Re: ZION'S WATCH TOWER TRACT SOCIETY: THE EARLY YEARS


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck (Teil I) am 28. Juli 2001 15:35:13:

Als Antwort auf: ZION'S WATCH TOWER TRACT SOCIETY: THE EARLY YEARS geschrieben von Bauer am 28. Juli 2001 13:44:43:

Da existiert noch eine Übersetzung eines Englischen Textes in Deutsche. Ursprünglich schon im Jahre 1926 veröffentlicht. Es sei anerkannt, dass der Übersetzer dafür einigen Zeitaufwand investiert hat und ihm dafür gedankt. In der Sache vermag indes bei mir nicht so recht die notwendige "Begeisterung" zur Würdigung des Textes aufkommen. Viele inhaltliche Aussagen sind mir schlichtweg zu platt und nicht besonders aussagekräftig. Oder, wo sie aussagekräftig sind, teile ich sie inhaltlich nicht. Ein solcher Satz den ich nicht unterschreibe ist z. B. der folgende, auch im fraglichen Text enthaltene:
"Christen können an eine Auferstehung des Leibes glauben, weil sie an das Weiterleben der Seele glauben."

Einen anderen Satz unterschreibe ich sehr wohl. Und zwar den nachfolgenden, auch in dieser Studie enthaltenen:
"Russell rät unmissverständlich von der Vorstellung ab, ein Christ habe etwas mit zivilen, sozialen oder wirtschaftlichen Reformen zu tun. Das gegenwärtige Zeitalter sei der Kontrolle Satans übergeben worden. Gott lasse nun zu, dass der Mensch selbst versuche zu sehen, ob er sich selbst regieren könne. Seine Bemühungen seien zum Scheitern verurteilt. Die einzige Hoffnung für die Welt sei die Errichtung einer völlig anderen Ordnung der Dinge unter Christus als König mit den Menschen als passiven Untertanen. Das ganze Glaubensgebäude hält von einem aggressiven Typ von Christentum zur sittlichen und geistigen Erhebung der Menschlichkeit ab. Es erinnert einen in seiner verzweifelten Weltfremdheit und dem Mangel an sittlicher und sozialer Dynamik an mittelalterliches Mönchstum".

Vielleicht sehen andere dies in anderem Licht. Nachstehend der entsprechende Text, zudem sich jeder - so sie oder er mag - sich seine eigene Meinung bilden kann (Technisch bedingt in zwei Teile aufgesplittet):

Die Lehren „Pastor" Russells
von W. T. Conner
Professor für Systematische Theologie am Southwestern Baptist Theological Seminary FORT WORTH, TEXAS
Verlag: Nashville, Tennessee Sunday School Board of the Southern Baptist Convention
Copyright 1926

DIE LEHREN „PASTOR" RUSSELLS
IN DIESER Erörterung beabsichtigen wir, einige Leitgedanken von „Pastor" Russell so kurz
wie möglich wiederzugeben. Es ist schwierig, auf so geringem Raum eine auch nur annähernd angemessene Aussage über seine Lehren oder eine Erörterung derselben wiederzugeben. Mein Hauptziel wird sein, anzugeben, was „Pastor" Russell lehrte, und etwas Platz wird der Kritik eingeräumt werden. Seine Lehren sind so absurd und so entgegen den allgemein akzeptierten christlichen Grundsätzen, dass eine Wiedergabe dessen, was er lehrte, reicht. Seine Lehre wiederzugeben heißt, sie zu widerlegen.

Russell veröffentlichte sechs umfangreiche Bände „Millennium-Tagesanbruch" oder „Schriftstudien". Im ersten Band gibt er einen eindeutigen allgemeinen Abriss seines Schemas. Meine Interpretation gründet sich hauptsächlich auf eine Untersuchung dieses Bandes, und die Angaben in Klammern beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf die Seiten dieses Bandes. [Anmerkung des Übersetzers: Es sind die Seitenzahlen in der deutschen Ausgabe von 1926 genannt].
1. „Der Plan der Zeitalter".
Vielleicht die beste Stelle, eine Betrachtung der Lehren des Russellismus zu beginnen, ist bei Russells „Plan der Zeitalter". Diese Vorstellung von Verwaltungen oder einem „Plan der Zeitalter" bildet die Grundlage von Russells ganzem Schema von Lehren.
Gemäß Russell gibt es drei große Zeitalter oder Verwaltungen in der Weltgeschichte: von der Schöpfung zur Flut, unter der Verwaltung der Engel; von der Flut zum zweiten Kommen Christi, unter der beschränkten Kontrolle Satans; und die kommende Welt, unter göttlicher Verwaltung, dem Königreich Gottes. Er behauptet, sein Schema sei in erster Linie biblisch.

Zum Leitgedanken seiner Auslegung der Schrift macht er seinen eigenen willkürlichen „Plan der Zeitalter", von dem er behauptet, er sei göttlich. Statt diesen „Plan der Zeitalter" aus der Bibel zu nehmen, interpretiert er ihn willkürlich in die Bibel hinein und legt die Schrift so aus, dass sie zu seinem „Plan der Zeitalter" passt. Er behauptet, beim Verständnis eines Abschnittes der Schrift sei es das Erste und Wichtigste, das Zeitalter oder die Verwaltung herauszufinden, auf die sie sich bezieht. Dies, so sagt er, ist das Einzige, das uns ermöglicht, die Bibel in Übereinstimmung mit sich selbst auszulegen.

Natürlich ist in dieser Vorstellung von Verwaltungen etwas Wahrheit enthalten. Die Offenbarung ist fortschreitend. Es gibt ein fortschreitendes Enthüllen des Planes Gottes, und dieser Plan ist einheitlich. Aber es ist auch wahr, dass Gottes Handlungsweise mit dem Menschen in jedem Zeitalter der Welt große Prinzipien zugrunde liegen. Statt dass eine Verwaltung in der willkürlichen Weise die andere ablöst, wie es Russell darstellt, stimmt vielmehr, dass eine Verwaltung die beständigen moralischen und geistigen Werte und Grundsätze der vorhergehenden in sich aufnimmt. So haben wir in der Bibel die allgemeine Einteilung in das Alte und das Neue Testament. Aber selbst im Hinblick auf diese werden wir gewarnt, einen zu scharfen Unterschied zu machen. Jesus und Paulus (wie auch andere Schreiber des Neuen Testamentes) geben uns zu verstehen, dass das Alte Testament sich im Neuen erfüllt und das Neue die Vervollständigung des Alten ist.

Wenn wir bei der Auslegung der Bibel und des ganzen Verlaufs der menschlichen Geschichte als Auswirkung des Planes Gottes für die Menschenrasse irgendeinen Grundsatz zu unserer Leitidee machen wollen, dann sollten wir selbstverständlich diesen Grundsatz mit großer Sorgfalt untersuchen, um zu sehen, ob es sich um einen vernünftigen Grundsatz handelt. So ungefähr das einzige Argument, das Russell für seinen „Plan der Zeitalter" anbietet, ist, dass er mit der Schrift harmoniert. Doch wenn wir diesen Grundsatz und seine Anwendung auf die Bibel nüchtern untersuchen, finden wir, dass er der Prüfung nicht standhält. Wenn er auf die Bibel angewandt wird, dann ergibt er nicht die schöne Einheit und Harmonie, wie Russell es behauptet, sondern er zerreißt die Bibel in Wirklichkeit in Bruchstücke und lässt dieses Buch mehr einen „Flickenteppich" sein als jedes der Schemata radikaler Kritik. Er macht die Bibel zu einem Durcheinander hoffnungsloser Widersprüche und bringt Chaos statt Ordnung in ihre Lehren.

Um Russells Methode der Auslegung der Bibel in Bezug auf den „Plan der Zeitalter" zu veranschaulichen, nehmen wir die Lehren der Erwählung und Freiheit. Russell behauptet, heute seien wir im Zeitalter der Erwählung — dem gegenwärtigen Evangeliumzeitalter. Alle Bibelstellen, die von der Erwählung sprechen, müssen dann im Hinblick auf dieses Zeitalter ausgelegt werden, während alle jene Abschnitte, die sich auf eine universelle Einladung beziehen, auf das kommende Königreich oder Millenniumzeitalter zu beziehen sind. Er fährt fort mit der Annahme, eine Erwählung lasse sich nicht mit einer universellen Einladung durch das Evangelium vereinbaren. So habe zum Beispiel Offenbarung 22:17 keinen Bezug zum gegenwärtigen Evangeliumzeitalter. Nur im Millenniumzeitalter würden der Geist und die Braut sagen: Komm!, und wer immer wolle, könne dem Ruf folgen. In ähnlicher Weise entledigt er sich aller Abschnitte, die dem Erlösungswerk Christi eine universelle Bedeutung oder seiner Regierung eine universelle Herrschaft geben. Auf diese Weise widerspricht Russell rundweg der allgemeinen christlichen Überzeugung, dass wir alle jetzt unter der Verpflichtung stehen, das Evangelium allen Menschen zu verkünden. Seine Auslegung nimmt jede Bedeutung für uns aus Christi Gebot, das Evangelium aller Kreatur zu predigen. Wenn Russell in diesem Punkt recht hat, dann hat praktisch die gesamte christliche Welt unrecht und unser Gefühl der Verpflichtung, die gute Botschaft der Rettung zu allen Menschen hinauszutragen, ist nur eine Illusion.

2. Das gegenwärtige kontra das kommende Zeitalter.
Eine der wichtigsten Anwendungen dieses Grundsatzes der Verwaltung, die Russell vornimmt, ist die in Bezug auf das gegenwärtige Evangeliumzeitalter im Vergleich zum kommenden Millenniumzeitalter. Das erste Zeitalter von der Schöpfung zur Flut ist unbedeutend, soweit es sein Lehrschema betrifft. Es ist nur eingesetzt, um die Sache zu vervollständigen. (Es könnte interessant sein anzumerken, dass Russells ganzes Schema auf Ushers Chronologie beruht. Er setzt voraus, dass die Welt nur 6.000 Jahre alt ist. Er scheint zu denken, dies stehe außer Frage.) Es ist wichtig anzumerken, dass Russells Hauptpunkte der Unterteilung der Menschheitsgeschichte bei der Flut und beim zweiten Kommen Christi liegen. Das erste Kommen Christi war im Vergleich zu diesen ein Ereignis zweitrangiger Bedeutung. Seine zweite Verwaltung in der Weltgeschichte reicht von der Flut bis zum zweiten Kommen Christi. Diese unterteilt er in drei weitere Unterabschnitte — das Zeitalter der Patriarchen, das von der Flut bis zur Zeit Moses reicht; das jüdische Zeitalter, es reicht von Moses bis zum Kommen Christi; und das Evangeliumzeitalter, das vom [ersten] Kommen Christi bis zum zweiten Kommen Christi reicht. Gemäß diesem Schema ist entweder die Flut oder das zweite Kommen Christi ein Ereignis von größerer Bedeutung für die Menschheit, als es das erste Kommen Christi war. Wenn Russell in dieser Hinsicht recht hätte, dann hätte die christliche Welt unrecht mit dem Gedanken, dass das Kommen Christi mit der Gründung des Christentums das zentrale Ereignis der Menschheitsgeschichte war. In diesem Fall sollten wir die Zeit von der Flut statt von der Geburt Christi zählen.

Russell macht dann einen großen Unterschied zwischen dem gegenwärtigen Evangeliumzeitalter und dem kommenden Millenniumzeitalter. Das Millenniumzeitalter ist die Zeit des Königreiches.
Das Königreich ist noch nicht aufgerichtet worden. (Russell spricht stellenweise so, als sei das Königreich vorbereitend aufgerichtet worden. Aber an den meisten Stellen spricht er so, als ob das Königreich in keinem Sinne in die Wege geleitet worden sei.) Er glaubt, das Königreich werde erst bei der Wiederkehr Christi aufgerichtet. Demgemäß war in Russells Schema das erste Kommen Christi ein recht untergeordnetes Ereignis. Es trennte das jüdische Zeitalter vom Evangelium- oder christlichen Zeitalter, aber beide gehören zu dieser „gegenwärtigen bösen Welt", während das zweite Kommen Christi in eine völlig neue Verwaltung hineinführen wird.
Der Zweck des gegenwärtigen Evangeliumzeitalter, so sagt er, sei nicht, die Welt zu retten, nicht einmal, allen Menschen das Evangelium zu predigen, damit sie Gelegenheit zur Rettung erhielten.

Russell akzeptiert die Vorstellung, es könne getrennt vom Hören und Glauben des Evangeliums keine Rettung geben. Und er argumentiert, als ob die orthodoxe Theologie lehren würde, dass alle außer erwachsene Gläubige auf ewig verloren seien. So sagt er, wenn es Gottes Vorsatz sei, die Welt zu retten, oder auch nur allen Menschen die Gelegenheit zur Rettung zu geben, dann habe das gegenwärtige Zeitalter dies nicht erreicht. Der Zweck des gegenwärtigen Evangeliumzeitalters, sagt er, sei, die wenigen Auserwählten, „die kleine Herde", „die Kirche", „die Braut Christi", herauszurufen. Das Zeitalter der universellen Errettung oder universellen Bewährung im Hinblick auf eine Errettung sei das kommende Zeitalter. Das Evangeliumzeitalter und das Königreichzeitalter seien daher zwei verschiedene Zeitalter. Die Schriftstellen, die auf das eine Anwendung finden, dürften nicht auf das andere angewandt werden.

Russell hat es unternommen, uns zu erzählen, wann das Evangeliumzeitalter enden und das Königreichzeitalter beginnen würde. Es ist interessant zu sehen, wie er um Apostelgeschichte 1:7 herumkommt, wo Jesus zu seinen Jüngern sagte: „Es ist nicht an euch, die Zeiten oder Zeitabschnitte zu wissen, die der Vater in seine eigene Gewalt gesetzt hat" („durch seine eigene Rechtsgewalt ernannt" sagt Russell), und um Matthäus 13:32, wo Jesus sagte: „Den Tag oder die Stunde kennt niemand, nein, weder die Engel im Himmel, noch der Sohn, sondern nur der Vater." Er sagt mit Bezug auf diese Passagen: „Diese Worte unseres Herrn können nicht so verstanden werden, als meinten sie, daß, der Vater ausgenommen, niemand je über seine Zeiten und Stunden Kenntnis erhalten werde. Folglich beweisen sie ebensowenig, daß wir diese Zeiten und Zeitläufe jetzt nicht wissen könnten, als daß unser Herr sie jetzt nicht wissen könnte." (Schriftstudien, Band 2, Seite
15.)

Auf der nächsten Seite lenkt er die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass Jesus, nachdem er gesagt hatte, niemand außer dem Vater kenne die Zeit seiner Wiederkehr zur Erde, seinen Jünger zu wachen einschärfte, und er argumentiert, dass die Tatsache, dass Jesus sie warnte, sie sollten wachen, beinhalte, die Zeit werde kommen, wo sie die Zeiten und Zeitabschnitte kennen würden.
Nun zieht diese schlaue Wendung in der Bedeutung der Schriftstelle nicht die Tatsache in Rechnung, dass Jesus sagte: „Wachet und betet; denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist" (Markus 13:33). Jesus gründete seine Ermahnung zu wachen auf die Tatsache, dass wir sie nicht kennen; Russell argumentiert, die Ermahnung setze voraus, dass wir sie wissen können.

So mancher andere hat denselben Fehler wie Russell gemacht, das heißt, er hat gedacht, mit Bezug auf das Kommen Christi zu wachen bedeute, Daten für seine Wiederkehr festzusetzen und in den Himmel zu starren, um ihn zuerst zu sehen. Die beste Art, nach seiner Wiederkehr Ausschau zu halten, ist, treu die Pflichten erfüllen, die er uns zugeteilt hat, zum Beispiel bereit zu sein, einen Rechenschaftsbericht über unsere Verwaltung abzulegen. Russell hatte den Oktober 1914 als Datum für die Aufrichtung des Königreiches Gottes und für den Beginn des Millenniums festgesetzt. Er hatte eine ausführliche Parallele zwischen dem Ende des jüdischen Zeitalters (und dem Beginn des Evangeliumzeitalters) und dem Ende der „Heidenzeiten" (der Periode zwischen dem Niedergang der jüdischen Nation und der Wiedererrichtung jüdischer Macht am Beginn des Millenniums) ausgearbeitet. Gemäß seinem Schema von Daten endeten 6.000 Jahre seit Adam im Jahre 1872; Jesus kehrte (natürlich im Geheimen) im Jahre 1874 zur Erde zurück; die Juden begannen im Jahre 1878, wieder an Macht zu gewinnen; und das Millennium sollte im Oktober 1914 beginnen,. (Siehe Band 2, besonders die Kapitel IV und VII.)

Ich glaube, Russell erklärte etwas dazu und änderte das Datum. Aber wenn jemand die oben angeführten Kapitel liest, wird er sehen, dass Russell diese detaillierte Parallele gezogen und ein solch eindeutiges Argument für die genannte Reihe von Daten vorgebracht hat, dass sein ganzes Schema ruiniert würde, wenn ein Datum nicht einträfe. Russell (der natürlich eine Anzahl von Jahren vor 1914 schrieb) sagt praktisch, keines dieser Daten könne sich auf die eine oder andere Weise um ein Jahr verschieben. Er drückt das so aus: „Denn man beachte das recht bestimmt: Wenn die Chronologie oder irgendeine dieser Zeitperioden nur ein Jahr [Kursiv von mir] verschoben wird, so wird die Schönheit und Kraft dieses Parallelismus zerstört." (Schriftstudien, Band 2, Seite 233.)

Und nun beachte man das recht bestimmt, dass über zehn Jahre seit dem von Russell für den Beginn des Millenniums angesetzten Datum vergangen sind, und es hat nicht begonnen. Gemäß Russells eigenen Worten ist also sein Partallelismus zwischen dem Ende des jüdischen Zeitalters und dem Ende der „Heidenzeiten" zusammengebrochen, seine Chronologie hat versagt, und sein ganzes Schema ist ruiniert.
Und es mag nicht unangebracht sein, hier zu sagen, dass, wann immer jemand ein Programm für den zukünftigen Verlauf der Menschheitsgeschichte (vor dem Millennium, nach dem Millennium oder anderswie) aufstellt, die sich entfaltenden Ereignisse sein Schema mit ebenso viel Belanglosigkeit behandeln werden, wie sie das jetzt mit dem Schema Russells tun.

Von allen Beschäftigungen von Narren, die ich für religiöse Menschen kenne, ist diese Sache, Daten festzulegen und den Verlauf künftiger Ereignisse der Geschichte zu bestimmen, so etwa die sinnloseste. Es ist leicht genug, solch einen Verlauf aufzustellen. Alles, was man braucht, ist eine blühende Phantasie, die Fähigkeit, „Symbole" auszulegen und mit Daten zu jonglieren — und die Sache kann losgehen.
Und dann verläuft die Geschichte so, wie sie will, und scheint nicht die Zeichen entlang des Weges zu beachten, die sie einladen, Abkürzungen zu nehmen.

3. Bewährung und Errettung im Millennium Russell argumentiert für die Notwendigkeit einer zweiten Bewährung oder, wie er sagt, für eine faire Bewährung für alle. Er glaubt, dass die überwiegende Mehrheit der menschlichen Rasse in diesem Leben nie eine faire Bewährung hat. Wenn ein Mensch aufgrund der Bewährungszeit in diesem Leben verurteilt würde, so wäre das ungerecht. Daher erfordere die Gerechtigkeit Gottes, wie auch seine Barmherzigkeit, dass alle Menschen zum Leben wiederhergestellt würden und eine Gelegenheit erhielten, die Rettung anzunehmen. Der Calvinismus, behauptet er, stelle den Charakter Gottes in Frage, indem er seiner Güte Schranken setze. Gemäß dem Calvinismus rette er alle, die er erretten will, aber es sei sein Wille, nur einen kleinen Teil der Menschheit zu erretten. Der Arminianismus, sagt Russell, beschränke seine Macht, während er seinen Wunsch anerkenne, alle zu erretten. Russells Plan, so behauptet er, erkenne sowohl Gottes Macht als auch seine Güte an.

Gott habe nicht geplant, alle in diesem gegenwärtigen Zeitalter zu retten. Doch die Schrift lehrt eindeutig, dass seine Barmherzigkeit eine weltweite ist. Der einzige Weg, das Versäumnis Gottes, alle in diesem Zeitalter zu retten, oder zumindest allen die Gelegenheit zur Rettung zu geben, und diesen Schriftstellen, die seine allumfassende Liebe und Barmherzigkeit lehren, sei, zu glauben, dass alle zum Leben wiederhergestellt würden und dann eine solche Gelegenheit erhielten. Das sei die Zeit der Wiederherstellung aller Dinge. Gottes Gnade solle allen zur bestimmten Zeit bezeugt werden. Die bestimmte Zeit für alle außer der kleinen Herde sei das kommende Millenniumzeitalter.
Das gegenwärtige Zeitalter, so glaubt Russell, sei wirklich kein Zeitalter der Bewährung für jemanden außer der „kleinen Herde" (Seiten 137, 141). Die ganze Rasse habe ihre Bewährung zu Beginn in Adam gehabt. Alle seine Nachkommen hätten an seiner Verurteilung und seinem Tod teil. Wir haben keine Bewährung einzelner in diesem Zeitalter. Die Rasse hätte als Rasse eine Bewährung in Adam gehabt und sei gefallen. Während des Millenniumzeitalters würden die Angehörigen der menschlichen Rasse eine Erprobung als einzelne haben. Das Schicksal eines jeden hänge dann von seiner jeweiligen Entscheidung ab. (Seiten 125, 126). Keinem Angehörigen der menschlichen Rasse werde ein Unrecht durch die Tatsache getan, dass er in den Fall Adams verwickelt sei. Leben ist die Gabe Gottes. Die Sünde bringt den Tod oder das Ende des Lebens. Sollte also jemand die Strafe für Adams Sünde tragen, würde er nur zu existieren aufhören, und ihm sei kein Schaden angetan worden, eher eine Gunst, dass ihm erlaubt worden sei, für eine kurze Zeit zu leben.

Doch aufgrund des durch Christus für die Sünde Adams bezahlten Loskaufspreises würden alle zum Leben wiederhergestellt und (während des Millenniumzeitalters) eine Bewährung als einzelne erhalten. Es sei in diesem Zusammenhang mit der Bewährung, dass der Vorteil der Erfahrung des Menschen mit der Sünde in diesem Leben sichtbar werde. Der Mensch werde das Böse an der Sünde gelernt haben und aus seiner Erfahrung klüger sein und daher eher bereit, sich von der Sünde abzuwenden und ein Leben im Gehorsam führen. Hier könne man die Weisheit Gottes sehen, dass er die Sünde zugelassen habe. Hätte Gott den Menschen so geschaffen, dass er ihn vor der Versuchung abgeschirmt hätte, dann hätte dieser nie aus eigener Erfahrung gewusst, was das Böse ist. Er wäre immer neugierig gewesen, was es mit ihr auf sich hätte und er wäre daher nie in der Gerechtigkeit fest gestanden. Aber weil er in diesem Leben das Böse erfahren habe, werde er um so bereitwilliger sein, sich von ihr abzuwenden, wenn im Millenniumzeitalter seine individuelle Erprobung komme.

Russell interpretiert den Tag des Gerichts als einen Tag der Prüfung, des Versuchs oder der Bewährung. Es soll kein Vierundzwanzigstundentag sein, sondern eine lange Zeitperiode, die er mit dem Millennium gleichsetzt. Die Welt hatte ihren ersten Gerichtstag, als Adam geprüft wurde. Sie soll im kommenden Zeitalter einen weiteren haben. Dies ist eine weitere Stelle, wo Russell sich von praktisch allen anderen Christen unterscheidet. Praktisch alle anderen glauben, dass der Gerichtstag die Zeit sein wird, wo den Menschen Belohnungen oder Strafen zuteil werden, eine Zeit der Endabrechnung mit Bezug auf das Leben, das sie zuvor auf Erden geführt haben. Aber da kommt Russell und erzählt uns, das wir mit all diesem im Irrtum seien. Er setzt den Gerichtstag mit dem Millennium gleich, und die Hauptsache an seinem Millennium ist eine neue Bewährung (oder die erste wirkliche Bewährung, wie er sagt), und diese Bewährung finde unter weit günstigeren Umständen statt, als es diejenigen waren, unter denen der Mensch früher auf Erden lebte. Demgemäß werde der Tag des Gerichts kein Tag der Abrechnung mit Bezug auf das Leben sein, das die Menschen früher auf der Erde geführt haben (das Leben, das wir jetzt führen), sondern vielmehr eine neue Gelegenheit, die Fehler in diesem früheren Leben zu berichtigen, eine Gelegenheit unter weit günstigeren Bedingungen und mit viel mehr Zeit, in dem diese Fehler berichtigt werden können.

Dies würde bedeuten, dass die Menschen nicht nach ihren Taten im gegenwärtigen Leben beurteilt werden. Das scheint die Schlussfolgerung zu sein, zumindest für alle außer der „kleinen Herde". Ich meine damit nicht, dass er dies ausdrücklich lehrt, aber es ist praktisch die Auswirkung seiner Lehre. Das kann man aus der Tatsache ersehen, dass Russell dem gegenwärtigen Leben in Bezug auf jemandes Schicksal praktische keine Bedeutung beimisst, sondern es vielmehr zur Absicht seine ganzen Schemas macht, zu zeigen, dass die Menschen im gegenwärtigen Zeitalter nicht genügend Licht und Gelegenheit haben, um ihr ewiges Schicksal festzulegen, dass sie aber dieses Licht und diese Gelegenheit während des Millenniums haben werden. Damit läuft Russell wiederum praktisch der ganzen christlichen Welt zuwider, wenn er das kommende Zeitalter als Gelegenheit für die Errettung hervorhebt, während Prediger des Evangeliums die Gegenwart als Gelegenheit betonen, sich für die Zukunft bereit zu machen.

Russells Ansicht lässt sich praktisch so zuspitzen, als sagte er dem Sünder: „Du musst dir keine Sorgen machen, du wirst das ganze Millenniumzeitalter haben, um dich um die Sache zu kümmern. Du weißt nicht genug, um jetzt in irgendeiner Weise verantwortlich zu sein. Schlaf weiter; ich werde läuten und du wirst genug Zeit haben, dich zum Frühstück bereit zu machen." Eine solche Lehre nimmt dem Leben jegliche moralische Begeisterung und Ernsthaftigkeit. (Siehe Russells Widerruf auf Seite 141.) Diese neue Bewährungszeit bedeutet nicht, dass die Menschen einfach das Evangelium hören und glauben und errettet werden. Sie bedeutet, dass sie zum Leben erweckt und einer Prüfung für das ewige Leben unterzogen werden. Diese Auferstehung geschieht auf der Grundlage des von Christus bezahlten Loskaufspreises. So sichere das Loskaufsopfer nicht das ewige Leben, sondern nur eine Chance, die Errettung (oder ewiges Leben) zu erlangen. Die Bedingung, während des Millenniums ewiges Leben zu erlangen, sei dieselbe wie bei Adam, nämlich vollkommener Gehorsam.

Wir würden mit demselben Körper auferweckt, den wir in diesem Leben haben, und er sei immer noch dem Tode unterworfen. Jeder werde zumindest hundert Jahre lang leben dürfen. Wenn er in dieser Zeit Fortschritte mache, werde ihm eine weitere Gelegenheit gegeben. Wer vorsätzlich sündigt, werde schließlich ausgelöscht. Doch alle, die Fortschritte machen, würden weitergeführt, bis sie menschliche Vollkommenheit erreichen (Seiten 138, 139). Offensichtlich ist diese zweite Bewährung eine Bewährung unter Gesetz, nicht unter Gnade. Alles, was die Gnade tut, ist, eine zweite Bewährungszeit unter Gesetz zu sichern, in der das Schicksal des einzelnen von seinem eigenen Gehorsam abhängt statt von dem seines Bevollmächtigten. Er sagt: „Er gab sich selbst dahin, als Lösegeld [entsprechenden Kaufpreis] für alle, damit er alle segnen und wiederherstellen und jedem Menschen eine persönliche Prüfung zum Leben geben könne" (Seiten 143, 144). Wiederum: „Das 'Lösegeld für alle', das von dem 'Menschen Christus Jesus' gegeben wurde, gibt oder verbürgt keinem Menschen ewiges Leben oder ewiges Glück, sondern es gibt und verbürgt jedem Menschen eine zweite Gelegenheit oder eine persönliche Prüfung, ewiges Leben zu erlangen." (Kursiv im Original) (Seite 144.) In dieser zweiten Bewährung werde der Sünder eine bessere Chance haben, weil die Bedingungen viel besser sein werden. (Seite 147.) Die Erfahrung mit der Sünde werde in dieser Bewährungszeit ebenfalls helfen (Seite 139). Vollkommener Gehorsam werde nicht gefordert, bis die Mängel aufgrund der Sünden dieses Lebens beseitigt seien (Seite 139).

Die Vorstellung einer Errettung aus Gnade, wie sie von evangelischen Christen gelehrt wird und im Neuen Testament zu finden ist, ist, wie man sieht, den Gedanken Russells fremd. Adam hatte eine Bewährung unter Gesetz, wobei der Erfolg von seinem vollkommenen Gehorsam abhing. Diese Bewährung war eine Bewährung der ganzen Rasse. Die Bewährung, die während des Millenniums zu jedem einzelnen kommen werde, werde auch von vollkommenem Gehorsam abhängen, und folglich wird sie eine Bewährung unter Gesetz sein, nicht unter Gnade. Dies ist aus Seite 145 zu ersehen, wo Russell sagt: „ ... so werden doch die Bedingungen der persönlichen Prüfung [er meint natürlich während des Millenniums] dieselben sein wie in der adamischen." Dann macht er vollkommen klar, dass die Prüfung eine des Gehorsams unter Gesetz sein werde, indem er hinzufügt:
„Das Gesetz Gottes bleibt dasselbe, es verändert sich nicht, es wird immer noch sagen: 'Die Seele, die sündigt, die soll sterben'." Und wiederum sagt er: „Aber die Tatsache, daß die Menschen von der ersten Strafe erlöst sind, verbürgt nicht, daß sie, wenn sie persönlich auf ewiges Leben geprüft werden, nicht etwa den Gehorsam zu leisten verfehlen könnten, ohne welchen niemandem ewig zu leben gestattet wird" (Seite 144).

Das also ist es, was Russell lehrt: Adam wurde erschaffen und einer Prüfung auf ewiges Leben (fortgesetzter Existenz ohne Ende) unterzogen — die Bedingung war vollkommener Gehorsam.Unter dieser Prüfung habe er versagt. Folglich starb er (hörte auf, zu sein; wurde ausgelöscht). Der Tod kam als Strafe zu all seinen Nachkommen. Aber auf der Grundlage, dass Christus den „Loskaufspreis" für sie bezahlte (starb, als Mensch ausgelöscht wurde), werde Gott sie am Beginn des Millenniums zum Leben zurückbringen und ihnen eine weitere Chance geben, ewiges Leben (ständige Existenz) zu erlangen — unter der gleichen Bedingung, unter der Adam geprüft wurde (aber unter günstigeren Umständen).
Wie die Vorstellung von Gnade der Lehre Russells fehlt, so auch die Vorstellung von Schuld in Sünde. Sünde ist für Russell nicht mehr als ein Missgeschick, für das man kaum verantwortlich gemacht werden kann. In der Tat gelingt es Russell, sie zu einem Segen zu machen. Aufgrund unserer Erfahrung mit ihr in diesem Zeitalter werden wir alle, wenn das große Millenniumzeitalter kommt, um so weiser und bereiter sein, uns von der Sünde abzuwenden. So ist die Sünde ein Mittel der Züchtigung und Erziehung. Eine solche Sichtweise missachtet völlig, was das Neue Testament über die versklavende Macht der Sünde lehrt.

Russell scheint zu denken, dass das einzige Ergebnis der Sünde der physische Tod sei und Gott den Menschen aus dem Tode zum Leben wiedererwecken könne und dass der Mensch dann so weitermachen könne, wobei nichts von der Sünde übrig sei als die nützlichen Lektionen, die er daraus gelernt habe. Er sagt: „Dennoch beschloß Gott, Böses zuzulassen, denn er, der selbst das Heilmittel zur Erlösung des Menschen aus den Folgen desselben bereit hatte, sah voraus, daß als schließliches Ergebnis der Mensch zu einem vollen Verständnis der 'überaus großen Sündhaftigkeit der Sünde' geführt, und die Erhabenheit des Guten im Gegensatz dazu erkennen würde; auf diese Weise sollte er ihn lehren, mehr und mehr seinen Schöpfer, der die Quelle des Guten ist, zu lieben, und für immer das zu meiden, was so viel Weh und Elend über die Menschheit gebracht hat." (Seite 120).

Es gibt wahrscheinlich nichts in den Lehren Russells, das den oberflächlichen Charakter seines ganzen Glaubensgebäudes deutlicher zeigt als diese unbekümmerte Sichtweise der Sünde. Jeder, der sich über die Lehren der Bibel in Bezug auf die Sünde je Gedanken gemacht und der aufrichtig vor einem Gewissen stand, das sich durch den Heiligen Geist geregt hat, wird bereitwillig die Seichtheit seiner Lehren zu diesem Punkt erkennen. Und dazu fehlt in seiner Lehre auch noch die Anerkennung des heiligen Charakters Gottes. Sein Gott ist vielmehr ein schlauer Manipulierer, man könnte fast sagen, ein intriganter Trickser, der die Menschen auf einem Schachbrett bewegt, um einen Gegner zu überlisten.
Nebenbei bemerkt macht Russell den Menschen in diesem Zeitalter so hilflos, dass die praktische Auswirkung ist, dass er ja nicht anders kann als sündigen, während er im Millenniumzeitalter von guten Einflüssen oder Einhalt gebietenden Mächten umgeben ist, dass er kaum etwas anderes als gerettet werden kann. Die wesentlichen Elemente einer moralischen Prüfung, entweder jetzt oder während des Millenniums, fehlen in Russells Gedanken.

Die bereits angeführten Zitate zeigen, dass Russell lehrt, die Bedingung, während des Millenniums ewiges Leben zu erlangen, sei dieselbe wie für Adam, nämlich Gehorsam gegenüber dem Gesetz; aber der große Vorteil wird dann in der Tatsache liegen (so behauptet er), dass der Mensch so viel aus seiner Erfahrung mit der Sünde und mit dem Bösen in diesem Leben gelernt haben wird, und in diesen Einhalt gebietenden Einflüssen, die auf den Menschen einwirken werden. Regierung und Gesellschaft würden dann so organisiert sein, dass sie es einem leicht machen, das Rechte zu tun.

Wie bereits bemerkt, ist der Grund dafür, dass der Menschheit eine zweite Bewährung gegeben werde, dass Christus den Loskaufspreis bezahlte, um das Geschlecht von der Strafe zu befreien, die als Ergebnis der Sünde Adams über sie kam. Russells Lehre der Versöhnung ist eine ersatzweise, und dazu noch sehr simpel. Der Ersatz war nicht ein göttlicher, sondern ein menschlicher. Als Antwort auf die Frage, wie ein Mensch ein hinreichender Ersatz für die ganze Menschheit sein könne, gibt er eine sehr schlaue Antwort. Hier ist sie: „Da das ganze Geschlecht in Adam vertreten war, als er verurteilt wurde und durch ihn das Leben verlor, so starb auch, als Adams Leben durch den Menschen Christus Jesus erkauft wurde, das in seinen Lenden vorhandene Geschlecht, und so wurde die Gerechtigkeit voll befriedigt, indem ein entsprechender Preis für alle Menschen gegeben wurde." (Seite 149; siehe auch Seite 124). So starben der sündenlose Christus und das mögliche Geschlecht in ihm für den sündigen Adam und das tatsächliche Geschlecht, das aus ihm kam. Dies ist Ersatz mit Vergeltung.

Überdies starb Christus dieselbe Art von Tod, der über Adam und seine Nachkommen verhängt wurde — nämlich Auslöschung der Existenz. (Der Tod bedeutet bei Russell immer Vernichtung oder Auslöschung der Existenz.) Als Ergebnis werden Adam und sein Geschlecht einfach wieder zum Leben hergestellt und einer erneuten Prüfung unterzogen (Seiten 145, 146, 148, 151, 152).
Christus hat damit keine Vorkehrung für den Ungehorsam einzelner unter der zweiten Bewährung getroffen. Der vorsätzliche Sünder wird dort ausgelöscht. (Seite 151). Christi Loskaufsopfer befreit nur aus dem Tod, der als Strafe für Adams Sünde kam. Befreiung aus dieser Strafe bedeutet Auferweckung zu derselben Art von Leben, derer wir uns heute erfreuen, mit einer neuen Gelegenheit, ewiges Leben durch Gehorsam gegenüber Gott zu erlangen.

Hier steigt eine Frage bezüglich der Auferstehung aufgrund Christi Loskaufspreises auf. Nachdem Gott Menschen ausgelöscht hat, in den Tod, warum sollte er sie in der Auferstehung wieder zum Leben zurückbringen wollen? Warum sollte er an ihrer Statt nicht andere erschaffen? Das ist nüchtern betrachtet in etwa das, worauf Russells Lehre hinausläuft. Er sagt im wesentlichen, dass Gott die Existenz von Menschen auslöscht und sie dann wieder durch die Auferstehung zurückbringt. Er scheint zu erkennen, dass sie, wenn sie wieder zum Leben zurückkommen, sich ihrer früheren Erfahrungen in diesem Leben erinnern können. Es ist darin, dass er den Segen (denn darauf läuft es hinaus) der Sünde findet. Aber die Frage kommt in den Sinn, wie über den Abgrund der Vernichtung, die der Tod für Russell darstellt, ein Fortbestehen von Bewusstsein in der Erinnerung sein kann. Russell bliebe offensichtlich nichts anderes übrig, als willkürlich die Allmacht Gottes in Anspruch zu nehmen. (Es wäre in Übereinstimmung mit den allgemeinen gedanklichen Methoden Russells, das Problem auf diese Weise zu lösen.) Aber selbst ein allmächtiger Gott kann nichts tun, was im Widerspruch zu ihm selbst und der Welt, die er erschaffen hat, steht. Gott kann nicht etwas bestehen und zur selben Zeit nicht bestehen lassen.

Christen können an eine Auferstehung des Leibes glauben, weil sie an das Weiterleben der Seele glauben. Gott kann der geistigen Person, die beim Tode weiterbesteht, einen anderen Leib gemäß ihren Bedürfnissen und dem höheren Leben geben, das sie über das Grab hinaus führen wird. Andererseits kehrt Russell diese Beziehung um.
Er macht die Seele nur zu einer Funktion des leiblichen Organismus. Wenn sich der Leib im Tod auflöst, hört folglich die Seele auf zu sein, und sie kommt nur zur Existenz zurück, wenn der Leib wieder erweckt wird. Wenn das Prinzip der Identität und Kontinuität in der Seele besteht, dann kann ich über das Ereignis hinaus, das Menschen Tod nennen, leben, und Gott kann mir einen neuen Leib geben — in gewissem Sinne kontinuierlich, wie Paulus in 1. Korinther 15 an dem gegenwärtigen Leib zeigt, und doch seine Sterblichkeit und Verweslichkeit überdauernd. Wenn aber das Prinzip der Identität und Kontinuität im Leib liegt, dann bedeutet der Tod natürlich Vernichtung, und die Auferstehung ist in der Tat unmöglich.

Jede Form der Lehre von einer „schlafenden Seele" oder einer Bewusstlosigkeit zwischen Tod und Auferstehung läuft auf Russells Lehre von der Vernichtung im Tode und einer Wiedererschaffung in der Auferstehung hinaus und gründet sich auf eine materialistische Philosophie. Eine solche Lehre vertritt die Meinung, es gebe außerhalb eines Leibes kein Leben in Bewusstheit, und in ihr steckt der Gedanke, dass der Auferstehungsleib ein Leib aus „Fleisch und Blut" sei, sehr unserem gegenwärtigen Leib gleichend. Doch Paulus sagt, dass Fleisch und Blut das Königreich Gottes nicht ererben können — und damit ist natürlich das ewige Königreich Gottes gemeint. (Zu Russells materialistischen Vorstellungen von der Seele usw. siehe Band 5 der „Schriftstudien", Seite 304 ff.) Demgemäß stellt sich Russell die Leiber, mit denen die große Mehrzahl der Menschen am Beginn des Millenniums auferweckt werden, als Leiber sehr, wenn nicht völlig ähnlich den gegenwärtigen Leibern vor, damit Tod und Verwesung unterworfen. (Das werde für alle außer denen gelten, die als „geistige" Wesen auferweckt werden. Diese würden keine Menschen mehr sein, sondern „Geister" oder „göttliche" Wesen. Siehe die Erörterung über die Errettung im weiteren.)

Wer mit einem „menschlichen" Leib auferweckt wird, wird nie die Unsterblichkeit erlangen. Er mag „ewiges Leben" erlangen — fortdauernde Existenz als menschliches Wesen. Wer zum Mitglied der „kleinen Herde" wird, wird unsterblich werden, wie es Gott und Christus sind — in ihrer Existenz von niemandem außerhalb ihrer selbst abhängig.
Vielleicht ist alles, was darüber gesagt werden muss, dass das Neue Testament keine zwei Arten der Errettung kennt — eine das Erlangen „menschlicher Vollkommenheit" und die andere, zu einem „göttlichen" oder „Geistwesen" gemacht zu werden. Es weiß auch nichts über so etwas, dass ein menschliches Wesen in dem Sinne Unsterblichkeit erlangt, dass es unabhängig von Gott ist. Ein solcher Gedanke ist für jeden abstoßend, der an Gott als den höchsten Schöpfer und Beherrscher des Universums glaubt. Kein Mensch kann je ohne Gott leben. Die Menschen wurden nicht erschaffen, um wie Tiere zu vergehen, sondern um ewig zu leben. Dies gehört zum Wesen des Menschen als einem geistigen Lebewesen. Daher ist ewiges Leben im Sinne fortbestehender Existenz nichts, das im Millennium erreicht wird; es gehört zum Menschen als Menschen. (Es ist interessant, Russells Schwierigkeit mit Offenbarung 20:5 zu bemerken. Dort wird gesagt, die übrigen Toten würden erst am Ende der tausend Jahre leben. Die gewöhnliche vormillenniale Theorie ist der Meinung, die Gerechten, oder zumindest die Märtyrer, würden zu Beginn des Millenniums auferweckt, die Bösen aber erst am Ende des Millenniums. Doch das passt nicht zu Russells Theorie.

Er sagte, alle Toten würden zum Beginn des Millenniums auferweckt. Damit macht er uns mit einer großen Show von Gelehrsamkeit glauben, der Text sei unecht. Aber ich bemerke, dass Westcott und Hort ihn als echt angeben. Und da Russell bekannte, er könne überhaupt kein Griechisch, vermute ich, dass diese beiden großen Gelehrten des Griechischen — Westcott und Hort — wirklich bessere Autoritäten sind als Russell. Russell sagt dann weiter, selbst wenn der Text echt wäre, würde er nicht seiner Ansicht widersprechen, da die bösen Toten bis zum Ende des Millenniums nicht im vollen Sinne des Begriffes leben. Das bedeutet, wenn ihm ein Abschnitt im Weg steht, dann liest er ihn willkürlich aus dem Text heraus; und wenn er das nicht kann, dann ändert er sogar seine fundamentale Vorstellung vom Tod als Vernichtung — alles um eine Schwierigkeit zu überwinden.)

4. Die Rettung jetzt angeboten.
Wir kommen jetzt zu etwas, was man Russells Lehre der gegenwärtigen Errettung nennen könnte, obwohl das, was er zu diesem Thema lehrt, sich so völlig von der Lehre des Neuen Testamentes unterscheidet, dass das, was er lehrt, nur als eine Lehre der Rettung der Übereinkunft nach bezeichnet werden kann.
Wie bereits gesagt, lehrt er, dass Adam als vollkommener Mensch erschaffen wurde. Als er fiel, fiel das ganze Geschlecht in ihm, so dass nun alle Menschen verdorben und sündig geboren werden.

Russell glaubt, der Zweck des gegenwärtigen Evangeliumzeitalters sei es nicht, die Errettung jedem anzubieten, sondern nur ein paar Begünstigte auszuerwählen, die „Braut Christi".
Vielleicht können wir seine Lehre am besten verstehen, wenn wir auf die Schritte sehen, in denen diese „Braut Christi" erwählt wird. Der erste Schritt ist, dass sie gerechtfertigt werden. Das bedeutet, dass sie Christus als ihr Lösegeld annehmen, und dann spricht sie Gott gerecht oder rechnet sie als vollkommene Menschen. Dies versetzt sie in Gottes Rechnung an die Stelle zurück, wo sich Adam vor seinem Sündenfall befand. Das ändert jedoch nicht ihren Charakter (oder ihre Natur, wie Russell sich gewöhnlich ausdrückt). Das ist in seinem Schema etwas völlig anderes, und es folgt später (wenn es überhaupt stattfindet).

Diese Änderung der Natur bedeutet, wie wir bald hervorheben werden, dass sie aufhören, menschlich zu sein, und „geistige" oder „göttliche" Wesen werden. Das evangelische Christentum hat immer gesagt, mit einer Änderung der „Natur" in der Wiederherstellung gehe auch eine Änderung des Charakters einher. Die Vorstellung von Charakter fehlte in Russells Lehre von der Errettung. Moralische Vorstellungen ändern nur wenig an seinem Lehrschema. Das ist ein Grund, warum sein ganzes Schema so bewundernswert in einem Diagramm dargestellt werden konnte. Jede Vorstellung von einer Errettung oder vom christlichen Leben, das sich leicht in einem „Plan" darstellen lässt, ist mechanisch und daher nicht christlich. Passt auf den Bruder mit einem Diagramm der „Rettung" oder einem Plan der „Prophetie" auf. Solche Diagramme mögen den Einfallsreichtum des Autors und seine Fähigkeit, „Symbole" zu interpretieren und heilige „Zahlen" zu manipulieren, empfehlen, aber sie sind für einen Christen gerade so viel wert, wie es eine Multiplikationstabelle für eine Maus wäre, die versuchte, herauszufinden, wie sie aus einem Wasserfass herauskommt.

Diese Änderung der „Natur" beginnt im auf die Rechtfertigung folgenden Schritt. Es ist das, was Russell die Geistzeugung nennt. Er sagt: „Während dieses Evangelium-Zeitalters hat Gott gewissen Menschen ein Anerbieten gemacht und ihnen gesagt, daß sie unter gewissen Bedingungen ihre Natur verändern, irdische, menschliche Wesen zu sein aufhören und himmlische, geistige Wesen wie Christus, ihr Erlöser, werden könnten." (Seite 217). Die Bedingung dieser Geistzeugung ist, dass sie sich völlig Gott und seinem Dienst weihen. Er spielt hier auf Römer 12:1 an, wo Paulus die Römer ermahnt, ihre Leiber Gott als ein lebendiges Schlachtopfer darzubringen. Wer sich Gott weiht, wird nicht mehr als menschliches, sondern als geistiges Wesen gerechnet. Er sagt: „Diese Gottgeweihten werden von dem Augenblicke ihrer Weihung und Zeugung an nicht mehr als Menschen angesehen, sondern als von Gott durch das Wort der Wahrheit gezeugt; hinfort nicht mehr Kinder auf menschlicher, sondern geistiger Stufe" (Seite 218). „Ihr geistiges Wesen ist aber noch nicht vollendet; sie sind vom Geiste nur gezeugt, noch nicht geboren. Sie sind geistige Kinder im Embryozustande" (Seite 218).

Der nächste Schritt ist, aus dem Geist geboren zu werden. Dies findet in der Auferstehung statt.
Es hängt von der Bedingung ab, dass sie den Bund, in den sie zur Zeit der Geistzeugung eingetreten sind, erfüllen. Wer diesen Bund in seinem ganzen Leben erfüllt — seinen Leib zügelt (abtötet), seinen eigenen Willen unterdrückt und nur den Willen des Herrn erfüllt — der wird in der Auferstehung „verwandelt — zu vollkommenen geistigen Wesen, Christi herrlichem Leibe gleichgemacht." Wer von den Gläubigen bei Christi Wiederkehr lebt, wird auch verwandelt. (Siehe Seite 219.) Sie werden dann geistige Kinder Gottes sein.
Der Prozess ist jedoch noch nicht vollständig. Russell sagt: „Doch noch ein weiterer Schritt muß gemacht werden, über die Vollkommenheit als geistige Wesen hinaus, nämlich zu der 'Herrlichkeit danach' ... Wir beziehen uns hier nicht auf eine Herrlichkeit der Person, sondern auf eine solche der Macht oder der Amtsstellung ... Aber nachdem wir so vervollkommnet und ganz und gar wie unser Herr und Haupt gemacht worden sind, sollen wir mit ihm auch an der Herrlichkeit, Ehre und Machtstellung teilnehmen — mit ihm auf seinem Throne sitzen, so wie er, nachdem er bei seiner Auferstehung vollkommen gemacht worden war, zur rechten Hand der Majestät in der Höhe erhoben worden ist" (Seite 219). Dies ist der letzte Schritt in der Verherrlichung der „kleinen Herde", der „Braut Christi". Jetzt sind sie göttliche Wesen in demselben Sinne, wie Christus göttlich ist. Sie sind in demselben Sinne unsterblich, wie er ist, und werden mit ihm während des Millenniums herrschen.

Es ist weiter zu beachten, dass Russell hier lehrt, dass die Mitglieder der kleinen Herde, die erhöht worden sind, um am „göttlichen Wesen" und am göttlichen Thron teilzuhaben, mit Jesus dieselben Erfahrungen durchmachen wie er. Jesus, so sagt er, opferte seine menschliche Natur im Tode. Als er gekreuzigt wurde, wurde seine menschliche Natur vernichtet, ausgelöscht. Dann wurde er als göttliches Wesen auferweckt und zur Rechten der Majestät in der Höhe erhoben. Die Mitglieder der kleinen Herde machen dieselbe Art von Erfahrung durch, außer dass sie einen Schritt tiefer beginnen — sie beginnen auf der Ebene menschlicher Verderbtheit, als gefallene Menschen, während Jesus auf der Ebene menschlicher Vollkommenheit begann.

Über Jesus sagt Russell: „Als er sich so weihte, sein Wesen und alles Gott weihte (in der Taufe, von der er spricht), da war sein Opfer heilig, rein und Gott annehmbar. Daß sein Opfer angenommen war, das zeigte Gott dadurch, daß er ihn mit seinem Geiste und seiner Kraft erfüllte, als der Heilige Geist auf ihn kam, und er so gesalbt wurde.
Dies Erfüllen mit dem Geiste war seine Zeugung zur neuen, der göttlichen Natur, die ganz entwickelt oder geboren werden sollte, wenn er das 'Opfer', das Aufopfern der menschlichen Natur, ganz vollbracht haben würde. Diese Zeugung brachte ihn vom menschlichen Zustande eine Stufe aufwärts ... Auf dieser Stufe verbrachte Jesus dreieinhalb Jahre seines Lebens, bis sein menschliches Dasein am Kreuze endete. Dann, am dritten Tage nach seinem Tode wurde er zum Leben ... auferweckt" (Seite 222). Aber wir dürfen diese Aussage Russells nicht so verstehen, als sei Jesus in dem Sinne von den Toten auferstanden, wie Christen diese Lehre gewöhnlich glauben. Russell glaubt, der Leib Jesu sei nicht von den Toten auferstanden. Er habe sich vielleicht in Luft aufgelöst. (Band 2 der „Schriftstudien", Seite 122). Der Tod Jesu bedeute vielmehr die Vernichtung seiner menschlichen Natur, und die Auferstehung bedeute, dass er als göttliches Wesen zum Leben kam. (Siehe den Abschnitt über die Person Christi.)

So sagt Russell: „Jesus wurde daher bei seiner Auferstehung ein Geist, ein Geistwesen und blieb in keinem Sinne mehr ein menschliches Wesen ...
Wohl hatte er die Macht, als Mensch zu erscheinen, und tat es auch, um seine Jünger zu belehren und ihnen zu beweisen, daß er nicht mehr tot sei, aber er war kein Mensch mehr ... 'Also ist ein jeder, der aus dem Geist geboren ist'." (Seite 222).
Nach dem Beispiel Jesu mögen wir auch vom Geist gezeugt werden, wenn wir, nachdem wir gerechtfertigt wurden, uns völlig dem Dienst für Gott hingeben. Wenn wir dann gemäß dem Eid unserer Weihung leben, werden wir aus dem Geist geboren, das heißt, in der Auferstehung als Geistwesen auferweckt, und mögen als letzten Schritt zum Thron der Herrlichkeit zugelassen werden, um mit Christus zu herrschen.

(An einigen Stellen scheint Russell einen Unterschied zwischen geistigen und göttlichen Naturen zu machen. So lehrt er zum Beispiel, dass Christus vor seiner Fleischwerdung ein Geistwesen war, kein göttliches. Aber in Kapitel 12 des Bandes 1 scheint er bei der Erörterung der Verherrlichung der „kleinen Herde" diesen Unterschied zu ignorieren.) Indem er die Vorstellung darlegt, dass wir denselben Prozess durchmachen, sagt Russell: „Die Stufen, welche die Kirche bis zu ihrer Verherrlichung durchlaufen muß, sind dieselben, die auch ihr Herr und Meister durchgemacht hat, 'der uns ein Vorbild gelassen hat, daß wir seinen Fußstapfen nachfolgen sollten' — nur mit dem Unterschiede, daß die Kirche von einer niedrigeren Stufe ausgeht." (Seite 223).

Nun wollen wir uns ein paar der Ideen ansehen, die von diesem Mann vorgebracht wurden, der 'des Herrn besonderer Diener [war], um dem Haushalt des Glaubens Speise zur rechten Zeit zu geben.' (Siehe das Vorwort zu Band 7 der „Schriftstudien", herausgegeben von einigen Nachfolgern Russells nach seinem Tode.) Er hat sicherlich einige neuartige Ideen vorgebracht, indem er den „Pfad zur Herrlichkeit" dargelegt hat.
Eine dieser neuartigen Ideen ist der Gedanke, dass man gerechtfertigt werden kann, ohne aus dem Geist gezeugt oder geboren zu sein. Ich habe so manche Amateurtheologen (wie auch einige weniger amateurhafte) die Frage, was zuerst komme, die Rechtfertigung oder die Wiedergeburt, erörtern und versuchen gehört, das Verhältnis der beiden zu klären. Aber Russell ist der erste Theologe (?), an den ich mich erinnere, von ihm gelesen zu haben, dass man gerechtfertigt werden könne, ohne wiedergeboren zu sein.

Einige haben gesagt, die Rechtfertigung komme zuerst, und andere haben gesagt, die Wiedergeburt komme zuerst. Russell sagt nicht nur, dass die Rechtfertigung zuerst komme, sondern dass man es dabei auch bewenden lassen könne. Protestantische Theologen haben gewöhnlich gesagt, dass die Rechtfertigung jemandem eine neue Stellung vor Gott gebe und die Wiedergeburt eine neue Natur. Aber sie haben auch gesagt, dass Rechtfertigung und Wiedergeburt praktisch zur selben Zeit stattfinden (was immer in der Ordnung der Logik vorangehen mag).

Aber Russell sagt, man könne eine neue Stellung einnehmen, ohne je die neue Natur zu haben. Dieser „Mann großer Bescheidenheit" (Vorwort zu Band 7) zögerte nicht, die gesamte christliche Welt in diesem Punkte zu berichtigen, in dem sie gemäß „Pastor" Russell alle unrecht hatten, bis er als des Herrn erwählter Diener erschien, um sie zu korrigieren. So hört denn, all ihr protestantischen Theologen, und lernt, dass ihr alle im Unrecht wart zu denken, wenn ein Sünder durch die Gnade Gottes gerechtfertigt wurde, sei er gleichzeitig auch aus dem Geist geboren. Wie schade, dass der Herr diesen Propheten nicht früher erweckte, um uns in unserer Theologie über die „Ordnung der Rettung" und den „Pfad zur Herrlichkeit" zu berichtigen!

Russell glaubt, man könne gerechtfertigt sein und nicht weiter auf dem „Pfad zur Herrlichkeit" gehen. In diesem Fall sieht ihn Gott als einen Sohn an, aber nur als menschlichen Sohn, nicht als geistigen Sohn. Von denen, die gerechtfertigt sind, aber nicht weiter gehen, sagt Russell, sie seien gerechtfertigt, aber nicht geheiligt. Sie hätten sich nicht voll Gott geweiht und seien deshalb nicht als Geistgeschöpfe gezeugt worden: „Sie stehen etwas höher als die Welt, weil sie einen gewissen Glauben an Jesum haben, aber sie haben die hohe himmlische Berufung dieses Zeitalters, Glieder der geistigen Familie Gottes zu werden, nicht angenommen. Wenn sie sich völlig den gerechten Gesetzen des Königreiches Christi unterwerfen, werden sie schließlich in der Wiederherstellung das Bild des vollkommenen irdischen Menschen, Adam, erlangen. Alles, was durch Adam verloren ging, werden sie voll und ganz wiedererlangen; sie werden dieselbe geistige, sittliche und körperliche Vollkommenheit erreichen und wieder im Bilde Gottes sein, wie Adam; denn dazu wurden sie erkauft." (Seite 227).

Diese Gerechtfertigten erlangen nur eine armselige Art Errettung, wenn man sie mit denen vergleicht, die auf dem „Pfad zur Herrlichkeit" weitergehen. Sie haben nur eine Chance (ganz sicher eine ziemlich gute, eine, die kaum jemand verfehlen kann), während des Millenniumzeitalters zusammen mit der großen Masse der Menschheit vollkommene Menschen zu werden. Um so vollkommen zu werden, müssen sie sich gemäß dem eben angeführten Zitat „völlig den gerechten Gesetzen des Königreiches Christi unterwerfen" (während des Millenniums) und auch „einen gewissen Glauben" haben (vielleicht während dieses Lebens). Diese Aussage scheint zu beinhalten, dass jemand zurückfallen und seine Stellung verlieren kann.

Nun glaube ich, habe ich eine weitere Entdeckung gemacht. Ich zögere etwas, sie mitzuteilen, weil es sich um eine ziemlich schwerwiegende Sache handelt. Aber ich muss es tun, um mich gegenüber den Fakten als wahrhaftig zu erweisen. Hier ist meine Entdeckung: Dieser „bescheidene Mann", den Gott erweckte, um uns alle übrigen Theologen zu berichtigen, wusste nichts von dem, was der große Apostel Paulus mit Rechtfertigung meinte. Es sieht etwas verdächtig aus, wenn Russell eine Lehre über die Rechtfertigung verkündet, mit der er völlig anderer Meinung ist als das, was protestantische Theologen in fast einmütiger Übereinstimmung dargelegt haben. Aber es ist schon mehr als verdächtig, es wird in den Augen von Christen zu einer sehr schwerwiegenden Sache, wenn er grundlegend von der Ansicht des Paulus abweicht, weil Christen schon immer glaubten, dass Paulus recht hatte. Und für jeden, der Paulus liest und dann Russell, ist es offensichtlich, dass Paulus mit Rechtfertigung eine Sache, und Russell eine völlig andere meint.

Ohne in die Einzelheiten über Pauli Lehre der Rechtfertigung zu gehen, genügt es zu sagen, dass Paulus glaubte, die Rechtfertigung setze einen Menschen genau in die Mitte der reichsten Segnungen, die ein Sünder, der durch die Gnade Gottes gerettet wurde, je kennen kann. Paulus glaubte nicht, dass ein gerechtfertigter Mensch unmittelbar in den Besitz der Fülle all dieser Segnungen käme, er glaubte aber, nichts über die Rechtfertigung hinaus, keine darauffolgende Transaktion, die sich auf etwas anderes gründet als auf den Glauben an Christus als den Erlöser, sei notwendig, um den Beginn dieser Segnungen in jemanden Besitz zu bringen. Mit anderen Worten: Paulus glaubte, dass der rechtfertigende Glaube einen Menschen zu einem Kind Gottes und zum Miterben mit Jesus Christus mache, zu einem Erben aller Segnungen, die Gott vorstellbar seinen Kindern verleihen kann. Dies legt er in glühender Sprache in Römer 8 dar. Welche geistigen Segnungen man immer in Römer 8 findet, sie gehören dem Gerechtfertigten unter keiner anderen Bedingung als dem rechtfertigenden Glauben. Alles vom „nicht unter Verurteilung" des ersten Kapitels bis zum „keine Scheidung" des Höhepunktes gehört dem Sünder, der durch den Glauben an Jesus Christus gerechtfertigt ist. Dies schließt die Teilhabe an der ewigen Herrlichkeit Christi ein, die größte Herrlichkeit, die ein Mensch erhalten kann, der durch den Geist Gottes geboren ist. All dies gehört ihm als einem durch Glauben Gerechtfertigten.

Freude der Ungläubigen

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