gegen die letzteren war. Es geschah meiner Meinung nach aus politischen Gründen, daß ich die Freiheit des Nazarener nicht beschränkte. Schriftgelehrte und Pharisäer, würde er ihnen sagen: Ihr seit eine Brut von Vipern, ihr gleicht bemalten Grüften. Zu andern Malen würde er hohnlächeln über die Almosen der Angesehenen, ihnen sagend, daß die kleine Gabe der Witwe köstlicher ist in den Augen Gottes.

Täglich wurden neue Beschwerden über erlittene Beschimpfungen durch Jesus im Prätorium vorgebracht. Ebenso wurde ich benachrichtigt, daß ihm ein Unglück widerfahren könnte, daß es nicht das erste Mal wäre, daß Jerusalem diejenigen gesteinigt hätte, welche sich Propheten nannten und wenn das Prätorium Gerechtigkeit verweigerte, würde beim Kaiser Beschwerde eingereicht. Trotzdem wurde meine Haltung durch den Senat gutgeheißen und mir nach Beendigung des persischen Krieges Verstärkung versprochen. Zu schwach, einen Aufstand niederzuwerfen, entschloß ich mich, Maßnahmen zu treffen, welche die Ruhe in der Stadt herzustellen versprachen, ohne das Prätorium einer entwürdigenden Schwäche oder Nachgiebigkeit auszusetzen.

Ich erbat von Jesus schriftliche eine Unterredung im Prätorium. Er kam. Sie wissen, daß in meinen Adern spanisches, vermischt mit römischen Blut fließt, unfähig, kindische Gemütsbewegung oder Furcht zu empfinden. Als der Nazarener kam, wandelte ich in meinem Bafilie, als meine Füße wie mit eiserner Hand auf das Mormorpflaster geheftet schienen; ich zitterte an allen Gliedern, wie ein schuldiger Verbrecher; doch war er ruhig, der Nazarener, und sanft wie die Unschuld. Er kam mir nahe und mit einer Geberde schien er mir zu sagen, ich bin hier. Eine Weile betrachtete ich mit Bewunderung und Ehrfurcht dieses schöne, außergewöhnliche Bild eines Mannes; ein Bild eines Mannes, unbekannt unsern vielen Malern, welche unsern Göttern und Helden Form und Gestalt geben.

"Jesus", sagte ich endlich und meine Zunge stammelte, ich habe dir die letzten 3 Jahre unbegrenzte Freiheit der Rede zugestanden und bereue es nicht, Deine Worte sind wie die eines Weisen. Ich weiß nicht, ob du entweder Sokrates oder Plato gelesen hast. Aber dieses weiß ich, daß in deinen Gesprächen eine majestätische Einfachheit ist, welche dich weit über diese Philosophen erhebt. Der Kaiser ist davon unterrichtet und ich, sein geringer Diener in diesem Land bin glücklich, dir diese Freiheit gewährt zu haben, welcher du so würdig bist. Dennoch darf ich dir nicht verhehlen, daß die durch deine Reden mächtige eingefleischte Feinde erwuchsen. Sokrates hatte seine Feinde und er fiel als Opfer ihres Hasses. Die deinigen sind doppelt erbittert gegen dich, wegen deinen Reden gegen sie und über mich sind sie böse wegen der dir gewährten ausgedehnten Freiheiten. Diese eben klagen mich an, mit dir in geheimer Verbindung zu stehen, zum Zwecke, die Hebräer ihrer kleinen bürgerlichen Rechte zu berauben, welche Rom ihnen noch gelassen. Meine Bitte (ich sage nicht mein Befehl) ist, daß du in Zukunft umsichtiger bist und milder hinsichtlich der Erweckung des Stolzes deiner Feinde. Zuletzt wiegeln sie die dumme Bevölkerung gegen dich auf und zwingen mich, die Werkzeuge des Richters anzuwenden.

Der Nazarener erwiderte Pilato ruhig:
"Fürst der Erde, deine Worte sind nicht von wahrer Weisheit, Sage zum Sturzbach: stehe still inmitten deiner Bergesheimat, damit du nicht die Bäume des Tales entwurzelst. Der Sturzbach wird dir antworten, daß er den Gesetzen des Schöpfers folgen muß. Gott allein weiß, wohin der Sturzbach fließt. Wahrlich, ich sage dir, bevor die Rose von Scharon blüht, soll das Blut des Gerechten vergossen sein." Dein Blut soll nicht vergossen werden, antwortete ich mit Gemütsbewegung. Du bist kostbarer in meiner Hochachtung wegen deiner Weisheit als alle die rebellischen und stolzen Pharisäer, welche die Freiheit mißbrauchen, welche die Römer ihnen beließen, sich verschwören gegen den Kaiser und legen unsere Güte als Furcht aus. Die frechen Schufte sind es nicht gewahr, daß der Wolf der Tberia sich zuweilen in Schafspelz kleidet. Ich werde dich schützen gegen sie. Mein Prätorium ist dir als Zufluchtsort offen. Es ist ein geheiligter Ort.

Jesus schüttelte sorglos sein Haupt und sagte mit einer Anmut und göttlichem Lächeln, wenn dieser Tag kommen wird, dann ist keine Stätte für den Sohn des Menschen, weder auf noch unter der Erde. Die Zuflucht des Gerechten ist dort oben, indem er zum Himmel zeigte. Das was in den Büchern der Propheten geschrieben steht, muß erfüllt werden.

"Junger Mann" sagte ich milde, du nötigst mich, meine Bitte in einen Befehl zu kleiden, die Sicherheit der Provinz, welche meiner Hut anvertraut, erfordert es. Du mußt mehr Mäßigung beobachten in deiner Rede. Übertritt nicht meine Befehle, die du kennst. Möge das Glück dich behüten. Lebe wohl!

Fürst der Erde, erwiderte Jesus, ich bin nicht gekommen, Krieg auf die Erde zu bringen, sondern Friede, Liebe und Wohltun. Ich bin am selbigen Tage geboren, an welchem Augustus Cäsar der römischen Welt Friede gab. Verfolgung kommt nicht von dir, ich erwarte sie von andern und werde ihr begegnen in Gehorsam, nach dem Willen meines Vaters, welcher mir den Weg gezeigt hat. Halte daher zurück deine weltliche Klugheit. Es ist nicht in deiner Macht, das Opfer an der Schwelle des "Tempels der Versöhnung" zu verhaften. Dies sagend verschwand er wie ein leuchtender Schatten hinter den Vorhängen des Basile.

Die Feinde Jesu gelangten bald darauf mit einer Adresse zu Herodes, welcher derzeit in Galiläa regierte, um sich Rache zu verschaffen am Nazarener. Hätte Herodes seiner eigenen Neigung gefolgt, er hätte Jesus sofort hinrichten lassen. Aber stolz auf seine königliche Würde fürchtete er sich eine Tat zu begehen, welche sein Ansehen beim Senate vermindern könnte. Herodes kam eines Tages zu mir ins Pretorium und sich nach unbedeutender Unterredung anschickend zu gehen, fragte er mich, was meine Meinung sei betreffend Jesus. Ich erwiderte, daß mir Jesus als einer der größten Propheten erscheine, welche große Nationen zuweilen erzeugen. Daß seine Lehren keineswegs gotteslästerlich seien und die Absicht Roms wäre, ihm volle Redefreiheit zu lassen, welches seine Handlungen auch rechtfertige. Herodes lächelte boshaft und ironisch grüßend verließ er mich.

Das große Fest der Juden war nahe und es war beabsichtigt, sich diese Gelegenheit zu Nutzen zu ziehen, bei dem allgemeinen Frohlocken, welches sich immer zeigt bei den Feierlichkeiten eines Passahfestes. Die Stadt war erfüllt mit einer Menge, welche den Tod des Nazareners verlangte. Meine Kundschafter berichteten mir, daß der Schatz des Tempels verwendet worden sei, um das Volk zu bestechen. Die Gefahr wurde drückend. Ein römisches Centurion wurde beschimpft. Ich schrieb dem Präfekt von Syrien, mir 100 Fußtruppen und ebenso viele Berittene zu schicken, er lehnte ab. Ich sah mich selbst, mit einer Hand voll Veteranen, zu schwach, um den Aufruhr zu unterdrücken und keine Wahl blieb übrig, als sie gewähren zu lassen.

Sie brachten Jesus gefangen und der aufrüherische Pöbel, vom Prätorium nichts befürchtend, glaubte mit ihren Führern, daß ich noch winke zu ihrem Tun und brüllten immerfort: "Kreuzige, kreuzige ihn". Drei mächtige Parteien hatten sich gegen Jesus vereinigt, erstens die Herodianer und die Saduzäer, deren aufrührerische Haltung aus doppelten Beweggründen entsprang. Sie haßten den Nazarener und sind des römischen Jochs überdrüssig. Sie konnten mir nie verzeihen, daß ich in die heilige Stadt einzog mit Bannern, welche das römische Wappen trugen und obgleich ich in dieser Beziehung einen fatalen Fehler beging, erschien ihnen die Gotteslästerung weit weniger abscheulich. Ein anderer Groll war in ihrem Busen entzündet. Ich schlug nämlich vor, einen Teil des Tempelschatzes für das allgemeine Wohl, zur Errichtung von Gebäuden zu verwenden. Mein Vorschlag machte finstere Gesichter.

Die dritte Partei, die Pharisäer, waren die erklärten Feinde von Jesus. Sie ertrugen mit Bitterkeit die strengen Vorwürfe, welche der Nazarener drei Jahre lang gegen sie schleuderte, wo immer er hinging. Zu schwach und feige, selbst zu handeln, enthielten sie sich der Streitereien der Saduzäer und Herodianer. Neben diesen drei Parteien hatte ich gegen die gewissenlose und ruchlose Bevölkerung zu kämpfen, welche immer bereit ist, sich einem Aufstand anzuschließen, um aus der Unordnung und Verwirrung, welche daraus entstehe, zu gewinnen. Jesus wurde vor den Hohenpriester geschleppt und zum Tode verurteilt. Es war dann, daß der Hohepriester Calaphas eine spottende Handlung von Unterwürfigkeit ausführte. Er sandte seinen Gefangenen zu mir, sein Urteil zu bestätigen und die Hinrichtung von Jesus zu erwirken. Ich antworte ihm, daß, weil Jesus ein Galiläer sei, die Angelegenheit vor des Herodes Gerichtsbarkeit gehöre. Der listige Schleicher heuchelte Unterwürfigkeit und beteuerte, er ziehe vor, die Sache dem Statthalter des Kaisers zu überlassen. Er übergab also das Schicksal des Mannes in meine Hand. Bald hatte mein Palast das Aussehen einer belagerten Burg. Jeden Aufenblick nahm die Zahl der Aufständigen zu, Jerusalem war überfutet mit Volkshaufen aus den Gebirgen und von Nazareth. Ganz Judäa schien in die heilige Stadt zu strömen. -

Ich hatte ein Weib genommen, ein Mädchen von den Gauls, welche sagte, sie könne in die Zukunft sehen. Weinend warf sie sich mir zu Füßen und schrie: "hüte dich", siehe zu, berühre den Mann nicht, denn er ist heilig. Letzte Nacht sah ich ihn in einer Vision. Er ging auf den Wassern, er flog auf den Flügeln des Windes, er sprach zum Ungewitter, zu den Fischen des Sees, alles war ihm untertan und gehorchte ihm. Siehe! Der Gießbach am Berge Kidron fließt mit Blut, die Standbilder des Kaisers sind in Dunkel gehüllt. Die Säulen des Interiums sind gewichen und die Sonne in Trauer gehüllt, wie eine Vestalin in der Gruft. O! Pilatús, Übles erwartet dich, wenn du nicht auf die Bitte deines Weibes hörst. Drohe mit dem Fluch des römischen Senates und mit den Streitkräften des Kaisers. Während sie sprach, ächzte die Marmortreppe unter dem Gewicht der Menschenmenge.
Der Nazarener wurde mir zurückgebracht. Ich ging, gefolgt von meiner Garbe, nach der Gerichtshalle und fragte das Volk in strengem Tone: Was ist euer Begehr? Antwort: der Tod des Nazareners! Für welches Verbrechen? - Er hat Gott gelästert, er hat den Untergang des Tempels prophezeit, und nennt sich selbst der Sohn Gottes, "Messiah", König der Juden! Hierauf erwiderte ich: Römisches Recht bestraft diese Beschuldigung nicht mit dem Tod; aber: "Kreuzige ihn, kreuzige ihn", brüllte der unnachgibige Pöbel.

Das Geschrei der sinnlosen Menge erschütterte den Palast bis auf die Grundfesten. Da war nur einer, welcher ruhig schien in der großen Menge; es war der Nazarener. Nach vielen fruchtlosen Versuchen, ihn vor der Wut der erbarmungslosen Verfolger zu schützen, ergriff ich in diesem Augenblick eine Maßnahme, welche mir das einzige Mittel schien, sein Leben zu retten. Ich befahl ihn zu geißeln. Dann ein Waschbecken verlangend, wusch ich meine Hände in Gegenwart der Menge, damit meine Mißbilligung zu dieser Tat bekundend. Aber vergebens. Es war sein Leben, nach dem die Elenden dürsteten.

Oft in unsern bürgerlichen Vorkommnissen habe ich die Leidenschaftlichkeit der Menge mit angesehen. Aber nichts konnte mit diesem gegenwärtigen Ausbruch verglichen werden. Es möchte wahrhaftig gesagt werden, daß bei dieser Gelegenheit alle Schreckgestalten des Hades in Jerusalem versammelt waren. Der Haufe schien nicht zu gehen, sondern zu schweben und sich zu drehen wie in einem Wirbel, daherrollend wie lebendige Wellen, vom Portal des Prätoriums bis zum Berge Zion, rufend, schreiend, brüllend, wie solches nie gehört wurde, selbst in den Aufständen von Panonia, nach beim Getümmel im Forum.

Um die sechste Stunde dämmerte es und dunkelte wie im Winter, wie beim Tode des großen Julius Cäsar. Es war gleich der Finsternis im März. Ich, der Statthalter einer aufrührerischen Provinz, lehnte gegen eine Säule im Basilik, ängstlich die schreckliche Dunkelheit betrachtend. Diese Teufel von Barbaren hatten den unschuldigen Nazarener zur Hinrichtung geschleppt. Alles um mich her war wie ausgestorben. Jerusalem hatte seine Bewohner ausgespien, durch die Pforte des Begräbnisses, welche zur Schädelstätte führte. Eine Luft der Oede und Traurigkeit umhüllte mich. Meine Leibwache hatte sich den Berittenen und dem Centurion angeschlossen, um einen Schatten von Macht zu entfalten und bestrebt, Ordnung zu halten. Ich war allein gelassen und mein brechendes Herz ermahnte mich, was im gegenwärtigen Augenblick geschah, welcher eher zu der Geschichte der Götter gehörte als zu der der Menschen.

Ein lautes Geschrei wurde von Golgatha her vernommen, welches, getragen vom Winde, einen Todeskampf anzukündigen schien, welches sterbliche Ohren nie gehört. Dunkle Wolken ließen sich auf der Zinne des Tempels nieder und verbreiteten sich über die Stadt, alles wie mit einem dunklen Schleier verhüllend. So schrecklich waren die Zeichen am Himmel und auf der Erde, daß die Seherin (Areopagitin) soll gerufen haben: Entweder ist der Schöpfer der Natur leidend oder das Weltall fällt zusammen.

Gegen die erste Stunde der Nacht warf ich meinen Mantel um und ging nach der Stadt hinunter gegen die Pforte Golgathas. Die Menge kehrte heim, immer noch aufgeregt, es ist wahr, aber düster, schweigsam und wie verzweifelt. Das, wovon sie Zeugen gewesen, hat sie mit Schrecken und Gewissensbissen erfüllt. Ich sah auch meine kleine römische Schar trauernd vorüberziehen. Der Standartenträger hatte seinen Adler verhüllt zum Zeichen von Gram und Trauer und ich hörte einige Soldaten befremdliche Worte sprechen, aus denen ich jedoch nicht klug werden konnte. Andere wieder erzählten sich Wunderdinge, ähnlich denjenigen, welche die Römer siegen machte durch den Willen der Götter. Gruppen von Männern und Frauen hielten manchmal stille und schauten zurück nach dem Berge Golgatha, in Erwartung von dort her neue Wunder zu sehen. Ich kehrte zurück nach dem Prätorium, traurig und in mich gekehrt.

Die Treppe hinaufsteigend, die noch befleckt vom Blute des Nazareners, fand ich einen alten Mann in gebückter Stellung, und hinter ihm einige Frauen in Tränen. Er warf sich mir zu Füßen und weinte bitterlich. Es ist mir schmerzlich, einen alten Mann weinen zu sehen. Vater, fragte ich milde, wer bist du und was ist deine Bitte? Ich bin Joseph von Arimatha sagte er und bin gekommen, von dir auf meinen Knien um Erlaubnis zu bitten, Jesus von Nazareth zu begraben. Deine Bitte ist dir gewährt, sagte ich ihm und befahl gleichzeitig Manilus, einige Soldaten mitzunehmen zur Mithülfe des Unternehmens und auch um eine Entweihung des Leichnams zu verhüten. - Einige Tage nachher wurde die Gruft leer gefunden und seine Jünger verkündeten im ganzen Land, Jesus wäre von den Toten auferstanden, wie er es vorher prophezeit habe. -

Am Ende verblieb mir noch die Pflicht, dir diese beklagenswerten Ereignisse zu übermitteln. Ich tat es während der Nacht, welche auf dieses traurige Ereignis folgte und endigte gerade den Bericht, als der Tag hämmerte. In dem Moment war es, als ich den Ton von Hörnern vernahm, "die Göttin der Jagd" (Dianamarsch) spielend. Die Augen nach der Cäsarspforte, sah ich eine Abteilung Soldaten und hörte in einiger Entfernung Cäsars Marsch verklingen. Es war die ersehnte Verstärkung, 2000 erlesene Truppen, welche um ihre Ankunft zu beschleunigen, die ganze Nacht hindurch marschierten! - Es war beschlossen bei den Göttern, schrie ich, meine Hände ringend, daß die große Ungerechtigkeit geschehen sollte, daß zum Zwecke der Verhütung der gestrigen Taten Truppen "heute" kommen sollten. Grausames Verhängnis, wie spielst du oft mit Angelegenheiten der Sterblichen! Es war nur zu wahr, was der Nazarener ausrief, am Kreuze sich winden: "Es ist vollbracht!"
Pontius Pilatus, Statthalter von Judäa.

Noch ein Exkurs:

Ein anderes Beispiel jener heiligen Einfalt war etwa die Vermarktung einer einst im Mittelalter Konjunktur habenden Schrift mit dem Titel „Acta Pilati" ebenfalls durch Kreise aus dem Umfeld der frühen Bibelforscherbewegung.
Im Jahre 1901 publizierte in der Zeitschrift „Neue kirchliche Zeitschrift" mal ein Herr Ludwig Couard einen instruktiven Aufsatz, den er betitelte
„Altchristliche Sagen über das Leben Jesu".
Darin referiert er umfänglich aus besagten „Acta Pilati" oder Pilatusakten".
Siehe auch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Nikodemusevangelium
Der Reiz der Darstellung von Couard liegt meines Erachtens darin. Er zitiert nicht unbedingt den wörtlichen Text, bietet aber eine Beschreibung des Inhaltes in eigenen Worten, die sich gleichwohl auf den Ursprungstext stützt.
Er geht auch der Entstehungsgeschichte jener Schrift nach, bemerkt, sie bestehe eigentlich aus zwei Teilen, die dann erst von Tischendorf wieder getrennt wurden.
Diese eher wissenschaftlichen Details mögen an dieser Stelle übersprungen werden.
Aber namentlich seine Referierung des zweiten Teils (welcher die Kapitel 18 bis Kapitel 26) enthält, sei an dieser Stelle einmal näher vorgestellt.
Er ist ein Schlaglicht über die Geistes-Naivität (oder meinetwegen auch blühende Fantasie), bei der die Gebrüder Grimm noch vor Neid erblassen können, welche das Christentum zu früheren Zeiten (und nicht „nur" zu früheren Zeiten) beseelt.
Diese völlig unwissenschaftliche Weltbild ist dem Christentum wesenseigen. Sich da nur die Rosinen etwa beim Disput in Sachen Evolution herauszupicken. Über die Naivität des christlichen Weltbildes in Gesamtheit nicht zu reden, ist eine Einstellung der widersprochen werden muss.
Vorhang auf für die Detailzitierung vorgenannten Aufsatzes, namentlich die zweite Hälfte aus den „Pilatusakten" betreffend (an dieser Stelle geringfügig gekürzt):

„Der dunkle Hades wird plötzlich von einem hellen Licht durchleuchtet. Da erheben Adam und alle Patriarchen und Propheten ihre Stimmen und geben ihre Freude über das göttliche Licht Ausdruck, welches ihnen in der Finsternis aufgegangen ist. Jesaias tritt auf und erinnert an seine Weissagungen von diesem Licht; Simeon erzählt, wie er das Jesuskind auf den Armen getragen habe, Johannes berichtet über Jesu Taufe im Jordan, und Seth verkündigt auf Adams Befehl, wie er an den Pforten des Paradieses für seinen kranken Vater zu Gott um Öl vom Baume der Barmherzigkeit gefleht und vom Erzengel Michael den Bescheid erhalten habe, daß erst nach 5500 Jahren, wenn der Sohn Gottes auf die Erde gekommen und im Jordan getauft sein würde, dieser mit dem Öle der Barmherzigkeit alle Gläubigen salben werde.
Während nun alle diese Frommen frohlocken, tritt der Teufel auf und sucht den

„alles verzehrenden und unersättlichen"

Fürsten des Totenreiches gegen den kommenden Erlöser aufzureizen.
Er teilt ihm mit, daß ein gewisser Jesus von jüdischer Herkunft der sich Gottes Sohn nenne, aber ein Mensch sei, der den Tod fürchte, ihm in der oberen Welt viel Böses gethan habe.

„Er verfolge meine Diener, und die Menschen, welche ich krumm, blind, lahm, aussätzig oder sonst krank gemacht hatte, heilte er durch sein bloßes Wort, und viele, welche ich schon für das Begräbnis vorbereitet hatte, machte er durch sein Wort wieder lebendig."

Der Hadesfürst entgegnet ihm,

einem so Mächtigen könne doch niemand wiederstehn, und wenn er gehört habe, daß Jesus den Tod fürchte, so hätte dieser das sicherlich nur gesagt, um ihn zu verlachen und zu verhöhnen und ihn mit seiner mächtigen Hand gefangen zu nehmen.

Doch der Teufel erwidert ihm,

er fürchte Jesum nicht, er habe die Juden gegen ihn aufgestachelt, und diese hätten ihn gekreuzigt und mit Essig und Galle getränkt; er solle sich nur bereit halten, um Jesum, wenn er zu ihm käme, gefangen zu nehmen.

Diese letztere Möglichkeit bezweifelt jedoch der Hadesfürst;

Jesus habe ihm schon viele entrissen, die der Teufel ins Grab gebracht - wie sollte er ihn denn nun wohl bewältigen können?
Erst jüngst habe er einen gewissen Toten mit Namen Lazarus, heruntergeführt, aber kurze Zeit darauf habe ihn ein anderer durch die Kraft seines bloßen Wortes wieder aus seinem Reiche entrissen, und er glaube, er sei dieser andere derselbe, von dem er spreche.

Er trägt daher Bedenken ihn bei sich aufzunehmen, damit er nicht alle Toten verliere, und beschwört deshalb den Teufel, Jesum nun ja nicht zu ihm zu führen.
Während der Teufel so mit dem Hadesfürsten redet, erschallt es draußen wie mit Donnerstimme:

„Machet" die Thore weit und die Thüren in der Welt hoch, daß der König der Ehren einziehe!"

Da gebietet der Hadesfürst dem Teufel:

„Geht heraus, wenn du mächtig bist und stelle dich ihm entgegen",

und seinen Geistern gibt er den Befehl:

„Machtet fest und stark die ehernen Thore und legt an die eisernen Riegel und meine Schlösser und steht alle auf der Wacht; denn wenn er hier hereinkommt, wehe, dann nimmt er uns gefangen."

Doch seine eigenen Unterthanen lehnen sich gegen ihn auf.

„Öffne" rufen ihm die Patriarchen zu, „daß der König der Ehren einziehe!"

Und David und Jesaias treten auf und erinnern an ihre Weissagungen, David an den Adventsplan, in dem er diese Stunde vorher verkündigt habe, und Jesaias an sein nun erfülltes Wort: „Er wird den Tod verschlingen ewiglich".

Da tönt es abermals von draußen: „Machet die Thore weit und die Thüren in der Welt hoch, daß der König der Ehren einziehe!"

Erzitternd fragt das Totenreich: „Wer ist derselbe König der Ehren?"

Und von draußen her antwortet jubelnd der Lobgesang der Engelchen: „Es ist der Herr, stark und mächtig, der Herr mächtig im Streit."

Da zerbrechen die ehernen Thore und die eisernen Riegel zerspringen, da fallen allen Toten die Fesseln ab, und triumphierend tritt der Menschensohn in der durch sein Erscheinen hell erleuchteten Hades ein. Der Fürst des Totenreiches erklärt sich für besiegt, und der König der Ehren läßt den Satan und den Hadesfürsten von seinen Engeln in Fesseln legen.
Obwohl selbst gebunden, verhöhnt der Hadesfürst den gefesselten Satan, der den Herrn der Herrlichkeit zu töten meinte und nun selber vernichtet ist.
Christus aber führt den Adam und alle Gläubigen des Alten Bundes zu sich, und alle Kniee beugen sich ihm, ja, sie alle stimmen ein neues herrliches Lied zum Preise des Herrn an, bis dieser sie im Triumph an die Pforte des Paradieses führt.
Dort begegnen ihnen zwei alte Männer. Gefragt, wer sie seien, da sie den Tod nicht gesehen hätten und nicht in die Unterwelt gekommen seien, erwidert ihnen der eine:

„Ich bin Henoch, der Gott gefiel, und dieser ist Elias, der Thisbiter. Bis an das Ende der Zeiten werden wir leben und alsdann von Gott abgesandt werden, um dem Antichrist zu widerstehen. Wir werden zwar von ihm getötet werden, aber nach dreien Tagen wieder auferstehen und in den Wolken dem wiederkommenden Herrn entgegengeführt werden."

Während diese noch reden, erscheint ein gebeugter Mann mit einem Kreuz auf der Schulter.
Auf die Frage, wer denn er sei, gesteht er, daß er der Schächer am Kreuze sei, dem der Heiland auf seine Bitte hin das Paradies verheißen habe. Die Verheißung wird ihm erfüllt und unter Jubel und Frohlocken ziehen nun die Erlösten in das Paradies ein.

Zu Panin noch. Es verwundert überhaupt nicht, dass analoges auch schon auf den Islam übergeschwappt ist.

Dazu kann man auch vergleichen:

Parsimony.3832

Parsimony.3825

1907er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte

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