Re: ZION'S WATCH TOWER TRACT SOCIETY: THE EARLY YEARS


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck (Teil II) am 28. Juli 2001 15:40:21:

Als Antwort auf: Re: ZION'S WATCH TOWER TRACT SOCIETY: THE EARLY YEARS geschrieben von Drahbeck am 28. Juli 2001 15:35:13:

(Fortsetzung des Postings 874. Dieses als Teil I bitte zuerst lesen)

Dem stelle man Russells Lehre der Rechtfertigung als einer Transaktion gegenüber, die jemanden in ein Verhältnis zu Gott bringt, das es ermöglicht, dass er während irgendeiner herannahenden Millenniumsherrschaft die Stellung und das Verhältnis wiedererlangt, das Adam gehörte, bevor er fiel! Paulus träumte nie davon, dass ein Sünder, der durch die Gnade Gottes gerechtfertigt wurde, dorthin zurückgestellt würde, wo Adam war. Er hatte für den gerechtfertigten Menschen etwas Herrlicheres im Sinn als das. Es ist der Unterschied zwischen einem Kind Gottes, erlöst durch seine Gnade, und einem Adam unter Gesetz, dessen Sicherheit von vollkommenem Gehorsam abhängt.
Es ist der Unterschied zwischen Errettung aus Gnade und einem armseligen Beispiel an Gesetzeshörigkeit. Es ist der Unterschied zwischen Paulus, einem inspirierten Apostel, und Charles T. Russell, dessen Gedanken so mechanisch und materialistisch sind, dass sie scheppern wie Kochgeschirr.

Russell macht nicht nur diesen willkürlichen und unbiblischen Unterschied zwischen Rechtfertigung und „Geistzeugung", er macht auch einen gleichfalls grundlosen Unterschied zwischen „Geistzeugung" und „geistlicher Wiedergeburt". Im Neuen Testament gibt es ein griechisches Wort, das zeugen bedeutet, aber in der Passivform bedeutet es entweder gezeugt oder geboren.
Dieses Wort wird in geistigem Sinne in Johannes 3:3-8, 1. Petrus 3:9, 1. Johannes 5:1 und in vielen anderen Stellen im Neuen Testament gebraucht. Die Übersetzer der King-James-Bibel gaben das Wort gewöhnlich mit geboren werden wieder. Die Übersetzer der American Revised Version geben es manchmal mit geboren werden, manchmal mit gezeugt werden wieder. Das ist das gewöhnliche Wort im Neuen Testament für die Vorstellung von Geistzeugung oder Geistgeburt, und es zeigt, wie völlig ohne Grundlage Russells Idee ist, dass Geistgezeugtsein eine Sache ist, die in diesem Leben stattfindet, und Geistgeburt eine andere, die bei der Auferstehung am Beginn des Millenniums stattfindet. Dies zeigt, dass Russells Eingeständnis, als er im Zeugenstand in die Enge getrieben wurde, er könne kein Griechisch, stimmte. (Siehe eine Flugschrift von J. J. Ross: „Einige weitere Tatsachen über den selbsternannten 'Pastor' Charles T. Russell, usw.")

Und es zeigt, dass er nur wenig mehr über die englische Bibel weiß, denn niemand würde je aus irgendeiner Übersetzung der Bibel ins Englische den Eindruck gewinnen, dass Geistzeugung eine Sache, und Geistgeburt eine völlig andere sei, die in einem anderen „Zeitalter" der Welt stattfindet. Aus dem Neuen Testament wird vollkommen deutlich, dass die Geistgeburt nicht identisch ist mit einer in der Zukunft stattfindenden Auferstehung; sie ist eine gegenwärtige Erfahrung, etwas, ohne das wir das Königreich Gottes nicht sehen oder betreten können (Johannes 3:3-5). Wer an den Namen Christi glaubt oder ihn annimmt, wird jetzt aus Gott geboren (Johannes 1:13).

Das erinnert uns an einen weiteren Irrtum Russells. Er sagt, an Jesus als unser Loskaufsopfer zu glauben, bringe die Rechtfertigung; aber um vom Geist gezeugt zu werden, müssen diese Gerechtfertigten weitergehen und sich selbst völlig Gott und seinem Dienst weihen. Er führt hier Römer 12:2 an (Seiten 217, 228). Aber in diesem Abschnitt sagt Paulus nichts über die Geistzeugung; er drängt vielmehr die, die aus dem Geist geboren sind, zu einem Leben in Hingabe. Er zeigt auch auf Seite 225, dass Werke eine Bedingung seien, wenn man über die Rechtfertigung auf dem „Pfad der Herrlichkeit" gehen will. Dies zeigt wieder, dass die Rettung in seinem Schema nicht aus Gnade und allein aus Gnade geschieht, sondern dass er die Vorstellung von Werken als verdienstvoller Ursache der Rettung einbringt. Nicht ist den Gedanken Russells ferner als die Vorstellung einer Errettung aus Gnade durch Glauben.

Eine weitere Absurdität Russells ist es, wenn er die Hingabe an den Dienst für Gott (als Bedingung für eine Geistzeugung in seinem Schema) mit der Drangabe der menschlichen Natur an die Vernichtung gleichsetzt (Seiten 218, 222). Russell lehrt, dass Jesus bei seiner Taufe seine menschliche Natur in den Tod oder die Vernichtung gab. Als er starb, hörte seine menschliche Natur auf zu existieren; er wurde als Geistwesen auferweckt, nicht länger menschlich in irgendeinem Sinne. So mögen wir nach der Rechtfertigung unsere menschliche Natur der Vernichtung übergeben, und wenn wir diesem Gelöbnis gemäß leben, würden wir in der Auferstehung zu göttlichen Wesen gemacht (Seite 191 et al).

Nun ist zwar richtig, dass Jesus darüber spricht, dass wir uns selbst verleugnen und das Kreuz aufnehmen; darüber, das Leben zu verlieren, um es zu erretten. Aber dies so auszulegen, als bedeute es, unser menschliches Wesen zu vernichten und göttliche Wesen zu werden, zeigt die völlige Unfähigkeit, geistige Erfahrungen zu verstehen. Welcher Christ, der sich selbst dem Dienst an Gott weiht, hat jemals gedacht, das bedeute, dass er seine menschliche Natur der Vernichtung weihe und deshalb aufhöre, ein menschliches Wesen zu sein? Diese Vorstellung, dass Jesus allein menschlich war und in der Auferstehung göttlich wurde, und dass auch wir aufhören mögen, menschliche Wesen zu sein, und göttlich werden, ist eine der bizarrsten Lehren Russells. Er glaubt, wer diese „Änderung der Natur" erfahre, werde in demselben Sinne „göttlich" und „unsterblich", wie es der auferstandene Christus oder Gott sind. Er besteht darauf, dass die „Naturen" getrennt voneinander gehalten werden müssen und dass Jesus folglich nicht gleichzeitig menschlich und göttlich sein konnte. Aber durch seinen mühelosen und willkürlichen Übergang vom Menschlichen zum Göttlichen reißt er in Wirklichkeit den Unterschied zwischen dem Menschlichen und dem Göttlichen ein. Jeder, der glaubt, dass der Mensch in demselben Sinne göttlich und unsterblich werden könne wie Gott, zeigt, dass er fähig ist, alles mögliche zu glauben. Er zeigt, dass er keine angemessene Vorstellung von Göttlichkeit hat.

Kein Wunder, dass Russell von Gott in materialistischen Begriffen sprach, als habe er einen Leib. Sein ganzes Glaubensgebäude ist eine Art magischer, unausgegorener Materialismus, an dem man ziehen kann wie an dem Faden eines Hampelmannes.
Da ist noch ein schwerwiegendes Problem mit Russell Rettungsschema. Das heißt, es ist so kompliziert, dass es einen „Anwalt aus Philadelphia" brauchte, um es zu verstehen. Ich habe Menschen über den „Plan" der Rettung reden gehört. Dies ist mehr als ein Plan; es ist ein Schema. Und es ist ein Schema, das einen mit zwei Dingen beeindruckt. Das eine ist, dass es allen moralischen Eifer und alle moralische Aufrichtigkeit aus dem gegenwärtigen Leben nehmen soll. Es gibt mehrere Stufen oder Grade der Errettung, und wenn jemand einen auslässt, dann kann er sicher sein, auf einen anderen zu stoßen. Das andere ist, dass es der Schläue des Urhebers des Schemas ein Kompliment machen soll. Wenn ein Sünder durch die Gnade Gottes gerettet wird, oder wenn er als Christ eine tiefere Erfahrung der Liebe Gottes, die rettet, macht, dann ist er geneigt zu sagen: „Gott sei Dank für seine Gnade."

Wenn man Russells Werke liest, dann glaubt man, es solle einem das Gefühl vermitteln: „Ist der Urheber dieses Schemas nicht schlau?" Aber jemand mit etwas Moral im Kopf würde nie daran denken, das Schema Gott zuzuschreiben. Die Schläue gehört Russell.
Sein Einfallsreichtum darin, Bibelpassagen zu verdrehen und sie zu allem möglichen zu machen, damit sie zu seinem Schema passen, ist sicherlich wunderbar.
Wenn ich sage, das Schema sei schwer zu verstehen, dann will ich damit nicht sagen, dass Russells Denken unverständlich ist — das ist es gewöhnlich nicht. Es gelingt ihm, seine Gedanken zu verdeutlichen. Aber sein Schema ist kompliziert.

So hat er während des Millenniumzeitalters die Menschheit in mehrere Klassen eingeteilt: An der Spitze sind die, die mit Christus den Thron der Herrlichkeit erreicht haben; als nächstes kommen die, denen es nicht gelang, den Thron zu erreichen und die nur zu „Geistgeschöpfen" gemacht wurden; unter ihnen stehen die zu menschlicher Vollkommenheit wiederhergestellten Israeliten (man beachte, dass Juden über der großen Masse der Menschheit stehen, aber keine „göttlichen" oder „Geistgeschöpfe" sind — vielleicht das Beste, was der Herr mit einem gewöhnlichen Juden tun konnte. Ich hoffe, Russell stimmt zu, dass zumindest Moses und Paulus die Spitze erreichen); noch weiter unten ist die große Masse der Menschheit, wiederhergestellt zu „menschlicher" Vollkommenheit; darunter (wenn man noch von einem unter in diesem Sinne sprechen kann) die Unbelehrbaren, die im zweiten Tod ausgelöscht werden.

Ich habe Leute über „Grade" im Himmel, oder Belohnungen, sprechen hören, doch bei Russell gibt es fast so viele Verschiedenheiten der Rettung, wie es Gemüsesorten gibt — fast siebenundfünfzig Unterarten. Es ist recht praktisch, „zu bezahlen und sich etwas auszuwählen".
Das Schema ist nicht nur darin so kompliziert, dass es so viele „Grade" der Rettung hat, sondern auch darin, dass es versucht, ein Plan der Erlösung auf der Grundlage des Sühnopfers, angenommen im Glauben, zu sein, und dennoch ständig auf Werke als Grundlage zurückkommt. Der Herr hilft ein wenig, aber der Mensch hat eine Menge zu tun, besonders wenn er einen hohen Grad der Errettung erlangt. Wie albern das alles doch im Vergleich mit der neutestamentlichen Ansicht der Errettung als dem Werk eines Gottes der Liebe ist, dem wir vollkommen vertrauen können, dass er „bis zum äußersten" von der Sünde rettet!

Wenn wir jedoch die Vielschichtigkeit des Schemas beiseite lassen, müssen wir erkennen, dass Russell im allgemeinen zwei Pläne der Rettung hat. Einen, der in diesem gegenwärtigen Zeitalter ausgeführt wird, dessen Ziel es ist, die „Braut", die „Kirche", die „kleine Herde" zu erwählen, alle die, die zur „göttlichen" Natur und zum Thron Christi erhoben werden — eigentlich vielmehr Jesus, da Russell den Begriff Christus ständig gebraucht, um Jesus und die mit ihm zum Thron Erhöhten zu bezeichnen. Es ist dieser Plan, den wir unter der Überschrift „Die Rettung jetzt angeboten" betrachtet haben. Aber es gibt auch den Plan, der die Wiederherstellung der Masse der Menschheit zu „menschlicher Vollkommenheit" während des Millenniums zum Ziel hat. Diesen haben wir bei der Erörterung „Bewährung und Errettung im Millennium" betrachtet. Vielleicht wurde dort genug über diese Phase der Angelegenheit gesagt. Wenn wir diese beiden Pläne zusammen nehmen, dann haben wir Russells Ansicht über die Errettung. Und wenn wir die Betrachtung der unterschiedlichen „Spielarten" der angebotenen Rettung hinter uns gebracht haben; die Bedingungen, die jeder erfüllen muss; die beteiligten rassischen Elemente; die unterschiedlichen „Zeitalter", wann dies alles stattfinden soll; und selbst die Möglichkeit (oder, wie Russell sagt, die Gewissheit), dass in der Prüfungszeit zu Beginn des Millenniums einige selbst aus den höchsten Höhen in den Abgrund des Nichts fallen werden — wenn wir dies alles hinter uns gebracht haben, ist eine der hauptsächlichen Auswirkungen ein Schwindelgefühl im Kopf und eine Art Ekel, der alles andere als angenehm ist.

Ich habe mir angewöhnt, beim Lehren der Theologie meinen Studenten zu sagen, dass das ganze Verdienst für die Rettung Gott gehört. Aber diese Geschichte würde ich ihm nicht in Rechnung stellen. Mag Russell das Verdienst haben.
Was diese „Lehre der Errettung" von Russell noch überbietet, ist die immer wieder gegebene dogmatische Zusicherung an den Sünder, wenn er die Rettung jetzt und während des Millenniums völlig verfehle, sei das Schlimmste, was ihm passieren könne, zu sterben, vernichtet zu werden, und all sein Leid und Elend sei auf ewig vorbei. Das ist wohlgemerkt kein Zweifel oder eine Frage über die ewige oder immerwährende Bestrafung; es ist die dogmatische Lehre, die bekräftig, so etwas gäbe es nicht. Und er stützt sein System durch umfassenden Gebrauch (oder Missbrauch) der Bibel.

Er erhebt den Anspruch, die einzig wahre Auslegung der Bibel zu diesem Thema zu geben. Ich denke nicht, dass jemand ein besseres Schema finden kann, um das Gewissen einzulullen und die Seele in die ewige Vernichtung zu locken.

5. Die Person Christi.
Eines der unverwechselbarsten Dinge in Russells System ist die Lehre von Christus. Er sagt, dass Christus vor seinem Erdenleben ein Geistwesen war. Russell glaubt, menschliche, geistige und göttliche Naturen seien verschiedenartig. (Siehe Seite 168.) Als er auf die Erde kam, sei er menschlich geworden. Er und Adam seien die einzigen beiden vollkommenen Menschen gewesen, die es je auf der Erde gab. Er musste ein Mensch sein, sonst hätte er kein Ersatz für den Menschen sein können. Es könne keine Vermischung dieser unterschiedlichen Naturen geben. (Seiten 170, 171.) Irgendwelche zwei von ihnen zu vermischen hieße, dass sie ihre Identität verlören und zu etwas anderem würden. Er sei ein Geistwesen höher als die Engel gewesen. Als er auf die Erde kam, sei er an den Engeln vorbeigegangen und ein Mensch geworden. Bei seinem Tod sei seine menschliche Natur geopfert worden; sie starb, wurde ausgelöscht. Als Belohnung für sein Opfer und seinen Gehorsam habe ihm Gott die göttliche Natur verliehen. Christus konnte ein Geistwesen und darauf folgend göttlich sein, aber er konnte nicht gleichzeitig menschlich und göttlich sein. Ehe er zur Erde kam, sei er zuerst ein über dem Menschen stehender Geist, aber niedriger als Gott gewesen. Er wurde Mensch und lebte hier unter Menschen. Dann starb er, hörte auf, Mensch zu sein. Dann machte ihn Gott göttlich.

Daraus ergeben sich einige Konsequenzen:
(1) Jesus war, als er auf der Erde war, nicht göttlich. Während dieser Zeit war er ein Mensch und nichts anderes.
(2) Er ist jetzt kein Mensch mehr. Er ist jetzt göttlich und nichts anderes. Als er starb, hörte seine menschliche Natur zu sein auf.
(3) Es gab keine Inkarnation, weil Gott und der Mensch nicht in einer Person vereinigt werden konnten. Christus habe menschlich und darauf folgend göttlich sein können, aber dies nicht zur selben Zeit.
Das orthodoxe Christentum hat in diesen Punkten immer das genaue Gegenteil geglaubt. Es hat geglaubt, dass er seit aller Ewigkeit als der Sohn Gottes und als Erschaffer aller endlichen Dinge existiert habe; dass Jesus, als er in der Welt war, sowohl göttlich als auch menschlich war; dass er jetzt und in alle Zukunft menschlich wie auch göttlich ist; dass Jesus die Inkarnation Gottes war und ist.
Die Vorstellungen von der Göttlichkeit Christi, von seinem wahren und dauerhaften Menschsein, dass er die Inkarnation Gottes ist — dies sind im Christentum keine nebensächlichen Vorstellungen; sie machen sein Wesen aus. Doch Russell bestreitet die Möglichkeit einer Inkarnation.
Nach ihm konnten Göttlichkeit und Menschsein nicht in einer Person vereinigt sein. Wenn Russell in diesem Punkt recht hat, dann hat Gott sich nie abschließend offenbart, indem er selbst die Form und das Wesen des Menschen in Jesus Christus angenommen hat. Paulus und Johannes glaubten an eine wirkliche Inkarnation Gottes. Für sie war Jesus der ewige Sohn Gottes, der für die Errettung der Menschen selbst Mensch wurde. (Siehe Johannes 1:1, 14; Philipper 2:5ff. und viele weitere Passagen.) Wenn Paulus und Johannes recht hatten, dass war Russell im Irrtum.

Überdies: War Jesus nicht göttlich, dann hätten sein Leiden und sein Tod nicht die göttliche Liebe und das Opfer für die Errettung des Menschen dargestellt. Das eigentliche Wesen des Christentums ist, dass Christi Kreuz die aufopfernde Liebe Gottes für die Errettung des sündigen Menschen ausdrückt und offenbart. Gott liebte so sehr, dass er seinen Sohn dahingab. Wenn aber Jesus nicht göttlich war, gab es kein göttliches Opfer in seinem Tod. Und wenn es kein göttliches Opfer gab, dann ist die Errettung nichts weiter als eine menschliche Machenschaft der Selbstverbesserung. Es ist eine schlichte Tatsache, dass Russell lehrt, Jesus sei nur als Mensch gestorben. Damit leugnet er, dass der Tod Jesu göttliches Leiden für die Rettung des Menschen darstellt. Jesus sei als Mensch gestorben — in dem Sinne, dass seine menschliche Natur ausgelöscht, vernichtet worden sei.

Wiederum: Russells Vorstellung, dass ein Geistwesen durch ein menschliches Wesen ersetzt wird und dass dann der Mensch ausgelöscht wird und das göttliche Wesen seine Stelle einnimmt — diese Vorstellung zerstört alle persönliche Kontinuität in Christus. Die Vorstellung, wie sie das Christentum glaubt und Russell sie abstreitet, dass der ewigwährende Sohn Gottes für unsere Errettung Mensch wurde, unser Los und unsere Natur annahm — diese Vorstellung mag vielleicht geheimnisvoll sein; ja sie ist es. Aber sie lässt Raum für Kontinuität als Person. Christus war der ewigwährende Sohn Gottes. Als er Mensch wurde, hörte er nicht auf, göttlich zu sein. Er hörte auch nicht auf, menschlich zu sein, als er sich zur Rechten Gottes setzte. Er ist die beständige Vereinigung Gottes und des Menschen. Hier besteht zugegeben ein gedankliches Problem, eines, das das Möglichste in uns herausfordert. Aber Russells Vorstellung, dass eine Art von Wesen durch ein anderes ersetzt werden könnte — ein menschliches Wesen für ein Geistwesen und ein göttliches für ein menschliches Wesen —, seine bloße Annahme, dass so etwas stattfand, nicht begründet durch Tatsachen oder sogar Argumente — das kann man nur als amüsanten Einfallsreichtum in der Handhabung der Begriffe ansehen, nicht als Bemühung, die eines ernsthaften Gedankens wert ist.

(Zu diesem Punkt siehe besonders Kapitel X der ersten Bandes der „Schriftstudien".) (BEACHTE: Russell glaubt, dass sowohl Gott als auch Jesus irgendeine Art von Körper haben.
Er sagt, wir könnten sie uns nicht ohne Körper vorstellen. Das sieht sehr nach Materialismus aus (Seite 192). Sein Gott scheint nur ein vergrößerter Mensch zu sein. Seite 192).

6. Das Königreich.
In einer ursprünglichen Weise erkennt Russell das Königreich als bereits existierend an (Seite
269-271). Diese vorbereitende Stufe des Königreiches setzt er mit der Kirche gleich (nicht mit dem organisierten Christentum, sondern vielleicht mit der „kleinen Herde".) Das Königreich wird jedoch erst mit Macht aufgerichtet, wenn Jesus zurückkehrt. Christus kommt wieder, um die Menschheit zu richten (zu beherrschen) (Seite 270).
Zuerst wird es wahrscheinlich Gegnerschaft gegen die Herrschaft Jesu geben, aber diese Gegnerschaft wird mit Macht niedergeschlagen werden, und wenn die Menschen genug davon gesehen haben, um ihre wohltätigen Ergebnisse zu erkennen, werden sie bereit sein, sich ihm zu unterwerfen. Es wird große Revolutionen und Zeiten der Drangsal bei der Einführung der Millenniumsherrschaft geben, in denen die bestehenden Regierungen und die bestehende soziale und wirtschaftliche Ordnung in Vorbereitung auf die neue Ordnung gestürzt werden. Gott erlaubt dem Menschen während der gegenwärtigen Ordnung, sich selbst zu regieren, aber sein Bemühen, dies zu tun, wird mit einem kompletten Fehlschlag enden. Daher die Notwendigkeit der göttlichen Herrschaft.

Es wird zwei Erscheinungsweisen dieses Millenniumskönigreiches geben — eine sichtbare und eine unsichtbare. Die sichtbare Erscheinungsweise wird von denen verwaltet, die während des jüdischen Zeitalters bis zur Ebene menschlicher Vollkommenheit errettet wurden. Sie werden die sichtbaren Werkzeuge der göttlichen Verwaltung sein. Es wird eine recht, wenn nicht vollkommen jüdische Ordnung der Dinge sein (Seiten 277, 278, 282).
Die unsichtbare Ebene des Königreiches wird von denen ausgeführt werden, die während des Evangeliumzeitalters auf die göttliche Stufe des Seins errettet wurden. Sie werden als die wahren Herrscher des Königreiches gekrönt werden. Es scheint, dass die sichtbaren menschlichen Verwalter unter der Leitung der unsichtbaren göttlichen Herrscher stehen werden (Seite 275).

7. Eine Kritik.
Mit kurzen Worten weisen wir zusätzlich zu dem, was bereits gesagt wurde, auf ein paar allgemeine Kritikpunkte hin:
(1) Vor allem greifen wir das ganze System an, weil ihm moralische Tiefe und Aufrichtigkeit fehlen. Man ist beeindruckt, weil Russells Plan der Zeitalter ein klug ersonnenes Schema ist, aber seine Klugheit ist sein hauptsächlicher Reiz. Man hat das Gefühl, die Art von Gott, die Russell präsentiert, sei vor allem ein Gott schlauer Machenschaften. Es stimmt, dass Russell über die Gerechtigkeit und Liebe Gottes spricht, aber sein Glaubensgebäude lässt keinen Raum für eine Wirklichkeit, die diesen Begriffen entspräche. Die Vorstellung von Sünde ist die, dass sie ein Missgeschick sei, das zu erleiden Gott den Menschen erlaubte, damit sie eine nützliche Lektion lernen sollten.
Dem gegenwärtigen Leben wird jegliche Bedeutung genommen, soweit es eine moralische Prüfung betrifft. Die einzig wirkliche Prüfung für die meisten Menschen komme erst im nächsten Zeitalter.

Russell betont die Sünde Adams und ihre Auswirkung und auch das kommende Millenniumzeitalter und seine Bewährungszeit, aber er legt keinerlei Gewicht auf das gegenwärtige Leben und seine moralische Verantwortlichkeit. Jede Lehre über Adams Sünde, die den Menschen von einer gegenwärtigen moralischen Verantwortung freispricht, geht am Neuen Testament und der moralischen Wirklichkeit vorbei. Dasselbe lässt sich von jeder Lehre über das Millennium sagen, die dem Christen den Druck der Verantwortung nimmt, das Evangelium jedem Menschen auf Erden zu bringen und diesen Menschen die Ansprüche Christi nachdrücklich vorzutragen.

(2) Ein zweiter Kritikpunkt: Es gibt im Russellismus kein missionarisches Motiv, keine missionarische Dynamik. Das gegenwärtige Zeitalter ist nicht ein Zeitalter der Errettung, jedenfalls nicht für die Masse der Menschheit. Weltweite missionarische Tätigkeiten seien bis zum Millennium zu verschieben. Russell reiste einmal um die ganze Erde. Er kam zurück und veröffentlichte eine Menge geringschätziger Aussagen über das Werk, das auf ausländischen Missionsfeldern verrichtet wurde, das er angeblich untersucht hatte. Aber als W. T. Ellis Russells Reise untersuchte, fand sich, dass er mit vielleicht zwei Missionaren auf dieser Reise zusammengekommen war, keine Missionen besucht hatte, hundertsechzehn Tage weg war, San Francisco am 3. Dezember verlassen hatte und am 28. März wieder in New York zurück war — und die meisten der hundertsechzehn Tage an Bord seines Schiffes verbracht hatte. Sicher sollte die Welt auf eine solche Autorität mit Wissen über Missionen aus erster Hand wie diesem hören! (Siehe 'All About One Russell", eine Flugschrift, die Charles C. Cook aus New York herausgegeben hat.)

(3) Russell rät unmissverständlich von der Vorstellung ab, ein Christ habe etwas mit zivilen, sozialen oder wirtschaftlichen Reformen zu tun. Das gegenwärtige Zeitalter sei der Kontrolle Satans übergeben worden. Gott lasse nun zu, dass der Mensch selbst versuche zu sehen, ob er sich selbst regieren könne. Seine Bemühungen seien zum Scheitern verurteilt. Die einzige Hoffnung für die Welt sei die Errichtung einer völlig anderen Ordnung der Dinge unter Christus als König mit den Menschen als passiven Untertanen. Das ganze Glaubensgebäude hält von einem aggressiven Typ von Christentum zur sittlichen und geistigen Erhebung der Menschlichkeit ab. Es erinnert einen in seiner verzweifelten Weltfremdheit und dem Mangel an sittlicher und sozialer Dynamik an mittelalterliches Mönchstum (Seite 326).

Christen glauben an Übernatürlichkeit in der Religion, aber nicht an eine Übernatürlichkeit, die jegliche Realität in sittlicher Verantwortung leugnet und uns passiv auf eine perfektionierte soziale Patentlösung warten lässt, die irgendwann in der Zukunft vom Himmel fällt.

(4) Das Neue an Russells Sichtweise spricht gegen ihn. Seine Haltung läuft darauf hinaus, dass er sagt, es habe nie zuvor eine richtige Auslegung der Bibel gegeben. Soweit ich weiß, sind einige Merkmale seiner Sicht nie zuvor von jemandem vorgebracht worden — zum Beispiel seine Theorie, Angehörige der „kleinen Herde", der „Braut Christi", würden von menschlichen in göttliche Wesen umgewandelt, während die, die im Millennium gerettet werden, nur menschliche Vollkommenheit erlangen.

Da betritt also dieser Mann die Szene fast zweitausend Jahre, nachdem Christus lebte und starb, und sagt im Wesentlichen: „Niemand vor mir hat je die Bibel verstanden. Ich habe schließlich den Schlüssel zu ihrer wahren Auslegung gefunden." Worauf läuft ein solcher Anspruch hinaus? Darauf, dass er sagt, es habe jahrhundertelang, wahrscheinlich seit der Zeit des Neuen Testamentes, praktisch kein wahres Christentum in der Welt gegeben. Das ist fast so, als behauptete er, Gott habe ihm, Russell, eine neue Offenbarung gegeben. Russell hat das zwar nicht direkt so gesagt, wie es Mrs. Eddy und Joseph Smith taten, aber praktisch läuft es darauf hinaus. (Siehe zum Beispiel seinen Anspruch, wie ihn C. C. Cook in der oben genannten Flugschrift dartut.)

Er erhob den Anspruch, jemand könne ohne die Bibel, aber mit seinen „Schriftstudien" besser zurechtkommen als mit der Bibel, aber ohne die Studien, die ihn in ein Verständnis der Bibel leiteten. Das kommt gefährlich einem Höherstellen seiner Studien als der Bibel nahe.) Denn wenn niemand die Bibel verstanden hat, bis Russell die Szene betrat, um sie für uns auszulegen, dann sind wir praktisch ohne eine Offenbarung von Gott gewesen. Die Welt war vor der Zeit Benjamin Franklins voller Elektrizität, aber Franklin öffnete eine neue Ära im Verständnis und der Kontrolle der Elektrizität.

So hatten wir gemäß Russell die Bibel, ehe er erschien, aber niemand verstand sie. Er gab uns den Schlüssel zur richtigen Auslegung.
Aber ist das vernünftig, dass Gott die Welt nach der Vollendung der in der Bibel aufgezeichneten Offenbarung fast 2.000 Jahre ohne jemanden ließ, der sie verstand? Ein solcher Anspruch ist erstaunlich, und sicher benötigten wir sehr deutliche und eindeutige Beweise, ehe wir eine solche Schlussfolgerung akzeptierten. Russell hat keine solchen Beweise geliefert. Er hat uns nichts gegeben außer seine eigenen unbegründeten und unvernünftigen Annahmen.

Sicher brauchte es keine 2.000 Jahre, bis der Herr, nachdem er die Offenbarung gab, einen Mann erweckte, der diese Offenbarung verstehen konnte.

Pech, Schwefel und Kolophonium


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