Re: Impressionen der Nach-Verbotszeit.


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 14. Januar 2008 05:21:36:

Als Antwort auf: Rechtfertigungs-Webseite ... wer es nötig braucht geschrieben von Bauer am 07. Januar 2008 20:26:

Das kennt man ja auch andernorts, dass Problem der „Auslegung".
Wird der kleine Finger gereicht, wird nicht selten versucht
den ganzen Arm zu nehmen.
Dieser Versuchung konnte wohl auch die WTG nicht entsagen.
Mit Mühe und Not hatte sie dem Naziregime abgetrotzt,
über ihr Vermögen wieder verfügen zu können.
In Verkennung der politischen „Großwetterlage" wähnte man,
selbiges vielleicht zur Rückgängigmachung des Verbotes ausbauen zu können.
Die Rechnung ging dann doch wohl nicht auf.
Jedenfalls nicht im WTG-Sinne.
Dazu mal als zeitgeschichtliche Impression, entsprechende bemerkenswerte Dokumente:

http://www.manfred-gebhard.de/Ignatzy1.jpg


http://www.manfred-gebhard.de/Ignatzy2.jpg

Der WTG-Funktionär Dollinger versuchte zwar durch Eingaben an die NSDAP
etwas „bewirken" zu können. Indes der erhoffte „Erfolg" blieb aus.

http://www.manfred-gebhard.de/Dollinger1.jpg

Auch der Versuch der WTG eine formal „neutrale"
Kalenderproduktion aufzuziehen
(ein Schelm war an dessen anvisierte Vertriebswege -
sprich Zeugen Jehovas - denkt) schlug fehl.

http://www.manfred-gebhard.de/Kalender.jpg

Auf welchen „Höhenflügen" die deutschen WTG-Funktionäre sich
schon wieder befanden, macht auch ihre Absicht deutlich,
gar das „Goldene Zeitalter" wieder beleben zu können.

http://www.manfred-gebhard.de/GZNicolai.jpg


Das damit die Schmerzgrenze des Naziregimes
endgültig überschritten war, hätte man eigentlich auch so wissen können.
Man wollte es aber „genau" wissen.
Und die Geschichte weis zu berichten,
man bekam es auch „genau" zu wissen.

http://www.manfred-gebhard.de/GZAbsicht.jpg

Ergänzend vergleiche man als Detail dazu auch die Aussage im
Protokoll des Georg Rabe

http://www.manfred-gebhard.de/Rabe2.jpg

Ein schwarzer Rabe

Gemessen an dem Schicksal, dass andere Zeugen Jehovas in der Nazizeit ereilte,
darf man doch wohl die Vokabel „erst" verwenden.
Also „erst" am 24 April 1935 wurden auch die verantwortlichen
deutschen WTG-Funktionäre Balzereit und Dollinger (auch) verhaftet.
Bis dahin befanden sich selbige in Freiheit und konnten relativ ungehindert,
diverse Nazibehörden mit ihren Eingaben und Vorstellungen in Sachen Zeugen Jehovas „traktieren".
Nun „erst" am 24. April 1935 war damit auch Schluss.
Warum war damit Schluss? Eine durchaus interessante Frage.
Auch darüber gibt der einschlägige Aktenbestand eine durchaus aufschlußreiche Auskunft.
Natürlich benötigte auch das Naziregime einen formalen Grund
zur Verhaftung von Balzereit und Dollinger.
Die Details dazu sind aus den nachfolgenden
durchaus aufschlußreichen Repros ersichtlich!

http://www.manfred-gebhard.de/281035.1.jpg
http://www.manfred-gebhard.de/281035.2.jpg
http://www.manfred-gebhard.de/281035.3.jpg

Aufschlußreich auch ein Gestapo-Votum vom 19. 4. 1935,
dass selbige damals offensichtlich schon über V-Leute bei den ZJ verfügte,
die nun zur „Aufklärung" eingesetzt wurden!

Selbiges lässt sich auch durch das 1939er Jahrbuch der Zeugen Jehovas belegen
(S. 196f.), wenn auch dort ausgeführt wird:

"Einige untreue Brüder
verrieten andere,
wodurch die Zusammenarbeit unter den Geschwistern erschwert wird.
Es gibt Fälle, wo einstige Brüder
andere an den Feind überliefert
und gegen den Betreffenden ausgesagt haben.
Durch einen Gestapobeamten namens Naumann
sind hunderte von Geschwistern verhaftet worden.
Er soll auch in Österreich gewirkt,
sich dort als Bruder ausgegeben, Literatur überbracht
und Gute-Hoffnungs-Gelder entgegengenommen haben.
Ein anderer Beamter reiste nach Holland,
kaufte dort von einem Pionier verschiedene Schriften
und erstattete dann seinen Vorgesetzten in Deutschland über alles Bericht.
Eine deutsche Spionin besuchte das Büro
in Bern und suchte Informationen zu erhalten.
Dasselbe versuchte sie in Holland."

Was den Namen des Gestapobeamten Naumann anbelangt
(auch G. etwa erwähnt solch einen Namen nicht)
muss vorerst ein Fragezeichen, den Namen betreffend bestehen bleiben.
Kein Fragezeichen hingegen besteht bezüglich der eigentlichen Kernaussage.
Dafür gibt es selbst im Überlieferungbestand der Naziakten einen Beleg.
In einer Zusammenfassung, datiert:

„Linz, am 15. 6. 1939" notiert die Gestapo selbst:

„...Die IBV überwand verhältnismässig bald die bei allen Gegnern
durch den Umbruch hervorgerufene Überraschung und Ratlosigkeit
und begann als erste Gegnergruppe gegen den neuen Staat
spürbar zu arbeiten. Aus diesem Grunde trachtete die hiesige Dienststelle,
in der Person des SS-H-Scharführer Huemer bei dieser Sekte einen
VM anzusetzen. Im August v. J. gelang es H.
das Vertrauen einer fanatischen Bibelforscherin,
einer Wirtin, zu gewinnen und wurde von dieser
nach und nach mit anderen Bibelforschern bekannt gemacht.
Um H.s zahlreiche Fahrten zu den zerstreut im Gebiete Oberdonaus wohnhaften Bibelforschern
unauffälliger zu gestalten,
wurde ihm auf Betreiben der hiesigen Dienststelle
ein Gewerbeschein als Reisender ausgestellt.
Durch die vorerst erwähnte Wirtin wurde H. mit dem Leiter der Sekte, dem Schuhmachermeister Anton Spiessberger,
[Einfügung: bezieht sich wohl regional auf Linz]
bekannt gemacht. Wie H. nun feststellen konnte,
trafen sich die Anhänger der IBV in einzelnen Gruppen,
in Zeitabständen von 8 bis 14 Tagen,
zu ihren sogenannten Erbauuungsstunden.
Bei diesen lasen sie sich gegenseitig aus der Bibel vor,
spielten Platten mit Reden von Rutherford und bestärkten sich gegenseitig
in ihrem Hass gegen Staat, Bewegung und röm. kath. Kirche.
Spiessberger trat im Dezember v. J. an den VM der hiesigen Dienststelle
mit dem Ersuchen heran, er solle die in wenigen Exemplaren
von der Schweiz hereinkommenden illegalen Schriften
"der Wachtturm", vervielfältigen. Aus unbekannten Gründen kam Sp.
aber von diesem Plan wieder ab.

Des öfteren erschien der schon vorerst erwähnte Kraft aus Wien
bei Bibelforschern und brachte diesen Schriftenmaterial mit
und ermunterte sie in ihrem Kampfe und besprach
mit einzelnen Gruppen den weiteren Ausbau der Organisation.
Wie der VM in Erfahrung bringen konnte,
beabsichtigten die Angehörigen der IBV, wie alljährlich am 4. 4. 1939 in Gruppen ein Gedächtnismahl abzuhalten.
Aus diesem Grunde wurden in Zusammenarbeit mit der Geheimen Staatspolizei
an diesem Tage sämtliche der hiesigen Dienststelle bekannten
führenden Anhänger der IBV überwacht.
Im Zuge dieser Aktion wurden von der Geheimen Staatspolizei
insgesamt 27 Anhänger der IBV, Männer wie Frauen, in Haft genommen.
Es handelt sich hierbei durchwegs um fanatische Bibelforscher,
um sogenannte "Todgeweihte".
Allen diesen konnte eine illegale Betätigung nachgewiesen werden.
Bei den im Anschluss an diese Aktion durchgeführten Hausdurchsuchungen
konnten mehrere Grammophone, umfangreiches Schriftenmaterial
u.s.w. sichergestellt werden. Sämtliche in Haft genommene Bibelforscher
bekannten sich als "Todgeweihte Zeugen Jehovas" und gaben an,
dass sie nicht mit dem deutschen Gruss grüssen, weil sie sagten,
das Heil nicht von Hitler komme, und geben auch zu,
dass sie sich auf Grund ihres Glaubens nach einer Enthaftung
wieder weiter für die IBV betätigen würden.
Ein Teil dieser Bibelforscher ist in ein Konzentrationslager überführt,
der andere Teil befindet sich noch in Schutzhaft.
Der Führer des SD-Unterabschnittes Oberdonau"

Das insbesondere Dollinger das „Spiel überreizt hatte",
in der Verfügungsmöglichkeit über das WTG-Vermögen
aus dem vollen schöpfend, macht auch die Tagesmeldung
des Gestapa vom 11. 4. 1935 deutlich.

http://www.manfred-gebhard.de/110435.jpg

Die Lehre aus der Sache: Politische Analphabeten pflegen ja die „Zeichen der Zeit" geflissentlich zu überhören.

Und dann wundern sie sich noch, weshalb sie denn „auf die Fresse gefallen" sind!


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