Holbach Teil I


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von D. am 18. Mai 2002 11:37:15:

Als Antwort auf: Re: Suche ehrlich Antworten geschrieben von Drahbeck am 16. Mai 2002 20:35:13:

Paul Thiry d Holbach
Religionskritische Schriften
(Auszüge aus dem 1970 erschienenen Buch)

- Ohne Kommentar - bewusst ohne Kommentar - Letzterer sei dem Leser überlassen!

Das entschleierte Christentum
oder Prüfung der Prinzipien und Wirkungen der christlichen Religion

S. 59:
Mit einem Wort, die Religion ändert nichts an den Leidenschaften der Menschen, sie schenken ihr nur dann Gehör, wenn sie mit ihren Begierden übereinstimmt.

Vergebens predigt die Religion Tugend, wenn diese Tugend mit den Interessen der Menschen in Widerspruch gerät und zu nichts führt.

Anstelle von Moral schärft man den Christen die wunderlichen Fabeln und unbegreiflichen Dogmen einer Religion ein, die der gesunden Vernunft völlig entgegengesetzt ist.
S. 60:
Trotz der Nutzlosigkeit und der Verkehrung der Moral, die das Christentum die Menschen lehrt, wagen uns seine Anhänger zu erklären, daß es ohne Religion keine guten Sitten geben könne. Gute Sitten - was bedeutet das aber in der Sprache der Christen? Das bedeutet unaufhörlich beten, die Tempel besuchen, Buße tun, den Vergnügungen entsagen und in Andacht und Zurückgezogenheit leben.

Mögen Sitten dieser Art in den Himmel führen, für die Erde sind sie äußerst nutzlos.
S. 64:
Viele sittenlose Menschen haben die Religion angegriffen, weil sie ihren Neigungen zuwiderlief; viele Weise haben die Religion verachtet, weil sie ihnen lächerlich schien; viele Menschen haben sie für gleichgültig erachtet, weil sie ihre wirklichen Nachteile nicht bemerkt haben. Ich bekämpfe sie als Staatsbürger, weil sie mir für das Glück des Staates schädlich zu sein scheint, weil sie eine Feindin des Fortschritts des menschlichen Geistes ist, weil sie gegen eine gesunde Moral gerichtet ist, von der die Interessen der Politik niemals zu trennen sind.
S. 67:
Die Priesterschaft verleumdet die Wahrheit, weil sie ihre prunkvolle Anmaßung zunichte macht.
S. 68:
Das sicherste Mittel, die Menschen zu täuschen und ihre Vorurteile zu verewigen, besteht darin, sie in der Kindheit zu täuschen. Bei fast allen modernen Völkern scheint die Erziehung nur das eine Ziel zu haben, Fanatiker, Frömmler und Mönche hervorzubringen, das heißt für die Gesellschaft schädliche oder nutzlose Menschen. Nirgends denkt man daran, Staatsbürger heranzubilden.
S. 69:
Unter dem Vorwand, ihnen Frieden zu bringen, brachte sie ihnen nur Raserei, Haß, Zwietracht und Krieg.

Es bildeten sich in jedem Staat zwei verschiedene Mächte heraus: die Macht der Religion, auf Gott selbst gegründet, siegte fast immer über die Macht des Herrschers. Dieser wurde gezwungen, Diener der Priester zu werden; und immer dann, wenn er sich weigerte, das Knie vor ihnen zu beugen, wurde er geächtet und seiner Rechte beraubt, wurde er von seinen Untertanen vernichtet, welche die Religion zur Revolte anstachelte, oder von Fanatikern, in deren Händen die Religion zum Dolch wurde.
S. 71:
Dieser unter dem Namen Moses bekannte Mann, erzogen in den Wissenschaften dieser Gegend, die an Wundern fruchtbar und die Mutter des Aberglaubens war, setzte sich also an die Spitze einer Schar von Flüchtigen, denen er einredete, er sei der Deuter des Willens ihres Gottes, pflege mit ihm geheime Unterredung und empfange direkt von ihm seine Befehle.

Der erste Befehl, den er ihnen im Auftrag seines Gottes gab, war der, ihre Herren zu bestehlen, als die sie gerade verlassen wollten. Als er sie auf diese Weise mit der Beute Ägyptens bereichert hatte und ihres Vertrauens sicher war, führte er sie in eine Wüste, wo er sie vierzig Jahre hindurch an blinden Gehorsam gewöhnte.

Den Hebräern, diesen Räubern, Usurpatoren und Mördern, gelang es schließlich, sich in einer wenig fruchtbaren Gegend niederzulassen, die ihnen aber, da sie aus ihrer Wüste kamen, lieblich erschien. Dort gründeten sie unter der Autorität ihrer Priester, der sichtbaren Vertreter ihres verborgenen Gottes, einen Staat, der von ihren Nachbarn verabscheut und zu allen Zeiten der Gegenstand ihres Hasses oder ihrer Verachtung war. Unter der Bezeichnung Theokratie regierte das Priestertum lange dieses verblendete und wilde Volk; es redete ihm ein, wenn es seinen Priestern gehorche, gehorche es Gott selbst.
S. 74:
Die Juden sagen, Jesus sei der Sohn eines Soldaten namens Pandira oder Panther gewesen, der Maria verführte, eine Haarmacherin, die mit einem gewissen Jochanan verheiratet war; oder, wie andere berichten, vergnügte sich Pandira mehrere Male mit Maria, während diese glaubte, es mit ihrem Mann zu tun zu haben. Auf diese Weise wurde sie schwanger, und ihr betrübter Gatte zog sich nach Babylon zurück. Andere behaupten, Jesus habe in Ägypten die Magie erlernt und sei von dort nach Galiläa gekommen, wo er seine Kunst ausübte und umgebracht worden sei. ...
S. 75:
Paulus, der ehrgeizigste und schwärmerischste unter den Jüngern Jesu, brachte also seine Lehre mit Erhabenem und Wunderbaren schmackhaft gemacht, zu den Völkern Griechenlands, Asiens, ja sogar zu den Einwohnern Roms; er fand Anhänger, weil jeder, der die Einbildungskraft ungebildeter Menschen anspricht, sie für seine Interessen verwenden kann. Dieser tatkräftige Apostel kann mit vollem Recht als Begründer einer Religion gelten, die sich ohne ihn nicht hätte verbreiten können, weil es seinen unwissenden Gefährten an Erleuchtung mangelte; er zauderte nicht, sich von ihnen zu trennen, um Oberhaupt seiner Sekte zu sein.

Die Ebioniten oder ersten Christen sahen in Paulus einen Abtrünnigen, einen Ketzer, weil er völlig vom Gesetz Moses abwich, während es die anderen Apostel reformieren wollten.
Die ersten Christen wurden geringschätzig Ebioniten genannt, was soviel wie Bettler und Lumpen bedeutet. Siehe: Origenes gegen Celsus Buch II, und Eusebius Kirchengeschichte, Buch III, Kap. 37. Ebion heißt im Hebräischen arm. Später hat man das Wort Ebion personifizieren wollen, und man hat daraus einen Ketzer, einen Sektenführer gemacht.
S. 76:
Die römische Regierung bemerkte die Fortschritte der verachteten Vereinigung zu spät. Die Christen, zahlreich geworden, wagten es, den Göttern des Heidentums bis in ihre Tempel hinein zu trotzen. Die Kaiser und Beamten, unruhig geworden, wollten die Sekte, die nun ihren Argwohn erregte, auslöschen. Sie verfolgten die Menschen, die sie nicht durch Milde zurückgewinnen konnten und die ihr Fanatismus halsstarrig machte. Ihre Martern riefen Anteilnahme zu ihren Gunsten hervor, ihre Verfolgung vervielfachte nur die Zahl ihrer Freunde. Schließlich erschien ihre Standhaftigkeit unter der Folter denen, die Zeugen davon wurden, übernatürlich und göttlich. Die Schwärmerei griff um sich und die Tyrannei diente nur dazu, der Sekte, die man auslöschen wollte, neue Verteidiger zu verschaffen.
S. 77:
Man verfolgte schonungslos diejenigen, die am Kult ihrer Väter festhielten; die Christen gaben also den Heiden mit Zins und Zinseszins alle Übel zurück, mit denen sie von ihnen bedacht worden waren.

Man entlastete die Priester von allen bürgerlichen Funktionen, damit nichts sie von ihrem heiligen Dienst ablenke. So wurden die Priester einer ehemals demütigen und unterdrückten Sekte unabhängig. Nachdem sie schließlich mächtiger geworden waren als die Könige, maßten sie sich bald das Recht an, diesen selbst zu befehlen.

"Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen." So verkündet es dieses Evangelium, welches das Menschengeschlecht mehr Blut gekostet hat als alle anderen Religionen der Welt zusammengenommen.
S. 83:
Endlich, wie sind im christlichen System mit der Güte Gottes oder mit seiner Weisheit sein oft barbarisches Verhalten und seine blutdürstigen Befehle zu vereinbaren, welche die heiligen Bücher ihm zuschreiben? Wie kann ein Christ einem Gott Güte zuschreiben, der die meisten Menschen nur erschaffen hat, um sie auf ewig zu verdammen?
S. 86:
Gott, so sagt man uns, hat zu den Menschen gesprochen, aber wann hat er denn gesprochen? Er hat vor Tausenden von Jahren zu auserwählten Menschen gesprochen, die er zu seinen Werkzeugen gemacht hat. Aber wie will man sich dessen versichern, ob es wahr ist, daß dieser Gott gesprochen hat, wenn man sich nicht auf das Zeugnis derer verlassen will, die behaupten, seine Befehle empfangen zu haben?
S. 87:
Wie soll man heute noch herausfinden, ob es wirklich wahr ist, daß sich Moses vor einigen tausend Jahren mit seinem Gott unterhalten und von ihm das Gesetz des jüdischen Volkes empfangen hat? Was für eine Veranlagung hat denn dieser Moses? War er phlegmatisch oder schwärmerisch, aufrichtig oder verschlagen, ehrgeizig oder uneigennützig, wahrhaft oder verlogen? Kann man sich auf das Zeugnis eines Menschen verlassen, der, nachdem er so viele Wunder getan hat, dennoch sein Volk nie von Götzendienerei befreien konnte und der, nachdem er 47 000 Israeliten hatte über die Klinge springen lassen, die Stirn hatte zu behaupten, er sei der sanftmütigste aller Menschen? Sind die Bücher, die diesem Moses zugeschrieben werden und die von so vielen Tatsachen berichten, die erst nach ihm geschehen sind, wirklich authentisch? Endlich, welchen Beweis haben wir von seiner Mission außer dem Zeugnis von 600 000 unzivilisierten, abergläubischen, unwissenden und leichtgläubigen Israeliten, die sich vielleicht von einem grausamen Gesetzgeber anführen ließen, der immer bereit war, sie auszurotten?
S. 89:
Wenn der Christ Jerusalem und das Zeugnis von ganz Galiläa anführt, um mir die Wunder Jesu Christi zu beweisen, sehe ich ebenfalls nur einen unwissenden Pöbel, der sie bezeugen kann. Ich frage mich, wie es möglich war, daß ein ganzes Volk, Zeuge der Wunder des Messias, seinem Tod zustimmte, ja ihn sogar mit Eifer forderte. Würde das Volk von London oder Paris es dulden, daß man vor seinen Augen einen Menschen umbringt, der Tote auferweckt hat, der Blinde sehend und Lahme gehend gemacht hat und der Gelähmte geheilt hat? Haben die Juden wirklich den Tod Jesu gefordert, so müssen alle seine Wunder für jeden unvoreingenommenen Menschen ungültig sein.
S. 91:
Man will uns glauben machen, daß bei dem Tode des Gottessohnes die Erde gebebt und die Sonne sich verfinstert habe und daß die Toten aus ihren Gräbern auferstanden seien. Weshalb sind solch außergewöhnliche Ereignisse nur von einigen Christen beobachtet worden? Waren sie denn die einzigen, die etwas davon bemerkten? Man will uns glauben machen, daß Christus auferstanden sei. Man führt uns Apostel, Frauen und Jünger als Zeugen an. Wäre ein feierliches Erscheinen auf einem öffentlichen Platz nicht viel überzeugender gewesen als jene geheimen Erscheinungen, die den Menschen zuteil wurden, die an der Bildung einer neuen Sekte interessiert waren? Der christliche Glaube gründet sich nach dem Heiligen Paulus auf die Auferstehung Jesu Christi. Es wäre also notwendig gewesen, diese Tatsache den Völkern auf die klarste und unzweifelhafteste Art und Weise zu beweisen.

Die Wunder scheinen außerdem nur erfunden worden zu sein, um stichhaltige Begründungen zu ersetzen. Wahrheit und Evidenz haben keine Wunder nötig, um sich durchzusetzen. Ist es nicht recht merkwürdig, daß Gott es leichter findet, die Ordnung der Natur zu stören, als die Menschen eindeutige Wahrheiten zu lehren, die geeignet sind, sie zu überzeugen und ihnen ihre Zustimmung abzuringen? Die Wunder sind nur erfunden worden, um den Menschen Dinge zu beweisen, die zu glauben unmöglich ist. Würde man die Vernunft predigen, brauchte man keine Wunder.

Die Basilidianer und die Cerinther, Ketzer, die zur Zeit der Entstehung des Christentums lebten, behaupteten, daß Christus gar nicht gestorben und das Simon von Cyrene statt seiner gekreuzigt worden wäre. Siehe: Epiphanius, Ketzereien, Kap. 28. Seit der Entstehung der Kirche zogen also die verschiedensten Menschen den Tod und folglich auch die Auferstehung Jesu Christi in Zweifel. Und man verlangt, daß wir heute daran glauben!
92:
So dienen also unglaubliche Dinge als Beweis für andere unglaubliche Dinge. Fast alle Betrüger, die den Völkern Religionen brachten, haben ihnen unwahrscheinliche Dinge verkündet, und dann vollbrachten sie Wunder, um die Menschen zum Glauben an das, was sie ihnen verkündeten zu zwingen.

Man sieht also, daß Wunder nichts beweisen, es sei denn die Geschicklichkeit und Betrügerei derer, welche die Menschen täuschen wollen, um die Lügen zu bekräftigen, die sie ihnen verkündet haben. Sie beweisen die dumme Leichtgläubigkeit derer, die von diesen Betrügern verführt werden.
S.93:
Die Prophezeiungen, welche die Christen Jesus Christus nachsagen, werden von den Juden mit anderen Augen angesehen. Sie erwarten diesen Messias noch immer, von dem die Christen glauben, er sei vor achtzehnhundert Jahren erschienen.

Alle Menschen neigen natürlicherweise dazu, das Ende ihres Unglücks zu erhoffen, und glauben, die Vorsehung könne nicht umhin, sie glücklicher zu machen.
94:
In der Tat, wenn wir das Verhalten dieser Propheten untersuchen, die vom Alten Testament so gerühmt werden, so werden wir in ihnen alles andere als tugendhafte Persönlichkeiten entdecken. Wir finden anmaßende Priester, unablässig mit Staatsaffären beschäftigt, die sie immer mit denen der Religion zu verbinden wußten.
95:
Die Christen, deren Geist von der Idee ihres Christus erhitzt war, haben ihn überall zu sehen geglaubt und selbst in den dunkelsten Stellen des Alten Testaments deutlich wahrgenommen. Mit Hilfe von Gleichnissen, Haarspaltereien, Kommentaren und gewaltsamen Auslegungen sind sie endlich dahin gekommen, sich selbst Illusionen zu machen und in den zusammenhanglosen Träumereien, in den unklaren Orakeln, in dem ungereimten Wortschwall der Propheten bündige Weissagungen zu entdecken.

Der Prophet Samuel, unzufrieden mit Saul, der sich weigerte, an seinen Grausamkeiten teilzunehmen, erklärt ihn der Krone für verlustig und schafft ihm einen Rivalen in der Person Davids. Elia scheint nur ein Aufsässiger gewesen zu sein, der in den Streitigkeiten mit seinen Herrschern den Kürzeren zog und gezwungen war, sich durch Flucht gerechten Züchtigungen zu entziehen. Jeremia läßt uns wissen, daß er ein Verräter war, der mit Assyrien ein Bündnis gegen sein belagertes Vaterland einging; er scheint nur mit der Sorge beschäftigt gewesen zu sein, seinen Mitbürgern den Mut und den Willen zur Verteidigung zu nehmen. Er kauft von seinen Verwandten einen Acker, und gleichzeitig verkündet er seinen Landsleuten, daß sie verstreut und in Gefangenschaft geführt würden. Der König von Assyrien empfiehlt diesen Propheten seinem Feldherrn Nebusaradan und sagt ihm, er möge sich seiner annehmen.

Man kann sehr leicht alles in der Bibel finden, wenn man sich an sie klammert, wie es der heilige Augustin tat, der das ganze Neue Testament im Alten Testament gesehen hat. Ihm zufolge ist die Opferung Abels das Bild der Opferung Jesu Christi. Die zwei Frauen Abrahams stellen die Synagoge und die Kirche dar, ein Stück rotes Tuch, getragen von einem Freudenmädchen, das Jericho verriet, bedeutet das Blut Jesu Christi. Das Lamm, der Bock, der Löwe sind Figurationen Jesu Christi. Die eherne Schlange stellt das Kreuzopfer dar. Selbst die Mysterien des Christentums sind schon im Alten Testament angekündigt. ...

Im Evangelium des heiligen Lukas, Kap. 21, kündigt er offensichtlich das Jüngste Gericht an. Er spricht von den Engeln, die beim Schall der Trompeten die Menschen versammeln werden, auf daß sie vor ihm erscheinen. Er fügt hinzu: "Wahrlich, ich sage euch: Dies Geschlecht wird nicht vergehen, bis daß es alles geschehe." Allerdings existiert die Welt heute noch, und die Christen warten nun seit achtzehnhundert Jahren auf das Jüngste Gericht.
96:
Überall wo die Menschen unwissend sind, wird es Propheten, Inspirierte und Wundertäter geben. Diese beiden Geschäftszweige verringern sich stets im gleichen Verhältnis, in welchem die Aufklärung der Völker zunimmt.

Und die Märtyrer beweisen nichts anderes als die Kraft der Begeisterung, der Verblendung, der Halsstarrigkeit, die der Aberglaube hervorbringen kann, und den grausamen Wahnsinn all derer, die ihresgleichen wegen religiöser Anschauungen verfolgen.
97:
Alle starken Leidenschaften haben ihre Märtyrer: Stolz, Eitelkeit, Vorurteil, Begeisterung für das Gemeinwohl, selbst das Verbrechen lassen jeden Tag Märtyrer entstehen oder bewirken zumindest, daß die, welche von diesen Dingen berauscht sind, die Augen vor Gefahren verschließen. Ist es also überraschend, daß Begeisterung und Fanatismus, die beiden stärksten menschlichen Leiden schafften, so oft diejenigen dem Tode trotzen ließen, welche sich an Hoffnungen berauscht hatten, die diese beiden Leidenschaften erwecken?

Wenn Märtyrer die Wahrheit einer Religion beweisen könnten, dann gäbe es keine Religion und keine Sekte, die nicht als wahr angesehen werden könnte.
99:
Das Dogma der Trinität ist offensichtlich den Traumgespinsten Platos entlehnt oder vielleicht den Allegorien, hinter denen dieser phantastische Philosoph seine Lehre zu verbergen suchte. Ihm verdankt das Christentum wahrscheinlich die meisten seiner Dogmen. Platon ließ drei Hypostasen oder Seinsweisen der Gottheit zu.
102:
Niemals sind sich die christlichen Theologen untereinander über die Beweise der Existenz eines Gottes einig gewesen. Sie behandeln sich gegenseitig als Atheisten, weil ihre Beweisführung nie dieselben sind. Nur sehr wenige Christen haben über die Existenz Gottes geschrieben, ohne des Atheismus bezichtigt worden zu sein. Descartes Clarke, Pascal, Arnauld, Nicole sind als Atheisten angesehen worden. Der Grund hierfür ist sehr einfach: die Existenz eines so wunderlichen Wesens wie das, zu dem das Christentum seinen Gott gemacht hat, ist völlig unmöglich zu beweisen.
104:
So haben der Tartarus und das Elysium aus der heidnischen Mythologie, die von Betrügern erfunden wurden, welche die Menschen zittern machen oder sie verführen wollten, in dem religiösen System der Christen ihren Platz gefunden, welche die Namen dieser Aufenthaltsorte in Paradies und Hölle umänderten.
106:
Die heiligen Bücher der Juden und Christen sind voll von Erscheinungen dieser wunderbaren Wesen, welche die Gottheit solchen Menschen sandte, denen sie ihre Gunst erweisen wollte, damit sie ihre Führer, ihre Beschützer, ihre Schutzgötter seien. Hieraus ersieht man, daß die guten Engel in der Vorstellung der Christen das sind, was die Nymphen, die Laren, die Penaten in derjenigen der Heiden gewesen sind und was die Feen für unsere Romanschreiber waren.
107:
Indem man die Menschen zittern macht, gelingt es, sie zu unterwerfen und ihre Vernunft zu trüben.

Es ist augenscheinlich, daß die römischen Katholiken ihr Fegefeuer Platon verdanken. Dieser exaltierte Philosoph teilt die Seelen in reine, heilbare und unheilbare ein. Die ersteren, die den Gerechten angehört hatten, strömen in die universale Weltseele zurück, das heißt in die Gottheit, deren Emanation sie gewesen sind. Die zweiten fahren zur Hölle, wo sie jedes Jahr den Richter dieses finstersten Reiches vorgeführt werden; diese lassen jene Seelen, die ihre Fehler genügend abgebüßt haben, zum Lichte zurückkehren. Die unheilbaren Seelen schließlich bleiben in der Unterwelt, wo sie für immer gemartert werden. Wie die christlichen Kasuisten gibt Platon die Verbrechen und die Fehler an, die diese verschiedenen Arten der Peinigung verdienen.
112:
Die ganze Geschichte der Hebräer bietet uns eine Sammlung von Märchen, die des Ernstes der Geschichte und der Majestät Gottes unwürdig sind. Lächerlich für den gesunden Menschenverstand scheint sie nur erfunden zu sein, um die Leichtgläubigkeit eines kindischen und stumpfsinnigen Volkes zu unterhalten.
113:
Was soll man zu den falschen und nicht vorhandenen Prophezeiungen sagen, die im Evangelium auf Jesus angewandt werden? So behauptet St. Matthäus, Jeremia habe geweissagt, Christus werde für dreißig Silberlinge verraten werden, hingegen ist dieser Prophezeiung bei Jeremia gar nicht zu finden. Nichts ist seltsamer als die Art, mit der die christlichen Gelehrten sich aus diesen Schwierigkeiten herauswinden. Ihre Lösungen haben nur das Ziel, die Menschen zufriedenzustellen, die es für ihre Pflicht halten, in der Verblendung zu verharren.
116:
Wenn man sich an die Gelehrten der Christen hielte, hätte es den Anschein, als ob es vor der Ankunft des Begründers ihrer Sekte keine wirkliche Moral auf Erden gegeben habe. Sie schildern uns die ganze Welt wie in Finsternis und Verbrechen getaucht. Die Moral war jedoch immer notwendig für die Menschen. Eine Gesellschaft ohne Moral kann nicht bestehen. Wir sehen vor Jesus Christus blühende Völkerschaften, aufgeklärte Philosophen, welche die Menschen beständig an ihre Pflichten erinnert haben. Mit einem Wort, wir finden bei Sokrates, Konfuzius, bei den Gymnosophisten Indiens Lebensregeln vor, die denen des Messias der Christen in nichts nachstehen. Wir finden im Heidentum Beispiele von Rechtlichkeit, Menschlichkeit, Vaterlandsliebe, von Mäßigkeit, Uneigennützigkeit, Langmut und Güte, welche die Ansprüche des Christentums entschieden widerlegen und beweisen, daß es vor seinem Begründer sehr viel echtere Tugenden gab als die, welche er uns lehren kam.
118:
Muß ein wahrer Christ nicht die Notwendigkeit empfinden, grausam und blutdürstig zu sein, wenn man ihn die Heiligen und Helden des Alten Testaments als Beispiel hinstellt? Findet er nicht Beweggründe zur Grausamkeit im Verhalten des Moses, dieses Gesetzgebers, der zweimal das Blut der Israeliten vergoß und mehr als 40 000 Menschen seinem Gott als Opfer darbringen ließ? Findet er nicht in der hinterlistigen Grausamkeit von Pinehas, Jael und Judith genug Gründe, um seine eigene Grausamkeit zu rechtfertigen. Sieht er nicht in David, diesem vollendeten Vorbild der Könige, ein Ungeheuer an Barbarei, Gemeinheit, Ehebrecherei und Aufrührerei, Eigenschaften, die ihn keineswegs hindern, ein Mann nach dem Herzen Gottes zu sein? Mit einem Wort, in der Bibel scheint alles den Christen zu verkünden, daß man der Gottheit nur durch einen rasenden Glaubenseifer gefallen kann und daß dieser Glaubenseifer genügt, um alle Verbrechen vor ihren Augen zu verbergen.
119:
Mit einem Wort, die Religion, die sich rühmte, Eintracht und Frieden zu bringen, hat seit achtzehnhundert Jahren Verwüstungen verursacht und mehr Blutvergießen verschuldet als aller Aberglaube des Heidentums. Zwischen den Bürgern der gleichen Staaten wuchs eine Scheidewand. Einigkeit und zärtliche Liebe wurden aus den Familien verbannt. Man hielt es für seine Pflicht, ungerecht und unmenschlich zu sein. Unter einem Gott, der ungerecht genug ist, die Irrtümer der Menschen übelzunehmen, wurde jeder ungerecht; unter einem neidischen und rachsüchtigen Gott glaubte sich jeder verpflichtet, in seine Streitigkeiten einzugreifen und die Beleidigungen zu rächen, die man ihm zugefügt hatte. Schließlich wurde es unter einem blutdürstigen Gott zum Verdienst, Menschenblut zu vergießen.

Es gibt keinen Christen, den man nicht von Kindheit an lehrt, daß man Gott mehr gehorchen müsse als den Menschen. Aber Gott gehorchen heißt niemals etwas anderes als den Priestern gehorchen. Gott spricht nicht mehr selbst. Die Kirche ist es, die an seiner Statt spricht, und die Kirche ist eine Körperschaft von Priestern, die oft anhand der Bibel feststellt, daß die Herrscher unrecht haben, daß die Gesetze verbrecherisch und höchst sinnvolle Einrichtungen gotteslästerlich sind und daß Toleranz ein Verbrechen ist.
120:
Die Völker lehnten sich immer dann gegen ihre Herrscher auf, wenn man ihnen einredete, daß diese sich gegen ihren Gott auflehnten. Aufruhr und Königsmord erscheinen den eifrigsten Christen als rechtmäßig, da sie Gott mehr gehorchen müssen als den Menschen und, wollen sie ihre ewige Seligkeit nicht gefährden, nicht zwischen dem ewigen Monarchen und den irdischen Königen hin und her schwanken dürfen.
121:
Sind sie allzu schwach, predigen sie Toleranz, Geduld und Sanftmut. Sind sie mächtiger, so predigen sie Verfolgung, Rache, Räuberei und Grausamkeit. In ihren heiligen Büchern finden sie immer etwas, womit sie die widerspruchsvollen Grundsätze rechtfertigen können, die sie verbreiten.

Holbach Teil II

Parsimony.2575


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